Seelenruhig schnippelte Jano die Zwiebeln, während um ihn herum die Hölle los war. Sieben Frauen in knappen Klamotten wirbelten um ihn herum und schnatterten wie aufgeregte Hühner. Sie freuten sich schon auf die Party am Abend. Nur Jano blieb ganz ruhig und kochte für seine Schwestern. Sie brauchten eine solide Grundlage, um die ganze Nacht durchzumachen. Zwar tranken sie keinen Alkohol, doch es wurde trotzdem anstrengend.
Leise summend schmiss er alles in die Pfanne. Viel konnte er nicht am Herd, denn normalerweise kochte ihre Haushälterin. Doch die hatte frei, deswegen übernahm Jano.
Zehn Minuten später stellte er die Pfanne in die Mitte und pfiff einmal laut. Sofort holte sich jede seiner brünetten Schwestern einen Teller und setzte sich brav hin. Jano behielt den Kopfplatz und hatte somit einen guten Blick auf jede einzelne seiner Schwestern. Die Frauen hatten alle einen perfekten Körper und ähnelten sich auf eine faszinierende Art und Weiße. Nicht nur im Aussehen, sondern auch vom Verhalten her. Seine Eltern hatten sieben wunderbare Mädchen zustande gebracht.
Und dann war er gekommen. Der erste Sohn und das Nesthäkchen, welches nicht geplant gewesen war. Für seine Mutter war es eine kleine Katastrophe gewesen, denn sie hatte wieder arbeiten wollen. Deswegen hatten seine Schwestern und ein Kindermädchen ihn aufgezogen. Jano war darüber nicht sauer. Er hatte eine tolle Kindheit gehabt und seine Schwestern bemutterten ihn immer noch. Da brauchte er seine Mutter gar nicht. Sein Vater dagegen vergötterte ihn und würde am liebsten mehr Zeit mit Jano verbringen. Doch er musste sich auch um seine Geschäfte kümmern.
Dafür hatte Jano einen Weg gefunden, sich immer an mindestens eine seiner Schwestern zu hängen. Er hatte eine Ausbildung zum Fotografen gemacht und ihnen die Rechte an allen Fotos abgequatscht.
Dank der coolen Jobs seiner Schwestern machte es richtig Spaß.
Die ältesten zwei fuhren professionell Motorrad. Jacky und Leila hatten es wirklich drauf mit ihren Bikes Stunts zu machen. Mit ihren zweiunddreißig Jahren gehörten die Zwillinge zu den Oldies in der Szene. Emily war nur ein Jahr jünger und arbeitete als Eventmanagerin auf der ganzen Welt. Sarah, Kira und Kati waren zwar Drillinge, doch hatten sie komplett unterschiedliche Wege eingeschlagen. Mit ihren neunundzwanzig Jahren hatte sich Sarah einen Namen als Rechtsanwältin gemacht. Kira arbeitete bei ihrer Mutter im Luxusimmobiliengeschäft und Kati modelte. Mit ihren sechsundzwanzig Jahren war Abby die Jüngste. Sie hatte sich einen Namen in der Extremsportlerszene gemacht. Sie liebte Adrenalin und die Gefahr. Bei ihr bekam Jano die besten Bilder.
Seit er seine Ausbildung vor einem halben Jahr beendet hatte, flog er durch die ganze Welt. Vermutlich der Traum eines jeden Zwanzigjährigen.
Im Moment aber befanden sich alle in ihrem Haus an der deutschen Nordsee. Den August nahmen sich immer alle frei, um einen ganzen Monat miteinander zu verbringen. Sie hatten in der Zeit viel Spaß und ihr Vater befürwortete das sehr.
„Planänderung. Ein paar unserer Freunde haben keine Lust auf die Party und kommen deswegen her. Sie bringen noch ein paar Leute und jede Menge Fleisch mit. Da es etwas kurzfristig ist, kümmern sie sich auch um den ganzen restlichen Mist.“ Blitzschnell tippte Kati mit ihren roten Krallen auf ihrem Handy herum.
So wie Jano die Freunde seiner Schwestern einschätzte, blieben ihnen noch knapp dreißig Minuten, bis diese vor der Tür standen. Das teilte er auch seinen Schwestern mit und schon brach Hektik aus. Sie rannten alle in verschiedene Richtungen. Wenigstens hatten sie ihre Teller fast leer gegessen. Da er seine schwarzen Haare raspelkurz geschnitten hatte und immer in Jeans und Karohemd unterwegs war, brauchte er sich nicht herzurichten. Da es draußen heiß war, hatte er allerdings seine Jeans gegen eine knielange, schwarze Hose getauscht.
Schnell räumte Jano die Küche auf, schmiss sich danach auf eine Liege am Pool und wartete einfach ab. Er gehörte nicht so wirklich zu den Partygängern, wurde aber von seinen Schwestern zu jeder mitgenommen. Darum kannte er auch jeden einzelnen ihrer Freunde. Wobei die ihn vermutlich nicht erkannten, da Jano sich dezent im Hintergrund hielt. Mit seiner zierlichen Statur, seinem schlichten Klamottengeschmack und seiner stillen Art fiel er nicht auf. Jeder achtete eher auf seine perfekten Schwestern und darüber war Jano wirklich froh. Er mochte es nicht, wenn ihm jemand Aufmerksamkeit schenkte.
Sein Handy klingelte. Ohne auf das Display zu sehen, hob er ab.
„Hallo Lieblingskind. Alles okay bei euch?“ Selbst durch das Telefon hindurch hörte Jano seinem Vater an, dass er müde war.
„Ja und bei dir? Du klingst nicht so gut.“
„Sag mir bitte, dass du schwul bist. Ich habe genug von Weibern. Hier ist eine Kundin, die jeden Tag etwas anderes und nur mit mir sprechen will. Meine Töchter sind zwar klasse Frauen, aber sie haben manchmal absurde Ideen und von deiner Mutter will ich gar nicht erst anfangen.“ Nur schwer konnte sich Jano ein lautes Lachen verkneifen. Möglichst ernst outete er sich: „Da hast du ja wirklich Glück. Tatsächlich bin ich schwul. Allerdings wirst du dich damit anfreunden müssen, dass mir reifere Männer gefallen.“
„Egal. Hauptsache ich muss mich nicht mit noch einem Weib herumschlagen. Und Enkelkinder wird es ja wohl bei sieben Töchtern geben. Die mögen schließlich alle Männer. Bring mir bitte endlich mal einen ordentlichen Schwiegersohn ins Haus. Nicht so einen Hänfling, der außer labern nichts kann.“ Dieses Mal konnte Jano das Lachen nicht zurückhalten.
„Dazu müsste erst einmal ein Kerl auftauchen. Momentan sieht es da wirklich schlecht aus.“ Bei seinem Vater rief jemand im Hintergrund etwas.
„Sorry Darling. Die Arbeit ruht nie. Wir sprechen uns bald mal wieder. Hab dich lieb.“ Ohne auf eine Antwort zu warten, legte sein Vater auf.
Vom Haus her ertönte lautes Lachen und das Geräusch einer sich nähernden Meute. Nur Sekunden später betrat der erste die große Terrasse, gefolgt vom Rest. Sie bemerkten ihn nicht einmal. Zwischen ihnen befand sich der große Pool. Zudem konnte Jano zwei seiner Schwestern erkennen, die in Minirock und bauchfreien Oberteil richtige Hingucker waren. Innerhalb der kurzen Zeit hatten sie es tatsächlich geschafft, ihre Haare zu machen und sich zu schminken.
Souverän bewegten Emily und Sarah sich zwischen den vielen Menschen, unterhielten sich mit ihnen und fühlten sich sichtlich wohl. Jano blieb lieber, wo er war. Er wüsste nicht einmal, über was er mit den Besuchern sprechen sollte. Wobei er schon gerne den hochgewachsenen weißhaarigen Mann angesprochen hätte. Der trug nur eine rote Badehose und Sneakers, präsentierte so einen heißen Körper. Aus der Ferne konnte Jano es nicht genau erkennen, doch der Oberkörper und die Arme waren definitiv tätowiert. Gesehen hatte Jano ihn bisher nicht gesehen, doch Kati kannte ihn definitiv, denn sie umarmte ihn und lachte mit ihm.
Den wollte Jano fotografieren. Seine Kamera lag allerdings in seinem Zimmer. Kurz haderte Jano mit sich selber. Einerseits wollte er seinen Platz nicht aufgeben, andererseits gab es viele tolle Motive. Vor allem als die ersten den Pool entdeckten und hineinsprangen. Innerhalb kürzester Zeit trug er die meisten Klamotten und es waren mittlerweile um die zwanzig Leute, die sich bei ihnen eingefunden hatten.
Der Geruch nach Fleisch durchzog die Luft und immer wieder stellte jemand eine Schüssel auf den großen Tisch, welcher komplett im Schatten der großen Eiche stand. Dieser überschattete fast die gesamte Terrasse. Nur der Mann am Grill bekam die volle Ladung Sonne ab. Auch die Frauen auf der weißen Treppe zum Pool hinunter sonnten sich. Sie trugen nur noch Bikinis. Bei den Temperaturen wäre auch alles andere viel zu warm. Selbst Jano überlegte, ob er sein Shirt ausziehen sollte. Es hatte über dreißig Grad im Schatten.
Es dauerte weitere zehn Minuten, bis ihm so warm war, dass er sich seines Hemds entledigte. Nach kurzem Überlegen lief er dann auch zum Haus. Er hatte Durst und ein paar gute Schnappschüsse wären auch mal wieder toll. Sein letztes Bild auf seiner Homepage war schon ein paar Tage alt. Seither hatte ihm die Muse gefehlt, sich auf die Suche nach einem Motiv zu machen und danach das Ganze noch zu bearbeiten. Wobei seine Schwestern so viel Humor hatten, dass sie über miese Bilder lachen konnten.
Keiner beachtete ihn, denn genau in dem Moment rief der Chef des Grills, dass die ersten Bratwürste fertig waren. Sofort stürmte der größte Teil dorthin, um sich etwas zu sichern.
Aus den Augenwinkeln beobachtete Matteo den zierlichen Mann, der gerade im Haus verschwand. Noch wollte Matteo ihn nicht ansprechen. Schließlich wusste er noch gar nichts über das Objekt seiner Begierde. Vielleicht war der Schwarzhaarige ja hetero oder er stand nur auf junge Männer. Matteo wusste, dass er sich für seine fünfunddreißig Jahre gut gehalten hatte. Zwar besaß er schon weiße Haare, doch das hatte eher was mit seinen Genen zu tun. Schon im Alter von fünfundzwanzig hatte er die gehabt. Mit seinem Ex hatte er sich einige Male gestritten, warum er sie nicht einfach färbte, um nicht so alt zu wirken. Doch Matteo mochte sie.
Geduldig lauschte Matteo Kati, die ihm gerade etwas über ihren kleinen Bruder erzählte. Geschichten über diesen hatte er ja schon oft gehört, doch bisher war ihm Jano nicht über den Weg gelaufen. Was schon ein Wunder war, so oft wie er sich mit eine der sieben Schwestern traf. Mit jeder von ihnen hatte er eine Freundschaft schließen können und es machte immer wieder Spaß, mit ihnen abzuhängen. Sie hatten genau die richtige Portion Verrücktheit, um es mit ihnen aushalten zu können. Dagegen musste ihr jüngerer Bruder das genaue Gegenteil sein: der Ruhepol in dem Haufen aufgeregter Hühner.
Wobei in ihm der Verdacht aufkam, dass er gerade den kleinen Bruder von ihnen direkt vor sich hatte. Denn der Süße kam genau in dem Moment wieder aus dem Haus, in der einen Hand ein volles Glas, um den Hals eine teuer aussehende Kamera und mit der freien Hand piekste er Jacky, die ihm dafür eine Kopfnuss verpasste. Bei genauerem Hinsehen konnte man sogar eine gewisse Ähnlichkeit finden.
„Kann es sein, dass du gerade unseren liebenswerten, kleinen Bruder anstarrst?“ Lachend rammte Leila ihm ihren Ellbogen in die Seite. Matteo verzog nur ganz kurz das Gesicht, obwohl es wehtat. Für so eine zierliche Person hatte Leila ganz schön Kraft.
„Stimmt. Im Gegensatz zu euch scheint er liebenswert zu sein. Vielleicht solltet ihr mal bei ihm Nachhilfe nehmen, damit ein Mann auch mal längerfristig bei euch bleibt und nicht gleich wieder abhaut.“ Kurz schmollte Leila, lachte dann gleich wieder und zerrte ihn zu Jano hinüber. Der befand sich gerade in der Hocke, das Glas neben sich auf dem weißen Steinboden stehend, und eine Rothaarige fotografierte, die einen Spagat auf der Begrenzungsmauer machte. Gleichzeitig flirtete sie mit der Kamera. Wieder und wieder klickte der Auslöser.
„Jano? Das ist Matteo. Ihr habt euch, glaub ich, noch gar nicht getroffen.“ Nur kurz schielte Jano nach oben, als Leila sie vorstellte. Matteo konnte noch erkennen, wie sich die Wangen röteten, schon widmete Jano sich wieder seiner Kamera.
„Unser kleiner Zwerg ist schüchtern. Schwer vorstellbar, aber tatsächlich so. Wir haben schon vermutet, dass er als Baby vertauscht wurde. In Wahrheit kommt er eher nach unserem Vater.“ Nur mit halben Ohr hörte Matteo ihr zu. Sein Blick hing auf dem Ansatz der Poritze, die hervorblitzte. Lange konnte er den Ausblick nicht genießen, denn Leila schubste ihren Bruder. Gerade noch so konnte Matteo sich ein Augenrollen verkneifen.
Am liebsten hätte Jano seine Schwester erwürgt. Sie blamierte ihn hier vor einem mehr als nur heißen Kerl. Wenn das nur nicht typisch seine Schwester wäre, dann könnte er ihr sogar mal länger böse sein. So lief es mit allen seinen Schwestern. Bei sieben war das wirklich anstrengend. Ruhig rappelte Jano sich wieder auf und suchte sich ein neues Model. Es gab genügend davon. Jede Frau auf der Grillparty mutierte sofort zum Supermodel, wenn er mit der Kamera auf sie zielte.
Warum mussten Schwestern nur so peinlich sein? Wobei es langweilig werden würde, wenn sie es nicht mehr wären. Wenigstens achteten sie darauf, dass es nicht passierte, wenn jemand Fremdes sie filmen konnte. Schließlich standen sie alle im Rampenlicht.
Schnell trank er sein Glas leer, ließ es auf dem Boden stehen und fixierte den Grillmeister an. Ein Riese von über zwei Metern mit glattrasiertem Kopf, der nur eine weiße Unterhose und eine knallrote Kochschürze trug. Manchmal fragte Jano sich schon, warum seine Schwestern mit solch merkwürdigen Leuten befreundet waren. Im Schneiderschnitz hockte er sich seitlich zu dem Mann und justierte seine Kamera neu, bis ihm die Einstellungen gefielen. Der Mann war so auf das Fleisch konzentriert, dass er nicht einmal bemerkte, was Jano da tat. Janos Fokus wanderte von dem Mann zu dem Fleisch. Wieder und wieder drückte er den Auslöser. Zwischendurch kontrollierte er ein paar der Bilder auf dem kleinen Display.
Ein Glas Cola wurde direkt vor seine Linse gehalten.
„Vergiss nicht zu trinken. Und jetzt iss erst einmal etwas, bevor es nichts mehr gibt.“ Das bezweifelte Jano zwar, doch er wollte Matteo nicht widersprechen. Deswegen positionierte er seine Kamera vor sich und trank ein paar Schlucke. Zum Aufstehen hatte er gerade keine Lust, denn der Stein war noch angenehm kühl. Er saß genau am Rande des Schattens. Etwas zur Seite robbend, konnte er sich bequem an die Begrenzungsmauer lehnen.
Etwas verwirrt starrte er das Kissen an, welches Matteo ihm vor die Nase hielt. Erst als der Ältere ihm befahl, sich draufzusetzen, verstand er und hob seinen Hintern etwas hoch und schob es darunter. Matteo verschwand derweil zum Grill und drängelte sich einfach vor. Ohne ihn aus den Augen lassend, angelte Jano gleichzeitig mit seinem Fuß nach seiner Kamera, zog sie ganz vorsichtig zu sich, bis er sie greifen konnte. Einen ganzen Teller schichtete Matteo voll. Geschickt balancierte er ihn zu Jano und platzierte neben Jano, setzte sich daneben.
„Nimm dir, was du willst. Das reicht für uns beide.“ Als ob Jano das nicht klar wäre. Was er dagegen nicht verstand: warum tat Matteo das? Es liefen mehr als genug heiße Frauen und Männer auf der Grillparty herum, die definitiv eine bessere Gesellschaft als Jano waren. Trotzdem blieb der Mann bei ihm und stimmte in das Schweigen Janos ein.
Keiner nahm Jano mit. Nur Matteo wurde mit fragenden Blicken konfrontiert. Ab und zu suchte sogar jemand ein Gespräch, doch Matteo blockte ab. Gemeinsam futterten sie alles bis auf die Knochen weg. Diese blieben auf dem Teller liegen. Den tauschte Kati kurz darauf gegen eine Schüssel mit Erdbeeren aus. Dabei gewährte sie Matteo einen Blick in ihren tiefen Ausschnitt.
„Pass bloß auf, dass da keiner reinfällt“, spottete Matteo darüber nur. Erstaunt wanderte eine Augenbraue Janos in die Höhe. Noch nie hatte er erlebt, dass jemand diese Offenherzigkeit von Kati ignorierte. Wenn sie sich so anbot, warf jeder wenigstens einen Blick darauf. Matteo dagegen sah Kati in die Augen. Dafür nahm Matteo ihn sofort ins Visier, als Jano in eine Erdbeere biss. Janos Augenbraue flirtete noch immer mit seinem Haaransatz, als er zurückstarrte und sich die restliche Erdbeere auf einmal in den Mund schob. Geschickt löste er das Grüne und spuckte es aus.
Langsam fühlte Jano sich unter dem Blick unwohl. Ungelenk erhob er sich, schnappte seine Kamera und flüchtete in die Kühle des Hauses. Sein Ziel war der Keller. Die Treppe dorthin versteckte sich hinter einer unsichtbaren Tür in der Vorratskammer. Man musste auf einen kleinen Knopf in einem der Regale tippen, damit sie sich öffnete. Ein ganzes Regal, wo nur Nudeln drin gelagert wurden, schob sich zur Seite. Das System hatte ihr Vater sich ausgedacht, um die Kinder von den Kühltruhen fernzuhalten. Sonst hätten sie wohl jeden Tag alles Eis weggegessen. Aber dank der Geheimtür hatte ihr Vater den Eiskonsum kontrollieren können.
Aus einer Kühltruhe wühlte Jano sich das Erdbeereis heraus. Die Schachtel war schon halbleer, weswegen Jano sich nicht die Mühe gemacht hatte, eine Schüssel zu nutzen. Er nahm einfach die Schachtel mit. Dabei stellte er fest, dass er unbedingt seinen Vorrat auffüllen musste. Er liebte die Eisbecher, welche ihnen der Supermarkt als typisch amerikanisch verkaufte. Vor allem das mit den Keksteigbällchen könnte er jeden Tag verschlingen.
Zurück in der Küche nahm er noch einen Löffel mit. Wirklich Lust auf noch mehr Gesellschaft von Menschen hatte er nicht. Darum war sein nächstes Ziel der Dachboden. Von dort aus konnte man hinaus aufs Dach, wo es eine kleine Plattform gab, auf die man sich gerade so draufsetzen konnte. Sie befand sich auf der sonnenabgewandten Seite. Das Dach spendete also Schatten, sodass man es gerade noch so aushalten konnte. Ihr Vater hatte den kleinen Aufstieg durch ein Geländer und ein Netz abgesichert, damit auch wirklich nichts passierte. Demnächst sollte noch ein kleines Dach das Ganze abrunden.
Mit einem Seufzen plumpste Jano in den Schneidersitz. Nachdem er den Deckel abgemacht hatte, löffelte er los. Dabei beeilte er sich etwas, da das Eis sehr schnell schmolz. In so luftiger Höhe wehte sogar eine leichte Brise, die ein klein wenig kühlte. Viel half es zwar nicht, doch Jano wollte sich nicht beschweren. Der Geruch nach Salz lag in der Luft und lockte Jano. Direkt am Meer würde es kühler sein. Dafür müsste er sich nur in eins ihrer unzähligen Autos begeben und losfahren.
Wobei er auch ein Motorrad oder den Roller nutzen könnte. Aber für die volle Montur war es zu warm. Also blieb automatisch nur eins der Autos über. Geschickt kletterte er wieder ins Haus.
Seine Schwestern schmissen alle Autoschlüssel in eine abschließbare Schublade. Der Schlüssel für diese lag in einem kleinen Tresor hinter einem Bild. Ohne Probleme tippte Jano ihn ein, schloss mit dem Schlüssel die Schublade auf und räumte ihn wieder weg.
Unschlüssig wühlte Jano sich durch die Autoschlüssel. Bei so viel Auswahl fiel es schwer, sich bewusst für einen zu entscheiden. Nach fünf Minuten schnappte er sich irgendeinen. Hauptsache das Auto funktionierte und er schaffte es bis zum Strand. Da ihre Wagen regelmäßig durchgecheckt wurden, brauchte Jano sich da keine Sorgen zu machen. Darum war es auch egal, welchen Schlüssel er letztendlich in der Hand hielt.
Nachdem er sich Turnschuhe angezogen hatte und sich ein weiteres Mal gründlich mit Sonnenmilch eingecremt hatte, schaffte er es ungesehen aus dem Haus und in die Garage hinein. Mithilfe der Funkfernbedienung war es leicht, das passende Auto zu finden. Ein weißer Mini, der direkt neben dem Tor parkte. Lächelnd stieg Jano ein, drückte auf den Knopf für das Tor und fuhr los, kaum dass es weit genug offen war.
Links und rechts erstreckten sich weite, grüne Felder. Zweimal passierte Jano einen Deich, auf dem Schafe grasten, bis er in einer kleinen Stadt anhielt. Nun musste er nur noch über den letzten Deich und wäre an einem traumhaften Strand. Für ihn war er das jedenfalls. Andere empfanden das nicht so, da der Sand fehlte. Dafür gab es eine grüne Wiese, die bis zum Wasser hinunterreichte, nur unterbrochen von einem gepflasterten Weg ein paar Meter vom Meer entfernt. Auf diesem konnte man wunderbar über mehrere Kilometer das Meer genießen, ohne Sand zwischen den Zehen zu haben. Irgendwann wollte Jano mit einem Freund hierher und kuschelnd die Sterne betrachten, während im Hintergrund das Meer rauschte. Vielleicht auch ein bisschen mehr als kuscheln.
Oben auf dem Deich stehend, betrachtete Jano die Menschen unter sich. Da es ein sehr heißer Tag war, drängten sich die Leute dicht an dicht. Auch auf dem Weg, welcher sich auf dem Deich entlang schlängelte, war richtig viel los. Es störte Jano nicht wirklich, denn die kühle Meeresbrise glich das wieder aus. Außerdem würden es weniger Menschen werden, je weiter man sich von dem Hauptzugang entfernte. Sich nach links wendend, machte er sich auf die Suche nach einem etwas ruhigeren Platz, wo er sich einfach ins Gas schmeißen und schlafen konnte.
Ganz gemütlich schlenderte Jano los, betrachtete interessiert seine Umgebung. Er mochte die vielen unterschiedlichen Eindrücke. Hin und wieder wich er spielenden Kindern aus. Knapp zwei Kilometer entfernt fand er seinen Platz. Jemand hatte einen Sonnenschirm vergessen und in dessen Schatten lümmelte Jano sich ins Gras und wünschte sich genau in dem Moment seine Kamera. Direkt vor seiner Nase spielten mehrere Männer Fußball. Der Sport an sich interessierte Jano nicht, doch gutaussehende Männer fesselte immer seine Aufmerksamkeit.
Seit über zwei Stunden genoss Jano den Ausblick. Die Männer hatten wirklich Ausdauer und auch richtig Spaß bei der Sache. Jano wäre schon längst umgekippt. Ihn erschöpfte schon das zusehen. Durst hatte er auch, aber nichts zu trinken. Da hatten die Spieler schon besser mitgedacht. In einer Kühltruhe hatten sie jede Menge Flaschen. Schweren Herzens erhob Jano sich. Sein Durst trieb ihn dazu, sich wieder auf den Weg zurück zu machen. Vielleicht konnte er später noch einmal herkommen.
Handyklingeln ließ ihn in der Bewegung innehalten. Auf dem Display leuchtete die Nummer ihres Haustelefons auf. Genervt plumpste Jano zurück auf den Boden und nahm das Gespräch an.
„Wo bist du? Wir haben dich seit Stunden nicht mehr gesehen?“ Sorge klang in der Stimme von Kati mit. Im Hintergrund hörte Jano seine anderen Schwestern, die aufgeregt durcheinander schnatterten.
„Am Strand. Ich guck ein paar heißen Kerlen zu, die richtig gut mit Bällen sind.“ Für einen Moment herrschte Stille in der Leitung, dann prustete Kati los. Sofort bemühte sie sich, dass wieder unter Kontrolle zu bringen. Doch wenn Kati einmal anfing, dann konnte sie nicht mehr aufzuhören. Augenverdrehend beendete Jano das ‚Gespräch‘.
„Schön, dass dir unsere Ballkünste und Astralkörper auffallen. Dafür spendieren wir dir sogar was zu trinken, bevor du umkippst.“ Grinsend reichte ihm einer der Männer eine Flasche Wasser. Errötend nahm Jano die Flasche entgegen, murmelte ein leises ‚Danke‘ in die Richtung des Mannes. Der ging direkt vor ihm auf die Knie.
„Du machst mir aber jetzt keinen Antrag, oder?“
„Scheiße! Der Kleine ist der Hammer!“ Laut lachend umringten ihn die Kerle und ließen sich rund um Jano herum nieder. Alle richteten ihren Blick auf das Meer hinaus. Wobei sich das Wasser gerade langsam zurückzog und das Watt zurückließ. Einer sprang nach nur wenigen Minuten auf, packte die nun leere Kühltruhe und verschwand einfach. Jano schenkte dem keine Beachtung. Durstig leerte er die halbe Flasche. Seine Finger schlossen sich um das kühle Plastik. Es würde sich schnell erwärmen. Wobei der Wind etwas aufgefrischt hatte und so noch mehr Abkühlung versprach.
Auf einmal erhoben sich alle und widmeten sich sehr auffällig dem Ball.
„Deine Schwestern haben mich gezwungen, nach dir zu sehen.“ Ohne Platz zwischen ihnen zu lassen, setzte Matteo sich neben Jano, legte einen Arm um dessen Schultern. Er wirkte nicht wirklich so, als ob er gezwungen werden würde. Eher so, als ob er das sehr gerne übernommen hatte. Doch Jano verkniff sich jeden Kommentar. Der Arm fühlte sich sogar richtig gut an, nur etwas ungewohnt.
Eine Hand drückte seinen Kopf gegen die Schulter von Matteo, kraulte ihm sacht über den Kopf. Wäre Jano eine Katze, würde er schnurren. So begnügte er sich damit, sich noch ein klein weniger näher an Matteo zu schmiegen. Irgendwie war das Ganze gerade etwas surreal und vermutlich würde es noch komischer werden, sobald seine Schwestern sich mit einmischten. Und das würden sie auf jeden Fall tun. Sie steckten ihre Nasen in alles, was Jano betraf. Vermutlich hatten sie auch die Sache mit Matteo eingefädelt, weil Jano niemals einen Mann angesprochen hätte. Obwohl er beleidigt sein sollte, dass sie ihn so bevormundeten, war Jano einfach nur froh darüber. Auch wenn Matteo am Ende des Tages wieder seine Wege gehen würde, so hatte Jano wenigstens ein paar neue Erlebnisse.
Der Mann mit der Kühlbox kam wieder, reichte im vorbeilaufen Jano ein Eis. Auch Matteo bekam eins. Die Spieler gesellten sich wieder zu ihnen, ließen allerdings einen Sicherheitsabstand.
Leise murmelte Matteo ein ‚Danke‘. Sacht ließ er seine freie Hand über den zierlichen Rücken streichen. Ihm gefiel das Gefühl der weichen Haut.
Zum Glück hatte er das Verhör der Schwestern erfolgreich absolviert hatte, konnte er es sogar genießen. Hinter dem Rücken der sieben Furien wäre es reiner Selbstmord gewesen. Da sie ihn aber kannten und mochten, wussten sie, dass er Jano nicht wehtun würde. Seine Vorstellungen passten gut mit denen der Schwestern zusammen. Sie ergänzten sich in vielen Bereichen. Besonders da er Jano sah und nicht die Frauen.
Unauffällig veränderte Matteo seine Sitzposition. Total vertieft, lutschte Jano an seinem Eis, ließ seine kleine rosa Zunge immer wieder drum herumwandern. Nur mit Mühe konzentrierte Matteo sich auf sein eigenes Eis. Einige böse Blicke sorgten auch dafür, dass die Fremden um ihn herum, aufhörten mit gaffen. Er wollte Jano nicht mit ihnen teilen. Wobei sie Jano vermutlich nicht einmal kannten. Nur ganz kurz lenkten ihn die Gedanken ab. Bewusst konzentrierte Matteo sich aufs Meer. Seine Hose war zu eng für eine Erektion und die konnte er nicht verhindern, wenn er weiterhin Jano zusah.
Fertig mit dem Eis, spielte Jano nur noch mit dem Holzstiel. Resolut nahm Matteo ihm diesen weg und hievte sich in die Höhe. Auffordernd hielt er Jano seine Hand hin, der sie auch sofort ergriff und sich hochziehen ließ. Den Männern gab er nur ein kurzes Nicken als Abschiedsgruß, während Jano noch leise ‚Tschüss‘ sagte. Brav folgte Jano ihm, ließ sogar zu, dass sie Händchen hielten.
Leider mussten sie sich am Parkplatz voneinander lösen, da auch Matteo mit dem eigenen Auto angekommen war. Er konnte ja schlecht sein Auto stehen lassen, besonders da es sich um einen teuren Wagen handelte. Auch wenn er sich locker einen neuen leisten könnte, so achtete er doch lieber auf seinen Besitz. Es machte für ihn keinen Sinn, ständig etwas Neues zu kaufen, wenn das alte noch gut war. Man musste nur gut darauf aufpassen.
Damit Jano sich nicht aus dem Staub machen konnte, fuhr Matteo direkt hinter ihm her. Doch Jano fuhr tatsächlich direkt zurück zum Haus der Schwestern und stieg dort aus. Janos Schwestern hingen natürlich sofort alle in den Fenstern. Gerade noch so, dass sie sich nicht eins teilten, sondern sich auf mehrere aufteilten. Sehr subtil waren sie trotzdem nicht.
„Meine Schwestern sind so verdammt liebenswert.“ Jano achtete darauf, mit dem Rücken zum Haus zu stehen. Seine Schwestern konnten schließlich vieles und vermutlich auch Lippen lesen. Theatralisch verdrehte er die dabei die Augen. Lachend nickte Matteo, kam auf ihn zu und ergriff wieder seine Hand.
„Bieten wir ihnen doch etwas“, murmelte Matteo leise, beugte sich nach vorne und legte seine Lippen auf Janos. Vor lauter Überraschung konnte er gar nicht reagieren. Es war so schnell vorbei, dass Jano es nicht einmal genießen konnte. Er wollte es gleich noch einmal probieren und streckte sich deswegen. Wenn ihn schon einer küsste, dann aber bitte so, dass er auch was davon hatte.
Matteo schien es auch nichts auszumachen, dass Jano mehr forderte. Sanft übernahm er die Kontrolle. Überdeutlich spürte Jano, wie sich eine Hand von Matteo auf seinen Hinterkopf, fixierte ihn so. Die andere glitt auf Janos Hintern, packte aber nicht richtig zu.
Leise stöhnend klammerte Jano sich an Matteos Schultern fest. Als sie sich schließlich lösten, schnappte Jano nach Luft, murmelte leise „Wow“.
„Das kannst du ruhig lauter sagen. Beim nächsten Mal können wir es gerne mit Zunge und ohne sabbernde Zuschauerinnen probieren. Eure Putzfrau muss morgen unbedingt Fenster putzen. Da sind Make-Up-Spuren drauf. Wirklich liebreizende Schwestern hast du da.“ Sanft presste Matteo ihn an seinen Körper, lachte leise bei seinen Worten. Jano verstand nur die Hälfte, da er viel zu beschäftigt war, jedes Detail von Matteos Körper an seinem in sein Gedächtnis zu brennen. Schließlich würde Matteo sicher bald wieder abreisen oder von seinen Schwestern vertrieben werden.
Erneut griff Matteo nach seiner Hand, gab Jano so genug Kraft, sich den Frauen entgegenzustellen. Nur das diese nicht wie erwartet in der Eingangshalle warteten. Jano hörte ihre Stimmen von der Terrasse. Automatisch übernahm Jano die Führung, zerrte Matteo blitzschnell nach oben zu seinem Zimmer. Wobei bei seiner Entscheidung auch mit reinspielte, dass es dort angenehm kühl war und er einen kleinen Kühlschrank mit gekühlter Cola und Schokolade besaß. Von der Sonne und der Hitze hatte er erst einmal genug für heute. Sonst würde er wohl noch einen Hitzschlag erleiden.
An der Tür ließ er Matteo zurück, plumpste müde in sein großes, schwarzes Himmelbett und starrte hinauf zu dem leichten Stoff. Durch den leichten Wind der Klimaanlage bewegten sich die Vorhänge und schufen eine seltsame Stimmung.
Neben ihn senkte sich die Matratze ab und Matteo schob sich in sein Gesichtsfeld.
„Ich habe die Tür abgeschlossen, also können deine liebreizenden Schwestern uns nicht stören. Hast du Fragen an mich? Oder willst du etwas Bestimmtes machen.“ Ohne nachzudenken, schnellte Jano hoch und hauchte Matteo einen Kuss auf die Lippen. Lachend beugte Matteo sich über ihn, leckte langsam und sinnlich über die Mundwinkel von Jano. Langsam schob er sich über ihn, bedeckte schließlich Janos ganzen Körper mit seinem. Sein Gewicht verlagerte er dabei auf seine Ellbogen, sodass Jano nur eine Ahnung davon bekam, wie viel Matteo wog.
Instinktiv schlang Jano seine Arme um den Nacken des Größeren, krallte sich in dessen Haare fest. Die weißen Strähnen fand er wahnsinnig anziehend. Auch die Lachfalten machten ihn für Jano unwiderstehlich. Schmetterlinge fingen an, in seinem Bauch zu flattern. Unwillkommene kleine Biester, die Jano einfach nicht aufhalten konnte, egal wie gern er das tun würde. Sie würden elendig zugrunde gehen, wenn Matteo einfach wieder verschwand.
Leise seufzte Jano in den Kuss. Sein ganzer Körper hob vom Bett ab, in dem Versuch sich an Matteo zu reiben. Sein Verstand ging einfach in den Schlafmodus, überließ den Schmetterlingen einfach die volle Kontrolle. Diese tobten durch seinen ganzen Körper, tanzten in seinen Adern Samba.
Erschrocken quietschte Jano wie ein kleines Schwein, als Matteo sie mit Schwung umdrehte. Jano lag nun auf Matteo, mit seinem vollen Gewicht. Doch als Jano sich aufrichten wollte, packte Matteo ihn, murmelte ein „Bleib so“ und machte einfach weiter mit seiner Zungenakrobatik. Etwas zögerlich entspannte Jano seine Muskeln.
Nach unzählig weiteren Küssen rutschte Jano nach unten, legte seinen Kopf auf die breite Brust und lauschte einfach nur dem Herzschlag. Ihre Beine verschlangen sich und die Finger von Matteo massierten ihm sanft den Kopf. Obwohl er schon fast schmerzhaft erregt war, tat Jano nichts weiter, als sich in dem Herzschlag Matteos zu verlieren. Langsam rutschte er ins Land der Träume, nur um abrupt wiederaufzutauchen. Natürlich meldete sich seine Blase genau in dem Moment und Durst hatte er auch auf einmal. Genauso wie Hunger. Sein Körper zog wirklich alle Register.
„Pipi, Durst, Hunger. Genau in dieser Reihenfolge und das jetzt“, teilte er Matteo mit, strampelte sich frei und rannte regelrecht in sein Bad. Hinter sich knallte er die Tür zu. Leise verfluchte er seinen Körper für seine Bedürfnisse. Am liebsten würde er seinen Körper dafür bestrafen, dass er die Zweisamkeit unterbrach. Kurz überlegte er, ob er noch schnell duschen sollte. Doch er wollte so schnell wie möglich zurück zu Matteo. Nicht das dieser heimlich verschwand oder seine Schwestern ihn in Beschlag nahmen.
Von seinen eigenen Gedanken genervt, stapfte Jano zurück in sein Zimmer. Das war leer, Matteo nicht mehr da. Genervt griff er sich eine Flasche Spezi aus seinem Kühlschrank, schmiss sich in sein Bett. Knurrend hockte er sich wieder auf, trank einige Schlucke und stellte die Flasche danach sicher auf den Boden. Auf klebrige Flecken im Bett hatte er keine Lust, schließlich musste er darin schlafen.
„Die liebreizenden Diven im Garten haben uns mehrere Sandwiches gemacht und sie sogar gekühlt. Außerdem haben sie eine Schüssel mit Kondomen, einer Flasche Gleitgel und einer Packung Feuchtetücher in die Hand gedrückt. Allerdings werden wir das heute garantiert nicht nutzen, vielleicht in ein paar Tagen oder so.“ Bei den Worten Matteos wusste Jano nicht, ob er vor Scham im Boden versinken und seine Schwestern erwürgen oder seinen Schwestern danken sollte.
Matteo stellte den eiskalten Teller direkt auf Janos Bauch. Erschrocken zog Jano seinen Bauch ein. Bedenklich wackelte der Teller. Grinsend rettete Matteo ihn.
Am Rande seines Gesichtsfelds stand die verheißungsvolle Schüssel mit ihrem Inhalt, der Spaß versprach. Auch wenn er definitiv noch nicht soweit war, so lockte und verwirrte sie ihn doch. Vielleicht sollte er sie unters Bett schieben, damit sie ihn nicht weiter beschäftigte. Als Matteo einen kurzen Abstecher ins Bad machte, versteckte Jano sie wirklich blitzschnell unter dem Bett. Er musste seine Gedanken in jugendfreie Bahnen lenken und das ging nicht, wenn man eine Schüssel voll mit Kondomen vor der Nase hatte. Sie leuchteten regelrecht und regten sein Kopfkino viel zu stark an.
Dem dreckigen Grinsen von Matteo nach, bemerkte der das Verschwinden sofort und hatte vermutlich genau die richtigen Gedanken. Um sich abzulenken, nahm Jano sich eins der Sandwiches, biss hinein und kaute mechanisch. Schmecken tat er nichts, doch es gab ihm etwas zu tun und er musste nicht zu Matteo sehen.
Es war fast schon zu süß, wie Jano mit roten Wangen auf dem Bett hockte, den Kopf über den Rand neigte und ihn ignorierte. Das mit der Schüssel war wirklich gemein, doch den Spaß hatten sich die Schwestern nicht verkneifen können. Wenn Matteo nicht die Hoffnung hätte, sie noch innerhalb der nächsten Zeit gebrauchen zu können, hätte er sie auch abgelehnt. Doch die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt. Wobei er sich ganz nach Jano richten würde.
„Wehe du isst in meinem Bett! Krümel haben da nichts zu suchen“, knurrte Jano ihn an. Nun verstand Matteo auch, warum Jano so komisch dahockte. Dem Jüngeren zuliebe aß Matteo zwei der Sandwiches im Stehen. Er wollte Jano schließlich nicht verärgern. Mit etwas Glück konnte Matteo ihm noch einige Küsse abluchsen. Da es schon Abend war, könnte er vielleicht auch eine ganze Nacht bei Jano im Bett verbringen. Ein Gähnen von Jano zeigte ihm, dass der Kleine tatsächlich müde war und da er schon im Bett lag, brauchte Matteo sich nur dazu zu gesellen.
Ohne große Proteste ließ Jano zu, dass Matteo ihn an sich zog. Nur ein leises Grummeln entkam Jano und kurz versteifte Jano sich. Dann erst wurde Jano weich und kuschelte sich an Matteo. Zufrieden umschlang Matteo ihn, rieb sein Kinn vorsichtig über das kurze Haar. Sacht ließ er seine Hand an der Wirbelsäule entlangstreichen, fuhr in jeden Zwischenraum. Hoch und runter. Immer wieder, bis der Atem von Jano ganz ruhig und gleichmäßig ging.
Vorsichtig ruckelte Matteo sich zurecht. Der Kopf von Jano lag nun in seiner Armbeuge. Matteo spürte jeden Atemzug Janos an seiner Haut. Ihre Beine waren ineinander verschlungen und ein Arm von Jano lag auf seinem Bauch. Trotz, dass sie sich nicht einmal einen Tag kannten, wusste Matteo, dass er gerade den Richtigen bei sich hatte, den er nie wieder hergeben würde.
Müde malte Jano Kreise ins Brusthaar von Matteo. Er mochte das Gefühl. Beim Aufwachen hatte er kurz einen Schrecken bekommen, doch sich schnell wieder beruhigt. Schließlich hatten sie beide noch etwas an und gegen kuscheln konnte man nichts sagen. Außerdem war es gerade sehr bequem. Von draußen kitzelten Sonnenstrahlen ihn an der Nase, Vögel zwitscherten um die Wette und irgendwo im Haus lachte eine seiner Schwestern viel zu laut.
„Guten Morgen, Engelchen. Gut geschlafen?“ Eine Hand griff nach seiner, spielte mit den Fingern. Zustimmend murmelte Jano etwas.
„Wäre es okay für dich, wenn ich erst einmal hier einziehe? Deine Schwestern haben garantiert nichts dagegen.“ Überrascht schielte Jano zu Matteo hoch. Mit allem hatte er gerechnet, aber nicht mit so einem Satz.
„Natürlich erstmal nur für ein paar Tage. Mein eigenes Haus ist ungefähr neunzig Kilometer entfernt und jeden Tag dorthin zu fahren ist etwas anstrengend. Ich würde heute ein paar Sachen holen und sobald du die Schnauze voll hast, verschwinde ich wieder.“ Die Erklärung leuchtete Jano ein. Er hätte auch keine Lust, täglich so eine lange Strecke zu fahren.
„Okay. Kannst du dann bitte das Frühstück aus der Küche holen. Mir gehört das weiße Tablett.“ Ihre Köchin richtete immer verschiedene Tabletts an, die sie sich holen konnten, wenn sie wach wurden. Sie standen auf Kühlplatten, sodass nichts schlecht wurde und jeder so lange schlafen konnte, wie er wollte.
Warnend hob Matteo eine Augenbraue, als Kati ihn necken wollte. Ein Kopfschütteln signalisierte ihr, dass er keine Details über die Nacht preisgeben würde. Zwar war nichts passiert, doch das würde er den neugierigen Hühnern nicht auf die Nase binden. Denn wenn eine etwas wusste, dann wussten es alle. Sie teilten jede noch so kleine Information miteinander. Sie besaßen sogar eine eigene Whatsapp-Gruppe, von der Jano vermutlich keine Ahnung hatte. Selbst Matteo hatte nur durch Zufall davon erfahren.
Kichern verfolgte Matteo bis in die Küche, wo ihn ein etwas seltsamer Anblick erwartete. Vier der Schwestern saßen, nur mit Bikinis bekleidet, am Tisch. Sie spielten Mensch ärgere dich nicht und frühstückten nebenbei. Auf einer Küchenanrichte stand ein weißes Tablett ganz alleine da. Darauf stapelten sich verschiedene Brötchen, Marmelade, Schokolade, Wurst, Butter, Frischkäse und Käse. Außerdem gab es eine Schüssel mit Müsli und ein kleines Kännchen Milch. Sogar zwei Teller, Tassen und Besteck hatten noch Platz gefunden. Es würde eine etwas wackelige Angelegenheit werden, dass nach oben zu Jano zu bringen. Aber Matteo würde es machen, denn ein Frühstück im Bett, alleine mit Jano, war die Mühe definitiv wert. So früh am Morgen, ohne Kaffee, würde er die sieben Schwestern nicht aushalten. Sie machten ziemlich viel Lärm und verhielten sich gar nicht ihrem Alter entsprechend. Eigentlich kannte Matteo sie als perfekte Damen, die erstklassige Manieren hatten und wussten, wie sie sich zu benehmen hatten. Doch hier waren sie das genaue Gegenteil, so als hätte jemand ihre Persönlichkeiten einfach umgedreht.
Da wunderte es Matteo auf einmal nicht mehr, dass keine von ihnen verheiratet war und kein Kerl es lange mit ihnen aushielt. Besonders da man vermutlich mit einer zusammen war, es aber mit allen aushalten musste. Da blieb er doch lieber bei Jano. Dessen ruhige Art gefiel ihm viel besser.
„Mati! Warte mal kurz!“ Augenverdrehend blieb Matteo stehen. Er hasste es, wenn sein Name abgekürzt wurde. Jano würde er es vielleicht erlauben, aber nicht den Diven.
Außer natürlich, eine der besagten Diven stellte ihm eine Tasse schwarzen heißen Kaffee auf das Tablett und zwinkerte ihm zu. Da könnte er vielleicht auch eine Ausnahme machen.
„Danke.“ Das dazugehörende Lächeln meinte Matteo sogar ernst. So früh am Morgen ein ehrliches Lächeln von ihm zu bekommen, schafften nur wenige Menschen. Ruhig balancierte er alles die Treppen hinauf. Die Tür stand noch offen und Jano hatte sich scheinbar nicht bewegt. Auf dem Bauch liegend, versteckte er sein Gesicht in dem Kopfkissen. Gerade einmal die Decke bedeckte den Hintern. Wobei Matteo wusste, dass Jano noch eine kurze Hose anhatte. Vielleicht konnte er Jano überreden, diese nachher auszuziehen.
Überdeutlich spürte Jano den Blick Matteos auf seinem Rücken. Einerseits genoss Jano es, andererseits wollte er sich bedecken. Der Drang wurde immer stärker, je länger Matteo starrte. Schließlich gab er nach und zerrte sich die Decke über den Kopf. Leises Lachen schwebte durch den Raum und das Bett neben ihm senkte sich ab. Leises Klacken zeigte, dass Matteo das Tablett abgestellt hatte. Das Bett neben ihm senkte sich ab und eine Hand legte sich auf seinen Rücken, strich leicht darüber. Geschickt schlängelte Matteo sich mit unter die Decke, schmiegte sich an ihn.
Keuchend drängte Jano sich gegen die warme Haut von Matteo. Er liebte das Gefühl jetzt schon. Lippen zupften an seinem Ohrläppchen, fühlten sich wahnsinnig gut an.
Genau in dem Moment mussten zwei seiner Schwestern anfangen, direkt vor der Zimmertür zu streiten. Laut und mit sich überschlagenden Stimmen. Sie zerstörten den Moment einfach, vermutlich ohne es zu wollen. Matteo über ihm wurde ganz starr. Verübeln konnte Jano es ihm nicht, denn diese Seite an seinen Schwestern kannte keiner außerhalb der Familie. Sobald jemand zu Besuch war, rissen sie sich zusammen und präsentierten sich als Einheit.
„Wirklich liebreizende Geschöpfe … ich wusste, dass hinter den perfekten Fassaden Monster stecken müssen“, kommentierte Matteo nur trocken.
„Du musst sie mal erleben, wenn zwei auf dieselbe Person stehen, dann ist hier die Hölle los. Einmal war es so schlimm, dass ich zu meinem Dad gezogen bin. Als Konsequenz daraus, hat er mir eine Wohnung hier in der Nähe geschenkt. Die hab ich allerdings an einen Bekannten und seine Frau vermietet, da sie sonst immer leer steht“, erzählte Jano leise, wusste selber nicht so genau, warum er das preisgab. Schließlich wollten seine Schwestern eine harmonische Familie nach außen hin präsentieren.
Kopfschüttelnd ließ Matteo sich neben Jano aufs Bett fallen, lauschte scheinbar interessiert den Streithähnen, welche sich netterweise langsam entfernten.
„Sieh es als Ehre an. Sie streiten sonst nie vor jemanden außerhalb der Familie. Selbst ihre ganzen Partner haben nie etwas mitbekommen. Da war immer eitel Sonnenschein. Manchmal bin ich wirklich froh, dass sie sich monatelang nicht sehen und ich von einer zur nächsten reisen kann. Wenn ich wirklich Abstand brauche, verbringe ich auch mal ein paar Wochen bei Dad und nerve ihn.“ Es tat gut, das mal auszusprechen, denn so sehr Jano seine Familie auch liebte, sie konnten anstrengend sein. Mindestens einmal im Jahr wünschte er sich eine ganz normale Familie, die nicht so stark aneinander hing. Doch dann erlebte er wieder etwas Verrücktes und schon konnte er sich sein Leben nicht mehr anders vorstellen.
„Ab sofort darfst du dich auch gerne zu mir flüchten oder ich gehe mit dir auf Reisen und ärgere deine liebreizenden Schwestern. Arbeiten kann ich schließlich von überall aus. Meine Firma leitet sich ja fast schon von selber.“ Vor lauter Überraschung wusste Jano nicht, was er dazu sagen sollte. Schließlich kannte er Matteo erst seit gestern und der plante schon ihre Zukunft.
„Natürlich werden wir erst genauere Pläne machen, wenn dieser Monat um ist. Jetzt lernen wir uns erst einmal kennen und dann darfst du entscheiden, wie es weitergeht. Schließlich bist du auch davon betroffen.“ Die Aussage beruhigte Jano zwar etwas, aber seine Gedanken kreisten trotzdem weiterhin um den Fakt, dass Matteo schon genau zu wissen schien, wie es weitergehen sollte.
Nach ein paar endlosen Minuten würgte Jano sie einfach ab, indem er sich aufsetzte und das Tablett vom Boden hob, es direkt vor sich aufs Bett stellte. Die Zeit würde schon zeigen, was aus ihnen zweien werden würde. Vielleicht flüchtete Matteo schon in ein paar Tagen aus dem Haus, weil er Janos Schwestern nicht mehr ertragen konnte. Sie nahmen sich ja nicht zurück, obwohl sie wussten, dass Matteo im Haus war. Das könnten ein paar interessante Wochen werden.
Der letzte Augusttag war da. Alle packten eifrig ihre Klamotten und suchten ihre Pässe und was sie sonst noch brauchten. Nur Jano saß faul in einem der Hängesessel auf der Terrasse und sah dem Treiben scheinbar ungerührt zu. Er würde heute noch nicht abreisen, sondern noch mit Matteo zwei Wochen Ungestörtheit genießen, bevor sie zusammen zu einem Videodreh von Abby fahren würden. Danach war eine Modenschau in Mailand geplant, wo Kati mitlief. Im Anschluss würde Jano Fotos von einer Immobilie für Kira schießen und dann hatte er erst einmal Urlaub. Und Matteo würde ihn die ganze Zeit begleiten.
Denn Matteo war nicht geflüchtet. Tapfer hatte er sich gegen die Schwestern gestellt und sie sogar um den Finger gewickelt. Noch immer fand Jano es lustig, wenn Matteo die Frauen ganz unauffällig beeinflusste, sodass sie machten, was er wollte.
Eine nach der anderen kam zu ihm nach draußen, gab ihm einen Kuss auf die Stirn und verabschiedete sich. Allmählich kehrte Stille in das große Haus ein. Genießend schloss Jano seine Augen und wartete einfach ab. Matteo hatte sich nämlich wohlweislich verkrümelt. Angeblich hatte er einen wichtigen Termin in der Firma, doch Jano wusste es besser: der Ältere hatte keine Lust, sich unzählige Reden darüber anzuhören, dass er auf Jano aufpassen sollte.
Vermutlich wartete Matteo hinter der nächsten Kurve, bis auch die letzte Schwester abgedüst war.
Tatsächlich betrat dieser genau in dem Moment die Terrasse, grinste ihn an: „So liebreizend deine Schwestern auch sind, bin ich jetzt wirklich froh, dich für mich ganz alleine zu haben.“ Entspannt lehnte Matteo sich nach vorne, küsste Jano sacht. Mehr wollend, schlang Jano seine Arme um den Hals von Matteo, hielt ihn so an Ort und Stelle. Innerhalb kürzester Zeit war er süchtig geworden nach Berührungen von Matteo. Er liebte sie genauso sehr wie die Haare von Matteo. Mit denen konnte er stundenlang spielen, ohne dass ihm langweilig wurde.
„Zwei Wochen hast du mich. Dann geht’s los. Aber keine Angst: einzeln sind sie handzahmer und wirklich liebreizend. Erst zu Weihnachten bekommst du wieder die volle Dröhnung Frauenpower.“
„Erinnere mich bloß nicht daran“, nuschelte Matteo, leckte gleich darauf über den Punkt unter Janos Ohr, der ihn fast willenlos machte. Den hatte Matteo ganz schnell gefunden und für sich zu nutzen gewusst. Zwar hatten sie noch nicht miteinander geschlafen, trotzdem kannte Matteo schon viele Punkte an Janos Körper, die diesen fast in den Wahnsinn trieben. Aber Matteo überschritt nie die Grenze, er wartete geduldig. Manchmal hatte Jano ein schlechtes Gewissen, das er so zögerte und sich nicht so ganz traute. Doch Matteo nahm es ihm jedes Mal und meinte, er wäre schon zufrieden mit ihrer momentanen Beziehung. Der Sex konnte noch warten, bis Jano soweit war. Bis dahin könne er sich mit seiner rechten Hand und jeder Menge Fantasie begnügen.
Matteo hatte Janos Schwestern überlebt, nun würde ihn etwas Enthaltsamkeit schon nicht vertreiben oder umbringen. Hoffte Jano auf jeden Fall, denn er wollte Matteo nicht verlieren. Die Zeit hatte alle seine Zweifel langsam verstummen lassen. Die Zukunft würde sie hoffentlich noch enger zusammenschweißen. Und sollte Matteo sich jemals trennen, konnte Jano sich wenigstens damit trösten, dass seine Schwestern ihn zur Schnecke falten und bereuen lassen würden. Jano wünschte sich nur noch, dass keiner ihnen Probleme machte und sie nie in der Presse landen würden. Denn er wollte sein Glück nur mit Matteo und seiner Familie teilen. Keinen sonst ging es etwas an: nur ihn und Matteo.
„Ich liebe dich“, flüsterte er leise an Matteos Lippen und lächelte glücklich, als Matteo sofort erwiderte: „Ich dich auch.“ Das Leben konnte so schön sein. Denn er hatte etwas, was selbst seine Schwestern noch nicht gefunden hatten: die Liebe, welche hoffentlich ein ganzes Leben hielt. Und wenn nicht: er würde sie genießen, solange er konnte.
Texte: Josephine Wenig
Bildmaterialien: Pixabay, Bearbeitung: Josephine Wenig
Cover: Josephine Wenig
Tag der Veröffentlichung: 26.10.2017
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