Der Weg zum Selbstversorger
Wie Sie mit eigener Permakultur ganzjährig Obst und Gemüse anbauen, Tiere halten und Ihren Alltag nachhaltig gestalten
1. Auflage
Copyright © 2019 – Andreas Frohberg
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Inhaltsübersicht
1) Was ist Selbstversorgung? – Eine Einführung
2) Der Permagarten zur Selbstversorgung
a) „Unkräuter“ und „Schädlinge“ im Permakultur-Garten
b) Planung ist das halbe Leben
c) Planung ist eben nur die eine Hälfte des Lebens
d) Vorteile des Mulchens
e) Bedeutet Permakultur also, die Natur einfach machen zu lassen?
f) Lassen Sie sich nicht verunsichern
g) Spezielle Bereiche im Permakultur-Garten
h) Abfallfreies Gärtnern
i) Kompostierung
j) Umgang mit stark invasiven Pflanzen
3) Gemüse anbauen
a) Auswahl der Gemüsesorten
b) Zum Thema Bitterstoffe in Kürbisgewächsen
c) Sonderfall Tomate
d) Gemüsepflanzen ungeschlechtlich vermehren
e) Aussaat und Pflanzung richtig terminieren und zeitlich kombinieren
4) Obst anbauen
a) Obstbäume erziehen
5) Kräuter anbauen
a) Küchenkräuter
b) Weitere Heilpflanzen
c) Kräuter vermehren
6) Selbstversorgung vom Balkon in Permakultur
7) Tierhaltung
a) Hühnerhaltung
b) Ziegen- und Schafhaltung
c) Bienen halten
d) Wildtiere unterstützen
e) Herstellung von Tierprodukten
8) Nahrungsmittel haltbar machen
a) Dörren
b) Einkochen
c) Einlegen und Fermentieren
d) Einfrieren
e) Räuchern
f) Andere Techniken der Lebensmittelverarbeitung
g) Tipps für das Kochen aus dem Selbstversorger-Garten
9) Energien und Wasser
a) Energiegewinnung
b) Feuer/Kamin
c) Wasser gewinnen und aufbereiten
10) Selber machen im Alltag
a) Naturkosmetik selbst herstellen
b) Putzmittel
11) Plastik vermeiden im Selbstversorger-Alltag: 30 Tipps
12) Durch Selbstversorgung glücklich werden: Geht das?
Haftungsausschluss
Impressum
Die Digitalisierung hat uns alle fest im Griff. Wir sind ständig erreichbar und die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmt zunehmend. Erlebnisse hautnah zu spüren, Wetter und natürliche Taktgeber wahrzunehmen, dies wird uns mehr und mehr verwehrt oder erschwert durch den Rhythmus, dem wir uns durch die Teilnahme an der westlichen Gesellschaft unterwerfen müssen. Die Woche ist getaktet durch Termine, der Tag ist rhythmisiert von außen. So ist es kaum verwunderlich, dass sich immer mehr Menschen für alte Werte und das natürlich strukturierte, grundlegendere Leben des analogen Zeitalters interessieren. Das Thema Selbstversorgung geht einher mit Gedanken zum Minimalismus, dem Wunsch nach mehr Verbundenheit mit der Natur und einer nachhaltigeren, gesünderen Lebensweise. Das Band zu unserer natürlichen Lebensgrundlage scheint immer dünner zu werden und wir möchten uns wieder mehr als Einheit mit der Natur fühlen, statt ihr gegenüberzustehen.
Es ist dabei aber nicht der klischeehafte Typ Mensch, der statt einer geregelten Arbeit nachzugehen den Tag vertrödelt und an selbstreferenziellen Trommelgruppen in öffentlichen Parks teilnimmt, der sich für das Thema Selbstversorgung interessiert. Die Personengruppe, die einen Teil ihres Konsums durch Selbstversorgung decken will, ist vielfältig und die Idee dieses Konzepts so individuell wie die Menschen selbst. Selbstversorgung hat viele Gesichter und beinhaltet neben der Versorgung mit Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten auch die Aspekte der Tierhaltung, der energetischen Autarkie oder auch dem Selbermachen auf allen Ebenen in Haus, Garten oder bei der Nahrungsmittelverarbeitung.
Niemand hat die Absicht, sich zu 100% selbst zu versorgen. Dieses Lebensmodell ist weder wünschenswert noch wirklich durchführbar. Das Gute ist jedoch: Jeder und jede Interessierte, egal welchen Alters, kann mit der Selbstversorgung beginnen. Dabei darf jeder Selbstversorger sich den Grad der Selbstversorgung und die Bereiche, in denen er oder sie sich aus dem eigenen Garten oder mit eigener Arbeit selbst versorgen möchte, frei wählen. Selbstversorgung ist nicht dogmatisch. Sie kann auch als Experiment auf einem ganz kleinen Teilgebiet beginnen und sich dann frei entwickeln – bis der Mensch dort angekommen ist, wo er sich wohlfühlt.
Wir dürfen Selbstversorgung heute zusätzlich zu unserem modernen Leben genießen, wo sie in früheren Zeiten bittere Notwendigkeit war. Erzielen wir in einem Jahr nicht die notwendige Menge an Gemüse für die vollständige Selbstversorgung, so ist dies keine Bedrohung unserer Existenz mehr. Insofern ist der Versuch einer Selbstversorgung purer Luxus für den modernen Menschen. Er soll den Menschen bereichern und ihm das schenken, was er darin gesucht hat: Zufriedenheit, Erdung, innere Mitte oder auch schlicht eine Geldersparnis.
Wer seinen Konsum teilweise durch Selbstversorgung deckt, tut damit sich persönlich einen Gefallen und trägt gleichzeitig dazu bei, den Planeten zu schützen. Eine im eigenen Garten selbst gezogene Zucchini schenkt nicht nur ein gutes Gefühl, viele Vitamine und Spaß bei der Zubereitung. Er ist nebenbei auch ein CO2-Binder, er wird nicht mit dem LKW über die Autobahn transportiert, er muss nicht mit Geld bezahlt werden und ist außerdem ein wertvoller Lebensraum, Schattenspender und Wasserspeicher für kleine Lebewesen im Garten. Für sein Wachstum wurde im Idealfall kein Pestizid eingesetzt. Dadurch, dass die Weltbevölkerung eine Zucchini weniger im Geschäft kauft, haben Sie einen Beitrag zum Umweltschutz und zur CO2-Einsparung beigetragen.
Nun können Sie einwenden: Aber ich habe doch nur einen winzig kleinen Garten oder gar nur einen Balkon. Wie kann ich da Selbstversorger sein? Natürlich benötigt eine Selbstversorgung zu z.B. 50% mit Gemüse, Obst, Eiern etc. eine gewisse Fläche. Diese lässt sich auf dem Land wahrscheinlich leichter finden und auch finanzieren. Aber auch auf einem kleinen Balkon oder in einem begrenzten Stadtgarten lassen sich intelligente Lösungen finden, wie auf kleiner Fläche viel Ertrag erwirtschaftet werden kann. Oft liest man, dass für die Selbstversorgung mit Obst und Gemüse pro Person eine Fläche von etwa 50qm notwendig sind. Dies mag ein Richtwert sein, der bei einem Grundstückskauf wertvolle Hilfe leistet. Jedoch hängt der Ertrag der Fläche auch von vielen Standortfaktoren wie Beschattung, Bodenbeschaffenheit oder der geplanten Bepflanzung ab. Für die sinnvolle Versorgung mit Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten muss ein Selbstversorger zunächst auch seinen Bedarf ermitteln und planen, wie viel Prozent dieses Bedarfs er durch Selbstversorgung decken möchte. Eine Bepflanzung mit vielen Starkzehrern im Nutzgarten führt zur Verarmung des Bodens und der Ertrag wird dann geringer sein.
Selbstversorgung klingt für den einen romantisch und für den anderen nach viel Arbeit. Tatsächlich bedeutet ein Nutzgarten, womöglich mit Tierhaltung, ein gewisses Maß an Aufwand. Dabei spielt es eine Rolle, ob dieser Aufwand als Belastung empfunden wird, oder als Zugewinn. Gartenarbeit kann auch eine meditative, reinigende Wirkung haben. Für Menschen, die das Gefühl haben, durch den Job schon keine Zeit mehr für Entspannung zu haben, ist also maßgeblich, ob die Selbstversorgung nur als Hobby und damit als angenehmer Zeitvertreib betrieben wird, oder ob es vorrangig um die Produktion von Nahrungsmitteln und Konsumgütern geht.
In die Entscheidung für oder gegen Selbstversorgung spielen also viele Faktoren: Wie viel Platz benötige ich für die Umsetzung meines Plans, wie viel Zeit muss ich darauf investieren und ist es mir die Sache überhaupt wert? Oder auch umgekehrt, wenn die Entscheidung bereits gefallen ist: Welche Ideen kann ich auf der mir zur Verfügung stehenden Fläche umsetzen und wie kann ich das möglichst mit meinem sonstigen Alltag in Übereinstimmung bringen?
Sobald alle diese Fragen geklärt sind, oder wenn Sie gerne nach Inspirationen suchen, wie Sie Ihre ganz persönliche Selbstversorgung gestalten möchten, können Sie hier stöbern und Ihren Plan austüfteln. Der Spaß an dem Projekt, so klein es am Anfang vielleicht auch sein mag, wird sich vielleicht in eine richtiggehende Leidenschaft entwickeln.
Wer sich ernsthaft mit dem Gedanken trägt, sich aus dem eigenen Garten selbst zu versorgen, der möchte natürlich ein möglichst tragfähiges und langlebiges System schaffen, in dem er über einen größeren Zeitraum erfolgreich Nahrungsmittel erwirtschaften kann. Die meisten Menschen wünschen sich zudem pestizidfreie Lebensmittel, die aus einem intakten natürlichen System stammen und die Gesundheit des Menschen nicht beeinträchtigen. Tierarten, die uns beim Anbau von Obst und Gemüse nutzen, weil sie beispielsweise als Bestäuber dienen oder andere Insekten fressen, sollen ein Zuhause finden. Der eine oder andere Gärtner möchte seinen Garten darüber hinaus generell tierfreundlich und variantenreich gestalten, heimischen oder fast vergessenen Sorten eine Chance geben. Außerdem möchte niemand gerne täglich mehrere Stunden schwer arbeiten für einen lächerlich geringen Ertrag, zumal die meisten Selbstversorger weder ihre Wohnung kündigen, noch die Arbeitsstelle, um von Null auf Hundert Selbstversorger zu sein. Der Selbstversorger-Garten soll also möglichst klein angefangen werden und die Arbeit neben der Erwerbstätigkeit erledigt werden können. Wie weit der Grad der Selbstversorgung dann später reichen wird, das ist zu Anfang nicht so wichtig. Erfahrungen zu sammeln, steht an erster Stelle, wenn man mit einem Selbstversorger-Garten beginnt. Bleiben in den ersten Jahren bei einigen Sorten die Ernten gering, kann der Gärtner immer noch auf gekaufte Nahrungsmittel zurückgreifen.
Für Einsteiger bietet sich im Regal des Buchhandels oder in der Bibliothek ein unüberschaubares Angebot an Ratgebern zu verschiedenen Teilthemen der Selbstversorgung mit pflanzlichen und tierischen Nahrungsmitteln und auch sonstigen Konsumgütern wie Kosmetika, Fasern für Bekleidung und sonstige Textilien und auch Ratgeber zu alten Handwerkstechniken, wie dem Körbeflechten oder Spinnen von Wolle. Alle daran anschließenden Arbeiten des Verarbeitens, Haltbarmachens und Lagerns von Lebensmitteln werden auch bedient. Wie soll man sich da als Anfänger bloß zurechtfinden?
Zunächst müssen Sie die Entscheidung fällen, auf welche Art und Weise Sie Ihren Garten bewirtschaften wollen. Klären Sie mit allen im Haushalt lebenden Personen, welche Grundsätze Sie in Ihrem Garten einhalten wollen und welche Elemente Sie auf der zur Verfügung stehenden Fläche gern anlegen möchten. Der Garten dient zu mehr als zur Nahrungsmittelproduktion. Besprechen Sie auch, welchen Teil Ihres täglichen Konsums Sie abdecken. Hier wäre ein zentraler Punkt, ob Sie tierische Lebensmittel erwirtschaften möchten oder nicht. Planen Sie dann, wo welche Elemente im Garten Platz finden möchten und passen Sie den Plan so lange an, bis Sie zufrieden sind. Fest verbaute Elemente, wie Ställe oder Gewächshäuser sollten erst später gebaut werden. So haben Sie die Möglichkeit, den Garten in den ersten Saisons flexibel zu bewirtschaften. Nichts ist enttäuschender, als wenn man nach einer missglückten Saison und tagelangem Aufbau eines Gewächshauses feststellt, dass die Tomaten hier zu wenig Sonne haben, weil ein Nachbarhaus Schatten wirft. So verlockend es auch ist, seinem neuen Garten feste Strukturen zu geben und darum herum die Beete zu bauen: Sie sollten Ihren Garten zuerst so gut kennen, dass Sie die richtigen Plätze für die Elemente finden.
Der ideale Garten zur Selbstversorgung ist der Permagarten. Die Permakultur-Bewegung kam in den 70er Jahren auf. Sie wurde von den Australiern Bill Mollison und David Holmgren gegründet und basiert auf einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft, die sich an Kreisläufen in natürlichen Ökosystemen orientiert. Dieses Prinzip steht im Gegensatz zur intensiven Landwirtschaft und kann im ganz kleinen Balkongarten genauso wie in einem ökologisch wirtschaftenden Bauernhof installiert werden. Die Amerikanerin Ruth Stout entwickelte darauf aufbauend eine Form der Landwirtschaft, bei der der Boden nicht umgegraben, sondern gemulcht wird. Die Idee der Permakultur ist, eine Fläche so zu gestalten und auf tierische und pflanzliche Bewohner zu verteilen, dass das System zeitlich unbegrenzt funktioniert. Das heißt, im perfekten Permakultur-Garten hat jedes Lebewesen genug Raum, genug Nahrung, Schutz vor den Elementen und alle natürlichen Abfälle werden wieder im System recycelt. Durch die hohe Artenvielfalt in der Permakultur werden in sich stimmige Kreisläufe angelegt, die von alleine oder nur durch minimalen Eingriff des Menschen funktionieren. Konsum und Produktion stehen in einem Gleichgewicht.
Im Permagarten schaffen Sie die idealen Voraussetzungen für eine vielfältige Anpflanzung und Sie lassen die Natur einen großen Teil der Arbeit allein verrichten. Das geht, indem Sie standortgerecht pflanzen und in Mischkulturen. Der Grundgedanke an der Permakultur ist es, dass die Natur die besten Lösungen parat hat und dass wir sie zu übertrumpfen gar nicht versuchen sollten. In der Natur wachsen keine Monokulturen. Folglich sind Pflanzen und Tiere auf die vielfältige Gemeinschaft mit anderen Pflanzen- und Tierarten angewiesen, um sich gesund und ohne die Hilfe des Menschen entwickeln zu können. In der konventionellen Landwirtschaft und auch beim klassischen Anbau in einem Küchengarten zur Selbstversorgung wird dieses Prinzip aber abgelehnt und es werden mit hohem Aufwand die Ausfälle durch Schädlinge und Pflanzung an falschen Standorten minimiert.
In vielen Gärten und Betrieben wird ausschließlich menschengerecht und mit hoher Investition gearbeitet. Schnurgerade Reihen, dazwischen soll möglichst der nackte Boden ohne „Unkräuter“ sichtbar sein. Dies soll die Ernte erleichtern und die Unterscheidung zwischen Nutzpflanzen und „Unkraut“ ermöglichen. Dazu wird zwischen den Reihen beständig Beiwuchs gezupft oder totgespritzt, der Boden wird in seinem Säuregehalt, seinem Nitratgehalt und anderen Faktoren durch Düngung beeinflusst und auf die Ansprüche der Pflanzen angepasst. Das bedeutet viel Aufwand und Arbeit und einen groben Eingriff in die natürlichen Bedingungen. Schädlinge breiten sich durch dieses naturferne Wirtschaften leicht in der ganzen Pflanzung aus und müssen dann durch Bekämpfungsmaßnahmen in Schach gehalten werden. Sie werden als Störung der vom Menschen hergestellten Ordnung angesehen und mit Vehemenz und Chemie niedergeknüppelt. Dabei ist es nur normal, dass schwache Pflanzen entstehen, wenn die Standortfaktoren nicht stimmen. Diese Systeme können nicht unbegrenzt aufrechterhalten werden. Sie existieren nur solange, bis die Natur aufgibt und der Mensch, dem dieses System gedient hat, ebenfalls aufgeben muss. Der Boden verarmt oder ist überdüngt, Pestizide sammeln sich an und in den vorherrschenden Monokulturen grassieren die Krankheiten.
Die Permakultur geht genau den umgekehrten Weg. Statt die Bedingungen an die gewünschte Pflanzung anzupassen und dann Krankheiten daran zu bekämpfen, werden die Pflanzen gemäß den vorherrschenden Bedingungen ausgesucht. Treten Krankheiten daran auf oder laben sich Schädlinge an den Pflanzen, dann soll der Gärtner die Ursache in der nicht standortgemäßen Pflanzung suchen. Stehen die Pflanzen hier zu schattig, zu sonnig, zu windstill oder in falscher Gemeinschaft?
Wenn der Kreislauf nicht funktioniert, ist dies ein Symptom für einen Fehler, der in der Natur nicht passiert wäre. Keine Pflanze in der Natur wächst an einem Ort, der für sie zu kalt, warm, nass, trocken oder auf andere Weise ungeeignet ist. Die Folgen nicht standortgerechter Pflanzung sehen wir in Deutschland nach jedem Sturm: Fichten und andere Nadelbäume mit ihren flachen Tellerwurzeln knicken reihenweise um. Eine Schneise der Verwüstung verursacht durch ein Zusammenspiel aus Wind und Erdboden. Im Gebirge können sich die flachen Wurzeln der Fichten festhalten. Hier kann ein Sturm ihnen kaum schaden. Aber die Holzwirtschaft hat lange die starkwüchsigen, geraden Fichten bevorzugt, statt den deutschen Urwald mit seinen unterschiedlich alten Buchen und Eichen nachzubilden. Ganz plakativ gesprochen: Wer Rosenkohl in der Wüste pflanzt, der braucht sich nicht zu wundern, dass das nicht funktioniert. Jeder, der dann anfängt, den Fehler beim sandigen Boden und der Trockenheit zu suchen, würde für verrückt erklärt werden. Rosenkohl gehört eben nicht in die Wüste. Genau so hält es auch die Permakultur. Pflanze standortgerecht, dann wird daraus ein Erfolg. Missernten fußen auf zu wenig Artenvielfalt und falscher Einschätzung des Standorts. Statt sich also mit viel Aufwand in die Bekämpfung der schlechten Bedingungen zu stürzen, ändert der Permakultur-Gärtner seine Strategie und pflanzt manche Sorten einfach gar nicht. Heidelbeeren auf alkalischem Boden zu ziehen, ist eben nahezu unmöglich. Also spart der Gärtner sich die Mühe einfach und pflanzt andere Beerensträucher.
Die Begriffe „Unkraut“ und „Schädling“ werden in der Permakultur nicht gerne gebraucht, denn in einer intakten Umwelt hat jedes Lebewesen seinen Platz im Nahrungsnetz und Energiefluss. Treten sie gehäuft an einer Pflanzenart oder an einer Stelle auf, hat der Gärtner einen Fehler gemacht. Die Pflanzen waren nicht kräftig und widerstandsfähig genug, da sie einen Mangel an ihrem Wuchsort erleiden. Dies kann neben Wassermangel oder Nährstoffmangel auch ein Zuviel oder Zuwenig an Luftbewegung oder Luftfeuchtigkeit sein. Brennnesseln sind Anzeiger für zu viele Nährstoffe, insbesondere Nitrat, im Boden. Hier könnte man Starkzehrer, wie Kohlsorten setzen, die dem Boden viele Nährstoffe entnehmen. Auf diese Weise reguliert der Gärtner die Kreisläufe ohne Dünger und Pestizide. Dazu ist jedoch eine gute Beobachtungsgabe, viel Vorwissen, Artenkenntnis und Geduld nötig. Der Gärtner muss Lust dazu haben, sich mit seinem Garten auf diese Weise zu beschäftigen. Die wuchernden Brennnesseln nutzt der Gärtner zusätzlich zu seinem Vorteil, wenn sie schon einmal da sind: Er braut daraus eine exzellente Brennnesseljauche, die die Gemüsepflanzen düngt und gegen Schädlinge auf Blätter gesprüht werden kann.
Am Anfang des Permakultur-Gartens steht also eine Standortanalyse. Mithilfe der Beschreibung auf Saatguttütchen oder Pflanzenportraits können Sie ermitteln, welche Ansprüche die jeweilige Pflanze stellt. Wo die Pflanzen dann gepflanzt oder gesät werden, wird nun anhand des Terrains und der dort vorherrschenden Bedingungen ermittelt. Zusätzlich werden günstige Pflanzgemeinschaften gebildet, also es werden Mischkulturen aus Sorten gepflanzt, die sich gegenseitig günstig beeinflussen, Schädlinge fernhalten und Unterwuchs mit Beikräutern verringern sowie den Wurzelraum optimal nutzen. Zudem soll direkt eine breite Palette an Nutzpflanzen ausgesät und gesetzt werden, um eine natürliche Pflanzengemeinschaft, also ein möglichst naturnahes Ökosystem, anzulegen. Dabei soll die Pflanzengemeinschaft natürlich so gewählt sein, dass Starkzehrer nicht überzählig an einer Stelle stehen und dadurch der Boden zu stark ausgelaugt wird.
Einige Prinzipien in der Permakultur sind:
- Mischpflanzungen sollten möglichst aus flachwurzeligen und tiefwurzeligen Pflanzen bestehen, die nicht miteinander um den Wurzelraum konkurrieren.
- Überirdisch soll auch in unterschiedlichen Höhen gepflanzt werden, sodass der Raum über der Erde photosynthetisch optimal genutzt werden kann (z.B. Bäume mit Unterpflanzung aus Kräutern und Gemüse).
- Starkzehrer, Schwachzehrer und Mittelzehrer sollen gemischt gepflanzt werden, um den Boden nicht auszulaugen oder es soll eine Fruchtfolge eingehalten werden.
- Nackter Boden soll durch direktes Nachpflanzen oder Säen nach der Ernte einzelner Pflanzen vermieden werden. Zwischen den Pflanzen wird gemulcht.
- Düngung und Bekämpfung von Krankheiten sollen nur auf natürlicher Basis stattfinden, also mithilfe von Pflanzenjauchen und Mulch.
- Der Permakultur-Garten soll artenreich sein und möglichst vielen Tier- und Pflanzenarten Platz und Angebot bieten.
- Der Garten ist außerdem nicht nur ein Ort der Nahrungsmittelproduktion, sondern ein Ort, an dem Natur erlebt und genossen werden kann. Er ist ein Erholungsraum für den Menschen.
Wenn Sie in die Selbstversorgung einsteigen möchten, können Sie auch zunächst Ihren Bedarf ermitteln. Grundlage der Überlegungen ist, dass Sie pro Jahr einen gewissen Prozentsatz Ihres Bedarfs an bestimmten Gemüse- und Obstsorten, Nüssen und Samen, vielleicht auch Getreide und tierischen Lebensmitteln oder sogar Bedarfsgütern wie Wolle decken möchten. Dazu ist es natürlich unumgänglich, einen Teil der produzierten Nahrungsmittel auch haltbar zu machen oder adäquat zu lagern. Ein Jahr mit 365 Tagen eigenem Gemüse und Obst bedeutet, dass Sie bei 100% Selbstversorgung eine Schätzung durchführen müssen, wie viele Gläser Eingemachtes und frisch zu Verzehrendes welcher Sorte Sie für ein ganzes Jahr brauchen. Das ist aber äußerst komplex, genauso wie die Zusammenstellung der Pflanzengemeinschaft nach Standortbedingungen. Wahrscheinlich ist, dass Sie den Bedarf an Gemüse und Obst gar nicht so einfach schätzen können, da Sie weder ein ganzes Jahr protokollieren möchten, was Sie eingekauft oder gegessen haben,
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Andreas Frohberg
Tag der Veröffentlichung: 07.11.2019
ISBN: 978-3-7487-2011-9
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