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Marhaba Almani - Guten Tag und Willkommen Deutscher! Kief halek -Wie geht es Ihnen?
Wenn Sie jetzt mich fragen könnten, ich bin ein tunesischer Reiseleiter, mein Foto haben Sie auf der anderen Seite gesehen, würde ich Ihnen in deutscher Sprache antworten: „Besch….“ . Damit meine ich allerdings nicht „bescheiden“, sondern ein anderes, viel schlimmeres Wort……Das war beileibe nicht immer so, sondern erst nach jener 2-Tage-Tour Mitte Februar im Jahr 2009, von der ich ihnen jetzt erzählen möchte. Eines muss ich noch im Voraus erklären, damit Sie meinen Frust später nachvollziehen können: Die tunesische Währung ist der Dinar unterteilt in 1.000 Millimes. Zehn 100-Millimes-Münzen ergeben also einen Dinar. Und für einen Euro bekommen Sie gegenwärtig 1 Dinar und 780 Millimes. Also sind 100 Millimes etwas mehr als 5 Cent, um genau zu sein 5,6 Cent.





Nun geht es aber los mit unserer Fahrt von Djerba, der größten tunesischen Insel im Mittelmeer, zu den landschaftlich reizvollsten Höhepunkten im Süden Tunesiens, die sie auf der Karte finden.

Insgesamt 35 Personen hatten gebucht, 17 Franzosen und 18 Deutsche. Sie mussten frühmorgens ab 6.00 Uhr bis 6.45 Uhr aus den jeweiligen Hotels abgeholt werden. Klar, dass dazu der Busfahrer und ich noch viel früher raus mussten. Die Franzosen kamen allerdings separat aus der Oase Zarzis vom Festland. Sie wurden über den 7 km langen Römerdamm (verbindet die Insel mit dem Festland) und dann quer über die etwa 25 km breite Insel direkt zum Fährhafen Ajim gefahren.


Auf dem Foto sieht man die relativ steile Küste des afrikanischen Festlandes und den eigentlich sehr fruchtbaren Boden, wenn er genug Wasser bekommt. In der Ferne erahnt man lediglich das etwa 20 Minuten Fahrt mit der Fähre entfernte Ajim auf Djerba.

Während wir glücklicherweise sofort übersetzen konnten, mussten wir dann eine halbe Stunde auf die französischen Zusteiger warten, weil sie erst zwei Fähren später ankamen. Das war die erste Verzögerung, blieb nicht aber die Einzigste….

Dann begann die insgesamt rund 900 km lange Fahrt mit meiner Begrüßung und wirklich sehr ausführlichen Erklärungen, jeweils in Französisch und Deutsch. Unser erstes Ziel waren die Höhlenwohnungen der Troglodyten im Bergland von Matmata. Die grünen Bergwiesen leuchteten in der Morgensonne, denn im Januar hatte es ungewöhnlich viel geregnet. Zuvor hielten wir noch für einen Fotostopp (Foto) mit Blick auf den übergroßen "Willkommen" -Schriftzug (in französich und englisch, nicht jedoch deutsch) auf dem gegenüberliegenden Berghang, ähnlich wie in Hollywood…..



Wir hätten ja auch vorbeifahren können, aber ich kannte selbstverständlich die Wünsche der Fotofreaks und Raucher.
Schließlich erreichten wir die verabredete Höhlenwohnung, die wir immer ansteuern.




Es handelt sich genauer gesagt um unterirdische Wohnhöhlen mit einem atriumsähnlichen Hof, der vom Berghang aus einsehbar ist. Das von den dort auf Touristen lauernden Landsleuten erwartete Trinkgeld für die Besichtigung der eigentlich zumeist verlassenen Höhlenwohnungen ist immerhin eine bescheidene Einnahmequelle der eigentlich zumeist in Neu-Matmata (15 km entfernt) Wohnenden.

Hier bemerkte ich erstmals enttäuscht, dass die Spendenbereitschaft „meiner“ Gruppe nicht sehr ausgeprägt war….Das sollte sich zu meinem großen Ärger an den anderen Stopps wiederholen.

Zunächst ging es rund 100 km weiter nach Douz (französisch: 200, weil hier die 200.Armee Frankreichs während der Besatzungszeit stationiert war). Douz wird das „Tor zur Sahara“ genannt, die hier beginnt. Wo früher die Tuareg-Karawanen aus der Sahara ankamen, wird noch heute Handel mit Dromedaren (Kamele haben zwei Höcker) betrieben. Einträglicher ist jedoch das Geschäft mit den zahlreichen Touristen, die hier - von drei Stellen aus - auf Dromedaren bzw. in Pferdekutschen zu vom Sande verwehten Ruinen (Fotos) geführt werden (ist aber extra zu bezahlen).



Nach etwa 20 Minuten ist Stopp für 30 Minuten, in denen jugendliche Händler Colaflaschen anbieten und erst hinterher einen unverschämten Preis haben wollen. Oder man kann kurze Ritte mit Pferden machen, geführt von ihren in blau gehüllten Besitzern. Jedes Foto kostet dann noch zusätzlich…Da ich meinen Landsleuten das einträgliche Geschäft nicht vermiesen wollte, habe ich natürlich meine Gruppe nicht vorher gewarnt….Nur gut, dass die Dromedarausritte gut ausgingen; einen Tag zuvor konnte sich nämlich eine 70jährige Touristin aus Deutschland nicht festhalten und rutschte rücklings auf den sehr festen Boden runter.Es dauerte eine Zeit, ehe ein Krankentransport an Ort und Stelle war. Sie wurde aber noch am gleichen Tag unter komplizierten Voraussetzungen operiert…



Die restlichen Urlaubstage bis zur Abholung durch den ADAC musste sie im Hotelbett verbringen. Vor den Risiken habe ich vorher nicht gewarnt: Es handelte sich schließlich rein rechtlich gesehen um keine Leistung unseres Reiseunternehmens…..Wer weiß, ob dann so viele zusätzlich gebucht hätten?

Nach dem Mittagessen im Luxusrestaurant unserer Reise- und Hotelkette in Douz (ob man gemerkt hat, dass es die aufgewärmten Reste vom Mittagsbüffet waren?) ging es dann weiter in Richtung Tozeur, unserem Übernachtungsort. Zuvor legten wir am Schott-el-Djerid einen Zwischenstopp ein (Foto). Karl May hat dem mit 5.600 qkm riesigen Salzsee in „Durch die Wüste“, mit Kara ben Nemsi und Hadschi Halef Omar, ein literarisches Denkmal gesetzt. Aber auch hier hatte ich Grund zur Verstimmung: Denn statt vom Händler die zahlreich angebotenen Sandrosen zu kaufen, suchten und fanden sie diese selbst am Seeufer.


Wieder war meine Provision futsch…..


Endlich erreichten wir Tozeur, eine Oasenstadt mit 18.000 Einwohnern. Hier ist vor allem die Backsteinarchitektur sehenswert. 200 Quellen versorgen die zahlreichen Gärten mit Wasser für Dattelpalmen und anderes Obst (Bananen, Pfirsiche usw.). Nach dem obligatorischen Besuch des dortigen Privatmuseums über Geschichte und Kunsthandwerk in Tunesien konnte man die zweite Zusatzleistung buchen: Kutschfahrt durch die Palmenhaine mit Besichtigung eines Palmengartens und Erläuterung durch den Pächter (natürlich auch gleichzeitig Kauf von Dattelpaketen in Direktvermarktung). Auch hier blieb meine Provision unter den Erwartungen; nur wenige kauften. Eine halbe Stunde Bummel durch das beleuchtete Tozeur (Foto) blieb noch, dann ging es zum Hotel mit Abendessen.

Am zweiten Tag standen zwei absolute Höhepunkte auf dem Programm: Jeepfahrt in die Bergoasen Chebika und Tamerza sowie anschließend die Zugfahrt von Metlaoui mit dem „Lezard Rouge“, einem historischen Salonzug des Bey Naceur Pascha, in die herrlichen Schluchten des Seldja.


Hier hoffte ich, dass sich dies in eine bessere Spendenbereitschaft als bisher niederschlagen würde.
Am frühen Morgen starteten wir mit 6 Jeeps zur Fahrt in die Bergoase Chebika, nahe der algerischen Grenze. Hier hatte ich mehr Zeit eingeplant, denn man konnte vom Markt aus eine malerische, jedoch nicht ganz ungefährliche, Bergwanderung durch die Ruinen der verlassenen Wohngebäude machen und von dort in das dichte Grün der Oase (Fotos)hinabsteigen sowie anschließend die Treppe zu einem Touristencafe´ wieder hinauf.



Begleitet wurden die Touristen ständig von um „ein Dinar bitte oder Bonbons“ bettelnden Kindern aus der Oase.
Diejenigen, die sich dann schließlich erweichen ließen, waren sofort von bis zu 10 Mädchen und Jungen umringt, so dass es kaum ein Entrinnen gab…
(Anmerkung des Autors: Er hätte vielleicht auch vorher eine kleine Spende einsammeln können, um diese gleich zu Anfang aufzuteilen mit der unmissverständlichen Aufforderung an die Kinder, unsere Gruppe in „Frieden“ zu lassen. Auch seine hilfreiche Hand bei der Überwindung von kritischen Stellen an den Berghängen wäre sicher bei so mancher Frau und einigen älteren Männern gut angekommen……)


Statt im Cafe´ dann sich mit Souvenir-einkäufen einzudecken bzw. sich mit Kaffee und Kuchen zu stärken, wollten die Leute möglichst schnell wieder zu den Jeeps. So wurde es wieder nichts mit einer ansehnlichen Provision für mich als Reiseführer….


Deshalb hielt ich auch unseren Aufenthalt in der Bergoase Tamerza zeitlich ziemlich knapp; nur ein paar Franzosen genehmigten sich einen Vormittagskaffee….

Danach ging es in Richtung Metlaoui, mit Foto- und Einkaufsstopp in der bis zu 1000m hohen Bergregion Djebel en Negueb (Foto).

Sie ahnen es schon: Wieder nichts mit einer guten Verkaufsprovision. Nun blieb mir wirklich nur noch die Hoffnung auf ein stattliches Trinkgeld für den Fahrer und mich am Ende der Tour….
Wir stiegen nach Überwindung der Strecke durch die endlose Salzwüste, vorbei an
Dromedarherden, die ruhig und gelassen ästen bzw. die Straße überquerten (Foto),

wieder in unseren Reisebus um und erreichten pünktlich kurz vor der Abfahrtszeit um 11.30 Uhr den Bahnhof von Metlaoui. Doch der Zug fuhr und fuhr nicht ab. Es wurde 12.00 Uhr: Ein Gleisbauzug kam an, danach die Gleisbauarbeiter. Immer noch „Rot“.
Erst nach einem Güterzug mit Phosphor, der in den Bergen abgebaut wird, erhielten wir „grünes Licht“. Es begann eine halbstündige Fahrt durch einmalige Landschaften, durch sagenhafte Schluchten (Fotos)

. Auch zwei Fotostopps wurden eingelegt. Vom Bahnhof Seldja aus, wo die Güterzüge mit Phosphor beladen wurden, ging es wieder zurück……

Meine Gruppe hatte jetzt natürlich mächtigen Hunger, den wir in einem Restaurant gleich in Metlaoui stillten, bevor es mit nur einem kurzen Stopp bis zur Fähre die rund 350 km zurück ging…..

Und dann geschah das Unfassbare:
Wenige Kilometer vor Erreichung der Fähre, wo ja die französischen Reisenden aussteigen würden, um mit einem Kleinbus weiter nach Zarzis befördert zu werden, sah ich dann einen Hut für die Sammlung durch die Reihen wandern. Ich bat darum, es besser zu unterlassen und jeder möge doch uns, also dem Fahrer und mir lieber selbst einen Obolus in die Hand geben, wenn er es möchte. Offenbar ist aber dieser Weg in Deutschland nicht so üblich, denn schließlich kam eine junge deutsche Reisende zu mir nach vorn und überreichte mir den Hut mit dem Ergebnis der Sammlung. Ich schüttete ihn vorn auf dem Armaturenbrett aus und erstarrte:
ES WAREN NUR DINARMÜNZEN UND KEINE SCHEINE, SOGAR EINIGE 100-MILLIMES-MÜNZEN ENTDECKTE ICH! Das schlug doch dem Fass den Boden aus, wie es wohl bei Euch in Deutschland heißt. Mir verschlug es die Worte; einige Zeit sammelte ich mich, bevor ich einige Worte auf französisch zum Abschied sagen konnte. Als dann die französischen Gäste den Bus verlassen hatten, begann ich meine Ansprache auf deutsch:
„Sie haben uns beide mit der Sammlung zutiefst beleidigt. Wir sind mit ihnen zwei Tage lang, 14 und 16 Stunden ununterbrochen, rund 900 Kilometer sicher durch Südtunesien gefahren und haben ihnen die Schönheiten gezeigt und erklärt. Es war für uns anstrengend, aber wir machten es gerne. Aber dass wir als Anerkennung von ihnen sogar umgerechnet 5-Cent-Münzen neben einigen Dinars bekommen, beleidigt uns. Nehmen sie das Geld wieder zurück, wir nehmen es nicht an.“


Ergänzung des Autors:
Mit diesen Worten schaufelte er die Münzen in den Hut zurück und übergab ihn seinem Besitzer, der genau so verdutzt guckte, wie wir sicher alle. Manche dachten sogar erst an einen Scherz, von denen er einige während der Fahrt gemacht hatte….
Irgendwo von hinten kam der Hinweis: „Wer den Pfennig nicht ehrt, ist den Taler nicht wert“; keine Reaktion darauf, versteinerte Miene. Es war ihm bitter Ernst.
Erst ganz zum Schluss, bei dieser Rede, erwähnte er auch seinen Namen und den des Busfahrers. Wollte er vielleicht die Zeit davor nicht persönlich angesprochen werden?
Mit einem im Bus verbliebenen Franzosen unterhielt er sich noch, erläuterte ihm offenbar seine Beweggründe. Von den dann später aussteigenden deutschen Reisenden nahm er – bis auf eine Ausnahme - nichts an, verabschiedete sich widerwillig, ohne die Hand zu geben….
Irgendwer hatte das gesammelte Geld in einen Umschlag getan und so im Bus deponiert, dass wenigstens der Busfahrer ihn später finden müsste…..

Es ergibt sich für mich die Frage, was wir falsch gemacht haben. Hätten wir bei dem Einsammeln einen für zwei Tage angemessenen Richtbetrag (etwa 5 Dinar pro Person = 2,50 ¤) empfehlen sollen? Oder wäre nicht doch die persönliche Überreichung vorzuziehen? So hätte sich vielleicht auch die Ungewissheit vermeiden lassen, ob nicht doch die Franzosen mit den 100-Millimes-Münzen die eigentlichen Urheber des Eklats waren. Für den Reiseführer waren wir es, denn nur uns warf er die Beleidigung vor! Wie man es auch dreht und wendet:
Eine wirklich erlebnisreiche Fahrt endete mit einem unvergesslichen Missklang.


Über Wortmeldungen zur Diskussion würde sich der Autor sehr freuen…..


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 18.03.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für alle bescheidenen Reiseführer dieser Welt

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