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Das Buch:

 

Für mich ist die Liebe gestorben, fürchtet Anne, denn das Schicksal hat ihr hart zugesetzt. Von Männern will sie nichts mehr wissen. Lieber kümmert sie sich um ihren kleinen Sohn, denn der hatte es in seinem kurzen Leben nicht leicht. Deswegen zeigt sie nur wenig Dankbarkeit, als ihre Freundinnen ihr für eine Feier einen Tischnachbarn besorgen. Dummerweise ist der charmante Ciro verdammt attraktiv. Anne muss feststellen, dass zumindest ihr Hormonhaushalt noch ziemlich lebendig ist. Das ist fatal, denn Ciro ist ein berüchtigter Casanova …

Ciro hatte sich eigentlich darauf eingestellt, ein langweiliges Mauerblümchen zu bespaßen, doch dass er bei dieser Feier auf seine zukünftige Ehefrau trifft, hätte er nicht erwartet. Sie ist so anders als all die anderen Frauen - seine Seelenverwandte. Jetzt muss er es nur noch hinbekommen, dass Anne das auch erkennt. Sie muss ihm glauben, dass er anders ist als all die anderen Männer. Eine knifflige Mission, denn die Fakten sprechen gegen ihn …

 

 

Prolog Ciro


»Was hältst du von Fesselsex? Weißt du, ich steh total drauf.«

Verdammt! Da habe ich den ganzen Abend in diese Frau investiert und dann kommt sie kurz vor dem Ziel mit so was! Das darf ja wohl nicht wahr sein!

»Also, ich persönlich mag es nicht, wenn ich mich nicht bewegen kann«, antworte ich.

»Das meinte ich auch nicht. Ich steh auf dominante Männer. Ihr Italiener seid doch so Machos.«

Ich krause die Stirn. Hat sie wirklich so viel getrunken? »Echt jetzt? Am ersten Abend mit einem Fremden? So was machst du? Ist das nicht ein bisschen gefährlich?«

»Vielleicht. Das kribbelt doch so schön. Ist doch nur ein Rollenspiel.«

Da unterhalte ich mich den ganzen Abend über Lieblingsfarben, Lieblingsfilme, Lieblingsstars, Urlaubsziele, das Wetter, den Sternenhimmel und wer weiß nicht was … und dann das! Ein Satz mit X. Nix.

»Möglich … aber Rollenspiele sind … anstrengend, wenn man den Partner noch nicht gut kennt«, wiegle ich ab, obwohl ich nicht mehr glaube, dass das noch etwas wird.

Ich bin ja für fast alle Rollenspiele zu haben. Krankenschwester und Patient, Chef und Sekretärin, Klempner und Kundin, meinetwegen auch Professor und Studentin, aber schon bei Cop und Diebin wird es brenzlig - sobald Handschellen ins Spiel kommen. Machtgefälle sind so gar nicht meins.

Die Kleine sieht mich immer noch erwartungsvoll an, aber die Stimmung ist hin, selbst wenn wir keine Spielchen veranstalten würden. Nervös sehe ich mich um.

Mist, meine Freunde sind schon weg!

Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass der letzte Bus auch gerade gefahren ist.

Was nun?

Ich muss wohl oder übel noch schnell eine neue Braut klarmachen. Oder mir damit vier Stunden die Zeit totschlagen, denn dann fährt der erste Bus. Seit die Luft in den Kneipen klarer ist, weil keine Rauchschwaden mehr wabern, sieht man die Leute besser. Das ist nicht immer ein Vorteil. Hier in dieser Kneipe wird das Licht zu später Stunde heruntergedimmt. Wenn man es einmal braucht …

»Hallo? Redest du nicht mehr mit mir?«

»Sorry, ist keine Absicht. Aber ich glaube, dass es zwischen uns nicht so harmonieren würde.«

»Kann dir das nicht früher einfallen?«, murrt sie.

»Schon, aber dafür musst du deine Erwartungen früher kundtun.«

»Blöder Spaghettifresser!«, schnaubt sie und dreht sich weg.

Uff! Was für ein liebreizendes Wesen.

»Keine Ursache«, erwidere ich und nehme mir vor, endlich mit dem Tindern aufzuhören.

Ernüchtert sehe ich mich um. Es gibt nur noch eine Frau, die überhaupt infrage kommt. Eine Blondine, die so aussieht, als ob sie gerade gehen will. Das muss ich verhindern. Ich seufze bei dem Gedanken, dass mir jetzt wieder ein Gespräch über Lieblingsfarben, Lieblingsfilme, Lieblingsstars, Urlaubsziele, das Wetter, den Sternenhimmel und wer weiß nicht was bevorsteht. Besser, ich trage es mit Fassung.

»Hallo. Bist du eigentlich öfter hier?«, will ich von ihr wissen.

»Warum?«

»Weil du mir so bekannt vorkommst.«

»Nur manchmal! Eigentlich mag ich es hier nicht besonders, habe nur meine Freundin begleitet.«

»Oh, wo ist deine Freundin?«

»Gerade mit ihrem Tinder Date abgehauen.«

»Und sie hat dich einfach so allein gelassen?«

»Nein, sie hat vorher gefragt.«

»Rein rhetorisch?«

»Könnte man so sagen.«

»Feine Freundin.«

»Ja, aber ich gönne es ihr. Sie hat gerade Liebeskummer. Und du?«, fragt sie, stützt ihren Kopf auf die Theke, während sie mich wohlwollend ansieht.

»Meine Freunde sind auch wegen eines Tinder Dates verschwunden.« Ist immerhin nicht gelogen, nur nicht gesagt, wessen Verabredung es war.

»Ätzend. Ich mag diese App nicht«, grummelt sie.

»Ich auch nicht. Und du hast sie sowieso nicht nötig, dafür siehst du viel zu gut aus.«

»Du bist süß, weißt du das?«, piepst sie und himmelt mich an. Sie lächelt ziemlich naiv.

»Danke, du auch. Ich trinke noch ein Bier. Magst du noch einen Prosecco?«, erkundige ich mich und gebe dem Barkeeper ein Zeichen, obwohl mir schon etwas duselig ist. Dies sollte besser das letzte Bier sein, sonst macht der Sex keinen Spaß mehr.

»Gerne, einen Aperol bitte. Aber Achtung, wenn ich zu viel getrunken habe, werde ich ziemlich wild«, verspricht sie.

»Tatsächlich? Und wenn mir gerade das gefällt?«, frage ich grinsend.

»Du bringst mein Herz ganz schön zum Klopfen«, sagt sie, schnappt meine Hand und legt sie auf ihre Brust.

Das Mäuschen gibt ganz schön Gas. Vielleicht hat sie ihren kritischen Alkohollevel, bei dem sie wild wird, schon erreicht. Und sie hat ganz schön Holz vor der Hütte, das gefällt mir. Ich liebe kurvige Blondinen! Ich muss mich beherrschen, nicht zuzupacken. Also testen wir die Sache mal an.

Entschlossen ziehe ich sie zu mir, um meine Lippen auf ihre zu pressen. Stürmisch dringt meine Zunge in ihren Mund und sie beantwortet ihn leidenschaftlich. Der Kuss wird immer ungezügelter, hingebungsvoll schmiegt sie sich an mich. Ihr Stöhnen vibriert bis in meinen Unterleib und lässt die Hose eng werden.

Zum Durchatmen rücke ich etwas ab und lächle sie an.

»Du bist so heiß, kein Wunder, dass die Polkappen schmelzen«, raune ich und zwinkere mit dem Auge.

Das Mäuschen grinst stolz. »Hmmm, deine Küsse machen richtig süchtig«, schwärmt sie.

»Deine Küsse berühren auch nicht nur die Lippen«, erwidere ich grinsend und stütze meinen Kopf mit dem Arm auf der Theke ab.

Die Kleine hält unschuldig ihr Köpfchen schief. Ihre langen blonden Haare fließen tief bis ins Dekolleté, das eine üppige Oberweite famos präsentiert. Sie ist die Richtige für heute Abend.

Ein Hoch auf Tinder!

Für eine Nacht kann ich da nichts falsch machen. Schließlich will ich mir nicht eine von den übriggebliebenen und meist betrunkenen Schnallen antun. So nötig habe ich es nun auch wieder nicht.

Sie lächelt provokant, während sie mit ihren Haaren spielt und mich dabei mustert.

»Du siehst hinreißend aus. Weißt du das?«, raunt sie.

Ja, ich weiß, denke ich und lächle. »Findest du? Aber an dich reiche ich nicht ran.«

»Verwegenes Lächeln, Lederjacke, Drei-Tage-Bart … Und das Ganze mit einem Hauch von Macho. Die Frauen stehen auf dich, oder?«

Ich glaube, sie ist die Richtige für eine Bad-Boy-Nummer.

»Du bist wahnsinnig süß, aber definitiv zu lieb für mich. Ich warne dich besser jetzt«, drohe ich. Das klappt fast immer, weil es den sportlichen Ehrgeiz der Frau herausfordert.

»Sag einer an«, säuselt sie und sieht schräg zu mir hoch. »Weißt du, ich stehe total auf Bad Boys.«

Ja, das tun die meisten. Darum funktioniert dieser blöde Spruch ja auch so gut.

»Sicher, aber mich kann man nicht zähmen«, setze ich noch einen drauf.

»Wer sagt denn, dass ich das will?« Provokativ streicht sie mit den Fingern über ihr Dekolleté.

Meine Erfahrung, antworte ich in Gedanken und höre mich »Also, Klartext, ich will nur eine Nacht« sagen.

»Soso, du böser Junge. Vielleicht bin ich ja ein böses Mädchen«, haucht sie, während sie sich zu mir herüberbeugt und an meinem Ohrläppchen knabbert. Ihr heißer Atem streift meinen Hals und verschafft mir eine Gänsehaut, die sich bis in meinen Unterleib zieht und ein vielversprechendes Kribbeln auslöst. Das läuft ja einfacher als gedacht.

»Die Männer sind immer begeistert. Sie sagen, dass ich eine Meisterin im Blasen bin.«

Ich hole tief Luft. »Ja, dann … Aber über eins musst du dir im Klaren sein: Ich bleibe nicht zum Frühstück.«

»Schon klar«, antwortet sie und streckt siegessicher ihre Brust heraus. »Das sagen alle.«

»Ich meine es auch so.«

»Wir werden sehen.«


Kapitel 1 Lieber nicht


»Anne, setz dich. Wie schön, dass du es zu unserem Geheimtreffen ohne Lea geschafft hast«, begrüßte sie Karina, als Anne in der Dorfkneipe eintraf. »Du kennst uns ja alle, oder?«

Anne nickte. »Ja klar, von der Babyparty für Lea.« Sie warf ihre langen Haare nach hinten, zog die Jacke aus und setzte sich auf den rustikalen Holzstuhl. Die Kneipe war gut besucht, der Lärmpegel entsprechend laut. Anne war schon lange nicht mehr in einem derartigen Lokal gewesen, überhaupt war sie schon lange nicht mehr aus gewesen.

»Die Babyparty ist ja schon ein paar Monate her«, meinte Frauke.

»Jepp, aber so schlecht ist mein Gedächtnis nun auch wieder nicht. Du bist Frauke, die mit diesem Sänger, Elias, zusammen ist, oder?«

Frauke lächelte und nickte. »Genau.«

»Und du bist Karina … die Seele der Clique?«

»Oh, vielen Dank. Hat Lea das so erzählt?«, fragte Karina mit einem verlegenen Lächeln.

»Na ja, das hat man so mitbekommen. Du organisierst die Feier, da liegt es nahe.«

»Okay …«, erwiderte Karina. »Mein Ruf eilt mir voraus.«

»Deinen Namen weiß ich nicht mehr«, sagte Anne und wandte sich an Ela. »Ach warte … Manuela.«

Ela lächelte. »Im Prinzip richtig«, erklärte sie. »Aber ich mag den Namen nicht besonders. Nenn mich Manu oder Ela, je nachdem, was du schöner findest, machen das alle anderen auch so.«

»In Ordnung, also, hallo Ela«, grüßte Anne mit einem Nicken.

»Trinkst du auch ein Alt?«, fragte Karina.

»Warum nicht? Ich bin mit dem Fahrrad da«, meinte Anne schulterzuckend.

Karina gab dem Kellner ein Zeichen.

Anne sah sie fragend an, als die Bedienung nur kurze Zeit später das Bier auf den Tisch stellte.

»Ähm, wir haben hier seit Jahren unsere SatV Treffen, da wissen die, was wir wollen«, erklärte Karina grinsend.

»Sex and the Village … ich weiß«, grinste Anne. »Lea hat ja lange genug bei mir gewohnt.«

»Jedenfalls finde ich es toll, dass ihre Geburtstagsfeier bei dir im Garten stattfinden kann«, warf Frauke ein.

»Ist doch Ehrensache. Der Garten ist ja groß genug«, antwortete Anne. »Der Garten und auch das Haus … zu groß, aber ich hänge einfach dran.«

Anne liebte die Gründerzeitvilla ihrer Eltern, in der sie aufgewachsen war, auch wenn der Garten verwilderte und Teile des Hauses nicht mehr bewohnt waren. Es war die Erinnerung an eine sorglose, glückliche Kindheit und irgendwie versprach es die Hoffnung, dass dieses Glück dort noch einmal wieder zurückkehren würde.

»Nachdem Lea ausgezogen war, musste ich mich erst einmal wieder dran gewöhnen, dort auch allein zu sein. Solche Feiern bringen Leben ins Haus.«

Die anderen Mädels nickten. Anne wusste nicht, wie gut sie über ihre Geschichte informiert waren. Aber wie sie Lea kannte, hatte sie denen nur das Nötigste verraten. Ihre beste Freundin redete nicht viel über andere und Schlechtes kam ihr schon gar nicht über die Lippen. Das war etwas, was sie an ihr sehr schätzte.

»Also, lass uns anfangen, denn mein Babysitter hat noch eine Verabredung«, drängte Karina. »Ich habe hier schon mal die Gästeliste. Es sind sechzehn Leute, mit dir siebzehn.«

»Das dürfte kein Problem sein, aber was macht ihr bei schlechtem Wetter?«, fragte Anne.

»Vielleicht könnten wir kurzfristig einen größeren Pavillon aufstellen?«, spekulierte Frauke.

»Die Bierlieferanten verleihen ja auch Zelte«, ergänzte Ela.

»Aber so kurzfristig?«, meinte Karina.

»Das muss auch gar nicht sein. Ich könnte unsere Garage ausräumen … beziehungsweise bräuchte ich dann ein paar helfende Hände zum sauber machen und dekorieren, falls nötig. Die Garage ist sicher groß genug«, erläuterte Anne.

»Klar bekommst du die. Aber beten wir mal, dass das Wetter uns nicht im Stich lässt«, sagte Karina und holte einen Block und Stift aus der Tasche. »Dann lasst uns mal in die genauere Planung gehen … Ich sehe nur noch ein Problem.«

»Und das wäre?«, fragte Anne.

»Hier stehen nur Pärchen auf der Gästeliste. Du wärst der einzige Single.« Karina schaute hoch und blickte Anne abwägend an.

Die nahm einen großen Schluck von ihrem Bier, bevor sie antwortete. »Da sehe ich gar kein Problem. Auf einen Mann kann ich gerne verzichten. Ich bin es gewohnt, allein zu sein.«

»So allein zwischen lauter Pärchen, kommst du dir da nicht blöd vor?«, fragte Frauke.

»Also, ihr denkt ja wohl nicht daran, Thorsten einzuladen?«, fragte sie irritiert.

Die anderen Frauen schüttelten entrüstet den Kopf. »Was denkst du von uns?«

Anne hatte keine Ahnung, wie sie auf diesen schrägen Gedanken gekommen war, dass die Freundinnen von Lea ihren Exmann Thorsten einladen könnten. Der hatte sich nicht nur während der Scheidung bei ihr, sondern danach auch seiner neuen Partnerin Lea gegenüber, ziemlich übel benommen.

»Aber es ist doch blöd, bei einer Feier der einzige Single zu sein«, bestätigte Karina.

»Mir macht das nichts aus – wirklich«, bekräftigte Anne.

Mit dem Thema Mann hatte sich Anne lange auseinandergesetzt und war zu dem Schluss gekommen, dass sie kein Exemplar dieser Gattung brauchte, um ein gutes Leben zu führen. Ihr Job und der kleine Linus waren genug, um glücklich zu sein.

»Weiß denn keiner von euch einen Sitzpartner für Anne?«, fragte Karina hartnäckig und blickte auffordernd in die Runde.

»Soll das hier ein Verkupplungsversuch werden, oder was?«, grummelte Anne.

»Hehe! Wer wird denn gleich so was denken? Mir fällt da gerade jemand ein, Lucas Bruder Ciro«, warf Ela ein. »Ein kleiner Playboy, aber sehr charmant. Auf jeden Fall ist er gut für einen amüsanten Abend.«

Anne hob abwehrend die Hände. »Bitte keinen italienischen Casanova. Das hat mir gerade noch gefehlt.«

Als Ingenieurin war Anne Frau in einem Männerberuf. Durch ihren Job musste sie auch reisen und hatte die Erfahrung gemacht, dass all die Klischees über italienische Männer leider meistens zutrafen.

»Aber als Begleitung für einen Abend? Angeblich will er neuerdings sogar solide werden«, pries Ela ihren Fast-Schwager an.

»Auf keinen Fall!«, antwortete Anne ärgerlich. »So nötig hab ich einen Entertainer bestimmt nicht. Ich kann ja die Kinder bespaßen, falls mir doch langweilig wird.«

»Kommt nicht in Frage. Auf dem Geburtstag deiner Freundin bist du Gast. Außerdem haben wir dafür jemanden engagiert, damit es kein ›Kindergeburtstag‹ wird. Es reicht schon, wenn du die Location stellst«, erklärte Frauke mit Gänsefüßchenfingern.

»Es kann doch nie schaden, neue Leute kennenzulernen«, lockte Karina.

»Aber keinen Aufreißer bitte«, verteidigte sich Anne.

»Aufreißer?!«, entrüstete sich Ela. »Ciro ist nett! Er ist vielleicht etwas … speziell, aber unterhaltsam. Keiner verlangt, dass du mit ihm flirtest, das liegt in deiner Hand. Also, wo ist das Problem?«

»Ja, wo ist das Problem?«, meinte auch Karina.

»Was spricht gegen eine nette Unterhaltung?«, ergänzte Frauke.

»Die wird nicht nett sein, sondern verkrampft! Außerdem kenne ich mit Thorsten genug Luftikusse für den Rest meines Lebens.« Genervt kippte Anne den Rest ihres Bieres herunter und stellte das leere Glas energisch auf den Tisch. Die Freundinnen zuckten zusammen.

»Noch eins bitte. Kannst du ihm das Zeichen geben?«, wandte sie sich an Karina, die ihre Stirn kraus zog, dann aber tat, was Anne wollte.

»Du sollst ihn ja nicht heiraten«, beschwichtigte Ela. »Wir wollen doch nur, dass alle ihren Spaß haben.«

»Den hab ich auch so.« Anne kreuzte ihre Arme vor der Brust. »Ich will nicht angebaggert werden. Ich hab ein für alle Mal genug von den Männern.«

Ela sog scharf die Luft ein. »Ich mag Ciro jedenfalls sehr gern. Er ist wirklich hilfsbereit und nimmt das Leben dabei von der leichten Seite. Du brauchst wirklich keine Angst haben, dass es verkrampft wird«, verteidigte sie ihren Vorschlag. »Und wenn ich ihm sage, dass er dich nicht anbaggern soll, dann macht er das bestimmt nicht.«

Anne verdrehte die Augen. »Hört sich nicht sehr überzeugend an«, meckerte sie.

»Nun sei doch keine Spaßbremse«, forderte Frauke. »Was hast du schon zu verlieren?«

»Genau, du willst doch sicher nicht, dass wir ein schlechtes Gewissen bekommen und dir deswegen ständig irgendwelche Gespräche aufdrängen«, bekräftigte Karina.

Anne sah entgeistert aus. »Ihr redet mich schwindlig. Womit habe ich das nur verdient? Nochmal zum Mitschreiben: Ich brauche keinen Mann! Ich bin mit meinem Leben zufrieden, so wie es ist.«

»Nochmal zum Mitschreiben: Wir wollen dich nicht verkuppeln! Wir wollen nur, dass du dich nicht wie das fünfte Rad am Wagen fühlst«, erregte sich Ela.

»Nun lass schon gut sein«, schlichtete Karina. »Wer nicht will, der hat schon.«

Anne sah in die Runde, alle drei wirkten ein wenig beleidigt. Sie seufzte. Die Mädels meinten es nur gut.

»Ist ja schon gut … meinetwegen«, lenkte sie ein. Sie könnte diesen Kerl ja immer noch ignorieren, wenn er ihr auf den Geist ging. Damit war er hoffentlich zu vergraulen, ansonsten hatte sie ja durch ihre Arbeit gelernt, sich gegen lästige Männer zu wehren.

»Wenn er nervt, garantiere ich für nichts«, warnte sie vorsichtshalber.

Ela nickte. Ein zufriedenes Grinsen erschien auf ihrem Gesicht.

»Es wird bestimmt gut«, tröstete Frauke und klopfte Anne dabei aufmunternd auf die Schulter.

Anne bleckte kurz die Zähne.

»Puh!«, Karina wischte sich dramatisch den imaginären Schweiß von der Stirn und nahm einen kräftigen Schluck aus ihrem Glas. »Das war ein hartes Stück Arbeit. Können wir jetzt endlich zur Planung übergehen?« Sie hob den Block auffordernd in die Höhe.

»Ja, kommt. Ganz in meinem Sinne, ich kann auch nicht so lange bleiben«, erklärte Ela. »Lina muss zum Fußball und Luca und Ciro sind noch in ihrem Motorradladen.«

»Also, dann macht mal Vorschläge«, forderte Karina und brachte den Stift in Position. »Wer kümmert sich um was? Ich höre.«


»Mama!«, rief Linus und lief in die ausgebreiteten Arme von Anne.

Es war schon eine kleine Kraftanstrengung nötig, um ihren Sohn auf den Arm zu heben. »Ahrrr, du wirst immer schwerer, mein Großer«, stöhnte sie.

Ihr Sohn drückte ihr einen feuchten Kuss auf die Wange. »Hast du Bier getrunken?«, fragte er entrüstet und schob sich nach hinten, um Abstand zu gewinnen.

»Ich dachte, du warst shoppen«, argwöhnte Lea, die jetzt auch ihre Freundin erreicht hatte.

»War ich auch, aber es war so heiß und da hatte ich auf einmal einen Bierdurst und hab mir ein Radler gegönnt«, verteidigte sich Anne. Mit schlechtem Gewissen setzte sie Linus wieder ab. Sie hätte sich das Bier verkneifen sollen, Lea wurde skeptisch. Auf keinen Fall wollte sie die Überraschung verderben.

»Ich hab auch immer Lust auf Bier, wenn es so heiß ist«, erklärte Lea.

»Okay«, sagte Linus und verschwand umgehend im Haus.

»Trinkst du noch etwas mit mir? Alkoholfrei natürlich«, fragte Anne.

»Nein, danke, ich muss zurück. Tim muss noch mal weg«, antwortete Lea und umarmte ihre Freundin tröstend. »Nächstes Mal.«

»Okay, mach’s gut. Grüß Tim und danke fürs Babysitten«, erwiderte Anne. Dabei konnte sie die Enttäuschung nicht ganz verbergen.

»Tut mir wirklich leid«, bekräftigte Lea schulterzuckend.

Anne nickte. »Mach dir keinen Kopf«, erklärte sie lächelnd. »Das nächste Mal.«

Lea nickte, drehte sich um und hob den Arm zum Abschied. »Tschüss, Anne. Bis bald.«

»Tschau, Lea.«



Kapitel 2 Bad Boys bleiben nicht zum Frühstück


»Hmmm, komm doch noch einmal zurück«, murmelte das Mäuschen und streckte die Arme nach Ciro aus.

Ciro streckte die Beine aus dem Bett und fuhr sich durch die Haare, bevor er sich zu ihr umdrehte.

»Du weißt doch, das geht nicht, meine Zuckerschnecke«, antwortete Ciro und griff eilig nach seiner Hose.

Sein Fluchttrieb setzte meistens sofort ein, wenn er nüchtern wurde. Bei dieser Frau war der besonders stark und trieb ihn zur Eile. Denn entgegen ihren Beteuerungen vom Vorabend, wollte sie mit ihm ganz bestimmt mehr als eine heiße Nacht verbringen. Doch leider wusste er schon genug, um zu wissen, dass sie für einen Beziehungsversuch nicht geeignet war.

»Ach, so ein Blödsinn. Alles ist möglich, hast du gestern selbst gesagt«, schmollte sie.

»Ich rede zu viel, wenn der Abend lang ist. Außerdem habe ich gleich klargemacht, dass ich nicht bleibe«, antwortete er und schloss den Hosenknopf.

Ihre weiche Hand streichelte seinen Arm. Lächelnd betrachtete er die üppigen Rundungen seiner Bettgespielin, deren Namen er wieder einmal vergessen hatte. Oder hatte er gar nicht danach gefragt? Ciro rieb sich über die Augen. Die Erinnerungen kamen wie durch einen Nebel zurück. Es war wieder mal ein Glas zu viel gewesen. Das musste endlich mit dem Saufen aufhören. Er hasste dieses Katergefühl.

Weich und verführerisch lag sie da. Es wäre ein Genuss, noch sich einmal ineinander zu verlieren. Gerne hätte er ihrer Aufforderung Folge geleistet, aber das würde die falschen Signale senden. Deshalb machte er aus seinen Absichten nie ein Geheimnis. Alles, was die Bindung verstärkte und die Hoffnungen schürte, war zu vermeiden – jedenfalls, solange man nicht sicher war, wen man vor sich hatte. Und bei ihr war er sich mittlerweile sicher, dass sie außerhalb des Bettes zu der anstrengenden Sorte Frau gehörte.

»Nur noch ein bisschen kuscheln … plaudern und vielleicht noch schön gemütlich frühstücken?«, bettelte sie.

Okay, er musste seine Strategie ändern.

»Das ist gefährlich … für mich und für dich, das weißt du doch«, erwiderte er ernst.

»Aber warum? Ich versteh’s nicht. War es denn nicht schön?«

Ciro lächelte, was ihm nicht schwerfiel. »Doch natürlich war es das. Das dürfte dir nicht entgangen sein«, antwortete er und überlegte, was man zu ihrem Trost noch antworten könnte. »Genau das ist doch das Gefährliche. Du weißt doch hoffentlich noch, dass ich dich gewarnt habe.«

»Ja, ja, Bad Boys bleiben nicht zum Frühstück«, wiederholte sie genervt. »Aber wir hatten doch beide getrunken.«

»Richtig. Aber das ist es, Betrunkene und kleine Kinder sagen immer die Wahrheit. Außerdem war ich nüchtern genug, dir keine falschen Hoffnungen zu machen.«

»Damit keiner sein Herz verliert.«

»Genau, denn du weißt, du würdest nicht glücklich mit mir werden«, erklärte er.

Die üppige Schönheit seufzte.

»Also ehrlich, ich finde, du bist überhaupt kein richtiger Bad Boy. Du gehörst nicht zur Mafia, obwohl du Italiener bist«, schmollte sie und spielte mit einer ihrer blonden Locken.

Ciro verdrehte innerlich die Augen. Er wollte doch gar keiner sein. Was fanden die Frauen nur daran?

»Ich bin Deutscher, italienischer Abstammung.«

»Okay, meinetwegen. Trotzdem hast du zwar ein Motorrad, bist aber kein Rocker.«

»Sei doch froh.«

»Bin ich ja auch … vielleicht. Aber findest du nicht, dass ein richtiger Bad Boy wenigstens ein Tattoo bräuchte?«

»Pfft«, Ciro entließ laut die Luft. »Tattoo? Muss ich denn sooo bad sein, um dir das Herz zu brechen?«

»Hm, ich steh auf Männer, die etwas Verwegenes an sich haben.«

»Siehst du, ich bin viel zu gewöhnlich für dich«, nahm er erleichtert die Vorlage an.

»Nein, stimmt nicht. Du hast schon was Verwegenes.«

»Tatsächlich?«

»Ich frag mich bloß, warum nie einer von deiner Sorte zum Frühstück bleiben will.«

»Noch nie ist einer zum Frühstück geblieben?«

»Na ja, keiner, von dem ich es mir gewünscht hätte. Warum ist das bloß so?«

Ciro biss sich fast auf die Lippe. Was sollte er diesem Törtchen antworten?

»Weil du dir immer die falschen Männer angelst, Süße. Du hast etwas Solideres verdient«, tröstete er sie.

Das Mäuschen nickte einsichtig und steckte sich den Finger in den Mund, das wie eine obszöne Geste wirkte. Sie sah ihn an, als ob sie lieber seinen Schwanz anstelle des Fingers dort hätte. In was für einem Film war er da nur wieder gelandet? Billigster Porno? Es war höchste Zeit, zu verschwinden.

»Tut mir leid, ich muss jetzt gehen«, erklärte er nachdrücklich und griff nach seinem Shirt.

Die Zuckerschnecke räkelte sich noch einmal nachdrücklich lasziv und weckte damit instinktiv sein Bedürfnis, sich doch noch einmal in ihr weiches duftendes Fleisch zu vergraben. Verführen konnte sie, das musste man ihr lassen – doch gerade das war gefährlich. Diese Art von Fehler hatte er schon öfter bereut.

Die Kleine wusste, womit man Männer lockte. Sie fasste sich an ihre Brüste, hob sie hoch und streichelte über die Nippel, die sich sofort zusammenzogen.

Ciro sah sie wie hypnotisiert an und schluckte mehrmals.

»Meine Mädels würden gerne noch spielen. Gönn ihnen doch eine Nachspielzeit«, lockte sie.

Automatisiert nickte er, während sich in seiner Hose etwas regte.

Jetzt aber schnell! Ciro schlüpfte eilig in die Lederjacke.

Die dralle Schönheit zog alle Register und ließ ihre Finger über den flachen Bauch, Richtung Venushügel gleiten.

Ciros Blick hing wie gefangen an den langen, knallrot lackierten Nägeln. Oh Mann, das war ein Porno der besseren Sorte. Immer mehr Blut sammelte sich in seinem Unterleib. Sein Atem ging schneller, als sie die Beine spreizte und ihre Finger genießerisch in die Spalte führte. Mit einem sinnlichen Laut leckte sie sich mit der Zunge über ihre prallen Lippen.

»Komm, küss mich wenigstens noch einmal«, flüsterte sie.

Das war ein wenig too much. Nervös fuhr er sich durch die Haare.

»Tschüss, meine Hübsche«, sagte er, bevor er ihr ein Abschiedsküsschen auf die Wange drückte. »Es ist besser, wenn es das bleibt, was es war. Eine außergewöhnliche Nacht, mit wahnsinnig gutem Sex. Lass uns das nicht entzaubern.«

Die Süße schien durch die Worte getröstet zu sein, denn ihre Augen leuchteten bei der Schmeichelei.

Weggelobt.

»Mach’s gut«, verabschiedete er sich freundlich.

»Mmmm, deine Lederjacke riecht so gut. Sie passt zu einem Bad Boy. Bitte, nur noch einen Kuss«, bettelte sie.

Seufzend setzte sich Ciro noch einmal aufs Bett und ließ sich zu einem flüchtigen Kuss heranziehen.

»Ich muss jetzt aber«, sagte er, als er sich wieder löste.

Vor gar nicht allzu langer Zeit war er auf ähnliche Weise in eine Maschinerie hineingeraten, aus der er sich nur schwer wieder befreien konnte. Frauen wehtun, war einfach nicht sein Ding. Komplikationen waren nur zu verhindern, wenn man zu große Nähe am Anfang vermied. Sollte es mehr sein, konnte man ja immer noch nachlegen.

»Na gut, wenn es sein muss«, maulte sie. »Nimmst du mich dafür wenigstens mal auf deinem Motorrad mit?«

Fuck, sie war also ein Klammertyp. Hätte er nicht so viel Alkohol getrunken, hätte er es sicher besser eingeschätzt.

»Eher nicht. Ich will uns nicht in Versuchung führen.«

»Soll ich dir meine Nummer geben, falls du noch mal Lust auf grandiosen Sex hast?«, bettelte sie.

»Ach, besser nicht. Du könntest mir wirklich gefährlich werden.« Hoffentlich kam das überzeugend genug rüber.

Kam es. Die Süße strahlte.

Er erwiderte ihr triumphierendes Lächeln mit einem schiefen Grinsen und zuckte mit den Schultern, bevor er sich umdrehte. Als er das Zimmer verließ, gab er sich große Mühe, dass es nicht zu sehr nach Flucht aussah.

Draußen atmete er einmal tief durch, bevor er sein Handy wieder anschaltete, denn das hatte er vorsichtshalber bei Dates immer aus.

Die Sonne stand schon hoch am Himmel und blendete seine alkoholgeschwächten Augen. So nahm er die Sonnenbrille aus der Tasche der Jacke und setzte sie auf. Prüfend warf er einen Blick in das spiegelnde Schaufenster und glättete sein Haar, bis er halbwegs zufrieden war.

Jetzt musste er sich beeilen, um den Bus nach Hause zu erwischen. Der Bus war ziemlich leer, ein paar Leute saßen hinter dem Busfahrer. Sofort, nachdem er zugestiegen war, setzte sich das Fahrzeug wieder in Bewegung. Ciro ging bis hinten durch und wählte einen Platz auf der Rückbank.

Wie immer bei solchen Gelegenheiten holte er sein Handy hervor. Er seufzte leise, als er eine Nachricht von Kira entdeckte. Bei ihr hatte er den fatalen Fehler gemacht und sich zu schnell überreden lassen. Kira war aber auch eine Süße … So etwas mied er jetzt wie der Teufel das Weihwasser.

Leider hatte er kurz darauf festgestellt, dass sie nicht nur klammerte, sondern auch noch einiges mehr von ihm verlangte. So sollte er keine Motorradfahrten mehr machen, weil sie sonst Angst um ihn hatte. Die Haare waren zu lang, der Bart zu kurz – oder war es umgekehrt? Auf jeden Fall bereute er es schnell. So leicht würde er sich nie wieder einwickeln lassen.

Kira war ja eigentlich ein liebes Mädchen, aber als sie dann auch noch verlangte, keine Testvideos für Motorräder zu drehen, war es eindeutig zu viel.

Um das Geschäft im Motorradladen anzukurbeln, hatte er schon vor längerer Zeit damit angefangen, auf YouTube Testvideos hochzuladen. Kurze Zeit später meldeten sich Motorradhersteller bei ihm, weil ihnen die Präsentationen gefielen. Aber nicht nur die Hersteller sprach es an, es interessierten sich plötzlich auch auffallend viele Frauen für den Laden, den er mit seinem Bruder zusammen aufgebaut hatte. Wahrscheinlich hatte Kira nur Angst, dass andere Frauen ihn in den Filmchen zu sexy fanden.

Da sein Bruder Luca eher eine Spaßbremse war, wurde er zum alleinigen Nutznießer des weiblichen Interesses. Zunächst hatte er es sogar genossen, doch mittlerweile überforderte es ihn – und das sollte was heißen.

Luca war seit kurzem unter der Haube und Ciro spürte so etwas wie Neid. Auch er wollte sich so richtig verlieben und endlich die von den Eltern schon lange geforderte Familie gründen. Leider war das schwieriger als gedacht und verleitete ihn in letzter Zeit zu unüberlegten Handlungen.

Wenn er mit Kira wenigstens gute Gespräche geführt hätte, aber ihre Interessen überschnitten sich kaum, deshalb waren die Unterhaltungen oft verkrampft. Diese Art der Beziehung war auf Dauer nicht befriedigend, da konnte der Sex noch so gut sein.

Ciro schob seine Brille hoch und sah nachdenklich aus dem Fenster. Bei fast allen Frauen, die er ernster ins Auge gefasst hatte, lief es so oder ähnlich ab. Erst die ganz großen Gefühle, dann die große Langeweile. Da war es besser, wenn sie keine Telefonnummern hatten.

Jetzt forderte Kira ständig ›letzte Gespräche‹ ein, bei denen er nie wusste, was er sagen sollte. Und um sie ›wegzuloben‹, war die Beziehung leider zu weit fortgeschritten. Die Situation war verfahren.

Der Bus stoppte, Ciro musste aussteigen.

Von der Haltestelle bis zu dem Motorradladen waren es nur ein paar Schritte. In der Werkstatt stand sein Motorrad, mit dem er heute noch eine Tour machen wollte. Er fuhr nie damit, wenn er etwas trinken wollte. Es war herrliches Wetter, die Mittagssonne brannte vom Himmel. Dadurch wurde ihm in der Lederjacke schon nach ein paar Schritten heiß. Der Fahrtwind würde ihn gleich wieder kühlen.

Voller Vorfreude schwang er sich auf die Sitzbank und startete das Motorrad. Die Vibrationen ließen ihn entspannen. Er atmete tief durch und genoss die vertraute Geruchsmischung aus Leder, Helm und einer Prise Abgase.

Ein paar Mal ließ er den Motor aufheulen, bevor er die Füße auf die Pedale schwang und losfuhr. Der Weg auf der Landstraße war länger, aber spannender. Ciro genoss Licht und Schatten der vorbeiziehenden Landschaft. Ein großartiges Gefühl von Glück und Freiheit überkam ihn. Auf dem Motorrad war er ein anderer Mensch.

Leider war der Weg nach Hause viel zu kurz, deshalb überlegte er, ob er nicht gleich die Tour dranhängen sollte. Sein Magen knurrte. So entschied er sich, dass er vorher besser frühstückte, und schlug den Weg nach Hause ein.


Kapitel 3 Der Vorschlag


Um dem ständigen Genörgel seiner Eltern zu entgehen, war er mit seinem Bruder in ein kleines Vororthäuschen gezogen. Ciro war ihm sehr dankbar für die Wahl ihres gemeinsamen Hauses. Es hatte eine günstige Lage mit der guten Verkehrsanbindung in die Altstadt. Dort war er fast jedes Wochenende, um zu feiern.

Meist fuhr er mit dem Bus, doch bei schönem Wetter mit dem Motorrad. Dann trank er natürlich nichts, sondern traf nur ein paar Kumpels. Oft übernachtete er auch bei ihnen, so konnte er am Sonntag mit ihnen gleich eine Tour starten. Doch auch seine Freunde kamen nach und nach im Ehehafen an und begannen sich fortzupflanzen, darum blieb immer weniger Zeit für das gemeinsame Hobby.

Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet er sich einmal übriggeblieben fühlen würde? Ciro war immer öfter gezwungen, allein zu fahren. Motorradfahren war für ihn das Größte – je schneller, desto besser. Er hatte sein Hobby zum Beruf gemacht.

Eine Zeitlang waren sogar Motorradrennen seine Leidenschaft, die er aber seiner Mutter zuliebe aufgegeben hatte. Irgendwann war es dadurch auch mit den Testfahrten für einen Reifenhersteller vorbei, deshalb hatte er jetzt am Wochenende meistens frei und konnte – oder musste - sich auf andere Weise die Zeit vertreiben.

Was konnte man nach einer arbeitsreichen Woche Besseres tun, als in der Altstadt einen drauf zu machen? Mit seinen Kumpels in der Stammkneipe abhängen und quatschen, bevor man sich etwas zur weiteren Entspannung suchte … Das hatte auch etwas und war in seinem bisherigen Leben definitiv zu kurz gekommen, denn für die Motorradrennen musste man brennen und viel Zeit opfern, da stand alles andere zurück.

In der Woche genoss er die ruhige Lage des neuen Hauses und spielte oft mit Lina, der Tochter von Lucas Freundin Ela. Dabei wurde ihm jedes Mal bewusst, wie sehr er sich nach eigenen Kindern sehnte. Doch Ela, die Nachbarin, war ja leider mit seinem Bruder zusammen.

Leider? Nein, bei genauer Betrachtung würde sie wohl auch nicht zu ihm passen. Er brauchte eine Herausforderung. Eine Frau auf Augenhöhe, an der man sich reiben konnte – geistig wie körperlich. Dafür wäre Ela nicht taff genug, denn die war eine Frau, die sich gerne an einer starken Brust anlehnte.

Auf dem Weg zu seinem Haus überlegte er mal wieder, wie seine zukünftige Traumfrau aussehen sollte. Blonde Mädels waren ja hübsch, aber oft eingebildet und wenn sie das nicht waren, dann fehlte ihnen meistens irgendetwas anderes. Andererseits konnte die Haarfarbe kein Hindernis sein, also war auch eine Blonde okay, wenn es passte. Leider war das die Krux. Irgendetwas vermisste er immer, auch ohne die Äußerlichkeiten zu bewerten.

Waren seine Ansprüche wirklich zu hoch?

Möglich, aber wenn es so war, dann war das eben so. Er konnte sich doch nicht für eine Frau verbiegen. Damit wären beide nicht glücklich und die Katastrophe absehbar.

Ciro seufzte. Seine Mutter fragte ständig nach seinem Liebesleben und ermahnte ihn, dass sie Enkelkinder von ihm erwartete. Manchmal hasste er seine italienischen Vorfahren, die ihm diesen ausgeprägten Familiensinn von Anfang an beigebracht hatten und ihm jetzt damit das Leben schwer machten.

Friedlich leuchtete das Weiß des kleinen Siedlungshäuschens in der Sonne, als er durch den Vorgarten darauf zuging. Es war hier so ruhig und idyllisch. Auch wenn die Gründe für den damaligen Einzug mit seinem Bruder alles andere als beschaulich gewesen waren. Die Dinge hatten sich geklärt und die Lage in der Familie hatte sich beruhigt.

Eigentlich war hier ein perfekter Ort, um Kinder großzuziehen. Leider war das Haus zu klein für zwei Familien und sein Bruder würde sicher über kurz oder lang eigene Kinder haben wollen. Er wäre also bald auch hier das fünfte Rad am Wagen. Noch ein Argument für eine feste Beziehung.

Mit einem »Hallo, ich bin’s«, warf er die Schlüssel auf die Kommode im Flur und ging in die große Küche. Er liebte diese Wohnküche und war froh, dass er nicht allein war.

»Hallo, Brüderchen«, empfing ihn sein Bruder, der Ela auf seinem Schoß innig umarmte.

»Hi, Ciro«, begrüßte sie ihn. Die Arme um den Hals seines Bruders geschlungen, schenkte sie ihm ein warmes Lächeln, bevor sie sich wieder Luca zuwandte.

Die beiden Turteltäubchen schnäbelten weiter und Ciro schaute kurz neidvoll zu, bevor er sich mit einem Kaffee ablenkte.

»Na? Arbeitet ihr fleißig an meinem Neffen?«, fragte er spöttisch, während er sich an den Tisch setzte.

»Nur kein Neid«, antwortete Luca. »Im Moment noch nicht, da sind wir uns einig.«

»Nein, es ist besser, wenn ich erst mal die Ausbildung zu Ende mache«, erklärte Ela.

»Also kann ich bei unseren Eltern von euch auch keine Entlastung erwarten. Alles liegt mal wieder auf meinen Schultern«, scherzte Ciro augenzwinkernd.

»Sorry«, lachte Luca. »Aber wie sieht’s mit deiner Nicole aus? Die hat hier gestern Abend angerufen und nach dir gefragt.«

»Arrrg«, entfuhr es Ciro, er verzog das Gesicht. »Diese Frau hat wirklich Stalkerqualitäten.«

»Tse tse tse«, schüttelte Luca den Kopf. »Wolltest du nicht solide werden?«

»Das bin ich doch. Ich lebe hier mit dir.«

»Du weißt, was ich meine. Das hattest du kürzlich großartig verkündet.«

Ciro seufzte. »Das Projekt gestaltet sich schwieriger als gedacht.«

»Hmmm, ab einem gewissen Alter ist es echt nicht so einfach. Alle guten Partner sind weg und übrig bleiben meist nur die, die eine Macke haben«, meinte Ela grinsend.

»Ist dir eigentlich klar, dass du dich um Kopf und Kragen redest?«, drohte ihr Luca scherzhaft. »Immerhin war ich auch lange Single.«

»Das muss ich wohl nicht kommentieren«, gab Ela feixend zurück.

»Warte, du Frechdachs!«, warnte Luca und gab ihr mit einem strafenden Blick einen Klaps auf den Hintern. Ela schnappte nach Luft, sofort war die erotische Spannung im Raum spürbar.

Ciro verdrehte die Augen.

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Alica H. White
Bildmaterialien: Coverbilder: Fotolia_159283112_XL ; Skyline: Pixabay (Florian Lenz) ; Rest: Freepick
Cover: Michaela Feitsch
Korrektorat: Snipsl Media AG
Tag der Veröffentlichung: 22.04.2021
ISBN: 978-3-7487-8099-1

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für alle Frauen in "Männerberufen"

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