„Das ist eine tolle Idee, das machen wir!“, Manuela lächelt begeistert.
„Meinst du wirklich, Manu? Ist das nicht zu unanständig?“ Karina ist die Skepsis ins Gesicht geschrieben.
„Nein, nein, Kari, ich hab solch einen Busen schon zum Feiern angehabt, das ist prima angekommen!“
Die vier Freundinnen blicken noch einmal zur Bühne der örtlichen Frauensitzung. Mit verhaltener Eleganz und bescheidenem Rhythmusgefühl bewegt sich die Tanzgruppe der katholischen Frauengemeinschaft über die Bühne. Aber nicht die Professionalität der Tanzdarbietung ist das Faszinierende für Frauke, sondern die obszöne Freizügigkeit der Kostüme. Die Tänzerinnen tragen riesige, vorgebundene Plastikbrüste und kleine Teufelshörnchen.
Der Gesang dazu ist wohl Playback, denkt sich Frauke gerade, als die ausgefeilte Choreographie eine Drehung vorsieht. Das ermöglicht einen Blick auf prachtvolle, zum Busen passende, Plastikärsche. Sie wohnt nun schon seit über zehn Jahren im Rheinland, entdeckt aber immer wieder neue, seltsame Karnevalsbräuche.
„Was meinst du, Lea?“ schreit sie, den Mund möglichst dicht an ihrem Ohr. „Möchtest du so ein Kostüm tragen?“
Diese zuckt nur mit den Schultern. „Lass uns das doch nachher besprechen!“, brüllt sie schließlich zurück und klatscht ausgelassen mit den Händen.
Also wandert Fraukes Blick wieder zur Bühne, mit so etwas hat sie bei einer katholischen Frauensitzung nicht gerechnet. Überhaupt, wie hat sie sich eine solche Veranstaltung vorgestellt? Sittsamer, vor allen Dingen, sittsamer! Manche der Beiträge kann man nur mit Wohlwollen als unartig bezeichnen, im Grunde sind sie nichts anderes als versaut. Aufgewachsen ist sie im evangelischen Norddeutschland, dort gibt es keinen Karneval.
Ihre Mutter hatte sie schon als Kind gewarnt: „Die Katholiken, die sind hemmungsloser, die legen eine Beichte ab, schon sind alle Sünden vergeben!“
Ob sie sich dann dafür am Aschermittwoch alle ein Aschekreuz auf die Stirn malen lassen? Mit diesem Ritual, in der heiligen Messe zum Beginn der Fastenzeit, soll der Mensch an seine Vergänglichkeit erinnert und zur Umkehr aufgerufen werden.
Als zwei Weather Girls Doubles die Bühne betreten und It´s Raining Men zum Besten geben, sind die Zuschauer endgültig nicht mehr zu halten. Etliche von ihnen klettern auf die wackeligen Bierzeltgarnituren, mit denen die Turnhalle ausgestattet ist und brüllen. Die, die noch auf dem Boden geblieben sind, schunkeln.
Leider kann von einem „Männerregen“ keine Rede sein. Zur Frauensitzung dürfen nur diese auch in den Saal. Natürlich sind als Bedienung, Bühnenbauer und Band auch wenige Exemplare des starken Geschlechts zugelassen.
Alle vier sind sie als Putzfrauen verkleidet. Ja, hier kann man so etwas wagen: ein Kostüm, das unattraktiv macht.
Frauke fragt sich gerade, was bei einer Herrensitzung wohl geboten wird, als sich Kari unterhakt und sie zum Schunkeln mitreißt. Der Refrain lässt gnadenlos ihr Trommelfell vibrieren.
„Am besten grölt man mit, dann kommt mehr Stimmung auf“, verrät Manu.
Auf jeden Fall darf vor der anstehenden Fastenzeit, die heutzutage meist nur noch aus figurtechnischen Gründen eingehalten wird, noch einmal richtig zugeschlagen werden.
„Habt ihr Durst?“, fragt Manuela. Ohne auf eine Antwort zu warten, winkt sie lässig mit dem Arm und nickt der männlichen Bedienung zu. Der Kellner kommt herangeeilt, das Tablett ausschließlich mit gefüllten Altbiergläsern bestückt. Wer hier etwas anderes als Bier trinken will, muss viel Geduld mitbringen. Jeder bekommt nun von dem breitschultrigen Schönling ein Glas des dunklen, herben Gebräus zugeteilt.
„Danke! Für diese Veranstaltung braucht man wirklich einen gewissen Alkoholpegel, sonst ist das hier nicht auszuhalten!“, tönt Lea ausgelassen in die Runde, die anderen nicken zustimmend.
Jetzt stimmt die Band Die Vögelein vom Titikakasee an, hier müssen, ähnlich wie beim Ententanz, lächerliche Bewegungen nachgeahmt werden. Also hebt Frauke bei Sonnenschein das Schwänzchen in die Höh. Warum auch nicht? Es machen sich hier schließlich alle zu Idioten!
Schnell nimmt sie noch einen kräftigen Zug aus dem Bierglas, das erhöht die Toleranzgrenze.
Jetzt wird doch tatsächlich ein „ernsthafter“ Sketch eingestreut. Die Stimmung geht augenblicklich steil nach unten.
„Das ist ja wohl nicht deren Ernst, uns jetzt wieder von den Tischen zu holen“, mault Manu und blickt dabei fragend in die Runde. Natürlich ist sie sich der Zustimmung ihrer Freundinnen sicher.
Lea zupft dem gerade vorbeilaufenden Kellner auffordernd am Hosenbein. Wie soll man auch sonst die Stimmungslücke füllen? Wieder steht ein frisches Glas vor Frauke … also runter damit.
Nachdem die Veranstaltung überstanden ist, machen sie sich aufgedreht auf den Heimweg. Alle vier sind ineinander gehakt, so geben sie sich gegenseitig Halt.
„Wie wär´s, wenn wir als OP-Schlampen an Altweiber gehen? Ich kann für uns echte Kittel besorgen, dann binden wir den Busen und die Ärsche darüber. Mundschutz und Spritzen kann ich dann auch noch mitbringen.“ Lea scheint von der Plastikbusenidee jetzt doch angetan zu sein.
„Also ich weiß nicht!“, gibt Kari ihre Bedenken kund.
„Als sexy Krankenschwester zu gehen ist doch viel schlimmer, die laufen oft richtig nuttig rum!“ Manu bleibt unbeeindruckt und schwärmt weiter: „Keiner auf der Feier, wo ich dieses Kostüm anhatte, hat mich irgendwie schräg angemacht. Davor braucht ihr keine Angst zu haben, die Jecken nehmen doch alles mit Humor! YOLO Kari, mein Neffe sagt immer You Only Live Once, das ist so ein angesagter Spruch, unter den Jugendlichen“, erklärt Manu mit einem Augenzwinkern.
„Hm“, wirklich überzeugt klingt die Zustimmung von Kari nicht.
„Ok, was soll´s!“ Frauke freundet sich langsam mit dem Gedanken an. Es wird wirklich Zeit, mal wieder etwas ausgelassener zu werden, geht es ihr durch den Kopf. Vielleicht spielt auch der Alkohol eine Rolle.
„Wir werden sicher viel Aufmerksamkeit bekommen“, ergänzt Lea. „Das wird bestimmt ein Riesenspaß!“
Alle nicken, die Kostümwahl ist damit entschieden.
Zuhause angekommen, öffnet Frauke die Tür ihres Einfamilienhauses, betritt den eleganten Eingangsbereich in kühlem Weiß. Das Klimpern der Schlüssel gibt ein Echo im leeren Haus. Das Geräusch wirkt ernüchternd und lässt bei ihr sofort das Gefühl des Alleinseins hochkommen.
Kurz nach dem Einzug drifteten sie und ihr Ehemann immer weiter auseinander, mittlerweile ist er ausgezogen und sie sind geschieden.
Ihre Schritte hallen auf dem glänzenden Granitboden. Sie betritt die Echtholzküche, nimmt aus dem großen Edelstahlkühlschrank eine Flasche Wasser. Sie füllt ein Glas mit Eiswürfeln, aus dem integrierten Spender und beschließt, das Glas im Wohnzimmer zu trinken.
Wieder durchbricht das Geräusch ihrer Schritte die Stille. Müde lässt sie sich auf die weiße Ledercouch im Wohnzimmer plumpsen und gießt sich ein Glas Wasser ein. Sie spürt das kühle Prickeln auf der Zunge und lässt ihre Gedanken schweifen.
Die harte Zeit des Karneval hat angefangen. Am 11.11. um 11 Uhr 11 steigt der Hoppeditz aus dem Senftopf, der Start der Sessionen. Jeder, der etwas auf sein Jeckendasein hält, nimmt an solchen Veranstaltungen teil. Viele dieser Bräuche werden von Frauke, auch heute noch, als seltsam wahrgenommen.
Damit ist sie nicht die Einzige, etliche Leidensgenossen fliehen zur harten Zeit in den Urlaub. Ihr Platz wird dann von zahlreichen Touristen eingenommen, die sich mit Begeisterung ins Getümmel stürzen.
Mit der Altweiberfastnacht erreicht die närrische Zeit ihren Höhepunkt. Am Donnerstag vor Rosenmontag, um 11 Uhr 11, stürmen die „alten“ Weiber, in die Männerbüros um ihren Kollegen die Schlipse abzuschneiden – die symbolische Entmannung.
Dumm nur, wenn ein Auswärtiger eine teure Seidenkrawatte trägt. Hat ein ganz Schlauer gar keine Krawatte umgebunden, sind auch schon mal die Schnürsenkel dran.
Um die überwältigte Männerwelt wieder milde zu stimmen, gibt es ein Bützchen auf die Wange. Damit diese Entschuldigung auch gut sichtbar ist, wird der Mund vorher dick mit Lippenstift belegt.
Manche Frauen nähen sich sogar Röcke aus ihrer Beute. Die attraktivsten Kollegen werden natürlich mehrfach „entmannt“. Dabei muss die Schlipslänge genau eingeteilt werden. Frauke hat erfahren, dass diese Bräuche immer weniger praktiziert werden.
Früher hatten ein paar traditionsbewusste (manche behaupteten auch arbeitsscheue) Kollegen eine Feier organisiert, mit der die Zeit bis zum Feierabend elegant überbrückt wurde. Interessanterweise fanden sich bei dieser Aktion immer dieselben Pärchen, die angeregt miteinander knutschten. Für Frauke war dieses Benehmen allerdings alles andere als anregend. Wer immer noch nicht genug hatte, der ging in die Altstadt, wo dann noch klingelnderweise der Eiermann anzutreffen war. Das war anstrengend und nicht unbedingt jedermanns Sache. Aber, wie heißt es so schön, wenn du in Rom bist, musst du dich wie ein Römer benehmen.
Mit ihren Freundinnen stürzt Frauke sich schon seit einigen Jahren ins Altweibergetümmel. Hier sind alle Narren gleich. Der ausgelassene Spaß ist allen zur lieben Tradition geworden. Ihr Ex-Mann ist an diesem Tag gnadenlos zum Babysitten verdammt.
Althergebrachte Möhnen, wie die alten Weiber genannt werden, gibt es eigentlich nur noch auf dem Düsseldorfer Marktplatz, dort wird um 11 Uhr 11 das Rathaus gestürmt. Auch der Bürgermeister bleibt nicht von der „Entmannung“ verschont. Natürlich wehrt er sich tapfer, zum Beispiel mit einer Stahleinlage in der Krawatte. Es hilft aber alles nichts, symbolisch rückt er den Schlüssel zum Rathaus heraus. Dann werden, auch im Rathaus, bis Aschermittwoch die Narren regieren.
Für einen hohen Marktwert ist natürlich das richtige Kostüm essentiell. Per Katalog, oder im Kostümsupermarkt, wird das gleiche Kostüm für alle vier Freundinnen ausgewählt. Dazu kommt noch eine gewisse Detailverliebtheit, deshalb gestaltet sich die Sache in der Regel als eine zeitaufwendige Herausforderung.
Es heißt, an den Kostümen sind die geheimen Wünsche ihrer Träger erkennbar. So gesehen will von den Vieren keiner Möhne, also ein altes Weib sein. Schon im Januar beginnt die Planung für den Tag der Tage, denn Altweiber gehen in der Regel auch Paare getrennt aus. Nie dreht sich das Flirtkarussell schneller.
Ob wohl dieses Jahr etwas Brauchbares für Sie dabei ist? Die Sache hat irgendwie etwas von einem Lottogewinn. Die Einsamkeit ist manchmal, trotz der lebhaften Gesellschaft ihrer Kinder, schwer zu ertragen.
Die langsam einsetzende Ernüchterung lässt das Gefühl aufkommen, dass sie dieses Jahr irgendwie überrumpelt worden ist. Dieses Kostüm erfordert Mut und Selbstbewusstsein, beides ist durch den zermürbenden Rosenkrieg ihrer Scheidung verringert. Egal … da muss sie jetzt wohl durch!
Es ist soweit, Frauke trifft sich zum Frühstücken mit ihren Freundinnen. Gegen Mittag muss man am Zielort sein, sonst ist der Einlass verpasst. Somit startet die Gruppe um zehn Uhr mit dem Frühstück. Eine solide Grundlage ist hier überlebenswichtig, denn den Rest des Tages wird es nur noch flüssige „Nahrung“ geben. Quatschen, Schminken, Umziehen und natürlich sorgfältig mit Sekt vorglühen.
An den OP-Kitteln wird alles befestigt, was man als Krankenschwester so braucht. Mundschutz, Gummihandschuhe, Verbandmaterial, und für die Spritzen muss natürlich etwas Blut dabei sein. Die Wahl fällt auf einen roten Likör, der auch mit Sekt verdünnt werden kann.
Während Manu und Lea voller Enthusiasmus sind, herrscht bei Kari und Frauke immer noch die Skepsis vor.
„Was soll´s, es gibt sowieso kein Zurück! YOLO“, beseitigt Lea die Zweifel.
Zögerlich nicken die anderen beiden. Zustimmend … oder doch resigniert? Frauke ist sich noch nicht sicher.
Der Beginn der Altstadt wird durch eine Schicht kleiner Likörflaschen und jede Menge Müll markiert. „Das war aber vor ein paar Jahren noch anders“, mault Frauke vor sich hin.
„Ja, da konnte man über eine Schicht von Flaschenscherben waten …“, klärt Kari mit einem Grinsen auf. „Gott sei Dank gibt es jetzt ein offizielles Glasverbot in der Altstadt.“
„Die Zeiten, als sich die Jecken noch benommen haben, sind schon länger vorbei“, kommt es von Manu.
Die Mädels stürmen voran, erste Station ist eine Altstadtkneipe. Hier trägt kaum einer ein Kostüm.
„Betrunkene Bürohengste“, lautet Fraukes messerscharfes Urteil. Ein durchgeistigt, schielender Blick eines betrunkenen Anzugträgers, auf ihre künstlerisch bemalten Latex-Brustwarzen, bestätigt diesen Eindruck.
Kari und Frauke tauschen einen verschwörerischen Blick: „Lasst uns weiterziehen!“ Alle vier Mädels haken sich solidarisch unter, nachdem sie das Lokal verlassen haben.
In den Altstadtgassen begegnen sie einer Gruppe „Kolleginnen“, die natürlich freudig begrüßt wird. „Ihr seid viel cooler als wir“, meint eine der Mädels. „Ihr habt die schöneren Ärsche!“ Dann drehen sie sich um und zeigen, dass sie nur den Plastikbusen tragen.
„Oh, das tut uns leid“, kommt es von Lea mit einem breiten Grinsen. „Wir können euch nur mit einer Blutspritze trösten, wer hat, der hat!“, sie zwinkert den Frauen zu. Der Trost wird natürlich dankend angenommen. Lachend lassen sich die Mädels den Likör in den Mund spritzen.
Auf ihrem Weg begegnen sie auch Norddeutschen Touristen. Eine Gruppe junger Männer, die tatsächlich noch ihre Schlipse tragen.
„Keiner schneidet uns die Schlipse ab“, jammern diese. „Wir dachten hier geht es so richtig ab, aber es scheint wirklich keinen zu interessieren.“
„Naja, Schlipse werden eigentlich nur in den Büros abgeschnitten, wir haben auch keine Scheren dabei, aber ein Bützchen könnt ihr natürlich haben!“, klärt Frauke auf. Sie hat natürlich Verständnis für die Enttäuschung.
Mitleidig drücken die Freundinnen nun den Greenhorns einen roten Lippenstiftkuss auf die Wangen. Jetzt sehen sie schon gleich viel integrierter aus. Der angebotene Likör wird jedoch dankend abgelehnt.
„Und jetzt? Wo gehen wir jetzt hin?“, Kari sieht ratlos aus.
„Zu den Rheinterrassen, da landen wir doch jedes Jahr!“, für Manu schient die Sache klar zu sein.
„Ja, das ist wohl das Beste, also auf, auf!“ Kari macht sich beherzt auf den Weg.
„Ja gut, da tragen die Leute wenigstens Kostüme!“ Auch Frauke schließt sich damit der allgemeinen Meinung an.
Zu den Rheinterrassen führen keine Gassen, sondern eine breite Rheinuferstraße. Der Weg dorthin, zieht sich für die angeheiterten Mädels, ganz schön in die Länge. Das kann zum Problem werden, denn vor den Rheinterrassen bildet sich schon früh eine lange Schlange und die weibliche Blasenkapazität ist begrenzt!
Deswegen führt der erste Weg nach der Ankunft erst einmal zur Toilette. Leider hat sich auch da schon eine Schlange gebildet, eine harte Bewährungsprobe für den Beckenboden. Man könnte ja auch die Männertoilette benutzen, aber mit diesem Kostüm …
Irgendwann erreicht das Quartett schließlich doch die ersehnten Räumlichkeiten. Hier kann auf verschiedene Art gefeiert werden. Im größten Saal werden die aktuellen Chart-Hits gespielt, in einem kleineren Oldies und die typischen Karnevalsschlager. Im dritten versucht eine Live-Band Stimmung zu fabrizieren.
Auch wenn die Düsseldorfer und Kölner sich nicht unbedingt grün sind, musikalisch hängt Düsseldorf am Tropf der Kölner Kreativität. Was wohl auch damit zusammenhängt, dass Köln eine regelrechte Karnevalhit-Wettbewerbskultur aufgebaut hat.
An Altweiber spielen in Köln die angesagten Bands live, abwechselnd, an verschiedenen Stellen der dortigen Altstadt. Den Düsseldorfern sagt man dagegen eher einen „Lackschuhkarneval“ nach.
„Auf solche Angebote können wir Gott sei Dank verzichten!“ Lea zeigt mit dem Finger zu einem T-Shirt, auf dem Brustvergrößerung durch Handauflegen angeboten wird.
„Haha! Kommt lasst uns erstmal einen trinken!“ Kari scheint noch ein wenig flüssigen Mutmacher zu gebrauchen.
Nach der Stärkung ruft Manu: „So Mädels, jetzt lasst uns endlich tanzen!“
Alle vier stürmen auf die Tanzfläche, auf der schon etliche Narren mit teils urigen Bewegungen „abspacken“. Natürlich bleibt man auch von der traditionellen Polonäse nicht verschont, immer noch ein Klassiker.
Irgendwann hat sich die Gruppe etwas zerstreut, Lea flirtet mit Casanova, Manu hat einen Mönch an der Backe und die schüchterne Kari reibt gerade kokett ihren Busen einigen, ebenso schüchternen, „Playboys“ unter die Nase.
Da blickt Frauke in das Gesicht eines hübschen Cowboys, der ein ausgelassenes Lachen an den Tag legt. Mein Gott, diese Grübchen! Frauke schmilzt dahin.
„Nettes Kostüm“, merkt er mit einem Grinsen an, das seine schneeweißen Zähne zur Geltung bringt. Seine dunklen Augen funkeln, das bringt sie ziemlich aus dem Konzept. Ihre Knie werden wackelig, im Bauch macht sich ein merkwürdiges Kribbeln bemerkbar. „Danke.“ Etwas Besseres fällt ihr gerade nicht ein, denn der Kopf ist auf einmal wie leergefegt.
Lange sehen sie sich in die Augen, dann senkt er sein Gesicht herunter. Gebannt kann Frauke nur noch auf seinen schön geschwungenen Mund sehen. Wie gelähmt starrt sie ihn an und öffnet leicht ihre Lippen. Sein Gesicht kommt ganz nah an sie heran, Frauke kann seinen Atem spüren, fängt einen Hauch seines Geruchs ein. Sie schließt die Augen und erwartet seinen Kuss …
Da tippt ihr jemand auf die Schulter. „Kommst du mit auf die Toilette?“, brüllt Manu ihr ins Ohr.
„Jetzt?“
„Wir sollten besser rechtzeitig gehen, man weiß nie wie groß die Schlange ist.“
Ja, da muss Frauke ihr Recht geben und nickt zustimmend. Mit einem entschuldigenden Schulterzucken verabschiedet sie sich vom Cowboy.
Sie fassen sich an den Händen und machen sich auf, in Richtung Toilette. Dort angekommen, treffen sie auf einige Hexen, die sich über ihren Plastikbusen empören. Frauke und Manu sehen sich grinsend an. Ob die wohl verkleidet sind?
Auf dem Rückweg begegnen sie einem Witzbold. „Sind die empfindlich?“, fragt der mit einem dämlichen Grinsen und zeigt auf die Brustwarzen.
„Ja, klar!“, erwidert Manu mit verdrehten Augen.
„Beachtung finden wir heute wirklich genug!“, raunt Frauke ihr ins Ohr.
„Hab ich doch gesagt! Genug für einen grandiosen Flirt … YOLO“, lautet die Antwort ihrer Freundin. Mit einem süffisanten Grinsen klopft sie ihr dann noch kumpelhaft auf die Schulter.
Als die beiden am Standort wieder eintreffen, tröstet sich der süße Cowboy inzwischen mit einem noch süßeren Marienkäferchen. Er schielt aber zu Frauke rüber und lässt wieder sein gewinnendes Lächeln spielen. Nun zuckt er bedauernd mit den Schultern.
Frauke versucht ihre Enttäuschung zu verbergen, zu gerne hätte sie von seinem Geschmack gekostet.
Da fällt ihr Blick auf einen Schönheitschirurgen, der gegen Küsse Nasenkorrekturen anbietet. Die neuen Nasen hängen in Form von Pappnasen an seinem Kittel. In einem kühnen Anflug bemerkt Frauke: „Oh, wie schade, mit uns kannst du nichts verdienen!“
„Ja, ich seh schon, ihr seid unverbesserlich!“, lautet seine lachende Antwort.
Da tritt jemand von hinten an sie heran: „Kann ich dir etwas zu trinken spendieren?“ Die dunkle, raue Stimme und der Atem, den sie auf ihrem Hals spürt, verursachen bei Frauke eine Gänsehaut. Sie dreht sich um und sieht in die warmen Augen ihres Cowboys.
„Ja, warum nicht“, antwortet sie und versucht ihre inneren Jubelstürme zu verbergen.
Sie gehen zum Bierstand. Er reicht ihr ein Bier und raunt: „Komm lass uns da in die Ecke setzen.“
Wer kann dazu schon nein sagen! In der Ecke, auf der Fensterbank im Flur, tönt die Musik schwächer. Das macht sogar Gespräche möglich. Den Rest des Abends reden sie, und küssen sich zwischendurch.
Er heißt Elias und hat sich gerade von seiner Freundin getrennt. Diese arbeitete zu viel, hat die Beziehung vernachlässigt. Dass Frauke Kinder hat, scheint ihn nicht zu stören. Naja, heute stört es wohl niemanden.
Die Zeit vergeht wie im Flug. Die Räumlichkeiten haben sich fast ganz geleert, als sie von ihren Freundinnen abgeholt wird.
Als sie auf dem Heimweg sind, kommt es neugierig von Kari: „Und? Habt ihr Handynummern getauscht?“ Frauke nickt nur selig.
„Und, seht ihr euch wieder?“, fragt Lea.
„Ist doch egal“, erwidert Frauke. Sie wundert sich gerade über sich selbst. „ YOLO“, verkündet sie mit einem breiten Grinsen.
Ende
Anmerkung der Autorin: In den Rheinterrassen feiert mittlerweile eine große Versicherung. Die Geschichte ist natürlich erfunden ;-)
Die Geschichte von Frauke und Elias wird weitererzählt. Die Liebesgeschichte heißt "Bittersüßer Kaffee".
YOLO, You Only Live Once, das ist der Spruch, den Frauke von ihren Freundinnen kennt. Um endlich ihre Scheidung zu überwinden, stürzt sie sich in den Karneval. Dort begegnet sie einem jungen, gut aussehenden Cowboy, der ihr mit seinem Lächeln den Verstand raubt. Beide sind überwältigt von ihren Gefühlen und tauchen in eine Welt voller Leidenschaft.
Doch abgeschminkt und ohne Kostüme zeigt sich, dass ihre Lebensentwürfe vollkommen unterschiedlich sind. Dazu kämpfen beide mit Dämonen aus ihrer Vergangenheit.
Kann man sich die Sehnsucht nach Geborgenheit und Liebe so einfach erfüllen, wenn der siebte Himmel und die Hölle so nah beieinander liegen? Für beide eine verdammt heiße Tasse voll bittersüßem Kaffee …
Eine ausführliche Lesprobe finden sie im nächsten Kapitel und im darauffolgendem eine Lesprobe aus "Somebody Perfect?"
"Somebody Perfect?"
Ausgerechnet in ihrer Hochzeitsnacht entdeckt Lisa starke Gefühle für ihren alten Sandkastenfreund Raphael. Aus der bekannten Vertrautheit entwickelt sich in dieser Nacht ein überraschend intensiver Moment, der sie fortan nicht mehr loslässt. Doch Raphael besitzt den Ruf eines unterkühlten Womanizers; er ist nicht nur außergewöhnlich schön, sondern auch hochbegabt.Ihre Wege verlaufen zwar anschließend getrennt, doch beide müssen immer wieder an diese besondere Begegnung denken. Lisa fragt sich immer mehr, ob die Entscheidung, ihre Jugendliebe Alex zu heiraten, richtig war. Das Leben hält einige überraschende Wendungen für beide bereit. Dann erfährt Lisa, dass Raphael etwas anders tickt. Gibt es jetzt doch noch eine Chance für ihre Liebe? Eine junge, ungewöhnliche Liebesgeschichte, mit Witz und Tiefgang. Der Roman enthält explizite Szenen.
Vielen Dank für ihr Interesse.
Bücher der YOLO Reihe
Die YOLO Reihe entwickelte sich aus dieser Kurzgeschichte. Diese handelt davon, wie das Nordlicht Frauke den Rheinischen Karneval erlebt. Was ist, wenn man sich dabei in einen kostümierten Mann verliebt und erst nach und nach hinter die Maske blickt? Diese Frage wird im ersten Band "Bittersüßer Kaffee" auf dramatische Weise beantwortet. Ich habe damals den Hinweis bekommen, dass Frauke als Name zu "unsexy" klingt. Das mag sein, aber er ist sehr norddeutsch und es gibt einen Grund, warum sie so heißt.
"YOLO, You Only Live Once" ist eine Liebesroman-Reihe, die das Herz berührt. Sie spielt in der reichen Modestadt Düsseldorf und ihrer Umgebung. Die Helden sind Menschen, die ihrem Leben noch einmal eine ganz neue Richtung geben. Im Mittelpunkt stehen dabei die vier Freundinnen, Frauke, Lea, Manuela und Karina, die sich nicht nur bei ihren SatV-Treffen (Sex and the Village) in Liebes- und Lebensfragen beraten. Alle Geschichten sind unabhängig voneinander zu lesen, mit einem Schuss sinnlicher Erotik und natürlich Happy End. In jedem Band gibt es ein Wiedersehen mit den Helden aus den anderen Bänden.
Band 1: Bittersüßer Kaffee 1 – Elias' Song (Frauke)
Band 2: L(i)ebe lieber ungefährlich – Tims Geständnis (Lea)
Bittersüßer Kaffee
1. Karneval
„Also, ich weiß nicht. Ich finde, ihr habt mich dieses Jahr mit den Kostümen irgendwie überrumpelt.“ Nachdenklich zog Frauke die schwarze Wimperntusche über ihre langen Wimpern.
„Ihr habt mich mit Alkohol gefügig gemacht und dann meine Schwäche ausgenutzt“, ergänzte sie.
Als sie ihre Schminkerei beendet hatte, blickte sie ihrer Freundin Manuela, genannt Manu, über den großen Badezimmerspiegel in die Augen.
Manu verteilte sich gerade großzügig einen grellen, lila Lidschatten über das ganze Lid und grinste.
„Ach was“, winkte sie mit dem Schminkpinsel in der Hand ab. „Nun sei doch nicht immer so feige. Für einen guten Marktwert muss man sich auch mal etwas zutrauen. Schau dich doch an, du siehst toll aus.“
Manu hielt ihre geöffnete Hand hin, als Zeichen, dass sie jetzt die Wimperntusche benötigte.
Manu war die Mutigste der vier Freundinnen und sich ihrer Wirkung auf Männer immer voll bewusst.
Geistesabwesend steckte Frauke die Wimpernbürste in die Tusche und reichte sie ihr, während sie ihren riesigen Plastikbusen im Spiegel betrachtete.
Aus einer Bierlaune heraus, fiel vor einigen Wochen die Wahl für das Kostüm, auf einer Frauensitzung. Grüne OP-Kittel, mit darüber gebundenen, riesigen Plastikbrüsten. Doch damit nicht genug, das Gesäß wurde noch mit einem entsprechenden Plastikhintern geschmückt.
„Karneval ist alles erlaubt“, raunte Lea von hinten und reichte ihr ein Glas Sekt. „Nutze die Beachtung, die du zweifellos bekommen wirst, um mal wieder so richtig zu flirten. Denk dran, YOLO, You Only Live Once.“
Sie fuhr sich mit den Händen durch ihr langes Haar. „Was meint ihr? Soll ich noch ein wenig Glitzerspray ins Haar geben?“
„Ein Rauschgoldengel im OP, warum nicht?“, bemerkte Manu. „Es kann absolut nicht schaden, wenn man zeigt, was man hat.“ Sie drehte sich zu Lea um und zwinkerte ihr zu. „YOLO.“
Frauke verdrehte ihre Augen und nahm erstmal einen tiefen Zug aus ihrem Sektglas. Gleich würde sie sich besser fühlen …
„Frauke, ich finde auch, du solltest deinen Ex jetzt langsam mal in den Wind schießen und dich endlich zu neuen Ufern aufmachen. Der Typ ist doch keinen Schuss Pulver wert. Der hat es überhaupt nicht verdient, dass du ihm so lange nachtrauerst“, sagte die sensible Karina, genannt Kari, und legte dabei die Hand auf Fraukes Schulter.
„Ihr habt ja recht“, seufzte Frauke und stellte ihr Glas ab, um aus ihrem glatten, langen Haar einen Pferdeschwanz zu binden. „Ich bin nur … irgendwie … völlig aus der Übung … mit dieser Flirterei ...“
„Aus der Übung? Soll das dein Ernst sein? Ich stell mir dich gerade als jugendliche Flirtkanone vor und kriege einfach kein Bild in den Kopf.“ Lachend schlug Lea ihr kumpelhaft auf die Schulter. „Hast du damals nicht gleich deinen ersten Freund geheiratet?“
„Na ja …“
„Nutze deine Chancen“, ergänzte Manu, „was hast du schon zu verlieren?“
„Als wenn schon jemals jemand, im Karneval, einen vernünftigen Mann gefunden hätte“, murmelte Frauke kopfschüttelnd.
„Du willst dir gleich einen Heiratskandidaten angeln? Das kann ja wohl nicht dein Ernst sein! Konzentriere dich besser darauf, nachzuholen, was du in deiner Jugend versäumt hast.“
„Nein Lea, ich finde, man braucht sich nicht erstmal durch alle Betten schlafen, bevor man sich bindet. Jedes Mal reibst du mir das unter die Nase!“, gab Frauke aufbrausend zurück. Blut stieg in ihren Kopf, ließ die Wangen erröten.
„Du bist nicht nur hübsch“, tröstete Kari. „Du bist eine richtige Schönheit. Björn und ich haben uns übrigens auch im Karneval kennengelernt, über Freunde.“
„Jedes Mal laufen dir die meisten Männer, eklig sabbernd, hinterher. Du brauchst doch nur die ,Norddeutsch Unterkühlte´ ablegen“, sagte Manu und machte Gänsefüßchen mit den Fingern.
Inzwischen hatten sich alle drei Freundinnen Frauke zugewandt. Der blieb nichts anderes übrig, als zu nicken. „Ja, ja, ich weiß schon! YOLO! Möglich, dass ich schüchtern bin, aber das ist gar nicht so einfach abzulegen.“
„Na kommt“, beendete Lea die Diskussion. „Lasst uns noch was trinken.“
„Ja“, stimmte Kari zu. „Ich brauche definitiv einen höheren Pegel, um mich mit diesem Kostüm wohl zu fühlen.“
Noch immer skeptisch, machte sich Frauke mit ihren Freundinnen, auf den Weg zur Bahnstation.
„Oh Mann, so ein Mist! Ich kann meine Jacke überhaupt nicht zumachen“, beschwerte sich Kari.
„Das kann wohl keiner von uns“, gab Lea zurück. „Dann müssen wir eben abwechselnd die Sektflasche halten. Ich stelle mich zur Verfügung und stecke den Nachschub in meine Tasche.“
„Kommt jetzt endlich, sonst verpassen wir noch die Bahn. Ich hab noch keine Fahrkarte“, trieb Manu die Gruppe an.
„Gib mal die Flasche, die kann noch einen Spritzer von unserem Likör-Blut aus der Spritze vertragen. Ich brauche definitiv noch ein paar Umdrehungen“, stöhnte Frauke.
Mit zügigen Schritten erreichten sie die Bahnstation, sie ließen die Flasche mit dem aufgepeppten Sekt so lange in ihrer Runde kreisen, bis die Bahn einfuhr.
Frauke nahm besonders tiefe Schlucke, versuchte so, die neugieren Blicke der anderen Passanten wegzutrinken.
Während der Fahrt drehten sich ihre Gespräche hauptsächlich um ihre Kinder, über die sie sich vor einigen Jahren im Kindergarten kennengelernt hatten. Die Kinder waren, durch die regelmäßigen Treffen ihrer Mütter, auch immer noch befreundet.
Vollkommen auf das Gespräch konzentriert, konnte Frauke die neugierigen Blicke, auf die ungewöhnlichen Kostüme, verdrängen.
„Jetzt müssen wir aber Gas geben, um noch die zweite Flasche zu schaffen. Ihr wisst ja, in der Altstadt ist Glasverbot, bis dahin müssen wir sie leer haben“, sagte Kari und ließ den Korken der zweiten Flasche knallen.
Bis zum Erreichen der Altstadt war Fraukes Alkoholpegel endlich zufriedenstellend. Sie hatten auf dem Weg einige kleine Erlebnisse, die, die Stimmung weiter steigen ließ. Das ermöglichte es ihr endlich, den Leuten fröhlich ins Gesicht zu sehen, als die Gruppe eine Kneipe betrat.
Hier war es extrem voll und laute Stimmungsmusik ließ die Ohren dröhnen. Die meisten Gäste waren Männer im Anzug. Die Kneipe war ungeschmückt, deshalb kam wohl keine echte Karnevalsstimmung auf.
Manu und Lea stürmten trotzdem ins Getümmel, während Frauke und Kari am Rand blieben und das Treiben beobachteten.
„Die sind so früh wie möglich aus ihren Büros geflüchtet um sich einen auf die Lampe zu gießen“, brüllte Kari ihr ins Ohr.
Frauke nickte und sah sich einen Mann an, der gefährlich schwankend vor ihr stehenblieb. Sie lächelte, denn er hatte erhebliche Schwierigkeiten beim Fokussieren. Dämlich grinsend schielte er auf Fraukes Plastikvorbau mit den künstlerisch gemalten Brustwarzen.
„Man könnte meinen, er denkt, die sind echt!“, brüllte Frauke zu Kari. Diese nickte zustimmend und grinste breit.
Der Anzugträger stutzte und schwankte davon.
„Betrunkene Bürohengste, scheußlich!“, ergänzte Frauke.
„Du musst es ja wissen, du hast ja genug Büroerfahrung“, gab ihre Freundin zurück. „Komm, lass uns woanders hingehen, hier sind zu viele Betrunkene und die anderen Gäste sehen aus wie Spaßbremsen.“
Wild winkend gab sie den anderen beiden ein Zeichen, als sie die Kneipe verließen.
Manu und Lea zeigten ihr Einverständnis durch Nicken und folgten ihren Freundinnen auf die Straße.
„Kommt, lasst uns in die Rheinterrassen gehen, da landen wir sowieso jedes Jahr“, schlug Kari vor.
„Ja, ich finde auch … da sind die Leute wenigstens verkleidet“, stimmte Lea zu.
Als Zeichen der Einigung haken sich alle unter und machen sich auf den Weg, entlang des Rheinufers zu den großen Veranstaltungshallen.
„Lasst uns beeilen, sonst kommen wir womöglich nicht mehr rechtzeitig“, wurden die drei dann von Manu angetrieben.
„Die Schlange vor den Rheinterrassen ist lang, aber ich finde es immer amüsant, mir die ganzen anderen Leute anzusehen“, warf Frauke ein.
„Du sollst dir die Leute nicht nur ansehen, sondern auch mit ihnen reeeden! Und am besten mit gaaanz vielen Männern flirten.“
„Lea, jetzt sei endlich still“, fauchte Frauke.
„Oh Mann“, rief Manu plötzlich, „ich hätte in der Kneipe auf Toilette gehen sollen. Die Tour, die Schlange vor dem Haus und dann noch die erste Toilettenschlange - das überlebe ich nicht!“
„Dann musst du wohl in die Büsche, so wie ich letztes Jahr“, kicherte Kari.
„Fuck“, fluchte Manu, während sie die Flussböschung hinunter kletterte. „Kommt noch jemand mit? Oder muss ich etwa alleine gehen?“
„Denk dran: Gegen den Wind pinkeln, sonst pinkelst du dir selbst gegen das Bein! Du bist kein Mann!“, rief Lea ihr lachend hinterher.
„Was du nicht sagst! Was meinst du wohl, warum ich so ungern allein pinkle“, gab Manu zurück.
Triumphierend blickte Manu auf die drei Mädels, als diese am Zielort in der Toilettenschlange standen. „Soll ich schon mal vorgehen und uns ein Bier bestellen?“, fragte sie süffisant.
„Die beste Idee des Tages!“, erwiderte Frauke, „ich brauche unbedingt Nachschub, sonst werde ich noch nüchtern!“
„Das wäre einfach schrecklich!“
„Nicht auszuhalten!“
Manu hatte sich schon längst umgedreht und steuerte zielstrebig die Veranstaltungsräume an.
Sie erwartete ihre Freundinnen bereits, als diese von der Toilette kamen und verteilte die Gläser. Das dunkelbraune Altbier rann in wenigen Zügen durch ihre Kehlen.
Frisch gestärkt konnte nun endlich die Tanzfläche erobert werden. Ausgelassen Tanzen, das war einer der Hauptgründe, warum Frauke sich diese Veranstaltung jedes Jahr wieder antat. Nach einer Weile stand sie leicht aus der Puste am Rand und sah sich das bunte Treiben an.
Sie musste Manu recht geben, auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten fanden sich seltsame Attraktionen. Geworben wurde mit allem, was irgendwie Erfolg versprach. Tiefste Dekolletees, Netzstrümpfe, Strapse aller Art und natürlich superkurze Röcke … Sie hatte längst bemerkt, dass ihre künstlich, weiblichen Rundungen nicht von jedem als Satire verstanden wurden.
Ihre Freundinnen waren schon fleißig am Flirten, doch sie hatte dazu immer noch nicht den richtigen Mut gefunden. Deshalb besorgte sie die nächste Runde Bier, für die Mädels. Irgendwann würde sie schon noch beherzter werden.
Langsam stieg der Alkohol wieder in den Kopf und erneuerte das Gefühl der Leichtigkeit – endlich.
„Oh holde Maid, welch edles Gewand“, scherzte ein Ritter belustigt mit ihr.
Frauke lächelte den Ritter erfreut an, bis der ein stimmungstötendes: „Ich bin ein Raubritter, darf ich ihnen einen Kuss rauben?“, von sich gab.
Manche Typen sind einfach zu dämlich! Genervt drehte sie sich weg.
Da blickte sie in das Gesicht eines gutaussehenden Cowboys, der die Szene belustigt beobachtet hatte.
„Nettes Kostüm“, bemerkte er lächelnd und zeigte, neben einer ebenmäßigen Reihe schneeweißer Zähne, auch zwei niedliche Grübchen … Wow!
Bei Frauke stellte sich ein merkwürdiges Bauchgefühl ein. Ihre Knie wurden weicher und der Atem ging schneller. Sie fühlte sich wie ein Teenager, der das erste Mal von einem Jungen angesprochen wurde. Ein Gefühl, das sie schon lange nicht mehr gehabt hatte.
Starr stand sie da und war von seinen dunklen Augen gefesselt. Sie spürte, wie langsam Wärme in ihren Kopf stieg. „Danke“, stotterte sie und fluchte innerlich über ihre geringe Schlagfertigkeit.
Aber auch er wirkte überrascht, sein gewinnendes Lächeln erstarb. Er schien mit einem Mal genauso aufgeregt zu sein, wie sie.
Für eine gefühlte Ewigkeit standen sie sich gegenüber und sahen sich an. Die Zeit stand still.
Als wenn zwei Magneten in ihnen angeschaltet wurden, näherten sich plötzlich ihre Köpfe.
Frauke sah auf den schön geschwungenen Mund des Cowboys. Sie wollte diese Lippen spüren, ihren Geschmack kosten. Ein Hauch seines Geruchs stieg in ihre Nase, hm … Instinktiv öffnete sie ihren Mund ganz leicht, sie konnte seinen Kuss kaum noch erwarten und schloss die Augen.
Sein Atem kitzelte in ihrem Gesicht, es konnte sich nur noch um Millimeter handeln. Frauke musste ein Stöhnen unterdrücken.
Da tippte ihr von hinten jemand auf die Schulter.
„Stör ich?“ Wurde sie von Manu aus dieser traumhaften Szene gerissen. „Kommst du mit auf Toilette?“
„Jetzt!?“, gab Frauke entsetzt zurück.
„Ja, die Schlange ist lang und die anderen beiden waren vorhin schon … bitte!“, bettelte Manu. „Du weißt doch, ich geh nicht gerne allein, dann ist das auch nicht so langweilig.“
Mit einem Schmollmund und Dackelblick stand sie vor ihr. Wer konnte dazu schon nein sagen?
Also drehte Frauke sich zu ihrem Cowboy um und warf ihm einen bedauernden Blick zu. Der sah tatsächlich enttäuscht aus. Mit einem Achselzucken entschuldigte sie sich und wurde von Manu am Arm wegezogen.
„Tut mir wirklich leid, dass ich dich von diesem Schnuckelchen wegholen musste. Freut mich, dass du jetzt auch soweit bist und endlich anfängst zu flirten. Wie küsst er denn so?“
„Woher soll ich das wissen?“
„Ach du je, ich bin schon ein Trampel, oder? Ich hoffe, ihr könnt gleich anknüpfen.“
Frauke antwortete mit einem Seufzer.
Oft war die Wartezeit in der Toilettenschlange kurzweilig und ‚Frau‘ kann nette Leute kennenlernen.
Diesmal stand vor ihnen eine Gruppe, die als Hexen verkleidet waren und sich auch so benahmen. Sie entrüsteten sich über das, ihrer Meinung nach, unmoralische, Kostüm.
„Ich glaub, die sind nur neidisch, weil wir mehr Beachtung bekommen“, raunte Manu Frauke ins Ohr.
Frauke nickte grinsend, seitdem ihr Kostüm dem Cowboy gefiel, hatte sie ihren Frieden damit geschlossen.
Erwartungsvoll kehrte sie zum Sammelpunkt zurück.
Ihr Cowboy flirtete nun mit einem süßem Marienkäferchen, die begierig an seinen Lippen hing. Allerdings sah er immer wieder hoch und suchte die Umgebung ab. Als er Frauke ausmachte, blieb sein Blick an ihr hängen. Und da war es wieder, dieses unwiderstehliche Lächeln. Diesmal zuckte er mit den Schultern.
Frauke versuchte, ein gleichgültiges Gesicht aufzusetzen, aber die Szene versetzte ihr trotzdem einen Stich.
Nur, so schnell gab das Marienkäferchen natürlich nicht auf. Sie drehte sein Gesicht wieder zu sich und zwang ihn zur Aufmerksamkeit.
Cool bleiben! Dachte sich Frauke und wandte sich ab. Vor ihr stand ein hochgewachsener Schönheitschirurg, der, gegen Küsse, neue Nasen anbot. Diese hingen in Form von Pappnasen an seinem Kittel.
„Mit uns kannst du aber nichts verdienen“, entfuhr es Frauke, in einem Anflug von Kühnheit.
Der Chirurg grinste. „Ja, ich seh schon, ihr seid einfach unverbesserlich.“
„Kann ich dir ein Bier ausgeben?“, kam es plötzlich von hinten. Frauke zuckte zusammen, drehte sich um und brach in innere Jubelstürme aus. Ihr Cowboy stand wieder vor ihr, fast wäre sie ihm um den Hals gefallen.
Cool bleiben! Schoss es ihr erneut durch den Kopf. Sie nickte, konnte sich aber ein erfreutes Lächeln nicht verkneifen. Er gab das Lachen zurück und Frauke schmolz dahin.
Der Cowboy nahm ihre Hand und drückte kurz zu, dann zog er, mit Frauke an der Hand, Richtung Theke. Frauke war von der Berührung wie elektrisiert und ließ sich nur zu gerne von ihm leiten.
„Für deine Freundinnen auch, oder?“
Frauke nickte.
Gemeinsam vollbrachten sie die logistische Meisterleistung, ohne viel zu verschütten, das Bier an die anderen Mädels zu verteilen. Zum Schluss hielt jeder nur noch sein eigenes Bier in den Händen.
„Halt mal bitte“, sagte der Cowboy und reichte ihr sein Glas.
Er nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände und drückte ihr einen Kuss auf. Erst ganz sanft und zärtlich, dann intensiver.
Frauke bog sich überrascht nach hinten, ihr stockte der Atem. Die zärtliche Leidenschaft, die in dieser Geste lag, verstärkte bei Frauke das Kribbeln. Genussvoll schloss sie ihre Augen und ergab sich dem Kuss, erst zögernd, dann schließlich ganz.
Dabei vergoss sie die Hälfte des Bieres.
Langsam löste sich der Cowboy von ihr, sah ihr in die Augen und drückte noch ein kurzes Küsschen auf die Stirn.
„Das wollte ich vorhin schon“, murmelte er ihr mit tiefer Stimme ins Ohr. „Komm, lass uns ein ruhiges Plätzchen suchen.“
Sie wählten einen Platz auf hohen Fensterbänken im Gang, wo man sich etwas anlehnen konnte.
„Wie heißt du?“
„Frauke.“
„Frauke, was für ein außergewöhnlicher Name. Du kommst nicht von hier, oder?“
„Nein, das ist ein norddeutscher Name. Ich wohne aber schon länger hier, in der Gegend von Düsseldorf. Und du, wie heißt du?“
„Elias, geboren und aufgewachsen in diesem wunderschönen Städtchen.“ Wieder einmal zeigte er sein gewinnendes Lachen.
Dieser ausgesprochen schlichte Wortwechsel übte seltsamerweise einen ganz besonderen Zauber auf Frauke aus. Oder war es das Lachen, mit diesen Grübchen? Jedenfalls überkam sie schon wieder das Verlangen ihn zu küssen.
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, nahm er ihr Glas und stellte es zusammen mit seinem ab. Mit einem Griff zog er sie routiniert zu sich hin. Diesmal begann er seinen Kuss nicht so zögerlich, sondern forderte direkt Einlass in ihren Mund. Auch die zweite Hand machte aus seiner Leidenschaft keinen Hehl. Frauke spürte sie zärtlich über ihren Rücken streicheln.
An Karneval ist eine derartige Direktheit erlaubt, dachte Frauke und gab sich ganz ihren Gefühlen hin. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals einen solch langen Kuss ausgetauscht zu haben. Einen Kuss, der die Hormone in ihrem Körper Tango tanzen ließ.
Als sie ihn schließlich doch beendete, weil sie das dringende Bedürfnis spürte, zwischendurch einmal tief durchzuatmen, ließ er nur zögernd von ihr ab.
Er legte seine Stirn auf ihre und schloss die Augen. „Erzähl mir mehr von dir“, forderte er leise.
Ihr Gespräch war so harmonisch, etwas ganz Besonderes. Sie funkten auf einer Wellenlänge, redeten über alles Mögliche. Dabei schien er nicht besonders beeindruckt, dass Frauke geschieden war und Kinder hatte.
So hätten sich noch Ewigkeiten unterhalten können. Unterbrochen wurden die Gespräche durch immer leidenschaftlicher werdende Küsse und tiefe Blicke aus funkelnden Augen.
„Lass uns doch nach draußen gehen und etwas frische Luft schnappen“, schlug Elias schließlich vor.
Frauke nickte.
Er nahm ihre Hand und schloss seine fest darum. Auf dem Weg nach draußen leitete er sie sanft, mit der Hand auf dem unteren Rücken. Mittlerweile fühlte sich jede Berührung von ihm wie ein Stromstoß an.
Sie stellten sich etwas abseits vom Trubel an den Rand der Terrasse. Von hier aus konnte man die beleuchteten Schiffe auf dem Rhein fahren sehen. Die Februarnacht war sternenklar und windstill. Die Fahrtwellen der vorbeiziehenden Schiffe verursachten ein schwaches Plätschern. Lichter spiegelten sich auf dem Wasser, boten einen verträumten Tanz.
„Ich hoffe, dir ist nicht zu kalt“, murmelte er und platzierte sich hinter Frauke. Zärtlich schlang er seine Arme um ihren Körper. Fest an sie gekuschelt, lehnte er sanft sein Kinn auf ihren Kopf.
Sie empfand Sicherheit und Geborgenheit, die sie lange vermisst hatte. Eine Weile standen sie so da und genossen den wunderbaren Blick. Eine Weile schwelgten sie nur im Moment. Keiner hatte das Bedürfnis zu reden.
„Ich hätte nicht gedacht, hier heute noch einen solch romantischen Moment zu erleben“, flüsterte er ihr leise ins Ohr und bedeckte den Hals mit zärtlichen Küssen.
Frauke schloss die Augen, gab einen wohligen Laut von sich und wünschte, nie aus diesem Traum zu erwachen. Sie drehte sich um und gab ihm einen Kuss, in den sie all ihre Leidenschaft legte.
„Du zitterst ja, komm lass uns reingehen“, raunte er, als sie sich wieder lösten. Fürsorglich legte seinen Arm um ihre Schultern und zog sie zu sich heran.
Zurück in den Veranstaltungsräumen, blickte Elias sie intensiv an und schluckte dabei. „Ich möchte dich wiedersehen. Gibst du mir deine Handynummer?“ Gespannt hielt er den Atem an, während er auf die Antwort wartete.
Als Frauke nickte, atmete er erleichtert aus und setzte sein strahlendes Lächeln auf.
Als die anderen Mädels zu den beiden stießen, war die Zeit wie im Flug vergangen.
„So, ihr beiden Turteltäubchen, jetzt löst euch mal. Mama will nach Hause“, grinste Manu.
„Man soll doch vorsichtig mit Sekundenkleber umgehen“, frotzelte Lea.
„Wir wollen ja nicht stören, ihr wart so nett anzusehen, aber ich möchte jetzt auch nach Hause“, ergänzte Kari.
Frauke und Elias wechselten einen bedauernden Blick und gaben sich einen Abschiedskuss, der die anderen zum Johlen brachte. Dann wurde sie ganz unromantisch wegezogen.
Auf dem Heimweg waren, fragte Kari neugierig: „Und? Habt ihr Handynummern getauscht?“
Frauke nickte nur selig.
„Und, seht ihr euch wieder?“, wollte Lea wissen.
„Ist doch egal … YOLO“, verkündete sie mit einem breiten Grinsen.
Wie sehr sie sich, jetzt schon, insgeheim seinen Anruf wünschte, verriet sie ihren Freundinnen lieber nicht.
2. Bei Tageslicht
Elias erwachte vom vertraut gurgelnden Geräusch einer Kaffeemaschine. Sein Kopf fühlte sich watteartig an, es war definitiv zu viel Alkohol gestern.
Wie fast jeden Morgen, musste er sich erst einmal orientieren, wo er eigentlich war. Graues Polstersofa, recht bequem. Durch die zugezogenen Vorhänge der Fenster blinzelte die Sonne. Er lag in voller Cowboymontur auf einem Sofa, von einer einfachen Wolldecke warmgehalten. Dies Sofa stand in der Wohnung seines Freundes Tom.
Sein Freund steckte seinen dunklen Wuschelkopf durch die Tür. „Morgen Alter, schon fit? Bock aufn Kaffee? Ich flitz schnell runter und hole uns Brötchen. Hat der Herr einen Wunsch?“, fragte er grinsend.
Schwungvoll schritt er durch das Zimmer und öffnete mit einem Ruck die Vorhänge. Das grelle Licht schmerzte in Elias Augen.
„In zwei Stunden muss ich Laura vom Flughafen abholen, also mach ein bisschen hinne.“
„Danke Tom, du bist ja so gut zu mir. Aber im Ernst, wie du weißt, kann ich gute Laune am Morgen einfach nicht ausstehen“, maulte Elias, während er sich mit der Hand die Augen etwas abdeckte.
„Was denn, die Sonne scheint! Du weißt doch, nur der frühe Vogel fängt den Wurm!“, erwiderte sein Freund lachend.
„Der frühe Vogel kann mich mal … Die zweite Maus bekommt den Käse“, grummelte Elias zurück.
Als seine Augen sich etwas an das Licht gewöhnt hatten, nahm er die Hand wieder herunter und ergänzte: „Nein im Ernst, vielen Dank, dass ich hier pennen durfte. Ich steh ja schon auf, gib einem alten Mann doch etwas Zeit. Kann ich auch noch die Dusche benutzen?“
„Ja klar, kein Thema.“ Tom antwortete mit einer abwinkenden Handbewegung, während er sich wieder Richtung Flur bewegte.
Elias hörte noch die Schlüssel klimpern, dann fiel die Wohnungstür ins Schloss.
Umständlich kramte er in seinem großen Rucksack nach frischer Wäsche und stellte fest, dass kaum noch saubere Wäsche darin war. Sein Handtuch war auch nicht mehr zu gebrauchen, er müsste dringend waschen.
Irgendetwas fühlte sich heute Morgen anders an. Dann stieg das Bild dieser Frau von gestern vor seinem inneren Auge auf. Ach ja, die süße Kleine mit diesen frechen Plastikbrüsten, Frauke hieß sie.
Normalerweise erinnerte er sich auch nicht mehr an das Aussehen seiner zahlreichen Flirts, aber ihr Bild hatte sich in sein Gedächtnis eingebrannt … merkwürdig. Das Gesicht, in seiner Erinnerung, war geradezu schön. Oder hatte er sie sich nur schön getrunken? Aber toll unterhalten hatte er sich mit ihr, daran konnte er sich noch genau erinnern.
Er legte das Cowboykostüm zusammen und beseitigte die Spuren seiner Übernachtung. Mit der letzten sauberen Wäsche, machte er sich auf, Richtung Dusche. Schnell schlüpfte er aus seiner Kleidung und griff sich ein Handtuch von seinem Freund. Während das warme Wasser über seinen Körper prasselte, schnappte er sich auch etwas von Toms Duschgel.
So frisch geduscht fühlte er sich gleich viel besser. Sofort wanderten seine Gedanken wieder zu seiner Eroberung. Ob sie jetzt auch wohl auch an ihn dachte? Sie hatten doch ihre Handynummern getauscht. Man könnte sie ja anschreiben, überlegte er, als er sich abtrocknete.
Angezogen schnappte er sich sein Handy und schrieb:
Guten Morgen meine Schöne! Bist du gut nach Hause gekommen? Geht es dir gut?
Die Wohnungstür öffnete sich mit einem Klirren der Schlüssel, Tom war zurück.
„Ich hab dir dein Kostüm da hingelegt, danke nochmal dafür“, bemerkte Elias und wies mit dem Finger auf das Sofa.
Tom nickte und schlurfte lässig mit der Brötchentüte beladen durch den Wohnraum. Er legte die Tüte auf die Küchentheke, die den Wohn-, vom Küchenbereich trennte. „Kein Problem. Komm, lass uns frühstücken“, bemerkte er, während er sich setzte.
Aufmerksam beobachtete er Elias, als dessen Handy zwitscherte und der sofort auf das Display schaute.
„Na was schreibt sie denn?“
„Dass sie gut nach Hause gekommen ist und ihr ziemlich die Füße weh tun.“
„Die Kleine mit den Plastiktitten, die du den ganzen Abend zugetextet hast?“
„Mhm-hm“, murmelte Elias abwesend, während er konzentriert in das Handy tippte.
„Und was schreibst du ihr jetzt zurück?“
„Mann, Alter, was geht dich das an? Kümmre dich lieber um deine Eroberungen. Konntest du gestern was klarmachen?“, knurrte er, während er seinen Kopf wieder hob.
„Nee, war nichts Brauchbares dabei, ich will doch auch nicht meine Freundin betrügen“, erwiderte Tom mit einem Augenzwinkern.
„Lol“, spottete Elias. „Bei dir macht sich wohl auch das Alter bemerkbar. Ausgerechnet an Karneval! Ich denke, du solltest deine Strategie ändern. Raubritter ist uncool. Und dann immer dein Spruch: ‚Darf ich ihnen einen Kuss rauben?‘ Da lachen ja die Hühner.“
„Ach ja, was wäre denn deiner Meinung nach erfolgreicher? Traumprinz? Einsamer Cowboy? … Das ist ja sowas von originell! Im Grunde ist es nur deine hübsche Visage, auf die die Weiber abfahren. Was meinst du, warum du das Kostüm von mir bekommen hast?“, erwiderte er aufgebracht.
„Nur kein Neid, mein Lieber! Versuch´s doch mal als Märchenfee. Ich habe gehört, Frauen mögen Männer, die zu ihrer weiblichen Seite stehen.“ Elias kicherte und ergänzte: „Sieht bestimmt klasse aus, wenn dein Brustpelz oben aus der rosa Spitze ragt. Aber vergiss nicht den Feenstab, damit kannst du sie dann verzaubern. Oder“, spottete er, mit einem breiten Grinsen. „Es gibt auch solche Mützen mit einem Gehirn als Muster. Frauen stehen auf Männer mit Hirn.“
„Danke für die tollen Vorschläge“, Tom winkte ab. „Wirklich interessiert hat mich eigentlich nur dieser Rauschgoldengel … bis ihr Freund kam … ein dürrer Möchtegern-Rocker, mit Tattooärmeln aus Stoff.“ Er verdrehte seine Augen. „Sie hatten sich verabredet und als er dann erschien, war ich abgemeldet. Naja, und dann war das Marienkäferchen noch ganz nett, aber die hatte ja nur Augen für dich.“
Elias rieb sich müde über die Augen. „Ja, die war ganz süß, aber ich mag es nicht, wenn die Frauen sich so ranschmeißen wie die Groupies.“
„Oha, da spricht der große Popstar, wie? Alter, du solltest für jeden Fan dankbar sein.“
„Bin ich ja auch, aber sie sollten von meiner Musik begeistert sein und nicht von meinem Aussehen. Lassen wir das Thema, es nervt.“
„Ach, du spinnst doch! Warum nimmst du das nicht mit? Als wir unsere Band noch hatten, warst du unser Fliegenfänger“, gestand Tom.
„Stimmt schon, ich hatte wirklich nie Schwierigkeiten, eine abzuschleppen. Aber in letzter Zeit langweilen mich die meisten Frauen unerträglich. Ich mag es nicht, wenn sie sich nicht einmal für Musik interessieren.“
„Ah, der Playboy will sesshaft werden“, grinste sein Freund. „Aber von der Tittenfrau gestern, warst du offensichtlich schwer angetan. Du hingst an ihren Lippen, wie ein hypnotisiertes Kaninchen.“
„Tittenfrau … du bist geschmacklos. Gespräch beendet“, maulte Elias. „Ich habe keine Lust mehr auf dies Thema.“
Tom hob die Augenbrauen und legte den Kopf leicht schief. „Oh, warum so empfindlich? Dich hat es doch nicht etwa erwischt?“
Elias drehte den Kopf zur Seite, um dem bohrenden Blicken seines Freundes auszuweichen. „Quatsch, ich hab jetzt einfach keine Lust mehr auf dieses Thema.“
Ein abfälliges Murren zeigte Elias, dass er nicht glaubwürdig rüberkam. Dennoch schwiegen sie, bis zum Ende des Frühstücks.
„Was hast du heute noch vor?“, erkundigte sich Tom, als sie sich vom Tisch erhoben.
„Ich muss dringend Wäsche waschen. Ist bestimmt ein günstiger Zeitpunkt, wenn die Leute feiern, dann ist der Waschsalon nicht so voll.“
„Musst du denn heute gar nicht zu Armin? Da brummt es bestimmt in der Kneipe, heut ist doch eigentlich dein Abend.“
„Nee, dem hab ich abgesagt, keinen Bock auf Stimmungsmusik. An Karneval soll ich nur das spielen, er besteht darauf.“
„Und wo bleibst du dann heute?“
„Keinen Schimmer“, antwortet Elias mit einem Seufzer. „Es wird sich schon noch jemand finden, bei dem ich mich aufs Sofa chillen kann.“
Tom sah auf sein Handy. „Oh, schon ziemlich spät, ich muss los. Laura wartet nicht gerne. Komm …“, sagte er aufmunternd.
Elias griff nach seiner Gitarre, verstaute sie in der Hülle und hing sie über die Schulter. Seinen Rucksack klemmte er über die andere, dann verließen sie die Wohnung. Mit einem komplizierten Handschlagritual verabschiedete man sich auf der Straße.
So schwer beladen erreichte Elias den Waschsalon, der nur ein paar Straßen weiter lag. Hier war es aber genauso voll wie immer, anscheinend hatten viele Leute dieselbe Idee gehabt. Zum Glück, wurde gerade eine Maschine frei. Damit konnte er seine gesamte Wäsche waschen. Während die Maschine lief, spielte er Gitarre und sammelte dafür sogar ein paar Euros.
Dann schoss ihm Frauke durch den Kopf, er zückte sein Handy und schrieb:
Was machst du noch so die nächsten Tage? Sehen wir uns wieder?
Ein paar Minuten später kam die Antwort:
Heute war Karnevalsfeier im Kindergarten, bin ziemlich erledigt. Die nächsten Tage sind die Kinder bei mir, werde keine Zeit für ein Treffen haben.
Elias ließ sein Handy sinken. Was hatte er erwartet? Dass sie in seine ausgebreiteten Arme flog? Er hatte zwar nie Schwierigkeiten, ein Date zu bekommen, aber eine Frau mit Kindern war noch nie darunter. Eine Mutter hatte Verpflichtungen, etwas, das er bisher gescheut hatte, wie der Teufel das Weihwasser.
Allerdings ließ diese Antwort seinen Jagdinstinkt erwachen:
Hab ich denn gar keine Chance dich wiederzusehen?
Gebannt blickte er auf sein Handy. Sie ließ sich diesmal ganz schön Zeit. War das jetzt ein Korb? Vielleicht ist es besser, sie sich aus dem Kopf zu schlagen. Seufzend steckte er das Handy zurück.
Mittlerweile war die Wäsche trocken und er verstaute sie wieder in der Tasche.
Mit seinen Siebensachen beladen machte er sich auf den Weg zu Armins Kneipe, das „Angelique´s“.
Armin hatte das plüschig-rote Interieur, das früher zu einem Puff gehörte, belassen und aus den Hinterzimmern eine Wohnung für sich geschaffen. Konzerte und Kunstevents ließen schnell den Bekanntheitsgrad steigen. So wurde es zu einem Künstler- und Szenetreff, ein Magnet für Paradiesvögel.
Als Elias die Kneipe betrat, baumelten Luftschlangen vor seiner Nase. Ein Gast bewarf ihn mit Konfetti und er wurde mit lauter Stimmungsmusik begrüßt. Nein, hier würde er bestimmt nicht seinen Abend verbringen. Was an Altweiber noch einigermaßen zu ertragen war, wurde danach immer anstrengender, genau wie die Jecken. Suchend blickte er sich nach Armin um. Als er ihn entdeckte, lenkte er seine Schritte zielstrebig Richtung Theke.
Armin trug ein buntes Clownskostüm mit Blume im Knopfloch, seine Haare standen wirr vom Kopf und eine Pappnase war auf die Stirn hochgeschoben.
Sie begrüßten sich mit High-Five: „Grüß dich Kumpel, alles frisch?“
„Hallo Armin! Gut siehst du aus. Machst du mir ein Alt?“ Er warf ein paar seiner, gerade erspielten, Münzen auf die Theke.
Der Wirt stellte ihm ein bereits gezapftes Getränk hin. Bei dem war der Schaum schon fast verschwunden.
Gierig stürzte er den Gerstensaft hinunter.
„Hast du noch eins?“ Er suchte noch einmal in seinen Hosentaschen, kramte sein letztes Geld hervor und schmiss es auf den Tresen.
„Wie sieht´s aus, kann ich heute bei dir pennen?“
Armin hob seine Augenbrauen. „Ich denke, du wolltest die Tage über nicht spielen, du kennst doch die Abmachung. Ich muss mir die Option mit der Wohnung offenhalten, tut mir leid.“
Es tat ihm nicht leid, da war Elias sich sicher. „Nein, Stimmungsmusik kann ich nicht spielen, geht nicht. Ich wäre dann eher ein Stimmungstöter. Vielleicht machst du nur heute mal eine Ausnahme, bitte!“
Armin setzte ein schiefes Grinsen auf, kam um die Theke herum, ganz dicht zu Elias und legte seine Hand auf dessen Hintern. „Vielleicht können wir ja ein anderes Arrangement treffen?“, flötete er ihm ins Ohr.
Elias schloss die Augen, atmete tief durch und schob energisch die anzügliche Hand von seinem Hintern. „Du kennst doch die Abmachung. Für meinen Hintern muss ich mir auch eine Option offenhalten.“
„Schade … also, wenn du´s dir mal anders überlegst“, sagte der Wirt, und ein Strahl kaltes Wasser aus der Knopfloch-Blume landete in Elias Gesicht.
„Sehr witzig!“, ärgerlich wischte er sich das Wasser ab.
„Dann lach doch!“, frotzelte Armin.
„Du hast zu viel getrunken. Nein, vielen Dank. Ist einfach nicht mein Ding, weißt du ja.“
Armin entwich ein sehnsüchtiger Seufzer und er wandte sich ab.
„Kann ich wenigstens Den Rucksack in der Abstellkammer lassen?“, rief ihm Elias hinterher, Armin stutzte.
„Ja klar, warum nicht“, kam die Antwort mit erhobener Hand, ohne dass er sich nochmal umdrehte.
„Hier, Süßer!“, Ava legte locker ihren Arm um Elias Hüfte und stellte ihm noch ein Bier vor die Nase.
Ihre roten Locken zu einem Zopf gebunden, blickte sie ihn mit dem sommersprossigen Gesicht und blauen Augen treuherzig an. „Von mir“, raunte sie ihm ins Ohr. „Ist MEIN Bett vielleicht eine Option für dich?“ Dabei biss sie sanft in sein Ohrläppchen. „Ich hab in einer Stunde Feierabend.“
Elias bekam eine Gänsehaut. Langsam glitt ihre Hand nach unten, packte seinen Hintern und drückte zu. Gleichzeitig bedeckte sie seinen Hals mit sanften Küssen so, dass sich sein Blut sich im Unterleib sammelte. Er stöhnte leise. So schlecht fand er ihr Angebot nicht. Sie hatten schon öfter Spaß zusammen gehabt. Ava war ein fröhlicher und unkomplizierter Mensch.
„Aber immer doch Süße, alles was du willst“, erwiderte er.
Die Zeit bis zu Avas Feierabend brachte er mit dem Zerreißen von Bierdeckeln und Servietten herum. Als sie endlich ihre Schürze abband, hatte er schon die beiden Jacken in der Hand und war froh, endlich verschwinden zu können.
„Wie wär’s mit einem Döner? Ich sterbe vor Hunger, geht auch auf mich“, verkündete sie mit einem Lächeln.
Er schob sich die Gitarre über die Schulter und erwiderte: „Döner klingt gut.“
Ava hatte längst mitbekommen, dass er wieder einmal klamm war. Nur zu gerne half sie ihm da weiter, denn sie liebte seine kurzweilige Gesellschaft. Ein zufriedenes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, als er seinen Arm kumpelhaft um ihre Schultern legte. Arm in Arm steuerten sie ihren Lieblingsdönerladen an.
Frisch gestärkt erreichten sie Avas Wohnung. Sie öffnete die Tür und schmiss lässig die Schlüssel auf die extravagante Kommode. Die bunte Wohnung war voll mit ausgefallenen Objekten und Skulpturen.
Wild schüttelte sie ihre roten Locken, als sie den Zopfgummi entfernte. „Jetzt brauche ich erst einmal eine Dusche, kommst du mit?“
„Ich hab vorhin schon geduscht, vielleicht nachher.“ Elias musterte sie aufmerksam, als sie sich langsam, mit aufreizenden Bewegungen auszog. Einen Moment war er versucht, ihr zu folgen. Aber der Ruf ihres bequemen, alten Ohrensessels war dann doch lauter.
Ava war Studentin der freien Künste. Ihr Wohnzimmer stellte daher auch gleichzeitig ihr Atelier dar. Ein kreatives Künstlerchaos, mit mehreren Staffeleien, Farbtuben, Pinseln, Lappen, Stifte, Skizzen, Papier und vielem mehr. Er liebte diese Atmosphäre, hatte sich auch schon als Modell zur Verfügung gestellt.
Er ließ sich in den Sessel plumpsen, mit geschlossenen Augen lehnte er sich nach hinten …
Fast wäre er eingeschlafen, als ein Kuss auf seine Lippen ihn wieder aufschreckte.
Nur mit einem Handtuch umwickelt setzte Ava sich auf seinen Schoß. „Wer wird denn hier schlafen wollen? Komm ins Bett Süßer, da ist es doch viel bequemer.“ Sie schlang dabei ihre Arme um seinen Hals, dann senkte sie die Lippen wieder auf seine. Er öffnete seinen Mund, erwiderte den kurzen Kuss.
„Geh schon mal vor, ich trockne nur noch schnell meine Haare“, sagte sie. Sie sprang auf und tänzelte fröhlich zurück ins Bad, während er sich auf den Weg in ihr Schlafzimmer machte.
Elias schlüpfte aus seiner Kleidung, ließ sich müde auf das Bett fallen und war auf der Stelle eingeschlafen.
Als Ava ihn so vorfand, seufzte sie nur und schob ihn etwas auf die Seite, so dass sie sich an seinen Rücken kuscheln konnte. „Glaub bloß nicht, dass du so einfach davonkommst, mein Lieber“, murmelte sie noch und folgte ihm umgehend ins Land der Träume.
Nach zehn Stunden Schlaf wurden sie vom hellen Tageslicht geweckt.
Ava küsste ihn auf die Wange und raunte ein: „Guten Morgen Süßer.“ Dann lenkte sie ihre Küsse immer weiter nach unten, bis sie sich schließlich seine morgendliche Härte zunutze machte. Ihm entfuhr ein Stöhnen und er gab sich ihren Zärtlichkeiten hin. Zufrieden mit dem Ergebnis ihrer Bemühungen, hielt sie sich nicht mehr weiter mit dem Vorspiel auf, streifte ihm ein Kondom über und nahm ihn ganz in Besitz.
Ihr Ritt war schnell und leidenschaftlich. Als er sich dem Orgasmus näherte, verschärfte er die wilden Bewegungen noch. Sie stieß einen kurzen, erregten Schrei aus und er fühlte ihre zuckenden Muskeln um seine Härte. Sofort ergab auch er sich seinem Orgasmus.
Erleichtert lächelte sie ihn an. Als sie beide wieder zu Atem kamen, küsste sie ihn und hauchte mit dunkler Stimme: „Bravo Süßer, jetzt hast du dein Formtief von gestern wieder gutgemacht.“
Sie legte den Kopf an seine Schulter. „Lust auf ein Frühstück? Ich muss in zwei Stunden wieder arbeiten.“
Er nickte nur und streichelte ihr mit den Fingerspitzen den Rücken.
Eben hatte er das Bild einer anderen Frau vor Augen gehabt, das verriet er ihr besser nicht.
Wieso geisterte Frauke eigentlich immer noch durch seine Gedanken? Er hatte diese Frau doch nur im Dämmerlicht gesehen, bei Tageslicht betrachtet, erlosch bestimmt der Zauber.
Ava rollte sich aus seiner Umarmung, sprang aus dem Bett und zog sich an.
Elias drehte sich ebenfalls um. Ob Frauke ihm endlich geantwortet hatte? Er griff nach seiner Hose, fingerte sein Handy heraus und blickte gespannt auf das Display. Enttäuscht legte er es wieder zur Seite. Die Sache konnte er wohl abhaken.
Also schälte er sich auch aus dem Bett und folgte Ava in die kleine Küche.
Diese war gerade dabei ein paar Eier in die Pfanne zu schlagen.
Er näherte sich ihr von hinten und hauchte ihr einen Kuss auf den Hals: „Gute Idee, ich kann jetzt eine Stärkung gebrauchen.“
Lachend drehte sie sich zu ihm um. „Ich auch, steck uns doch schon mal zwei Toasts in den Toaster.“
Er folgte ihren Anweisungen und deckte den Tisch, denn er kannte sich hier aus.
„Wenn ich zurückkomme, bringe ich uns etwas vom Chinesen mit. Oder möchtest du lieber etwas anderes essen?“, fragte sie.
„Nein, gute Idee, Chinese ist ok“, lautete seine Antwort. Er war froh, dass sie ihn noch ein bisschen dabehalten wollte.
Als sie die Wohnung verließ, griff er sich seine Gitarre und klampfte zufrieden ein bisschen darauf herum. Vielleicht könnte er ja sogar noch ein paar Zeilen schreiben.
Sie verbrachten das ganze Wochenende im Wohnzimmeratelier. Er spielte die meiste Zeit Gitarre und sie liebte es, dabei zu malen.
Noch immer geisterte Frauke durch seine Gedanken, ließ sich die ganze Zeit nicht vertreiben. Seine anhaltend, unterschwellige Sehnsucht klang in seinem Spiel. Ruhige Klänge untermalten die romantische Melodie, die er summte.
„Was spielst du da?“, fragte Ava und blickte hoch, „das klingt schön.“
„Ach, ist mir gerade so eingefallen.“
Ava lächelte, erhob sich, trat von hinten an ihn heran und küsste seinen Hals.
Ihm war es, als bräche sie in einen intimen Moment mit Frauke ein und er entzog sich ihren Zärtlichkeiten. „Lass mich bitte“, zischte er unwirsch.
„Was ist denn mit dir los? Stimmt was nicht?“ Avas Blick war eine Mischung aus Erstaunen und Entrüstung.
Seine heftige Reaktion war ihm sofort peinlich. „Entschuldige“, murmelte er. „Du hast mich gerade bei einer Idee gestört.“
„Künstlerdiva? … schwache Ausrede!“
„Ja, da hast du recht, ich bin im Moment wohl nicht so gut drauf“, entschuldigte er sich weiter und seufzte.
Während er antwortete, dachte er daran, warum er nicht so gut drauf war. Frauke hatte sich immer noch nicht gemeldet. Er hatte aber auch schon lange nicht mehr auf sein Handy gesehen.
„Mit dir stimmt doch irgendetwas nicht“, bohrte sie weiter.
„Nein … es ist alles in Ordnung“, versicherte er.
Ava schmiss ihre wilden Locken nach hinten, nahm ihm die Gitarre aus der Hand.
Schwungvoll ließ sie sich auf seinen Schoß gleiten und sah ihn eindringlich an. „Das glaub ich dir nicht, ist irgendetwas mit mir? Hab ich Mundgeruch oder so? Wir haben das ganze Wochenende nur einmal miteinander geschlafen und da warst du nicht mal bei der Sache. Meinst du, ich habe das nicht bemerkt? Du hältst mich wohl für ziemlich dämlich“, entrüstete sie sich.
Um ihre Worte zu unterstreichen, griff sie ihm mit einer besitzergreifenden Geste ins Haar und zog sein Gesicht zu sich heran. Mit einem herausfordernden Blick startete sie zeitgleich einen erneuten Angriff auf seinen Hals.
Eine Welle des Unwillens ließ Eilas heiß im Gesicht werden. Mit mehr Kraft versuchte er sich erneut, zu entziehen. Sein wachsendes Unbehagen bescherte ihm ein flaues Gefühl in der Magengegend.
„Nein, es liegt nicht an dir, es liegt an mir. Ich bin im Moment einfach nicht so gut drauf, Ok?“, versuchte er sein aufkommendes schlechtes Gewissen, Ava gegenüber, zu verteidigen. Er konnte ihre Berührung einfach nicht mehr ertragen.
„Moment, ich glaube, mein Handy hat gerade vibriert.“ Energisch schob er sie noch ein Stück weiter von sich, um gleich darauf umständlich nach dem Handy zu kramen. „Akku leer, na toll! Kann ich mal mein Handy laden?“
Ava nahm sein Gesicht fest in beide Hände und zwang ihn, sie anzusehen. „Ich lass mich nicht verarschen Süßer! Und ich lass mich auch nicht ausnutzen, klar?“, rüffelte sie.
Schnaubend stand sie auf und gab ihn frei. Ihr Atem ging schnell und sie hatte die Hände zu Fäusten geballt, so dass die Fingerknöchel weiß erschienen.
Elias schluckte und nickte schuldbewusst. Ihm fiel einfach nichts ein, was er zu seiner Verteidigung sagen könnte. Der dicke Kloß, der sich in seinem Hals gebildet hatte, machte Reden sowieso unmöglich.
Ava war sichtlich bemüht sich zu beruhigen: „Du weißt ja, wo die Steckdose ist.“
Schnell wandte Elias sein Gesicht von ihr ab und peilte die Steckdose an. Als das Display wieder aufleuchtete, sah er die Nachricht:
Ich bin mit meinen Freundinnen und den Kindern beim Rosenmontagsumzug. Wenn du magst, komm doch vorbei.
Ihm wurde flau, als er die Nachricht las. Warum hatte er nicht früher auf sein Handy gesehen? Fuck! Bis zum Treffpunkt brauchte er bestimmt eine Stunde. Wenn er sie noch sehen wollte, musste er sich jetzt beeilen.
„Ich muss los, tut mir leid“, murmelte er fahrig und griff zu seiner Jacke.
„Ist was passiert?“, fragte sie.
„Nein, nein, ich hab nur eine Verabredung aus den Augen verloren“, er gab ihr einen flüchtigen Abschiedskuss. „Danke nochmal für alles“, murmelte er und stürmte aus der Wohnung.
Kopfschüttelnd sah Ava ihm hinterher.
Leseprobe aus L(i)ebe lieber ungefährlich
Kapitel 1 Rätselhaft
Der Hauch von ehrlicher Anstrengung streifte Leas Nase, als sie mit ihren Freundinnen das Fitnessstudio betrat. Der Duft war gemischt mit jenem von neuem Kunststoff. Er wurde untermalt vom leisen Klacken der Kraftgeräte, auf denen die Sportler im unregelmäßigen Takt vor sich hin schnauften.
Unschlüssig stand die Gruppe im edlen Empfangsbereich und sah sich ehrfurchtsvoll um. Lea überlegte, ob sie nicht einen der fetten und gemütlich aussehenden Ledersessel ausprobieren sollte, da sprang schon eine attraktive, unglaublich schlanke Frau auf sie zu und streckte ihnen nacheinander die Hand entgegen. »Guten Tag, ich bin Uta, die Leiterin des Studios, und freue mich, dass ihr den Weg zu uns gefunden habt. Seht euch um, probiert alles aus, lasst euch alles zeigen«, sagte sie mit einem warmen Lächeln, während sie mit einer ausladenden Handbewegung durch die großzügige Halle deutete. »Ihr könnt euch auch einen Sekt nehmen«, forderte sie die Mädels auf.
Die Köpfe der vier Mädels schwenkten gleichzeitig zu einem geschmückten Tisch, auf dem die Reste einer Champagnerpyramide zu erkennen waren.
»Für Fragen stehen euch die Trainer dort zur Verfügung. Die meisten arbeiten auch hier. Bei ihnen könnt ihr dann auch den Vertrag abschließen«, ergänzte sie mit einem Augenzwinkern und wandte sich ab.
»Da wäre ich gerne dabei gewesen, als die Pyramide eingeschenkt wurde. Sowas hab ich noch nie gesehen«, raunte Karina Lea ins Ohr.
»Aber jetzt wird die köstliche Prickelbrause leider warm sein«, erwiderte die nickend.
»Der Sekt ist sicher schon warm, lasst euch einen frischen einschenken«, bemerkte Uta, die sich nochmals umwandte. Lea zuckte zusammen. Sie fühlte, wie ihr das Blut in den Kopf stieg und sah vor ihrem inneren Auge die roten Flecken am Hals, die sie immer bekam, wenn ihr etwas peinlich war. »Nein, nein, nicht vor dem Training«, gab sie eilig zurück. »Kommt Mädels«, forderte sie ihre Freundinnen auf, »wir ziehen uns erst mal um.«
»Oooch … lass uns doch vorher einen Sekt trinken«, murrte Manuela, die von ihren Freundinnen Manu genannt wurde.
»Ich weiß nicht, immerhin ist das hier vielleicht ein Studio meines zukünftigen Arbeitgebers.«
»Ja, wir alle wissen, dass Lea ihre spitze Zunge nur schlecht zügeln kann, wenn sie auch nur eine winzige Menge Alkohol getrunken hat«, warf Frauke lachend in die Runde.
»Willst du damit sagen, dass ich nicht so trinkfeste Gene habe wie du mit deinem norddeutschen Blut?« Lea riss ihre Augen auf und musterte ihre Freundin übertrieben skeptisch. »Du weißt doch, Alkohol macht das Training zunichte.«
»Gott bewahre!«, erwiderte Frauke mit erhobenen Händen.
»Also ich hätte auch Lust auf ein Schlückchen«, bemerkte Kari und ihre Freundinnen nickten zustimmend.
»Und außerdem hemmt Alkohol die Fettverbrennung«, ergänzte Lea mit Blick auf ihre Freundin, die ständig mit den Pfunden kämpfte. Sie seufzte, als sich die Gruppe trotz aller Warnungen auf dem Weg zum Sektstand machte.
Sofort kam einer der Trainer auf sie zu und nahm die Sektflasche aus dem Kühler in die Hand. Lea stockte der Atem. Dieser Kerl war genau ihr Typ. Sportliche Figur, ohne übertriebene Muskelpakete. Dunkle Haare, etwas länger, zwei große dunkelgrüne Augen, die sie geradezu anfunkelten.
Um ihre blitzartig aufsteigende Nervosität zu mindern, griff sie schnell zu einem der Sektgläser, die der heiße Typ einschenkte. Es war geradezu lächerlich, dass sie wie ein Teenager auf diesen Mann reagierte.
Er lächelte sie an und ihre Blicke verhakten sich sekundenlang. In ihrem Bauch begann ein Kribbeln, das bis hoch in ihre schon wieder erblühten Flecken zog. Was war nur los mit ihr? Lea senkte den Kopf und starrte verlegen auf den goldenen Sekt, in dem feine Blasen aufstiegen. Sie nahm einen großen Schluck von dem funkelnden Getränk und drehte anschließend verlegen das fast leere Glas in der Hand.
»Oh, schon fast leer. Schmeckt er dir? Darf ich noch etwas nachschenken?«
Sie schaute auf. Es fiel ihr schwer, dem gewinnend lächelnden Blick des Trainers standzuhalten. Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals. Verzweifelt versuchte sie, ihn hinunterzuschlucken. »Nein danke«, erwiderte sie mit energischem Kopfschütteln und stellte fest, dass sich ihre Atemfrequenz erhöht hatte. »Zu viel Alkohol macht nur die Trainingswirkung zunichte«, fügte sie hinzu und drehte sich zu den Mädels um. »Lasst uns umziehen gehen«, forderte sie ihre Freundinnen auf, um endlich der Situation zu entkommen.
Diese murmelten unwillig so was wie »nicht so schnell«, »man kann den Sekt ja gar nicht genießen« und »hetz doch nicht so«. Aber das war Lea egal, sie stürzte den restlichen Inhalt ihres Glases runter, schwang die Sporttasche über die Schulter und folgte dem Schild ›Umkleidekabinen‹.
»Was war das denn?«, fragte Kari Lea, als die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel. Sie war die Sensibelste der vier Freundinnen. Lea hatte immer den Eindruck, dass ihre Freundin schon kleinste Schwingungen ihrer Stimmung wahrnehmen konnte. Und sie mochte es gar nicht, wenn sie das Gefühl hatte, dass sie durchschaut wurde.
»Was?«, fragte sie daher ungeduldig.
»Na das zwischen diesem extrem heißen Trainer und dir? Man konnte die Luft zwischen euch knistern hören.«
»Was du dir immer so einbildest. Du weißt doch, dass ich verlobt bin«, erwiderte Lea giftig.
Kari zuckte zurück. »Immer schön ruhig bleiben, Süße«, bemerkte sie mit erhobenen Händen. Auch die anderen beiden Mädels schauten sie verblüfft an. »Können wir uns jetzt vielleicht umziehen? Schließlich sind wir nicht zum Männeraufreißen hier.«
»Nein, das sowieso nicht. Aber du musst zugeben, dass hier echt heiße Trainer am Start sind.«
»Na, dann schnapp dir doch einen und lass mich in Ruhe«, murmelte Lea, während sie umständlich in ihrer Tasche kramte.
»Wow, so großzügige Umkleidekabinen und Spinde habe ich sonst noch nirgendwo gesehen«, versuchte Manu, die Unterhaltung wieder in harmonischeres Fahrwasser zu bringen.
»Ja, nicht wahr? Es ist ja auch eine Nobelkette.« Lea nickte zustimmend. »Hier im Ort stand mal das allererste Studio, das wurde jetzt renoviert.«
»Und wie viele Filialen, oder sagt man das nicht, haben die bis jetzt?«, fragte sie und band sich ihre Haare hoch.
»Hm, weiß ich gar nicht.« Lea schürzte die Lippen. »So an die fünfzig Studios sind es sicher.«
»Nicht schlecht, nicht schlecht«, murmelte Frauke. Sie hatte sich aufs Umziehen konzentriert und war schon fix und fertig.
»Da verdienst du sicher gut, wenn du die Stelle bekommst«, meinte Kari. Sie war als einzige der Mädels nicht berufstätig und kümmerte sich ausschließlich um ihre Familie.
»Ja ich hoffe. Das muss ich auch. Inzwischen steht fest, dass Thorsten seine Stelle verliert. Weiß der Himmel, wie lange es dauert, bis er etwas Neues hat.«
»Jep, es ist wahrlich nicht einfach, eine vernünftige Stelle zu bekommen. Ich weiß, wovon ich rede«, bestätigte Frauke mit einem leisen Seufzen und setzte sich auf eine Bank.
Eine Weile ging die Unterhaltung über den Arbeitsmarkt und ihre Probleme weiter, bis sie zusammen voll motiviert aus der Umkleide traten.
Leas Hände wurden feucht, als der Trainer von vorhin direkt auf sie zukam. Sofort stieg die Hitze erneut in ihr auf, diesmal bis in die Ohren. Am liebsten wäre sie umgedreht und wieder zurück in die Umkleide gestürzt, aber diese Blöße wollte sie sich nicht geben. Was hatte sie denn nur? Sie war doch sonst nicht so schüchtern.
Lea vermied den Blickkontakt und las sein Namensschild. ›Tim‹ stand darauf. Wie eingeschüchtert suchte sie Schutz hinter ihren Freundinnen, aber Tim ließ sich nicht beirren. Er fixierte sie mit festem Blick. »Kann ich euch irgendwie helfen?«
Jetzt lag wieder dieses magische Flirren zwischen ihnen, das die Aufmerksamkeit ihrer Freundinnen auf sie lenkte. Verzweifelt versuchte Lea, Spucke in ihrem Mund zu sammeln und hinunterzuschlucken. Aber die Zunge klebte gnadenlos am Gaumen. Am liebsten hätte sie ihn angeblafft, dass er sich verkrümeln soll. Aber sie musste jetzt cool bleiben, so wie ihre Freundinnen sie kannten.
Ihr Blick irrte ratlos umher und hielt bei ihren Freundinnen. »Nein danke, wir finden uns sicher auch so zurecht«, startete sie einen Ausweichversuch. Aber ihre Freundinnen dachten nicht daran, mitzuziehen und nickten Tim zu.
»Mich interessieren die Fatburner-Kurse«, meinte Kari.
»Ich würde mir gerne die Geräte ansehen«, bat Manuela.
»Habt ihr auch einen Kursplan?«, kam von Frauke.
›Mann, die sind doch sonst so sensibel‹, dachte Lea. ›Merken die denn nicht, wie unangenehm mir die Anwesenheit dieses Trainer ist?‹
»Natürlich haben wir einen Kursplan«, antwortete Tim zuerst Frauke und zeigte Richtung Tresen, »und drei Kursräume, sowie einen Spinning-Raum.«
»Die Geräte zeigt dir Thomas.« Er hielt einen gut aussehenden jungen Mann, der gerade vorbeiging, am Shirt fest. Der lachte sympathisch, als Tim ihm auf die Schulter klopfte und Manuela lächelte zurück.
»Über unser Schlankheits-Programm unterhältst du dich am besten mit Uta persönlich. Sie hat früher 20 Kilo mehr gewogen.« Karis Blick hellte sich auf und ihre Augen begannen zu leuchten. Zielstrebig steuerte sie auf Uta zu.
Jetzt stand Lea allein mit Tim. Zufrieden sah er sie an. Anscheinend hatte er sein Ziel erreicht. Lea wollte am liebsten im Erdboden versinken.
»Und du? Was kann ich dir zeigen? Verrätst du mir, wie du heißt?«
Seine warme, tiefe Stimme fuhr ihr durch Mark und Bein. Sie musste tief Luft holen, bevor sie sich besann. »Bikram-Yoga, mich interessiert das Bikram-Yoga.« Er musterte sie so aufmerksam, dass sie sich geradezu nackt fühlte. Was sollte sie nur dagegen tun? Ihren Namen würde sie ihm auf keinen Fall verraten.
Immer wieder hatte sie in ihrem Leben mit Ängsten kämpfen müssen, viele davon hatte sie überwunden. Die Phobien, die Andere nicht sehen sollten, überdeckte sie mit ihrer ›großen Klappe‹. Das beeindruckte viele Gegner und die zogen den Schwanz ein.
Offensichtlich klappte diese Strategie bei Tim nicht. Dieser Kerl machte sie sprachlos. Möglicherweise lag es daran, dass er überhaupt keine greifbare Gefahr darstellte, sondern nur ein komisches Gefühl in ihr auslöste. Was sollte von ihm auch für eine Gefahr ausgehen? Lea beschloss, nicht weiter darüber zu grübeln, als der Trainer sie aufforderte ihm zu folgen.
Dieser Mann bewegte sich mit einer unglaublichen Eleganz. Sie konnte beobachten, wie er die Blicke der Kunden und Angestellten auf sich zog, während sie den Kursraum ansteuerten. Auch sie war, mit ihren langen blonden Locken, eine attraktive Erscheinung. Aber solche schmachtenden Blicke wie er, hatte sie noch nie geerntet.
Der Raum, den sie betraten, hatte eine Fensterwand mit einen Milchglasstreifen auf Sichthöhe. Als Tim die Tür öffnete, wehte ein winziger Hauch seines Duftes zu ihr herüber. Der Geruch von Sandelholz, gemischt mit einer Portion Testosteron, ließ ihre Knie weich werden. Die Krux war, wenn sie jetzt tief einatmete, um sich zu sammeln, würde sie eine noch höhere Dosis dieser teuflischen Mixtur abbekommen. Also hielt sie die Luft an und schritt durch die Tür.
Krachend fiel diese hinter ihr ins Schloss. Lea zuckte zusammen, als wäre sie in der Falle. Sie befanden sich in einem Raum mit Spiegelwänden und Ballettstange. In einer Ecke waren Aerobicstepps gestapelt. Der Raum wurde offensichtlich auch zum Tanzen genutzt.
»Diesen Raum kann man auf vierzig Grad temperieren. Genau richtig für Hot-Yoga, um schön ins Schwitzen zu kommen. Badebekleidung ist übrigens Pflicht. Eine wirklich heiße Sache, nicht wahr?«, raunte er, während er sich leicht zu ihr neigte. Abermals fixierte er sie, wie ein Raubtier seine Beute. Sie vergaß zu atmen und wich einen Schritt zurück, bis sie von der Wand gebremst wurde.
Mit dem Rücken an der Wand kam endlich ihr Mut zurück. »Okay, Gott sei Dank hast du dir das: ›so heiß wie du‹ verkniffen«, konterte sie. Plötzlich war es ihr auch möglich, seinem durchdringenden Blick standzuhalten.
Tim stutzte und fing schallend an zu lachen. »Du bist gut«, schnaubte er. »Aber ob dus glaubst oder nicht, genau das habe ich gerade gedacht.« Nachdem er sich wieder beruhigt hatte, erklärte er: »Du bist wirklich verdammt heiß.«
Lea traute sich nicht mitzulachen, entspannte sich aber. Seine Reaktion verlieh ihm eine ganz andere Ausstrahlung, viel wärmer, weniger gefährlich. Wieder verhakten sich ihre Blicke. Tim schluckte und sekundenlang sagten sie beide gar nichts. Lea beobachtete seine Mimik, die zwischen Ernst und Lächeln abwechselte. Sie bekam eine Gänsehaut und ein dicker Kloß blockierte ihren Magen.
›Bloß raus hier‹, schoss ihr durch den Kopf, aber da war es schon zu spät. Tim hatte sie energisch, aber sanft gepackt. Ein Griff, der klar machte, hier war Widerspruch zwecklos. Mit halbgeschlossenen Augen, die sie dennoch hypnotisierten, senkte er seinen Mund auf ihren. Offensichtlich war er gewohnt, zu bekommen, was er wollte.
Lea schloss die Augen und ergab sich. Sie musste ihn einfach kosten.
Er schmeckte nach purer Sünde. Als er ihr Nachgeben bemerkte, verstärkte er den Kuss. Sie ließ es zu und ihre Zungen fingen an, miteinander zu spielen. Eine Gänsehaut kribbelte über ihren Körper, als sie seine Hände spürte, die leidenschaftlich ihren Rücken streichelten. So verdrängte sie alle Hemmungen und gab sich ganz diesem Kuss hin. Mit einem leisen Seufzen ließ sie sich in den Moment ziehen. Und für einen kurzen Augenblick fühlte sie ein Glücksgefühl, keine Angst. Der Kloß im Magen wurde zu tausend flatternden Schmetterlingen, die an unsichtbaren Fäden in ihrem Unterleib zogen. Sie war drauf und dran, die Zeit zu vergessen. Dieser Mann war brandgefährlich …
Brandgefährlich, das Wort ließ sie wieder zu Bewusstsein kommen. Was machte sie da eigentlich? Wie konnte sie einfach einen Fremden küssen? Das war doch sonst nicht ihre Art. Erschreckt über sich selbst stieß sie ihn zurück.
Der verdutzte Tim rang um Atem. »Entschuldigung«, presste er hervor.
Lea fasste sich an den Mund, als könnte sie ihre Entgleisung einfach wegwischen. »Ich muss jetzt«, murmelte sie zerstreut, wandte sich ab und stolperte zum Ausgang.
Als sie an der Tür war, blickte sie noch einmal kurz zurück und sah, wie sich Tim gedankenverloren durchs Haar strich. Er hob den Kopf und öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen. Doch Lea kniff die Lippen zusammen und stürmte aus dem Raum.
Nervös suchte sie eine ruhigere Ecke – hoffentlich folgte er ihr nicht hierher - und atmete tief durch. Was sollte sie jetzt nur tun? Bitte, diesem Kerl nicht noch einmal begegnen. Aber zu ihren Freundinnen rennen und sie aus dem Studio zerren, kam in ihrem Zustand auch nicht in Frage. Gehetzt sah sie sich um und verschwand hinter der nächstbesten Tür, zum Spinning-Raum.
Gott sei Dank, hier war sie allein. Sie stellte ein Fahrrad auf ihre Größe ein, schwang sich auf den Sattel und fing wie eine Wilde an zu strampeln. Ohne Aufwärmphase war natürlich schnell die Luft knapp, aber sie trat energisch weiter in die Pedale. Ihre Muskeln fingen an zu schmerzen. Sie ignorierte das und strampelte gegen den Schmerz und ihre Gefühle an, als könnte sie ihnen entfliehen.
Erst als die Lunge schmerzte und sich im Mund ein metallischer Geschmack breitmachte, verringerte sie das Tempo. Schweißtropfen liefen an ihrer Stirn herunter und brannten in den Augen. Die Schläfen pochten in hoher Frequenz. Lea nahm ihr Handtuch, wischte sich die Stirn und verringerte den Tretwiderstand.
Sie schüttelte den Kopf. Wie konnte man sich von einem dämlichen Kuss so vollkommen aus dem Konzept bringen lassen? Das war doch der reine Wahnsinn.
Hier würde sie mit Sicherheit keinen Vertrag abschließen. Diesem Mann wollte sie nicht mehr begegnen. Überhaupt, was der sich einbildete, eine Kundin anzugraben. Sie schüttelte den Kopf über seine fehlende Professionalität.
Da öffnete sich die Tür und Tim kam herein. Wie ein begossener Pudel stand er da und räusperte sich.
Lea schluckte. »Was kommt jetzt noch? Verschwinde! Sonst werde ich mich über dich beschweren«, schimpfte sie mit rotem Kopf. Zufrieden stellte sie fest, dass er zurückzuckte.
»Ich wollte mich entschuldigen. Mein Verhalten eben war völlig unprofessionell. Ich weiß auch nicht, was da in mich gefahren ist. Ich konnte einfach nicht widerstehen … ich …«, krächzte er und fuhr sich durchs Haar.
»Halt Stopp! Sie reden sich gerade um Kopf und Kragen. Sie können froh sein, wenn ich nicht zu ihrer Vorgesetzten gehe.«
»Ja, Sie haben vollkommen recht. Ich kann mich nur wiederholen. Entschuldigung, ehrlich«, beteuerte er und hob beschwichtigend die Hände.
Lea nickte.
»Aber hier ist es eigentlich üblich, sich zu duzen.«
»Sie können wohl nicht locker lassen? Ich kann Ihnen nur raten, endlich Ruhe zu geben. Sonst werde ich bei meinem Vorstellungsgespräch ein paar Takte zu diesem ›noblen‹ Schuppen hier sagen«, schimpfte sie und betonte ›noblen‹ mit Finger-Gänsefüßchen.
»Beim Vorstellungsgespräch? Sie haben sich bei uns beworben?« Tims Augen weiteten sich. »Darf ich fragen, in welchem Bereich?«
»Das geht Sie nichts an.«
»Okay«, murmelte er und nickte, während er aus dem Raum schlich.
»Geht doch«, flüsterte Lea ihm unhörbar hinterher.
Kapitel 1 Lisa
Das ist er nun, der glücklichste Tag in meinem Leben … Ich stehe etwas abseits vom ganzen Trubel dieser Hochzeitsfeier, richte meinen Busen in dem eleganten Hochzeitskleid, und sehe ihn mir an. Alexander, meinen frischgebackenen Ehemann, meine Jugendliebe, mein erster und einziger Liebhaber. Wunderschöne blaue Augen, kurze, blonde Haare, selbstbewusstes Lächeln. Und nicht zu vergessen - die sportliche Fußballerfigur! Er sieht nur kurz zu mir rüber, lächelt mir zu und führt dann die angeregte Unterhaltung mit seinen Freunden fort.
Na toll! Noch nicht einmal einen Tag verheiratet, und schon wird man vernachlässigt!
Wir sind ein Paar seit wir 16 sind. Der beste Sportler und das Mädchen mit dem üppigsten Busen des Dorfes. Damals war das eines seiner obersten Auswahlkriterien, das hat er mir einmal verraten. Natürlich waren alle Mädchen des Dorfes hinter ihm her, aber mich hat er geheiratet. Mich!
Viele Leute behaupten, ich bin eine Schönheit. Im Prinzip ist mir das egal, denn ich bin nicht der eitle Typ. Alex findet das natürlich nicht so toll. Für ihn, und nur für ihn, habe ich deshalb extra ein Hochzeitskleid gekauft, bei dem er sichtbar den Atem angehalten hat. Figurbetont, cremefarben, trägerlos, dabei pusht und betont es meinen Busen kolossal. Der schlichte Schnitt ist wie gemacht für meine Wespentaille.
Unser Hochzeitsfest findet in der Kneipe meiner Schwiegereltern statt. Ein traditionsreiches Gebäude, mit Fachwerk und zahlreichen Veranstaltungsräumen. Es liegt direkt an unserem idyllischen Dorfsee, den man wunderbar mit einem Spaziergang umrunden kann. Sogar ein paar Zimmer kann man hier mieten. Meine Eltern haben sich nicht lumpen lassen und eine große traditionelle Hochzeit für das ganze Dorf ausgerichtet.
Solch eine Feier ist natürlich berauschend, im wahrsten Sinne des Wortes. Inzwischen merke ich den Alkohol ganz schön. Es ist sicher besser doch einmal frische Luft zu schnappen. Auf dem Weg nach draußen treffe ich meine beste Freundin Johanna, die wegen ihrer etwas herb-männlichen Art oft einfach Jo genannt wird.
Sie legt kumpelhaft einen Arm um meine Schulter, zieht mich zur Seite. „Nette Party, Lisa!“, raunt sie mir mit ihrer tiefen Stimme ins Ohr. „Hast du Raphael gesehen? Mein Gott, was ist das für ein heißer Feger geworden! An der Uni soll er auf jeder Studentenparty eine andere Frau abgeschleppt haben. Wie man sich erzählt, ist er auch äußerst gut bestückt. Wenn du verstehst was ich meine. Ob er mich mal nachmessen lässt? Mein Gott! Ich hab ganz schön was intus! Das macht mich immer so hemmungslos“, kichert sie. „ Wo ist unser Adonis überhaupt?“ fragt sie dann noch.
Ich schüttele nur meinen Kopf: „Lass das bloß nicht deinen Kevin hören!“
Raphael war unser Nachbarskind, dass er zur Feier gekommen ist freut mich besonders. Wir haben uns jahrelang nicht gesehen. Er sieht fantastisch aus, groß und breitschultrig. Mit dieser faszinierenden Aura, die schöne und kluge Menschen oft umgibt, denn Raphael ist hochbegabt. Er hat Medizin studiert und arbeitet in der Forschung.
Etwas schüchtern nahm er mich vorhin in den Arm, drückte mich ein bisschen unbeholfen und murmelte nur kurz: „Glückwunsch.“ Ich schaute ihm in die Augen, einen Moment meinte ich Traurigkeit darin aufblitzen zu sehen. „Danke“, gab ich zurück und ein merkwürdiges Gefühl stieg in mir hoch. Ich konnte nicht ganz den Finger drauflegen: Melancholie? Sehnsucht? Freude? Irgendwie ein merkwürdiges Gemisch.
Ich greife mir eine Flasche Wasser und trete nach draußen, auf die Straße vor der Kneipe. Der Lärm der Feier hallt gedämpft nach, Grillen versuchen ihn zu übertönen. Die Augustnacht ist lau. Der Vollmond spendet eine silbrige Beleuchtung. Am Ende des Parkplatzes steht eine Gestalt, die rauchend auf den See blickt. Ich erkenne die vertrauten Umrisse von Raphael. Er scheint mich nicht bemerkt zu haben …
„Solltest du für deine Patienten nicht ein besseres Beispiel sein und mit dem Rauchen aufhören?“, frage ich belustigt, nachdem ich mich, zugegebenermaßen, angeschlichen habe.
Raphael zuckt zusammen, dann dreht er sich zu mir um und grinst mich an. „Wohl wahr“, antwortet er nur kurz. „Ich brauchte ein bisschen frische Luft.“
„Ja, die Luft ist hier so sauber und frisch, dass man es kaum ertragen kann“, gebe ich grinsend zurück. Er sieht mich fragend an.
Hat er etwa die Ironie nicht verstanden?
Ich sehe ihn mir noch einmal genau an, meinen Sandkastenfreund. Irgendwann hat er sich zum echten Adonis entwickelt. Gehirnschmalz finde ich wichtiger als Muskeln, aber er bietet beides!
Von seiner italienischen Mutter hat er die klassische Schönheit und seine großen dunkelbraunen Augen geerbt. Die sehen mich gerade so sanft an, umrahmt von Wimpern, für die Frauen töten würden. Reine Verschwendung von Mutter Natur! Dazu noch die göttlichen dunklen Haare mit leichten Wellen, die man so gern wuscheln möchte.
Von seinem Vater hat er die eindrucksvolle Statur mitbekommen. Aus dem Lulatsch, der mit dem Fußballspielen aufhören musste, weil er seine langen Gliedmaßen nicht koordiniert bekam, ist ein muskulöser, gut gebauter Mann geworden.
Wir haben unseren Hochzeitstanz unter einem Ballon, gefüllt mit Glitter, abgehalten. Raphael hat diesen angestochen und der Glitter regnete auf uns herab. Dabei rutschte sein Hemd aus der Hose, so konnte ich einen Blick auf das beeindruckende Sixpack werfen, der seinen Anblick wohl perfekt macht. Er muss jede Menge Sport machen, so ein Sixpack ist harte Arbeit. Ich stelle ihn mir gerade nackt vor. Einfach zum Niederknien!
Wann ist diese Wandlung passiert?
Raphael wohnte im Nachbarhaus, war früher oft bei uns. Nein, eigentlich waren wir erstmal oft bei ihm, denn er kam fast nie von sich aus. Seine italienischstämmige Mutter hat so gerne lecker Pizza und Pasta gekocht, wir waren dabei immer willkommen. Sie hat es geliebt, wenn die Bude voll war. Sein Vater war ein eigenbrötlerischer Sonderling, aber mit Raphael hatte er ein inniges Verhältnis. Als Ingenieur hat er mit ihm ziemlich viel gebaut und gespielt. Wie ein großes Kind eben, deshalb haben sie viele, viele Stunden zusammen verbracht.
Wir drei, Raphael, mein Bruder Lukas und ich, haben unsere geliebten Fantasy-Serien immer zusammen angesehen. Man konnte mit Raphael nicht nur Lego oder Playmobil, sondern sogar Mutter-Vater-Kind spielen. Zumindest solange, bis Lukas aufgetaucht ist und ihn zum Fußball abgeholt hat. Dabei war er nie besonders geschickt bei dem Sport, liebte aber die Bewegung.
Später hingen mein Bruder und er ständig vorm Computer und haben programmiert. Was sie da programmiert haben? Keinen Schimmer … Ich kann mir auch nicht vorstellen, was man daran interessant finden kann.
Lukas hat sein Hobby zum Beruf gemacht und Informatik studiert. Ich glaube, er war immer etwas eifersüchtig, wenn wir zusammen gespielt haben. Aber Mutter-Vater-Kind, das ging für ihn gar nicht.
Die Idylle war dahin, als Raphaels Vater an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankte, praktisch ein Todesurteil. Deshalb wollte er wohl Medizin studieren und Onkologe werden. Er fing an sich zurückzuziehen und wie verrückt für das Abi zu lernen, um den Medizin NC zu schaffen. Bei seiner Intelligenz war das auch kein Problem, natürlich schaffte er die 1,0. Zu diesem Zeitpunkt war er noch dünn und pickelig. Er verschwand zum Studium und meldete sich bei uns nicht mehr. Nur Lukas war später mit ihm noch in Verbindung, da sie an derselben Uni studiert hatten.
Seine Mutter hatte nach dem Tod des Vaters angefangen zu trinken. Drei Monate nach seinem Auszug nahm sie Schmerztabletten mit Alkohol ein. Sie wollte sich wohl nicht umbringen, erstickte aber an ihrem eigenen Erbrochenen. Eine wirklich tragische Geschichte, die mich noch heute traurig stimmt, wenn ich daran denke.
In Deutschland hat er jetzt keine Verwandten mehr. Seine Mutter hatte damals alle Kontakte zu ihrer Familie abgebrochen, nachdem sie den merkwürdigen Deutschen geheiratet hat. Sie ist ihm auch noch nach Deutschland gefolgt … Skandal!
Raphael hat immer noch diese schüchterne, melancholische Ausstrahlung wie damals. Zusammen mit seiner Schönheit gibt ihm das so etwas geheimnisvolles, extrem Anziehendes. Ich mochte diese zurückhaltende, ruhige Art schon immer. Möglicherweise hat sie auch meine Beschützerinstinkte geweckt.
Er drückt seine Zigarette aus. Ich muss schlucken, als er mich dann ansieht. Ein seltsames Prickeln durchzieht meinen Körper. Ich wiederstehe dem Drang ihn in den Arm zu nehmen und frage stattdessen: „Wollen wir ein kleines Stück spazieren gehen?“
Er nickt nur kurz. Wir setzen uns in Gang. „Lass uns doch kurz auf unseren alten Platz setzen“, schlägt er vor. Er hält an seinem Auto, öffnet den Kofferraum und holt eine Picknickdecke heraus.
Schweigend laufen wir ein Stück nebeneinander her, während die Grillen weiter für die Hintergrundmusik sorgen.
Warum sagt er gar nichts?
„Hör doch mal auf zu sabbeln“, entfährt es mir mit einem Grinsen. Ich sehe ihn an und kann förmlich sehen wie es hinter seiner Stirn arbeitet.
Hat er den Witz wieder nicht verstanden?
Wie von selbst erreichen wir die Stelle an der wir als Kinder oft waren, gebadet und gespielt haben. Raphael breitet die Decke aus. Wir setzen uns hin und unterhalten uns ein wenig über unsere Kindheit, lachen über Anekdoten von uns und unseren Freunden. Eine kleine Pause entsteht und wir blicken beide auf den See.
Der Vollmond spiegelt sich darin und macht ein zauberhaft silbriges Licht. Ab und zu fährt ein leichter Windhauch durch die Blätter der großen Pappeln, die am Seeufer stehen. Ein leises Rauschen, das die Nachtstimmung romantisch untermalt. Obwohl es so spät ist, ist die Luft noch warm. Es ist jetzt so eine angenehme, vertraute Stimmung, ein bisschen wie nach Hause kommen.
„Eigentlich waren wir ja verlobt“, sagt er plötzlich zu mir. Ja, als Kinder hatten wir uns einmal feierlich verlobt. Ich hatte ihn damals ja so lieb! Überrascht sehe ich ihn an. Man könnte fast meinen, er meint es ernst. Schon wieder überkommt mich der Drang ihn in den Arm zu nehmen. Jetzt bildet sich auch noch ein kleiner Knoten in meiner Bauchgegend, denn er sieht ein bisschen traurig aus.
„Warum bist du nach der Beerdigung deiner Mutter so schnell verschwunden?“
Ja, warum hat er sich nur so zurückgezogen, nie wieder ein Wort von sich hören lassen?
Er sieht mich mit einem melancholischen Lächeln auf seinem schönen Gesicht an. „Mir war auf einmal alles zu viel, ich hatte einfach keine Lust mehr.“ Nachdenklich reibt er sich dabei über seine Stirn.
„Wir hätten dich unterstützen und trösten können“, ich schlucke den Kloß in meiner Kehle runter.
„Hättet ihr das denn gewollt?“, fragt er, man könnte fast meinen, erstaunt.
„Natürlich, schließlich gehörst du doch praktisch zur Familie!“ Ich sehe ihn dabei an, jetzt reibt er sich mit Daumen und Zeigefinger über die Augen. Mein Bauchknoten wird immer grösser als er mich wieder so fragend ansieht.
Warum möchte ich ihn nur die ganze Zeit in den Arm nehmen?
Zögernd lege ich die Hand auf seinen Arm und streife sanft darüber. Diese Berührung wirkt auf mich wie elektrisierend, er zuckt ganz leicht mit dem Arm. Wieder entsteht eine Pause, in der wir schweigend auf den See blicken. Eine merkwürdige Stimmung ist zwischen uns entstanden. Mein Mund wird immer trockener, ich schlucke.
Atmen Lisa, Atmen!
Er blickt mich an, unsere Augen verbinden sich. Wie früher, schießt es mir durch den Kopf, das alte Gefühl der Vertrautheit lässt mich etwas entspannen.
Jetzt brechen bei mir alle Dämme!
Ich muss ihn berühren! Sofort!
Vorsichtig nähere ich mich seinem Gesicht und küsse ihn zart auf seine Wange. Ich bleibe lange dort, eigentlich zu lange. Er fühlt sich so gut an, schmeckt so gut.
Ich möchte auch die schön geschwungenen Lippen küssen, löse mich und hauche einen zärtlichen Kuss auf die geschwungenen, weichen Lippen. Er versteift sich unter mir, aber irgendwie stört es mich gerade überhaupt nicht.
Ich kann jetzt nicht aufhören!
Das Prickeln verstärkt sich, jagt mir heiße Schauer durch den Körper. Mein Gesicht wandert weiter zu seiner Halsbeuge, auch da küsse ich ihn. Hmmh, er riecht so gut. Wie kann ein Mensch nur so gut riechen? Das müsste verboten werden …
Mein Verstand setzt langsam aus, unfreiwillig. Alles zieht in den Unterleib, implodiert dort zu einer Hitzewelle.
Wer sagt eigentlich, dass nur Männer mit dem Unterleib denken?
Als ich ausatme, und mein Atem über seinen Hals streicht, springt auch Raphael an. Er umarmt mich fest, zieht mich an sich und küsst mir auf den Mund – leidenschaftlich. Mein Gott was für ein Kuss! Ich stöhne leise. Es ist so, als wenn sich die Naturgewalt nur einen Weg bahnen kann. Es fühlt sich an, als ob es schon immer so hätte sein müssen.
Unser Atem wird schneller und schwer. Raphael stößt ein heftiges Keuchen aus, das mir direkt wieder in den Unterleib fährt. Das leise Knurren, das darauf folgt, macht mich einfach nur an!
Ich fange an sein Hemd aufzuknöpfen, will seinen makellosen Oberkörper genießen. Küsse mich über den Hals nach unten, beiße sanft in sein Schlüsselbein.
Dieser männliche Geruch! Ob die Sache mit dem Riesenschwanz stimmt?
Lecke über seine Brustwarzen und sauge sanft. Meine Hand wandert nach unten und findet eine beachtliche Beule.
Was ist nur mit mir los? Es gibt für mich offensichtlich kein Zurück mehr!
Nun erwacht auch Raphael aus seiner Bewegungslosigkeit, er fackelt nicht lange, öffnet den Reißverschluss meines Kleides auf dem Rücken und befreit meine Brust, knetet beide Brüste mit beiden Händen. „So schön“, murmelt er und saugt abwechselnd an den Brustwarzen. Die Berührung lässt meinen Unterleib fast schmerzhaft zusammenziehen. Mein Gott, diese Geilheit die mich jetzt überfällt. Ich merke, wie die Feuchtigkeit sich unten sammelt.
Ungeduldig zerre ich an seinem Hosenknopf. Irgendwann schaffe ich es, seine Hose zu öffnen, fasse seinen Schwanz. Er ist so groß wie von Jo behauptet und steinhart! Ich reibe nur ein paarmal darüber. Wieder dieses Stöhnen …
Ich will dieses Gerät in mir haben! Wie fühlt sich das an? Mann, bin ich scharf!
Soweit nötig, zerre ich seine Hose nach unten, willig hilft er mir. Ich raffe mein Kleid hoch, positioniere mich einfach über ihn und schiebe meinen winzigen Tanga beiseite. Mühelos nehme ich ihn in mich auf, ich bin ja so nass …
Was für ein irres Gefühl so einen großen Schwanz in mir zu haben!
Ich reite ihn, meine Bewegungen sind gierig und schnell. Ich weiß, für einen Außenstehenden mag es aussehen wie ein Quickie, ordinäres Ficken oder Vögeln, oder so. Es fühlt sich aber nicht so an. Es fühlt sich an nach Verbindung … Vereinigung … erfüllend … ausfüllend. Tiefe Gefühle steigen in mir auf. Wir kennen uns schließlich fast unser ganzes Leben. Ich bin mir sicher, Raphael fühlt es auch.
Mit leidenschaftlichen Stöhnen setze ich unsere Vereinigung fort. Ich beuge mich zu ihm runter, küsse ihn, er küsst meine Brust. Saugt an ihr voller Leidenschaft, markiert mich. „Komm“, sagt er dann einfach nur. Als wir, zusammen, kommen, fühle ich seinen Erguss in mir. Mit leisen Bewegungen pumpt er nach, entleert sich. Danach lege ich meine Stirn auf seine und atme mit einem leisen Stöhnen erleichtert aus.
Das hat schon was.
Mit Alex bin ich noch nie zusammen gekommen.
Postorgastisch setzt auf einmal mein Verstand wieder ein.
Was war denn das? Tue sich bitte ein Loch auf, in das ich versinken kann!
Schnell stehe ich wieder auf, lasse mein Kleid nach unten sinken. Ich spüre, wie mir sein Samen zwischen den Schenkeln herabläuft.
Auch Rafael ist peinlich berührt, glaube ich zumindest, denn er zieht sich schnell seine Hose wieder hoch. Als ich meinen Busen wieder in dem Kleid verstaue, fällt mir der Knutschfleck auf.
Oh je, wie soll ich das nur Alex erklären? Ich hab dich in unserer Hochzeitsnacht betrogen?
Gott sei Dank wird er vom Kleid verdeckt. Raphael hilft mir zumindest den Reißverschluss zu schließen.
Schweigend gehen wir mit schnellen Schritten zurück. Raphael wirkt merkwürdig steif, peinlich berührt. „Ich bin dann weg! Tschüss“, sagt er einfach und steigt in seinen Wagen. Der Motor startet, der Golf setzt zurück, wendet und rauscht einfach ab. Fassungslos starre ich ihm hinterher.
Ist das jetzt sein Ernst? Er kann doch jetzt nicht so einfach abhauen! Ohne darüber zu reden … Was ist da jetzt gerade passiert? Was mache ich denn jetzt? Mann! Einfach Schwamm drüber?
Ich kann nichts mehr tun, es ist einfach geschehen. Vorbei! Ist wohl das Beste, ich vergesse das Ganze. Mir bleibt eigentlich auch nichts anderes übrig. Ja, Raphael scheint wirklich die Frauen reihenweise zu vernaschen. Scheiße!
Ich setze so gut es geht mein - war eigentlich was? - Gesicht auf. Ich bin so eine schlechte Lügnerin! Dann gehe ich zurück in den Saal. Fast alle Gäste sind schon gegangen. Der Alkoholpegel der Verbleibenden ist dafür dramatisch gestiegen. Alex steht immer noch, oder schon wieder, mit seinen Fußballkameraden zusammen. Barbara, meine Frisörin, und ein paar andere Fußballgroupies stehen dabei. Barbie, so wird Barbara wegen ihrer aufgespritzten Schlauchbootlippen und der auffällig geschminkten Erscheinung oft genannt, hat zur Feier eine extravagante Kreation aus meinem langem blonden Haar errichtet. Jetzt hängt sie mit einem bewundernden Blick meinem Mann geradezu an den Lippen.
„Oh mein Au ... gen ... stern, daa … bissst du ja!“, lallt mir Alex entgegen. „Wo waast … du eigentlich?“ Er schwankt bedenklich hin und her als er versucht, mir ein Küsschen auf die Wange zu geben.
„Ich brauchte frische Luft. Raphael war draußen, wir sind ein paar Schritte (zu weit) gegangen. Ich hab immer noch Kopfschmerzen.“
Oder sowas Ähnliches.
„Du … wirst nüchtern, du mussst waas trinken“ wirft Justin mit alkoholgeschwängertem Blick ein.
„Keine Lust“, erwidere ich möglichst cool. „Ich glaub ich muss ins Bett.“
„Bye Süsssse, dein Ehe … mann kommmtgleich undmaacht dir den Hengst“, kichert Alex noch dümmlich. Seine leicht verdrehten Augen stieren dabei auf mein Dekolleté. Kennt ihr diesen französischen Film? Ein Klassiker, wir haben ihn neulich zusammen gesehen. Eigentlich ist Alex ja der Meister des Dirty-Talks … Oh Gott! Alkohol zerstört wirklich viel zu viele Gehirnzellen, oder legt sie zumindest lahm.
Hoffentlich fängt er nicht auch noch an zu wiehern!
Ich drücke ihm ein Küsschen auf die Backe. „Hab noch Spaß“, schreie ich ihm gegen den Lärmpegel ins Ohr.
Und lass dir Zeit …
Müde mache ich mich auf den Weg in unser neu ausgebautes Nest. Aus dem alten Stall des historischen Kneipengebäudes ist nach dem Umbau eine tolle Wohnung geworden. Hier wollen wir zusammen leben, selbst an Kinderzimmer haben wir gedacht. Wir möchten so schnell wie möglich Kinder. Ich habe deshalb sogar schon die Pille abgesetzt. Mein Kopf wummert jetzt wirklich, die Bässe der Live Band wabern in meinem Gehirn nach. Außerdem fühlt es sich an, als hätte ich meinen Brautschleier immer noch auf dem Kopf.
Wo sind nur die Aspirin Tabletten?
Nötig sind mindestens zwei Stück, sicher ist sicher. Ich schnappe mir die Flasche und schenke mir ein Glas Wasser ein. Auf dem gepolstertem Lederstuhl in meiner schönen großen Weißlackküche lasse ich den „schönsten Tag in meinem Leben“ noch einmal revuepassieren. Ja, so hatte ich ihn mir wirklich nicht vorgestellt.
Sollte man nicht vom Bräutigam auf Händen getragen werden?
Stattdessen hat er mich fast den ganzen Abend ignoriert. Ich musste mit allen Verwandten und seinem ekligen Onkel Georg tanzen, der seine Erektion schamlos an meinen Unterkörper gepresst hat. Gott sei Dank hat Lukas mich erlöst! Dann hab ich mich, sozusagen als Höhepunkt des Abends, von einem andern Mann vögeln lassen. Beim Gedanken an den Sex mit Raphael prickelt es noch einmal in meinem Unterleib.
Scheiße! Was hat er sich nur dabei gedacht, mit mir zu schlafen und dann einfach so abzuhauen? Egal, heute hab ich keine Kraft mehr, mir noch weiter Gedanken zu machen, brauche jetzt wirklich eine Mütze voll Schlaf.
Ohne mich abzuschminken, und vollkommen erschöpft, falle ich in eine Art Koma.
Alex torkelt irgendwann gegen Morgen ins Schlafzimmer. Ich bin zwar aufgewacht, stelle mich aber schlafend. Es ist gar nicht so leicht, einen regelmäßigen Atem vorzutäuschen, aber ich brauche keine gute Schauspielerin zu sein. Er schafft es gerade noch die Schuhe auszuziehen und fällt dann mit Klamotten aufs Bett. In diesem Zustand beginnt er die Regenwaldabholzung zu forcieren, so hört es sich jedenfalls an.
Gott sei Dank bleibt mir so die Hengstnummer erspart!
Kapitel 2 Raphael
Scheiße … Scheiße, Scheiße, Scheiße …
Mein Kopf liegt auf dem Lenkrad und ich schlage ihn immer wieder dagegen. Jetzt bin ich doch noch zwei Stunden nach Hause gefahren, obwohl ich ein Zimmer reserviert hatte. Ich sitze immer noch im Auto. Ich hab bestimmt zu viel getrunken, um noch zu fahren. Damit gefährdet man doch Andere! Gott sei Dank ist nichts passiert und ich bin auch nicht erwischt worden. Ich muss die ganze Zeit nachdenken. Meine Gedanken rotieren nur so, laufen durch alle Gehirnwindungen. Neuronen wandern hin und her, versuchen sich zu sortieren. Ich bekomme einfach keine Ordnung in meine Gedanken … Scheiße!
Fuck … Fuck, Fuck, Fuck …
Dann läuft im Radio auch noch das Lied Someone Like You von Adele. Oh Mann, das spricht mir aus der Seele. Jetzt habe ich bestimmt wieder Alles falsch gemacht. Dabei will ich doch immer nur Alles richtig machen. Was wohl in so einer Situation das Richtige ist? Das Richtige sagen, wie macht man das? Wenn ich sage, was ich denke, sind die Leute oft so rätselhaft, oder beleidigt. Sie behaupten, ich stoße vor den Kopf. Sie wollen meine wahren Gedanken oft nicht hören. Warum eigentlich nicht? Also ziehe ich die einzige Konsequenz daraus, die man ziehen kann: Ich sage gar nichts …
Shit … Shit, Shit, Shit …
Wie konnte sie auch nur diesen Typen heiraten! So einen Proll! Baby nennt er sie. Wie albern! Sie ist doch kein Baby. Und in Amerika leben wir auch nicht. Ich hätte ihr sagen müssen, was für eine tolle Frau sie ist. Aber ich kann mal wieder nicht die richtigen Worte finden, natürlich. Ich habe ihr früher öfter einen Brief geschrieben und ihn dann wieder zerrissen. Gegen den Alexander komm ich sowieso nicht an. Früher schon gar nicht, den finden einfach alle Frauen toll. Ich bin doch nur der schüchterne Nerd.
Mist … Mist, Mist, Mist …
Und dann fängt sie mit Familie an! Ich wollte immer eine Familie, Brüder und Schwestern, die ich nie hatte. Es war immer so schön, mit ihr zu spielen. Erinnert sie sich gar nicht mehr daran, dass wir uns damals verlobt haben? Auch eine mündliche Verlobung ist vor dem Gesetz gültig. Naja, vielleicht waren wir noch zu jung, aber ich erinnere mich noch genau daran!
Sie ist für mich etwas Besonderes. Ihr Haar leuchtet in der Sonne, sogar im Mondlicht hat es gefunkelt. Sie ist die einzige Frau, bei der ich Augen und Gesicht sehe. Bei den Anderen sehe ich das gar nicht richtig, sehe immer nur Ausschnitte, nie das ganze Gesicht. In die Augen sehen, fällt mir besonders schwer, ich weiß auch nicht warum.
Dann hat dieser dämliche Alex auch noch das Lied gespielt, James Morrison You Give Me Something. Den Song von der Platte, die ich Lisa damals geschenkt hatte. Ich war damals wirklich ein Idiot, ihm zu verraten, dass sie dieses Lied mag. Es wäre ihr Lied, hat er einfach behauptet. Nein, es war doch unser Lied! Weiß sie denn nicht, dass es damals eine Bedeutung für mich hatte? Dies Lied sollte ihr etwas sagen! Ich kann meine Gefühle nicht so gut ausdrücken, über Musik fällt es mir leichter. Ich mag Musik, habe früher immer viel zusammen mit Lisa gehört.
Warum wollte sie nur Sex mit mir? Das darf man doch nicht! Sex mit einem andern Mann, jedenfalls nicht, wenn man verheiratet ist. Ich hab jetzt gar kein gutes Gefühl bei der Sache.
Obwohl, der dämliche Alex hatte auch oft Sex mit anderen Frauen. Meistens mit dieser schrecklichen Barbie. Als ich noch beim Fußball war, wusste es jeder. Dann habe ich ihn mal darauf angesprochen. Er hat geantwortet: „Männer dürfen das.“ Warum sollen das nur Männer dürfen? Das ist nicht logisch! Ich hab es recherchiert, die meisten Quellen sagen, dass man es nicht darf. In der Bibel steht es auch so. Allerdings glaube ich nicht an Gott, da sollte ich das mit der Bibel nicht so ernst nehmen.
Warum hatte sie Sex mit mir? Viele Frauen hatten Sex mit mir, wollten Sex mit mir. Sie finden mich schön, sagen sie. Sie mögen meinen großen Penis, sagen sie. Immer wenn ich auf einer Party bin kommt irgendeine und will Sex. Naja, ich brauche Alkohol um auf eine Party zu gehen. Und die Frauen wohl auch, um mich zu fragen. Meistens sagen sie mir direkt ins Gesicht, dass sie Sex wollen. Das finde ich gut. Dann brauch ich mir keinen runterholen. Echter Sex macht ja doch viel mehr Spaß, auch mit Alkohol.
Zuviel sanftes Streicheln ist mir unangenehm. Ich sage dann vorher: „Ich bin nicht so der softe Typ, ich mag es gerne härter, ist das in Ordnung?“ Das habe ich so mal so in einem Porno gesehen. Die meisten Frauen sind davon begeistert und dann geht’s immer schnell zur Sache.
Manche Frauen wollen auch ganz viel Kuscheln, Schmusen und Streicheln. Sowas mag ich nicht! Jedenfalls nicht so viel, ich werde dann immer ganz kribbelig. Und bitte nicht so sanft und zart! Was finden die nur daran? Aber Küssen mag ich.
Im Grunde weiß ich nicht wirklich, was die Mädels sich wünschen. Ich hoffe einfach nur, ich spiele den richtigen Porno. Wenn sie dann anfangen mich zu streicheln, greife ich an die Titten und spiele damit und sauge an den Brustwarzen. Alle mögen das, sie stöhnen dann immer. Stöhnen ist ein Zeichen, dass es ihnen gefällt. Ich mag große Brüste. Lisa hat schöne große Brüste. Lisa ist einfach die schönste Frau, die ich kenne!
Nach dem Sex wollen die meisten Frauen noch schmusen. Sowas kann ich nicht ausstehen! Ich streichle sie lieber in der Löffelchen-Stellung, da kann ich den Abstand besser kontrollieren. Es ist wohl wichtig noch zärtlich zu sein, damit sie sich nicht benutzt fühlen. Tja, wer sich hier wohl benutzt fühlen muss?
Wenn sie mehr wollen verschwinde ich. Darum nehme ich sie auch nie mit zu mir, dann kann ich abhauen, wenn mir die Schmuserei zu viel wird. Sie fragen auch oft, warum ich gehe. Ich sage dann die Wahrheit, dass mir langweilig ist und ich etwas Besseres zu tun habe. Ich sage immer die Wahrheit!
Ich weiß mittlerweile schon, dass manche von ihnen mich deswegen für ein eiskaltes Arschloch halten. Sie sagen es mir öfter. In der Regel ist es mir egal, ich finde die meisten Frauen sowieso langweilig.
Außerdem glaube ich, sie schließen daraus, dass der Sex mir nicht gefallen hat. Aber das ist unlogisch. Wenn sie wissen wollen, wie mir der Sex gefallen hat, können sie mich das doch fragen. Ich verstehe die Frauen nicht!
Der Sex mit Lisa war klasse! Ohne viel Geschmuse und ohne Kondom. Ich hatte noch nie Sex ohne Kondom. Es fühlt sich viel besser an, intensiver. Es ist schön, mit ihr zusammen zu sein. Ich kann mich sogar mit ihr unterhalten. Normalerweise weiß ich gar nicht was ich sagen soll, meine Themen sind für Frauen nicht so interessant. Aber bei Lisa hab ich das Gefühl, ich kenne sie schon ewig, ist ja eigentlich auch so.
Meine Themen sind Medizin, Politik, Technik und alles was mit Internet oder Computern zu tun hat. Ich mag auch Musik und Fantasy. Wenn ich mit Frauen zusammen bin, wollen sie sich meistens nicht über sowas unterhalten, sondern über Gefühle und solchen Mist. Sowas kann ich nicht. Ich verstehe diesen ganzen Kram nicht. Ich verstehe die Frauen eben nicht!
Überhaupt kann ich die Gefühle von anderen Menschen nicht immer gut erkennen. Ich versuche die Mimik zu lesen, aber das gelingt mir meistens nicht gut. Zwinge ich mich dazu, ihnen ins Gesicht zu sehen, quält es mich regelrecht. Wenn sie zum Beispiel weinen sind sie nicht immer traurig. Sie weinen auch vor Glück. Da soll mal einer schlau draus werden! Deswegen achte ich auch genau auf die Stimme. Stimmlage und Lautstärke geben mir zusätzliche Hinweise Das ist oft ganz schön anstrengend! Bin ich unsicher, wende ich mich ab. Was soll ich auch sonst tun?
Ich vermute, deshalb mögen mich auch öfter Leute nicht. Sie sagen, ich bin wie ein Holzklotz. Manche Leute sind aber auch einfach nur dumm. Natürlich möchte ich gemocht werden, vor allem von Leuten die ich selber mag. Wenn ich erst einmal denke sie mögen mich nicht, werde ich oft depressiv und unsicher. Meine Gedanken fangen an zu kreisen. Was ist denn jetzt schon wieder los? Was war falsch? Wieso habe ich mich schon wieder zum Vollidioten gemacht?
Ich gehe jetzt nach oben, mache mir erstmal Spiegeleier und lege mal wieder die CD auf, die ich auch Lisa geschenkt habe. Ich brauche jetzt Musik um die Gefühle zu sortieren.
Scheiße, Scheiße , Scheiße …
Die Musik spielt und hilft mir mich zu sortieren. Wut? Ja, das ist es, Wut, die ich auf mich habe. Warum hab ich sie nicht einfach gefragt, warum sie den Sex wollte? Warum bin ich wütend? Weshalb hat Lisa den Blindflansch geheiratet? Warum renne ich einfach weg statt mit ihr zu reden?
Viel Stoff zum Überlegen. Dafür muss man allein sein, lange sinnieren. Ich muss immer so unendlich lange nachdenken … Hab ich alles richtig gemacht? Sowas müssen die anderen Menschen wohl nicht so viel. Und dann denke ich darüber nach, warum ich immer so viel nachdenke … Oft bin ich deswegen nervös und kann nicht so gut schlafen. Ich bin jetzt vollkommen erschöpft, muss allein sein. Aber mir macht das nichts aus. Ich bin gerne allein, brauche eigentlich niemanden. Einen Computer und einen Internetanschluss, mehr braucht man zur Ablenkung und Unterhaltung sowieso nicht. Morgen muss ich wieder mal ein extralanges Workout im Fitnessstudio einlegen, um den ganzen Stress abzubauen.
Die Geschichte des schwulen Pärchens, aus diesem Buch, finden sie im Sammelband "Somebody Perfect?" oder auch als Einzelbuch mit mehr expliziter Erotik:
Herz in der Hand / Someone Forever
Dominic ist sehr verliebt in Frederic. Sein Freund verbirgt seine Homosexualität aber vor der Öffentlichkeit. Als Gerüchte aufkommen, von denen Frederic geschäftliche Nachteile befürchtet, legt der sich eine Fake-Freundin zu. Dominic muss dabei mit Eifersucht und Zurücksetzung kämpfen. Er durchlebt eine rasante Achterbahnfahrt der Gefühle.
Eine mitreißende Gay-Romance über die Macht der Gefühle
Namen, Personen und Handlungen aller hier angegebenen Romane sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit real existierenden Ereignissen oder Personen sind nicht beabsichtigt und rein zufällig.
Texte: Alica H. White
Bildmaterialien: Cover: Kooky Rooster
Tag der Veröffentlichung: 03.02.2016
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für meine Freundinnen