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Bran und Arif

Genervt ignorierte Bran seinen Vater und rannte durch die Haustür nach draußen. Geschickt wich er ihrem Alpha aus, schälte sich aus seinen Klamotten, verwandelte sich in einen kleinen Roten Panda mit sturmgrauen Augen und sprintete los. Seine Kleidung ließ er einfach zurück.

Auf keinen Fall würde er sich mit einer jungen Bärin verpaaren lassen. Vor sich hin brummelnd drosselte er nach wenigen Metern sein Tempo, denn in seiner tierischen Form hielt er solch ein Tempo nicht lange durch.

 

So wie er seinen Vater kannte, würde dieser ihm bald folgen und ihn zurückholen wollen. Schließlich war die Verpaarung für ihn schon beschlossene Sache.

Da es die letzten Tage stark geregnet hatte, gab es einige schlammige Stellen im Wald. Bran wusste ganz genau, wo sich diese befanden, denn er liebte es, sich in ihnen zu wälzen und sich so abzukühlen. Geschickt kletterte er einen Baum hinauf, bewegte sich in den schmalen Baumwipfeln vorwärts, bis er eine für seine Zwecke passende Schlammpfütze gefunden hatte.

Allein durch seinen Weg über die Bäume hatte er sich schon einen Vorteil verschafft. Denn Bran lebte in einem Braunbärenrudel. Sein Vater war ein Braunbär, der sich vor achtzehn Jahren mit einer Roten Pandawandlerin eingelassen hatte. Aus dieser einen Nacht stammte Bran. Fast genau neun Monate später hatte die Pandawandlerin Bran einfach vor die Tür seines Vaters gelegt und war wieder verschwunden.

Und nun würde er die Bären weiter verwirren. Aus über fünf Metern Höhe sprang er nach unten, landete zielsicher auf allen vier Pfoten im Schlamm und ließ sich sogleich fallen. Genüsslich wälzte er sich darin, bis man nichts mehr von seinem roten Fell sah. Da er sich eine besonders mies riechende ausgesucht hatte, würde die braune Schicht auch seinen Geruch überdecken. Nun musste er nur noch ein Versteck finden, und das am besten so, dass er keine verräterischen Spuren hinterließ.

 

Mit einem großen Sprung katapultierte er sich aus der Pfütze heraus auf einen kleinen Stein und von dort aus an einen Baum. Seine Krallen fanden mühelos Halt in der rauen Rinde und innerhalb von Sekunden hockte er weit oben im Wipfel und überlegte, wo er unterschlüpfen könnte. Dunkle Wolken am Himmel und ferner Donner trieben ihn zur Eile an. Er brauchte eine kleine Höhle oder einen hohlen Baum, wo er für ein paar Stunden trocken bleiben konnte.

 

***

 

Belustigt hockte Jasper sich in einen Sessel und hörte seinem Rudelmitglied beim Schimpfen zu. Der imposante Mann konnte vieles, aber mit den Gefühlen seines Sohnes konnte er nicht umgehen.

„Hör auf, ihn verpaaren zu wollen. Wenn er dir wirklich so lästig ist, werde ich ihn zu mir nehmen und mich um ihn kümmern.“ Damit hatte Jasper die volle Aufmerksamkeit Beons. Dieser starrte ihn fast schon entsetzt an. Immer wieder öffnete und schloss sich der Mund des über zwei Meter großen Mannes. Schließlich strich er sich fahrig durch seine kurzen, hellbraunen Haare und atmete tief durch.

„Ich will ihn doch nicht loswerden. Er könnte mit seiner Gefährtin hier leben. Aber eine Gefährtin würde ihm helfen, endlich aus sich herauszukommen. Sieh ihn dir nur an! Den ganzen Tag ist er alleine, zu Rudeltreffen geht er nicht und auch sonst hat er keinerlei Kontakt zu Gleichaltrigen. Das Mädchen ist sehr nett und sie würde ihn mit ihrer offenen Art ausgleichen und auch mitnehmen. Es ist doch nur zu seinem Besten!“ Ungläubig schüttelte Jasper mit dem Kopf. Beon war manchmal so blind bei seinem Sohn, dass man es gar nicht mehr glauben konnte. Da würde er jetzt einiges richtigstellen müssen.

„Erstens hat dein Sohn kein Interesse an Frauen. Würdest du mal etwas aufpassen, dann wäre dir aufgefallen, dass er Männern hinterhersieht. Und zwar nicht denen in seinem Alter, sondern älteren. Zweitens hat er Kontakt zum Rudel. Allerdings mag er die Jugendlichen nicht, sie sind ihm zu stürmisch und laut. So oft, wie ich ihn erwische, wie er bei irgendwem in seiner tierischen Form auf dem Sofa liegt, Karotten futtert und sich kraulen lässt, ist es ein Wunder, dass du ihn überhaupt noch siehst. Drittens geht er nicht mehr zu Rudeltreffen, weil er so viel Trubel gar nicht mag. Bran liegt lieber ruhig in einer Ecke und beobachtet. Das wäre ihm auf einem Treffen nicht vergönnt, weil du ihn ständig drängst, mit anderen zu unterhalten. Darauf hat er einfach keine Lust.“ So viel an einem Stück sprach Jasper eigentlich eher selten, doch irgendwer musste Beon mal die Wahrheit sagen. So gut er auch mit den Menschen in seiner Umgebung und im Rudel klarkam, seinen Sohn missverstand er komplett und trieb ihn eher weg, als dass er ihn unterstützte.

 

„Überlege dir gut, wie du weiter mit Bran umgehst. Eines kann ich dir nämlich mit Gewissheit sagen: Wenn du dein Verhalten nicht gründlich änderst, wirst du ihn verlieren. Schon jetzt treibst du ihn weg. Und versuche ihn jetzt auf keinen Fall zu finden. Gib ihm etwas Zeit und wenn er heimkommt, entschuldige dich und blase den Mist mit der Verpaarung ab. Bran wird sich seinen Partner selbst suchen, wenn es an der Zeit ist.“ Damit hatte Jasper seinen Job erledigt. Zufrieden strich er sich durch seinen schwarzen Bart und verließ das Haus in der Hoffnung, dass Beon anfing nachzudenken.

 

***

 

Gähnend tapste Bran durch das nasse Gras auf ein Haus zu. Da er gewartet hatte, bis der Regen aufhörte, war er immer noch voll mit getrocknetem Schlamm und roch auch nicht wirklich gut. Er brauchte dringend

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Josephine Wenig
Bildmaterialien: fotolia.com, pixabay.com
Cover: Caro Sodar
Lektorat: Bernd Frielingsdorf
Tag der Veröffentlichung: 26.10.2019
ISBN: 978-3-7487-1874-1

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