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BLOß NICHT VERLIEBEN!

 

 

 

 

VON

 

AMBER JACKSON

 

 

 

 

 

 

 

 

Frühjahr 2018

 

 

 

Hugh – Vorstellungsgespräch

 

 

Mein schwarzer Anzug sitzt perfekt. Ich erinnere mich, wie Ian ihn mir ein letztes Mal ausgezogen hat, und ich weiß, dass ich darin aussehe, wie einer dieser Typen, die es draufhaben. Ich habe es ja auch drauf. Die Lücke in meinem Lebenslauf ist das Problem, zusammen mit den negativen Äußerungen von Hendricks Senior über mich. Mein Chef und ich sind nicht glücklich auseinandergegangen. Doch ein paar letzte Chancen gebe ich meiner Karriere noch. Heute bei einem deutschen Unternehmen, das auf internationalem Niveau agiert.

Ich zucke innerlich zusammen, als mein früherer Kommilitone Ben Gerowski vor mir hinter dem Schreibtisch am Ende des Zimmers sitzt. Mein Termin ist eigentlich nicht bei ihm gewesen, aber wahrscheinlich hat er das hier übernommen, um sich für unsere Zeit an der Law School zu revanchieren. Damals war ich jung und daneben. Wirklich daneben. Heute bin ich es vielleicht immer noch, aber auf eine andere Art und Weise.

"Guten Tag, Hugh! Wie geht es dir?", fragt Ben freundlich und hat diesem treudoofen Hundeblick in all den Jahren nicht verloren. Toll! Das hat mich schon früher genervt und natürlich ist das alles nur Fassade. Ben wird mich nicht einstellen. Er mag mich nicht. Ich atme tief durch, nehme seine Hand und will die eine Sache loswerden, die ich ihm längst hätte sagen sollen.

"Ben!", nicke ich knapp und richte mich noch etwas im Stuhl auf. "Wir wissen doch jetzt beide, dass ich keine Chance auf den Job habe, wenn du dieses Gespräch führst. Also schenken wir uns das hier doch! Ich weiß, wie ich mich an der Law School verhalten habe und ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich bei dir dafür zu entschuldigen, auch wenn mein Verhalten sicherlich unentschuldbar war. Ich war ein Arsch."

Diese großen Augen mustern mich überrascht. Ich kenne Ben. Er reagiert auf Unvorhergesehenes vorsichtig.

"Danke, Hugh! Es ist nett von dir, dass du dich entschuldigst."

Natürlich ist mir klar, dass das längst überfällig war. Das Studium habe ich ihm nicht unbedingt leicht gemacht. Doch, ohne es zu wollen, war er nun einmal mein Gegner. Immer wenn ich gegen ihn verloren habe, wenn meine Noten nicht mithalten konnten oder er im Seminar eine Argumentation gewonnen hat, hatte das für mich Folgen. Doch auch das habe ich mir selbst angetan. Ben konnte nie etwas dafür! Weder das Blut auf den Badezimmerfliesen noch die Nächte, in denen ich mir nicht erlauben konnte zu schlafen, waren seine Schuld. Ich war schon damals krank.

Ben mustert mich noch immer. Er ist nicht gerade ein Alphatier. Eher zurückhaltend. Ruhig. Also übernehme ich es, mich raus zu bitten.

"Gut! Damit ist dann wohl alles gesagt!"

Ich stehe auf und strecke ihm meine Hand entgegen, um mich zu verabschieden. Drei Vorstellungsgespräche habe ich noch in Deutschland und Frankreich, aber mein Lebenslauf hat Makel und die werden es mir schwer machen.

"Setz dich bitte wieder! Mein Schwiegervater vertraut mir, dass ich den besten Bewerber für die Stelle auswähle und ich schließe dich nicht einfach aus, nur weil du ein Arsch während unserer Uni-Zeit warst."

"Dein Schwiegervater?", keuche ich überrascht.

Ben ist verheiratet? Mit Jared? Jared Fink! Dem Junior!?

Ich kenne Jared aus meiner Jugend und ich wusste, dass er im Studium Ben gedatet hat. Doch ich hätte niemals gedacht, dass die beiden heiraten würden. Sie sind nicht unbedingt für einander gemacht und Ben ist eigentlich nicht Jareds Typ. Dennoch hätte ich wissen müssen, dass der Sohn des Firmenchefs verheiratet ist.

Natürlich habe ich über die Firma recherchiert und über Johann Fink, aber an Jared habe ich nicht gedacht. Er arbeitet nicht hier und das Ben hier tätig ist, wusste ich ehrlich gesagt auch nicht. Sein Name steht nicht auf der Internetseite. Zumindest bin ich nicht auf ihn gestoßen.

Fuck! Ich bin nicht einmal gut vorbereitet. Ich hätte alles über diese Firma wissen müssen, doch die Zeit fehlte und es war nicht leicht, überhaupt an Informationen zu kommen.

Ach fuck! Das sind die Ausreden von jemandem, der sich nicht genug angestrengt hat. Ich müsste einfach besser sein.

Ben nickt nur höflich. "Seitdem Jared sich gegen die Führung der Firma entschieden hat, werde ich hier auf den Chefsessel vorbereitet. Also wäre ich dein Boss! Könntest du damit leben?"

Ich sehe ihn an. Er wirkt nicht überheblich oder nachtragend. Dieser Typ ist doch nicht normal. Das hier ist seine Chance auf Rache oder Demütigung und er spricht mit mir, als wäre ich einfach nur ein Kommilitone von früher.

"Ob ich damit leben könnte? Ja. Du bist zu clever, um den Bruch in meinem Lebenslauf nicht zu sehen, und du weißt wahrscheinlich auch, wie dringend ich den Job hier brauche, um wieder einen Fuß auf den Boden zu kriegen. So gut kennen wir uns!"

Ben lächelt. "Ja, ich weiß das alles und ich weiß, dass ich dich billig einkaufen könnte und du dich womöglich rentierst."

Er ist wirklich clever.

"Also, wenn du mich in Betracht ziehst, dann lass es uns hinter uns bringen."

Bens Blick wirkt durchdringend und seine Schultern richten sich in dem teuren maßgeschneiderten Anzug auf, für den meiner Ansicht nach Jared gesorgt hat. "Was war mit Hendricks los? Man hört da ziemlich viele Gerüchte."

Als könnte ich ihm dazu etwas sagen. Eigentlich ist das das größte Problem für mich. Wie erkläre ich meine Auszeit, ohne zu viel preiszugeben. Darum gibt es auch so viele Gerüchte.

"Diese Gerüchte sind nicht gut!"

"Nein! Sind sie nicht!" Bens Blick wird bohrend, aber so richtig einschüchtern, konnte er mich nie. Er ist schlau und er arbeitet hart, aber ich bin derjenige, der Menschen dazu bringen kann, sich unwohl zu fühlen. Ich bin ein Pitbull, wenn es sein muss. Ein Arsch. Ein kaltherziges Schwein. Vielleicht wäre ich wirklich eine gute Ergänzung für das Team. Ben ist immerhin eher ein Welpe oder ein gemütlicher Berner Sennenhund. Vielleicht meint er diese Chance hier wirklich ernst, also strenge ich mich an.

"Hendricks hasst mich, was hauptsächlich daran liegt, dass ich ihm viel Geld eingebracht habe, bis ich eines Tages nicht mehr aufgetaucht bin. Ich hatte ein privates Problem, über das ich nicht sprechen werde, von dem ich dir aber versichern kann, dass es gelöst ist. So etwas wie bei Hendricks wird nie wieder vorkommen. Ich plane einen Neustart meiner Karriere und ich würde ihn gerne hier beginnen. Es wäre auch mal etwas Neues, wenn wir auf derselben Seite spielen würden. Du weißt, wir sind beide gut!"

"Du stapelst ganz schön hoch."

"Hör zu, du bist in einigen Dingen besser als ich und klar, stehst du hier über mir. Ich kann das akzeptieren. Doch ich bin gut, wenn es hart auf hart kommt und ich kenne mich in der Geschäftswelt aus. Ich denke, ihr könntet von mir profitieren und ja, du bekommst mich günstig."

Ben nickt bedächtig und scheint, mit sich zu kämpfen. Ich kann ihm nicht ansehen, was er davon hält mich einzustellen. So richtig überzeugt, wirkt er nicht.

Die stupiden Anschlussfragen, die er natürlich brav und höflich stellt, bekräftigen mich dann darin, dass ich auch diesen Job nicht kriegen werde. Nach dem Gespräch verlasse ich das Büro und spüre, wie diese Dunkelheit durch mich durchdringt. Ich wünschte, ich könnte Ian anrufen und ihn in mein Hotelzimmer bestellen, aber ich werde allein sein. Das ist Deutschland und ich habe meine Kontakte hier noch nicht aufgebaut.

 

"Wir melden uns bei dir!", waren Bens Worte und ich habe seine Hand geschüttelt. Jetzt bringt mich ein Taxi ins Hotel. Hinter der Tür streife ich meine Schuhe ab und wandere unruhig hin und her. Ich sollte mich auf die nächsten Gespräche vorbereiten, doch ich kann es nicht. Mein Körper braucht jetzt Entspannung. Ich wende die Atemübungen an und auch wenn sie helfen, reichen sie nicht wirklich.

Meine Hand greift nach meinem Laptop und ich suche mir einen Service, der meinen Bedürfnissen entspricht. Für den heutigen Abend bestelle ich mir einen gut gekleideten, diskreten Mann, der frei zu meiner Verfügung steht. Ich hasse es, zu warten. Die Zeit fließt zäh dahin und mein Versagen sickert durch meine Gedanken.

Warum wusste ich nicht, dass Ben da sein würde? Gerowski! Hatte ich den Namen irgendwo gelesen? Oder hat er Jareds Namen angenommen? Ben Fink!? Nein, da kann nichts gewesen sein! Es spielt eigentlich auch keine Rolle. Ich hätte den Job so oder so nicht bekommen. Es ging um eine Führungsposition. Wer würde mich da direkt einstellen?

"Du verfluchter Loser!", knurre ich mir zu und merke, wie ich ein Stück von mir wegrutsche. Ich muss diesen Gedankenstrudel jetzt stoppen, sonst lasse ich mich in diese dunklen Gefühle hineinsaugen. Ich atme konzentriert. Ich fokussiere mich und stelle mir eine Reihe beruhigender Bilder vor. Meine Hände zittern ganz leicht und ich kann nur daran denken, wie einfach es wäre, mein Inneres zu beruhigen. Der Drang, der in mir wächst, ist nur schwer niederzukämpfen, doch ich weiß, was ich zu tun habe. Atmen. Beruhigende Bilder: Seen im Nebel, Wälder, Brücken. Ich weiß nicht einmal, warum ich Brücken mag, aber sie beruhigen mich und alles Hilfreiche ist erlaubt.

*

Das Klingeln an der Tür zaubert mir schließlich sogar ein Lächeln ins Gesicht und der Anblick des Mannes, der da vor mir steht auch. Sein Kleidungsstil und sein Körper gefallen mir sofort. Er ist nicht ganz so jung, wie ich ihn mir vorgestellt habe, aber gegen ein wenig mehr Erfahrung sage ich nichts.

"Guten Abend. Es freut mich, dich endlich zu treffen", begrüßt er mich mit diesem Tonfall, den nur stilvolle Männer wirklich rüberbringen können. Gerne bitte ich ihn herein. Er heißt Gavin, kennt sich in seinem Job aus und ich vertraue darauf, dass er mit meinen Macken umgehen kann. Eigentlich gibt es da selten Probleme. Ich engagiere keine Amateure!

"Gavin. Ich nehme an, du wurdest informiert, dass ich dich für die gesamte Nacht brauche und ich uneingeschränktes Engagement erwarte?"

Klare Absprachen machen alles leichter.

Er beugt leicht den Kopf, bevor er mich geschäftlich ansieht. "Ja, allerdings. Noch hat sich niemand über meine Dienste beschwert, aber für gewisse Praktiken behalte ich mir ein Einspruchsrecht vor." Selbst dieses Thema spricht er also mit Stil an.

Ich bemerke den Seidenschal um seinen Hals und mir fällt erst jetzt auf, wie gut mir dieser Mann tatsächlich gefällt. Alles an ihm entspricht meinen Wünschen, dennoch nicke ich kühl.

"Keine Angst! So etwas ist es nicht. Ich würde gerne mit der Verschwiegenheitserklärung beginnen. Für mich kommt es auf Diskretion an und ich brauche deine Unterschrift, bevor hier irgendetwas geschieht."

Gavin lächelt wissend. Er ist ganz Profi. "Das ist nun wirklich kein Problem. Du könntest dich allerdings auch so auf meine Diskretion verlassen. Du bist nicht mein erster Geschäftsmann."

Natürlich nicht! Gavin ist mit Sicherheit gefragt in seinem Job. Ich würde ihn öfter buchen, wenn der Abend und natürlich meine Jobsuche erfolgreich sein sollten. Fehler wie die von heute dürfen mir nicht passieren. Ich bin in meinem Job auch ein Profi.

"Deine Professionalität weiß ich zu schätzen! Dennoch wäre mir wohler mit der Unterschrift auf dem Papier. Bitte, leg deinen Mantel ab und folge mir ins Wohnzimmer! Ich habe alles dort." Meine Augen wandern über seine Bewegungen, als er diesen perfekt sitzenden, grauen Mantel öffnet und ein erstes Geheimnis preisgibt. Unter seinem weißen Hemd kann man den trainieren, schlanken Körper erahnen. Ohne ein weiteres Wort gehe ich voraus und nehme auf der Couch Platz. Ich hole die Erklärung aus meinem Koffer und lege sie ihm vor. Wir gehen sie durch und er unterschreibt ohne eine Änderung oder Beschwerde. Ich fühle mich so immerhin sicher, auch wenn der ganze Vorgang für manch einen wohl ein Abturner wäre. Papiere, in denen geregelt ist, dass er auf mein Kommando zu hören hat, erst mit meiner Erlaubnis wieder gehen darf und mich nicht ohne zu fragen küsst, sind nicht sexy. Die Strafe bei einem Verstoß gegen die absolute Schweigepflicht auch nicht!

Zufrieden höre ich, wie er den Stift zur Seite legt und streiche über seinen Rücken. Die wirren Zustände in meinem Inneren legen sich spätestens jetzt. Er fühlt sich durch den dünnen Stoff seines strahlend weißen Hemdes gut an. "So, dann lass uns Duschen gehen und herausfinden, was dein Erfahrungsschatz mir so bringt." Es ist ein freundliches Kommando und ich spüre sofort, dass unsere Nacht funktionieren wird.

"Natürlich!", nickt er devot und es gefällt mir.

Ich gehe voraus und öffne die Tür zu meinem Schlafzimmer. "Zieh dich aus! Leg die Sachen ordentlich über den Stuhl und lass mich dich ein wenig ansehen, bevor ich dich wasche!"

Gavin zögert nicht. Seine Hände gleiten den Schal entlang und er löst sanft den Knoten. Der seidige Stoff fährt seinen schlanken Hals entlang und zieht sich betont langsam über seinen Oberkörper, der noch von einem zarten hellblauen Hemd verborgen wird. Seine schönen, gepflegten Hände fallen mir jetzt auf. Ich freue mich auf den Genuss seiner Hände auf meinem Körper. Sie werden mich perfekt von meinem Versagen heute ablenken.

Der Schal verlässt seinen Körper und wird von ihm ordentlich über den Stuhl gelegt. Ich mag Ordnung. Ich mag ihn. Als er das Hemd aufknöpft, sehe ich, wie sehr er auf seinen Body achtet. Kleine, feste Muskeln zieren ihn und haarlose Haut glänzt mir leicht gebräunt entgegen. Dieser Mann ist von Kopf bis Fuß perfekt.

Ich lächle, als er seinen Slip endlich fallen lässt. "Du gefällst mir immer besser." Das Kompliment ist ernst gemeint. Mein Blick wandert über ihn und ich weiß, dass ich mit dem was vor mir steht, absolut zufrieden sein werde.

"Darf ich dich ausziehen?", fragt er und wirkt dabei so schüchtern wie ein Schuljunge. Er hat mich richtig eingeschätzt. Ich mag diese Art und er spielt seine Rolle wirklich gut. Ich bin ein wenig neugierig, wie viele Rollen er draufhat. Bestimmt könnte ich auch absolute Dominanz von ihm fordern. Aber er hat schon recht, ich habe gern die Kontrolle bei solchen Treffen. Es hilft mir.

"Ja, zieh mich aus!"

Er kommt ruhig auf mich zu. Derart nackt hat er noch immer meine Aufmerksamkeit. Er ist im Ganzen gut definiert. Sein Körper ist so schlank wie meiner. Ich mag seinen Look. Seine gepflegten Hände öffnen mein Hemd und fahren über meine nackte Haut. Seine Berührungen sind angenehm und auch als er meine Hose zu Boden fallen lässt, fühle ich mich entspannt mit ihm. Er verliert kein Wort über die Narben an meinen Beinen. Stattdessen sieht er mich voller Begehren an und gibt mir das Gefühl, mich anzubeten. Gemeinsam gehen wir unter die Dusche und ich mache mich daran, diesen Körper einzuseifen.

"Du fühlst dich richtig gut an!", sage ich ihm und lasse meine Hand tiefer fahren. Ich sorge gerne dafür, dass sie sauber sind und so kann ich mich gleich ein wenig mit ihnen vertraut machen. Im Allgemeinen macht das den Sex wesentlich besser für mich. Auch dieses Mal behalte ich recht. Unsere Körper kennen auf der Matratze meines komfortablen Kingsize Bettes keine Scheu mehr. Seine Küsse sind dennoch zurückhaltend und bringen mich dazu, fordernder zu werden. Ich liebe es, wie gut er seine Rolle des Unterwürfigen spielt.

Schüchtern berührt er mich.

"Dein hübscher Mund könnte dafür sorgen, dass sich da unten etwas tut!", sage ich und lege mich so hin, dass er keine Probleme hat, mich oral ein wenig zu stimulieren.

Er leckt über meinen Bauch und lässt seine Lippen dann über meinen Schwanz gleiten. Ich stöhne auf, als ich spüre, was er da unten anstellt. Es ist ein Leichtes, bei seinen Fähigkeiten hart zu werden. Ich schließe die Augen und will mich fallen lassen, doch ganz unten in meinem Inneren nagt noch etwas an mir.

Nie wieder werde ich zu einem Vorstellungsgespräch gehen und nicht in jedem Detail wissen, was auf mich zukommt.

Später muss ich mich an meinen Laptop setzen und alles über Sanofi lernen. Noch vier Tage bis ich nach Paris fahre und mich dort vorstelle. Ihre Rechtsabteilung ist mein Ziel und kein schlechtes. Später kann ich immer noch versuchen dort aufzusteigen.

"Hör auf! Lass mich ran! Dreh dich auf den Bauch!", sage ich Gavin etwas zu schroff, weil ich jetzt dringend ein wenig Druck loswerden muss.

Gavin zögert nicht. Er weiß, was ich will und er gibt es mir. Ich bin hart und ich will möglichst schnell loslegen. Das Gleitgel wird verteilt und ich halte mich nicht mehr lange auf. Eilig stoße ich mich immer tiefer in ihn hinein. Seine Muskeln pulsieren um meine Härte und ich fühle mich viel besser, als ich in ihm komme.

"Danke dir!", sage ich und gebe ihm einen Kuss auf den Rücken, dann lasse ich mich neben ihn auf die Matratze sinken. Gavin bewegt sich nicht. Er will mich nicht stören und mir gefällt es so. Er ist sehr fügsam. Ein paar Minuten verharre ich. Ich finde ihn sehr angenehm und doch machen mich, die vor mir liegenden Aufgaben unruhig. So schön er auch ist, ich kann nicht nur bei ihm liegen. Ich schlage die Bettdecke zurück und stehe auf.

"In Ordnung! Ich werde mich frisch machen und danach will ich, dass du dich sauber machst, dich nicht anziehst und wie Gott dich schuf, zu mir auf die Couch ins Wohnzimmer kommst! Ich muss arbeiten, also setze dich einfach zu mir und sei still!"

Da sind die Macken, mit denen er umgehen muss. Ich brauche Gesellschaft, aber nicht unbedingt eine ständige Ablenkung von meinen Karriereplänen. Mit Gavin ist das allerdings kein Problem.

Er kann locker auf der Couch sitzen, ohne groß aufzufallen. Mein Laptop fesselt mich und ich studiere Artikel zum Management von Sanofi und wende mich danach allen Berichten über ihre Rechtsstreits zu.

Keine Überraschungen mehr!

Und dieses Mal zeige ich ihnen, wie gut ich bin. Als Jurist bin ich besser als jeder in ihrer Rechtsabteilung. Sie werden mich einstellen. Sie werden mehr als überzeugt von mir sein. Ich spreche vier Fremdsprachen, war auf einer privaten Elite-Uni und komme aus gutem Hause, auch wenn von meiner Familie im Prinzip niemand mehr übrig ist. 

Als ich meinen Laptop schließe, sehe ich die Gänsehaut, die sich über Gavins Körper zieht. Sofort habe ich ein schlechtes Gewissen. Es geht mir um ihre Gesellschaft und ihren Anblick. Ich will nicht, dass sie wegen mir frieren.

"Entschuldige! Ich wollte dich nicht erfrieren lassen. Lass uns ins Bett gehen und schlafen."

Gavin lächelt verlegen, was so überzeugend gespielt ist, dass ich es glaube. "Ich mache, was immer du willst", flüstert er.

"Schlafen wäre jetzt gut." Ich halte ihm meine Hand hin und führe ihn zum Bett. Wir legen uns hin und ich mag es zu wissen, dass sein Körper nur ein paar Zentimeter von meinem weg ist. Der Körper eines Anderen beruhigt mich einfach und hält mich in Schach. Ich wünschte fast, ich könnte in Deutschland bleiben, um Gavin öfter zu buchen. Er verhält sich absolut meinen Ansprüchen entsprechend. Nicht einmal als er fror, hat er gemuckt. Die Bezahlung am nächsten Morgen hat er sich damit mehr als verdient. Ich lege Zweihundert dazu und halte ihm den Umschlag hin.

"Danke. Es war eine sehr schöne Nacht!", sagt Gavin und wirkt wieder wie der selbstbewusste Geschäftsmann, als der er hier gestern Nacht aufgetaucht ist. Er muss sich sicher sein, dass ich niemand bin, der das Spiel bis zum Ende durchziehen will, sonst wäre er in der Rolle des devoten, schüchternen Mannes geblieben. Er kann mich wirklich gut einschätzen.

"Glaube mir, ich war auch absolut zufrieden. Es ist ein kleines Trinkgeld extra für dich drin und da ich noch ein paar Tage hier bin, buche ich dich vielleicht noch einmal."

Gavin sieht mich an und die Bilder von seinem Körper sind in meinem Kopf. Zufrieden reiche ich ihm den weißen Umschlag. Er zählt nicht nach, sondern steckt ihn ein und küsst mich zum Abschied.

"Ich würde mich freuen. Gib meiner Agentur Bescheid und du kriegst genau das, was du willst. Wir legen Wert auf absolute Kundenzufriedenheit."

"Ja, das habe ich gemerkt."

Es geht mir wirklich gut, als ich die Tür hinter ihm schließe. Es ist so einfach mit ihm und ich fühle mich verdammt wohl. Da es mir an diesem Morgen gut geht, ich Zeit habe und ich noch ein paar Tage hier sein werde, beschließe ich, zumindest etwas von dieser Stadt sehen. Einen Cappuccino mit Schaum könnte ich gut vertragen, also verlasse ich mein Hotel und spaziere durch die Straßen. Ich war nie der Typ, der viel geschlafen hat und ich hatte nie diese innere Ruhe, die manche Menschen haben. Als ich ein passendes Café gefunden habe, hole ich direkt mein Smartphone hervor und checke meinen Terminkalender. Gedanklich plane ich die nächsten Wochen durch.

Dann kommt der Anruf.

Ben! Er ruft mich persönlich an und ich denke sofort, dass er jetzt seine Revanche für früher auskosten wird. Dieser Hundeblick im Büro kann ja nicht sein Ernst gewesen sein!?

Es schockt mich, als er mir, wenn auch mit strengen Auflagen, den Job anbietet. 

*

An diesem Nachmittag sitze ich wieder vor ihm in seinem Büro. Es fühlt sich heute anders an. Ich halte einen Vertrag in der Hand, der wirklich ziemlich hart ausfällt.

"Das wäre also mein Gehalt?", frage ich unzufrieden. Ich bin besser als die Nummern, die dort stehen.

Ben faltet seine Hände auf dem Schreibtisch. "Das ist nur dein Gehalt für das erste Jahr. Wir werden neu verhandeln, wenn du gezeigt hast, dass wir uns auf dich verlassen können. Auch dein Verantwortungsbereich wird später größer werden. Im ersten Jahr werden deine Tätigkeiten regelmäßig von mir oder einem anderen Vorgesetzten kontrolliert. Wenn wir dich für loyal, zuverlässig und fähig halten, geht es aufwärts, ansonsten bist du raus."

Wütend beiße ich die Zähne zusammen. Ich wäge meine Möglichkeiten ab und denke an all die Vorteile. Gavin wäre einer.

"Hugh. Ich weiß, dass du den Job brauchst und dass dieser Vertrag nicht ganz deinen Vorstellungen entspricht. Es geht nicht darum, dich nicht zu würdigen, aber du bist ein Risikofaktor. Unsere Uni-Zeit lässt mich auch nicht gerade an deinen guten Charakter glauben."

"Verstehe! Tja, du bekommst mich! Ein Jahr und wir verhandeln neu. Ich zeig dir, wie sehr du mich in dieser Firma haben willst."

Ben lächelt zufrieden. Seine runden Wangen glühen rot und seine Augen blitzen happy auf. Er hat gewonnen. Ben hat mich für einen Spottpreis und unter seiner Kontrolle.

"Ich freu mich, dass du zu uns stößt und ich hoffe wirklich, dass du bei uns hineinpasst. In einer Woche fängst du an und ich werde dich einweisen. Ich will, dass wir miteinander auskommen und ein Team werden. Du sagtest ja schon, dass du dazu bereit bist."

Ich nicke und bin bereit meine Chance zu nutzen. Mein Leben in dieser Stadt einzurichten, sollte nicht schwer sein. Ich habe einen Job und einen diskreten Service zum Stressabbau. Es passt doch erst einmal alles!

 

 

 

Ben – Zuhause

 

Es ist ein verregneter Donnerstag. Ich komme wie so oft spät aus dem Büro. Das geht jetzt schon eine ganze Weile so. Immerhin sind die Straßen leer und unser neues Haus liegt auch nicht allzu weit von der Firma entfernt. Jared hat es gekauft und ich wollte, dass er glücklich ist, denn die Zeit, nachdem er in der Firma seines Vaters gekündigt hat, war für ihn und für unsere Ehe hart. Johann hat es ihm auch wirklich nicht leicht gemacht. Jared auf dem Chefsessel zu sehen, war schon immer sein Wunsch. Wie unglücklich sein Sohn hinter dem Schreibtisch gewesen ist, hat er da gerne übersehen und ich habe das wohl auch getan. Ich liebte es, mit ihm in der Firma zu arbeiten. Außerdem hatte ich mir auch schon eine Zukunft für uns beide ausgemalt, ohne meinen Mann zu fragen, ob er diese Zukunft so überhaupt will. Das war nicht in Ordnung und es hat nicht nur an Jared genagt, dass er seinen Vater enttäuscht hatte. Dass ich dann auch noch plötzlich auf den Chefposten vorbereitet wurde und er ohne Job und Ziel zuhause saß, hat uns damals ziemlich herausgefordert. Ich bin froh, dass er eine neue Aufgabe für sich gefunden hat und sich besser fühlt.

Obwohl ... So richtig toll ist es im Moment auch nicht!

Er betreibt seit kurzem zusammen mit seinem Studienfreund Peter einen Nachtclub und wir bleiben seit Wochen auf der Strecke. Er mag zwar schlecht drauf gewesen sein, als er keinen Job und keine Richtung hatte, aber immerhin war er jede Nacht zuhause und alles war besser, wenn er seine Arme um mich geschlungen hat. Für mich lief es ehrlich gesagt nicht übel. Jared kümmerte sich zuhause um alles, wir aßen abends zusammen und kuschelten und er war so liebesbedürftig, dass wir immer verdammt früh ins Bett gegangen sind.

Wenn Jared sich schlecht fühlt, ist er absolut unersättlich.

Für mich war also alles ziemlich gut, abgesehen von der Tatsache, dass sich mein Mann wie ein Versager fühlte. Natürlich musste sich da etwas ändern und der verdammte Club macht ihn glücklich. Selbst der Krach zwischen ihm und seinem Vater belastet ihn nicht mehr so.

Das automatische Tor öffnet sich, ich fahre die Auffahrt hoch, parke den Wagen und bin endlich da. Drinnen bitte ich unsere Perle des Hauses Gina, mir noch kurz den Anzug für die Konferenz morgen aufzubügeln, doch wie so oft, hat sie es schon erledigt.

Als sie geht, bin ich allein.

Ich tausche meinen Anzug gegen bequeme Klamotten, die Jared für Modesünden hält und mache mir unten in dieser riesigen Designerküche ein Sandwich. Mayo, Kochschinken und Tomaten können jeden Abend aufheitern. Ich esse in der Küche und gehe in meinem Handy ein paar private Nachrichten durch. Meine Mutter würde mich morgen gerne sehen und ihr neuer Freund wird wohl auch da sein. Samuel ist ja nett, aber es fühlt sich seltsam an, sie mit ihm zu sehen. Ich bin also so ein Sohn.

Immerhin wohnt Ewok jetzt auch in einer der Wohnungen, in dem kleinen Mietshaus, das ich gekauft und in dem ich meine Mutter einquartiert habe. Sie wollte nicht wirklich ausziehen, aber als ich Ewoks Mom und ihn auch zu einem Umzug überredet hatte, da zog sie schließlich mit. Ihre neue Wohnung hat einen wunderschönen Balkon, ist groß, alles ist neu und auch im Alter wird sie dort gut zurechtkommen. Es gibt einen Aufzug und keine Barrieren in der Wohnung. Außerdem ist das Mietshaus in einer guten Gegend und nicht weit von unserem neuen Haus entfernt. Ich kann immer rüberflitzen und falls irgendetwas los ist, kann sie uns immer erreichen.

Mit einem Tee setze ich mich nach meinem Sandwich und einer Nachricht an meine Mutter und einer an Ewok vor den Fernseher und versuche, mich davon abzuhalten, noch einmal die Präsentation für Morgen durchzugehen. Doch bevor ich ins Bett gehe, tue ich es doch. Ich schicke eine Nachricht an Jared, dass ich mich jetzt aufs Ohr haue und ich ihm einen schönen Abend wünsche und kuschle mich in die Federn.

Bestimmt tanzt er gerade mit ein paar Gästen, hat Spaß und kümmert sich um sie - und er hat ja auch meine Erlaubnis dazu. Solange er es nicht wieder übertreibt!

Wir hatten nach ihrer großartigen Eröffnungsnacht einen Megakrach, weil er es mal wieder viel zu weit getrieben und es nicht einmal gemerkt hat. Richtig stolz hat er mir den Bericht in der Zeitung präsentiert. Als ich die Bilder gesehen habe, bin ich richtig rasend vor Eifersucht gewesen.

Er hat wirklich keine Ahnung, wie es sich anfühlt, so von seinen Ängsten überrollt zu werden.

Auf einem Bild stand er da mit seinem perfekten, nackten Oberkörper und ließ Wodka über die Rillen seines Sixpacks laufen. Eine knapp bekleidete Brünette schlürfte das Zeug dann aus seinem Bauchnabel. Für ihn waren das tatsächlich ganz normale Partybilder, für mich war es ein absoluter Albtraum, das sehen zu müssen. Am Ende hat er es eingesehen und sich entschuldigt, aber der Streit dazwischen hat klargemacht, wie unterschiedlich wir manchmal sind. Für ihn ist alles außer Sex erlaubt, für mich ist die Grenze schon bei zu innigen Blicken erreicht. Während ich also versprochen habe zu akzeptieren, dass er als Gastgeber und Zugpferd des Clubs eben auch mal flirten muss, hat er versprochen, sich an einige Grenzen zu halten. Ich schlafe seitdem trotzdem immer mit einer kleinen, gemeinen Stimme ein, die mich an Jared zweifeln lassen will.

*

Gegen 5:30 Uhr weckt mich mein Mann bei dem Versuch, sich möglichst leise unter die Decke zu bugsieren.

"Schon gut, ich bin wach!", flüstere ich mit kratziger, verschlafener Stimme und er lässt sich auf die Matratze fallen. Er ist noch immer ziemlich fit und seine Bewegungen sind sehr lebendig. Er rollt sich ohne Umschweife zu mir.

"Ich wollte dich nicht wecken, Babe! Aber wo du schon mal wach bist, könnten wir uns auch noch etwas Gutes tun." Anzüglich lässt er seine Hand über meinen Körper gleiten und ist plötzlich ganz, ganz nah. Ich bin noch so im Halbschlaf, dass ich seine Berührung zwar genießen kann, meine Augen aber nur schwer offen bleiben.

"Ich liebe dich", murmle ich an seiner Schulter und schlafe unter seinen Berührungen ein. Erst, als mein Wecker geht, wache ich wieder auf und merke, was ich da verpasst habe.

"Mach das Ding aus oder ich töte euch beide!", faucht Jared, dreht mir den Rücken zu und schnauft. Er drückt sich sein Kopfkissen aufs Ohr.

Genau aus diesem Grund entscheidet sich einer von uns immer öfter dafür, im Gästezimmer zu übernachten. Ich stelle den Wecker aus und überlege, einen neuen Versuch für ein wenig körperliche Nähe zu starten, aber Jared schläft erst seit ein, zwei Stunden und wenn ich ihn jetzt wecke, bringt er mich vielleicht doch noch um.

Aber, na ja, es ist schon wieder ziemlich lange her.

"Jared!", flüstere ich und rücke näher.

"Geh weg!", brummt er und vergräbt sich im Bett.

"Sicher?"

Jared schiebt das Kissen von seinem Gesicht und dreht sich zu mir. "Ich liebe dich wirklich, mein Dickerchen, aber ich bin absolut tot."

Ich sehe die Ringe unter seinen Augen und verstehe es.

"Ich liebe dich auch", sage ich, hauche ihm einen Kuss auf die Lippen und verschwinde, um im Gästezimmer zu duschen. Immerhin denke ich an ihn, während das Wasser auf mich niederrauscht und ein wenig Handarbeit meinen Kreislauf in Schwung bringt. Sein verdammter Körper fehlt mir so, aber im Moment sieht es schlecht aus. Hugh ist noch nicht einmal so richtig eingearbeitet und wir werden mit Arbeit zugeschüttet und Jared baut gerade seinen Club auf. Zum ersten Mal in seinem Leben hängt er sich wirklich gerne in die Arbeit rein. Ich ziehe mich an, beschließe endlich wieder öfter Sport zu treiben - so wie jeden Morgen - und nehme mir dann auch gleich vor, Jared mehr zu unterstützen. Zurück im Schlafzimmer in unserem Bett schlafend, sehe ich auf diese dunklen Haare und diesen nackten, muskulösen Rücken.

Gott, jeder muss sich doch sofort in ihn verlieben.

Es zieht leicht in meiner Brust, als ich daran denke, wie schön er ist.

Er ist zu perfekt für mich!

Unsicher hole ich meine Sachen aus dem Schrank und lege sie ins Gästezimmer. Heute lasse ich ihm seinen Schlaf.

Keine Nähe! Kein Sex! Kein Kuscheln!

Es ist im Moment einfach so. Ich muss nur darauf vertrauen, dass ihm das hier reicht. Automatisch verkrampft sich mein ganzer Körper bei diesem Gedanken.

Verflucht! Wie kann ich nur wieder so unsicher sein, was ihn betrifft?

Es war doch alles gut! Er würde mich nicht hintergehen! Unsere Ehe bedeutet ihm auch viel. Mist! Diese Gedanken hatte ich lange nicht mehr so stark. Ich war ehrlich gesagt seit unserer Hochzeit erstaunlich selbstsicher und zufrieden, doch seit einiger Zeit nagt alles, was nicht stimmt, wieder an mir.

Eigentlich schon fertig fürs Büro, gehe ich doch noch einmal zu meinem perfekten Mann und drücke mich fest an seine Seite. Er wacht auf und stöhnt genervt.

"Hau ab, Ben! Ich muss echt schlafen, sonst zerspringt mein Schädel."

"Du bist mir treu, richtig?", frage ich und drücke mich so eng an ihn, dass es bestimmt nicht mehr behaglich für ihn ist.

Jareds Kiefer knackt und er brummt sauer vor sich hin. "Ben! Ich stelle nichts an. Ich bin lieb. Und ich brauche dich!"

"Die Typen in dem Club interessieren dich also nicht?"

Jared wirft mich auf den Rücken und rollt sich auf mich. "Ben! Du bist mein Ein und Alles! Ich bin einfach nur todmüde." Er küsst mich und nimmt seinen Körper wieder fort. Jared kuschelt sich zurück in die Kissen und ich raffe mich auf, um noch pünktlich zur Arbeit zu kommen. Das Gefühl der Unsicherheit ist dennoch noch da.

Ich stürme runter und raus aus der Tür. Bis ich in der Firma bin, haben sich meine Gedanken neugeordnet. Ich fokussiere mich auf den Job. Im Foyer begrüße ich Frank und Ingrid und gehe hoch.

Hugh sitzt bereits in seinem Büro. Er hängt sich jeden Tag voll rein, seit ich ihm diese Stelle gegeben habe und ich bin sehr zufrieden. Auch unsere Zusammenarbeit läuft erstaunlich gut. Egal, wie man es betrachtet, Hugh scheint sich wirklich geändert zu haben. Anfangs hat es sich seltsam angefühlt, mit dem Idioten aus der Law School zu arbeiten, aber irgendwie habe ich jetzt die höfliche Version von ihm kennengelernt. Die Sachen vor über sieben Jahren kann ich ihm also verzeihen.

"Willst du vielleicht reinkommen?", fragt Hugh und ich fühle mich ertappt. Immerhin habe ich durch seine Tür gelugt und ihn beobachtet.

Ich hasse meine roten Wangen und komme zu ihm. "Also, wie läuft es so?"

Hugh legt einige der Papiere zur Seite, die er gerade durchgeht. "Gut. Ich versuche derzeit, die Vertragsverlängerung mit Herrn Indrikens zu überarbeiten. Wir kriegen unsere Änderungswünsche nur schwer durch, um ehrlich zu sein."

"Welche Kanzlei hat er engagiert?"

"Gerhart und Lenz haben es übernommen. Sie sind gut!"

"Ja, ich weiß. Ich durfte auch schon mit ihnen verhandeln. Derrick Lenz ist ein echter Pitbull."

"Ja, ist er wirklich, aber das bin ich auch." Müde fährt er sich über die dünnen Lider und die hellen Wimpern, die ihn fast sanft aussehen lassen.

"Was ist? Willst du mit mir zum Café gegenüber gehen und wir besorgen uns Koffein?", fragt er mich ohne Scheu.

"Du willst mit mir einen Kaffee trinken gehen?"

"Ja, ich will mich bei meinem Boss einschleimen!"

Hugh fährt den Rechner runter und steht auf. Eigentlich habe ich noch gar nicht zugestimmt, doch mein Schweigen scheint ihm zu reichen. Die Rolle als Boss hat er offenbar besser drauf als ich. Er ist ein geborenes Alphatier.

Wir gehen den beigefarbenen Gang entlang und steigen in den Aufzug. Hugh übernimmt sofort die Führung in unserem Gespräch. Unter seiner beruflichen Pleite hat sein Selbstbewusstsein wohl nicht gelitten.

"Die haben einen guten Cappuccino. Was sagen Jared und deine Unifreunde Will und diese Ilja zu meiner Einstellung hier?"

"Sie heißt Ela und sie hasst dich." Ich stelle es klar, weil er früher oder später auch mit meinen privaten Kontakten zu tun haben wird. Wir brauchen mehr junge Führungspersönlichkeiten für die Zukunft und auch wenn er noch am Anfang steht, scheint Hugh eindeutig infrage zu kommen.

"Also habt ihr noch Kontakt?", erkundigt er sich ungerührt über die Ablehnung seiner Person.

"Selten. Ela meldet sich manchmal und hält unsere Gruppe zusammen. Sie meinte, ich sollte dir auf keinen Fall vertrauen und ich hätte dich nicht einstellen sollen."

Die silbernen Fahrstuhltüren öffnen sich und wir laufen nebeneinander her. Hugh ist verdammt groß und passt optisch perfekt in dieses Firmengebäude.

Er schaut etwas zu mir hinunter und versucht ein freundliches Nicken. "Verstehe! Und dein Mann hat was gesagt?"

"Er hat mich gefragt, wie ich diesen Vollarsch einstellen kann."

Hugh grinst fies. "Na, da habe ich gute Kritiken bekommen. Und wirst du auf deinen Mann hören? Bin ich schon wieder raus?"

Ich mustere ihn. Selbst bei der Frage nach seiner beruflichen Zukunft bleibt er nach Außen absolut gelassen. Er kann wirklich alles von sich fernhalten. Ich arbeite seit Jahren daran.

"Du bist in vielem gut."

"Also feuerst du mich nicht. Na, gut." Er zuckt mit den Schultern und hält mir die Tür auf. Es ist ungewohnt. Jared tut das selten und außer ihm würde es niemand tun. "Boss!", sagt er fordernd und ich gehe etwas zögerlich voran. Wir setzen uns ans Fenster und als die junge Kellnerin kommt, bestellt er.

"Wir bekommen zwei große Cappuccinos und zwei Schokomuffins."

"Du bestellst für mich?", frage ich skeptisch.

"Ich lade dich ja auch ein. Vergiss nicht, ich will mich bei dir einschleimen. Außerdem habe ich einiges zu reparieren. Du warst immer schon ein guter Kerl und das damals war nicht in Ordnung."

Ich habe keine Ahnung, was ich darauf erwidern soll. Er scheint auch nichts auf seine Worte hin zu erwarten, also herrscht einen Augenblick lang Stille.

Die Kellnerin mit dem kecken blonden Pferdeschwanz stellt uns die Cappuccinos und die Muffins hin, doch Hugh beachtet sie nicht. Er hat seinen Blick auf mich gerichtet und ich habe das Gefühl, dass ein weißer Hai mich anstarrt. Das Schlimme ist, dass ich aus Hugh auch in den letzten Wochen noch nicht so ganz schlau geworden bin.

"Hast du dich in der Stadt schon eingerichtet?", frage ich höflich.

"Absolut. Ich komme überall klar!"

Natürlich tut er das! Hugh wirkt wie der Typ, der über allem steht. Bestimmt lebt er in einer Designerwohnung mit unbezahlbaren Möbeln, geht jede Nacht aus und erledigt seine Arbeit, ohne danach vollkommen erschöpft ins Bett zu fallen. Ich hingegen arbeite, esse und schlafe. Mehr schaffe ich im Moment nicht!

Meine Finger brechen die Haube von dem saftigen Schokomuffin ab. Er ist perfekt. Nichts hebt meine Stimmung so gut wie großartiges Essen. Am Ende bin ich Hugh also doch dankbar, dass er diese Pause in meinen Arbeitstag gebracht hat. Mein Handy vibriert und ich lese die Nachricht von Jared.

"Etwas Berufliches?", fragt Hugh und sieht mich interessiert an.

"Nein, mein Mann. Er meldet sich für gewöhnlich, wenn er aufsteht."

Ich freue mich wirklich darüber, dass er an mich denkt. Heute Morgen war es ja nicht gerade romantisch zwischen uns.

 

Hey Kuschelmonster,

 

ich will dich jetzt sofort in unserem Bett.

Gott, du fehlst mir und ich hoffe, dein Job ist es wert,

meinen perfekten Körper nicht auf diesen weißen Bettlaken liegen zu sehen.

Ich liebe dich!

 

Bis Morgen, Bennybär!

 

Mein Mann bringt mich dazu, dümmlich vor mich hinzulächeln. Sein nackter Körper ist jetzt gerade sehr präsent vor meinen Augen. Jeder Zentimeter seiner Haut gehört mir. Hugh muss mich für einen Idioten halten, aber er verliert kein Wort darüber.

Zurück im Büro überblicke ich seine Vertragsänderungen und nicke sie ab. Anschließend stehen einige Meetings an und ich bleibe dann doch wieder länger im Büro, weil die Prognosen für den Verkauf eines neuen Produktes da sind und ich sie für zu positiv halte. Die Nacht wird wie so oft lang und das Haus ist leer und dunkel, als ich es schließlich betrete. Ich falle einfach nur in unser Bett und versuche nicht, an meinen Mann mit all diesen angetrunkenen, partyhungrigen Gästen im Club zu denken.

Ich hasse seinen Job!

Es fällt mir einfach jede Nacht schwerer, damit umzugehen!

 

 

 

Hugh - Stress

Ich wache an diesem Morgen neben Gavin auf. Es ist kurz vor vier. Mein Körper braucht nicht viel Schlaf, also setze ich mich ins Wohnzimmer, arbeite und mache mich fertig fürs Büro. Gavin liegt da. Während ich dusche, wird er wach und drapiert sich auf dem Bett. Er wartet wie immer darauf, meine Wünsche zu erfüllen. Er ist nur aus diesem Grund hier. Ich bezahle ihn dafür und er ist es wert. Mit einem Lächeln betrachte ich ihn. Heute kann er mich verführen.

"Du bist ein wirklich schöner Mann!", sage ich ihm und beuge mich zu ihm hinunter.

Seine Lippen sind angenehm. Zurückhaltend. Wie immer überlässt er mir, was wir tun möchten. Mir gefällt das. Meine Hände streichen fest über die Haut, die über die langen straffen Muskeln gespannt ist.

Die Form seines Körpers kenne ich mittlerweile gut. Derzeit buche ich ihn oft, wenn ich nicht allein sein will. Er bringt Ruhe in mein Leben. Gavin hat die Gabe sich perfekt an mich anzupassen. Ich genieße seine Haut an meiner.

Menschlicher Kontakt kann so einfach sein, wenn er professionell abläuft. Wir wissen beide, was wir wollen, warum wir hier sind und wer das Sagen hat. Ich bin mehr als zufrieden mit ihm. Ganz Profi lässt er sich von mir in die Kissen drücken. Seine Hände streicheln seinen eigenen Körper, denn er weiß, dass ich es sehe. Mich berührt er nur mit meiner Erlaubnis. Ihn zu haben, sich mit ihm einen kleinen Glücksrausch zu verschaffen, ist die beste Art den Tag zu beginnen. Nach einem Morgen mit seinem nackten Körper gehe ich gelassen ins Büro. Den Umschlag mit dem Geld und einer anerkennenden Zulage lasse ich für Gavin auf der Kommode liegen. Er geht dann sehr diskret ein Weilchen nach mir aus der Wohnung. Über seine Arbeitsweisen kann ich mich nun wirklich nicht beschweren. Selbst Ian hat mir nicht so gut gefallen.

Die Arbeit läuft seit Wochen gut und Ben scheint, mir langsam zu vertrauen. Sicherlich hat er immer noch einen besonderen Blick auf mich, aber wir gehen öfter mal eine Tasse Kaffee trinken. Das ist ein gutes Zeichen und ich habe vor, mich weiter zu beweisen und ihn möglichst auf eine freundschaftliche Ebene zu bringen.

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 02.04.2018
ISBN: 978-3-7438-6394-1

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