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Kurzgeschichte `Love and Summer´

 

 

 

 

 

Love and Summer

 

 

 

 

 

 

Eine Kurzgeschichte

 

 

von

 

 

Amber Jackson

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

*

Jeder denkt, wir hätten Probleme mit der Sonne, hätten keine Nachkommen und wir würden nicht älter werden. Das alles ist Unsinn. Es war schon immer Unsinn. Ich stehe als Nachkomme zweier Vampire in der prallen Sonne des lauen Sommers und bin wieder ein Jahr älter. Das heißt ich bin jetzt Sechzehn und wer dieses Alter für toll hält, hat keine Ahnung. Die Menschen halten dich für fast erwachsen oder für einen Halbstarken und bei den Vampiren bist du ein Jungvampir und hast den Älteren bedingungslos zu folgen. Vor allem deinen Eltern!

Irgendwann werde ich sterben müssen und dann wird meine Zeit angehalten. Die Meisten von uns können diesen Zeitpunkt selbst bestimmen. Ich habe jedenfalls nicht vor, allzu bald zu sterben, zumal sich dann auch mein Durst nach Blut ändern wird.

Die Sonne blendet mich und dann kommt meine Cousine Lu zu mir und die Schulglocke dröhnt. Lu und ich zucken zusammen. Unsere Sinne reagieren stärker auf gewisse Dinge, als die der Menschenkinder an unserer Schule. Manchmal macht es das noch schwerer irgendwie normal zu sein.

„Hier sind wir also wieder!“, sagt Lu schwungvoll und aufgedreht und schaut mit mir auf diesen Klotz von Schulgebäude. Ich war noch nie gerne hier, weil ich mich hier noch mehr als zuhause wie ein Fremdkörper fühle. Mein Schicksal scheint es zu sein, nirgendwo auf der Welt hinzupassen.

Mir entweicht ein Seufzen. „Ja, wieder ein Jahr voller Spannung und Spaß“, grinse ich matt und will mit ihr hineingehen, doch dann wirbeln Bücher neben mir durch die Luft und ein Körper knallt zu Boden. Meine Hand fängt eines der Bücher reflexartig auf. Der Junge neben mir scheint sich nichts getan zu haben. Als er aufsteht, fallen seine blauen Augen mir sofort auf und diese Wildheit darin, verschlägt mir einen Momentlang den Atem.

„Danke fürs Retten von Oscar“, meint er und grinst mich mit diesem verschmitzten Lächeln und diesen schönen Lippen an. Er ist attraktiv und zum ersten Mal in meinem Leben nehme ich das so bewusst wahr. Ich starre sonst Menschen nicht an. Eher blende ich sie aus und es ist mir peinlich, sein Gesicht so lange anzusehen.

Dann schaue ich endlich auf das Buch und bemerke, dass es von Oscar Wilde geschrieben wurde. Ok, er mag höchst wahrscheinlich Bücher und da er sich gerade nach dem Mordswerkzeug umsieht, mit dem er sich hingelegt hat, wohl auch Skateboards. Er schnappt sich das Board und sucht seine Bücher zusammen. Mit dem kleinen Stapel in der einen und seinem Skateboard in der anderen Hand kommt er zu mir und Lu zurück.

„Ich bin übrigens Adam. Wir sehen uns bestimmt noch. Ach, und nochmal danke!“ Er nimmt mir Oscar ab und wieder starre ich in wilde Augen. Sein fällt Board lässig zu Boden und er rollt durch die große Eingangstür in den Flur hinein. Ich schaue ihm etwas verdutzt hinterher und lasse das Blut durch meine Adern schnellen.

„Was war das denn für ein Poser?“, fragt Lu, greift nach meinem Ärmel und zieht mich ein Stück mit sich.

Im Unterricht sitze ich hinten neben Lu, ihrer Freundin Gertrud und ihrem dummen Freund Frank. Erst, als dieser Junge, Adam, mit seinem Board die Klasse betritt und sich alle Augen auf den Neuen richten, werde auch ich aus meinem Unterrichtskoma gerissen.

Er stellt sich kurz vor und lässt sich dann vorne in die zweite Reihe gleiten. So kann ich natürlich nur seinen Rücken betrachten. Sein Rücken ist seltsam breit und passt gar nicht zu dem wilden Jungen auf dem Skateboard.

„Was hältst du von ihm?“, frage ich Lu und ernte ein Kopfschütteln.

„Im Moment noch nichts“, meint sie und wendet sich dem Unterricht zu.

Ich tue dann das Gleiche. In der Pause verziehe ich mich mit Lu und Gertrud hinter die Mauer des Schulgebäudes. Lu raucht dort in Ruhe und ich schaue nach, wie viel Zeit ich noch habe, bevor mein Vater mir heute Abend wieder eine Lektion auftischt. Noch ist er sehr unzufrieden mit meinen Entwicklungen. Ich gehöre zu den Jungvampiren, die in die engere Auswahl für die Clanführung kommen, doch noch bin ich zu schwach, zu dumm und habe nicht die Qualitäten eines Anführers. Alles was ich habe, ist mein Name. Meinen Eltern ist das alles natürlich verflucht wichtig. Sie würden nicht so ein Auge auf mich haben, wenn ich nicht zu den Kindern gehörte, die in der richtigen Nacht geboren wurden.

Nachdem ich sechs Stunden lang dem Unterricht gefolgt habe, gehe ich mit Lu zu unseren Fahrrädern. Ich bringe sie nach Hause, bevor ich selbst mich auf den Heimweg mache. Unser Haus liegt weit draußen. Vor allem, weil der Clan von meinem Großvater geführt wird und nicht alles, was dort vor sich geht, bemerkt werden soll. Mich hat die weite Strecke schon immer gestört und ich bin froh, wenn ich endlich meinen Führerschein habe.

Heute verleitet mich dennoch eine Bewegung zwischen den Zweigen dazu, in den Wald am Langley River abzubiegen. Normalerweise rase ich durch diese endlose Schneise aus Bäumen, weil ich den Wald nicht mag. In jedem Märchen ist es so. An solchen Orten lauert das Böse. Eigentlich gehöre ich ja in diesen Märchen auch zu den Bösen.

Der Trampelpfad über den mein Rad jetzt poltert, ist weder angenehm, noch fühlt er sich sicher an. Niemand würde mich abseits der Straße finden und was auch immer ich gesehen habe, scheint fort zu sein. Es wäre lächerlich noch hierzubleiben, so schnell wie ich wende und zurückrase, registriere ich auch den Schatten, doch weder ich noch er schaffen es, rechtzeitig zu stoppen. Mein Rad fliegt durch die Luft und landet auf mir und meinem verdrehten Bein. Vor Schmerzen schreie ich auf und dann kommt etwas auf mich zu. Erst erkenne ich ihn nicht richtig, doch dann sehe ich Adam.

„Alles in Ordnung? Mann! Tut mir leid!“, überschlägt er sich und kniet sich neben mich. „Ich habe dich nicht gesehen! Niemand ist sonst hier im Wald!“

„Wie konntest du mich so umrennen? Von wo kamst du überhaupt?“ Ich bin noch immer nicht ganz da und der Schmerz in meinem Bein lässt sich nur langsam auf ein erträgliches Level bringen. Mein Vater findet mich wohl zurecht noch immer nicht hart genug. Und noch schlimmer ist, dass ich in seine Augen fallen und an seinen Lippen hänge. Sie sind ungewöhnlich rot und die Anstrengung lässt sie leuchten. Warum ist er so außer Atem?

„Soll ich dir hoch helfen?“, fragt er und ruft in mir eine Wut auf, die ich ganz leicht, als nicht menschlich identifizieren kann. Krampfhaft beiße ich die Lippen zusammen und kämpfe meine natürlichen Anlagen nieder. Emotionale Kontrolle gehört ebenso wenig zu mir, wie eisige Härte. Es ist ja kein Wunder, das meine Eltern mich schwierig finden.

Ich zucke zusammen, als Adams Arme sich um mich schlingen und ich mich hochziehen. Mein Rücken fällt gegen seine Brust und ich habe das Gefühl, dass er unglaublich warm glüht. Es ist verwirrend, doch dann zuckt er zusammen und lässt mich beinahe wieder fallen.

„Du riechst anders!“, rollen tiefe Worte aus seiner Kehle. Seine Stimme klingt sonst anders und es schaudert mich. Vielleicht habe ich noch nicht genug gelernt, aber wenn er mich so vom Fahrrad fegen kann und jetzt etwas riecht, ist da etwas.

Mein Herz rast und ich hole tief Luft, um Mut zu sammeln. „Was soll das denn heißen? Und was zum Teufel bist du? Du riechst etwas! Du bist übermenschlich schnell? Also was bist du?, frage ich ganz direkt und drehe mich, trotz meines schmerzenden Beins, zu ihm um.

„Was soll ich denn sein?“, grinst er, aber er wirkt nervös.

„Kein Mensch! Ich will es nur wissen“, flüstere ich.

„Warum?“

Ich seufze und noch immer sind unsere Körper kaum voneinander entfernt. „Weil ich aus den Schauergeschichten stamme und ich es wissen will, wenn noch so jemand wie ich in der Stadt ist.“

Adam wartet ab – das kann ich spüren! Mein Körper so eng an seinem nimmt wahr, wie alle seine Muskeln starr werden und es irritiert mich, wie heftig mein Herz sich gewaltsam gegen meinen Brustkorb drückt. Die ganze Situation stimmt nicht. Ich halte diese Nähe nicht mehr aus, aber als ich mich von ihm löse und versuche, mich so zu drehen, dass ich ihm direkt in die Augen sehen kann, spüre ich den Schmerz in meinem Bein wieder. Vor der Transformation heilen wir noch nicht so schnell. Sicherlich immer noch schneller als die Menschen. „Wie meinst du das, du bist aus einer Schauergeschichte?“

Ich schaue ihn gefasst an und zeige auf mich. „Bluttrinker. Und du?“

Mein pochendes Bein spielt jetzt keine Rolle mehr. Seine Antwort dauert zu lange und ich bin zu angespannt. Ich bin eine Kreatur, die im Tod geboren wird und was auch immer er ist, er scheint, mich abstoßend zu finden.

„Ich bin jedenfalls kein Vampir!“, knurrt er und bietet ein so bösartiges Bild, dass er mich erschreckt.

Er hört auf mich zu stützen, will gehen, doch ich stöhne auf, als ich mein Bein belaste.

„Was soll das Theater?“, knurrt er etwas verunsichert.

„Mein Knöchel ist hin, du Genie!“, fauche ich zurück und versuche, meinen Fuß nicht zu belasten.

Adam kommt zurück. „Müsste der nicht längst geheilt sein?“

„Ich bin noch nicht neugeboren worden.“

Ich kann ihm ansehen, dass er es nicht wirklich versteht, aber hilft mir. Sein Arm legt sich nun fest um mich und er lehnt mich an einen Baum, bis er mein Fahrrad aufrichtet und mich darauf nach Hause verfrachtet. Den ganzen Weg über reden wir nicht. Er hasst mich dafür, wer ich bin und ich ihn dafür, dass er mich allen Ernstes allein zurücklassen wollte. Der Wind weht seinen scharfen Duft zu mir. Obwohl sein Körper schlank ist, sind seine Rückenmuskeln zu sehen. Einen Momentlang überlege ich, doch einen weiteren Versuch zu starten, um mit ihm zu reden, doch dann kommen wir an unserer Auffahrt an. Mein Großvater steht am Ende im Garten und ich habe den Eindruck, dass er Adam regelrecht mit seinen Blicken durchbohrt. Das Fahrrad bremst hart ab und der Schmerz zuckt in meinem Bein auf.

„Ich setze dich hier ab! Es riecht hier zu sehr nach Friedhof.“

Wenn überhaupt riecht es bei uns nach Lavendel. Das ist ein Tick meiner Großmutter, weil sie eigentlich aus Frankreich kommt und die Pflanzen sie an früher erinnern. Vielleicht habe ich so etwas später auch. Eine Sache, die mich an die Zeit von heute erinnert. Großvater kommt die Auffahrt hinunter auf mich zu. Er sieht nicht älter aus als Sechzehn oder Siebzehn und obwohl er schwächlich wirkt, ist sein Griff hart und fest, als er nun vor mir steht.

„Wer war dieser Junge, Damon?“ Seine Stimme malt Berge aus Eis für mich zu Pulver und ich weiß nicht, was ich von Adam erzählen soll. Eigentlich kenne ich ihn nicht – er verschwindet nur einfach nicht aus meinen Gedanken.

„Er ist neu in meiner Klasse und als ich mit dem Fahrrad gestürzt bin, hat er mir geholfen und mich hergebracht.“ Es ist keine Lüge. Ich muss nicht sagen, dass mein Herz rast, wenn er sehr nah ist oder mein Blick an seinen wilden Augen oder seinen schönen Lippen hängen bleiben.

„Und er ist gleich wieder verschwunden?“

„Ja“, nicke ich und weiß nicht recht, was Großvater von mir hören will. Unser Weg zum Haus kommt mir unendlich weit vor. Großvater hilft mir nicht! Er hat mich losgelassen und lässt mich über die Einfahrt humpeln. Noch nie hat er so etwas getan. Vielleicht gehört auch das zum härter werden? So eine dumme "Schmerz formt den Charakter" - Sache. Es ist so oder so egal, mich beschäftigt in den nächsten Tagen weniger mein Bein als dieses Schweigen, das starr und unüberwindbar zwischen mir und Adam steht. Es fühlt sich nicht so an, als wäre mir dieses Schweigen egal und das verwirrt mich tatsächlich noch mehr.

Mein Bein ist eine Woche später wieder in Ordnung. Ich werde nun nicht mehr, von der Schule abgeholt und so kann ich mit dem Fahrrad wieder auf den kleinen Waldweg einbiegen und ihn entlang radeln, bis ich enttäuscht nach Hause kehre. Den Tag darauf werde ich effektiver und folge Adam, sobald er die Schule verlässt. Sein Board poltert über den Gehweg und er scheint nicht zu wissen, dass ich hinter ihm bin. Irgendwann nimmt er sein Board in die Hand und verschwindet im Wald. Ich frage mich, ob es eine Falle ist oder ob er mich erneut umrennt. Vorsichtshalber lasse ich mein Rad zurück und folge ihm, so leise ich kann. Ich bewege mich zwischen massiven, aber kahlen Stämmen hindurch und ich bin recht gut darin, mich hinter ihnen zu verbergen. Adam, vor mir, wird schneller und schneller. Als ich ihn aus den Augen verliere, beginne ich zu rennen, ohne auf meine Deckung zu achten. Natürlich entdeckt er mich und ich weiß nicht, wie es passiert, aber mit einem Mal hat er mich an den Schultern gepackt und prescht meinen Rücken gegen einen der unzähligen Baumstämme.

Ich sehe in seine nun wieder so wilden Augen. „Ich wollte nur noch einmal mit dir reden“, stammele ich nervös und seine Nähe aufsaugend.

„Warum?“, krächzt er atemlos.

Wie schnell ist er gerannt? Was sage ich denn jetzt? Irgendwas!

„Weil du okay bist und du weißt, na, du weißt, wer ich bin. Außerdem hasse ich es, den ganzen Tag in der Schule kein Wort mit dir zu wechseln.“

Adams warmer, hektischer Atem schlägt mir entgegen und die Art, wie er mich ansieht, ist so durchdringend, dass mein Herz zu rasen beginnt. Stürmisch legen sich mit einem Mal seine Lippen auf meine und ich bekomme den aller ersten Kuss meines Lebens. So fühlt es sich also an, wenn sich die Lippen eines anderen Menschen auf deine legen. Es ist ja eigentlich nichts Besonderes. Seine Lippen sind warm und ein wenig rau. Mir wird warm am ganzen Körper und mir wird schwummerig, das kommt wahrscheinlich davon, dass mein Herz im vierfachen Tempo schlägt.

Ich schaue in seine wilden Augen, als er dreißig Zentimeter vor mir durchatmet. Mein Gesicht muss knallrot sein und gerade jetzt wünsche ich mir, ich wäre bereits neugeboren. Weder könnte mein Herz so laut schlagen, noch würde mir all das Blut durch den Körper schießen.

„Der Vollmond rückt näher“, flüstert er und da weiß ich, was er ist. Eigentlich hätte ich es schon an seinen wilden Augen sehen müssen.

„Hast du mich nur darum geküsst?“

Sein Lächeln ist die Sonne und mein Herz pocht so laut, dass ich fürchte, sein „Nein“ nicht richtig verstanden zu haben.

*

Am Abend denke ich vor allem an den zweiten Kuss. Er hat mich noch einmal geküsst. Ich wollte es. Er ist ein Junge, aber ich wollte es wirklich. Es ist neu für mich, dass ich in einen anderen Jungen verliebt bin. Ich war noch nie verliebt und ich habe mich noch nie wirklich für Liebe interessiert – aber ich denke schon irgendwie, dass es Liebe ist … oder ein Verknalltsein. Wir kennen uns ja nicht! … Doch das Küssen mit ihm hat sich so gut angefühlt, dass es etwas heißen muss. Und wenn es etwas heißt, dann sollte ich mir doch jetzt überlegen, was ich weiterhin machen soll. Wir haben uns ja nicht verabredet. Adam ist einfach verschwunden und ich habe den Mund nicht aufgekriegt. Ich bin eh nicht so der unterhaltsame Typ, aber bei ihm wäre ich gerne so ein Typ. Einer, der sich gut ausdrücken kann und der weiß, wie man einen Jungen anspricht und ihm sagt, dass er da etwas fühlt – ohne das es komisch klingt. Bei mir wird es komisch klingen oder ich werde es nicht über die Lippen bekommen, aber ich kann keine Ewigkeit warten, bis sich seine Lippen wieder auf meine legen. Ich bin so in Gedanken versunken, dass ich gar nicht merke, wie mein Vater in die Tür tritt. Er kann sich fast lautlos bewegen, was einen wahnsinnig machen kann.

„Damon! Du verschwendest wertvolle Zeit, wenn du nur auf deinem Bett liegst.“

Ich wende ihm den Kopf zu. Wir sehen uns ähnlich. Schwarze Haare, dunkle Augenbrauen und scharfe Gesichtszüge. Ich weiß nicht, ob wir uns in anderen Dingen auch ähnlich sind. Großmutter sagt „Ja!“, aber ich sehe immer nur, wie selbstsicher und bestimmt er ist und dann sehe ich mich. Ich will kein Anführer werden. Ich will nicht für alle entscheiden – und womöglich einen Fehler machen. Mir würde es reichen noch einmal von Adam geküsst zu werden.

„Ich möchte, dass du jetzt aufstehst und mit mir kommst“, rollt er die Worte über seine Zunge zu mir herüber und ich will sie nicht hören, aber sie zerren an mir und werden mich schließlich zwingen, alles zu tun, was er sagt. Als mein Vater entscheidet er.

Wir gehen nicht nur raus aus meinem Zimmer, nein, wir gehen mitten in der Nacht in den Wald. Ich hasse den Wald und noch mehr hasse ich ihm im Dunkeln. Obwohl … na … Küssen im Wald ist für mich in Ordnung. Mit einem Mal höre ich etwas. Ich sehe mich um. Ist es Adam? Nein, die Hände, die mich plötzlich ergreifen, haben mit Adams Berührungen nichts zu tun.

*

Am nächsten Morgen liege ich mit blauen Flecken in meinem Bett. Toll! Gerade war mein Fuß wieder ok. In der Schule starren mich alle wegen der blauen Flecken an und ich verziehe mich so schnell wie möglich aus dem Schulgebäude. Während ich fliehe, ist Adam einfach nur spät dran und wieder schaut er nicht richtig. Dieses Mal haut es ihn allerdings nicht von seinem Bord.

„Damon! Was ist passiert?“, fragt er atemlos.

Ich zucke mit den Schultern. Mir ist nicht nach Reden, schon gar nicht darüber, dass ich es nicht draufhabe.

„Ich geh in den Wald, kommst du mit?“, frage ich Adam und warte auf die Antwort. Ich bin nicht überrascht, als Adam sein Board in die Hand nimmt und mit mir in den Wald geht. Mir geht es erst besser, als ich Adams Lippen auf meinen spüre und mein Rücken gegen den Baumstamm gedrückt wird.

„Was ist mit dir passiert?“, flüstert Adam zwischen den Küssen. Ich schaue ihn einen Moment an und dann entscheide ich, dass ich ihm alles sagen kann. Lächerlich und naiv, aber es ist entschieden. Wie soll man denn mit jemandem zusammen sein, wenn der einen nicht kennt?

„Ich bin nicht taff genug. Mein Vater will, dass ich härter werde.“

Ein tiefes Knurren dringt aus Adams Kehle. „Er schlägt dich?“

„Was? Nein. … Er … Sie zeigen mir, wie man kämpft oder wie zumindest, wie man sich verteidigt. Ich bin nicht allzu gut darin.“ Es zuzugeben, fällt mir dennoch schwer.

„Ich kann kämpfen. Wir Wölfe lernen es schon als Kinder. Ist ein angeborener Instinkt oder so. Ich meine, ich kann es dir zeigen. Vorsichtig und bestimmt mit weniger blauen Flecken.“ Adams Hände spielen am Saum von meinem T-Shirt, so als könnte er sich nicht entscheiden, ob er es hochheben will. Ich wünsche mir ein wenig, er würde es einfach tun. Doch was dann? Mehr als Küssen wäre noch zu viel – egal wie gut sich Adam anfühlt.

„Und? Soll ich dir etwas zeigen?“

Mein Herz rast und dann nicke ich. Wie kann ich so schlecht mit Worten sein? Eigentlich war ich nicht so. Na, vielleicht doch! Aber in Adams Nähe wurde meine Sprachlosigkeit in manchen Moment unbesiegbar. Eine Hand greift nach meiner und Adam zieht mich ungewohnt heftig vom Baumstamm fort. Schnell steht er hinter er, spreizt mit den Füßen meine Beine und legt seine Hand auf meinem flachen Bauch. Alles beginnt zu kribbeln.

„Du stehst sicher. Locker in den Knien, fest in der Mitte. Du bist bereit dich zu bewegen. Es geht ums Ausweichen und Angreifen.“

So beginnen Adams Lektion und zwar jeden Tag und jeden Tag kribbelt es. Zwei Wochen später reicht aber das Kribbeln nicht mehr aus. Als Adam im Wald vor mir auftaucht, sieht er noch schöner aus, als sonst und als wir uns zur Begrüßung küssen, bin ich es selbst, der sein T-Shirt auszieht und Adam einen Moment lang den Atem raube.

„Du bist so … gut!“, keucht er und dann sind da wieder seine Lippen auf meinen. Seine Hände zittern, als er sie über diese weiche Haut führt und beginnt, die Kontrolle zu verlieren. Ein leichtes Knurren kommt aus seiner Kehle und er küsst mich so wild, dass er nie wieder aufhören möchte. Seine Hände nehmen sich meine Hose vor.

„Stopp!“, keuche ich und aus Adams Kehle kommt dieser Laut. Unmenschlich! Gruselig! „Tut mir leid! Ich … ich kann … nicht.“ Klinge ich wirklich so jämmerlich? Bin ich wirklich auch zu feige, das hier durchzuziehen – obwohl ich Adams Berührungen doch sonst liebe?

Meine eiskalten Hände ziehen die Hose hoch und ich drehe mich zu Adam um, der mich entgeistert ansieht. „Ich wollte gar nicht … Mist! … Ich habe das manchmal nicht so unter Kontrolle.“

„Das?“

Adam schüttelt seine Gedanken zurecht und lächelt schief. „Meine andere Seite. Den verdammten Wolf!“

Es ist ein Leichtes, Adam wieder zu küssen, wenn er so aussieht. „Ich will irgendwann. Nur nicht jetzt und nicht hier.“

„Willst du mal mit zu mir kommen? Morgen? Nicht für, also, nur, um meine Leute kennenzulernen und abzuhängen.“

Es kribbelt und ich nicke sacht und dann hole ich mir meinen nächsten Kuss von diesen Lippen.

„Was zum Teufel! Damon geh sofort weg von ihm!“, faucht der Junge mit den blonden Haaren, den Adam schon am Haus von mir gesehen hat.

„Großvater!“, stoße ich aus und zucke zusammen. „Es ist nicht, also, das ist Adam.“

„Wir gehen jetzt sofort nach Hause und du, "Hund", dein Rudel und du halten sich besser von meiner Familie fern!“

Adam sagt nichts und ich bin froh, dass er schweigt. Großvater war noch nie zimperlich und so wird es leichter, ihn in paar Stunden doch noch von Adam zu überzeugen. Falls Adam das Problem gewesen ist! Vielleicht war es auch der Kuss! Niemand in meinem Clan ist so. Keiner der Männer hat je einen anderen Mann geküsst.

*

„Adam ist kein Mädchen“, stammele ich in die Stille des Wohnzimmers hinein, wo meine Familie sich versammelt hat und mich anstarrt, als hätte ich die Stadt niedergebrannt.

„Das ist uns bewusst“, knurrt mein Vater und kommt näher.

„Er ist lieb!“

„Er ist ein Hund!“

„Du hättest uns von ihm erzählen müssen“, meint Großmutter und schüttelt den Kopf.

Sie stehen da, als wüssten sie alles. Ich bin der Junge, der sie enttäuscht hat. Ich bin falsch. Wie gern wäre ich jetzt bei Adam. In seinen Armen.

„So wie ihr reagiert, hätte ich es nicht tun sollen. Ich mag Adam und mir ist egal, wie ihr das findet.“

„Wölfe sind gefährlich. Sie sind echte Monster“, erklärt meine Mutter, doch sie kennt Adam nicht und Adam ist kein Monster.

*

Drei Tage halten sie mich von Adam fern. Selbst in die Schule lassen sie mich nicht, doch am vierten Tag verschwinde ich aus meinem Zimmer. Ich halte die Distanz zwischen uns nicht länger aus. Adams Küsse brennen auf meinen Lippen nach und egal, was sie über ihn sagen, ich sollte bei ihm sein. Ich sollte mir tausend Küsse von ihm holen dürfen. Adam würde mich ihn küssen lassen, wenn ich bei ihm wäre und ich will nichts auf der Welt mehr. Ich hasse sie! Und ich haue ab!

Mein Herz pocht, als ich nachts durch den Wald renne. Adam wohnt in einem Wohnwagen am Stadtrand. Mitschüler haben darüber gesprochen, aber ich bin noch nie dort gewesen. Heute Nacht ist es das erste Mal und mein Herz schlägt wie verrückt. Die Wohnwagen sind malerisch beleuchtet und ich höre Musik und Stimmen. In einem der Wagen scheint niemand zu schlafen. Sie stehen davor und reden und ich suche nach Adams Zuhause. Es ist sein Board, dass mir auffällt. Ich kann es durch das Fenster sehen. Dann sehe ich Adam – und er sieht mich. Ein wunderschönes Strahlen tritt in sein Gesicht. Er hat mich mindestens so vermisst, wie ich ihn. Es ist mir peinlich, aber ich kann nicht wegsehen.

Ich merke erst gar nicht, wie sich jemand gegen meine Seite wirft und mich brutal fortreißt. Ich knalle auf den Boden und Staub wirbelt um mich herum auf. Ein Typ, mit einer riesigen Faust und goldglühenden Augen, sitzt auf mir. Seine Zähne treten seltsam hervor und ich spüre Panik in mir. Er sieht aus, als würde er den Jungen vor sich umbringen. Adam ist es, der ihn rettet. Er springt ihn an. Seine Augen glühen bösartig. Zum ersten Mal sehe ich ihn so! Er kämpft. Das was wir im Wald gemacht haben, hat nichts damit zu tun. Er schleudert diesen gewaltigen Kerl gegen einen der Wagen.

„Hör auf, Nial!“, schreit er tief und heftig. Es klingt nicht, wie seine Stimme. Eher fremd und erschreckend.

Nial liegt am Boden und knurrt. Ich sehe, wie die Anderen kommen.

„Riechst du das nicht? Er stinkt nach Tod!“

„Er gehört zu mir, also lass ihn in Ruhe oder ich reiß dich in Stücke.“ Adam ist wütend und er ergreift unter den Augen aller meine Hand und nimmt mich mit in seinen Wohnwagen. „Ihr könnt wieder gehen!“, ruft er, bevor er hinter uns die Tür zu knallt.

Adams Wohnwagen ist hell und warm. Poster von bekannten Skatern hängen an der Wand über seinem Bett und sein Bett sieht gemütlich aus.

„Ich bin froh, dass du hergekommen bist.“ Adams Stimme ist plötzlich nur ein Flüstern.

„Ich bin auch froh“, erwidere ich, gehe zu dem Bett, dass sich so weich anfühlt.

Die Matratze bewegt sich in Wellen, als Adam zu ihm kommt und mich küsst, als müsste das so sein. Für diese Küsse hat es sich gelohnt herzukommen und für das Abstreifen der T-Shirts und das Gefühl von nackter Haut. Unser Atem geht hektisch und unsere Hände zittern, doch das Küssen ist schön und jede Berührung fühlt sich gut an.

„Wir müssen nicht“, krächzt Adam, so als könnte er die Worte kaum über Lippen bringen. Ich lächele. Es ist so offensichtlich, dass Adam nicht aufhören will und diesmal will ich es auch nicht. Ich liebe Adam. Ich verstehe es nicht, nach dieser viel zu kurzen Zeit, aber ich liebt ihn. Meine Lippen legen sich auf Adams und als sie es tun, ist es so seltsam und schön und ich höre dieses Knurren in meinen Ohren. Ohne mich umzudrehen, weiß ich, dass Adams Augen glühen.

Als Adam sich neben mich keuchend in die Laken wirft, hebt sich seine Brust in atemberaubender Geschwindigkeit.

„Irre!“, keuchte er und küsst mich wild. Es ist ein perfekter Kuss. Ein Kuss, der alles andere auslöscht und nur noch mich und Adam zurücklässt. Wir! Nur wir spielen eine Rolle!

 

The End

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 10.05.2017

Alle Rechte vorbehalten

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