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Sohn Nr. 2

 

 

Natürlich heißen meine Jungs. Sie haben Namen, wie andere Menschen auch. Sogar sehr schöne Namen…aus meiner Sicht.

 

Aber als meine Söhne 3,2 und 1 Jahr alt waren, entschloss sich Sohn Nr.1 seine Brüder zu nummerieren. Er war zu klein, um sich ihre Namen zu merken.

So ist es bis heute geblieben. Ein Telefonat zwischen den Brüdern hört sich ungefähr so an:

 

„Mensch, schön, dass Du zuhause bist Nr.1. Hab’ ich dir schon erzählt was mir heute passiert ist?“

„Nein, Nr.2, leg’ mal los.“

 

Ich möchte das in meinen Büchern auch nicht ändern…

 

Und dieses Mal geht es um Sohn Nr.2.

 

 

 

Er steht wieder mit den Blümchen vor der Tür und strahlt mich an, mein Sohn Nr.2. Drückt mir das Sträußchen in die Hand und verkündet: „ Heute wird geschlachtet!“

Ich schalte nicht sofort, und muss ihn ziemlich dumm angesehen haben. „was, oder wer wird geschlachtet?“

 

„Das olle Schwein, mein Taschengeld vom ganzen Jahr ist da drin. Und heute will ich es schlachten und auf mein Sparbuch einzahlen.“

 

Oh, klasse, denke ich. Meine Erziehung in Richtung:“ Umgang mit dem Geld“ hat gefruchtet. Auch wenn ich genau weiß, dass er von seinem Taschengeld nur das übrig gebliebene Kleingeld in sein Sparschwein steckt. Und ich verspreche ihm, dass ich mit ihm zur Sparkasse fahre.

Heute ist nicht mehr viel zu erledigen und Aufträge von dem Mann im Haus habe ich erledigt. Also werde ich mich heute den Großfinanzen von Sohn Nr. 2 widmen.

Dachte ich…

 

Denn: es klingelt!

 

„Mach’ mal auf“, rufe ich in den Flur. „Wer ist das?“ frage ich, und habe im selben Moment die Frage bereut. Denn Sohn Nr.1 ist mit Nr.3 auf dem Zwutsch. Wahrscheinlich irgendetwas anstecken. Ist ja kurz vor Ostern und Gelegenheit zum Zündeln findet sich in dieser Zeit allemal.

 

Und dann höre ich Nr.2: „ Der Neandertaler“, ruft er mir zu.

 

Manno, immer kommt Hermann, wenn man ihn nicht gebrauchen kann. Man kann ihn sowieso nicht gebrauchen, aber er hat die Zeiten ’raus, wann er einen richtig nerven kann.

 

„Also, mein Hermannchen, wo drückt der Schuh denn heute?“

Er ist sternhagelvoll und kann sich nur mit Mühe am Türrahmen festhalten.

„Schnaps“, lallt er mir entgegen, „alle“, und hält mir die leere Flasche unter die Nase. „ Kannste nicht…nur eine noch“, versucht er mit schwerer Zunge die Worte in die richtige Reihe zu bringen, und eine Dunstglocke umgibt ihn, von der ich bald ohnmächtig werde.

 

„Nein, mein Hermann, heute nicht mehr. Ich mach Dir nun erst einmal einen Kaffee und dann bring ich dich in dein Bett! Schlaf deinen Rausch aus und heute Abend sehe ich noch einmal nach dir, antworte ich, und Hermann, das Gleichgewicht verlierend, schießt in den Flur und kommt mit knapper Not vor dem Esstisch zum Stehen.

Ich stelle ihm schnell einen Stuhl hin, damit er nicht umfällt.

 

Hermann sitzt und ich gehe in die Küche, um ihm Kaffee zu kochen.

Sohn Nr.2 hat sich als Wache postiert und passt auf, dass Hermann nicht vom Stuhl fällt.

Da höre ich Hermann schnarchen. Er liegt mit Kopf und Schultern auf dem Esstisch und schläft.

Naja, hab’ heute einmal Kaffee gespart, denke ich.

 

Also sage ich zu Nr.2: „ Du weißt ja, wie das geht: 2 Mann 4 Ecken!“

 

Nr. 2 nickt und nimmt die Arme von Hermann, ich die Beine, wie schon so häufig.

„Ein versoffener, alter, nasser Sack ist das. Und langsam habe ich keine Lust mehr, diese Spritdrossel nach drüben zu tragen.

Nr. 2 ist nun 11 Jahre alt und hat eine Größe von 1,80 m.

 

Ich kann ihn verstehen, denn komischer Weise ist er immer derjenige, der gerade anwesend ist, wenn Hermann in diesem Zustand bei uns auftaucht.

Also: Türen auf, und ’raus mit Hermann. Ist nicht so leicht, ihn die Treppen hinauf in sein Schlafzimmer zu buchsieren. Aber: dann haben wir es doch geschafft. Hermann hat von alldem nichts mitbekommen und schläft. Gut so.

 

Aber nun ab zur Sparkasse! Und Nr.2 hat eine alte Socke hervor gekramt und das Innenleben seines Sparschweins hineingekippt.

 

In der Sparkasse angekommen, steuert Nr. 2 auf die Kasse zu. Den Strumpf in der einen und sein Sparbuch in der anderen Hand.

Er kippt das im Strumpf befindliche Vermögen auf den Tresen.

 

Gott, steh’ mir bei, alles Pfennige, 5er und 10 Pfennigstücke!

Er strahlt die Kassiererin an und sagt: „ dann ’mal los, ich zähle die Groschen, und du das andere!“

Die Kassiererin kennt ihn schon und fängt an, sein Vermögen zu zählen.

 

„165,41DM ist das heute, soll ich das gleich auf dein Sparbuch schreiben!“

„Klar, und dann bitte alles auszahlen!“

Ich denk, ich hör nicht richtig. Alles auszahlen?? Wofür??

 

Er hat nun 632,41DM auf dem Sparbuch, was will er mit dem vielen Geld?

Aber da kommt schon des Rätsels Lösung.

„Ich will nur nachzählen, ob ihr mein Geld auch noch habt“, sagt er mit dem süßesten Lächeln der Welt. Und zahlt es nach dem zählen dann wieder auf sein Sparkonto ein.

Die roten Ohren der Angestellten sind mir nicht entgangen.

Einen neuen Spartopf hat er sich gerade aussucht, da geht die Tür auf und Minke-Flora samt Mutter kommen herein.

 

„ Frau Mutter“, flötet Minke-Flora, „denken Sie, dass ich hier das richtige Behältnis finden werde, in dem ich mein Geld verwahren kann?“

Wir sehen uns an, Sohn Nr.2 und ich. Während er ganz cool bleibt, bin ich bald am platzen vor Lachen.

„Kenn ich schon, sie geht in meine Klasse und redet immer so“, flüstert mir mein Sohn ins Ohr.

 

Minke-Flora geht an die Spardosen, nimmt jede von ihnen in die Hand und betrachtet sie auf’s Genaueste.

 

„Was meinen Sie, Frau Mutter, welche dieser Spardosen soll ich denn nehmen“, fragt Minke-Flora ihre Mutter in einem Ton, der mich bald vor Lachen unter den Stuhl rutschen lässt.

 

„Fräulein Minke-Flora, das müssen Sie schon selber entscheiden“, haucht sie zurück. Und Minke-Flora steht unschlüssig da, von einem Spartopf zum anderen sehend.

„Ja, nehme ich nun diesen Elefanten, den Pinguin oder den Clown, Frau Mutter, sagen Sie doch etwas“! Minke-Flora ist den Tränen nahe.

Und Sohn Nr.2 hat Mitleid mit ihr. Er geht auf sie zu, hält ihr sein Schwein unter die Nase und sagt.“ Florchen, nimm die Sau!“

 

Jetzt kann ich nicht mehr, Ich pruste lauthals los vor Lachen, packe schnell meinen Sohn am Ärmel und wir verlassen die Sparkasse.

Ob das Fräulein Minke-Flora nun die Sau genommen hat, entzieht sich meiner Kenntnis.

 

Was für ein vergnüglicher Nachmittag, wer hätte das gedacht?

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Texte: britta r,
Bildmaterialien: cover und Text
Tag der Veröffentlichung: 20.08.2015

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