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3 Uhr Nachts im heißen Sommer 2010


Im alten, aber gut isolierten Gartenhaus schläft ein Ehepaar. Das kleine Schlafzimmer, das sogar einen blauregenumrankten Balkon hat, befindet sich im ersten Stock, erreichbar über eine steile Treppe. Darüber befindet sich der – nicht begehbare - Boden unter einem wellblechbedeckten Spitzdach.

Der Mann wird unsanft aus dem Schlaf gerissen: „Du, ich glaube, die Marder sind wieder oben. Tu was! Ich kann so nicht schlafen.“ Er greift – mit mühsam geöffneten Augen – zum Schrillalarm neben dem Bett und begibt sich zur Abstellkammer neben dem Schlafraum. Den Kopf vorsichtig abwendend drückt er mehrmals auf die Dose; das laute Schrillen soll die auf dem Dachboden herumtobenden Marder vertreiben.


Tatsächlich herrscht danach Ruhe, beide schlafen wieder ein.
Eine knappe Stunde später aber das gleiche Drama. Die Frau trommelt dieses Mal wütend mit einem Gegenstand an die Decke – und siehe da, es hilft. Die Tiere geben für den Rest der Nacht Ruhe.

Am nächsten Morgen ist sich das Ehepaar einig, es muss gehandelt werden: Mehrere Gewürzflaschen mit Pfeffer werden gekauft und an einer langen Stange befestigt. Damit wird der Dachboden „gewürzt“. Dieses Mittel wirkte auch schon in der Vergangenheit direkt im Garten, wo sich die Marder getummelt und allerhand angestellt hatten. Nach einem Regen musste die Prozedur natürlich wiederholt werden, aber Hauptsache war, dass sie half.


Doch nun bewirkte der Pfeffer nichts, denn in den folgenden Nächten begann das Spiel von Neuem.
Auch an das Trommeln an der Decke hatten sich die „illegalen Untermieter“ offensichtlich gewöhnt. Zurück von ihren nächtlichen Ausflügen in der Kleingartenanlage zweckentfremdeten sie in der späten Nacht bzw. am sehr frühen Morgen den Dachboden über dem Schlafraum als ihren Tummelplatz. Laute Kratz- und Quiekgeräusche holten das Ehepaar aus tiefem Schlaf, ließen sie nicht mehr einschlafen.

Es wurde schließlich Anti-Marderspray gekauft. Der Hundegeruch war zwar anfangs wenig angenehm, aber die berechtigte Hoffnung, dafür wenigstens wieder durchschlafen zu können, wurde getrübt: Die Marder blieben davon unbeeindruckt. Irgendwas lief da falsch....


Was da falsch lief, stellte sich dann heraus, als der Mann endlich Erfolg hatte bei dem Hinaufspähen auf den Dachboden. Nachdem er ordentlich Lärm unter dem Wellblachdach gemacht hatte, gelang es ihm, dieses Mal die illegalen Untermieter aus ihrem Schlaf zu wecken: Zwei größere, grau gefärbte Tiere mit niedlicher schwarzer Zeichnung im Gesicht näherten sich bedrohlich seinem über den Dachboden blickenden Kopf (Coverfoto). Offensichtlich gefiel es ihnen nicht, so unsanft geweckt zu werden. Hinter ihnen huschten zwei oder drei Jungtiere aufgeregt hin und her. Nun war es klar: Das waren nicht die Steinmarder aus den vergangenen Jahren, sondern das Gartenhaus war nun von einer Waschbärenfamilie „besetzt“ worden. Kein Wunder, dass sie vom Anti-Marderspray unbeeindruckt blieben.
Was nun tun? Im Fernsehen und Internet wurden einige Tipps dagegen entdeckt; die meisten ziemlich kostspielig, aber auch nur mit vagen Erfolgsaussichten behaftet.


Von diesen Elektroabweisern auf Ultraschallbasis hielt die Ehefrau wenig. Sie lehnte sie auch schon in der Zeit ab, in dem der Garten regelmäßig von aufdringlichen Füchsen heimgesucht wurde. Zwei junge holten sich beispielsweise in einem unbeaufsichtigten Moment am späten Nachmittag den Zwerghasen, dem das Ehepaar einen schönen Auslauf mit Kräutern eingerichtet hatte.....Sie waren sogar so dreist, wenig später noch einmal vorbei zu kommen um sich davon zu überzeugen, ob nicht noch mehr Futter da wäre....

August 2010, 19:00 Uhr



Der Mann sitzt an seine Notepad unter der Terrasse, als er aus den Augenwinkeln Bewegung wahrnimmt. Sein Blick geht zur Fläche vor der Terrasse: Da stolziert doch ein Waschbär seelenruhig – ohne dem Menschen nur einen Blick zu widmen – den Weg entlang und verschwindet dann.

Einige Tage danach sind abends einige Gartenfreunde zu einer Geburtstagsparty zu Gast. Da raschelt es an dem mit wildem Wein und Aristolochia (die Ehefrau kennt meistens nur die lateinischen Bezeichnungen, die Blütenstände sehen ähnlich wie Pfeifen aus, vielleicht Pfeifenwinde?) stark beranktem Gartenzaun: Ein Waschbärengesicht beäugt neugierig die Partyszene und verdrückt sich dann wieder.....

Es musste dringend gehandelt werden.
Über die Behördenstationen Landwirtschaftsministerium, Jagdreferat und Stadtverwaltung, untere Jagdbehörde, gerieten sie schließlich an den für das Revier zuständigen Jäger. Der aber konnte lediglich anbieten, Fallen aufzustellen und die gefangenen Tiere im Wald auszusetzen. Schießen käme wegen der Lage im Kleingartengebiet nicht in Frage. So sollte es gemacht werden.


Da das Ehepaar jedoch in Urlaub fahren wollte, wurde alles auf die Zeit danach verschoben...

Hatten die illegalen Untermieter etwa davon „Wind bekommen“? Jedenfalls hatten sie sich aus dem Staub gemacht, als das Ehepaar aus dem Urlaub zurück kam. Kurz danach wurde es Herbst und zu kalt, um im Gartenhaus zu übernachten. Die Waschbären-Episode schien beendet....

Montag, 7.Februar 2011, 10.00 Uhr



Das Ehepaar ist wieder von einem Urlaub zurück und inspiziert den Garten. Im Gartenhaus erleben sie eine böse Überraschung: Hier müssen Eindringlinge „wilde Sau“ gespielt haben, fast nichts ist mehr am richtigen Platz! Und dann, auf der weißen Arbeitsplatte der Küchenzeile: lehmige Fußabdrücke, ganz eindeutig die von Waschbären. Sie müssen einen Weg in die unteren Räume entdeckt haben.


Sofort wird die Schiebetür über der steilen Treppe zum Absperren der oberen Etage genauer angesehen, zwei Lücken entdeckt und zunächst notdürftig verschlossen. Am Dienstag stellt das Ehepaar fest, dass es wohl das Schlupfloch gewesen sein muss. Auch die Belüftungs-Lücken zwischen Dach und Wand werden geschlossen. Nun heißt es abwarten, ob es hilft. Die Hoffnung stirbt zuletzt, heißt es ja....


Impressum

Texte: eigenes Coverfoto Yety.2008
Tag der Veröffentlichung: 09.02.2011

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