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„Tick Tack Tick Tack“ alles was ich hörte war das Ticken der großen Wanduhr. Ich sahs auf einen kühlen weißen Stuhl und wusste nicht mehr wo ich hin schauen sollte. Egal wohin meine Augen wanderten, ich sah immer wieder die gleichen Bilder vor meinen Augen. Egal ob sie offen oder geschlossen waren. Immer wieder sah ich Julie vor mir. Wie sie auf das Brückengeländer stieg und die Arme wie ein Seiltänzer ausbreitete. Sie war aber kein Seiltänzer und so rutschte sie ab und fiel. Erschrocken schrie ich auf. Gerade waren wir noch so glücklich und ausgelassen gewesen. Wir hatten unsere Prüfungen bestanden und nun stand das ganze Leben uns offen. Julie und ich wollten in Frankfurt Medizin studieren und waren gerade feiern gewesen. Natürlich war Alkohol geflossen und ich hatte endlich meinen Schwarm Matthias angesprochen. Er wollte ein Date mit mir. Alles schien wunderbar zulaufen und dann Das …
Lange Zeit hörte ich nur meinen eigenen Schrei wie er langsam in der Dunkelheit verhallte und dann kam der Aufschlag. Das Geräusch lies mir alle Nackenhaare zu Berge stehen und war nicht beschreibbar. Es verfolgte mich jetzt noch. An das was danach passierte konnte ich mich nur noch schemenhaft erinnern.
Das Erste was ich wieder klar erkannte war mein Großerbruder der mich in den Arm nahm und einfach nur fest hielt. „Was ist mit ihr?“ schluchzte ich und schaute ihm in die Augen. Zaghaft schüttelte mein Bruder den Kopf. Meine Welt brach zusammen. Julie tot? Das konnte, nein das durfte nicht sein. Sie war meine beste Freundin seit der ersten Klasse und wir hatten so viel zusammen erlebt. Es musste sich um ein Missverständnis handeln. Sie war immer die Lebensfreude pur und verschwand nicht einfach so aus meinem Leben. Wut stieg in mir auf, wie konnte sie mich jetzt allein lasse? Wie sollte ich mein Leben ohne sie meistern.
„Anna“ ich wurde aufgerufen und betrat das Sprechzimmer der Psychologin. Zu ihr ging ich nun schon seit fast ein ein halbes Jahr. Meine Eltern hatten mich zu ihr geschleppt weil ich seit Julies Tod nichts mehr essen wollte und auch keine Nacht mehr richtig schlief. Ich hatte zwar mit dem Studium angefangen aber nichts machte mir mehr Spaß. Aber war das verwunderlich. Julie war meine beste Freundin und ich machte mir Vorwürfe wegen ihres Todes. Hätte ich nur besser aufgepasst, hätten wir weniger getrunken dann könnte sie noch Leben. Hätte, hätte, hätte das machte Julie auch nicht wieder lebendig. Wenn ich nicht gerade die Bilder des Unfalles wie einen Film in meinen Kopf ansehen musste dann sah ich Frau Wagners Gesicht vor meinem geistigen Auge. Julies Mutter war zur Beerdigung ihrer Tochter so verzweifelt gewesen, dass ich mich noch schlechter fühlte. Sie hatte zwar zu mir gesagt, dass ich keine Schuld am Tod trug, aber in ihren Augen sah ich deutlich den Vorwurf.
„Wie geht es dir?“ Das war immer die Eingangsfrage bei meinen wöchentlichen Sitzungen beim Seelenklempner. Ich zuckte mit den Schultern. Die Kälte die ich Seit Julies Tod im ganzen Körper spürte und mir nachts den Schlaf raubte schränkte mich mittlerweile körperlich ein. Meine Hände waren immer eiskalt und manchmal fehlte mir jedes Gefühl. Baer ich schaffte es nicht dieses Gefühl irgendwie auszudrücken.
Wir redeten fast eine Stunde und mein Herz verklumpte sich immer mehr. Ich konnte das Geschwafel nicht mehr hören. Vielleicht half diese Art von Therapie anderen Menschen aber mir tat nur das Herz umso mehr weh, wenn ich mich weiter mit dem Unglückstag beschäftigte. Ich wollte nicht immer wieder ihren Sturz erleben. Ich wollte meine Augen schließen können und endlich mal nicht außer der beruhigenden Schwärze sehen.
Endlich war ich an der frischen Luft und durfte Nachhause gehen. Auf meinem Weg ging ich durch den Park. Ich schaute die alten Eichen an und kam ins Grübeln.
Hätte Julie gewollt dass ich nicht weiter lebe. War das ihr Vorstellung vom Leben? Nein sie liebte das Leben und wollte sicherlich, dass ich es genoss. Meine Gedanken gingen Jahre zurück. In Ethik hatten wir über den Tod gesprochen. Wir beide waren uns damals einig gewesen, falls einer von uns sterben sollte so solle der andere für ihn weiter leben. Plötzlich ging mir ein Licht auf. Ich durfte mein Leben nicht wegwerfen. Julie hätte es nicht gewollt und ich würde ab sofort für sie weiterleben. Mit einem leichten Lächeln machte ich mich auf dem Weg. Eh ich nach Hause ging schaute ich noch bei ihrem Grab vorbei. Lange stand ich da und beobachtete den Grabstein. Ich verabschiedete mich von ihr und versprach wieder vorbei zu kommen aber erst in einem halben Jahr. Denn nun wollt ich erst mal ein Semester in USA gehen. Vielleicht konnte ich mit dem Abstand besser mein neues Leben beginnen. Aber Julie würde immer in meinem Herzen bleiben. Zum ersten Mal seit ihrem Tod spürte ich etwas Wärme in meinem Körper.

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Tag der Veröffentlichung: 11.10.2012

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