Gemütlich streckte Rick seine Beine aus. Dabei bewegte sich sein Hängestuhl leicht hin und her. So könnte jeder Sonntag sein. Ganz entspannt und ruhig. Wobei er das jetzt sechs Wochen lang jeden Tag haben konnte. Die Sommerferien hatten gerade begonnen und solange das Jugendamt nicht auftauchte, war alles gut. Würde sich da jemand zu einem Besuch zu ihm aufmachen, hätte er ein Problem, denn seine Eltern befanden sich irgendwo am anderen Ende der Welt. Rick hatte nicht einmal eine Idee, in welchem Land sie gerade waren. Es interessierte ihn nicht einmal. Schließlich hatte er sie das letzte Mal vor drei Jahren gesehen.
Leises Kichern hallte vom Nachbargrundstück zu ihm herüber. Genervt verdrehte Rick seine dunkelbraunen Augen. Wenigstens gehörte er nicht zum Beuteschema der Frauen. Mit seiner zierlichen Statur und den schulterlangen, roten Haaren gehörte er für sie eher in die Kategorie niedlich und somit nicht interessant. Er hatte bei ihnen einen „Welpenstatus“. Sollte sich jemals jemand für ihn interessieren, würde der durch ein sehr hartes Verhör müssen.
Ganz langsam stellte er seine Füße auf den warmen Holzboden der Veranda. Würde er zu schnell aufstehen, könnte es ihn zusammendrehen. Es herrschten Temperaturen von über dreißig Grad. Seit Wochen hatte es nicht mehr geregnet. Darum nutzte Rick das Wasser aus dem Swimmingpool, um die Pflanzen am Leben zu erhalten. Die Hälfte hatte er schon aufgebraucht. Darum konnte er auch nicht einfach schwimmen gehen. Seine einzige Möglichkeit war, dass er zu den Frauen in den Pool hüpfte.
Mit einer roten Badehose bekleidet, lief er über das Gras. Bei ihm war es noch grün, da er es nicht gemäht und wenigstens etwas mit Wasser goss. Bei seinen Nachbarinnen dagegen war es komplett verbrannt und auch von den schönen Blumenbeeten war nichts mehr übrig. Sie hatten sich entschlossen, dass sie sparen wollten, wo es nur ging. Glücklicherweise war ihr Pool unter einem riesigen Dach, sodass die Sonne nicht direkt darauf schien. Trotzdem waren schon einige Zentimeter Wasser verdunstet.
Wenigstens hatten sie durch ihre Solarzellen so viel Energie, dass sie sein Haus mitversorgten. Dadurch konnten sie es sich auch leisten, in beiden Häusern die Klimaanlagen laufen zu lassen, ohne Angst haben zu müssen vor hohen Stromrechnungen. Außerdem besaßen sie noch zwei Windräder, die aber stillstanden.
Die Grazien räkelten sich auf den Liegen im Garten, streckten ihre perfekten Körper der Sonne entgegen. Keine von ihnen trug ein Oberteil, alle nur ein Bikinihöschen. Leise Grüße murmelnd, marschierte Rick an ihnen vorbei.
Am liebsten wäre er direkt in das Wasser gesprungen, doch das würde sein überheizter Körper nicht aushalten. Also hängte er erst seine Beine hinein, glitt dann nach und nach in den Pool. Augenschließend ließ er sich einfach treiben. Für eine wirklich sportliche Betätigung war es viel zu warm.
„Komm raus, du blasse Rosine.“ Am Beckenrand hockte eine der Frauen. Ihre langen blonden Haare verdeckten dabei netterweise ihre Brüste. Frech streckte Rick ihr die Zunge raus, machte aber das, was sie wollte.
Mittlerweile hatten sich noch mehr Leute eingefunden. Alle Sitzgelegenheiten waren belegt und jeder hatte was zu trinken in der Hand. Garantiert alles alkoholfrei, da die Frauen der Meinung waren, dass bei der Hitze Alkohol keine gute Idee war. Auch Rick bekam etwas in die Hand gedrückt und sie führten ihn zu einer Doppelliege im Schatten, auf der schon ein Adonis lag und nur träge seine Augen öffnete.
„Mein Bruder Shane, unser Nachbar Rick. Amüsiert euch gut.“ Schulterzuckend ließ Rick sich mit auf die Liege fallend, achtete dabei sorgfältig darauf, nichts von dem Wasser im Glas zu verschütten. Ohne sich abzusprechen, schwiegen sie sich an, versuchten sich so wenig wie möglich zu bewegen.
Je später es wurde, desto mehr kühlte es ab. Ab und zu brachte eine der Frauen ihnen etwas zu trinken und sah sie ganz gespannt an. So als ob sie auf etwas warteten. Das fiel nicht nur Rick auf.
„Sie nerven mit ihrer Verkuppelei. Zwar finde ich dich wirklich heiß, doch unter ihren Augen werde ich dich nicht vernaschen. Außerdem ist es zu warm für jegliche Konversation oder Annäherung. Wir würden nur aneinander kleben bleiben.“ Zustimmend nuschelte Rick etwas. Ächzend erhob Rick sich, drückte seinen Rücken durch. Er würde sich verdünnisieren und auf seiner eigenen Veranda die Ruhe genießen. Durch die hohe Hecke zwischen ihren Grundstücken konnten die Frauen ihn nicht mehr mit Blicken nerven.
Auffordernd hielt er Shane die Hand hin. Schließlich konnte er den Mann nicht den Frauen überlassen. Wenigstens war er dank seiner Verwandtschaft anscheinend schon abgesegnet. Er sah mit seinen raspelkurzen, schwarzen Haaren, den Muskeln und dem behaarten Oberkörper einfach nur heiß aus. Nachdem er aufgestanden war, überragte er Rick um fast anderthalb Köpfe.
Obwohl man die Leute von nebenan noch hörte, war es doch viel angenehmer auf der eigenen Veranda. Solange Shane nichts zu essen wollte, konnte Rick dessen Gesellschaft genießen. Schweigend verbrachten sie die Zeit zusammen, bis die Sonne unterging. Mit einem Haarewuscheln verabschiedete Shane sich und verschwand in den Garten der Nachbarinnen.
Texte: Josephine Wenig
Bildmaterialien: pixabay.com
Cover: Josephine Wenig
Tag der Veröffentlichung: 26.08.2018
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