Cover




Inhalt des zweiten Bandes:



4. Nagareboshi ni Onegai wo
5. Hikari to Kage
6. Kiseki wo Shinjite



4. Nagareboshi ni Onegai wo


(Ich wünsche auf eine Sternschnuppe)





Mahou wo tsukaeru you ni nagareboshi ni onegai wo.
Wenn eine Sternschnuppe fällt, wünsche ich mir, daß ich zaubern könnte.


- Takeru -


Tadaima!

Das sagt jemand bei uns, wenn er die Wohnungstür aufschließt. Damit wissen all diejenigen, die sich in der Wohnung aufhalten, daß derjenige nun nach Hause gekommen ist.

Die richtige Antwort auf ‘Tadaima‘ lautet übrigens ‘Okairi‘ Das sagen dann diejenigen, die sich in der Wohnung aufhalten, damit derjenige, der nach Hause gekommen ist, weiß, daß diejenigen die sich in der Wohnung aufhalten wissen, daß er nun nach Hause gekommen ist. So einfach ist das.

Bei mir ist es sogar noch viel einfacher. Wenn ich ‘Tadaima‘ sage, bekomme ich in 95% aller Fälle, überhaupt keine Antwort, weil sich nämlich niemand außer mir in der Wohnung aufhält.

Wenn ich von der Schule heimkomme, ist mein Vater normalerweise noch in der Arbeit. Am Wochenende unternehmen wir manchmal was zusammen, aber meistens muß er vom Sender aus auf irgendwelche Veranstaltungen. Dann bin ich bei meiner Mutter und Takeru.

Mir macht das nix aus, ich weiß ja, daß Redakteur beim Fernsehen ein stressiger Job ist, und daß man nicht soviel Privatleben hat, wie man es gerne hätte. Und es ist ja nicht so, daß er mich vernachlässigen würde. Ich hab‘ immer alles, was ich brauche, zu Essen, Klamotten, Sachen für die Schule und Spielzeug.

Davon sogar jede Menge, denn als Fernsehredakteur verdient man ja nicht schlecht. Andere Kinder mögen sich drüber streiten, ob die Playstation nun cooler ist, als der Nintendo 64, oder ob der Gameboy eine bessere Graphik hat, als der Wonder Swan. Mir ist’s wurscht, denn ich hab‘ alles zusammen!

Wenn ich im November zwölf werd‘, krieg‘ ich endlich einen richtigen Computer und ein eigenes Handy.

Das mit dem Handy darf ich aber nicht meiner Mutter erzählen, sie ist dagegen, daß Kinder Handys haben, weil das Ding angeblich irgendwelche Wellen aussendet, die schädlich für Gehirn und Wachstum sind, sagt sie.

Mir macht das Alleinsein wirklich nix aus, ich müßte ja gar nicht allein sein, wenn ich es nicht wollte. Ich bräucht‘ ja nur den Jungs aus meiner Klasse zu erzählen, was ich alles für’n Krempel hab‘, und schon hätt‘ ich an jedem Finger zehn Freunde, und die Playstation Spieler würden den Nintendo 64 Spielern die Türklinke in die Hand geben.

Pfeif‘ ich aber drauf!

Schon ein komisches Gefühl, nach so langer Zeit, wieder in den eigenen vier Wänden abzuhängen. Vier oder fünf Monate waren wir nun in der Digiwelt gewesen, und als wir gestern zurückgekehrt sind, war immer noch der erste August. Also war ich in Wirklichkeit nur einen Tag weg.





Mein Vater ist ein notorischer Schlamper, und so genügt ihm ein Tag vollkommen, um die Wohnung in ein komplettes Chaos zu verwandeln.

Wie das Ding ausgesehen hätte, wenn ich nach vier Wochen aus dem Ferienlager heimgekommen wäre, daran wage ich gar nicht zu denken.

Wahrscheinlich hätt‘ ich dann erstmal das biochemische Versuchslabor im Kühlschrank schließen, das schmutzige-Wäsche-Biotop chemisch vernichten, und den Käfer und Schaben Zoo in der Küche auflösen können. Obwohl, um den hätten sich dann schon die Ratten gekümmert.

Gestern war ich allerdings zu müde, um noch irgendwas aufzuräumen. Nachdem wir durch Vamdemon’s Tor in die reale Welt zurückgekehrt waren, konnten wir erstmal quer durch ganz Tokyo wetzen, um den achten Digiritter zu suchen.

Ganz recht, es gibt einen achten Digiritter. Ein weiteres Kind, das den ganzen bescheuerten Schlamassel mitmachen muß, und der arme Kleine weiß wahrscheinlich noch gar nix von seinem Glück.

Vamdemon, dieser Vampirverschnitt hat ihm eine ganze Armee fieser Didschis auf den Hals gehetzt, a.k.a. Godzillas, und Mothras in der Live-Version, (und wie heißt der Schildkrötentyp, der das Eis spuckt, den vergess‘ ich immer?)

Wir haben gestern gesucht, wir haben heut‘ gesucht, und morgen werden wir wieder suchen! Ich hob ein Hemd auf, das mein Vater im Flur liegengelassen hatte, und schmiß es in den Wäschekorb. Muß der Kerl seine Sachen immer überall auf dem Boden ausbreiten?

Meine Mutter hat mal gesagt, es ist ein übriggebliebener Trieb aus der Höhlenmenschenzeit, Männer wollen ihr Revier markieren. Da Takeru und ich ja auch Männer sind, haben wir natürlich sofort angefangen unser Spielzeug im ganzen Haus zu verteilen, worauf unsere Mutter einen Riesenkrach schlug.

Ja, damals wohnten wir noch in einem Haus. Wir alle zusammen. Aber was soll’s, vorbei ist vorbei, und es ist mir sowieso wurscht. Als einsamer Wolf hat man genug andere Sorgen, und als Digiritter gleich dreimal mehr.

Ich flacke mich auf die Couch, und glotze fern. Kommt nix Gescheites, wieder mal nur Schrott. Takeru will immer fernglotzen, wenn er hier ist, weil er hier alles anschauen darf, und daheim nicht.

Heut‘ war wieder so ein Scheißtag!

Wir sind immer zu zweit los, Taichi und Koushirou, Sora und Mimi, Takeru und ich. Jou hat die Namenslisten aus unseren alten Klassen gekriegt, damit er alle Leute durchrufen kann. “Hallo, mein Name ist Kido Jou. Besitzt ihr Sohn/ihre Tochter vielleicht so ein kleines fiependes Ding? Nein kein Tamagotchi! Ein...äh.. Digivice!“

Bin ja gespannt, wie viele er erwischt, bevor irgendwer die netten Onkels in den weißen Kitteln ruft.

Gegen sieben wollte ich Takeru nach Hause bringen. Er sollte daheim sein, bevor es dunkel wird, damit Mama sich keine Sorgen macht.

Nur einsehen wollte mein Brüderchen das natürlich nicht, fing mitten in der U-Bahn an, rumzuquengeln. Daß er schon groß sei, das er allein nach Hause fahren könne, daß ich aufhören solle, ihn zu bevormunden. Die ganze alte Leier.

Ich nahm’s nicht weiter krumm, er war wirklich mit den Nerven völlig am Ende.

Digiritter sein, ist kein leichter Job für einen Achtjährigen, und Takeru hat in seinem jungen Leben sowieso schon einiges mitmachen müssen.

Manchmal frag‘ ich mich echt, wie er das alles verarbeiten kann. Wenn bei uns zu Hause rumgeschrien wurde, hat er sich immer die Finger in die Ohren gesteckt, oder sich unter der Bettdecke verkrochen.

Wir reden noch eine Weile über belangloses Zeug. Wir sehen uns nicht an dabei, sondern glotzen in unsere Spiegelbilder in der Fensterscheibe.





Die unsichtbare Glaswand. Furchtbar symbolisch, nicht?

Manchmal wird mir verdammt bewußt, wie sehr wir uns voneinander entfernt haben.

“Onii-chan,“ sagte Takeru plötzlich in vollkommen veränderten Tonfall. “du mußt nicht den ganzen Weg mit mir nach Hause fahren. Es ist okay, wirklich. Ob wir uns jetzt verabschieden, oder später, wo liegt denn der Unterschied?“





“Nein, ist schon in Ordnung. Ich weiß, daß du schon groß bist, und den Weg allein fahren kannst. Aber du mußt auch an Mama denken, sie würde sich Sorgen machen, wenn du allein unterwegs bist.“

Wenn Takeru schlechte Laune hat, steckt er damit unweigerlich Patamon an. Der kleine Flatterhamster hatte nicht die geringste Lust auf seinem Schoß zu sitzen, sondern hockte oben auf der Gepäckablage.

Zum Glück war unser Abteil leer, denn ein orangefarbener Riesenhamster mit Flügelohren hätte doch für etwas Aufruhr gesorgt. Neben ihm hockte Tsunomon und die beiden unterhielten sich im Flüsterton miteinander.

Worüber, konnten wir nicht verstehen, es war allerdings sehr wahrscheinlich, daß sich das Gespräch um uns drehte.

Plötzlich fragte Patamon: “Es muß dir wohl sehr schwer fallen, dich immer wieder von deinem Bruder trennen zu müssen.“

“Halt die Klappe!“ fauchte Takeru, “hör bloß auf, so einen Blödsinn zu reden!“

“Na, schön, ich sag‘ nichts mehr!“ Beleidigt drehte sich Patamon zur Wand.

Shibuya Zentrum. Noch zwei Haltestellen bis zu Takeru’s Wohngegend.

“Ich steig‘ jetzt aus!“ Kaum hatten sich die Türen geöffnet, flatterte das wütende Patamon auch schon hinaus. Sah so aus, als ob Takeru jetzt ein ernstes Problem hätte.

“Takeru,“ sagte ich. “die Tür wird gleich zugehen!“

“Mir doch egal,“ schimpfte mein Brüderchen. Erst als ein quietschiges Fiepen ankündigte, daß sich die Türen wieder schließen würden, huschte er hinaus.

Tsunomon und ich konnten ihm gerade noch folgen.





Shibuya ist nicht so ganz der richtige Ort für Kinder, besonders nicht nach Anbruch der Dunkelheit. Nicht so heftig wie Shinjuku, das Rotlichtviertel, aber immerhin. Die Straßen sind eine Ansammlung von angeheiterten Geschäftsleuten mit dicken Geldbeuteln, kreischenden Frauen, und grellbunten Neonröhren. Alle paar Meter wird man angequatscht, daß es in dieser Bar die beste Musik gibt, und man in jenem Club die besten Chancen beim Glücksspiel hat.

Uns quatschte zum Glück niemand an, wir sahen ja auch nicht so aus, als ob wir im richtigen Alter für so etwas wären.





Von Patamon fehlte jede Spur. Null Peilung, wohin das beleidigte Didschi geflattert sein mochte. Mit ziemlicher Sicherheit hatte er sich verirrt, denn für Digimon ist Shibuya wohl auch nicht so ganz das Geeignete.

Da sollte ich aber schnell eines Besseren belehrt werden!

Ich hatte den Gedanken kaum zu Ende gedacht, als plötzlich zwei Gestalten um die Ecke gewetzt kamen, und ums Haar mit uns zusammenstießen. Im ersten Moment konnte ich sie nicht richtig erkennen, da Tsunomon, der eine Gefahr witterte, zu Gabumon digitierte, und mich mit dem Licht blendete. Nur eine Parfümwolke wehte uns entgegen.

Die zwei starrten uns an, und plärrten gleichzeitig los: “Krass, die Digiritta!“

“Ihr gehört zu Vamdemon‘s Armee!“ Gabumon ging sofort in Angriffsstellung. “Macht euch bereit zum Kampf!“

“Holisch meine zehn große Bruder, gibt’s Fotzen, Mon!“ plärrte das kleinere der beiden Digimon, denn daß es ein Digimon war, konnte man unschwer erkennen, trotz der reichlich ungewöhnlichen Aufmachung.





Sein Kopf war so eine Art Halloween Kürbis, komplett mit glühenden Augen, und Zackenmund. Vom restlichen Körper war nicht viel zu erkennen, denn es trug ein überdimensionales Fishbone Shirt, das wie ein Nachthemd am Boden schleifte. Nur wenn es die Beine bewegte, guckten unten ab und zu zwei Addidaslatschen raus.

“Alles Easy, Mon!“ Sein Kumpel trug keine Schuhe, seine Füße bestanden, wie auch der restliche Körper aus groben Felsbrocken und hätten in keinen Schuh gepaßt. Es hatte ein weißes T-Shirt an, auf das jemand mit klecksiger roter Farbe den Schriftzug ‘Thomy Hohlfinger‘ gepinselt hatte, und war ständig damit beschäftigt, seine viel zu weite Baggy hochzuziehen, die ihm bei jedem Schritt über den Hintern rutschte.

Wahrscheinlich stand es auch genau deshalb etwas sehr krumm da.

“Gar nix easy, nomal oda wus? Erst kommt schwule Tussi, schlägt uns mit schwule Handtasche, und jetzt krasse Digiritta!“ Das Kürbisdidschi kämpfte mit einem Käppi, das einfach nicht auf seinen fetten Kopf passen wollte. “Krasses Bunny ist schwula als die Boß!“

“Bist du scheiße in Kopf oda wus?“ trötete das Baggydidschi “Das ist unsre Feinde, Mon, und du rädest von Braut!“

“Habisch jetzt kein Bock, Mon, Digiritta fotzen. Ganze Stadt ist foll mit mörderscharfe Bunnys, und du willst Digiritta fotzen! Ja, denkst, mörderscharfe Bunnys warten, bis du hast fertisch mit Digiritta fotzen?“ Das Fishbonedidschi hatte sich gewaltig in Fahrt geredet “Foll schwule Aktion, ey!“

“Alles easy, Mon, hast du Probläm? Alles halleluja in Shibuya!“

Offensichtlich wollten die Krassmondidschis uns nicht angreifen, also sollten wir jetzt wohl besser die Fliege machen, und nach Patamon suchen. Aber auch da hatten die Typen was dagegen, sie schienen uns interessant zu finden, und das, obwohl wir keine mörderscharfen Bunnys waren. Sie bauten sich vor uns auf, und fingen an herumzuhüpfen, und rhythmisch mit den Armen zu wedeln.

Beim Baggydidschi erwies sich das als etwas schwierig, da es seine Hose festhalten mußte.





Bin isch krasses Gotsumon, yoh! – Panpumon!
Bin isch fätt geil Sushi in Kopf! – Hey Mon, weiß isch schon!
Voll krass! – Krass! – Wenn isch easy dursch den Strasse renn,
Fätt Krass! – Krass! – hab isch Checkung, fahr isch hoch die Brain!
Supakrass! – Krass! – Mags du Hip-Hop, sonst has du Probläm!
Mägakrass! – Krass! – Mach isch fätte Party, nomal, oda was? - Krass!




Mittlerweile hatte sich ein ziemlicher Menschenauflauf um die beiden Gängstadidschis gebildet. Die verlegten ihre Hüpferei vom Boden auf die Verkehrsampel der nächsten Kreuzung, wahrscheinlich weil Verkehrschaos mit quietschenden Reifen und schimpfenden Fahrer so gut zum Sound ihres Liedes paßte.

Nicht daß sich die Tokyoer Autofahrer großartig an so lästige Kleinigkeiten wie beispielsweise Verkehrsampeln halten würden, aber zwei rappende Digimon sieht man selbst in dieser unserer Stadt nicht alle Tage.


Bin isch krasses Gängstadidschi, yoh, Mon, hab isch krasse Baggy,
auf die Kopf den Sonnebrille, Gäl in Chaar, mit krasse Käppi!
Korrekt! Yoh, Mon! An Fuß das Buffallo, Mon!
Mach isch krassen Breakdance, kann isch hüpfen wie Floh, Mon!
Is alles Halleluja in Shibuya? Let’s go, schon!




So eine Verkehrsampel ist eine etwas wackelige Angelegenheit, sogar für Leute, die keine Buffalos tragen. Yohmon hätt’s beinah‘ geschmissen, wenn er sich nicht rechtzeitig an Krassmon‘s Thomy Senfsoßen Shirt festgekrallt hätte.

“Nomal oda was? Laß dein schwule Finger von mein krasse T-shirt, is krasse Markenklamotte!“ “Easy, Mon, tut mir gomen! Guck mal da in Schaufensta, krasse Addidas Chose!“

“Ihr könnt da jetzt nicht rein, das Geschäft hat zu!“ schrie ich den beiden hinterher, aber sie hüpften von der Verkehrsampel aufs Dach des Ladens, und kletterten hinunter ins Schaufenster.

In Windeseile hatte Gotsumon krasse Baggy gegen krasse Addidas Hose ausgetauscht, während Pumpmon dem armen Gabumon sein Fishbone Shirt überstülpte.

“Yoh, Mon, krasses Digirittadischi schaugt konkret müde aus.“ Das unglückliche Gabumon wußte überhaupt nicht, wie ihm geschah.





“Ja, Mon, brauchsu Red Bull, wirsdu wieder wach!“

“Jetzt laßt ihn endlich in Ruhe!“ Verzweifelt versuchte ich an der Regenrinne hochzuklettern, um aufs Dach, ins Schaufenster, und zum verschleppten Gabumon zu gelangen, damit ich es endlich aus seiner mißlichen Lage befreien konnte.

“Ni-chan,“ quietschte es hinter mir, “kuck mal, ich bin cool!“





Ich glaub’s einfach nicht, jetzt fängt mein Brüderchen auch damit an.

Eins der Gängstadidschis hatte ihn in einen bunten Trainingsanzug gesteckt, und ihm das Käppi aufgesetzt, das vorhin nicht auf den runden Kürbiskopf gepaßt hatte.

Mit dem Käppi sah Takeru echt lieb aus, es stand ihm viel besser, als sein komischer quietschgrüner Hut. Nur der Trainigsanzug schlabberte an allen Ecken und Enden.

“Du bis krassa Biker, du brauchs das da!“ Yohmon hängte mir eine Lederjacke über die Schultern, von der ich allerdings nicht viel sah, da mir Krassmon zugleich eine Sonnebrille überstülpte.

Mit Sonnenbrille bei Nacht sieht sich’s nicht besonders gut, also schob ich das Ding in die Haare hoch, und betrachtete mein Spiegelbild im Schaufenster. Hey, so schlecht ist das gar nicht, das taugt mir. Die Lederjacke müßte ein bisserl enger sein, und die Brille nicht unbedingt von Addidas, da gibt‘s Besseres, aber sonst?

Hat jedenfalls viel mehr Style, als gewisse Leute, die sich Taucherbrillen um die Birne klemmen. Na ja, das ist nun wirklich keine Kunst. Selbst krassa Gängsta hat konkret besseres Klamottengeschmack als Tauchabrillebrain.

Meine Güte, was denk‘ ich mir hier eigentlich? Ich geh‘ shoppen mit zwei Typen von Vamdemon’s Armee, und das nachts in Shibuya.

Bei allen Göttern, wo bin ich hier gelandet?

Wenn das alles vorbei ist, kauf‘ ich mir ‘ne Lederjacke! Und ‘ne anständige Sonnenbrille!

Das Baggydidschi, oder jetzt Addidashosendidschi hatte wohl schon wieder was Neues entdeckt, denn es packte seinen Kumpel am Arm, und zog ihn weiter.

“Hey, wir müssen die Klamotten hierlassen, die gehör’n uns nicht!“ Ich zog den Krempel wieder aus, und half meinem Brüderchen sich aus dem Trainingsanzug zu befreien.

Bis wir damit fertisch hatten, waren krasse Gängsta allerdings schon wieder aus unserem Blickfeld verschwunden.

“Macht nix,“ sagte mein Brüderchen, und machte das Käppi weiter, um es sich über seinen komischen quietschgrünen Hut zu stülpen. “Geh’n wir krassa Musik nach!“

Musik? Als Musik würd‘ ich das ja nicht bezeichnen!





Bin isch krasses Gotsumon, yoh! – Panpumon!
Bin isch fätt geil Sushi in Kopf! – Hey Mon, weiß isch schon!
Voll krass! – Krass! – Wenn isch easy dursch den Strasse renn,
Fätt Krass! – Krass! – hab isch Checkung, fahr isch hoch die Brain!
Supakrass! – Krass! – Mags du Hip-Hop, sonst has du Probläm!
Mägakrass! – Krass! – Mach isch fätte Party, nomal, oda was? - Krass!




“Yoh, Mon, gib mir auch krasses Red Bull, nimm‘ noch paar mit, für krasse Digiritta, und krasses Digirittadidschi!“

“Korrekt, Mon, Kollege darfsu nisch fagessen, wär voll schwule Aktion, ey!“


Bin isch cooles Gotsumon, hai! – Panpumon!
Hab isch krass mein Handy dabei! – Hey Mon, weiß isch schon!
Voll krass! – Krass! – Wenn isch easy dursch den Strasse lauf,
Fätt Krass! – Krass! – reiß isch mördascharfe Bunnys auf!
Supakrass! – Krass! – Ess isch Döna jetzt mit Soya drauf!
Mägakrass! – Krass! – Oda mit Süß-Sauer! – I-ta-da-ki-mas! – Krass!
Yoh, yoh, yoh, yoh, yoh!




Die Gängstadidschis kamen auf uns zugerappt, oder besser zugespackt, und drückten uns Red Bull Dosen in die Hände, wo auch immer sie das Zeug jetzt schon wieder her hatten. Die Antwort darauf ergab sich einen Moment später, als ein wutschnaubender Straßenverkäufer mit knallroter Birne auf uns zugerast kam, und kreischte “Diebe, sie haben meine Getränke gestohlen!“

Ohne lange zu überlegen, wetzten wir los, bogen in die nächste Gasse ein, und dann ab durch die Büsche.

Kann mir mal jemand verraten, warum wir auch weglaufen? Ist das etwa unsere Schuld, wenn diese kranken Typen uns mit geklautem Zeug beehren. Oh, Mon, ..äh...Mann, ich krieg‘ hier noch die Krise!

Als wir schließlich erschöpft irgendwo anhielten, erschien der Gedanke an einen schönen kühlen Red Bull doch recht verlockend.

Nein, das Zeug war geklaut, das gehört sich nicht! Auch mein Brüderchen wies die Dose stolz zurück.

Nur das arme Gabumon konnte der Versuchung nicht widerstehen. Er sah schuldbewußt drein, nahm einen kräftigen Schluck, und verschluckte sich heftig. Recht geschah’s ihm, das war das schlechte Gewissen!

Er war immer noch am Husten, als die Luft um uns herum leise zu rauschen begann. Das Rauschen wurde lauter und lauter, jetzt hörte es sich an, wie das Schwirren von Tausenden von Fledermäusen.

Dann verklang es.

“Gotsumon, Pumpmon,“ fragte eine schneidende Stimme. “Warum trinkt ihr Red Bull mit den Digirittern?“

Es war sicher nicht das erste Mal, daß wir Vamdemon begegneten, aber ganz bestimmt nicht aus dieser Nähe.





Ich geb’s nicht gern zu, aber der Kerl kann einem ganz schön einen Schrecken einjagen, sieht wirklich aus, wie aus einem Draculafilm. Über zwei Meter groß, Plastikgebiß, und ein Grinsen, das einen Vulkan zum Gefrieren bringt.

Mit einer herrischen Geste warf er den Umhang zurück, und blickte eiskalt auf die beiden Didschis hinunter, die sich am liebsten im nächsten Gully verkrochen hätten.

“Machen wir gar nicht, Vamdemon-sama, tut uns gomen.“

“Wir werden sie gleich voll krass fotzen!“

Das warteten wir lieber nicht ab, da gingen wir stiften. Da ich nicht wußte, ob und welche Fernattacken die Typen haben mochten, paßte ich gut auf, daß Takeru immer vor mir blieb. So würde es im Zweifelsfall zuerst mich erwischen.

Hätte Gabumon doch die ganzen Red Bull Dosen ausgetrunken! Dann könnte er jetzt digitieren!

Warum bin ich nur so verdammt enttäuscht? Hätte mir doch echt denken können, daß die Typen sofort die Seiten wechseln, wenn’s ernst wird. Macht doch jeder so, wann kann man sich schon auf jemand verlassen? Ganz besonders nicht auf die – diese Möchtegerngangster!

Endstation. Wir sind in eine Sackgasse gelaufen. Na toll! Das wird ja immer besser! Ob Patamon wohl ahnt, in welcher Gefahr sein Schützling schwebt? Selbst wenn er ihm helfen will, wie in aller Welt soll er den Weg hierher finden?

Bedrohlich kommen Gotsumon und Pumpmon näher. Schöne Scheiße, jetzt sitzen wir aber verdammt in der Klemme.

“Kuck mal, Mon, Digiritta zieht Fresse, als ob gleich macht vor Angst in Chose.“

Angst? So ein blödsinniger Quatsch! Der einsame Wolf sieht niemals ängstlich aus! Ich gehe jede Wette ein, daß ich eher verdammt sauer aussehe, aber niemals ängstlich. Die Typen müssen Takeru meinen, nicht mich!

Nur zu schade, daß sie ihn nicht sehen können, er steht nämlich genau hinter mir. Na ja, vielleicht können sie ja durch mich hindurchsehen.

Jetzt wird’s echt ernst. Die beiden gehen in Angriffsstellung.

“Kleines....“ Gabumon wollte gerade zu einer Attacke ansetzen, als Pumpmon plötzlich sein Kürbisgesicht verzog. “Autsch, hör’ auf mich zu sackeln, Mon, hast du krass gesagt, wir tun uns nicht sackeln, in Vamdemon’s Armee! Hast du gesagt, ey! “

“Chill out, Mon, schwule Boß is konkret weg, können jetzt wieder rappen, und krasse Bunnys aufreißen.“

Allen dreien fiel uns die Klappe runter: “Ihr wollt uns überhaupt nicht angreifen!“

“Nomal, oda was? Sind doch krasse Kollegen, wollen euch bloß bischen verscheißern!“ Gotsumon öffnete eine weitere Red Bull Dose, und kippte sie in einem Zug runter.

Mein Brüderchen und ich seufzten erleichtert. Na, das war ja grade nochmal gutgegangen!

Oder doch nicht so ganz?

Diesmal war es Gotsumon, der sich am Red Bull verschluckte. Er versuchte etwas zu sagen, doch das ging in seinem Hustenanfall unter. Pumpmon hämmerte ihm auf dem Rücken herum, und blickte sich nervös nach alle Seiten um.

“Ab in Büsche, Digiritta, schwule Boss in Anmarsch. Muss isch Boss konkret Story verzählen, wie ihr entkommen seid.“

Es wedelte in eine unbestimmte Richtung, packte seinen hustenden Gängstakollegen am Arm und die beiden wetzten um die Ecke in die nächste Straße. Weit kamen sie nicht, denn Vamdemon hatte sich bereits vor ihnen materialisiert. Von unserem Versteck aus, konnten wir ihn nicht sehen, wohl aber seinen Schatten, der von Straßenlaternen und Leuchtreklamen seltsam verzerrt übers Pflaster glitt.

“Nun?“ fragte die Stimme höhnisch.

“Also..“ fing Pumpmon zu stottern an, wurde aber sofort von Gotsumon unterbrochen: “Wir war’n voll krass dicht dran, Boss-sama, hatten sie schon beinah‘ erwischt! Dann kam schwule Ecke und...“

“Yoh, Mon, schwule Ecke!“ pflichtete Pumpmon seinem Kollegen bei. “Ganz konkret schwule Ecke!“

“Und Digiritta sind rum um schwule Ecke, und war’n krass verschwunden. Weg! Konkret aufgelöst in die Luft!“

“Alles deine Schuld, Mon, los komm, gehen wir auf die Stelle suchen!“

“Das wird nicht nötig sein.“ Vamdemon’s Stimme hatte einen schneidenden Tonfall angenommen. “Für Verräter ist kein Platz in meinen Reihen.“

Das Rauschen der Fledermausflügel. Und die Stimmen der beiden. “Vamdemon-sama, tut uns gomen, schwule Digiritta ham uns voll krass ausgetrickst. Aba wir finden sie noch.“

Verdammt, der wird doch nicht...

Ein furchtbarer Verdacht stieg in mir hoch. “Bleib‘ hier!“ zischte ich Takeru zu. Mit Gabumon wetzte ich um die Ecke auf die Digimon zu.

Hunderte von Fledermäusen schwirrten und flatterten in der engen Gasse herum. Aus der Entfernung sahen sie aus, wie eine schwarze Wolke, noch schwärzer als schwarz. Einfach scheußlich.

Und inmitten der unheimlichen Wolke standen Gotsumon und Pumpmon und klammerten sich ängstlich aneinander.

“Wir sind hier, wenn du uns suchst, Vamdemon!“ schrie Takeru. Verdammt, warum ist er nicht im Versteck geblieben, wie ich es ihm gesagt hab‘!

Dann wurde es still.

Die Wolke war fort, die Fledermäuse waren fort, Gotsumon und Pumpmon waren fort.

Einfach so. Als wären sie nie dagewesen.

Nur Pumpmon’s Käppi lag noch auf dem Boden, wo es vorhin hingefallen war. Weil es mal wieder nicht auf seinen großen runden Kürbiskopf gepaßt hatte.

“Warum?“ brüllte ich los, und ausnahmsweise kümmerte ich mich einen Dreck darum, daß mir die Tränen aus den Augen schossen, und über die Wangen liefen. “Du hättest ihnen nichts tun müssen, sie waren doch überhaupt nicht wichtig für dich. Du hättest sie gehen lassen können! Du willst doch nur uns!“

“Keine Bange, ihr kommt auch noch dran!“ Vamdemon kümmerte sich nicht im geringsten um meinen Gefühlsausbruch. Mit einem Grinsen entblößte er sein Draculagebiß, und fuhr sich mit der Zunge über die spitzen Eckzähne.

Das ist einfach nicht fair! Die Gängstadischis sind unsere Freunde gewesen, und wir haben nichts tun können, um ihnen zu helfen! Und ich hab‘ noch gedacht, sie wollten uns verraten.

Und jetzt sind sie tot, weil sie es nicht getan haben.

“Onii-chan,“ sagte Takeru, “du weinst ja!“

Er streckte die Hand aus, und strich mit dem Finger über meine Wange. So als wolle er sich davon überzeugen, daß das wirklich Tränen waren, weil er es einfach nicht glauben konnte. Es ist so verdammt lange her, daß er mich zum letzten Mal hat weinen sehn.

Wo immer die geheimnisvolle Kraft herkommt, die unsere Digimon digitieren läßt, ich glaube nicht länger, daß Digivices, oder andere elektronische Spielzeuge die wahre Ursache dafür sind. Es muß etwas anderes sein.

Etwas, das mit uns selbst zusammenhängt. Mit unseren Herzen, unseren Gefühlen. Ich kann es nicht erklären, aber eines Tages werd‘ ich es besser verstehen, dessen bin ich mir sicher.





“Gabumon – Shinka – Garurumon!“


Glaub’ an deine Stärke, sie verbirgt sich in dir, gib‘ nicht auf.
Du darfst nie vergessen, daß die Welt auf dich zählt, das Schicksal nimmt seinen Lauf.
Unser blauer Stern, er leuchtet hell,
Wie sein Glanz erstrahlt, am dunklen Himmelszelt.
Jetzt liegt’s an dir, daß er sein Licht behält!




Garurumon’s Feuer scheint Vamdemon tatsächlich zurückzutreiben. Und nicht nur das, auch mein Wappen hat wieder zu leuchten begonnen. Jetzt haben wir eine echte Chance, diesen Kampf zu gewinnen.

“Garurumon – Choushinka – Weregarurumon“



Für den Traum – der in deinem Herzen lebt!
Für ein Herz – das für deine Freunde schlägt!
Für Menschen, die du liebst, wirst du alles riskier’n!
Tief in dir – spürst du wie die Flamme brennt,
Glaube mir – die Kraft, die noch niemand kennt,
Kommt aus deinem Herzen!
Sie wird dich stärken,
Sie macht deine Wünsche wahr!
SHOW ME YOUR BRAVE HEART!




Vamdemon hat den Kampf in die Luft verlagert, vermutlich glaubt er, dort im Vorteil zu sein.

Weit gefehlt, denn Weregarurumon jagt wie der Blitz an den glatten Wänden der Wolkenkratzer rauf und runter. Mit seinen Sprungbeinen stößt er sich ab, und landet Sekunden später auf dem nächsten Gebäude.



Wenn die Sonne auch nicht jeden Tag für dich scheint, gib nichts drauf.
Wenn’s in Strömen regnet, wenn es stürmt oder schneit, spann‘ den Regenschirm auf!
Wie das Leben spielt, was ist dabei?
Das verrät kein Plan, und darum sind wir frei!
Glaub‘ fest daran, daß du dein Ziel erreichst!




Trotzdem, auf Dauer wird er das nicht durchhalten können. Langsam ermüden seine Kräfte.

Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wie lange er den Attacken seines Gegners noch ausweichen kann.

“Kraft des Lichtes!“





Ein weißgoldenes Licht strahlt über den Himmel, und wirft Vamdemon zurück, gerade als er Weregarurumon eine Ladung Fledermäuse verpassen will.

Das Draculadidschi weiß überhaupt nicht, wie ihm geschieht. Angemon ist zwar nur auf dem Championlevel, aber gegen Digimon, die von der dunklen Macht beherrscht sind, schlagen seine Attacken ein, wie Kanonenkugeln.

“Angemon!“ jubelte Takeru. “Ich hab‘ dich ja so vermißt!“



Wie der Wind – nur daß du noch schneller fliegst,
Wie ein Pfeil – der hoch auf die Sonne zielt!
Für Menschen, die du liebst, wirst du niemals verlier’n!
Tief in dir – spürst du, wie dein Mut erwacht!
Glaube mir – das ist deine wahre Kraft!
Hörst du dein Herz schlagen?
Es will dir sagen:
Vertrau auf die Kraft in dir!
SHOW ME YOUR BRAVE HEART!




Es ist wirklich lange her, daß wir Angemon zum letzten Mal gesehen haben. Verdammt lange her.

Damals, beim Kampf mit Devimon. Der ist uns in sehr unangenehmer Erinnerung geblieben, denn Angemon hat sein Leben gegeben, um Takeru zu beschützen.






Für den Traum – der uns in die Zukunft trägt
Schlägt ein Herz – das dein wahres Ich verrät!
Für Menschen, die du liebst, wirst du alles riskier’n!
Vergiß – den Zweifel, glaub‘ an dich selbst!
Zerbrich – die Mauer der Angst zerfällt!
Der Schlag deines Herzens gibt dir die Kraft, die du brauchst!
BELIEVE IN YOUR HEART




Auch Takeru schien daran denken zu müssen, denn er wurde plötzlich ganz still, und hatte diese Falte zwischen den Augenbrauen, die er immer hat, wenn er über etwas nachdenkt.

“Der Kampf ist noch nicht zu Ende!“ brüllte das Draculadidschi, “ich habe jetzt nur keine Zeit, um mit euch zu spielen!“

Das heißt übersetzt soviel wie: Hab isch konkret Schiss, Mon, mach isch krasse Fliege!

Feiges Mistviech! Nächstes Mal sollten wir Knoblauch und ein paar Eichenpflöcke mitnehmen. Oder gleich Silberkugeln!

Als Angemon in einem goldenen Licht verschwand, blieb mir für einen Augenblick echt das Herz stehen. Doch er digitierte nur zu einem völlig erschöpften Patamon zurück, der benommen zu Boden taumelte. Bevor er diesen jedoch erreichen konnte, kam mein Brüderchen auch schon angewetzt, und fing ihn in seinen Armen auf.

“Patamon,“ schniefte er, “es tut mir so leid, ich war ja so gemein zu dir!“





“Schon in Ordnung!“ Patamon schnappte nach Luft, und kuschelte sich noch enger an Takeru’s Brust. “Jetzt ist ja alles gut!“

“Nein, gar nichts ist gut!“ protestierte Takeru. “Wenn ich nicht so gemein gewesen wäre, dann wärst du nicht weggeflogen, und dann wären wir nicht hierher gekommen, und hätten auch nicht Gotsumon und Pumpmon kennengelernt. Und dann...“ er schluckte, “dann wären die beiden jetzt noch am Leben.“

“Es war ganz bestimmt nicht deine Schuld!“ sagten Gabumon und Patamon fast gleichzeitig.

Doch Takeru hörte ihnen nicht zu. Er schien mit den Gedanken weit weg zu sein.

Ich hob das Käppi vom Boden auf, und gab es ihm. Als er sich von mir wegdrehen wollte, nahm ich seine Hand, und schloß die kleinen Fingerchen ganz fest um den Stoff.

“Gib‘ gut drauf acht,“ sagte ich zu ihm. “das ist von jemandem, dem seine Freunde wichtiger waren, als sein eigenes Leben. Laß es nicht umsonst gewesen sein.“

Behutsam hob er Patamon hoch, und setzte ihn sich auf den Kopf, damit er die Arme frei hatte. Die legte er dann um meinen Hals und schluchzte in meinen Pulli. Ich kramte ewig in meinen Hosentaschen herum, bis ich endlich ein zerknittertes Taschentuch zutage förderte, mit dem ich ihm sein Rotznäschen abwischen konnte.

Vielleicht war es nur Einbildung, aber das Geräusch, das ich hörte, klang wie das Splittern von Glas.

Wie eine Glaswand, die in tausend Stücke zerbrach.

Mein Brüderchen streckte die Hand aus und deutete in den Nachthimmel hinauf. Über uns zogen zwei Sternschnuppen ihre silbrigen Spuren. Als sie sich ihren Weg durch die Dunkelheit bahnten, erschien ein erstes kleines Lächeln zwischen all den Tränen auf seinem Gesicht.

Sternschnuppen sind bei uns ein sicheres Zeichen, daß jemand seinen Weg nach Hause gefunden hat.





Wir fuhren die zwei restlichen Stationen mit der U-Bahn. Wieder schwiegen wir, aber jetzt war es ein anderes Schweigen, als noch vor einigen Stunden.

“Du hattest recht, mit dem, was du vorhin gesagt hast, Patamon,“ sagte Takeru leise, “Ich wollt’s nur nicht zugeben.“

“Ich hätt’s auch nicht zugegeben,“ sagte ich. “Es gibt so Dinge, über die reden wir nicht gerne.“

“Wen meinst du mit ‘wir‘?“ wollte mein Brüderchen wissen. “Uns beide?“

“Uns... Jungs.“

Er nickte zustimmend, und hüpfte von seinem Sitz, als der Piepston ankündigte, daß die Türen sich gleich öffnen würden.

Von der Haltestelle zu seinem Wohnblock war es nur noch ein Katzensprung, aber ich wollte ihn bis vor die Haustür bringen. Er hatte nichts dagegen, fragte mich sogar noch, ob ich kurz mit rauf kommen würde.

Aber da schüttelte ich den Kopf. “Es ist schon spät, ich möchte jetzt wirklich nach Hause.“

“Willst du nicht noch was essen, oder wenigstens was Warmes trinken?“ fragte er mich ein zweites Mal.

“Nein, danke, hab‘ selbst was daheim.“

Ich kann da jetzt nicht raufgeh‘n.

Wenn ich es tue, komm’ ich nicht mehr runter.

Wenn ich jetzt da raufgeh‘, werd‘ ich anfangen zu heulen. Ich hab‘ Mama seit fast vier Monaten nicht geseh’n. Ich werd‘ heulen und heulen, und sie wird nicht versteh’n, was los ist, und sich Sorgen machen. Schließlich war ich nach ihrer Zeitrechnung nur für einen Tag weg, und hab‘ sie erst am letzten Wochenende geseh‘n.

Ich will nicht, daß sie sich Sorgen macht. Ich will auch nicht, daß sie denkt, ich wär‘ ein Schwächling.

Ich krieg‘ das alles wieder in den Griff. Ich brauch‘ nur ein bißchen Zeit.

Das war alles ein bißchen viel heute.

“Bis morgen, mein krasses Bruder!“ Bevor Takeru in den Aufzug steigt, winkt er mir nochmal mit dem Käppi.

Das Ding hat er heut‘ noch.

Tadaima!

Ich bin wieder zu Hause. Ich flacke mich auf die Couch, und glotze fern. Kommt nix Gescheites, wieder mal nur Schrott.

Heut‘ war wieder so ein Scheißtag!

Die Wohnung ist leer, ich glaub‘ nicht, daß mein Vater noch heimkommt. Gestern war er auch nicht da. Ich vermute er ist bei seiner neuen Freundin.

Ich könnte ihn am Handy anrufen. “Hallo Papa, sie haben das Sommercamp abgebrochen, wegen des schlechten Wetters. Ich bin schon zu Hause.“

Nein, mach’ ich nicht, ist schon okay so. Ich muß ihm ja nicht unbedingt sein Date verderben.

Er soll ruhig auch mal ein bißchen Spaß haben, schließlich arbeitet er verdammt hart. Zu essen hab‘ ich ja, war heut erst einkaufen.

Ich schalte die Glotze aus, und das Wohnzimmer ist dunkel.

Ich denke an große braune Glubschaugen. Einfach so!

Ich denke über den heutigen Tag nach, und plötzlich merk‘ ich, daß ich darüber reden will.

Nur ein bißchen. Nur eine menschliche Stimme hören.

Seine Stimme. Nur ganz kurz.

Ich hab‘ das Telephon in der Hand, und stelle fest, daß ich ein blöder Idiot bin.

“Hi, ich bin’s. Gibt’s irgendwas Neues bei dir? Habt ihr den achten Digiritter gefunden?“

“Nein, nichts. Und du?“

“Bei mir auch nicht. Hatten ‘ne kleine Auseinandersetzung mit Vamdemon.“

“Ehrlich? Erzähl!“

“War ‘ne verdammt miese Sache, der Kerl hat sogar seine eigenen Digimon erledigt.“

“Ehrlich? Das ist ja widerlich! So ein mieser Typ!“

“Gut, wir seh’n uns dann morgen.“

“Okay. Bis dann.“





Ich hab‘ doch gesagt, daß ich nur kurz seine Stimme hören will. Der einsame Wolf ist ein cooler Typ, immer locker, immer alles unter Kontrolle, niemals Probleme mit seinen Gefühlen. Irgendwelche Stachelköpfe, egal ob mit oder ohne Taucherbrille werden da nichts dran ändern können. Das wäre doch gelacht!

Mir geht’s gut, wenn ich allein bin. Ich könnte sogar über die Schneide eines Messers laufen.





Hör zu, fahr dein Brain hoch!
Stürm‘ nicht so drauflos!
Ich frag‘ mich, warum mußt du denn immer,
Mit deinem Kopf durch die Wand?

Glaubst du, hey das paßt doch,
Wenn du niemals nachdenkst?
Ein heißes Herz macht es nur noch schlimmer,
Benutz' mal den Verstand!

Bleib‘ einfach cool, immer locker
So leicht reißt mich nichts vom Hocker,
Jedem Spiel seine Zocker,
In diesem hab‘ ich die Nase vorn!

Immer in Kontrolle,
Niemals aus der Rolle,
Ganz lässig lauf‘ ich auf Messers Schneide,
Alleine komm‘ ich klar!

Mußt nicht dauernd motzen,
Wenn dir was nicht paßt!
Es kann nicht alles nach deinem Kopf geh‘n
Die andern sind auch noch da!

Glaub‘ nicht, ich will protzen,
Immer allem trotzen
Ich will ganz einfach zu meinem Wort steh’n
Das ist doch sonnenklar!

Bleib‘ einfach cool, uns’re Story,
Werden wir zu Ende bringen!
Vergiß die Rules, tut mir sorry,
Aber die sind nur zum Brechen da!

Kämpfe, Katastrophen,
Nicht ins Ziel getroffen,
Doch sind wir wirklich die Digiritter,
Haut das für uns schon hin.

Come on – All right!

Steht auch mein Herz in Flammen,
Easy reiß‘ ich mich zusammen
Eines weiß ich ganz sicher,
Auf keinen Fall bin ich so wie du!

Immer in Kontrolle,
Niemals aus der Rolle,
Ganz lässig lauf‘ ich auf Messers Schneide,
Alleine komm‘ ich klar!

Ganz lässig lauf‘ ich auf Messers Schneide,
Alleine komm‘ ich klar!







5. Hikari to Kage


(Licht und Schatten)






“Hikari sasu tokoro kage ga dekiru you ni“
“Ein Ort, der im Licht erstrahlt, muß auch im Schatten versinken“


–Unbekanntes Wesen, das durch Hikari’s Stimme zu den Kindern spricht–


“Shinde!“

Der eiskalte Yakuza Killer hebt seine eiskalte Killerkanone, und richtet sie auf den Helden.

Der Held steht dick da, lässig mit der Kippe in der Flosse, als ob ihn das alles gar nix anginge. Wahrscheinlich steht sein Kumpel schon auf dem Dach und hat den eiskalten Yakuza Killer im Visier. Oder er wird sich blitzschnell ducken, so daß die Kugel einfach über ihn hinwegpfeift.

“Scheiße!“

Das war nicht der eiskalte Yakuza Killer, das war ich. Warum muß die blöde Glotze auch an der spannendsten Stelle den Geist aufgeben!

Das ist so verdammt unfair! Da hat man den ganzen Tag Streß, und kann sich abends nicht einmal entspannen.

Total außer mir hopste ich auf dem Sessel herum, machte blöde Verrenkungen, und drückte sämtliche Knöpfe der Fernbedienung.

Nichts geschah.





Genausogut hätte ich mich auf den Kopf stellen, mit den Ohren wackeln, und dazu unseren Digitiersong singen können.

Wenn Mann keine Glotze hat, dann bleibt nur noch der Kühlschrank! Kurz entschlossen marschierte ich rüber in die Küche und begann nach Eßbarem zu forschen.

Zum Kochen hab‘ ich keinen Bock mehr, und Fertiggerichte hab‘ ich keine eingekauft, ich hasse diese Würgdinger. Eigentlich hab‘ ich nicht mal Hunger, mir ist bloß langweilig. Und um was Sinnvolles zu tun, fehlt mir einfach die Konzentration.





Ich hatte mich getäuscht, was meinen Erzeuger anging. Er war doch im Laufe des Tages hiergewesen, und wieder fortgegangen, und hatte sogar einen Zettel und ein Fertiggericht für mich dagelassen. Ein richtiges Fertiggericht! Das tangiert mich, als ob in China ein Fahrrad umfällt!

Soll ich das jetzt essen, oder bin ich dafür noch nicht verzweifelt genug?

Ich beschloß, ins Bett zu gehen.

“Worüber grübelst du nach?“ wollte mein Didschi von mir wissen, als es sich neben mir unter die Decke kuschelte. Ich bin ein verdammter Wolf, ich darf kuscheln, verdammt noch mal! Außerdem war sowieso keiner von den anderen da, der darüber blöde Sprüche hätte loslassen können.

“Sorry, Gabumon, will jetzt nicht drüber reden, okay? War‘n stressiger Tag heute.“ Ich drehte mich zur Wand. Das fehlte gerade noch, daß ich Gabumon erklären durfte, was mit mir los war. Ich raff’s ja selbst nicht ab.

Ich hätt‘ ihn nicht anrufen sollen....

Seine blöde Stimme hat wieder alles durcheinander gebracht.......





Nein, ich will jetzt pennen, und nicht grübeln. Schluß mit dem Blödsinn!

Irgendwann muß ich aber wirklich eingepennt sein, denn das nächste, woran ich mich erinnern kann, ist mein Alter, der mich mit dem Fuß wach schüttelt, weil er mit den Händen viel zu beschäftigt ist, sich Reis in die Röhre zu schieben.





Der Reis kam ihm aber schnell wieder hoch, als er bemerkte, daß das Plüschtier, das ich im Arm hielt anfing, sich zu bewegen.

Entsetzt riß er die Glubscher auf. Wahrscheinlich wollte er jetzt schreien, und Terror machen, und die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wie die Leute es immer in der Glotze tun. Oder sein Leben riskieren, um mich todesmutig von dem gräßlichen Viech zu befreien.

Leider funktionierte das alles nicht so ganz, denn der Reis kam ihm dabei mächtig in die Quere. Und während Vater noch hustete, und würgte, und versuchte wieder Luft zu kriegen, haute ich ihm kräftig auf den Rücken, und versuchte ihm in Kurzfassung klarzumachen, was ein Digimon ist.

Das gräßliche Viech saß währenddessen mit aufgestellten Ohren im Bett, und amüsierte sich prächtig über mein hilfloses Gestammel.

“Hör zu!“ Vater hatte sich wieder eingekriegt, und packte mich bei den Schultern. “Du kannst mir alles unterwegs erklären, jetzt müssen wir erstmal hier weg! Zieh‘ dich schnell an, und komm‘!“

“Aber Gabumon kommt mit!“ sagte ich bestimmt. “Er ist mein Digimon Partner!“

Vater zuckte mit den Achseln und nickte. Er war nicht in der Stimmung zum Streiten.





Zehn Minuten später rasten wir in unserem Van die Straße hinunter, und ich war immer noch kein bißchen schlauer als vorher. Ich starrte aus dem Fenster und wunderte mich, daß es draußen noch so verdammt dunkel war. Wenn die Zeitanzeige von meinem Digivice stimmte, müßte die Sonne schon längst aufgegangen sein.

“Sieh nach draußen.“ Vater hatte immer noch total die Panik. “Fällt dir denn gar nichts auf?“

“Es ist dunkel!“ Kein Peil, was der jetzt von mir hören wollte. “Es ist neblig!“

Hab‘ ich noch ‘nen Versuch?

“Hör zu!“ Endlich fing er an, Klartext zu reden. “Dieser Nebel durchzieht unser gesamtes Viertel, und umschließt es. Kein Signal dringt rein, oder raus, kein Radio, kein Fernsehen, nichts. Die Telephone sind tot, der öffentliche Verkehr lahmgelegt. Viele Häuserblocks haben Stromausfall, und man hört Gerüchte von merkwürdigen Gestalten, die sich überall herumtreiben. Ich hielt das zunächst für Schwachsinn, aber nachdem ich an so vielen aufgebrochenen Türen vorbeigekommen bin, glaube ich nicht mehr, daß wir in unseren Wohnungen sicher sind.“

Gabumon und ich sahen uns an, und wußten sofort Bescheid. Das Draculadidschi machte Ernst. Vermutlich hatte es das achte Kind nicht gefunden, und wollte nun gesamt Odaiba auslöschen, zuzutrauen wär‘s ihm!

Und wir standen sicher ganz oben auf der Abschußliste!

Kawada war ziemlich weit vor Schuß, also befanden Mutter und Takeru sich nicht in unmittelbarer Gefahr. Aber alle anderen Digiritter wohnten hier in Odaiba. Ob sie schon wußten, was hier abging?“

Ich hatte einen fragenden Blick auf Vater’s Handy geworfen, doch er schüttelte den Kopf. “Vergiß es! Ich hab’s schon mindestens zwanzig Mal versucht. Mail funktioniert auch nicht, und die Computer spinnen. Die gesamte Elektronik im Sender spielt verrückt!“

Wir konnten nicht weiter, steckten mitten in einem Stau, von hupenden Autos, und schimpfenden Fahrern. Vater stellte den Motor ab, packte eine Plastiktüte, und öffnete die Tür: “Los, komm!“

“Können wir den Van hier einfach so stehenlassen?“ fragte ich, aber er winkte nur ab. “Ist jetzt nicht wichtig!“ Wir wetzten weiter in die nächste Straße, und befanden uns damit hinter dem Fernsehsender, wo er arbeitete.

“Hör zu!“ Langsam könnte er sich auch mal ‘nen neuen Text einfallen lassen, ist schließlich Redakteur. “Ich muß zurück zum Sender, wir versuchen rauszukriegen, was los ist. Du versteckst dich hier!“

Er deutete auf eine dunkle Gasse zwischen den Gebäuden. Über uns waren diverse Notausgänge mit angebauten Treppen aus Metall. Die Treppen waren teilweise miteinander verbunden, oder nahe genug, daß man notfalls von einer auf die andre klettern konnte. Bei Gefahr gab es also mindestens vier Türen durch die wir uns verzischen konnten.

Auch das Dach war ohne Probleme erreichbar. Das Beste aber war, daß sie das Geländer stellenweise mit Brettern beschichtet hatten. So konnte unten auf der Straße eine ganze Armee vorbeiziehen, ohne uns überhaupt zu bemerken.

Das Ding war perfekt, um für ein Weilchen unterzutauchen. Hoffentlich nicht allzulange, denn es gibt nix Schlimmeres als dumm rumsitzen und warten.

“Es könnte schon eine Weile dauern.“ Vater gab mir die Tüte. “Hier ist was zu Essen und ein paar Getränkedosen. Ihr müßt es euch aber teilen, denn mit einem Monster hab‘ ich nun wirklich nicht gerechnet.“ Er versuchte ein schwaches Lächeln.

“Schon okay.“ Gabumon grinste. “Ich werd‘ gut auf Yamato aufpassen, machen Sie sich mal keine Sorgen.“

“Wir werden versuchen, Kontakt zur Außenwelt aufzunehmen. Sobald wir mehr wissen, komme ich wieder hierher. Bitte sei vorsichtig, Yamato, und mach‘ keine Dummheiten!“

Er strich mir kurz übers Haar. Das hat er seit einer Ewigkeit nicht gemacht. Nicht mehr, seit ich ihm gesagt hab‘, daß ich es nicht mag, wenn man mich anfaßt. Das hat er respektiert.

Seltsamerweise fühlte es sich sehr angenehm an.

“Otoh-san!“

“Was ist denn, Junge?“

“Sei du auch vorsichtig!“

“Versprochen!“ Er lächelte, nickte mir nochmal zu und verschwand im Nebel. Nur das dumpfe Geräusch seiner Schritte hallte noch eine Weile nach.

“Sollen wir nicht doch lieber mitgehen?“ wollte mein Didschi wissen.

Ich schüttelte den Kopf. “Nein. Ich vertraue meinem Vater.“





Dosen.

Cola, Mineralwasser, und einer von diesen komischen Energy Drinks, aus Süß-, Farb- und Geschmacksstoffen. Bei uns gibt‘s bestimmt hundert verschiedene davon.. Wenn sich das Gesöff irgendwann nicht mehr verkauft, kriegt es einfach ‘ne neue Verpackung, oder ein anderes Image. So wie alles in dieser unserer Konsumgesellschaft.

Auf vielen sind Bilder von irgendwelchen Stars, die in einem halben Jahr keiner mehr kennt, oder so blödsinnige Sticker.

Von irgendwelchen Animefiguren, die in einem halben Jahr auch keiner mehr kennt.

Einer von meinen albernen Träumen war früher, selbst ein Star zu werden. Dann würde irgendwann mal irgendjemand eine Dose mit meinem Bild in der Hand halten. Idiotisch, nicht?

Abgesehen von den Blechdingern fand ich in der Tüte eine Plastikbox. Blech und Plastik! Na, das paßt doch wie die Faust in Taichi’s Dummfresse! In der Box steckte außerdem noch Reis mit Meeresfrüchten, das Fertiggericht aus unserem Kühlschrank!

Trotzdem lieb, daß Vater dran gedacht hat.

“Wenn du hungrig bist, dann bedien‘ dich ruhig.“ Mißmutig legte ich die Tüte wieder auf den Treppenabsatz vor mir, und starrte weiter vor mich hin.

“Etwas zu trinken könnt‘ ich vertragen.“ Gabumon fischte sich eine Dose aus der Tüte, und kämpfte mit dem Verschluß.

“Kriegst du sie auf?“

“Ja.“ Gabumon biß mit seinen Reißzähnen in die Dose, und trank sie aus. Auch ‘ne Methode. Könnten sie wieder ‘nen neuen Werbespot mit dreh’n, wenn sie das Zeug nicht mehr loskriegen.

“Du machst dir Sorgen um Taichi, stimmt’s?“

Ich sprang so heftig auf, daß ich gegen die Tüte stieß, und die Dosen klirrend gegeneinander schlugen.

Dann setzte ich mich wieder hin. War mir doch egal, wenn mein Didschi mich für total bescheuert hielt, das tat es sowieso!

“Natürlich mach‘ ich mir Sorgen, ist doch klar! Die anderen sind alle mitten im Nebel und damit in Gefahr. Also, was soll das Ganze?“

“Das mein‘ ich doch nicht, Yamato,“ sagte mein Didschi sanft. “Das ist was anderes mit dir und Taichi. Ich kann es zwar nicht so richtig verstehen, aber ich dachte, du könntest es mir vielleicht erklären.“

“Da gibt’s nix zu erklären,“ sagte ich mit finsterer Miene. “Überhaupt gar nichts!“

Ich konnte schon beinahe hören, wie Gabumon zu einer neuen bescheuerten Frage ansetzte, aber dazu kam es nicht mehr, denn unter uns auf der Straße hörten wir Schritte. Genauer gesagt, Getrappel. Das hörte sich nicht an, wie ein Haufen böser Didschis, die uns alle machen wollten, eher wie Kind mit Didschi auf der Flucht.

Ich hätt‘ mich doch in den Arsch beißen können! Von allen Idioten, die zu dieser Stunde zufällig im Nebel rumirren könnten, muß es ausgerechnet der sein. Hab‘ ich nicht schon genug Probleme?

Offensichtlich nicht. “Hey! TBB!“





“Yamato-kun? Was in aller Welt machst du da oben?“

Jeder normale Mensch wär‘ jetzt einfach die Treppe hinaufgegangen. Waren doch nur ein paar Schritte. Nur dieser muß natürlich rumbonzen, Äffchen spielen, und sich übers Geländer hochhangeln. Litt wahrscheinlich schon unter Entzugserscheinungen, weil es hier in der Innenstadt nicht genügend Bäume gab, auf denen er rumkraxeln konnte.

“Was ist ein TBB?“ fragte eine leise Stimme.





Sie gehörte zu dem Knirps, der neben Taichi und Agumon hertrappelte. Ein Mädchen, vielleicht sechs oder sieben, schwer einzuschätzen. Rote Kulleraugen, und ein Lächeln so unwiderstehlich, wie das von Ayanami Rei. Außerdem derselbe braune Wuschelkopf, wie Taichi, wenn die Frisur auch nicht ganz so explodiert aussah.

“Is ‘ne Abkürzung,“ erklärte Taichi wichtigtuerisch. “Weil der blöde Depp sich nicht merken kann, daß es ‘ne Fliegerbrille is'!“

Der blöde Depp hatte allerdings nicht den Nerv, sich mit Taucher- Flieger- oder anderen zweckentfremdeten Kopfbedeckungen herumzuärgern. Er wollte lieber erfahren, was Taichi und Anhang in der Zwischenzeit herausgefunden hatten.





Also verzichtete ich ausnahmsweise darauf, ihm den Deppen weiter nachzutragen, und erkundigte mich lieber nach den Geschehnissen der vergangenen Nacht.

“Wir haben rausgefunden, wer der achte Digiritter ist.“ Taichi deutete auf den Knirps, der meinem Didschi im Fell rumwülte. Normalerweise mag Gabumon das überhaupt nicht, er flippt aus, wenn jemand sein Fell anfaßt. Gerade mal ich und mein Brüderchen dürfen da ran. Jetzt aber hat er die Augen geschlossen, und scheint die Kraulsession richtig zu genießen. Vielleicht hat die Kleine ja irgendwelche geheimnisvollen Psycho Kräfte mit denen sie sein Gehirn manipulieren kann. Den irren Psycho Blick hat sie jedenfalls sehr überzeugend drauf.

Ich muß an die Wuschelmähne denken, in der ich gern rumwülen würde, und senke schnell meinen Blick, damit ich ihm nicht ins Gesicht sehen muß.

Es ist gar nicht so einfach, ihn aus meinem Blickfeld zu verbannen, er steht ja direkt vor der Treppenstufe, auf der ich gerade hocke. Also starre ich auf meine Schuhe, und hoffe verzweifelt darauf, daß er wieder mal blöd genug ist, um nichts zu merken.

“Hey!“ Er schiebt seine Hand unter mein Kinn, und versucht es hochzuheben. Eine Moment lang bin ich echt versucht, die Hand wegzuschlagen, aber ich lass‘ es. Wahrscheinlich würd‘ er das sowieso nur als Aufforderung zum Spielen sehen. Im Augenblick hab‘ ich echt keinen Bock, mich mit ihm zu balgen, obwohl ich das sonst gern tue.

Zum Glück gibt es da schon etwas anderes, das seine Aufmerksamkeit erregt, nämlich die Plastiktüte neben meinen Schuhen. “Is‘ da was zu Futtern drin?“

Daß Taichi alles Eßbare drei Meilen gegen den Wind riecht, braucht wohl nicht extra erwähnt zu werden.

“Bedien‘ dich!“ Ich hole die Box aus der Tüte. “Aber du solltest den Digimon noch was übriglassen, damit sie wieder digitieren können. Und deine... Schwester hat vielleicht auch Hunger.“

Er nickt eifrig, während er interessiert den Inhalt der Box untersucht. “Mhm! Sieht lecker aus! Hast du gar keine Stäbchen da?“

Ich sehe in der Tüte nach, aber es sind keine drin. “Wird dich nicht umbringen, das Zeug mit den Fingern zu essen. Würd‘ aber an deiner Stelle vorher die Handschuhe ausziehen. Stoffasern machen sich nicht so gut im Essen!"

“Wohl kaum.“ Er streift die häßlichen weißen Dinger ab, und streckt die Hand aus, um in die Box zu langen.

Dann überlegt er es sich wieder anders. “Nein, erst aufteilen.“ Er dreht die Plastiktüte um, so daß die saubere Seite außen ist, und legt sie als Unterlage auf den Boden. “Das ist für die Digimon.“

Er häuft etwas von dem Reis auf die Tüte. Der Knirps kommt sofort angetrappelt, und fängt an, zwei gleich große Portionen daraus zu machen.





Das scheint eine schwierige Tätigkeit zu sein, angestrengt zieht sie die Stirn in Falten. Immer wieder tut sie ein bißchen von einer Portion zur anderen, und umgekehrt, bis sie endlich zufrieden ist, und die Didschis futtern dürfen.

“Itadakimasu!“

Als die Digimon sich über das Essen hermachen, seh‘ ich sie zum ersten Mal lächeln. Nur ein ganz kleines Lächeln ist es, aber jetzt sieht sie überhaupt nicht mehr aus wie ein Psycho Kind.

Eher ein bißchen wie Takeru.

Währenddessen ist ihr großer Bruder mit dem restlichen Reis in der Box beschäftigt. Der will schließlich auch noch aufgeteilt und gemampft werden.

Daß Taucherbrillenbrain zuerst an andere denkt, wenn‘s ums Essen geht, ist schon ungewöhnlich. Vielleicht ist er wirklich erwachsener geworden, zumindest ein bißchen.

“Hier!“ Stolz streckt er mir die Box entgegen. “Du darfst aussuchen!“

“Ich hab‘ wirklich keinen Hunger, Taichi-kun!“

Aber mein Protest scheint ihn nicht im mindesten zu beeindrucken. “Jetzt hab‘ ich es so schön aufgeteilt, jetzt ißt du auch deine Portion! Mund auf!“

Er nimmt einen Shrimp aus der Box, und versucht ihn mir in den Mund zu schieben. Seine Hand ist ganz weich an meinen Lippen, seine Finger drücken gegen meine Zähne. Ich versuche den Shrimp zu nehmen, ohne dabei seine Finger in meinen Mund zu lassen, aber er zieht die Hand schon zurück. “Das kitzelt!“

“Häh?“ Ich fürchte, daß ich in diesem Moment nicht besonders intelligent geschaut habe. Eher dumm geglotzt.

Er grinst verlegen, und guckt schnell zur Seite. “Na, wenn du atmest. Das kribbelt auf der Hand!“

Ich gucke auch zur Seite. Genauer gesagt, auf die Rillen in der Treppe. Die bilden so eine Art Muster. Ist interessant, ganz ehrlich. Vielleicht sogar beruhigend.

Nein, nicht beruhigend. Den Haufen Mini-Tentomon, der in meinem Bauch Salto’s schlägt, interessiert es kein Stück .

Es ist wirklich genau, wie Jou gesagt hat, als wir damals bei den Ätzdidschis abhängen mußten. Es kribbelt, und krabbelt, und ich krieg‘ keinen Ton raus. Weil in meinen Hals ein großer fetter Reiskuchen steckt, und die Tentos dabei fröhlich vor sich hin digitieren.





Nur die Sonne, die läßt auf sich warten.


Eigentlich ist es ein ziemlich ätzendes Gefühl.

Aber als die Hand wiederkommt, ist es auf einmal wieder schön.

Ich mach‘ einfach die Augen zu, dann muß ich mir nämlich nicht den Hals verrenken, um irgendwohin zu starren. Die Hand ist jetzt voller Reis, und diesmal mach‘ ich den Mund ganz weit auf, damit nichts daneben geht.

Der Reis schmeckt immer noch fad, aber die Finger schmecken so gut. Ich mag es, sie zu spüren, an meinem Gaumen, innen an meiner Backe, einfach überall.

Eigentlich würd‘ ich viel lieber die Finger aufessen, als den Reis, aber ich glaub‘ da hätte wohl jemand entschieden was dagegen.

Meine Zunge sucht die ganze Hand ab, ob nicht noch irgendwo ein Reiskorn klebt. Ich lass‘ erst los, als ich ganz sicher bin, daß keins mehr da ist.

Mein Mund bleibt offen, bis die Hand mit neuem Reis wiederkommt. Es hätt‘ echt noch ewig so weitergehen können.

Als ich die Augen wieder aufmache, ist es ein ungewohntes Bild. Meine Portion ist weg, die von den Didschis sind weg, und die vom Psycho Kind auch.

Nur die von Taichi liegt noch unberührt in der Box.

Daß ich den Tag nochmal erlebe, an dem sich ausgerechnet unser Oberfresser in Geduld übt. Verrückte Welt!

Als ich merke, daß ich rot werde, schau‘ ich lieber wieder weg.

Auf meine Schuhe. Oder die Rillen in der Metalltreppe.

Ach, was weiß ich!

Die Krabbel-Tentos sind längst aufs Ultrabonzlevel digitiert, und donnern als Atlaskabuteris in meinem Bauch herum.





Klar denken kann ich auch nicht mehr. Mein Brain fühlt sich an, als hätt‘ eine Taucherbrille ihm die Blutzufuhr abgeschnitten.

Vielleicht ist auch das ganze Blut einfach nur in die andere Richtung geflossen, wer weiß?

Als ich Taichi die erste Ladung Reis in den Mund schiebe, beißt er mir in die Hand.

Nicht richtig fest, es ist eher ein Knabbern. Aber doch so, daß ich Abdrücke von seinen Zähnen habe. Er hört gar nicht auf, an meinen Fingern zu saugen, selbst als gar kein Reis mehr dran ist

Sein Atem kribbelt auf meiner Handfläche. Seine warmen Lippen ziehen an meiner Haut. Seine kleine rosa Zunge fährt zwischen meinen Fingern hindurch.

“Mach’s nochmal!“

“Was?“

“Was du da grad‘ eben gemacht hast!“

Diesmal beißt er fester, ich kann einen leisen Aufschrei nicht unterdrücken. “Doch nicht so doll!“

“Gomäng!“ Er nuschelt, weil er immer noch nicht losgelassen hat.

“Tut deine Hand weh?“ fragte das kleine Mädchen.

Erschrocken zog ich meine Hand zurück, erst eine Schrecksekunde später war mir klar, daß sie mich überhaupt nicht meinte.

Sie redete mit Agumon, und war gerade dabei ihr Taschentuch um seine aufgeschürfte Pfote zu binden.





“Es ist schon viel besser“ Agumon grinste. “Arigatou, Hikari.“

Hikari. Jetzt wußte ich also, wie sie hieß, unser achter Digiritter.

“Sie war auch dabei, als wir damals zum erstenmal Digimon gesehen haben. Eigentlich hätten wir längst darauf kommen müssen, daß sie das achte Kind ist,“ erzählte Taichi, als er hastig das restliche Essen hinunterschlang.

“Vamdemon hat alle Leute in Odaiba entführt, und sucht nach ihr, unsre Eltern sind auch unter den Gefangenen. Wo die anderen Digiritter sind, weiß ich nicht, ich hoff‘ bloß, sie sind irgendwie entkommen.“

Also doch. Der Pyramidenkopf steckt hinter dem ganzen Trouble!

Ich erzählte Taichi, was mein Vater rausgekriegt hatte und es paßte alles wunderbar zusammen.

Mit dem Nebel hatte Vamdemon Odaiba abgeriegelt, und Hilfe von außen unmöglich gemacht.

Jetzt hatte er alle Zeit der Welt, um die Leute abzuschleppen und einzeln durchzuchecken.

“Verdammt!“ Mit einem Fußtritt beförderte Taichi Gabumon’s leere Dose in die unendlichen Weiten des Weltalls, oder genauer gesagt, hinunter auf die Straße. “Ich hasse es so rumzusitzen. Wir müssen doch irgendwas tun können!“

“Ist das alles meine Schuld?“ Hikari schaute ihn aus großen Augen an.

“Nein, wie kommst du darauf?“ Taichi ging zu seiner Schwester hinüber, und nahm sie auf den Schoß. “Du kannst doch gar nichts dafür, es ist alles Vamdemon’s Schuld. Er ist ein mieser Schurke, und wir müssen ihm so schnell wie möglich das Handwerk legen!“

“Aber die Leute, die nimmt er doch wegen mir gefangen!“ Eisern beharrte der Knirps auf ihrer Meinung. “Und wenn Mama und Papa nun was passiert?“

“Yama-kun?“





“Hm?“

“Kann ich dich was fragen?“

Kann es sein, daß mir diese Situation irgendwie bekannt vorkommt? So in Wüste vor Datamon’s Pyramide, oder nach Fliege aus Digitamamon‘s Restaurant?

Was wird denn diesmal dazwischen kommen? Kommt nur eine kreischende Sora um die Ecke gewetzt, oder fällt uns gleich der Himmel auf den Kopf? Es würde auch genügen, wenn in dem Moment in dem Taichi den Mund aufmacht, irgendwo ein Fahrrad umfällt. Vielleicht nicht unbedingt in China, aber...

“K...klar!“ Meine Stimme zitterte. Hallo Reiskuchen, lang nicht mehr geseh‘n!

“Ich wollte dich nur bitten, daß du ein bißchen auf Hikari-chan aufpaßt.“

Was bin ich doch nur für ein Esel!





In dem Moment hätte ich echt heulen können, vor lauter Wut über meine eigene Dummheit. Wie hab‘ ich nur denken können, daß es etwas damit zu tun hat! Es ist lächerlich, in so was Harmloses, wie eine gegenseitige Futter Session gleich soviel rein zu interpretieren.





“Hikari, ich werd‘ Mama und Papa helfen!“ Er beugte sich zu seiner Schwester hinunter, und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Irgendwas mit tapferem Mädchen, und großem Bruder. Sie nickte, und schluckte heftig, wahrscheinlich versuchte sie verzweifelt, nicht zu loszuweinen.

Er stand auf, und nahm sein Digivice vom Gürtel. “Wir haben jetzt sieben Uhr dreißig. Wenn ich in zwei Stunden nicht zurück bin, solltet ihr von hier verschwinden!“

“Taichi-kun, aber....“





Er achtete nicht im geringsten auf meinen Einwand. “Wenn ich wieder da bin, dann muß ich dich noch was anderes fragen. Also bis dann, und paß gut auf Hikari-chan auf!“

Er rutschte das Treppengeländer hinunter. Aufgeregt trampelte Agumon hinterher.





Weg waren sie.

‘Wenn ich wieder da bin, dann muß ich dich noch was anderes fragen.‘ Kann ich doch drauf verzichten, du verdammter Idiot!

Wenn du wieder da bist, hast du das längst vergessen! So wie du immer alles vergißt, wenn du dich ins nächste Abenteuer stürzt. Taichi, du unerschrockener Held, Taichi, du cooler Anführer, Mr. “da muß man nur mal kurz draufhauen, dann geht das schon!"

Für dich ist das alles nur ein blödes Spielchen, und ich hab‘ sowas von keinen Bock mehr auf deine Spielchen, steck sie dir doch sonstwohin! Jedesmal wenn ich denke, ich bin drüber weg, mußt du wieder alles durcheinander bringen!

Und dann, wenn du ein Chaos angerichtet hast, verschwindest du wieder. Einfach so! Als ob’s dich alles gar nix anginge!

Nein, hinterherlaufen tu ich dir bestimmt nicht, du blöder Wichser! Von mir aus brauchst du überhaupt nicht wiederzukommen!

“Hör auf so grimmig zu schauen,“ schimpfte Gabumon, “du machst der Kleinen ja Angst!“





Ach ja richtig. Vor mir auf der Treppe hockte ein Psychokind mit Jammermiene, das sollte ich wohl jetzt trösten. Hab‘ ich schon mal erwähnt, daß ich vom Trösten keine Ahnung hab‘?

“Hör zu!“ Meine Güte, ich kling‘ ja schon beinah‘ wie mein Vater. “Ich kann mir vorstellen, daß das alles nicht einfach für ein kleines Mädchen, - sag‘ mal, wie alt bist du eigentlich?“

“Acht!“ Sie streckte mir ihre rechte Hand, und drei Finger der linken entgegen. “An Tanabata bin ich acht geworden!“

Sie war genauso alt wie mein Brüderchen, das überraschte mich. Ich hätte sie auf jeden Fall jünger eingeschätzt. Sie war klein für ihr Alter, und wirkte sehr kindlich. Nur wenn sie den Mund aufmachte, kriegte man das Gefühl es mit so einer Art Elfenwesen aus einem Adventure Spiel zu tun zu haben.

Sie redete einfach nicht, wie ein Kind ihres Alters. Gut, ich hab‘ nur Takeru zum Vergleich, aber da war schon ein himmelweiter Unterschied.

“An Tanabata,“ wiederholte sie ernst, und fügte hinzu. “Ich bin Krebs! Was bist du denn?“

“Skorpion. Das sind die, die sich immer mit den Löwen zoffen!“ Diese Bemerkung konnt‘ ich mir einfach nicht verkneifen.

“Onii-chan ist Löwe,“ sagte sie, “aber vorhin habt ihr euch gar nicht gestritten. Er sagt, früher habt ihr euch viel mehr gestritten, und auch geschlägert.“ Sie sah mich vorwurfsvoll an. “Warum hast du ihn nicht angerufen?“

“Angerufen?“ Irgendwie war mir das alles zu hoch. Daß Taichi ihr von mir erzählt hat, hab‘ ich inzwischen geschnallt. Aber wieso anrufen?

“Er hat darauf gewartet, daß du anrufst. Als er vorgestern hier war, und gleich wieder weg mußte. Das Telephon hat geklingelt, und er hat gedacht, du bist es. Aber du warst es nicht, es war Mama.“

Ich wußte immer noch nicht so recht, was sie eigentlich meinte, aber vermutlich war es zu der Zeit gewesen, als Taichi wieder in die reale Welt geschleudert worden war, während wir anderen planlos in der Wüste rumirrten.

Sie ging wieder zu Gabumon und kraulte ihn hinterm Ohr. “Das ist dein Digimon Partner, gell? So wie mit Onii-chan und Agumon.“

“Ja, das ist er! Ich bin auch ein Digiritter, genau wie du.“ Endlich ein unverfängliches Thema dachte ich erleichtert, aber ich hatte mich zu früh gefreut.

Mit düsterer Miene sah sie mich an. “Ich will überhaupt keiner sein!“

“Wollten wir zuerst auch nicht, aber inzwischen haben wir uns dran gewöhnt,“ erklärte ich. “Es kommen auch wieder bessere Zeiten. Zumindest hoff‘ ich das!“

“Chigau!“ Sie schüttelte heftig den Kopf, und verbarg das Gesicht in den Händen. Winzige Patschhändchen waren das. “Ich darf nie wieder ein Digiritter sein, sonst passiert ein ganz schreckliches Unglück, das weiß ich genau! Ein ganz schlimmes Unglück!“

Muß ich das jetzt checken?

Von was in aller Welt redete die Frau nur? Mein Didschi schaute genauso dumm aus der Wäsche wie ich, ihm war’s anscheinend auch zu hoch. Entweder sie wußte was, was wir nicht wußten, oder sie hatte einfach einen kleinen Haschmich.

“Wizahmon hab‘ ich schon ins Unglück gestürzt,“ jammerte das Psycho Kind weiter, “ich bin an allem schuld!“

“Ist Wizahmon dein Digimon Partner?“ fragte ich vorsichtig.

“So janai!“ Sie schüttelte langsam den Kopf. “Tailmon ist mein Digimon Partner.“

Tailmon? Ach, du lieber Himmel, die Kleine hat ein Schwanzmonster! Wer denkt sich bloß diese kranken Didschinamen aus?

“Vamdemon hat Tailmon gefangengenommen,“ redete sie weiter, “genauso, wie unsere Eltern, und all die anderen Leute. Onii-chan ist losgegangen, um ihnen allen zu helfen. Er wird es doch schaffen, oder? Es wird ihm doch hoffentlich nichts passieren! Oder?“

Ehrlich gesagt, war ich mir da nicht so sicher, und das sagte ich ihr auch. Einen Augenblick später hatte ich ein heulendes Psycho Kind, und ein schimpfendes Gabumon am Hals. “Hör endlich auf, ihr Angst zu machen!“ meckerte er, “kannst du sie nicht einfach in den Arm nehmen, und ihr sagen, daß alles in Ordnung kommt?“





Zu Punkt eins, ich bin nicht gut mit dem in den Arm nehmen, ich find‘ die ganze Schmuserei sowas von bescheuert. Und ein Mädchen hab‘ ich überhaupt noch nie im Arm gehabt, ich wüßt‘ gar nicht, wo man da überhaupt hinlangen soll.

Das einzige Mädchen, dem ich bisher körperlich nähergekommen bin, ist Sora, mit ihr kann man sich nämlich herumbalgen, wie mit einem Jungen. Aber das hier ist doch was völlig anderes!

Zu Punkt zwei, ich bin auch nicht gut mit dem sagen, daß alles in Ordnung kommt. Ich hasse diese Schöntuerei, ich hasse sie absolut!

Dieses ganze Gesülze, dieses ewige ‘alles wird gut‘. Das ist nur dazu da, um sich und anderen etwas vorzumachen, weil man die Wahrheit nicht hören will.

Aber das waren natürlich Dinge, die Hikari nicht wissen konnte. Und ob sie es checken würde, wußte ich auch nicht. Ich konnte zwar versuchen, es ihr zu erklären, aber .....

“Tut mir leid, daß ich dir Angst gemacht hab‘!“, sagte ich zu ihr, “das wollt‘ ich nicht.“ Und dann kamen die Worte irgendwie ganz von alleine. Ich weiß nicht, ob es die richtigen waren, aber ich glaub‘, sie hat sie verstanden.

“Ich weiß nicht, ob Taichi-kun das schafft,“ sagte ich zu ihr, “ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Ich würd’s wirklich gern glauben, aber ich hab‘ auch Angst.





Und ich mach‘ mir Sorgen, genauso wie du. Ich würd‘ dir auch gern erzählen, daß alles gut wird, aber ich hasse es, wenn man Kinder so anschwindelt. Ich will gar nicht erst damit anfangen. Mir wollten meine Eltern auch immer erzählen, daß alles gut wird, und es hat nicht gestimmt.“

Sie klappte den Mund zu, und hörte so plötzlich auf zu weinen, daß mir kaum Zeit blieb zu reagieren. Ehe ich mich versah, kam sie schon auf meinen Schoß geklettert, und hielt sich mit ihren dünnen Ärmchen an mir fest, um nicht herunterzufallen. So hockten wir eine Weile einfach nur da, und starrten hinaus in den Nebel.

“Ni-chan darf nichts passieren,“ schniefte sie, “das geht doch nicht. Ich hab‘ ihn doch lieb!“

“Ja,“ murmelte ich leise in ihre Haare, “ich auch. Ich auch!“





Die zwei Stunden waren um. Mein Digivice zeigte neun Uhr dreißig.

Und keine Spur von Taichi.

“Yamato-kun! Yamato-kun, Hikari-chan, steckt ihr hier irgendwo?“

Sora’s Stimme! Wenn sie unser Versteck kannte, mußte sie Nachricht von Taichi haben. Ohne lange Überlegungen wetzten wir die Treppe hinunter in den Hinterhof, und hinaus auf die Straße. Vor uns landete Birdramon und hielt ein winziges elfenähnliches Digimon fest, das ohnmächtig zu sein schien.

“Palmon ist weiterdigitiert, und wurde verletzt“ sagte Sora hastig, als sie von Birdramon’s Fuß hüpfte , “erklär‘ ich dir alles später, wenn wir Zeit haben.“ Warum die Frau ihrem Didschi immer am Fuß hängt, anstatt sich einfach auf seinen Rücken zu setzen, versteh‘ ich heut‘ noch nicht!

“Taichi-kun hat mich geschickt, um euch zu holen, Vamdemon hat das ganze Stadtviertel in seiner Gewalt. Wir müssen....“

“Ihr müßt gar nichts. Außer sterben,“ erklang eine eisige Stimme vom Dach.

Ein häßliches Phantomon hatte sich dort breitgemacht und wedelte mit seiner Sense. Einen Moment später kam ein riesiges Dino-Viech um die Ecke gestapft, und ein surrender Insektenverschnitt stürzte sich aus der Luft auf unsere Didschis hinunter.





“Ich muß den achten Digiritter gar nicht finden“, sagte das Sensendidschi böse. “Wenn ich euch töte, wird Vamdemon-sama mit mir zufrieden sein.“

Scheiße gelaufen! Der Wanderzirkus muß Sora und Birdramon heimlich gefolgt sein, als sie zum Versteck geflogen sind. Hoffentlich hatte das Psycho Kind Grips genug, sich in Sicherheit zu bringen, was sollte ich Taichi sagen, wenn ihr etwas zustieße?

Ich würde wohl keine Gelegenheit haben, Taichi überhaupt noch etwas zu sagen, denn etwas Enges ziemlich Unangenehmes wickelte sich um meinen Hals.





Während sich die Didschis prügelten, hatte Phantomon seine Kette nach mir geschleudert, und jetzt konnte ich zusehen, wie ich wieder Luft kriegte. Das Ding saß ziemlich fest, und Phantomon versuchte, es zuzuziehen. Noch konnte ich dagegen halten, aber allzulange würde meine Kraft wohl nicht mehr ausreichen.

“Yamato-kun!“ brüllte Sora. Nur mit einem Stock bewaffnet, jagte sie auf Phantomon zu. Die Sense zerschnitt den Stock in zwei Teile, und Sora wurde weggeschleudert wie eine Puppe.





Wenn ich erst auf der Bahre liege, muß Taichi wenigstens einsehen, daß er sich benommen hat, wie der letzte Trottel. Aber dann ist es zu spät!

Recht geschieht’s ihm!





Gleich würde ich über meinem Körper schweben, einen langen dunklen Tunnel entlangdüsen, und Erinnerungen von meinem ganzen beschissenen Leben würden an mir vorbeiziehen.

Und da war auch schon das weiße Licht.

Das weiße Licht war tatsächlich da, nur daß es nicht von der Ewigkeit kam, sondern von Sora’s Wappen. Sora’s Wappen der Liebe leuchtete. Für mich.

“Yameteeeh!“ schrie Hikari, und rannte aus ihrem Versteck.





“Ich bin der achte Digiritter! Macht mit mir, was ihr wollt, aber hört auf, meinen Freunden weh zu tun!

Bitte hört damit auf!“

Das Sensendidschi ließ die Kette los, und streckte seine dürren Knochenarme nach der Kleinen aus. Ich wollte losbrüllen, ihr zurufen, daß sie verschwinden sollte, so schnell wie möglich abhauen, aber da spielte mein Hals nicht mit, ich kriegte keinen einzigen Ton raus. Aufstehen konnte ich auch nicht, das Gewicht der Kette war zu schwer.

Verdammt noch mal, ich konnte überhaupt nichts tun!

“Braves Kind,“ spöttelte Phantomon. Schadenfroh grinsend schwebte es durch die Luft, und zerrte Hikari hinter sich her. Seine Handlanger ließen von unseren Didschis ab, und folgten ihm.

“Yamato!“ Garurumon hatte sich hochgerappelt, und half mir, endlich die verdammte Kette loszuwerden.





Mein Hals schmerzte immer noch höllisch, aber wenigstens konnte ich wieder reden. Ich taumelte zu Sora hinüber, die grad wieder zu sich kam, und sich den blutenden Kopf hielt.

Neben ihr stand ein riesiges Garudamon, und wirkte ziemlich hilflos. “Sora, wach doch auf!“

“Kannst du aufstehen?“ wollte ich wissen. Sie nickte, verzog aber das Gesicht, als sie versuchte, sich aufzurichten “Hikari-chan?“

“Die haben sie,“ murmelte ich düster, “sie ist mit ihnen mitgegangen, um uns zu retten. Ich konnte es nicht verhindern!“

“Oh nein! Wir müssen sie befreien, wir müssen...“ Sie schrie leise auf, und hielt sich den Kopf.

“Mach‘ mal lieber langsam, okay?“ Vorsichtig schob ich den Arm unter sie, um sie zu stützen, und drehte mich dann zu Garurumon um: “Lauf zurück, und hol‘ die Servietten, und die Getränkedose, die wir noch haben!“

“Mach‘ ich!“ Mit gewaltigen Wolfssätzen jagte Garurumon zum Versteck zurück.

“Ich bin dir was schuldig,“ murmelte ich, und brachte es kaum fertig, ihr in die Augen zu sehen.

Wenn ich das jetzt nicht rausgebracht hätte, dann vermutlich niemals. “War ziemlich leichtsinnig, was du gemacht hast!“

“Ich muß dich doch beschützen,“ flüsterte sie, bevor sie wieder ohnmächtig wurde, “hab’s doch versprochen! Was soll ich ihm sagen, wenn....“





Ihm? Wem? Warum?

Ein Scheißgefühl war das, ehrlich! Warum bin ich nur immer so fies zu ihr gewesen? Ich wollte, daß sie verschwindet, und sie wollte mich beschützen. Ich hab‘ meine albernen Launen an ihr ausgelassen, und sie hat mir das Leben gerettet.

Warum hab‘ ich Taichi immer für gedankenlos gehalten, wenn ich selbst überhaupt nicht besser bin?

Nicht Taichi ist der letzte Trottel, das bin ich schon selbst!

Viel Zeit mir furchtbar leid zu tun, hatte ich nicht, denn Garurumon kam mit unserer Tüte im Maul zurück.

Sora wachte auf, als ich ihr das Gesicht abwischte, und diesmal ging es ihr etwas besser. Außer ein paar Schrammen und Beulen schien ihr nichts passiert zu sein, und die Verletzung am Kopf war zum Glück nicht so schlimm, wie sie aussah.

Es war nur eine Platzwunde, und nachdem wir das Blut abgewischt hatten, wirkte sie ziemlich harmlos. Trotzdem konnten wir nicht sicher wissen, daß sie keine Gehirnerschütterung, oder ähnliches davongetragen hatte.

Aber das Schlimmste stand uns noch bevor.

Wir mußten Taichi sagen, daß sich seine Schwester in Vamdemon’s Gewalt befand.





6. Kiseki wo shinjite


(Glaub an ein Wunder)





Kiseki wo .......shinjite
Glaubt fest .....an ein Wunder


-Angemon und Angewomon-


Hikari-chan hatte sich Vamdemon ausgeliefert.

Phantomon war mit ihr nach oben geflogen, zur großen Kuppel, in der sich die Sendezentrale befindet. Nur wenige Minuten später sahen wir einen Schwarm Fledermäuse ebenfalls auf dem Weg dorthin.

Vermutlich hatte Vamdemon schon erfahren, daß seine Handlanger das achte Kind gefunden hatten.

Aber was hatte er vor? Und was hatte der Sender damit zu tun?

“Oi! Yamato-kun!“

Die Rufe übertönten kaum das Stampfen des riesigen Digimons, das uns entgegen kam.

Ein Digimon, das ich noch nie gesehen hatte, aber es bestand kein Zweifel daran, wem es gehörte.

Jou hatte jetzt auch ein Ultrabonzdidschi.





“Yamato, ich hab‘ dir doch gesagt, daß du im Versteck bleiben sollst!“ hörte ich die wütende Stimme meines Vaters, der aus einem Nebeneingang des Senders gelaufen kaum.

Koushirou und Tentomon waren bei ihm. Wie die beiden jetzt dorthin kamen, überstieg meine Vorstellungskraft, aber irgendwann würde sicher noch Zeit für Erklärungen sein.





Koushirou’s Blick fiel auf die verletzte Sora und seine Augen verengten sich. Vorwurfsvoll starrte er mich an, als ob er sagen wollte: ‘Was hast du ihr jetzt schon wieder angetan?‘

Erstmal wetzte alles durcheinander! Koushirou rannte zu Sora, Jou desgleichen, er hatte einen Erste-Hilfe Koffer mitgebracht, aus dem er Pflaster, Verbandszeug, und Jodtinktur kramte. Von Jou’s Ultrabonzdidschi, hüpfte mein Brüderchen, und stürzte unsrem Vater in die Arme. Der war daraufhin so verblüfft, daß er total vergaß, daß er mich eigentlich schimpfen wollte. Praktisch.

Wie in aller Welt kam Takeru hierher? Nur gut, daß Jou auf ihn aufgepaßt hat!

“Mir geht’s gut, wirklich!“ beteuerte Sora, als sie Jou versprechen mußte, sich beim geringsten Anzeichen von Schwindel oder Übelkeit sofort irgendwo hinzulegen, und auszuruhen. “Unter meiner Mütze sieht man den Verband nicht einmal!“

Die Frau ist echt hart im Nehmen! Aber sechs Jahre Fußball werden wohl ihren Beitrag dazu geleistet haben.

“Wir müssen hoch in die Sendezentrale!“ erklärte Koushirou hastig. “Ishida-san und ich haben herausgefunden, daß sie das Zentrum von Vamdemon’s Macht ist!“

“Taichi-kun’s Schwester ist auch dort oben,“ fügte ich hinzu, “sie haben sie gefangengenommen. Sie ist das achte Kind!“





“Wissen wir!“ Mein Brüderchen streckte mir ein Amulett entgegen und klammerte sich mit der anderen Hand an Vater fest, um nicht von seinem Arm zu fallen. “Wir haben ihr Wappen! Wizahmon hat es uns gegeben!“

“Hikari-san ist in großer Gefahr,“ sagte eine mir unbekannte Stimme.

“Wenn die alten Legenden wahr sind, dann wird Vamdemon ihre Kräfte mißbrauchen, um die Macht über diese Welt zu erlangen!“





Ich kannte dieses Digimon vom Sehen, es gehörte zu Vamdemon’s Armee. Ein kleines verschrumpeltes Männlein mit Kutte, Umhang und einem spitzen Hut.

Aber was wollte es von uns? Uns in eine Falle locken?

“Wizahmon ist unser Freund, er will uns helfen,“ versicherte mein Brüderchen. “Wir können ihm trauen!“ Auch Jou schien felsenfest dieser Meinung zu sein.

Wizahmon kniete neben dem verletzten Elfendidschi, das immer noch grau und leblos aussah. “Sie ist ein Opfer von Vamdemon’s Dead Scream geworden. Ich werde versuchen, sie wiederzubeleben“

Er streckte die Arme aus, und hielt die Hände über das Digimon “Ist ihr menschlicher Partner hier?“

Wir schauten uns an, und schüttelten die Köpfe. Wo Mimi im Augenblick steckte, wußte keiner von uns.

Sora war diejenige, die sie zuletzt gesehen hatte, aber das war nun auch schon einige Stunden her.

Und wo in aller Welt steckte Taichi? Wo war dieser Idiot bloß hingerannt?

Wahrscheinlich mittenrein in den größten Ärger.

“Es ist nicht ganz einfach, aber ich will es versuchen!“

Wizahmon’s Hände begannen zu leuchten, und langsam kehrte das Leben in Mimi’s Didschi zurück.

“Was ist passiert?“ fragte sie ziemlich verwirrt. “Wo ist Mimi?“





“Kannst du sie suchen, und ihr sagen, daß sie zum Senderaum kommen soll?“ wollte ich wissen.

“Vamdemon ist oben in der Kuppel! Wir gehen schon mal vor, wir dürfen jetzt wirklich keine Zeit mehr verlieren.“

Leichter gesagt, als getan. Im nächsten Moment sausten Snimon’s messerscharfe Mundwerkzeuge durch die Luft, und verfehlten ums Haar die arme Sora, die ich grad‘ noch beiseite schubsen konnte.

Wenn jemand Yama’s Freunde angreift, dann wird Yama stinkig, und wenn Yama stinkig wird, darf sein Didschi noch ein Bonzlevel weiter digitieren.

Wenn der miese Haufen das nach der soundsovielten Folge nicht kapiert hat, dann ist das sein Pech, nicht meins.

Meine Schuld gegenüber Sora war somit beglichen, aber irgendwie hatte ich trotzdem das merkwürdige Gefühl, daß wir nicht quitt waren.





Der Weg nach oben erwies als schwieriger, als wir vermutet hatten. Überall wuselten Bakemon, und ähnliches Getier herum, und mehr als einmal mußten wir einen kleinen Kampf zur Ablenkung inszenieren.

Nur gut, daß Vater das Gebäude so genau kannte. So konnten wir immer wieder ausweichen, ohne allzuviel Zeit zu verlieren.

“Vamdemon wird versuchen Hikari-san auf die Seite des Bösen zu ziehen,“ erklärte Wizahmon mir hastig, als wir durch einen Gang huschten.





“Den alten Legenden zufolge, gab es vor undenklich langer Zeit zwei Digiritter mit ganz besonderen Fähigkeiten, die ein mächtiges Wesen der Dunkelheit besiegt haben sollen.





Vamdemon glaubt fest daran, daß Hikari-san die Wiedergeburt eines dieser Digiritter ist, und daß ihre besonderen Fähigkeiten der Schlüssel zur Macht sind.“

“Das ist doch völliger Blödsinn,“ Zweifelnd zog ich die Brauen hoch, und sah den Schrumpelgnom an. “Wieso sollte Hikari-chan einem Widerling wie Vamdemon helfen?“

“Die Legende besagt, daß auf diesen beiden Digirittern ein schrecklicher Fluch liegt, damit sie nie wieder ihre Kräfte vereinen können.

Jedesmal, wenn die beiden Kinder wiedergeboren werden, wird eines auf der Seite des Lichts, und eines auf der Seite der Dunkelheit stehen.





Wenn es also nicht noch einen weiteren Digiritter gibt......“

Noch ein Digiritter wie Hikari-chan? Na dann gut‘ Nacht!

Wahrscheinlich das schlimmste Psycho Kind, das jemals in der Digiwelt rumgerannt ist!

“Irgendwann wirst du noch dein loses Mundwerk verfluchen,“ lamentierte der Gnom mit weinerlicher Stimme als ob er ein Sutra herunterleiern wolle.

Om! Schade, daß ich nicht ein bisserl religiöser bin, dann würd‘ ich mich jetzt im Lotussitz hinpflanzen und die Handflächen gen Himmel wenden.

“Wenn es also nicht noch einen weiteren Digiritter gibt,“ ging die Predigt weiter, “dann ist das andere Kind längst ein Teil eures Teams und steht damit auf der Seite des Lichts.

Somit würde der Fluch Hikari-san treffen, und Vamdemon könnte es gelingen, sie auf seine Seite ziehen. Ihr müßt den Fluch auf jeden Fall brechen, und es verhindern!“

“Zunächst einmal müssen wir Hikari-chan befreien,“ mischte sich Koushirou ein.

“Selbst wenn du recht hättest, und an der Sache was dran ist, würde Vamdemon Hikari-chan vielleicht umbringen, wenn er glaubt, daß sie für ihn nutzlos ist. Wenn wir sie befreit haben, und alle in Sicherheit sind, können wir in Ruhe über solche Dinge reden.“

“Still, da vorn ist Phantomon,“ zischte Sora.

Durch ein Fenster konnten wir das Sensendidschi erkennen, das auf die Kuppel zuschwebte.

“Sie sind in der Kuppel,“ flüsterte Jou. “Ishida-san, gibt es hier irgendwo einen Hintereingang, der ein bißchen versteckt ist?“

“Vielleicht über die Feuerleiter,“ überlegte Vater, “laßt es uns zumindest versuchen!“

Wir kraxelten also über die Feuerleiter nach oben. Sehr angenehm war das nicht, ging doch ziemlich tief runter.

Sowohl Sora als auch mein Brüderchen hielten sich tapfer, nur Jou machte wie immer etwas Gezeter.

Aber selbst wenn uns jetzt jemand bemerkte, irgendwann würden wir ja doch angreifen müssen.

“Mega Flame!“

Einmal in hundert Jahren war Taichi’s Timing wirklich perfekt!

Weit unter uns, auf dem Dach unsres ehemaligen Verstecks trampelte ein wildgewordenes Greymon herum, und zog die Aufmerksamkeit sämtlicher Phantomon und Bakemon auf sich.

Selbst aus der Entfernung konnte man gut erkennen daß Taichi protzig auf Greymon’s Rücken hockte, und sich mächtig toll vorkam.





Hinter ihm saß Mimi, sie hatte beide Arme um seinen Oberkörper geschlungen, und schmiegte sich eng an seinen Rücken, um nicht heruntergeschleudert zu werden.

Irgendwie tauchte in den tiefsten Tiefen meines Bewußtseins plötzlich dieses farbenfrohe, und äußerst realistische Bild auf.





Eine schlammbespritzte Mimi, die zeternd und kreischend vor einer Horde Numemon flüchtet, die sie abwechselnd abbusseln und mit kleinen rosa Häufchen bewerfen, während sie selbst der Länge nach in einen stinkenden Abfallhaufen fällt, sich dabei sämtliche Fingernägel abbricht, und ihre Frisur auf drei Jahre hinaus ruiniert.

Ein Blick in Koushirou’s Visage verriet mir, daß er wohl etwas Ähnliches dachte, und was Jou dachte, wollte ich lieber erst gar nicht wissen. Zumindest sah er so aus, als ob die Welt schon untergegangen wäre. Dabei sollte das doch erst nach Vamdemon’s Sieg passieren.





Natürlich war es vollkommen klar, daß Taichi nur aus Dummheit einen solchen Krawall veranstaltete, und nicht etwa weil er ein Ablenkungsmanöver inszenieren wollte.

Aber in diesem Moment paßte es einfach zu gut, in Windeseile waren wir hinauf die Kuppel geklettert, und befanden uns jetzt im Senderaum, wo sich ein zitterndes Psycho Kind, und ein zu allem entschlossenes Tailmon gegenseitig festhielten. Der Pyramidenkopf stand mit ausgebreitetem Umhang vor ihnen.





Ich mußte an Gotsumon und Pumpmon denken, und dieser Gedanke versetzte mir einen Stich. Nie wieder! Nie wieder würden wir zulassen, daß Vamdemon etwas so Schreckliches tat!

“Dead Scream!“

In buchstäblich letzter Sekunde digitierte Tentomon aufs Bonzlevel, und wehrte Vamdemon’s Attacke ab.

Vamdemon packte Hikari und flog durch die zerstörte Kuppeldecke hinaus aufs Dach.

Kein Problem für uns, denn unsere Didschis waren inzwischen mit dem lahmen Haufen da unten fertig geworden, und wir nahmen die Verfolgung auf.

Das Licht wurde grell, weil wieder irgendwas digitieren mußte, und einmal stieß Lilimon beinah mit Atlaskabuterimon zusammen, aber schließlich und endlich hatten wir Vamdemon auf dem Dach umzingelt.





Fünf Ultrabonzdidschis feuerten aus allen Richtungen vollkommen wirkungslose Attacken auf ihn ab.

Das sechste tauchte erst ein wenig später auf, weil ein gewisser Jemand für sein Ego einen protzigen Auftritt brauchte.

“Vamdemon!“ brüllte er vom gegenüberliegenden Dach aus, und rückte seine Taucherbrille zurecht, “du hast es gewagt, unsere Welt anzugreifen, und unschuldige Menschen zu entführen! Das werden wir niemals zulassen!“

Er überlegte angestrengt, ob ihm nicht noch irgendein passender Spruch einfiel.





Ganz genau, Tai-chan. Und im Namen des Mondes bin ich jetzt ernsthaft ein wenig verstimmt! Oder hast du‘s schon mal mit rosa Herzchen versucht?

“War‘s das,“ fragte Vamdemon ziemlich gelangweilt, und wehrte Metalgreymon’s Giga Destroyer mit einer Handbewegung ab. “Ich hab‘ heute noch eine Welt zu erobern.“

“Wenn du meiner Schwester auch nur ein Haar krümmst, wirst du es bitter bereuen! Hikari! Catch!“

Taucherbrillenbrain warf seiner Schwester das Digivice zu, aber aus dem Nichts heraus tauchte das Lügendidschi auf, und riß es ihr aus der Hand.

“Abgelost!“ keifte es. “Wenn ihr Dummbeutel glaubt, es mit dem mächtigen Vamdemon-sama aufnehmen zu können, müßt ihr schon etwas früher aufstehen!“

Einen Trumpf hatten wir allerdings noch im Ärmel. Das einzige Didschi, das zumindest ein wenig gegen Vamdemon ausrichten konnte, kriegte jetzt seinen Bonzauftritt, und der stellte erstmal alle anderen Viecher in den Schatten.

“Patamon.......shinka......Angemon“





Angemon‘s heiliges Licht schleuderte den Pyramidenkopf zu Boden, und jetzt war es vorbei mit der Überheblichkeit. Sein Gesicht war jetzt wutverzerrt, und er spuckte Flüche, anstatt blöder Kommentare, während er seine Energie für den nächsten Angriff sammelte.

Vorsichtshalber errichtete Angemon schon mal einen Schutzschild aus Licht um sich herum.

“Dead Scream!“




Alles passierte so verdammt schnell, daß keiner von uns reagieren konnte.

Vamdemon fuhr herum, und richtete seine Attacke nicht gegen Angemon, sondern gegen die kleine Hikari. Im Eifer des Gefechts war keinem mehr aufgefallen, daß sie völlig ungedeckt war, alle hatten sich nur darauf konzentriert, anzugreifen.

Nur ihr eigenes kleines Digimon stand noch vor ihr, und schützte sie mit seinem Körper.

Und dann passierte etwas, mit dem keiner von uns gerechnet hatte, echt nicht. Der hutzelige Schrumpelgnom, auf den wirklich niemand mehr geachtet hatte, wetzte in letzter Sekunde dazwischen.

Vamdemon’s Attacke schleuderte ihn mehrere Meter zurück und er blieb reglos am Boden liegen.

Entsetzt rannten Hikari und Tailmon zu ihm hinüber, während die anderen Digimon endlich ihrer Pflicht nachkamen und die beiden gegen Vamdemon abschirmten.

“Das passiert, wenn man mir in die Quere kommt.“ Böse lächelnd lehnte sich das Draculadidschi ans Geländer und wartete spöttisch-geduldig darauf, daß man ihm wieder Aufmerksamkeit schenkte.

“Wizahmon, du darfst nicht sterben,“ schluchzte Tailmon. “Was soll ich denn ohne dich anfangen? Ich brauche dich! Warum hast du das nur getan?“

“Ich kann doch nicht zulassen, daß euch beiden etwas zustößt. Nicht jetzt, wo ihr euch gerade erst gefunden habt. Und – Tailmon, du hast jetzt eine wichtige Aufgabe zu erledigen, bei der dir niemand helfen kann, auch ich nicht.“

“Verzeih mir, daß ich dich in die Sache mit reingezogen habe,“ schluchzte Tailmon.

Er redete nicht wie jemand, der kurz davor war, den Löffel abzugeben. Seine Stimme klang ruhig, fast heiter, und er schien sich keinerlei Sorgen zu machen.

“Da gibt es nichts zu verzeihen. Du hast deinen Weg jetzt gefunden, Tailmon, und ich bin sehr glücklich darüber, daß ich dir dabei helfen konnte. Mein Leben war nicht sinnlos, ich hatte eine Aufgabe. Ich bin dir sehr dankbar dafür!“





Er griff nach Hikari’s Hand und legte etwas hinein. “Die Energie eurer Wappen, nur sie kann den Fluch brechen, der über euch liegt. Zumindest in diesem Leben. Ihr müßt....“

Die Kraft ging ihm aus, aber er verzog das Gesicht zu einem Lächeln. Und er lächelte weiter, bis er verschwunden war.

Der Wind blies die schillernden Pixel übers Dach, wie den Feenstaub in den Märchen.

Ich wollte mich zur Wand drehen, damit die anderen mich nicht heulen sahen, aber in diesem Moment war es eh egal, wir waren alle am Flennen. Wie oft hatten wir uns vorgenommen, daß es keine weiteren Opfer geben sollte! Und jetzt war wieder dasselbe passiert!

“Iya,“ schniefte Hikari ungläubig und ihr Schluchzen steigerte sich zu einem gellenden Schrei, der über den Dächern widerhallte. “Wizahmon! Iyaaaaaaaahhh!“





Ihr Händchen begann zu leuchten. Darin hielt sie das Wappen, das Wizahmon ihr vor seinem Tod noch hatte geben können.

Es strahlte und funkelte, bis das Licht Tailmon erreichte, und sie ganz darin einhüllte. Obwohl es relativ deutlich war, was gleich passieren würde, standen wir erstmal nur da und glotzten blöd.

Das Digivice verschwand aus Picodevimon’s Klauen und schwebte zu seiner Besitzerin zurück.

“Tailmon ..... choushinka ...... Angewomon!“

“Tailmon ist ein ...ein Engel!“ Hikari-chan fiel die Klappe runter.

Uns anderen auch, so war’s ja nicht.





Die amerikanischen Cartoons lassen grüßen! Was da vor uns in der Luft herumgondelte, war Supergirl, Wonder Woman und She-Ra in einer Person. Nur daß die Amis ihr vermutlich als erstes einen Zensurbalken quer über die Brust geklatscht hätten.

Und das Nichts von einem Kleid, das da über dem nicht vorhandenen Hüftspeck flatterte, hätte wohl auch für einige Furore gesorgt. Dieses Didschi war definitiv nicht jugendfrei.

Das Wonderbradidschi kümmerte sich allerdings nicht im geringsten um Jugendschutzgesetze. Sie hatte nur eins im Sinn, diesem superfiesen miesen Vampirdidschi etwas Knoblauch zwischen die Zähne zu schieben.

Den Eichenpflock hielt sie auch schon bereit, zwischen ihren Fingern leuchtete ein Bogen aus Licht, und soeben erschien ein Pfeil auf der Sehne.

“Vamdemon, du hast es gewagt, unschuldige Menschen und Digimon anzugreifen, und du bist unerlaubt in diese Welt eingedrungen! Außerdem hast du meinen geliebten Freund Wizahmon getötet!

Sind dir alle deine Sünden bewußt?“





Geile Kampfansage. Manchmal frag‘ ich mich, warum sie’s nicht einfach lassen, und gleich angreifen können. Aber wahrscheinlich wäre das zu langweilig.

Auch Vamdemon mußte jetzt zu diskutieren anfangen. Aber er hatte wenigstens einen guten Grund dafür, denn wenn man grad im Begriff ist, gekillt zu werden, wird’s so langsam an der Zeit, die Rechtfertigungen herauszukramen. “Mein Plan war es, diese Welt zu erobern, und mit der Digiwelt zu vereinen, damit ich über beide Welten herrschen kann. Ich habe nur getan, was ich für richtig hielt!“

Hättest dir lieber ‘nen Anwalt suchen sollen, Knoblauchfresser! Dem wär‘ sicher was Besseres eingefallen.

“Holy Arrow!“

“Sammeln wir unsere Energie, und stehen wir Angewomon zur Seite!“





Auch die übrigen Didschis wollten nicht mehr nur tatenlos rumstehen. Ihre Attacken donnerten durch die Luft, und vereinigten sich mit Angewomon’s heiligem Pfeil, der bereits auf Vamdemon zusauste.

“Yamerooooh!“ brüllte das Draculadidschi. Wie oft er selbst andere Digimon in dieselbe Situation gebracht hatte, konnte man gar nicht mitzählen. Ich dachte an Gotsumon, Pumpmon und Wizahmon, und der Kerl tat mir kein bißchen leid.

Nicht alle dachten genauso wie ich, ich konnte hören, wie Sora leise zu Mimi sagte: “Wir hatten keine andere Wahl“, und Jou sah so aus, als ob er sich gleich übergeben müsse.

Taichi dagegen führte auf dem Dach einen Indianertanz auf, und schrie ein ums andere Mal: “Wir haben’s geschafft! Wir haben gewonnen!“

Ob das jetzt Taichi’s Spackerei war, oder ob es daran lag, daß schon vorher einiges zu Bruch gegangen war, wußten wir nicht, auf alle Fälle begann der Boden unter uns zu schwanken. “Oops,“ grinste Taichi verlegen, “was hab‘ ich denn jetzt schon wieder geschrottet?“

Zeit für einen taktischen Rückzug. Kaum hatten wir uns mit Hilfe unserer Ultrabonzdidschis in Sicherheit gebracht, krachte die gewaltige Kugel des Senderaums auch schon aus ihrer letzten Halterung, und schlug wie eine Bombe auf dem Boden auf.

Einen richtigen Meteoritenkrater gab das, nur gut daß wir nicht drunterstanden. Wär‘ auch nicht besonders angenehm gewesen, das Ding auf den Schädel zu kriegen.

Das war wohl hoffentlich das letzte Mal, daß durch Vamdemon etwas zu Bruch gegangen war. Jetzt hatten wir Ruhe! Wurd‘ auch langsam mal Zeit!

Wir waren nicht weit vom Sender gelandet. Bis auf Agumon, Gabumon, Patamon und Tailmon digitierten alle unsere Didschis aufs In-Training Level zurück.

Irgendwie muß das echt frustrierend für die Viecher sein. Eben noch ein riesiges Ultrabonzdidschi, und im nächsten Moment ein hilfloses Wollknäuel.

“Dem haben wir’s aber gegeben!“ freute sich Taichi. “Und mein Ablenkungsmanöver hat prima funktioniert!“

Ablenkungsmanöver? Welches Ablenkungsmanöver? Oh! Ich glaub‘ da hab‘ ich ihn wohl doch falsch eingeschätzt. Na ja, einmal in hundert Jahren muß auch ein blindes Huhn mal ein Korn finden.

“Ja, das war seine Idee,“ lachte Mimi. “Manchmal kann sogar einem Taucherbrillenbrain was einfallen!“





“Jetzt fängt die auch schon damit an,“ beschwerte sich Taichi. “Erstens ist das ‘ne Fliegerbrille, und zweitens ist sie cool! Wieso checkt ihr das nicht endlich?“ Beleidigt stampfte er mit dem Fuß auf.

“Fang bloß‘ nicht wieder an zu tanzen,“ bemerkte ich trocken, “für heute ist genug zu Bruch gegangen!“

“Hey!“ Er rannte zu mir hinüber, und schubste mich. Zwei Sekunden später hatte ich ihn schon zu Boden gerangelt, und hockte fett auf seinem Bauch. “Los, ergib dich!“

“Was ist, wenn ich’s nicht tue?“ Herausfordernd grinste er mich an, und brüllte mit einem Seitenblick zu den Mädchen: “Latte!“ Aber selbst von Mimi erntete er keinen schockierten, sondern lediglich einen genervten Blick.

Wer sich ein paar Monate lang Boy Talk anhören darf, kommt langsam drauf, daß es immer nur dieselben langweiligen Witze über dieselben langweiligen Themen sind.

“Selber Latte!“ verarschte ich ihn zurück. Nicht, daß ich’s beurteilen konnte, dafür hockte ich an der falschen Stelle, viel zu weit oben. “Oder besser gesagt, Lättchen!“

“Strohhälmchen!“ konterte er, und versuchte sich loszureißen. Ich beugte mich über ihn, und nahm ihn in den Schwitzkasten. “Geleebanane!“

Unsere Balgereien hab‘ ich echt vermißt. Seit wir wieder in der realen Welt sind, hatten wir kaum mehr Gelegenheit dazu.

“Kommt mal alle her, wir haben eine Mail von Gennai-san bekommen!“ Obwohl Koushirou angestrengt auf seinen Laptop starrte, war mir nicht entgangen, daß er mir aus den Augenwinkeln finstere Blicke zuwarf. Soll sich nicht so haben, ist doch nur ‘ne blöde Rauferei. Mit ihm tobt Taichi doch auch die ganze Zeit ‘rum.

Nein, eigentlich viel weniger als früher, das stimmt schon. Und zum Fußballspielen ist auch keine Zeit mehr.

“Er schreibt da etwas von irgendeiner Prophezeiung“, erklärte Koushirou, “vielleicht hat es mit den Dingen zu tun, die uns Wizahmon erzählt hat. Aber ehrlich gesagt, versteh‘ ich nicht so ganz, was das soll. Wir haben Vamdemon doch besiegt, oder etwa nicht? Und jetzt wo Hikari-chan ihr Wappen hat, müßte der Fluch doch auch gebrochen sein. Oder?“

“Sieh‘ dich doch mal um,“ sagte mein Brüderchen mit weinerlicher Stimme. “Der Nebel ist immer noch da. Es hat sich überhaupt nichts geändert!“

“Es ist noch nicht vorbei,“ Das Psycho-Kind stand neben ihm, ihr Blick genauso besorgt wie seiner. “Etwas Schreckliches wird passieren.“

Und ich dachte immer, Jou wäre unser Unheilsprophet. Noch mehr Unheil konnten wir wirklich nicht brauchen.

“Du mußt keine Angst haben, Hikari-chan,“ sagte mein Brüderchen und warf sich stolz in die Brust, “ich werd‘ dich nämlich beschützen!“

Man muß wissen, daß Jungs nie früh genug mit dem Angeben anfangen können. Muß uns wohl in den Genen liegen.

“Was ist, wenn Takeru das andere Kind ist?“ fragte Sora plötzlich. “Wizahmon hat doch von zwei Digirittern gesprochen, die diese besonderen Fähigkeiten haben. Es wäre doch möglich, oder?“

“Man muß keine besonderen Fähigkeiten haben, um zu erkennen, daß sich der Nebel nicht verzogen hat,“ gab ich meinen Kommentar dazu ab. “Aber möglich ist alles. Lesen wir Gennai-san‘s Prophezeiung, vielleicht sind wir dann ein bißchen schlauer.“

Leider sollte ich mich da getäuscht haben.





AM ANFANG WAR DER HIMMEL VON FLEDERMÄUSEN BEDECKT. DIE MENSCHEN FÜRCHTETEN SICH UND RIEFEN NACH DEM KÖNIG DER DIGIMON. ALS DANN DIE UHR ZU GEGEBENER STUNDE DIE ZAHL DER MONSTER SCHLUG, ERSCHIEN SEINE ERHABENE MAJESTÄT. DIE ENGEL SCHICKTEN PFEILE DES LICHTS UND DER HOFFNUNG AUF DIE MENSCHEN DIE IHREN SCHÜTZLINGEN AM NÄCHSTEN STANDEN. UND DANN GESCHAH EIN WUNDER.

Häh?

Auf was sind die denn für ‘nen Trip?

Verwirrt blickten wir uns an. Auf das Gefasel konnt‘ sich echt keiner einen Reim machen, es hatte absolut nichts mit dem zu tun, was wir herausgefunden hatten.

Der König der Digimon, sollte das Vamdemon sein?

Und was denn für Engel? Was für Pfeile?

“Vielleicht sollten wir zu unseren Eltern zurückgehen, und schauen wie’s ihnen geht.“

Jetzt klang Hikari überhaupt nicht mehr wie ein Psychokind, sondern wie ein ganz gewöhnliches kleines Mädchen.

“Gute Idee,“ pflichteten Sora und Mimi ihr bei.





Auf dem Wasser wirkte der Nebel noch dichter als auf dem Land.

Von unserem Boot aus konnte man an keines der beiden Flußufer sehen, alles um uns ‘rum war eine einzige graue Suppe. Wie auf einem endlosen düsteren Meer, das kein Ende und keinen Anfang hat.

Wie poetisch ich doch bin! Ich sollte eine Band gründen, und Songtexte schreiben.

Trübsinnig starrte ich in die dumpfe Brühe. Weiter hinten im Boot saß Vater an den Rudern, und ruderte, was das Zeug hielt. Auf seinem Schoß hockte mein Brüderchen, und textete ihn mit allem möglichen Blödsinn zu.

Er hat so wenig Gelegenheit sich mit Vater zu unterhalten, deswegen wollt‘ ich die beiden auch nicht stören. Außerdem hatte ich den Kopf voller Grübeleien und brauchte etwas Zeit zum Abschalten.


Warum hab‘ ich nur die blöde Harmonika nicht mitgenommen? Die wär‘ jetzt genau richtig!





Das mit dem Boot war Takeru’s Idee gewesen. Zwar hatten wir unseren Van auf der Straße freibekommen, aber alle Straßen, die aus Odaiba hinaus führten, waren mit leeren Autos übersät, ein Durchkommen war absolut unmöglich. Auch die Busse, und die Chikatetsu waren noch nicht wieder in Betrieb.

Wer sollte sie auch fahren, wenn alle Menschen gefangen waren?

Aber wir wollten versuchen, aus dem Nebel herauszukommen, um Mutter zu finden. Das letzte Mal, als Takeru sie gesehen hatte, war an der Station Shibuya gewesen, als sie den U-Bahn Verkehr eingestellt hatten.

Im Getümmel hatten sie sich aber verloren. Zum Glück hatte Takeru Jou getroffen, und die beiden waren mit Ikkakumon den Fluß entlang nach Odaiba geschwommen. Also mußte es durch den Fluß eine Möglichkeit geben, rein- oder rauszukommen.

Auf einem Fluß kann man sich auch nicht verlaufen, da er nur in eine Richtung fließt.

Eigentlich wollte ich ja nicht reden, aber Gabumon wußte sowieso Bescheid. Und der Rest der Mannschaft war zu sehr mit eigenen Gesprächen beschäftigt, um darauf zu achten.

“Sora-kun’s Wappen,“ sagte ich zu Gabumon, “ich muß die ganze Zeit darüber nachdenken. Warum hat Sora-kun’s Wappen der Liebe für mich geleuchtet, wenn sie mich doch überhaupt nicht liebt? Ich versteh‘ das nicht!“





Und diese Dinge, die sie gesagt hat. Hat sie Taichi versprochen, mich zu beschützen? Warum?

“Na, ich denke nicht, daß es so gemeint ist,“ Gabumon starrte in den Nebel. “Nicht, daß ich groß was von menschlicher Liebe verstehe, aber es gibt doch viele verschiedene Arten davon, oder nicht? Du liebst deine Familie. Du liebst deine Freunde. Du liebst...“

Er beendete den Satz vorsichtshalber nicht, als er das gefährliche Funkeln in meinen Augen bemerkte. “Und jedesmal ist es was anderes.“

“Es ist ein Chaos!“ Meine Hand krallte sich um den Bootsrand. “Und ich will das nicht. Ich will nicht von anderen abhängig sein!“

“Warum glaubst du denn, daß ihr Wappen geleuchtet hat?“ Wahrscheinlich versuchte mein Didschi mich auf andere Gedanken zu bringen, bevor ich wieder in einen meiner ellenlangen Selbstmitleids- Monologe verfiel.

“Weiß ich nicht. Das heißt, wissen tu ich‘s schon, aber nicht glauben, auf gar keinen Fall. Es würde bedeuten, daß...“

Gabumon antwortete nicht, sondern wartete darauf, daß ich’s endlich ausspucken würde. Aber ich kriegte es nicht raus, echt nicht. Obwohl ich’s ihm eigentlich erzählen wollte. Aber es kam mir so vor, als würde es durch Worte kaputtgehen. Es war nur wieder eine meiner durchgeknallten Ideen. Aber wenn man alles Unmögliche ausschließt, muß das was übrigbleibt, die Wahrheit sein, so unwahrscheinlich sie auch sein mag.

Der Spruch stammt von Jou. Hat er in ‘nem schlauen Buch gelesen.

“Gabumon, weißt du, was ein sokratisches Dreieck ist?“

Mein Didschi guckte mich an, als ob ich mich plötzlich in ein grünes, glitschiges Alien verwandelt hätte.

Das mit dem Dreieck ist eines von Jou’s dummen Denkspielchen. Marke: Man hänge in Digitamamon’s Scheißschuppen rum, und versuche sich bei Laune zu halten. Es dient dazu, jede Menge sinnige und unsinnige Behauptungen aufzustellen.

“Also paß‘ auf, Gabumon! Alle Digimon haben ein Level. Gabumon hat auch ein Level. Also ist Gabumon ein Digimon. Ganz logisch, oder?“

“Na ja, so halb, hab‘ ich es verstanden, glaub‘ ich.“ Gabumon schien immer noch verwirrt.

“Aber es stimmt nicht immer. Wenn ich sage, alle Vögel können fliegen, und ein Flugzeug kann auch fliegen, heißt das deshalb noch lange nicht, daß ein Flugzeug ein Vogel ist.“

“Nein. Aber wenn drei größer ist, als zwei, und zwei größer als eins, heißt das, daß drei größer ist als eins.“

“Ja, schon. Aber kannst du mir endlich sagen, was das Ganze soll?“

Nein, kann ich nicht. Oh Mann, ich hör‘ mich hier bald an, wie Jou. Warum ist das alles nur so furchtbar kompliziert?

“Es ist alles ganz einfach, Gabumon. Nehmen wir mal an, drei liebt zwei. Drei liebt aber auch gleichzeitig eins, obwohl drei eins eigentlich nicht direkt liebt. Wo ist jetzt das fehlende Glied der Kette?“





“Langsam, daß ich nicht durcheinanderkomm‘. Also Person drei liebt Person zwei, und am Ende soll herauskommen, daß Person drei Person eins liebt.“

Er dachte angestrengt nach, und schüttelte dann den Kopf. “Tut mir leid, das ist mir jetzt zu hoch.“

“Du hast recht, Gabumon, lassen wir die blödsinnigen Grübeleien. Ist wahrscheinlich das Beste.“

Ich starrte wieder aufs Wasser hinaus. Der Gedanke, daß Taichi etwas für mich empfinden könnte, erschien mir noch schwerer auszusprechen, als umgekehrt.

“Warum redest du nicht einfach mit ihm?“ fragte Gabumon. “Warum mußt du immer alles so kompliziert machen?“

Kompliziert? Sicher ist es kompliziert, aber das ist ja nicht allein meine Schuld. Es haut einfach nicht hin, mit dem Reden. Sogar, wenn ich es möchte, oder wenn er es möchte, immer kommt irgendwas dazwischen.

“Du weißt also doch, was ich gemeint hab‘, Gabumon.“

Und was ist, wenn es nicht stimmt? Was ist, wenn es trotz allem nicht stimmt? Wenn es doch irgendein Zufall war, daß Sora mich für Taichi beschützen sollte, und das mit dem Wappen und überhaupt?

Vielleicht war es nur eine Taichi’s Launen, und Sora hat dem Ganzen zuviel Bedeutung beigemessen?

Und Koushirou ist auch einfach nur aus irgendeiner Laune heraus eifersüchtig. Kann doch alles sein.





Kann eben nicht sein. Koushirou ist nicht launisch, und Sora kennt Taichi zu gut, um ihn so drastisch mißzuverstehen. Wenn er ein Problem hat, sind Sora und Koushirou immer die ersten, die es erfahren. Und aus seinen Gefühlen hat er noch nie ein Geheimnis gemacht.

Da wir schon beim Thema sind, wieso redet Taichi eigentlich nicht mit mir? Warum soll ich das machen?

“Ich weiß schon, was du meinst,“ sagte Gabumon, “ich verstehe nur nicht, warum du es nicht einfach sagen kannst.“

“Sora liebt Taichi, und Taichi liebt mich, und deswegen liebt Sora mich. Bist du jetzt zufrieden, Gabumon?“

Ich kann nicht mit Taichi darüber reden. Was soll ich ihm denn sagen? Er wird sich doch nur wieder drüber lustig machen, oder es nicht verstehen. Es ist einfach nur bescheuert.

Und selbst wenn – was soll ich dann machen? Mit ihm rumknutschen? Igitt!

“Haltet euch fest da vorne, ich wende das Boot,“ rief Vater. “Wir fahren ans Ufer, ich möchte nachsehen, wo wir überhaupt sind!“

Eigentlich müßten wir längst aus dem Nebel herausgekommen sein. Wir gondeln ja schon ‘ne ganze Weile auf diesem Fluß rum.

Aber als wir das Ufer erreicht hatten, kriegten wir echt den Schreck unseres Lebens. Ich sah mich um, soweit der Nebel es zuließ, und traute meinen Augen nicht.

“Das kann doch nicht sein!“ Entsetzt starrte Vater unseren Van an. “Wir sind genau an der gleichen Stelle wie vorher!“

Mein Brüderchen brach in Tränen aus. “Ka-san!“ brüllte er, und Vater konnte ihn grad noch rechtzeitig festhalten, bevor er ab in den Nebel rannte, und auf Nimmerwiedersehen verschwand.

“Mutter von Takeru!“ stimmten unsere Didschis lauthals in das Geplärr mit ein, “bitte melden Sie sich doch!“

“Es ist sinnlos,“ Frustriert kramte Vater nach den Autoschlüsseln. “Wir sollten zurückfahren, und den anderen Bescheid geben, daß es unmöglich ist, diesen Nebel zu verlassen!“

Leichter gesagt, als getan. Kaum saßen wir im Wagen, begann auch schon hinter uns der Fluß zu brodeln, und eine Schar Gizamon kam herausgejumpt. Die Gizamon dachten anscheinend, daß unser Van ein prima Trampolin abgebe, denn sie hüpften zischend und fauchend auf der Motorhaube herum.

Der Wagen bebte, und begann gefährlich zu schwanken. Vater versuchte den Motor zu starten, aber erfolglos, vielleicht hatten die Viecher was kaputtgekriegt. Sie hingen jetzt überall an den Scheiben, und ruckelten am Van herum. Außer wuselnden Pelzbüscheln konnte man überhaupt nichts mehr erkennen.

Ich geb’s nicht gern zu, aber ich hatte eine Scheißangst. Wir hockten auf der vordersten Sitzbank, ich links, Vater rechts am Steuer, Takeru hatten wir in die Mitte genommen. Die Didschis rannten auf der mittleren Sitzbank hin und her, digitieren war nicht drin, sonst hätte es uns den Wagen geschrottet.

Und die Tür aufmachen? Ne, bloß nicht! Sind ja nicht lebensmüde.

Plötzlich ein Surren und Schwirren in der Luft, wie eine Schar Insekten. Oder Vögel. Hitchcock hätte jedenfalls seine wahre Freude dran gehabt.

Dann wurde es dunkel um uns herum. Stockdunkle Nacht.

Schreie. Dann Stille.

Die Gizamon waren fort. Verschwunden, als ob sie sich in Luft aufgelöst hätten. Um den Wagen herum schwirrten Tausende kleiner schwarzer Fledermäuse mit gespenstisch glühenden roten Augen. Es waren die Fledermäuse die Vamdemon losschickte, wenn er seinen Dead Scream losließ.

Kein Zweifel möglich.

Am Anfang war der Himmel von Fledermäusen bedeckt...

Der Motor funzte endlich, und wir konnten abdüsen, bevor uns das Gewimmel zum Nachtisch verspeiste.





Als wir die Gebäude erreichten, in die Vamdemon die Einwohner von Odaiba verschleppt hatten, bot sich uns ein schreckliches Bild.

Alle Menschen lagen reglos, wie tot, auf dem Boden, die Augen weit aufgerissen, als würden sie etwas Grauenvolles ansehen müssen. Sie reagierten weder auf Geräusche, noch auf Bewegungen, sondern murmelten nur sinnloses Zeugs vor sich hin.

Auf der Suche nach den anderen teilten wir uns auf: Vater, Takeru, und Patamon blieben im Erdgeschoß, während Gabumon und ich in den ersten Stock hinaufmarschierten. War ein unheimliches Gefühl zwischen den ganzen Leuten herumzustiefeln, beinah wie in einem Horrorfilm.

Jeden Moment konnte einer hochfahren, und mich am Bein packen.

Oben schien alles leer zu sein. Also wollt‘ ich mich schon umdrehen, und wieder runtergehen, als ich plötzlich eine bekannte Stimme hörte, die aus dem nächsten Raum zu kommen schien.

“Das weiß ich schon lange,“ sagte die Stimme, “ich hab‘ nur immer so getan, als ob ich es nicht wüßte. Die ganze Zeit hab‘ ich versucht, es mir nicht anmerken zu lassen. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie schlimm das für mich war. Je mehr ich mich verstellt habe, desto schwerer ist es mir gefallen, und um so schlimmer ist es geworden.“

Koushirou. Ganz ohne Zweifel. Aber mit wem redete er da, und worüber? Schien ja was verdammt Ernstes zu sein.

“So sieht’s aus. Also habe ich mich hinter meinem Computer versteckt, und versucht das Ganze zu verdrängen.“

Eigentlich halt‘ ich Lauschen für eine Scheißangewohnheit! Ganz ehrlich! Aber diesmal siegte die Neugierde, und ich schlich näher an die Tür heran.





“Du hast nur das gemacht, was am Naheliegendsten ist,“ sagte eine zweite Stimme. Es war Koushirou’s Vater, ich hatte ihn kurz kennengelernt, bevor wir zum Fluß fuhren. Koushirou’s Eltern waren Vamdemon’s Gespenstertruppe irgendwie entkommen, wie, wußt‘ ich auch nicht genau.

“Wie meinst du das?“ fragte Koushirou. Ich lugte vorsichtig um die Tür herum, und konnte ihn und seine Eltern erkennen. Ansonsten war niemand im Raum, auch sein Didschi war nirgends zu sehen.

“Dein Interesse für Computer ist nur zu verständlich. Dein richtiger Vater, und du – ihr beide seid euch in vielen Dingen unglaublich ähnlich.“

Richtiger Vater? Wieso richtiger Vater? War der Typ, der da vor ihm stand etwa nicht sein Vater?





Oh!

Ich sag’s ja immer wieder, die echten Probleme frißt man in sich rein. Weil die andern sie einfach nicht raffen.

Da rennt man monatelang zusammen rum, prügelt sich mit Riesendidschis, rettet sich gegenseitig den Arsch, und sagt dann doch kein Sterbenswörtchen. Ich wette, nicht mal seine tollen Superkickers wissen darüber Bescheid.

“Mein richtiger Vater,“ wollte Koushirou wissen, “kennst du ihn?“

“Er war ein entfernter Verwandter von mir, weißt du,“ antwortete Koushirou’s Vater, der nicht sein Vater war. “Ein Mathematikgenie, wie es kein zweites gab. Er war an einer Universität beschäftigt, als Dozent.

Vor zwölf Jahren heiratete er deine Mutter, und kurz darauf wurdest du geboren. Sie kamen zusammen bei einem schweren Autounfall ums Leben. Der andere Fahrer hatte schuld.“

“Zur selben Zeit hatten wir einen kleinen Sohn, er war noch ein Baby,“ Koushirou‘s Mutter, die nicht seine Mutter war, erzählte weiter. “Eines Morgens ist er nicht mehr aufgewacht, sein Herz war zu schwach.

Nach seinem Tod haben wir uns um ein Adoptivkind bemüht, und so bist dann du zu uns gekommen.“

“So ist das also gewesen.“ Koushirou schien sehr nachdenklich zu sein.

Betroffen sah ich zu Boden. Wenn ich das gewußt hätte, vielleicht hätt‘ ich dann nicht...

Aber Koushirou würd’s garantiert ganz gewaltig stinken, wenn man ihn anders behandelte, als alle anderen.

Ich weiß, daß es mir so geht, deswegen red‘ ich auch mit keinem über die Sache mit meinen Eltern. Dieses Getue, und diese mitleidigen Blicke, das ist echt zuviel, das ist mehr, als ich ertragen kann.

“Wir wollten es dir eigentlich erst sagen, wenn du erwachsen bist, und mit solchen Dingen besser umgehen kannst.“

Kann man als Erwachsener wirklich besser mit solchen Dingen umgehen?

Andererseits, wer fragt danach! Sind wir nicht auch viel zu jung, um uns für das Schicksal der Welt zu prügeln? Müssen wir es nicht trotzdem tun?

Wie alt waren Takeru und ich, als das mit unseren Eltern passierte? Fünf und Acht! Hat irgend jemand danach gefragt?

“Es muß schwer für dich gewesen sein, es die ganze Zeit gewußt zu haben. Bitte verzeih uns, Koushirou – es tut uns wirklich leid.“

Haben meine Eltern damals auch gesagt. Vielleicht...vielleicht war es wirklich nicht nur eine leere Phrase. Vielleicht haben sie‘s ehrlich gemeint.

“Warum denn? Ich bin euch dankbar dafür, daß ihr mir die Wahrheit gesagt habt, ich danke euch für alles, was ihr für mich getan habt. Ihr wart mir immer sehr liebe Eltern.“

So was könnt‘ ich zu meinen Eltern nie sagen. Wie kriegt er das nur über die Lippen?

“Von uns aus kann alles so bleiben, wie es war.“

“Vater hat recht, wir beide wollen nur eins, daß du immer gesund, und glücklich bist, Kou-chan, mehr zählt für uns nicht.“

Das letzte Mal, als ich Koushirou weinen sah, war damals in der Wüste, als die Sache mit Sora und Taichi passierte. Das ist ihm furchtbar peinlich gewesen, wahrscheinlich ist er deswegen auch so ausgeflippt, und hat mich angeschnauzt.

Eigentlich hätt‘ ich das checken müssen, ich tu ja selbst nix anderes.

Hab’s aber nicht gecheckt! War ja viel zu beschäftigt damit, den Beleidigten zu spielen!

Schluchzend rannte Koushirou in die Arme seiner Mutter. Sein Vater streichelte ihm sanft übers Haar, und beide murmelten diese “Alles wird gut“ Sprüche.





Vielleicht waren‘s auch nicht nur Sprüche. Vielleicht ist es doch nicht nur Blödsinn, was die Eltern einem erzählen wollen. Zumindest ist‘s lieb gemeint, auch wenn sie oft nicht checken, was mit uns abgeht.

Ich schlich mich von der Tür weg, auf keinen Fall sollte Koushirou mitbekommen, daß ich da war. Er würd‘ mir nicht mehr in die Augen sehen können, ich weiß, daß ich es in seinem Fall nicht könnte.

Manche Dinge sind einfach zu privat.

“Du willst also nicht mit Koushirou darüber reden?“

“Auf keinen Fall, Gabumon, was meinst du, wie unangenehm ihm das wäre! Es wird sich nichts zwischen uns ändern, ... na ja jedenfalls fast nichts.“

Verwirrt guckte mein Didschi mich an. “Was meinst du mit ‘fast nichts‘?“

“Na ja, ich meine, daß ich ihn jetzt besser verstehe. Auch die Sache mit Sora-kun und Taichi-kun, glaub‘ ich.





Sie sind sowas wie eine zweite Familie für ihn, und er hat furchtbare Angst, daß sich jemand dazwischen drängt, und diese Familie kaputtmacht.

Er ist eifersüchtig, weil Sora-kun sich so eng mit Mimi-chan angefreundet hat, und er hat Angst, daß ich ihm Taichi-kun wegnehmen könnte. Ich muß ihm irgendwie klarmachen, daß ich nicht sein Feind bin.“

“Das klingt sehr überlegt, Yamato, richtig erwachsen,“ sagte mein Didschi bewundernd. “Und was willst du tun?“

“Ehrlich gesagt, Gabumon, hab‘ ich nicht die allergeringste Ahnung,!“





“Yamato-kun, gut daß du wieder da bist!“

Die anderen waren unten im Erdgeschoß, in einer der großen Hallen. Hockten verzweifelt neben ihren schlafenden Eltern, und wußten nicht, was sie tun sollten. Sie unterhielten sich flüsternd, so als ob sie vor jemandem Angst hätten. Dem unbesiegbaren König der Digimon vielleicht, wer immer das sein sollte.

Am Anfang war der Himmel von Fledermäusen bedeckt.........

Die Menschen fürchteten sich, und riefen nach dem König der Digimon.......

Das Gemurmel der Leute! Vorhin hatt‘ ich nicht großartig drauf geachtet, aber inzwischen war es lauter und deutlicher geworden. Es war nur ein Satz, immer derselbe Satz, den sie konsequent wiederholten

“Allmächtiger Vamdemon-sama, erhöre uns!“

Mir lief es eiskalt den Rücken runter.

“Theoretisch schlafen diese Leute alle noch!“ Ein bebrillter Junge, der aussah, wie eine ältere Ausgabe von Jou, kniete neben Sora’s Mutter und fühlte ihren Puls. “Puls und Atmung sind verlangsamt, aber noch im natürlichen Bereich.“

“Mein Bruder Shin,“ stellte Jou ihn Koushirou und mir vor. “Er ist neunzehn, und studiert Medizin an der Odaiba Universität.“

Das wußt‘ ich noch. Jou hat mir so einiges über seine Familie erzählt, während wir Teller schrubbten, und Gemüse putzten.

Er ist ein Nachzügler, das jüngste von vier Kindern. Sein jüngerer älterer Bruder hat vor kurzem mit dem Medizinstudium begonnen, während sein älterer älterer Bruder grad mitten in den Abschlußprüfungen steckt.

Seine älteste Schwester ist mit ihrem Medizinstudium schon fertig, und praktiziert jetzt als Kinderärztin in einem Krankenhaus.





Eigentlich kein Wunder, daß er sich ziemlich unter Druck gesetzt fühlt. Die lieben Eltern erwarten natürlich, daß er auch Medizin studiert, aber der arme Kerl kann kein Blut sehn. Das könnte noch problematisch werden.

“Bisher paßt alles zusammen.“ Koushirou hatte seinen Laptop angeschaltet, und das File mit der Prophezeiung aufgerufen, das Gennai ihm geschickt hatte.

“Die Fledermäuse sind aufgetaucht, und haben die restlichen Digimon von Vamdemon’s Armee getötet, um ihre Energie zu speichern. Die Menschen rufen nach dem König der Digimon.“

“Laß mal sehn!“ Taichi steckte seinen Kopf dazwischen. “Als die Uhr zu gegebener Stunde die Zahl der Monster schlug, erschien seine erhabene Majestät. Alles klar, aber was zum Teufel meinen die mit Zahl der Monster?“

“Sechs- sechs- sechs!“ Vater war hinter die beiden getreten. “Das sind Zahlen aus der Offenbarung des Johannes.“

“Wenn es mit einer Uhr zusammenhängt,...“ setzte Sora an, wurde aber sofort von Taichi unterbrochen, “dann heißt es wahrscheinlich sechs Uhr, sechs Minuten, und sechs Sekunden!“ Er sah auf sein Digivice “So’n Mist, das ist ja gleich!“

Sechs Uhr genau. Was auch immer geschehen sollte, es würde bald, sehr bald geschehen.

“Zurück zum Sender!“ rief Vater. “Los komm, Yamato, wir nehmen den Van!“

“Ich komm‘ mit!“ Taichi lief mir hinterher. “Ich lass‘ dich doch nicht den ganzen Spaß alleine haben!“





Taichi pflanzte sich neben mich auf die vordere Sitzbank des Vans und machte sich breit. “Stück mal’n rück,“ beschwerte er sich, “hab‘ doch überhaupt keinen Platz hier!“

“Du könntest dich auch hinter setzen, da hättest du jede Menge Platz! Hat ja keiner gesagt, daß du dich neben mich hocken mußt!“

“Ich will aber neben dir sitzen!“

“Beruhigt euch.“ Wir wurden alle auf die Seite gedrückt, als Vater scharf in die Kurve einbog. “Ist doch jetzt völlig egal, wer wo sitzt!“

War es nicht, aber das konnt‘ ich ihm wohl kaum erklären. Wenn Taichi mich mit seinem Stacheldrahtkopf kitzelt, kann ich nicht mehr klar denken. Dann will ich nur noch eins, wuscheln und wühlen und zauseln, und meine Nase drin vergraben.

“Noch eine Minute!“ Taichi zappelte auf dem Sitz herum. “Das schaffen wir doch niemals!“

Sechs Uhr, sechs Minuten, und sechs Sekunden.

Die Uhr schlug die Zahl der Monster.

Vor uns flog ein Gebäude in die Luft. Die Druckwelle der Explosion schleuderte den Van zur Seite, und ums Haar hätt’s uns von der Straße geschmissen. Gerade noch rechtzeitig riß Vater das Steuer herum, und trat in die Bremse.

Quietschend kamen wir zum Stehen. Dort wo vor wenigen Sekunden noch der Wolkenkratzer gestanden hatte, wabbelte jetzt eine widerliche dunkle Masse, die sich bis in die Wolken zu ziehen schien. Wir hörten die hohen spitzen Schreie von Fledermäusen, und dann wurde es still.

Gespenstisch still.

Die Masse wurde rot, blutrot. Sie nahm die Form eines einzelnen riesigen fledermausartigen Wesens an, das sich über der Stadt auftürmte. Gewaltige häßliche Fetzenflügel, die so aussahen, als würden sie jeden Moment abfallen. Trampelige Bocksfüße, und eine Fresse, für die sich jeder Horrorfilmregisseur bedankt hätte.

“Ist das Vamdemon?“ Entsetzt und ungläubig starrte Taichi das Riesenvieh an.

“Komm, Gabumon, los!“ Unsere Didschis hüpften aus dem Wagen. Sie waren schon wieder fit genug, um aufs Bonzlevel zu digitieren, und jagten todesmutig auf die Ausgeburt des schlechten Geschmacks zu. “Wir machen dich fertig, du Pseudokönig!“

“Hunger!“ brüllte das Riesenvieh. “Will fressen!“ Sein bißchen Verstand schien ihm bei seiner Wiedergeburt irgendwie abhanden gekommen zu sein.

“Erhabener unbesiegbarer Meister VenomVamdemon-sama!“ Pico-Devimon flatterte vor seiner Nase herum und wedelte in die Richtung, aus der wir gekommen waren. “In diesem Gebäude findet Ihr reichlich Nahrung! Ich werde Euch hinfüh....aaah!“

Der brainlose Fleischklops verzog das Gesicht zu einem hinterhältigen Grinsen. “Du Vorspeise!“

Er saugte das Lügendidschi ein, und schluckte es mit einem Haps hinunter. Pech gehabt, Rollmops! Manchmal kommt man auch mit Schleimen nicht mehr weiter.

Vater ließ den Motor wieder an. “Es versucht zu dem Gebäude zu gelangen, in dem die Menschen schlafen. Wir müssen die anderen unbedingt warnen!“

Unsere Didschis waren schon wieder fleißig am Digitieren. “Fahrt zurück, und kümmert euch darum, wir halten es so lange wie möglich auf!“ brüllte Weregarurumon. Mit einem gewaltigen Satz sprang er auf Metallgreymon’s Giga Destroyer, und surfte damit durch die Luft, als ob’s ein Skateboard wär.

Vater wendete den Wagen, und wir rasten zurück. Ganz wohl war mir nicht dabei, mein Didschi so allein zu lassen, und auch Taichi sah ziemlich besorgt aus. Aber wir wußten, wir würden so schnell wie möglich wiederkommen.

“Wir dürfen keine Zeit verlieren!“ Taichi jumpte aus dem Wagen, und lief zu den anderen. Die standen alle draußen vor dem Gebäude, starrten das fette Fledermausdidschi an, und beratschlagten aufgeregt was zu tun sei.

Ihre Digimon waren inzwischen wieder aufs Rookielevel digitiert, aber für weitere Digitationen reichte es noch nicht so ganz. Trotzdem waren alle ganz wild entschlossen, sich für die gute Sache in den Kampf zu stürzen.





“Nein, nur Patamon und ich werden gehen!“ Gegenüber der Gruppe stand das Schwanzdidschi und textete die andern zu, als ob sie einen Wahlkampf gewinnen wolle. “Wir können die Digitation aufs nächste Level schaffen. Ihr wartet hier, und kommt nach, sobald ihr mindestens auf dem Championlevel seid.“

“Dafür, das sie so neu ist, reißt sie den Mund gewaltig auf!“ mäkelte Piyomon.

“Aber sie hat doch recht“, warf Palmon ein, “in unsrer jetzigen Größe, können wir wirklich nicht viel ausrichten.“

“Meinetwegen..“ Mimi sah ziemlich fertig drein. “Ich bin froh, wenn ich nicht kämpfen muß.“

“Ich auch, aber ich fürchte, wir werden gar keine andere Wahl haben.“ seufzte Jou.

“Wohl kaum, schließlich müssen wir unsere Eltern beschützen. Das ist jetzt das Allerwichtigste.“

“Wir werden versuchen, Vamdemon aufzuhalten! Kommt nach, sobald ihr könnt!“ Gefolgt von diversen Geschwisterchen, und ihrem Didschi-Anhang wetzten Taichi und ich zum Wagen.

Als wir endlich mit Kind und Kegel drinnensaßen, hatte ich wieder einen meiner Geistesblitze, und kletterte nochmal raus. Ich lief zurück zu den anderen, und krallte mir Koushirou.

“Wär‘ ganz gut, wenn du mitkommen würdest,“ sagte ich, und bemühte mich angestrengt, nicht irgendwie dumm oder verlegen zu klingen. “Die Sache mit der Prophezeiung checkt eh‘ keiner außer dir, und da könnten wir etwas Hilfe vertragen.“

“Klar!“ Seine Birne wurde so rot, wie sein Haarschopf, und langsam begann ich mich zu fragen, ob ich mir bei seinen angeblichen Feindseligkeiten der letzten Zeit nicht einiges mehr eingebildet hatte, als tatsächlich da war.

Vielleicht war in Wirklichkeit ich derjenige, den die Eifersucht gepackt hatte. Auf Sora und Koushirou bin ich schon lange Zeit eifersüchtig.

Aber es ist schwer, das zuzugeben, verdammt schwer. Manchmal hab‘ ich mein Einsames – Wolfs - Dasein ziemlich über, und will auch rumheulen, und rumzicken, und rumspacken wie alle anderen, und überhaupt nicht mehr cool sein.

Und manchmal will ich, daß er einfach herkommt, und mich in den Arm nimmt, so wie er es damals auf der Schneeinsel getan hat, und dieser Gedanke erschreckt mich am allermeisten.

Mit hundertachtzig Sachen rasten wir die Straße hinunter. Mein Brüderchen hockte neben mir, und hielt Patamon so fest im Arm, als ob er ihn überhaupt nicht mehr gehenlassen wollte.

Hinter mir hockte Taichi mit Hikari auf dem Schoß, und auf ihrem Tailmon. Noch eins dahinter erklärte Koushirou seinen Eltern den Unterschied zwischen einem Bonzleveldidschi, und einem Ultrabonzleveldidschi.

Ich drehte mich zu Taichi um. “Na Brillenschädel, wie fühlt man sich denn so als unterster Teil von den Bremer Stadtmusikanten?“

Als Antwort rammte er sein Knie in die Sitzlehne. Er hatte keine Hand frei, um mich zu packen, oder zu schubsen, da er das Gezappel auf seinem Schoß festhalten mußte.

Vater stieg auf die Bremse, ums Haar hätte er zwei kleine Dinos überfahren, die vor uns auf der Straße herumtorkelten. Einer mit Fell, einer ohne.

Taichi und ich nix wie raus aus dem Wagen, und zu unseren völlig erschöpften Didschis.

“Er ist zu stark für uns,“ quäkten sie verzweifelt. “Wir haben wirklich alles versucht!“





“Das ist doch nicht eure Schuld!“ Vorsichtig – denn sie sahen doch ziemlich mitgenommen aus – knuddelten wir unsere Didschis, und versuchten sie zu beruhigen.

“Er hat die Kraft des Teufels!“

Hoch über uns flatterten zwei Engelsdidschis, eins mit Wonderbra, und eins ohne, und hielten schlaue Reden. “Wir werden ihn ein für alle mal vernichten!“





“Hunger!“ brüllte das Riesenvieh. “Will fressen!“

Is ja gut, du Intelligenzbolzen! Warte gefälligst, bis die Guten mit der Kampfansage fertig sind, dann kannst du immer noch plärren.

“Wir haben ein Problem!“ Koushirou hatte inzwischen Venomvamdemon’s Daten gefunden. “Er ist auf dem Megalevel, das bedeutet noch eins höher als das Ultralevel! Damit ist er viel stärker als alle unsere Digimon zusammen!“

Noch höher als Ultra? Wußte gar nicht, daß das geht. “Aber mit mehreren Ultradigimon zusammen, muß es doch möglich sein, ihn zu besiegen, oder etwa nicht?“

“Leider nein!“ Kreidebleich schüttelte Koushirou den Kopf. “Das Problem ist, die Angriffsstärke eines Digimon wächst durch die Digitation nicht linear, sondern exponentiell.“

Computer – drrrrr – Übersetzungsprogramm bitte – peep – peep!

Als er in unsere verständnislosen Gesichter blickte, fügte Koushirou hinzu: “Das bedeutet, daß ein Megadigimon nicht nur doppelt oder dreimal so stark ist, wie ein Ultradigimon. Es könnte sogar hundert- oder tausendmal so stark sein.“

Na, das waren ja glänzende Aussichten!

Unsere Geschwisterchen waren die einzigen, die davon völlig unbeeindruckt blieben und weiter kräftig ihre Didschis anfeuerten.

Vermutlich lagen Kalkulationen wie hundert oder tausendmal ein bisserl außerhalb ihres Vorstellungsbereichs.

“Wie ging der Text auf der Schrifttafel weiter?“ fragte Koushirou’s Vater plötzlich. “Bisher hat alles gestimmt, vielleicht finden wir hier die Lösung!“

Koushirou beugte sich über seinen Laptop. “Die Engel schickten Pfeile des Lichts und der Hoffnung auf die Menschen, die ihren Schützlingen am nächsten standen. Und dann geschah ein Wunder!“

“Was denn für Engel?“ Koushirou’s Mom schien ziemlich verwirrt.

Aber auf dem Gesicht ihres Sohnes erschien ein breites Grinsen. “Damit sind Angemon und Angewomon gemeint,“ rief er, “sie sind doch Engel!“

Wußt‘ ich’s doch! Der Typ ist der einzige, der diesen Unsinn schnallt. Ohne ihn säßen wir jetzt ziemlich in der Patsche.

“Und ihre Schützlinge, das sind dann Hikari-chan, und Takeru-kun. Sie sind schließlich ihre Digimon Partner!“ Superbrain hatte echt den Durchblick.





Und dabei wollte ich ihn eigentlich nur mitnehmen, damit er sich nicht ausgeschlossen fühlt.

Aber so wie’s aussah, waren wir anderen auf seine Hilfe sehr viel mehr angewiesen, als er auf unsere.

Ich mußte an unsere Abenteuer in der Digiwelt zurückdenken, und daran, wie oft er uns schon den Hals gerettet hat.

Ganz zu schweigen davon, daß wir ohne ihn gar nicht wieder zurückgekommen wären. Immerhin hat er den Code ausgeknobelt, der uns das Tor in die reale Welt geöffnet hat.

“Bliebe nur noch zu klären, wer den beiden am nächsten steht!“ Koushirou zog die Stirn in Falten. “Dann hätten wir die Lösung!“

Sein Didschi schaltete sich ein. “Überleg doch mal, Koushirou-han.

Wenn ich ein Engel wäre“ – bei der Vorstellung mußten wir allesamt grinsen, trotz dem Ernst unsrer Lage – “wenn ich ein Engel wäre, dann wärst du mein Schützling. Und wen hast du am liebsten?“





“Na, meine Eltern natürlich!“

“Und wen haben Takeru-han, und Hikari-han am liebsten?“

“Ihre Familien! Ihre Eltern und Geschwister!“





Geschwister? Taichi und ich blickten uns an. Damit waren wir gemeint. Wir waren Takeru‘s und Hikari’s Geschwister.

Hatte das alles mit den Dingen zu tun, von denen Wizahmon gesprochen hatte? Über Takeru’s und Hikari’s früheres Leben, und den Fluch, und das ganze Zeugs? Und ihre besonderen Kräfte? Aber wieso Pfeile? Wieso sollten Angemon und Angewomon auf uns schießen?

Auch Koushirou raffte das nicht ab. “Wieso sollen sie Pfeile auf diejenigen abschießen, die sie gern haben? Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn!“

“Versteh‘ doch, es sind Engel“ Koushirou’s Mutter schien dazu etwas eingefallen sein. “In der römischen Mythologie gibt es einen kleinen Engel, der vom Himmel herab Liebespfeile auf die Menschen schießt.“

Hey, das kenn‘ ich! Sie meint diesen Amor Heini, diesen kleinen geflügelten Gott. Er schießt Pfeile auf die Menschen, und dann verlieben sie....oh nein!

Das darf doch nicht wahr sein! Das kann doch überhaupt nicht damit gemeint sein!

“Ganz genau!“ kreischte Tentomon. “Angemon und Angewomon müssen Liebespfeile auf euch abschießen!“

“Aber das ist doch nur eine Theorie!“ Hilflos blickte Koushirou um sich, und suchte in den Gesichtern der anderen nach Zustimmung. “Es ist doch viel zu gefährlich und....und....“ Er brach ab.





“Und ...was denkst du?“ Meine Stimme zittert so sehr, ich hätt‘ nicht gedacht, daß ich überhaupt irgendwas rausbring.

“Ich glaub‘, es stimmt!“ Taichi dreht sich zu mir, und seine Augen leuchten. Dieses ganz besondere Leuchten.

Ob es nur die Vorfreude auf ein neues Abenteuer ist? Oder hat es noch einen anderen Grund?

Ich weiß nicht, ich glaub‘ nicht, daß er die Story mit dem Amortypen kennt. Ich glaub‘ nicht, daß er... daß er das mit den Liebespfeilen rafft. Sonst müßte er doch irgendwie anders reagieren. Erschrecken vielleicht, oder sich darüber lustig machen. Einen dummen Witz reißen, oder sauer werden, ach was weiß ich!

Jetzt check‘ ich gar nix mehr!

Aber er steht nur da, und grinst mich an, mit seinen riesengroßen Glubschaugen, und diesmal steckt der Reiskuchen nicht in meinem Hals, sondern in meinem Knien. Die zittern nämlich, als ob ich grad stockbesoffen wär. Wenn ich plötzlich zwei Taucherbrillen seh‘, dann sollt‘ ich wohl langsam anfangen mir Sorgen zu machen.

“Takeru, hör mal!“ Als ich merke, daß meine Gesichtsfarbe ins Tomatenrote abdriftet, schau‘ ich lieber schnell zur Seite. “Sag‘ Angemon, er soll seinen Pfeil des Lichts auf mich abschießen!“

“Und Angewomon soll den Himmelspfeil auf mich abschießen!“ Taichi scheint ebenso fest entschlossen zu sein, das Ganze durchzuziehen, wie ich.





“Aber das ist doch viel zu gefährlich!“ rufen unsere Geschwisterchen ängstlich. “Euch könnte dabei was Schlimmes passieren!“

“Ach Quatsch! Uns doch nicht!“

“Niemals!“

Wenn ich weiter so auf den Boden starre, denken die garantiert, daß ich mir vor Angst gleich in die Hosen mach‘. Also Tomatengesicht hin, Reiskuchenknie her, reiß ich mich eben zusammen, und heb‘ den Kopf wieder hoch. Auch wenn ich ihn nicht angucken will!

Nein, eigentlich will ich schon. Ist nur wieder eine dumme Ausrede.

Nein, keine dummen Ausreden mehr. Jetzt nicht mehr. Kein Rummotzen, kein Beleidigtsein, keine Coolness Spielchen. Schluß damit!

Seine Birne ist genauso rot, wie meine. Bis unter die Taucherbrille! Und er weiß auch nicht, was er sagen soll. Aber es ist ihm egal. Er sieht nicht aus, wie jemand, der sich wegen irgendwas Sorgen macht. Er sieht aus wie jemand, der einfach nur glücklich ist. Trotz der Gefahr, in der wir uns befinden.

Ich lächele zurück, damit er weiß, daß ich es auch bin.

“Schießt die Pfeile auf unsere großen Brüder ab.“ weisen unsere Geschwisterchen ihre Didschis an. Ihre Stimmen klingen ruhig, auch wenn ich ihren Gesichtern ansehen kann, daß sie sich irre Sorgen machen. “Und glaubt fest an ein Wunder!“





Auf den Schwingen, die mein Mut mir schenkt,
Flieg ich zu dir, weil ich grad‘ an dich denk!
Denn du bist sicherlich
Da für mich.
Ich glaub an dich!







Über uns sind Angemon und Angewomon bereits in Angriffsposition gegangen. Unsre Didschis plärren was von megagefährlich, und das wir‘s lassen sollen.

“Keine Angst Gabumon, wir wissen genau, was wir tun!“

“Du kennst mich doch, Agumon! Hat Gefahr mich jemals abgeschreckt?“


Du bist immer für mich da,
Immer kann ich auf dich zählen,
Und die Sterne sind zum Greifen nah,
Wenn ich mit dir in die Wolken schau!




Nein, niemals! Weil du ein kleiner Trottel bist, der sich Kopf voraus in jedes Abenteuer stürzt. Ein unheimlich liebenswerter kleiner Trottel mit unheimlich schlechtem Klamottengeschmack, und soviel Stacheldraht auf dem Kopf, daß Birdramon drauf nisten könnte.

Weil du lachst, und hüpfst, und rumhampelst wie ein betrunkener Geißbock, wenn so miesepetrige Typen wie ich, schlechte Laune verbreiten, und sich selbst nicht ausstehen können.

Weil du nie den Mut verlierst, und für deine Freunde durchs Feuer gehst.

Weil du immer ehrlich mit deinen Gefühlen bist, und dir Falschheit oder Lüge völlig fremd sind. Weil du... weil du ganz einfach du bist... Taichi...


Flieg mit mir ins Himmelsblau!
Ganz genau, wir sind Träumer,
Streck‘ die Nase in den Wind!
Zum Horizont! Halt dich fest, unsre Reise beginnt!




Ich dreh‘ mich wieder zu dir um, und deine Augen sagen mir, daß ich auch ehrlich hätte sein sollen. Wenn ich es gewesen wäre, wenn ich meine Gefühle nicht einfach in mich rein gefressen hätte, dann hätte so vieles anders sein können.

Ich hätt‘ nicht so feige sein dürfen. Ich hätt‘ nicht immer darauf warten sollen, daß du den ersten Schritt machst. Ich hätte....ach egal! Sinnlos jetzt darüber nachzugrübeln, was hätte sein können. Lieber an das denken, was noch sein kann. Was vielleicht noch sein kann....


Auf den Schwingen, die mein Mut mir schenkt
Flieg‘ ich mit dir, wohin der Wind uns lenkt!
Ganz hoch hinauf,
Wir geben niemals auf!




“Keine Angst, wir wissen genau, was wir tun.“ Ich weiß nicht ob ich es zu Gabumon sage, um ihn zu beruhigen, oder zu Taichi, um mich dafür zu entschuldigen, daß ich so ein Idiot war. Daß ich nicht ehrlich sein konnte.


Auf den Schwingen, die mein Mut mir schenkt,
Flieg ich zu dir, weil ich grad‘ an dich denk!
Denn du bist sicherlich
Da für mich.
Ich glaub an dich!




Wir sehen uns an, und keiner weiß, was er sagen soll. Es ist genauso, wie auf der Schneeinsel, in der Wüste, auf der Treppe beim Sender. Und diesmal wissen wir beide, daß uns nicht viel Zeit bleibt. Entweder wir bringen’s jetzt raus oder wir lassen’s bleiben. Wir haben schon soviel Zeit verschenkt, jetzt müssen wir‘s besser machen. Jeder Augenblick, den wir noch abwarten, ist ein Augenblick zuviel.


Manchmal fühl‘ ich mich nicht stark,
Und mein Ziel scheint unerreichbar.
Daß ich‘s trotzdem von Neuem wag‘,
Liegt nur daran, daß du bei mir bist!




Wenn er jetzt wieder sagt: Wenn das hier alles vorbei ist, dann muß ich dich was fragen, dann krieg‘ ich echt nen Schreikrampf...


Weil ich dir immerzu vertrau‘!
Ganz genau, wir sind Träumer,
Mit dir werd‘ ich nicht verlier’n!
Fühlst du die Kraft, mit unsren Herzen zu digitier’n?







Aber er sagt überhaupt nix, er wartet nämlich drauf, daß ich was sage. Jetzt frag‘ ich mich, ob er sich nicht die ganze Zeit gefragt hat, wie meine Gefühle für ihn aussehen könnten.

Mein Verhalten muß ihm doch ziemlich rätselhaft erschienen sein, so komisch, wie ich mich benommen hab‘.

Aber ich bin nun mal so wie ich bin! Ich kann nicht so einfach über meinen Schatten springen. Ich kann nicht einfach so aus dem Effeff heraus über meine Gefühle reden, wenn ich das solange nicht getan hab‘. Ich kann das einfach nicht!



Auf den Schwingen, die mein Mut mir schenkt
Flieg‘ ich mit dir, wohin das Herz mich drängt!
Was auch passiert,
Wohin der Weg uns führt!




Hab‘ ich nun gesagt, daß ich was sagen will, oder hab ich es nicht gesagt? Ich hab’s gesagt. Nicht daß ich wirklich etwas gesagt hätte. Nur daran gedacht, daß ich es tun will! Ohhh, warum ist das alles so verdammt kompliziert!


Auf den Schwingen, die mein Mut mir schenkt,
Flieg ich zu dir, weil ich grad‘ an dich denk!
Denn ich weiß, du läßt mich
Nie im Stich.
Ich glaub‘ an dich!







“Und, bist du soweit?“

Was Blöderes hat mir auch nicht einfallen können! Yama, du bist ein echter Intelligenzbolzen!





“Ja, alles klar!“ Schon wieder dieses Lächeln.

Wovor hab‘ ich eigentlich Angst? Davor, zurückgewiesen zu werden? Eigentlich nicht, nicht mehr. Davor, mich lächerlich zu machen? Das schon eher. Davor, daß das alles doch ein Riesenblödsinn ist, und wir jetzt draufgeh’n?

Das sowieso.

“Obwohl...“ Taichi klingt etwas verlegen, “ein bißchen Angst hab‘ ich schon.“

Wie kommt er da jetzt drauf? Kann er meine Gedanken lesen? Nein, wahrscheinlich fühlt er nur dasselbe wie ich. In mancherlei Hinsicht.

“Ehrlich gesagt, ich auch.“ Wenigstens eins, wo wir uns mal einig sind.

Ich bring’s nicht raus. Ich kann‘s nicht in Worte fassen. Ich weiß nicht was ich sagen soll. Irgendwas Cooles, wie in einem Film, aber ehrlich soll‘s trotzdem sein. Irgendwas, was nicht allzu dumm klingt, aber was ich nicht wiederholen und erklären muß, weil er’s wieder mal nicht gecheckt hat. Irgendwas wie...

Ach, ich weiß auch nicht. ...

Und dann mach‘ ich etwas, das ich nie für möglich gehalten hätte. Wenn mir das jemand erzählt hätte, noch vor fünf Minuten erzählt hätte, ich hätt‘ dem ja eins auf die Fresse gegeben, daß er rückwärts bis Sapporo geflogen wär‘.

Ich hab‘ sowas noch nie gemacht, das heißt nicht mehr, seit damals auf der Schneeinsel, aber da war es was anderes. Als er so plötzlich aufgetaucht ist, und wir aufeinander zugeschossen sind, hab‘ ich seine Hände genommen, aber das war aus Versehen, das zählt nicht. Und dann, als ich von der Klippe hing, aber da war‘s ein Notfall, weil ich sonst runtergefallen wär. Das zählt auch nicht!

“Das Beste wird sein, du hältst mich ganz fest, damit ich nicht weglaufen kann.“





Meine Finger schließen sich um seine Hand. Wenn es schon kein Versehen sein kann, dann doch wenigstens ein Notfall. Das muß man doch in solch einer Situation gelten lassen, oder? Oder?

“Klar, mach ich!“ Ich kann spüren, wie sich seine Finger gegen meinen Handrücken pressen. “Aber du mußt mich genauso festhalten.“

Jetzt und für immer. Du darfst mich nie wieder loslassen, mein kleiner Stacheldrahtkopf! Hörst du? Nie wieder!

Aber das sag‘ ich nicht zu ihm, nur zu mir selbst, denn ganz weggetreten bin ich dann doch nicht. Ich denke an die Schneeinsel, und an die Klippe, und daran, wie er mich festgehalten hat.

Er hätte niemals losgelassen, niemals! Ich hab’s in seinen Augen gesehen. Und er wird auch jetzt nicht loslassen. Ganz egal, was da auf uns zukommt!

Und ich werd’s auch nicht tun! Selbst wenn jetzt alles schiefläuft, gibt es zumindest diesen einen wunderbaren Moment, den wir zusammen haben.





Und natürlich die ganzen Momente davor. Unsre gemeinsamen Abenteuer, unsere Balgereien, die Schneeinsel. Da kommt so einiges zusammen, also war die Zeit doch nicht verschwendet. Nicht wirklich! Es war trotz allem Ärger eine sehr schöne Zeit.

“Ein Wunder geschehe!“





Auf den Schwingen, die mein Mut mir schenkt
Flieg‘ ich mit dir, wohin der Wind uns lenkt!
Ganz hoch hinauf,
Wir geben niemals auf!

Auf den Schwingen, die mein Mut mir schenkt,
Flieg ich zu dir, weil ich grad‘ an dich denk!
Denn du bist sicherlich
Da für mich
Ich glaub an dich!







Als das Licht uns erreicht, muß ich geblendet die Augen schließen.

Um mich herum wird es warm, und ich kann den Boden nicht mehr richtig spüren, beinah‘ so, als ob ich schweben würde.

Nur Taichi’s Hand spür‘ ich, nach wie vor. Mit dem Daumen streiche ich über sein Handgelenk, und sein Griff wird fester. Eigentlich komm ich mir vor, wie ein Digimon kurz vor einer Digitation, nur daß ich natürlich keines bin. Trotzdem, genau so muß sich das anfühlen.

Was geschieht mit uns? Werden wir jetzt digitieren, Taichi und ich?

Agumon..... Warp Shinka....... Wargreymon





Gabumon..... Warp Shinka..... Metalgarurumon





Natürlich, wie könnte es anders sein! Hätten wir Kinder nicht auch mal digitieren dürfen können? Immer nur die Monster! Wie unfair!

Als ich die Augen wieder öffne, scheint sich im ersten Moment nichts verändert zu haben. Taichi hat sie schon offen, er sieht aus, als habe er ein Gespenst gesehen.

Ich schaue ebenfalls nach vorne, um rauszufinden, was ihn so erschreckt hat, und...

Unglaublich!





Wahnsinn!

“Dagegen schau‘ ich ja richtig mickrig aus!“

Allerdings Tentomon, da hast du recht. Auch, wenn du das wahrscheinlich nicht hören wolltest!

Agumon und Gabumon sind digitiert. Taichi und ich kriegen unsere Fressen nicht mehr zu, aber da sind wir bestimmt nicht die einzigen! Wir sind nur die einzigen, die ein Megabonzlevel Digimon haben!

Wargreymon ist immer noch ein Dinosaurier, und Metalgarurumon immer noch ein Wolf.





Trotzdem, was für ein Wolf!

Ich will gar nicht erst anfangen, seine phantastische unzerstörbare Rüstung zu beschreiben, seine Angriffskraft, seine unglaubliche Schnelligkeit, seine Attacken, die reinhauen, wie Bomben.

Sein ganzer Körper scheint aus blauschwarzem Metall zu bestehen, und glänzt in der Sonne, wie eine Harley, die einen amerikanischen Highway entlangdüst.

Okay, okay, ich hör schon wieder auf! Hier gibt es keine Highways, und erst recht keine Sonne, da wir uns mitten im tiefsten Nebel befinden.

Aber egal, man wird doch mal ein bißchen schwärmen dürfen.

Jetzt jedenfalls wird das Frankenstein Didschi von meinem Metalgarurumon gewaltig eins auf die Fresse kriegen. Und natürlich auch ein bißchen von Wargreymon, und den netten kleinen Kuscheltieren, mit denen der Rest unserer Bande so anrückt.

“Hey! Du hast losgelassen!“ beschwert sich auf einmal Taichi. “Hast du nicht gesagt, du willst mich festhalten!“

“Das hab‘ ich eher im übertragenen Sinne gemeint. Du willst doch jetzt nicht etwa Händchen halten, so mitten im Kampf, während alle anderen zuschauen!“

“Nein, jetzt muß ich mein Viech anfeuern geh‘n! Aber später vielleicht, okay?“

“Muß nicht unbedingt sein. Aber falls du mich später was fragen willst...“

“Muß ich doch gar nicht mehr! Oder willst du jetzt auf einmal doch nicht?“

“Will ich was?“

“Mit mir gehen, natürlich!“

“Trottel!“

“Blödmann!“

“Doofkopf!“

“Saftsack!“

Mit wildem Kampfgeschrei rennen wir aufeinander los, und diesmal rangelt er mich zu Boden.





Er beugt sich über mich, und schaut mich mit seinen Glubschaugen an, und am liebsten möcht‘ ich seinen Kopf noch näher heranziehen.

Aber da er meine Hände festhält, geht das natürlich nicht!

Wär auch ein bißchen albern gewesen.

“Komm bloß nicht auf den Gedanken, mich abzuknutschen, sonst setzt’s was.“

Ich versuche möglichst bedrohlich zu klingen, was sich in meiner jetzigen Situation als etwas schwierig herausstellt. “Und wehe, du erzählst es jemand! Dann setzt‘s auch was!“

“Mach‘ ich schon nicht!“ Er klettert wieder von mir runter, und rennt die Straße rauf, um das Kampfgeschehen besser verfolgen zu können!

“Du schaffst es, Wargreymon, du bist der Größte!“ hör‘ ich ihn von weitem brüllen. “Du bist mein Supa-dupa-Digimon!“





“Die Antwort ist ‘ja‘,“ sage ich leise und folge ihm ohne Eile die Straße hinauf.


7. Hatsukoi


(Erste Liebe)





Kowai ka? - Hast du Angst?
Kowakunai! – Nein, hab‘ ich nicht!


- Yamato und Taichi, kurz bevor Angemon und Angewomon die Liebespfeile abschießen-

Tsuzuku ...weiter geht's in Band 3

Impressum

Texte: Moshi Moshi. Hier ist Yama-chan’s anrufbeantwortendes Digimon. Yama-chan muß leider die nächsten 3000 Jahre im Knast verbringen, weil er die Rechte an Digimon Adventure 02 nicht bezahlen kann und es trotzdem gewagt hat, Fanfics dazu zu schreiben. Die verwendeten Bilder sind Screenshots aus der Serie und stammen von der Seite www.digimonspirit.net. Die deutschen Fassungen der Digimon-Songs im Text stammen von mir, aber die Songs selbst sind natürlich aus der Serie.
Tag der Veröffentlichung: 09.09.2008

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meinen Taichi und für alle Digimon-Fans da draußen :-)

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