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Kyron
Trotz ihres pinken Flanellpyjamas sah sie wunderschön aus. Sie war einfach perfekt. Ihr langes schwarzes Haar hatte sie zwar zu einem Zopf gebunden, doch der Schlaf hatte der Frisur den Rest gegeben. Überall hingen einzelne Haarsträhnen heraus. Durch den Schlafanzug hindurch zeichnete sich leicht ihr Körper ab. Sie war wirklich sehr dünn, trotzdem wirkte sie nicht mager und sicherlich hatte sie auch vor ihrer Zeit hier Sport getrieben. Wie intensiv würde sich zeigen, denn heute würde sie eine Einführung in den Schwertkampf erhalten. Schon seit mehreren Jahren schmiedete ich an einem besonderen Stück, das nur für meine Ehefrau bestimmt sein sollte, so war es auch Brauchtum bei meinem Volk. Hoffentlich wird es ihr gefallen! Als Zolei sich räusperte, wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Ich hatte sie vermutlich schon viel zu lange angestarrt. „Hey mein Schatz! Endlich bist du aufgewacht, ich habe mir schon Sorgen gemacht. Hast du schon gefrühstückt?“, fragte ich sie komplett durcheinander, denn in Gedanken bewunderte ich noch ihre atemberaubende Schönheit. „Nein, ich war schon froh, dass ich den Weg aus dem dunklen Zimmer gefunden habe und dann gibt es hier noch so viele verschiedene Gänge. Ist das hier dein Zimmer?“, gab sie zurück. „Nein, nein. Der Raum, in dem du geschlafen hast, dort wohne ich und du natürlich jetzt mit mir. Komm mit, zunächst gehen wir dort hin, dass du dir etwas anziehen kannst und danach können wir was essen, damit du wieder etwas Farbe bekommst“, sagte ich. Eigentlich gefiel mir die Blässe, es passte wunderbar zu ihrem schwarzen Haar, dennoch sollte ihre Haut erst in mehreren Monaten so aussehen. Ohne noch weitere Fragen zu stellen, folgte Zolei mir aus dem Zimmer auf den Flur. Es wunderte mich gar nicht, dass sie sich hier nicht auskannte: alle Wände sahen gleich aus, überall war der gleiche Boden, alles bestand aus grob behauenen Steinen. Kurzum es handelte sich eben um eine Burg, die teilweise nach mittelalterlichem Vorbild erbaut worden war. In meiner Kindheit – was wirklich schon sehr lang her ist – hatte ich jeden Tag dazu genutzt, alle Wege zu erkunden und mir diese zu merken. Ich hatte zwei ganze Jahre gebraucht, um mich hier perfekt zu Recht zu finden, Zolei würde es nicht anders ergehen. Und sie hatte sicherlich auch keine Zeit, täglich durch die Gänge zu streifen, denn sie musste schnellst möglich mit Waffen umgehen können. Dann erst würde sich meine Sorge um sie etwas legen. An meinem Zimmer angekommen, betätigte ich einen kleinen Schalter, der kaum sichtbar in der Wand eingelassen war. Dadurch würde eine Deckenlampe angehen, die aber von der Intensität für uns ungefährlich ist. Im Inneren ging ich zu einer Tür, die an der rechten Wand war.

Zolei
Endlich sah ich jetzt den Raum bei Licht und konnte sofort erkennen, woran ich mir den Zeh gestoßen hatte. Es war ein kleiner Beistelltisch, der am unteren Ende des Bettes stand. Kyron war zu einer Tür gegangen, die ich ebenfalls vorher noch nicht bemerkt hatte. Während er mich heranwinkte, öffnete er diese. Wieder einmal konnte ich mir ein „Wow“ nicht verkneifen. Vor mir lag ein komplett gefüllter begehbarer Kleiderschrank. Welche Frau hatte sich dies nicht gewünscht?! „Ich habe ihn extra für dich bauen lassen, ich brauche so etwas schließlich nicht (Dabei grinste er). Such dir was aus. Es ist alles da, was wir auf dem Schiff gekauft haben. Wenn du durch die Tür da gleich links gehst, bist du im Bad. Ich warte draußen auf dich, aber bitte beeile dich!“, ermahnte er mich. Schnell kam er noch einen Schritt auf mich zu, den er von mir weg stand, und gab mir einen kurzen Kuss. Schmunzelnd schloss er die Tür hinter sich. Der Mann war einfach herrlich, es hätte mich gar nicht besser treffen können. Dass ich mich in einen Vampir verwandeln würde, hatte ich eigentlich schon wieder vergessen. Und wenn schon! Es gab doch eigentlich daran nur Positives, ich hatte noch nichts Schlechtes gefunden. Im direkt angrenzenden Bad entledigte ich mich meines Pyjamas. Wer hatte ihn mir überhaupt angezogen? Hoffentlich war es Kyron gewesen! Zum Glück befand sich hier eine Dusche, denn bei dem alten Gemäuer konnte man sich dessen nicht so sicher sein. Dort standen auch schon ein Shampoo und Duschgel bereit. Als ich das Wasser anstellte, kam es eiskalt und ich nahm das Lob, das ich vorhin geäußert hatte, sofort wieder zurück. Endlich fand ich den Regler für die Wassertemperatur, sofort wurde es angenehmer. Im Rekordtempo war ich mit der morgendlichen Reinigung fertig, denn ich wollte Kyron nicht zu lange warten lassen. Meinen Schlafanzug legte ich zusammen und nahm ihn mit in den Ankleideraum. Okay, was sollte ich anziehen? Ich wollte Kyron auf jeden Fall beeindrucken, aber es sollte trotzdem bequem sein. Ich entschied mich für eine grüne Röhrenjeans, die gewisse Körperpartien sehr gut zur Geltung brachte und einen Weinroten Kapuzenpullover, der zwar nicht sexy war, aber praktisch. Als ich die Tür öffnete, hatte er sich auf das Bett gelegt. Nachdem ich mich neben ihn gesetzt hatte, zog er mich zu sich heran und gab mir einen langen Kuss. „Hab ich dir eigentlich schon gesagt, dass du wunderhübsch bist?“, fragte er mich. „Es kam mir schon mal zu Ohren“, antwortete ich feixend. Er zwickte mich in die Stelle, die Hose besonders betonte – eben in meinen Po. „Du bist unmöglich. Komm mit, vielleicht kriegst du auch was zu essen!“, sagte er danach zu mir. Kyron sprang auf und rannte zu Tür, sodass ich mich rennen musste, um ihn nicht zu verlieren. Alleine würde ich niemals den Weg irgendwo hin finden, selbst wenn ich wüsste, wo wir unser Frühstück zu uns nehmen würden. Als ich aus der Tür trat, hatte Kyron dahinter gewartet und erschreckte mich jetzt gewaltig. Vor lauter Schreck schrie ich los, er hingegen lachte nur noch. Jetzt war ich ziemlich wütend, das hinderte ihn aber nicht daran, mich hoch zu nehmen. Ich konnte mich kaum bewegen und Kyron rannte in irgendeine Richtung. „Lass mich runter, ich kann selber laufen!“, maulte ich ihn an. „Aber sicherlich nicht so schnell wie ich und du weißt ja auch gar nicht, wohin wir gehen“, sagte er zu mir. Na toll, außerdem musste ich mich doch noch für die gemeine Aktion gerade eben revanchieren. Wahrscheinlich ahnte er derartiges. Nachdem wir einige Male abgebogen waren (ich hatte schon lange die Orientierung verloren), hielten wir von einer hölzernen Tür an, die mit vielen Mustern und kleineren Bildern verziert worden war. Ohne, dass wir irgendetwas getan hätten, schwang sie nach Innen auf. Mir bat sich wieder einmal ein unglaubliches Zimmer dar. In der Mitte stand ein langer, aus dunklem Holz gefertigter Tisch, an dem bestimmt 12 Leute Platz hatten. Ansonsten war der Raum unmöbliert, vielleicht ließ ihn gerade das so riesig wirken. Durch mehrere getönte Fenster kam Licht herein, das die ursprüngliche Farbe des Teppichbodens erahnen ließ. Wahrscheinlich war er rot, die Nuance konnte ich aber nicht erkennen. Kyron nahm am unteren Ende der Tafel Platz, danach sagte er: „Setzt dich doch, wo immer du möchtest.“ Natürlich nahm ich den Stuhl direkt neben ihm, sonst wäre ich mir ziemlich verloren vorgekommen. Aus einer anderen Tür kam eine Frau, ich denke, es war eine Angestellt, und stellte vor mir ein Tablett mit Brot, Toast, Müsli, Marmelade, Ei und Tee hin, Kyron hingegen nur ein Glas, mit einer roten Flüssigkeit. Ich wusste, was es war. Schweigend begann ich, die Himbeermarmelade auf eine Brotscheibe zu schmieren. Vorhin hatte ich gar nicht bemerkt, wie viel Hunger ich hatte, es wurde mir erst jetzt bewusst. Voller Vorfreude biss ich hinein, doch irgendwie schmeckte es nicht so, wie ich es in Erinnerung hatte. Vielleicht lag es am Brotaufstrich. „Ist das nicht Himbeermarmelade?“, fragte ich Kyron. „Doch, soweit ich weiß schon. Warum?“., antwortete er mir ziemlich karg. Hatte ich etwas falsch gemacht. „Hm, passt schon“, sagte ich kleinlaut. Es war nichts mehr von dem lustigen Kyron übrig, er machte mir Angst und das nicht auf die lustige Art. Ich aß mein Brot auf, obwohl es mir überhaupt nicht schmeckte, aber ich traute mich nicht, noch etwas zu sagen. Als ich den Tee probierte und auch dieser nicht schmeckte, schob ich das Tablett von mir weg. Immer noch schweigend schob mir Kyron sein Glas hin. War das jetzt eine Aufforderung, dass ich trinken sollte? Männer! Im einen Moment machten sie alles für einen und im nächsten sprachen sie kein Wort mehr. „Trink“, sagte er. Danke für das Gespräch. Ich nahm einen Schluck, es war Wahnsinn. Ich kann den Geschmack nicht beschreiben, aber es war genau das, was ich bei den anderen Speisen vermisst hatte. Sofort trank ich das Glas leer. Ich spürte, wie das Blut, das ich eben getrunken hatte, durch all meine Adern floss und mir ein warmes Gefühl gab. Als ich das Glas wieder auf den Tisch gestellt hatte, sah ich Kyron an. Ich fühlte mich unbesiegbar. Doch er schwieg einfach weiter, wollte sich wohl auf kein Wortduell mit mir einlassen. Aber ich ertrug die Stille einfach nicht mehr. „Was ist denn jetzt mit dir los? Warum bist du auf einmal so unnahbar?“, bombardierte ich ihn mit Fragen. Er sah mich an. Dann fing er an zu reden: „Ich muss jetzt gehen, dein Lehrer wird dich hier abholen.“ Kaum war er fertig, hatte er auch schon das Zimmer verlassen. Ja super! Ich war jetzt richtig sauer, das konnte er nicht einfach so mit mir machen, das würde er schon bald zu spüren bekommen. Und welcher Lehrer für was würde mich hier abholen? Sollte ich hier ganz normal zur Schule gehen, oder wie? Fragen über Fragen türmten sich in meinem Kopf auf und ich fand auf keine einzige eine Antwort.
Dann kam ein gut gebauter, jung wirkender Mann zur Tür herein. Er hatte graue lange Haare, was mich wirklich beeindruckte, denn ich hatte so etwas noch nie vorher gesehen. „Zolei, würden Sie mir bitte folgen?“, fragte er mich. Jetzt war ich nicht in der Stimmung zu reden, also nickte ich bloß. Wieder traten wir in das Labyrinth von Gängen ein, um in irgendeine Richtung zu gehen. Schließlich kamen wir in eine Art Umkleideraum, das vermutete ich zumindest. „Hier kannst du dich umziehen, deine Trainingsklamotten liegen in 205. Dann komm bitte zu mir in die Halle“, riss er mich aus seinen Gedanken. Er gab mir einen Schlüssel und eilte zur gegen überliegenden Tür hinaus. Trainingsklamotten? Okay, es ging hier also definitiv um Sport. Jetzt war nur noch die Frage, was für ein Sport. Die Klamotten würden mir vermutlich darüber Aufschluss geben. Nach wenigen Augenblicken hatte ich den richtigen Spint gefunden, sodass ich ihn aufschließen konnte. Ich konnte einen Berg von Kleidungsstücken erkennen. Langsam zog ich das erste Teil hervor. Vielleicht war es ein Brustpanzer, so wie bei alten Ritterrüstungen. Und wie sollte man so etwas anziehen? Ich legte alles sorgfältig vor mich auf den Boden und entschied mich dafür, erst das anzuziehen, von dem ich ungefähr wusste, wie es funktionierte. Also zunächst ein enge Korsage, die nicht sonderlich bequem war. Was hatte das denn mit Sport zu tun? Dabei ging es doch eher um die Optik, dachte ich. Als ich diese vorne geschnürt hatte und eine enge Lederhose angezogen hatte, betrachtete ich mich in dem Spiegel, der im Spint angebracht war. Ziemlich abgefahren, das Zeug, aber es sah auch unglaublich sexy aus. Das wollte ich nur eigentlich nicht unbedingt beim Sport…Dann zog ich die ledernen Stiefel an, an welchen silberne Platten angebracht worden waren. Von all dem anderen Zeug hatte ich keine Ahnung, wie man es verwenden oder anziehen sollten, also nahm ich es kurz entschlossen mit in die Halle, die mich wohl hinter der Tür, durch die der Typ verschwunden war, erwarten würde. Tatsächlich wartete er dort schon auf mich und musterte mich etwas komisch, als ich voll beladen durch die Tür stolperte. „Ähm, können Sie mir zeigen, wie man das anzieht…ich hatte so etwas noch nie an…“ Da war wieder meine Schüchternheit. Ich legte alles möglichst sanft auf den Boden, während er zu mir gekommen war. Er hob etwas auf, das aus mehreren Platten bestand und vier Lederriemen an der Rückseite hatte, und befestigte es an meinen Ober- und Unterschenkeln. Okay, die zwei waren also dafür gedacht. Danach nahm er das, was ich bereits als Brustpanzer erkannt hatte und zog es mir an. Aus dem Haufen zog er noch Handschuhe hervor, die ich vorher noch nicht gesehen hatte und forderte mich auf, diese anzulegen. Dann kamen Schützer für die Arme, die den Beinplatten ähnlich waren, eben nur in klein. Den Rest legte er zur Seite und sagte: „Für den Anfang sollte das genügen, jetzt fehlt nur noch das Schwert.“ Schwert? Das war also der Sport, um den es hier ging. Ich hatte so ein Ding noch nie gehalten, aber gut, er sollte es mir ja auch zeigen. Weil ich so in Gedanken versunken war, merkte ich anfangs gar nicht, dass er mir ein Schwert, das in einer Scheide steckte, entgegenhielt. Peinlich berührt griff ich dann danach. Etwas ängstlich zog ich es. Es sah toll aus: der Griff (nannte man das bei einem Schwert so?) war mit einem bläulichen Leder umwickelt und ganz am Ende befanden sich zwei Drachen, die sich um einen blauen Stein windeten. Huch, das ganze Teil war wirklich ziemlich schwer und das, obwohl ich es schon mit beiden Händen hielt. Dann fing mein Lehrer, der sich noch immer nicht namentlich bei mir vorgestellt hatte, mit seinem Unterricht an: „Du musst dich etwas schräg hinstellen, sodass du möglichst wenig Angriffsfläche gibst. Jetzt halte das Schwert mit einer Hand vor dich, ziele etwa auf die Kehle des Gegners. Die andere Hand legst du an deine Hüfte, die Finger zeigen nach unten. Genau (Juhu, ein Lob)! Das ist eine von drei möglichen Grundstellungen. Merk sie dir gut. Bei der zweiten hältst du das Schwert über deinem Kopf, so ist dieser besser geschützt, aber alles andere leichter zu erreichen ist. Außerdem hat es den Vorteil, dass du den Kopf deines Gegners schneller erreichst, wenn er dich angreift. Und zuletzt kannst du das Schwert auch auf seine Knie richten. Diese Stellung ist besonders dazu geeignet, wenn du den Gegner zum Angreifen herausfordern willst, aber sie ist somit auch besonders gefährlich und sollte nur nach langem Üben angewandt werden. Du wirst zunächst alle Übungen aus der ersten Position aus beginnen.“ Mein Arm brannte, als ich auch nur diese kurze Zeit mit dem Schwert ausgestreckt da stehen musste. Gleichzeitig versuchte ich alle Ratschläge zu beherzigen. Er setzte seine Belehrung fort: „Das Zentrum deiner Kraft ist dein Bauchnabel, dort muss alle Bewegung beginnen. Spannst du deinen Bauch an, hast du mehr Energie, gleichzeitig bist du auch stabiler. Außerdem kennzeichnet er deine Mitte, die du mit deinem Schwert niemals verlassen solltest, denn sonst hat dein Gegner einen Vorteil. Wir machen jetzt eine Übung: Ich schlage von oben auf deinen Kopf, du fängst mein Schwert auf und versuchst ebenfalls meinen Kopf zu treffen. Damit es aber nicht gleich zu Verletzungen kommt, werden wir das mit Holzschwertern üben.“ Dankbar steckte ich das Schwert zurück und nahm das „Bokken“, so sagte er mir, würde es heißen, entgegen. Dann begannen wir. Am Anfang hatte ich kleine Koordinationsprobleme, weil ich nicht genau wusste, wie ich mich bewegen musste. Doch nach einiger Zeit gelang es mir ganz gut. Wir machten die Übung sicherlich 50-mal, bis er endlich sagte, dass es für heute ausreichen würde. Dann zeigte er mir noch andere Dinge, dich ich zusammen mit ihm ausprobierte. Am Schluss hatten wir sicherlich zwei Stunden trainiert und der Schweiß lief mir in Strömen herab. „Sie haben sich für das erste Mal schon ganz gut geschlagen. Morgen werden wir einige Ausdauerübungen ohne Schwert machen, kommen Sie dazu bitte in Jogginghose und T-Shirt hierher“, sagte er und beendete damit das Training. Ich schleppte mich beinahe in die Umkleide. Während ich alles zurück in den Schrank stopfte, suchte ich mit meinen Augen nach einer Möglichkeit zu duschen. Ah, da war eine Tür, wenn ich alles verstaut hätte, würde ich sie ausprobieren. Tatsächlich befanden sich dahinter einige Duschkabinen, auch Handtücher lagen bereit. Das war sehr gut, denn schließlich hatte ich keines dabei.
Nachdem ich fertig geduscht und mich angezogen hatte, stellte sich mir das Problem, das ich nicht wusste, wie ich zurück in mein, ich meine natürlich unser, Zimmer finden sollte. Wie waren wir bloß hier hergekommen? Als ich einige Male abgebogen war, konnte ich sicher sein, dass ich mich verlaufen hatte. Toll. Was sollte ich bitte jetzt tun? Ich hatte die Verfolgungsjagd überstanden und scheiterte an ein paar Gängen. Ich wusste nicht einmal mehr, wie ich überhaupt hier her gekommen war. Ich zwang mich dazu, tief durchzuatmen. Und noch einmal. Damit konnte ich die Panik, die in mir aufkam, etwas zurück drängen. „Zolei?“ Wie vom Blitz getroffen, drehte ich mich langsam um. Wer konnte das sein? Wie sollte ich mich verteidigen? Doch dann erblickte ich zum Glück nur Kyron und wurde sofort an den Zorn erinnert, der sich noch immer nicht gelegt hatte. Sofort blickte ich ihn böse an, als er meine Hand nehmen wollte, zog ich sie ihm weg. Er konnte doch nicht glauben, dass jetzt alles wieder gut war. „Was ist denn mit dir los?“, fragte er mich fassungslos. Ich zuckte mit den Schultern. So einfach würde ich es ihm sicherlich nicht machen. Er sollte von alleine darauf kommen, dass er sich beim Frühstück wie ein Idiot verhalten hatte. Mit einem kleinen Schupps beförderte er mich in ein Zimmer, von welchem die Tür genau hinter mir gewesen war. Es war stockdunkel, man konnte nicht einmal seine eigene Hand erkennen. Dann spürte ich zwei Hände, die sich auf meine Schultern legten und mich gegen die kalte Wand drückten. Was hatte er denn jetzt vor? War es überhaupt Kyron? Aber wer sollte es andererseits denn sein… Die eine Hand glitt zu meinem Hals, sodass ich nur gerade aus schauen konnte. Dann küsste er mich. Doch ich drückte ihn weg, das konnte er einfach total vergessen. Küsse sind keine Entschuldigung, wahrscheinlich wusste er nicht einmal, was er falsch gemacht hatte. Sein Griff wurde fester. „Lass mich sofort los!“, zischte ich in die Dunkelheit. Keine Antwort. Als er mich ein zweites Mal küsste, reagierte ich einfach nicht. Er würde schon sehen, was er davon hatte. „Ich will dich“, flüsterte er mir ins Ohr. „Das kannst du aber so was von vergessen!“, war meine unfreundliche Antwort. Ich möchte einmal verstehen, was in Männerköpfen so abgeht. Wie konnte er jetzt auf so eine Idee kommen?! „Lass mich doch so gut machen, was ich getan habe. Dann wirst du nicht mehr sauer auf mich sein“, versuchte er mich umzustimmen. Männerphantasien. So geht das einfach nicht! „Bei Frauen funktioniert das mit Entschuldigungssex nicht!“, fauchte ich ihn böse an.
„Bist du dir da ganz sicher?“
„Ja! Lass mich jetzt endlich los!“
„Ich bin mir da nicht so sicher, lass es uns probieren“
„Wir werden hier gar nichts probieren!“
Bevor ich noch etwas erwidern konnte, hatte er mich erneut geküsst. Zugegeben gefiel es mir sehr, wie er mich gerade küsste, aber trotzdem hatte er alles Andere nicht verdient. Ich würde sicher nicht nachgeben. Selber Schuld, sonst hätte er eine Chance gehabt. „Ich krieg dich schon noch“, flüsterte er und schob mich wieder aus der Kammer. Draußen erlaubte ich Kyron dann doch meine Hand zunehmen und so führte er mich zu unserem Zimmer. Als ich drin war, zog er auf einmal ein kleines Geschenk aus seiner Hosentasche und reichte es mir. „Vielleicht ist dir das ja Entschuldigung genug“, sagte er mir grinsend. Normalerweise waren in so kleinen Verpackungen immer nur Schmuck, ohja, das wäre wirklich toll. Sofort riss ich das Papier weg. Mein Puls schlug höher, denn ich erkannte eine Ringschachtel. Als ich diese öffnete, lag der wunderschönste Ring, den ich je gesehen hatte, vor mir. Er erinnerte mich sehr an mein Schwert. In der Mitte befand sich der gleiche hellblaue Stein und auch hier rankten sich zwei filigrane Drachen darum. „Willst du meine Frau werden?“, fragte er mich vor mir kniend. Ich hätte nicht gedacht, dass er mir überhaupt noch danach fragen würde, denn für ihn schien das alles schon beschlossene Sache zu sein. Ich war wirklich erstaunt. Ich kannte Kyron erst wenige Tage, trotzdem hatte ich wirklich das Gefühl ihn zu lieben. „J...Ja…Ja!“, brachte ich stotternd hervor, aber so hatte er mich ja auch kennen gelernt. Er nahm den Ring aus der Schatulle und steckte ihn mir an. Er passte perfekt. Dann küsste er mich und dieses Mal ließ ich es auch zu. „Und wie sieht’s mit Dankeschönsex aus?“, fragte er mich spöttisch. Ich gab ihm einen leichten Klaps auf die Backe und sagte: Du bist echt so was von unmöglich!“ Wir brachen beide in Lachen aus. „Achja, jetzt wo du ja gesagt hast: Meine Mutter wird dich in etwa 15 Minuten hier abholen und ihr fahrt in die Stadt, um dein Brautkleid zu kaufen. Schade, dass ich nicht mit darf“, eröffnete er mir, nach dem er sich wieder beruhigt hatte. „Deine Mutter? Und das sagst du mir erst jetzt!“, brachte ich hysterisch hervor. „Keine Panik, meine Mutter ist echt total okay. Sie wird dir nicht den Kopf abreißen“, versuchte er mich zu beruhigen. Dabei hatte er mich schon wieder zu sich hergezogen und geküsst. Ich hoffte so sehr, dass er Recht haben würde. Bis es an der Tür klopfte, lagen wir noch eng umschlungen auf dem Bett, um zu kuscheln. Wie wenn wir bei etwas Verbotenem ertappt worden wären, sprangen wir auf und Kyron eilte zur Tür. „Mutter, komm rein. Darf ich dir Zolei vorstellen?“, sagte er mit einem Grinsen im Gesicht.

„Zolei, schön dich kennen zu lernen. Kyron hat schon immer so von dir geschwärmt. Es ist mir eine Ehre, dich in unserer Familie aufzunehmen und ich freue mich sehr, dass du dich für unseren Lausbengel entschieden hast“, richtete sie das Wort an mich, während sie Kyron liebevoll durch die Haare strich. Dass die beiden ein so gutes Verhältnis hatten, wunderte mich in Anbetracht der Tatsache, dass beide schon so lange zusammen lebten, wirklich. „Ich freue mich auch, endlich mal einen Teil von Kyrons Familie kennen zu lernen. Aber ich glaube, dass ich nicht genug Geld habe, um mir ein Braukleid leisten zu können“, musste ich zugeben. „Geld ist kein Problem, mach dir darüber einfach keine Sorgen. Außerdem gehörst du jetzt zu unserer Familie, deshalb gehört dir alles, was auch Kyron gehört“, versuchte sie, meine Sorgen zu zerstreuen. „Ach übrigens, du darfst mich gerne Cerea nennen, ist Zolei für dich auch okay?“, fragte sie mich höflich. „Äh, klar“, antwortete ich eher unbeholfen. Warum sollte sie mich nicht bei meinem Vornamen nennen dürfen?

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Texte: Yariv
Bildmaterialien: Yariv
Tag der Veröffentlichung: 05.08.2012

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