Nr. 1 und Frauke
Heute Morgen war es wirklich schön. Meine Jungs mussten alle erst zur 3. Stunde in die Schule, wegen: Lehrerkonferenz.
Das hieß für fast alle: AUSSCHLAFEN. Aber da der Mann Nr.1 Lehrer ist, kommt er nicht in diesen Genuss und muss bereits zur Frühstunde in der Schule sein.
Was die Schadenfreude und das Gespött von Sohn Nr.1 heraus fordert mit den Worten: „Lehrer sein dagegen sehr!“
Wir sitzen am Frühstückstisch… und was soll ich sagen:
ES KLINGELT!
Ich gehe an die Tür und Frauke steht draußen. Frauke ist eine Klassenkameradin von Sohn Nr.1.
Sie holt ihn IMMER ab. Seit der Einschulung vor 4 Jahren. Frauke ist einen Kopf größer, als mein Sohn hat einen Körperbau wie ein Kohlenträger und ist 2 Jahre älter.
Sie wurde 2 Jahre von der Einschulung zurückgestellt, war wohl zu klug, das Mädchen.
Sie trägt Sohn Nr.1 immer den Schulrucksack in die Schule und wieder zurück. Sie ist ganz vernarrt in ihn.
Ist ja auch ein hübscher Junge: lange, dunkelblonde Haare, große, blaue Augen und ein Selbstbewusstsein, dass man sich als Mutter von seinem Kind nur wünschen kann.
So auch an diesem Morgen.
„Komm’ ich zu früh?“ fragt sie und ich antworte: „ Nein, genau richtig zum Frühstück.“
Sie isst gern bei uns. Sie sagt, dass bei uns immer etwas los ist und es nicht langweilig wird.
Mitten beim schönsten Frühstück fragt Frauke plötzlich Sohn Nr.1: „ Hast du deine Schulsachen gepackt und Mathesachen? Wir schreiben heute eine Arbeit und ich nehme an, dass du deine Mathe-Hausaufgaben gemacht hast.“
Mir bleibt mein Brötchen fast im Halse stecken. Wo bleibt sein Selbstbewusstsein? Und wieso übernimmt sie nun MEINE Pflichten???
Aber Sohn Nr. 1 scheint sich wohl zufühlen und sagt: „Alles erledigt.“ Und isst zufrieden sein Rundstück.
Frauke guckt auf ihre Armbanduhr und ruft erschrocken: „ Mensch, wir müssen los, bummel nicht immer, deinetwegen komme ich ja auch immer zu spät!“
Sohn Nr.1 springt vom Tisch auf und sieht zu, dass er seine 7 Sachen findet. Mit dem halben Rundstück in der Hand und einem schnellen Tschüss sind er und Frauke auch schon verschwunden. Ich sehe den beiden noch aus dem Fenster nach.
Sie trägt seinen Rucksack wie immer und hält seine Hand fest umklammert.
Und es ist wirklich etwas spät geworden. Darum fahre ich die anderen beiden in die Schule.
Mutterpflichten, denke ich. Obwohl: bei Sohn Nr. 1 brauche ich sie wohl nicht mehr wahrzunehmen, dass macht Frauke ja schon.
Wieder zuhause angekommen, steht Hermann vor der Tür.
„ Na, mein Hermann, wo fehlt’s denn heute“? frage ich und bekomme auch gleich die Antwort:“ Kannst Du mir helfen Flora wieder einzufangen? Sie ist aus dem Käfig und durch das offene Küchenfenster …einfach weg, ja weg ist sie und sie sitzt oben im Pflaumenbaum. Ich komm da nicht rauf“! Und er weint bald, der arme Hermann.
„Gut“, sage ich, das machen wir schon, Hermannchen, reg dich nicht auf. Die kriegen wir wieder“, versuche ich ihn zu beruhigen.
Wir gehen in den Schuppen und holen die große ausziehbare Leiter und wir schultern sie gemeinsam, was nicht einfach ist, denn Hermann ist voll, wie eine Strandhaubitze und torkelt von einer Straßenseite zur anderen. „Oh, wenn das mal gut geht, Hermann. Kannst Du das Trinken denn nicht einmal wenigsten einschränken!?“ Das hätte ich nicht fragen sollen, denn Hermann dreht sich mit samt der Leiter um und schleudert mich auf den Kantstein. Da sitz ich nun auf meinen 5 Buchstaben und Hermann schimpft, wie ein Rohspatz: „ Gaaanz nüchtern bin ich, seit 2 Tagen hab ich nicht, und mein Problem ist Flora!“
Die Leiter kommt auf einem geparkten Auto zum liegen. Und der Hermann sagt, das macht nichts, weil, den kennt er! Ja, das ist die spezielle Ausdrucksweise von Hermann. Er spricht nie in ganzen Sätzen.
„Ich schreib einen Zettel“, sagt er und versucht die Leiter erneut zu schultern.
Er stolpert in seinen Garten, legt die Leiter ab und schwankt ins Haus. Kommt mit einem beschriebenen Zettel zurück und klemmt den hinter den Scheibenwischer.
Nun ist Flora-time. Sie sitzt immer noch auf dem Pflaumenbaum und pfeift das Lied von: Frau Wirtin hatte einen Sohn…. Ferkel, denke ich, aber sie hat’s ja nur gepfiffen.
Inzwischen ist Hermann mit dem Papageienkäfig angerückt und etwas von Flora’s Lieblingsfutter in der Hand. Ha, denke ich, ist auch nicht das erste Mal, dass Flora einen Ausflug macht.
Aber auf die Leiter muss ich dann steigen. Hermann packt das nicht mehr.
Während ich hinaufklettere, mit einer Hand mich festhaltend und in der anderen den vermaledeiten Vogelkäfig halte, hör ich Hermann:“ Florchen, meine Süße, komm zu Hermannchen, komm, meine geliebtes kleines Florchen!“
Flora ist nicht klein. Sie ist ein ausgewachsener, großer Ara mit dem Gewicht eines mittleren Panzers. Und kümmert sich einen Kehricht um das Geflöte von Hermann.
Ich, an dem Ast angekommen, auf dem dieses Viech sitzt, flöte nun genauso und beuge mich etwas vor, um ihr den Vogelkäfig „schmackhaft“ zu machen. Sie genießt ihre Freiheit und schert sich weder um mich, noch um Hermann. Sie hackt nach mir und flüchtet noch ein Stückt weiter, auf einen dünneren Ast.
MISTVIEH, denke ich. Wie gut, dass ich nur Hunde und Katzen habe.
Als die Leiter an dem dünneren Ast angekommen ist, drohte diese ganz abzurutschen.
Also: die Leiter rutscht, ich hänge im Baum und der dämliche Vogel fliegt auf Hermann Schulter und knabbert zufrieden an seinem Ohr.
„Ja, so ist sie, mein Florchen“, sagt er und geht mit ihr und dem Käfig, den ich fallen ließ, in sein Haus.
Und ich hänge im Baum!!!
„Das war das letzte Mal, dass ich dir helfe, du Neandertaler!“ rufe ich ihm nach, die Kontenance verlierend.
Mühsam, wieder vom Baum herunter und zuhause angekommen, ist auch schon Schulschluss.
Sohn Nr. 2 steht wie immer mit Blümchen vor der Tür. Trotz allem, ein sehr erfreulicher Anblick. “Und wo sind die anderen“; frage ich. „Nr.1 hat Stress mit Frauke und Nr.3 ist glaub’ ich, noch irgendetwas anstecken“.
Mich trifft bald der Schlag. Um Himmelswillen – kein neues Feuer, denke ich und was ist mit Nr. 1 und Frauke los??? Sonst immer ein Herz und eine Seele und nun???
Als Sohn Nr.2 und ich ins Haus gehen, sehe ich schon Frauke…auf der einen Straßenseite und Sohn N.1 auf unserer Seite. Er trägt seinen Rucksack selbst. Und die beiden giften sich an:
„Du bist ein Krempelarsch“! schreit sie über die Strasse, und Sohn Nr.1 schreit zurück:“ und ich wünsch dir den ganzen Kopf voll Läuse und so kurze Arme, dass du dich nicht kratzten kannst“!
Er kommt ins Haus und sagt nur: „ Is ja wahr, einmal wollt ich mich wehren und einem Blödmann so richtig auf’s Maul hau’n. Was macht Frauke? Die kommt und haut den zusammen, dass dem kein Hut mehr passt.
Und dann ruft sie auch noch: wenn du den verhaust, dann muss du erstmal an mir vorbei, das ist MEINER und den verhau ich selbst!!
„Die brauch’ mich nie wieder abholen, ich bin blamiert für alle Zeit“! sagt Sohn Nr.1, „scheiss Weiber“! und schlurft in sein Zimmer.
Frauke war seit dem seltener bei uns zum Frühstück. Und ich darf meine Mutterrolle wieder voll ausleben.
Texte: britta r.
Bildmaterialien: Cover und Text
Tag der Veröffentlichung: 21.08.2015
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