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Zolei
Der Wind zerstörte meine Frisur, und zwar komplett. Die Stunde heute Morgen im Bad hätte ich mir sparen können. Ich kämpfte mich Schritt für Schritt voran und hoffte, dass sich die Schule bald in ihrem monotonen grau vor mir erheben würde. Wie weit war ich wohl schon von zu Hause weg? Es gibt einfach Tage, an denen man das Bett nicht verlassen sollte, heute war genau so einer. Wieder riss eine Windböe meine Haare in die Höhe und lies sie in voller Unordnung auf meine Kopf zurück fallen. Eine leichte Gänsehaut bildete sich auf meinen Armen. Ich hätte auf meine Mutter hören sollen – wie so oft – und eine Jacke anziehen sollen. Endlich kam ein großer Betonriese in mein Sichtfeld, eine architektonische Meisterleistung (Ironie!). Aber heute war es mir tatsächlich egal, schließlich war es der einzige Weg, dem Sturm zu entkommen. Ich musste beinahe mit meinem ganzen Gewicht an der Tür zerren, um sie einen kleinen Spalt aufzubekommen. Ich zwängte mich hindurch und das Tor knallte hinter mir zu. Geschafft! Ich ließ meine Tasche zu Boden gleiten, um beide Hände frei zu haben. Dann versuchte ich meine Haare zu irgendwas zu formen, was man Frisur nennen konnte. Als ich jetzt wieder etwas sehen konnte, fiel mir auf, dass die ganze Aula leer war. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es fünf Minuten vor Unterrichtsbeginn war. Seltsam, warum war keiner da? Irgendetwas hatte ich wohl verpasst. Ich hob meine Tasche auf, wobei mir schon wieder die Haare in das Gesicht fielen, und lief in die Mensa. Nein, auch hier war niemand. Deprimiert ließ ich mich auf einen Stuhl sinken, meine Tasche ließ ich auf dem Tisch vor mir liegen. Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Ich zuckte zusammen, denn ein Hitzestoß durchzuckte meinen Körper. Ich drehte mich langsam um. Ich weiß nicht warum, aber ich rechnete mit dem Schlimmsten. Stattdessen blickte ich in hellblaue Augen, die einem wahnsinnig attraktiven Mann gehörten. „Wegen des schlechten Wetters findet heute kein Schulunterricht statt“, sagte er zu mir, wobei er mich sehr charmant anlächelte. „Oh..ehh..ähmm..ohh“, mehr brachte ich nicht hervor, ziemlich peinlich! „Oh entschuldige, wie unhöflich von mir. Ich bin Herr Storm, der neue Sport- und Mathelehrer“. Er sollte damit aufhören, mich so anzusehen, denn es machte mich sehr nervös. Ich würde wohl keinen Ton mehr rausbekommen, was nicht gerade einen guten Eindruck machte, dessen war ich mir sicher. „I..Ich..Ich..ähm..was ..was soll ich jetzt machen?“, stammelte ich so vor mich hin. „Ich habe hier Aufsichtspflicht. Jetzt wo du schon da bist, solltest du auch hier bleiben, bis der Sturm aufgehört hat, nicht, dass dir noch etwas passiert. Wir können einen Film sehen. Verrätst du mir deinen Namen?“ Langsam konnte ich wieder klare Gedanken fassen, auch meine Stimme kam langsam zurück. „Ich heiße Zolei. Ähm, ja, dann schauen wir nen Film, vielleicht kommt ja noch jemand.“ Juhu, der erste verständliche Satz mit nur einem Ähm. Er legte seine Hand um meine Schulter und führte mich in eines der Klassenzimmer. Wegen seiner Geste blieb mir schon wieder die Sprache weg, wie sollte ich bloß die Zeit mit ihm alleine überleben?! Wenigstens würde er während des Films nicht mit mir sprechen wollen, hoffentlich. Im hinteren Teil des Raums befand sich ein schwarzes Sofa, was mich ziemlich verwunderte. Es war mir noch nie vorher aufgefallen. Vor diesem war bereits ein Beamer, an dem ein Laptop angeschlossen war, aufgestellt worden und warf sein Bild an die weiße Fläche hinter der Tafel. Herr Storm zog die Vorhänge zu, damit die Projektion besser zu sehen war. Ich schmiss mich aufs Sofa, wobei ich gleich noch meine Schuhe abstreifte. Oh, ich hatte den jungen Lehrer ganz vergessen, so sollte man sich in der Öffentlichkeit wohl doch nicht verhalten. Nun war es aber schon zu spät. Jener besagte Lehrer hatte mich wohl die ganze Zeit beobachtet, denn er grinste mich an. Die Schamesröte stieg mir ins Gesicht. Er hingegen setzte sich neben mich und zog ebenfalls seine roten – hatte ich gerade erst gemerkt – Sneaker aus. Doch dann sprang er nochmals auf und zog zwei Stühle zu uns heran. „Es ist einfach viel gemütlicher, seine Füße darauf zu legen.“ Das nahm ich als Aufforderung war und tat ihm gleich. Er entsprach wohl dem Bild des „Anti-Lehrers“, er war weder verbittert noch irgendwie streng. Wir saßen sehr nahe nebeneinander, so nahe war ich wohl noch nie bei einem Lehrer. Es gab aber auch keinen einzigen, der so gut aussah. Ich war schon wieder am schmachten, ich starrte ihn sicherlich mehrere Minuten an. Der Film begann mit lauter Musik. Ich kannte den Film definitiv nicht, egal. Ich hatte ja etwas zu betrachten. „Hab ich irgendwas im Gesicht?“, fragte er mich mit seinem charmanten Lächeln. Er hatte mich erwischt, das war mir schon wieder unendlich peinlich. Um nicht zu sagen: das ist heut der Tag der Peinlichkeiten. Ich wendete meinen Blick nach unten und fing wieder an zu stottern: „En..Ent..Entschuldigung..“ Mehr konnte ich einfach nicht sagen. „ Es ist süß, wenn dir etwas peinlich ist.“ Ich konnte nicht glauben, dass er genau diesen Satz gerade gesagt hatte. „Ich bestehe darauf, dass du mich Kyron nennst.“ Definitiv ein sehr ungewöhnlicher Name, deshalb fragte ich: „Woher stammt dieser Name?“ „ Aus einer Sage meines Volkes. Und woher kommt Zolei? Auch eher selten, nicht wahr?“ antwortete er mir. Tatsächlich wusste ich nicht, woher mein Name stammte. Meine leibliche Mutter gab mir diesen Namen, aber sie lebt nicht mehr, schon lange nicht mehr. Meine Stiefmutter nenne ich auch Mama, denn ich lebe schon seit 16 Jahren bei ihr und ich liebe sie. Meine Augen füllten sich mit Tränen, ich sollte nicht daran denken. Herr Storm, ähm Kyron musste es gesehen haben, denn er griff nach meiner Hand. „Du musst es mir nicht erzählen.“ Seine Stimme wirkte sehr beruhigend auf mich. Er zog mich zu sich heran und legte meinen Kopf auf seinen Oberkörper. Langsam strich er mir über meine Haare, die wohl immer noch ein bisschen unordentlich waren. Die Situation wurde immer absurder: ich lag halb weinend in den Armen eines neuen Lehrers, der eine unglaubliche Anziehungskraft auf mich ausübte, und das Ganze in der Schule. Ich versuchte mich aufzurichten, doch er hielt mich fest und flüsterte: „Bleib da, es ist alles in Ordnung. Ich sollte dir auch etwas erzählen.“ Ich ließ meinen Kopf auf seiner Brust ruhen und lauschte seiner Stimme. Sein Brustkorb hob und senkte sich, ich konnte genau seinen Herzschlag hören. Er kam mir sehr langsam vor, vielleicht war es aber auch nur Einbildung. „Hör zu, ich bin gar kein Lehrer“, er hatte kaum begonnen zu sprechen, da sprang ich auf. Wie kam er dann in die Schule? Wer war er? Ich ging langsam einige Schritte zurück. „Du musst nicht gleich Angst vor mir haben. Ich muss dir etwas sagen, bitte komm wieder her.“ Seine blauen Augen sahen mich so flehend an, ich konnte gar nicht anders. Ich setzte mich so weit weg wie möglich auf das schwarze Sofa und spürte auf einmal das kalte Leder durch meine Jeans, alles kam mir auf einmal unglaubliche kalt vor. „Gib mir deine Hand.“ Voller Vertrauen sah er in meine Richtung. Ich weiß nicht warum ich es tat, aber ich hob meinen Arm und streckte ihn meine Hand entgegen. Wegen meiner Dummheit könnte ich mich fast selber schlagen. Mit seiner Rechten fasste er danach und legte seine linke Hand darüber. Eine angenehme Wärme kroch meinen Arm empor, erfüllte schon nach wenigen Sekunden meinen ganzen Körper. Es fühlte sich so gut an, dass sich alle meine Muskeln entspannen konnten. Mein Blick glitt langsam zu unseren Händen. Sofort wollte ich erschrocken meine Hand zurückziehen, denn blaue leuchtende filigrane Linien überzogen sie. Er hielt sie allerdings so fest, dass ich keine Chance hatte. In meinen Gedanken schrie es: Lass deine Hand, wo sie ist. Aber es schienen nicht meine Gedanken zu sein. Dann prallten Bilder mit voller Wucht gegen mein inneres Auge. Doch ich konnte nichts Konkretes sehen, es war alles viel zu viel. Ich fühlte, wie mein Bewusstsein langsam schwand, ich wollte daran festhalten. Ich kämpfte dagegen an, aber das Feuer, das in mir brannte, war stärker. Ich gab nach.


Es wurde hell, gleisendes Licht brannte in meinen Augen. Hatte ich sie überhaupt offen? Ich glaube nicht. Ich versuchte es, es wurde dunkel. Lediglich zwei hellblaue Augen strahlten mich an, sie hatten die gleiche Farbe, wie das Licht gerade eben. „Zolei, Zolei. Du bist wieder bei mir.“ Sein wunderschönes Lächeln ließ meinen Mund ebenfalls zu einem verziehen. „Ich habe dich solange gesucht. Du musst mit mir mitkommen, dann werde ich dir auch alles erklären.“ „Was hast du mit mir gemacht? Ich will dass du es mir jetzt erklärst! Du Psychopath!“, schrie ich ihn an. Ich wollte sofort aufspringen, wenn er mich nicht festgehalten hätte. „Ich musste doch wissen, ob du die richtige bist. Und du bist es! Ich werde dich nicht mehr gehen lassen.“ Seine Worte wären wohl zu einem anderen Zeitpunkt sehr romantisch gewesen, in diesem Moment jagten sie mir einfach nur Angst ein. Sie schnürte meine Kehle zu, immer weiter. „A..A..Aber…Lass mich in Ruhe!“, ich konnte nur noch schreien. Er griff nach meiner Hand, sofort kamen wieder diese eigentümlichen Ranken zum Vorschein. Auch die Wärme strömte durch meinen ganzen Körper. Mein Herz wollte sich hingeben, doch mein Verstand befahl mir zu rennen. „Hör auf dein Herz. Es gibt Dinge, die kannst du noch nicht verstehen. Du musst mit mir kommen, nur so kann ich dich beschützen.“ „Wovor beschützen?“ Meine Sätze waren nur noch Aneinanderreihungen von Wörtern. „Erzähl!“ Er holte tief Luft und begann mit klarer Stimme zu sprechen: „ Die Welt besteht nicht immer nur aus dem Sichtbaren. Es gibt Dinge, die kann man nicht verstehen, nur fühlen. Ich habe eine Verbindung zwischen uns geschaffen, die niemand mehr zerstören kann, ich werde dich so auch immer finden können. Es ist ein alter Brauch meines Volkes. Jeder Mann sucht sich eine Frau, mit der er die Ewigkeit verbringen wird. Stirbt sie, bleibt er alleine oder stirbt ebenfalls. Und eine Ewigkeit kann verdammt lange sein. Ich suche nun schon seit 100 Jahren nach dir und jetzt habe ich dich gefunden. Aber es gibt Leute, die dir etwas Böses wollen, weil du mächtig bist. Mächtiger als ich es bin. Ich liebe dich. Du darfst mich jetzt nicht mehr verlassen. Mein Auto..Mein Auto. Ich habe es dort geparkt..Komm mit…bitte, komm…bitte.“ Seine letzten Worte wurden immer leiser und flehender. Ich verstand nichts davon, was er sagte. War er aus einer Psychiatrie geflohen? Ich musste kämpfen, nicht gleich laut los zu schreien. Als eine Träne über seine Wange floss, konnte ich nicht anders. Ich trat ganz nahe zu ihm und strich mit meiner freien Hand über sein Gesicht. „Ich versteh das nicht. Welches Volk? Kyron, wer bist du?“, flüsterte ich. „Vertrau mir“, sagte er. Dann zog er mich mit sich, ich konnte (und vielleicht wollte ich) mich nicht wehren. Kyron faszinierte mich so sehr. Er sagte, er würde mich lieben. Er kennt mich doch gar nicht. Er, er, er. Meine Gedanken kreisten, mein Kopf schien zu explodieren. Die Wärme, dessen Ursprung unsere beiden Hände waren, pulsierte durch meine Adern. Ich fühlte mich, als hätte ich Fieber. Kyron öffnete die Tür des Klassenzimmers und schob mich hindurch. Zu keinem Moment ließ er meine Hand los. Nachdem er ebenfalls durch die Türschwelle getreten war, legte er seinen anderen Arm um mich und führte mich zurück in die Aula. Von dort aus wendeten wir uns aber nicht dem Hauptausgang zu, sondern einem der zahlreichen Notausgängen. Ich drückte die Türklinke nach unten, da sagte Kyron: „Ich weiß nicht, was uns da draußen erwartet. Mein Auto steht direkt vor der Tür. Du setzt sich sofort hinein und schließt die Tür. Verstanden?“ Sein Tonfall wirkte auf einmal sehr harsch, so dass ich nur nickte. Als ich die Tür aufzog, schlug uns eine Windböe direkt entgegen. Nur mit Mühe konnte ich durch das Gewirr von Haaren ein schwarzes Auto, nicht aber das Fabrikat, erkennen, das musste es sein. Kyron stoß mich nachvorne und unsere Hände lösten sich. Der Verlust fühlte sich so schmerzhaft an, dass ich stehen bleiben wollte. Doch von hinten schrie er mir zu, ich solle mich sofort ins Auto setzten. Ich verstand seine Panik nicht, es war doch weit und breit nichts zu erkennen und der Sturm würde mir ja wohl nichts tun. Doch ich folgte seinen Anweisungen. Im Innenraum des Autos kam es mir so kalt vor, dass ich mir zum zweiten Mal wünschte, eine Jacke angezogen zu haben. Kaum eine Minute später saß Kyron neben mir und startete den Motor. Er sprach nichts. Seine Gesichtszüge wirkten so angespannt, dass ich mich nicht traute, etwas zu sagen. Mit 100 km/h raste er durch den verkehrsberuhigten Bereich, es machte mir wirklich Angst. Er machte mir wirklich Angst. Ich bohrte meine Fingernägel in die schwarzen Ledersitze. Dann verließen wir die Stadt, was jedoch nur dazu führte, dass Kyron noch schneller fuhr. Schon nach wenigen Minuten hatten wir die Auffahrt auf die Autobahn erreicht. Kein einziges Mal bremste er ab, ich hatte solche Angst und noch dazu wurde mir schlecht. Als wir auf der Autobahn waren, lehnte er sich etwas zurück und lockerte seinen Griff um das Lenkrad. Ich fürchtete mich vor ihm. Kyron war nicht mehr der nette und charmante Lehrer, der er noch in der Schule gewesen war. Er sah wild und unzähmbar aus. „Du hast Angst vor mir“. Er hatte wohl gespürt, was ich fühlte. Ich nickte mit dem Kopf. „Es…es… es tut mir leid. Aber…aber ich …will dich nicht verlieren. Wir müssen zu meinem Volk zurück, nur dort sind wir sicher.“ „Warum erklärst du mir nicht endlich, was los ist? Wohin fahren wir überhaupt?“ Ich wollte das endlich verstehen, ich wollte Kyron verstehen können. „Okay, wir werde noch viele Stunden fahren. Den Ort, an den wir fahren, nennen wir Leila – die Nacht. Er liegt in Scha`im, wahrscheinlich hast du noch nicht davon gehört. Aber nun zu dem, was du wirklich wissen willst, aber es ist wirklich eine lange Geschichte…“ Das alles hörte sich wirklich sehr verrückt an und ich hoffte in dem Moment einfach nur, dass Kyron kein Verrückter war, der mich gerade entführte. Wie so war ich nur so naiv gewesen und in das Auto gestiegen? Ich hätte einfach rennen sollen.

2




Kyron
Die Worte kamen nur sehr schwer über meine Lippen, aber ich musste weiter erzählen, hoffentlich würde sie mir glauben: „ Mein Volk kennen die normalen Menschen nicht, denn wir leben im Verborgenen und zeigen uns nicht so oft. Es gibt nur einen Grund: wenn wir eine starke Verbindung zu einem Menschen spüren und sie zu uns holen wollen, so wie ich es gerade bei dir mache. Aber wieder zurück zu meinem Volk: ich hoffe, du erschrickst nicht. Wir sind…wir sind…“ Ich musste noch einmal tief Luft holen, hoffentlich verstand Zolei es, hoffentlich. „Wir sind Vampire.“ Jetzt hatte ich es gesagt, doch sie wirkte gefasst. Sie blickte mir tief in die Augen und nickte. Sie hatte es sicherlich noch nicht richtig begriffen, sonst würde sie hysterisch schreien, wie alle es taten. „In Leila haben wir unsere eigene Burg, fernab von jeder Zivilisation. Nun ja, ich bin der Sohn des Königs, er heißt bei uns aber nicht König. Ist ja auch egal, auf jeden Fall ist mein Vater schon 2000 Jahre alt, ein stolzes Alter und deshalb führt er unser Volk an. Er wird bald dein Schwiegervater sein, ich hoffe du magst ihn.“ Ich kam vom eigentlichen Thema ab, ich sollte ihr erzählen, wie unser Volk erst entstanden ist. „Entschuldige, ich bin vom Thema abgekommen. Mein Vater ist zugleich der Urvater aller Vampire. Er kann sich allerdings nicht mehr erinnern, wie es dazu kam, dass er zum Vampir geworden ist. Als er die Veränderung in sich wahrnahm, suchte er sich eine Frau, meine Mutter Lorae. Die normalen Menschen duldeten sie nicht unter sich, denn wie du sicherlich weißt, brauchen wir Blut. Keine Sorge, wir töten die Menschen nicht. Zusammen zogen sie sich in ein bis dahin unbekanntes Gebirge zurück und bauten in mehreren Jahrzehnten die Burg, sie steht bis heute genau an dieser Stelle. Meine Eltern bekamen zwei Kinder: mich und meinen jüngeren Bruder Pal. Außerdem schenkten sie etwa 1000 anderen Menschen ein neues Leben, ein Leben als Vampir. Wir sterben nicht, durch gar nichts. Als Vampir musst du dich dazu entscheiden, nicht mehr leben zu wollen, das ist der einzige Weg. Ich suche seit 100 Jahren nach meiner Braut, mein Vater hatte die Hoffnung bereits aufgegeben. Er wird sich freuen, die kennen zu lernen.“ Ich riskierte wieder einen Blick zu ihr, sie wirkte immer noch gefasst. Als ich nach ihrer Hand greifen wollte, zog sie sie allerdings weg. Ich wusste mir nicht anders zu helfen, als weiter zu reden: „ Jeder Vampir kann sich eine Frau erwählen und diese selbst zum Vampir machen, du hast ja gesehen wie es funktioniert. Bei uns ist das Band allerdings noch stärker, weil ich ein leiblicher Sohn des Königs bin. Wenn du merkst, dass du durstig wirst, dann sag es mir.“
Ihr Gesicht war beinahe unnatürlich bleich geworden, Leila brauchte wohl doch länger, um diesen Zündsatz zu verkraften. Ich starrte durch die Windschutzscheibe, Nebel zog auf und hüllte die Autobahn ein. Das Grau schien die Straße zu verschlingen, was mich in Besorgnis versetzte. Ich drückte noch mehr auf das Gaspedal, um der ganzen Situation zu entkommen, natürlich konnte das nicht funktionieren. Mir wurde sehr warm, was im Allgemeinen für Vampire eher kontraproduktiv ist, deshalb drehte ich den Regler der Klimaanlage noch weiter runter.

Zolei
Was sollte ich nur tun? Ich saß hier in einem Auto mit einem Mann, der behauptete Vampir zu sein, wer würde so eine verrückte Geschichte glauben? Antwort: Niemand! Das einzige Problem war, dass man aus einem Auto, welches 200 km/h fuhr, definitiv nicht flüchten konnte. Ich musste mir irgendeinen Plan zurecht legen, um zu entkommen, wer weiß, was er mit mir vor hatte. Die einzige Frage, die blieb war, weshalb diese komischen blauen Linien an meiner Hand leuchteten. Wie hatte er das hinbekommen? Es musste irgendeinen Trick geben. Er hatte die Klimaanlage auf 16 Grad gedreht, wunderbar, wie hielt er das aus, ohne zu frieren. Meine Zehen wurden immer kälter. Es war so unangenehm, wie die eisige Luft direkt an meine Beine geblasen wurde. Er merkte es nicht einmal! Kyron blickte starr durch die Windschutzscheibe. Wieder mal bestätigte sich, dass ich heut Morgen einfach nicht mein kuschelig warmes Bett hätte verlassen sollen. Ich zog meine Beine an meinen Körper, sodass ich meine Füße auf den Sitz stellte. „Oh, dir ist kalt“, wahnsinnig, er hatte es bemerkt. Ich nickte mit dem Kopf, ich würde vorerst nichts mehr sagen. Wieso fühlte ich mich so zu ihm hingezogen, obwohl er mich gerade entführte? Seine Augen waren so anziehend, blickte man in sie, glaubte man darin zu versinken. Sie waren wie der hellblaue Himmel, aber sie konnten auch wie eisiges Wasser aussehen, das zweite jagte mir einen Schauer über den Rücken. Seine kurzen schwarzen Haare gefielen mir ebenfalls besonders gut, seine ganze Statur war atemberaubend. Jeder Muskel war durchtrainiert. Stopp! Ich durfte ihn nicht so anschmachten, er entführte mich gerade. Auch wenn ich mir so jemanden immer anders vorgestellt hatte, durfte ich mich nicht täuschen lassen. Gedankenverloren biss ich mir auf meine Lippen, fast hätte ich laut aufgeschrien. „Du glaubst mir nicht, das kann ich verstehen“. Kyrons Stimme hörte sich verletzlich an, es kränkte ihn, dass ich ihm nicht glaubte. Ich überlegte, dann antwortete ich: „Du musst mich auch verstehen. Du entführst mich gerade und erzählst mir solche Sachen, die total absurd sind. Wie soll ich dir da denn glauben? Du hast mich gleich von Anfang an belogen. Bitte bring mich einfach zurück.“ Beim letzten Satz sammelte sich Wasser in meinen Augen. Ich wollte jetzt nicht weinen, aber ich konnte einfach nicht anders. Die ganze Situation schien so aussichtslos. „Das…Das geht nicht. Sie werden dich nicht leben lassen, außerdem gehörst du jetzt zu uns. Du bist ein Vampir, du musst bei mir bleiben, sonst überlebst du das nicht!“ Seine Stimme klang jetzt wieder fest. Ich sollte ein Vampir sein? Klar, und morgen ist Weihnachten. Kyron hatte wohl wirklich eine lebhafte Fantasie, was die ganze Lage nur noch verschlimmerte. Er sagte vorhin, dass Vampire nie sterben würden. Ich zog eine kleine Nagelschere aus meiner Hosentasche, ich hatte sie immer bei mir, man weiß ja nie, und zog sie über meine Handinnenfläche. Sie brach ab. Komisch, so alt war die Schere noch gar nicht gewesen. Meine Tasche, welche ich mir kurz vor der Flucht aus der Schule noch umgehängt hatte, lag zu meinen Füßen. Ich zog sie auf meinen Schoß und holte meine Papierschere heraus. Ich positionierte die Handtasche so, dass Kyron meine Hand nicht sehen konnte und versuchte ebenfalls mit der Schere in meine Handfläche zu schneiden. Wieder brach sie ab. Ich verstand gar nichts mehr. Wieso brachen sie alle ab? „Du wirst dich mit nichts schneiden können. Das einzige, was deine Haut durchdringen kann, sind meine Zähne“. Die Stimme erregte Entsetzen in mir. Sagte er wohl wirklich die Wahrheit? Nein, nein, das konnte nicht sein. Bestimmt war das alles nur ein blöder Zufall. Ich hatte die Schere ja schon seit meiner Grundschulzeit. Ich musste jetzt einfach wissen, was los war. Okay, welche Geschichten gab es über Vampire? Sie haben Reißzähne, also musste ich auch welche haben. Mit meiner Zunge strich ich über meine obere Zahnreihe, waren meine Eckzähne größer geworden? Ich wusste es nicht. Was wusste ich noch? Nichts mehr. „Bald wird dir die Kälte gefallen, denn sie ist für uns wohltuend. Die Sonne wird dich nicht stören, sie ist nur einfach nicht so angenehm. Ach und deine Reißzähne kommen erst zum Vorschein, wenn du das erste Mal Blut getrunken hast“. Wieder lauter Antworten, die ich nicht hören wollte. ICH BIN KEIN VAMPIR. Es konnte einfach nicht sein. Niemals. Mein Magen zog sich zusammen und knurrte laut. Oh, ich hatte schon seit Ewigkeiten nichts mehr gegessen, es war schon 15 Uhr, um 6.30 Uhr hatte ich gefrühstückt. Ich wühlte in meiner Tasche und zog meine rosa Brotzeitbox heraus. Darin befand sich ein Wurstbrot, welches aber irgendwie überhaupt nicht appetitlich aussah. Egal, ich hatte Hunger, also biss ich hinein. Ich kaute, aber es schmeckte so ekelerregend. Ich zwang mich, das kleine Stück hinunter zu schlucken. „Es schmeckt dir nicht? Das ist ein Zeichen dafür, dass du dich verwandelst. Mach das Handschuhfach auf“. Ich legte die Box wieder in meine Tasche und tat, was er mir gesagt hatte. Wie gelähmt starrte ich in das Fach. Ich konnte nicht glauben, was ich da gerade sah. Mehrere Blutkonserven lagen da. „Trink davon“, hörte ich weit entfernt. Ich streckte meine Hand danach und konnte das kühle Plastik der Verpackung spüren. Es fühlte sich so gut, so richtig an. Wie konnte das sein? Es war Blut! Es war doch ekelhaft, Blut! Blut…Blut, irgendwie gut…ich wollte es sofort haben. Ich packte zu und zog es langsam zu mir heran. Wie würde es schmecken? Ich war wie hypnotisiert. Am oberen Ende der Konserve befand sich ein Drehverschluss. Ich fuhr mit meinem Finger darüber, dann drehte ich langsam. Etwas Betörendes stieg mir in die Nase, es roch so gut. Ich hob die Blutkonserve zu meinem Mund und nahm einen Schluck. Es brannte in meinem Mund und zog sich meine ganze Kehle herab. Es tat weh, aber es war faszinierend. Der Schmerz riss mich aus meiner Hypnose. Sofort drehte ich den Verschluss zu, legte die Packung zurück und schloss das Handschuhfach. Ich konnte nicht glauben, was ich gerade eben getan hatte. Ich hatte Blut getrunken und es hatte gut geschmeckt. Ich zog meine Beine wieder an und vergrub meinen Kopf darin. Meine Haare fielen über meine Knie. Die Tränen liefen mir jetzt ohne Hemmungen über meine Wangen. Das alles hier war ein Albtraum, der nicht enden wollte. Langsam glaube ich wirklich daran, mich in einen Vampir zu verwandeln. Nein das konnte einfach nicht sein, das war nur Blödsinn, reine Hirngespinste. So etwas gab es doch gar nicht. Ich weinte. Einfach weiter, immer weiter. Irgendwann muss Kyron auf einen kleinen Parkplatz gefahren sein, denn er strich mir die Haare zurück, was er hoffentlich nicht getan hätte, wenn er gefahren wäre. „Ich weiß, dass es schwierig für dich ist, aber ich bin doch bei dir. Du musst keine Angst haben, nicht vor mir und auch nicht vor dir selbst. Deine Faszination für Blut ist ganz normal, das hat jeder. Hör zu: Ich liebe dich, ich bin für dich da. Bitte vertrau mir!“ Seine Worte klangen so sanft, dass meine Tränen tatsächlich weniger wurden. Mit einer Gewissheit, von der ich nicht wusste, woher sie kam, traf mich die Wahrheit, die ich die ganze Zeit verdrängen wollte. Alles, was er gesagt hatte war wahr, es gab keinen Rückweg mehr. „Aber, aber…ich versteh das einfach alles nicht…und was ist mit meiner Mutter? Sie wird mich schrecklich vermissen. Das, das muss doch alles ein Traum sein“, stammelte ich. „ Glaub mir, wir haben dafür gesorgt, dass alles in Ordnung ist. Du brauchst dir keine Sorgen um dein altes Leben machen.“ Er reichte mir ein Taschentuch, mit dem ich alle meine Tränen trocknen konnte. Ich musste jetzt einfach stark sein. Ich atmete tief durch. „Okay, dann lass uns weiter fahren.“ „Stopp, erst will ich einen Kuss.“ Als er das zu mir sagte, blickte ich ihn wohl sehr verstört an. Er konnte das doch jetzt gerade nicht wirklich gesagt haben. Sein Gespür für Romantik war definitiv nicht das Beste. „Träum weiter, ich kenn dich nicht mal wirklich“, antwortete ich. „Nagut, dann eben wann anders!“, schelmisch grinste er mich dabei an. Er hatte es tatsächlich geschafft, mich zum Lachen zu bringen. Er schnallte sich wieder an und startete den Wagen. Wiedermal raste er mit überhöhter Geschwindigkeit los, wechselte von der Beschleunigungspur auf die normale Fahrbahn der Autobahn. Auf einem der Schilder konnte ich lesen, dass es nicht mehr lange bis Hamburg war. Ich schätzte, dass wir dorthin fahren würden, denn er hatte vorhin etwas von einem Schiff erwähnt. Wir kamen an einen Hafen und Kyron beförderte den Wagen in eine Parklücke ohne dabei zu bremsen, so kam es zumindest mir vor. „Steig aus“, sagte er zu mir, er wirkte irgendwie auf einmal sehr unfreundlich. Seine Worte duldeten keinen Widerspruch, dessen war ich mir bewusst, also tat ich, was er mir gesagt hatte. Aus Wut knallte ich dir Tür richtig zu, worauf Kyron mir einen deutlich wütenden Blick zu warf. Männer und Autos…Er eilte auf meine Seite und legte seine Hand um meine Hüfte, denn so konnte er mich leichter mit sich ziehen. Seine Berührung führte dazu, dass sich die Härchen in meinem Nacken aufstellten.
Wir liefen direkt auf ein riesiges Schiff zu, welches sehr modern wirkte (soweit ich das beurteilen kann, ich kenne mich damit definitiv nicht aus). Über einen schmalen Steg konnte es erreicht werden. Automatisch öffnete sich eine große Tür und schwang nach innen auf. Plötzlich fühlte ich mich in ein früheres Jahrhundert zurück versetzt. Im Empfangsbereich – nannte man das bei Schiffen auch so? – eilte eine Frau, wohl Mitte 20 in einem edel wirkenden Kostüm, auf uns zu und begrüßte uns überschwänglich, wobei eher Kyron als mich. Ihr betörendes Parfüm stieg mir in die Nase und war der Grund dafür, dass es mir schwindlig wurde. Zum Glück hatte Kyron seinen Arm immer noch um meine Taille gelegt, das hinderte mich daran, um zu fallen. „Schön Sie an Bord begrüßen zu dürfen. Folgen Sie mir bitte zu ihrer Kabine“, säuselte sie in seine Richtung, mich hingegen bedachte sich mit wütenden Blicken. Was hatte ich ihr den getan, blöde Kuh! Kyron wollte wohl nichts von ihr wissen… Ich sah wohl genauso unverhohlen zurück. Unterdessen hatte sie uns zu einem gläsernen Fahrstuhl geführt (wohl die einzige offensichtliche Technik hier). Die Türen glitten auseinander. Zielstrebig stöckelte die Empfangsdame hinein und drückte den goldenen Knopf, auf welchem eine schwarze Drei prangte. Der Fahrstuhl setzte sich mit einem Ruck in Bewegung, bei dem ich schon wieder fast umkippte. Unter mir wurde die Eingangshalle immer kleiner, das Muster auf dem Teppichboden konnte man von hier – wohl etwa das 2. Stockwerk – nur noch erahnen. Dabei kamen wir den Kronleuchtern mit ihren leuchtenden Kerzen immer näher, das Licht brach sich wunderschön in den Kristallen. Mit einem zweiten Ruck kündigte der Fahrstuhl an, dass wir an unserem Bestimmungsort angekommen waren. Voller Selbstbewusstsein schritt die „Blöde Kuh“ uns voraus zu einer großen Doppeltür. Sie steckte den Schlüssel ins Schloss und stoß die zwei Türen nach innen auf. Ein leises „Wow“ kam mir über die Lippen, als mich der erste Anblick total überwältigte. Der Boden war von einem grünen Teppich mit zartgelben Linien bedeckt. Direkt vor uns befand sich ein riesig großes Himmelbett, das ebenfalls in dem gleichen Farbton wie der Bodenbelag gehalten war. An den Wänden befanden sich rechts und links Einbauschränke und zwei Türen, von welchen ich allerdings nicht wusste, wohin sie führen. Die Front hinter dem Bett war komplett verglast und lies einen atemberaubenden Blick auf das offene Meer zu. Kyron nickte der „Schnepfe“ zu, sodass sei endlich das Zimmer verlies. Ich hörte die Türen ins Schloss fallen und schritt auf die verglaste Wand zu. Es hatte mir tatsächlich vor lauter Schönheit die Sprache verschlagen. Er war hinter mich getreten und legte beide Arme um mich, so konnte ich seine Wärme spüren. Ich fühlte mich richtig geborgen und konnte für diesen Moment die ganze Aufregung des Tages vergessen. Meine Augen füllten sich mit Tränen, weil ich einfach nicht wusste, was in den kommenden Wochen auf mich zu kam, alles war so neu. „Ich werde dich nie wieder los lassen“, flüsterte er mir sanft ins Ohr. Ich lies mich noch weiter in seine Arme fallen, weil ich mir so hoffte, dass er es ernst meinte. Ich drehte mich zu ihm um, blickte in seine unglaublichen Augen. Kyron strich mir mit seinen Fingern über die Wange und lächelte mich an. „Lass uns zum Abendessen gehen. Du siehst aus, als bräuchtest du dringend eine Stärkung“, bei seinem Grinsen konnte ich gar nicht anders als zu nicken. Er griff nach meiner Hand und zog mich noch näher zu sich heran, dann legte er seine Hand um meine Hüfte und wir liefen zu der großen Doppeltür. Auf dem Flur angelangt liefen wir zum Aufzug, der uns in das 2. Stockwerk zum Restaurant bringen sollte.

In einem großen Saal standen etliche Tischgruppen mit Stühlen. Auch hier war alles in dem Stil der anderen Zimmer eingerichtet: ein luxuriös wirkender Teppich war über den ganzen Boden verlegt und die Einrichtung wirkte barock. Als uns die gläsernen Türen zum Salon aufgehalten wurden, verstummten alle Gespräche. Die Schamesröte stieg mir ins Gesicht, Kyron hingegen war die Coolness schlecht hin. Wahrscheinlich hatte er sich schon an solche Auftritte gewöhnt. Ein Mann im Anzug schritt auf uns zu und bat uns, ihm zu folgen. Er führte uns zu einem Tisch am Kopf des Raumes auf einem Podest. Ich fühlte mich wie auf dem Präsentierteller, super! Wenige Minuten nachdem wir uns gesetzt hatten, wurde uns ein Krug mit zwei Gläsern auf den Tisch gestellt. Kyron schenkte erst mir, dann sich ein, während er mich unverschämt angrinste. Eine rote Flüssigkeit ergoss sich in mein Glas, was es war konnte ich mir schon denken. Anscheinend waren alle Passagiere hier Vampire und tranken bzw. aßen dasselbe. Eine gute Frage, heißt das jetzt essen oder trinken? Ich werde mich wohl für trinken entscheiden, das hört sich meiner Meinung nicht so brutal animalisch an. Ich nippte an meinem Glas, was sofort dazu führte, dass sich ein wunderbar angenehmes Gefühl in mir ausbreitete. Meine schweren Glieder erschienen auf einmal so leicht zu sein und trieben mir ein leichtes Lächeln ins Gesicht. Kyron sagte: „ Du wirst dich schon noch daran gewöhnen. Auch daran, dass die Leute dich alle anstarren. Immerhin bist du bald so etwas wie eine Prinzessin. Wenn du möchtest, kannst du auch auf unser Zimmer gehen, ich muss allerdings noch ein paar wichtige Vampire begrüßen.“ Obwohl wir gerade erst angekommen waren – ich hatte gerade mal ein Glas voller Blut getrunken- war ich froh darum, mich in das Zimmer zurückziehen zu können. Ich nickte ihm zu und stand auf. Jetzt stand mir nur noch der Spießrutenlauf durch den ganzen Saal bevor, hoffentlich falle ich nicht hin. Zum Glück verlies ich das Restaurant ohne peinlichen Zwischenfall, lief dann geradewegs zum Aufzug und befand mich auch schon vor unserem Zimmer. Kyron hatte mir vorhin noch den Schlüssel für das Zimmer gegeben, mit welchem ich jetzt die schweren Türen öffnete. Als ich in das Zimmer eintrat sah ich, dass eine Frau in Dessous auf unserem Bett lag. Es war ja nicht schwer zu erraten, dass es die Tussi vom Empfang war. Ich knallte die Türen hinter mir zu und sagte so beherrscht wie ich es in diesem Moment noch konnte: „Sie verschwinden jetzt sofort aus unserem Zimmer. Und falls es Sie interessiert, Kyron interessiert sich nicht im Geringsten für sie.“ Entsetzt raffte sie ihre Kleider vom Körper zusammen, sie hatte wohl nicht mit mir gerechnet. Ihre Blicke sprachen Bände, am liebsten hätte sie mich sofort in der Luft zerrissen. „Es wird dir noch leidtun, dass du so mit mir gesprochen hast. Kyron wird merken, dass ich die richtige für ihn bin“, zischte sie in meine Richtung. Schritt für Schritt kam sie auf mich zu, es wirkte auf mich sehr bedrohlich. Plötzlich wurden die Türen aufgeschmissen und Kyron stand wutentbrannt im Rahmen. „Monica, du verlässt jetzt sofort dieses Zimmer. Ich will dich nie wieder hier sehen, sei froh, dass du deinen Job behalten kannst. Wenn du ihr irgendetwas antust, wirst du das nicht überleben.“ Er war so zornig, dass selbst ich Angst vor ihm bekam. Monica lies von mir ab, zum Glück. Mit gesenktem Kopf rannte sie an Kyron vorbei aus dem Zimmer, was mich wunderte, da sie kaum Klamotten am Leib hatte. Sofort schloss Kyron die Türen. Sicherheitshalber schloss er von Innen ab, lies sogar den Schlüssel stecken. Dann lief er sofort auf mich zu und nahm mich in den Arm. „Ich hätte dich nicht alleine lassen dürfen, es ist so gefährlich hier für dich. Bitte verzeih mir, bitte“, flehte er mich an. „Nein, ist schon okay, du konntest das ja nicht wissen“, mehr fiel mir in diesem Moment nicht ein. Er drückte mich noch fester an sich. Kyron legte seine Hand unter mein Kinn, sodass ich ihm direkt in die Augen sehen musste. Ich hatte mich schon wieder in seinen Augen verloren, als er sie schloss, war es wie ein Verlust für mich. Doch dann legte er seine Lippen auf meine, was mich in eine völlig andere Welt katapultierte. Alles um mich herum löste sich auf, es gab nur noch ihn und mich, ihn und mich…Als er seine Lippen wieder von meinen löste, grinste er mich wieder schelmisch an. „Lass uns jetzt schlafen gehen“. Nur wiederwillig löste ich mich von ihm und lief in Richtung Bett. „Oh, da fällt mir ein, ich habe ja nicht einmal einen Schlafanzug oder ähnliches dabei“, viel mir siedend heiß ein. „Du kannst doch auch einfach in Unterwäsche schlafen, oder stört dich das etwa?“, fragte er mich total unschuldig, wobei ihn seine Augen verrieten. Da ich ja keine weiteren Klamotten dabei hatte, blieb mir wohl nichts anderes übrig. Mit einem Seufzen zog ich mir das T-Shirt über den Kopf. Danach zog ich meine Jeans aus und hüpfte so schnell wie möglich ins Bett. Ich zog mir die Decke bis zum Kinn hoch. Kyron hingegen legte gerade eben ehr einen Striptease hin. Sein T-Shirt landete auf dem Boden, sein Sixpack sah schon sehr verlockend aus. Mit seinem üblichen Grinsen ließ er mich nicht aus den Augen. Dann öffnete er den Reißverschluss seiner Jeans, lies sie langsam nach unten gleiten. Jetzt stand er nur noch in Boxershorts vor mir, wow, das war ein Anblick. Mit einem enthusiastischen Sprung landete er direkt neben mir im Bett, während ich bereits die Decke wieder etwas tiefer geschoben hatte, weil es einfach viel zu warm war. Kyron kroch zu mir her und zog mich zu sich heran. Das Ganze war mir sehr unangenehm, schließlich kannte ich ihn erst seit einigen Stunden – auch wenn ich nicht leugnen wollte, dass sich bereits etwas wie Gefühle entwickelt hatten - .

Als ich das nächste Mal meine Augen öffnete, war es pechschwarz im Zimmer, obwohl doch eigentlich der Mond durch die Fenster hätte scheinen müssen. Ich richtete mich auf und tastete nach der kleinen vergoldeten Lampe auf dem Nachttischkästchen. Allerdings war ich so orientierungslos, das ich gar nichts fand. Auf einmal spürte ich eine kalte Hand auf meinem Oberschenkel, die dazu führte, dass ich eine Gänsehaut bekam. „Hey, es ist alles gut. Leg dich wieder hin, ich pass auf dich auf“, flüsterte mir Kyron zu. Weil ich nicht wusste, was ich sonst hätte tun sollen, tat ich das Geheißene. Er zog mich näher zu sich heran, sodass ich seinen Körper, der genauso kalt war wie seine Hand, spüren konnte. Sein Atem ging sehr langsam, sein Herz schlug ebenso. Zärtlich legte er seinen Arm um mich, was mich indes frösteln ließ. „Dir ist kalt…und ich bin schuld. Naja, du weißt ja sicherlich, dass das bei Vampiren ganz normal ist und irgendwann wird es auch bei dir so sein. Aber es wird wohl noch ein paar Jahre dauern..hmm..es gäbe da noch eine andere Möglichkeit…“, er brach ab. Seine ganzen Worte hatten so zerbrechlich gewirkt, sehr zaghaft, aber jetzt wollte ich wissen, was er mit der anderen Möglichkeit gemeint hatte: „Welche andere Möglichkeit gibt es denn noch? Wirklich, du kannst es mir erzählen.“ Kyron zögerte noch einige Minuten, in denen ich es nicht wagte, etwas zu sagen, doch dann begann er: „Wir haben ja bereits eine Verbindung durch unsere Hände, welche ich aktivieren kann, dadurch kann ich deine Gedanken nun ja nicht lesen, aber besser raten. Allerdings gibt es eben noch eine zweite Verbindung, die ein Vampir und ein Zukünftiger miteinander schließen können: Wenn du mich dein Blut trinken lassen würdest, dann…dann hätten wir eine ganz andere Ebene erreicht. Und ich würde dir nicht mehr so kalt vorkommen.“ Das war wieder einmal eine Sache, die mich total verwirrte. Auf der anderen Seite dachte ich mir, dass ich nichts (mehr) zu verlieren hatte, also was sollte schon geschehen? Unweigerlich nickte ich, auch wenn er das wegen der allumfassenden Dunkelheit nicht sehen konnte. Er hatte wohl eine Ahnung, denn er legte seine Hand an meinen Hals und näherte sich mit seinem Gesicht, ich konnte seinen Atem auf meiner Haut spüren.
„Entspann dich“
„Das sagst du so einfach“, quietschte ich. Aber ich versuchte es. Keine Sekunde später spürte ich ein Brennen, aber es tat nicht weh, es erfüllte mich ganz mit einer unglaublichen Wärme. Alles um mich herum schien auf einmal hell erleuchtet zu sein, ich konnte jedes Detail genau sehen: den grünen Boden, das Himmelbett, die Fensterfront. Dann wurde es wieder dunkler, wobei ich immer noch besser sehen konnte als vorher. Wortlos legte er sich wieder neben mich und sein Körper fühlte sich jetzt warm an, wunderbar warm. Ich schmiegte mich noch enger an ihn, denn ich wollte noch mehr von dieser Geborgenheit, die er für mich ausstrahlte. Kyron wusste wohl was ich dachte und lies seine Hand über meinen Bauch kreisen. Danach schlief ich wohl ein.

Warme Sonnenstrahlen berührten mein Gesicht, was mich meine Augen mit einem Hochgefühl aufschlagen ließ. Der Sonnenaufgang war atemberaubend. Obwohl es gerade einmal etwa 6 Uhr sein dürfte, fühlte ich mich topfit. Mit einem großen Satz hüpfte ich aus dem Bett, zog mir schnell Kyrons T-Shirt an, welches mir gerade so über meinen Allerwertesten reichte, und stellte mich vor das mittlere Fenster. Es würde heut ein herrlicher Tag werden, da war ich mir sicher. Plötzlich wurde ich von hinten zu jemandem – es konnte ja nur Kyron sein – herangezogen, während er mir gleichzeitig eine Tasse mit etwas Warmen in die Hand drückte. War das warmes Blut?! Allein beim Gedanken daran musste ich schon in Richtung Badezimmer sehen. „Keine Sorge, das ist tatsächlich ganz normaler Tee. Dadurch, dass du noch kein richtiger Vampir bist, verträgst du auch so etwas noch. Du bekommst nur kein Sättigungsgefühl“, sagte er, wobei er sich ein Lachen kaum verkneifen konnte. Unsanft schubste ich ihn beiseite und stemmte meine freie Hand in die Hüfte: „Du findest das also lustig? Hast du ein Glück, dass ich gerade einen verdammt heißen Tee halten muss, sonst könntest du was erleben.“ Jetzt brach Kyron in ein lautes Lachen aus, sodass er sich sogar die eine Hand auf den Bauch legte. Schneller als ich es für möglich gehalten hatte, stand er direkt vor mir, was mich erschrecken ließ. Im letzten Moment griff er nach der vollen Teetasse, um sie auf den Beistelltisch neben dem Bett zu stellen. Dann küsste er mich so leidenschaftlich, dass wieder einmal die ganze Umgebung verschwamm. „Ich liebe dich so sehr. Alles an dir!“, sagte er liebevoll, nachdem er sich von mir gelöst hatte. Mit einem Klaps auf den Po fügte er seinen Ausführungen noch hinzu: „Und jetzt solltest du dir was anständiges anziehen, denn dann zeige ich dir mal das Schiff. Hier gibt es auch eine Einkaufspassage, da können wir dir dann alles Nötige kaufen, damit du nicht mehr halbnackt im Bett mit fremden Männern schlafen musst.“ Immer noch mit seinem T-Shirt bekleidet verschwand ich ins Bad und putzte mir mit der noch frisch verpackten Zahnbürste die Zähne. Als ich wieder in das Hauptzimmer kam, war Kyron bereits fertig angezogen. Ich muss sagen, er gefiel mir so außerordentlich gut: er hatte eine grau-melierte Leinen-Hose und ein schwarzes Hemd an, welches wunderbar mit seinen schwarzen Haaren harmonierte. Sein Blick sagte mir, dass ich mal einen Zahn zulegen sollte. Keine fünf Minuten war ich nun auch endlich fertig und hakte mich bei ihm ein. In der 4. Etage gab es tatsächlich allerhand Geschäfte, die alles anboten, was man so brauchen konnte. Kaum zu glauben, dass ich mich gerade tatsächlich auf einem Schiff befand. Gleich rechts neben dem Aufzug befand sich eine kleine Boutique, die von außen sehr interessante Kleidungsstücke anbot. Kyron hinter mir her ziehend, schritt ich auf den Laden zu. Die Tür öffnete sich automatisch. Im Inneren befanden sich mehrere Tische und Regale, auf welchen sorgfältig gefaltete Shirts lagen. An den Wänden baumelten unzählige andere Klamotten, die hauptsächlich in den Farben rot, schwarz und grün gehalten waren. Mit einem Aufschrei purer Freude stürzte ich mich auf die angebotene Ware. Nach einer Stunde in ein und demselben Laden, hatte Kyron keine Nerven mehr dazu, noch weiter zu bleiben. Er wies die nette Verkäuferin an, alles, was mir bis jetzt gefallen hatte, einzupacken. Freudestrahlend schritt ich aus dem Laden, er folgte mir nur vollbepackt. Im Zimmer sagte er zu mir: „Jetzt bin ich mir sicher, dass du eine Frau bist. Das war ja grausam! Aber so wie du über beide Ohren strahlst, bist du richtig glücklich. Frauen! Keiner kann sie verstehen…“ „Du hast es ja überlebt, außerdem willst du doch auch, dass ich glücklich bin? Und als Frau muss man halt auch einfach auf sein Äußeres achten“, konterte ich. „ Du hast natürlich Recht. In ein paar Stunden werden wir unseren Zielhafen erreichen, dort wartet dann schon ein Auto auf uns. Wobei, wenn ich mir deine Beute ansehe, hätte ich wohl eher einen Bus bestellen sollen“, lenkte er ein. Plötzlich stockte mir der Atem. Kyron stand mit dem Rücken zum Fenster, ich hingegen konnte umso besser sehen, was sich gerade draußen abspielte. Als er meinen verängstigten Blick erkannte, drehte er sich direkt um. „Scheiße“, hörte ich ihn wie in Trance sagen. Ohne weitere Worte rannte er zu mir, hob mich hoch und rannte aus dem Zimmer. So angespannt hatte ich ihn nur bei unserer „Flucht“ aus der Schule gesehen. Vom Geländer des 3. Stocks sprang er in die Eingangshalle ohne dabei auch nur nachzudenken. Ich hingegen schrie aus Angst vor dem Aufprall. Kyron landete wie eine Feder auf dem Boden und rannte sofort weiter. Ich wusste nicht genau, wohin er lief, jedoch eilten noch weitere Männer in die gleiche Richtung. Im Rumpf des Schiffes angelangt, setzte er mich ab und sammelte alle Anwesenden um sich. „Die Hp`zeta haben uns gefunden. Ihr wisst genauso wie ich, was sie wollen, aber wir werden es ihnen nicht geben. Zolei wird bei mir bleiben, ich werde sie beschützen. Ihr zieht sofort eure Rüstung an und dann kämpft!“, schrie er mit seiner gewaltigen Stimme, die keinen Widerspruch duldete, über die Menge hinweg. Sofort zogen die Angesprochenen Truhen zu sich heran, die hier unten gelagert waren. Durch ihren Handabdruck öffneten sich diese und gaben alt wirkende Rüstungen zum Vorschein. Sie wirkten wie ein weiteres Relikt aus vergangenen Zeiten.

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Texte: Yariv
Bildmaterialien: Yariv
Tag der Veröffentlichung: 05.08.2012

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