Misa Vebiletti: Burst
Gesamtausgabe
BookRix Edition
F.W.G. Transchel
Copyright © 2016 F.W.G. Transchel
Rechtliche Hinweise am Ende des Buches.
Ein schmales, blaues Licht stand auf seinem Schreibtisch. Es sollte das fulminante orangefarbene Panorama, das er draußen Tag für Tag beobachten konnte, etwas abschwächen. Jupiter lag wie ein überdimensionaler Luftballon knapp oberhalb des Horizonts der diesigen Polar-Atmosphäre Ganymeds, über der die Station wie ein stiller, geostationärer Wächter thronte, und schickte nun sich an, den Untergang zu beginnen. Der fünfte Planet war in diffuses, tiefrotes Streulicht getaucht, als es begann.
Riesige, mehrere tausend Kilometer breite, wellenförmige Störungen begannen wie von Geisterhand, über Jupiters Atmosphäre zu huschen, ohne dass er Ursprung oder Ursache hätte ausmachen können. Er checkte die Instrumente. Strahlenalarm auf allen Frequenzen. Was passierte dort unten nur? Hatte er nicht im ganzen vergangenen Jahr, das er hier auf der Station verbracht hatte, die Ruhe und Friedlichkeit des orangefarbenen Riesen schätzen gelernt? Aufgeregt studierte er weiterhin seine Messanzeigen. Was hatte das alles zu bedeuten? Beinahe meinte er, ein schwaches blassrosa Leuchten in den Wellenfronten ausmachen zu können. Was für eine gewaltige Energie dort unten freigesetzt werden musste.
Schnell, aber besonnen begann er, seine Meldung zur Bodenstation zu codieren, dann hörte er das verräterische Knacken. Konnten die Störungen ihn viele tausend Kilometer entfernt erreichen oder sogar in Gefahr bringen? Er prüfte noch einmal die externen Sensoren. Es würde Interferenzen geben, aber sein Signal müsste stark genug sein. Wieder Knirschen. Es schien ihm, dass die Orbitalstation selbst das Geräusch verursachte, denn was sonst sollte im lautlosen Vakuum dafür in Frage kommen?
Die Dekompression kam ohne weitere Vorwarnung. Ein letztes Mal ächzte die geschundene Station unter dem Druck der einwirkenden Kräfte, ehe sie nachgab. Im Eindruck des sich vor kochendem Blut verengenden Sichtfeldes konnte er kurz einen Blick darauf erhaschen, was für sein jähes Ende verantwortlich war, ehe seine Wahrnehmung sich wie sein Körper in auseinander diffundierende, organische Wölkchen desintegrierte.
Still waberte Jupiter vor sich hin und niemand mehr nahm davon Notiz.
Misa Vebiletti nippte gelangweilt an ihrem schlechten Cappuccino-Imitat aus hydroponischen Kaffeebohnen und seufzte. Was war denn nun wieder? Die Kontrollleuchte für den Datenlink der Ganymed-Station blinkte. Mit einer seltsamen Mischung aus Pflichtbewusstsein und Neugierde, die einzig und allein auf allgemeiner Ödnis beruhte, brachte sie das Diagnosefenster auf den mittleren ihrer drei Flüssigkristallschirme. Der ein halbes Sonnensystem entfernte Forschungsaußenposten hatte aufgehört, Daten zu senden. Und zwar vor über fünfzehn Minuten. Das erstaunliche Zusammenspiel von Relativität und Lichtgeschwindigkeit sorgte dafür, dass Misa erst jetzt davon Kenntnis erlangen konnte, obwohl die Ursache für den Abbruch des Datenstromes schon in der Vergangenheit lag. Natürlich war ihr der Effekt bekannt, und so sagte das trainierte Verhalten ihr, dass sie das Ereignis einfach so behandeln würde, als wäre es gerade erst passiert. Besonnen schaute sie die Diagnosemeldungen an. Sie kannte beinahe alle Einzelheiten des interplanetaren Datenprotokolls auswendig, und die Marsianische Raumfahrtagentur verwendete es auch für den Außenposten auf Ganymed. Aber hier … gab es keine Diagnosemeldungen. Die Daten hörten einfach auf. Für Notfälle wie das Versagen des Hauptsenders gab es vorgeschriebene Backup-Systeme, die durch eine Verringerung der Sendeleistung angezeigt worden wären, außerdem wären versagende Komponenten in den letzten Millisekunden des Upstreams herausfilterbar gewesen … aber nichts davon schien zuzutreffen. Auch war das Signal nicht verrauscht. Nein, es gab überhaupt keinen Anhaltspunkt dafür, dass in der Richtung, in die die großen Lauschsatelliten im Orbit des Mars ausgerichtet waren, menschliche Signale zu erwarten waren.
Nachdenklich lehnte Misa sich zurück und blickte an die nackte, stählerne Wand ihrer Arbeitsnische. Vage erahnte sie das geschäftige Rauschen der anderen Deep Space Controller der MSA. Sie musste eine Meldung an die Zentrale machen. Doch was sollte sie schreiben? Die jetzige Situation ließ sie reichlich inkompetent aussehen. Sie beschloss, zuerst herauszufinden, was vor sich ging. Die letzten erhaltenen Sensordaten zeigten nichts Ungewöhnliches, außer einer leichten Interferenz im optischen und ultravioletten Spektrum. Möglicherweise konnte man auf den Bildern der Teleskope etwas erkennen. Blitzschnell suchte sie die Orbitalteleskope des Mars ab, ob eines zufällig in den letzten Minuten den Weltraumabschnitt des Jupiters aufgenommen hatte. Tatsächlich fand sich die Aufnahme eines schwächeren Teleskops, das in die richtige Richtung blickte. Geschickt vergrößerte Misa den interessanten Bildausschnitt – und erschrak. Das Bild war entweder vollkommen unscharf, oder Jupiter tat etwas wirklich Seltsames. Sie checkte die Metainformationen, suchte andere bekannte Objekte, sah die Monde Jupiters an. Alles vollkommen normal. Warum der größte Planet des Systems jedoch unscharf war, blieb ihr ein Rätsel. Dennoch, der Ganymed sendete nicht mehr und diese seltsame Aufnahme trat zur gleichen Zeit auf. Das konnte kein Zufall sein. Misa nuckelte wieder an ihrem Cappuccino. Der Versuch, mehr herauszufinden, hatte lediglich dazu geführt, dass noch mehr Fragen offen waren. Was ging hier vor? Entschieden stellte sie den Becher aus ultrarecyceltem Aluminium zur Seite, genoss es, theatralisch die Hände zu dehnen, wie man es von Sportlern kannte. Misa zog einen Mundwinkel in die Höhe, beschwor ihr Innerstes, ihr Scharfsinn zu verleihen, und machte sich daran, konzentriert irgendetwas zu finden, das einen Hinweis geben konnte. Zum Beispiel erinnerte sie sich, dass es auch zivile Sender auf Ganymed gab. Hastig schnippste sie die zugehörigen Kanäle auf den Schirm. Auch sie waren allesamt tot und hatten zur gleichen Zeit aufgehört, die Keep-Alive-Signale zu senden, wie das Protokoll es vorsah, auch wenn man sie nicht benutzte. Misa sah den Tatsachen ins Auge: Es gab aus der Umgebung Jupiters keinerlei Signale. Nicht von Orbitalstationen um Ganymed, nicht von den Forschungssonden um Jupiter, es war absolut nichts mehr da.
Misa begann, unruhig mit ihrem Eingabestift herumzuspielen. Was sollte sie denn nun melden? Alles, was sie wusste? Prima Idee. Das tat sie dann entweder, um sich vollständig bloßstellen zu lassen, oder wenn sie schlicht meldete, dass Ganymed nicht mehr sendete, um dann kritisiert zu werden, dass sie nicht weiter investigiert hatte. Misa seufzte, schnappte sich doch wieder den Kaffeebecher und nippte unruhig daran. Sie überlegte. Früher hätte sie einfach nur gemeldet, was sie sah. 'Aber man muss sich ja auch verbessern', dachte sie. Schnappte sich ihren Stift, stellte ihn auf den Tintenmodus ein, holte ein altmodisches Papier hervor, so wie sie es tat, wenn sie Dinge aufschreiben wollte, die sich als so dumm herausstellen konnten, dass sie nicht im photographischen Gedächtnis des Hauptrechenkerns landen sollten. Sie malte einen einigermaßen kreisförmigen Kringel auf das Papier und überlegte. Der Kringel bekam Gesellschaft von vielen kleineren Kringeln, immer weiter vom großen Kringel entfernt. Dann kamen, ganz am Rand des Papiers, viele kleine Punkte hinzu, und plötzlich legte Misa das Papier weg und begann, wie wild auf ihr Keyboard einzuprügeln. Sie wusste, wo sie suchen musste.
Die Sonde hieß Voyager IX, stand in einer langen Tradition von extrastellaren Erkundungsmissionen und war kaum drei Jahre vorher von Ganymed gestartet worden, um extrastellare Antriebsformen zu untersuchen. Sie hatte den Neptun passiert, war aber noch so nahe an Jupiter, dass Misa eine spektrale Aufnahme der Rückseite des Planeten für möglich hielt. Aufgeregt tippte sie die Befehle ein, die ihr Zugriff auf die Sensordaten der Sonde geben würden. Natürlich waren die aktuell vorliegenden Daten zu alt, als dass Misa sie verwenden konnte, und die letzte Aufnahme vor mehreren Tagen war wenig aufschlussreich. Sorgfältig prüfte sie die komprimierten Befehle, die sie der Sonde schickte, ehe sie diese absendete. Jetzt konnte sie nur noch warten.
Natürlich wusste Misa, dass es nicht unbedingt regelkonform war, die Meldung, dass Ganymed nicht antwortete, zurückzuhalten. Doch die zwei Stunden, die es dauern würde, bis die Sonde ihre Bilder geschossen hatte, würden schon nicht so sehr ins Gewicht fallen, wenn sie etwas mehr Aufklärung brachten. Gespannt verfolgte sie den ganzen Datenverkehr mit Voyager IX, obwohl sie wusste, dass mit einer Antwort noch nicht zu rechnen war. Wer konnte schon wissen, ob die Sonde nicht vielleicht von selbst auf die Idee kam, Sensoraufnahmen zu senden? Stattdessen meldete sich Winston Grünbaum über das interne Netzwerk. Die Textnachricht von Misas Chef fiel knapp und prägnant aus: 'Meetingraum. Sofort.'
***
Winston Grünbaum war kein unvernünftiger Mann. Im Gegenteil, jemand der einen Doktorgrad in Astrophysik erlangt hatte, konnte kaum übermäßig unvernünftig sein. Es war nur dieser Hang dazu, seine Autorität ein bisschen zu sehr zu illustrieren, den Misa mit der Zeit immer störender fand. Er hatte außerdem eine stattliche Halbglatze und schien entgegen der allgemeinen Konventionen nicht bemüht zu sein, sie mit Implantaten zu kaschieren. Misa war sich unschlüssig, ob es schlichte Ignoranz oder theatralische Überheblichkeit war, die ihn wie einen terranischen Rentner aussehen ließ. Doch diese Gedanken verschwanden schnell, als er den holografischen Sichtschirm im Besprechungssaal anknipste, Ganymed darauf erscheinen ließ und ruhig und gelassen fragte: »Wie lange?«
Misa zögerte. Sie hatten es also schneller herausgefunden, als sie gedacht hatte. Es hatte keinen Sinn, falsche Angaben zu machen, sie würde ihren Fehler eingestehen müssen. »Etwa fünfundvierzig Minuten«, sagte sie.
»Eine lange Zeit dafür, dass Sie genau wissen, dass ein Totalausfall sofort zu melden ist. Wissen Sie wenigstens, was der Grund dafür ist?«
Misa gab sich Mühe, Grünbaums Miene zu lesen, doch es gelang ihr nicht, den Grad an Unzufriedenheit zu ermessen. Sie berichtete ihm, was sie wusste, beschloss jedoch, die Sonde für den Moment zu verschweigen. Sie vermutete, dass dieser Zugriff ihm und dem Voyager-Missionskommando nicht gefallen würde, und wenn etwas Zählbares dabei herauskam, konnte sie es immer noch als zufällige Entdeckung einfließen lassen.
»Was tun wir jetzt?«, fragte sie vorsichtig.
Glücklicherweise schien er nicht auf der Beantwortung seiner Frage zu beharren. »Zugegeben, viel mehr als abwarten können wir erst einmal nicht tun, denn die meisten unserer Frachter sind auf dem Weg zum Titan und der ist bekanntlich die nächsten paar Jahre auf der anderen Seite des Systems«, sagte er und legte die Hände vors Gesicht. Plötzlich sah er nicht mehr so entspannt aus. »Wir geben ihnen achtundvierzig Stunden, ehe wir ein Notfallkommando losschicken. Immerhin kostet das auch Geld.«
War es so einfach? Misa fragte sich, ob ein mehrere Millionen Kilometer entfernter Außenposten nur eine Zahl in den Budgets der Weltraumagentur war. Ganymed, erster Ort, an dem Menschen außerhalb der habitablen Zone dauerhafte Einrichtungen errichtet hatten, war also im Spiel der MSA mit den großen interplanetaren Konzernen auch nur noch eine kleine Nummer. Sie erinnerte sich daran, dass Ganymed, als sie klein war, der Stolz der Menschheit zu sein schien. Ein Außenposten beim Jupiter! Und jetzt? Jetzt war Titan das Big Business. Verschiedene Faktoren hatten dafür gesorgt, dass sich dort mehr Geld verdienen ließ, seit die Antriebstechnologie ihn günstig erreichbar gemacht hatte. Fast ein wenig melancholisch fragte sie Grünbaum, was nach Ablauf der achtundvierzig Stunden geschehe.
»Das muss der Generalstab entscheiden. Wir sind nur die Überbringer schlechter Nachrichten. Ich setze sie jetzt in Kenntnis und dann sehen wir weiter.«
Misa nickte und wandte sich zum Gehen.
»Misa«, sagte Grünbaum noch einmal. »Sie werden zurück an Ihren Platz gehen und sofort berichten, wenn sich etwas tut, verstanden?«
»Verstanden«, sagte sie und dachte bei sich, dass dieses Gespräch doch besser gelaufen war als gedacht. Sie würde Voyager IX beobachten können und vielleicht löste sich ja alles in Wohlgefallen auf.
***
Misa war nicht wirklich gewillt, viele Stunden lang Däumchen zu drehen. Sie glaubte nicht an eine schnelle Antwort von Ganymed. Ein Problem, so groß, dass die Kommunikation komplett ausfiel, würde man nicht in ein paar Stunden beheben, da war sie sicher. Es war ja nun auch nicht so, dass der Außenposten auf dem Stand von vor 50 Jahren war, als es dort nur eine Sendeantenne und sieben Bewohner gab. Nein, Ganymed war zu einem pulsierenden, modernen Außenposten der Menschheit geworden, der mehreren tausend Arbeitern, die die Reichtümer Ganymeds und Jupiters selbst ausbeuten würden, Unterkunft bieten konnte. Sie war selbst nie dort gewesen, aber man sagte, dass der Eindruck der Vorläufigkeit und Improvisation kaum noch Bestand hatte. Nein, eine so etablierte Basis musste ein größeres Problem haben als Grünbaum und das MSA-Zentralkommando annahmen. In all der Zeit, die sie hier auf die Bildschirme starrte, hatte sie so etwas auch noch niemals erlebt. Sicher, einzelne Sendemodule streikten hin und wieder, und auch autarke Sonden und Satelliten hatten Fehlfunktionen. Aber nicht Ganymed. Misa drückte einen Knopf auf dem großen Schreibtisch und zog wenige Sekunden später ein frisches, dampfendes Cappuccino-Imitat aus der untersten Schublade, in die ein Organik-Prototyper eingebaut war. Dinge wie diese erinnerten sie daran, dass es vielleicht doch nicht so toll sein mochte, allzu weit von den Vorzügen der wirklich zivilisierten menschlichen Kolonien entfernt zu sein, aber andererseits war es ja auch nur ein Imitat und kein aus echten aufgebrühten Bohnen hergestelltes Getränk.
Sie konzentrierte sich auf ihren Bildschirm. Es gab nichts Neues, keiner ihrer eingestellten Alarme hatte ausgelöst. Sie checkte den Kanal von Voyager IX, aber auch die Sonde hatte nichts gesendet. Vielleicht dauerte die Signalverarbeitung noch an. Vielleicht war das Kommando auch falsch gewesen und die Sonde befolgte es nicht. Enttäuscht ließ sie ihren Rücken den Stuhl hinunter rutschen.
Misa überlegte, ob nicht irgendein Detail noch überprüfungswürdig wäre, doch Anspannung und das gleichzeitige Gefühl der Machtlosigkeit förderten die Lethargie, in die sie sich gerne versinken ließ. Gelangweilt spielte sie mit den Farbeinstellungen ihres Displays.
Natürlich! Warum war sie nicht früher darauf gekommen? Leben kehrte in ihren Geist zurück, als sie die schlechten Aufnahmen des Weltraumteleskops sorgsam nachbearbeitete, Kontrast und Spektralverschiebung verstellte. Gebannt blickte sie auf den Bildschirm. Die thermale Balance des Jupiters war eindeutig gestört, denn ein klar aufgelöster Gradient lag vor ihr. Konzentrisch schien die Wärme von der verborgenen Seite des Planeten auszugehen. Wenn doch nur die Sonde geantwortet hätte! Immerhin, sie hatte nun einen Anhaltspunkt. Nachdenklich beugte sie sich über den Tisch, an dem sie saß, als ob sie damit dem fernen Planeten hätte näher kommen können. Sie wusste, wer ihr helfen konnte.
***
Misa erinnerte sich auf dem Weg zu Karls Schreibtisch stets daran, was ihr Großvater zu sagen pflegte: dass die Beschaffenheit des Arbeitsplatzes eines Menschen mehr über ihn aussagte, als er selbst es je könnte. Nun, das galt nicht für jeden, aber ganz sicher für Karl Schmitz. Sein Schreibtisch blinkte und glühte wie der sprichwörtliche Weihnachtsbaum, lag voll mit Papierbergen, umherliegenden, leeren oder halbleeren Kaffeebechern und so vielen technologischen Gadgets, dass es wie eine blasphemische Mischung aus Schrottplatz und Halbleiterfabrik aussah.
Karl grinste sie an. »Misa, Schätzchen! Was kann ich für dich tun?«
Sein üppiger Bauch bebte auf und ab, als er die Controllerin angrinste. Misa seufzte. Sie mochte seine Art, die verlogen freundliche Grinserei und seine obszönen Witzchen ganz und gar nicht. Bedauerlicherweise war er der beste Mensch-Maschine-Kommunikator, den die MSA hatte, und wenn es nach ihm ging, sogar auf dem ganzen Planeten.
Misa sammelte sich. »Ich brauche deine Hilfe«, sagte sie vorsichtig.
Karl grinste weiter. Er würde sie dafür büßen lassen, ihn gestört zu haben, bei welcher Prokrastination auch immer. »Was hast du kaputt gemacht?«, fragte er süßlich.
»Gar nichts … denke ich. Es geht um Voyager IX. Ich habe der Sonde einen Befehl geschickt und sie hat bisher nicht geantwortet.«
»Was hast du denn mit dem Voyager-Controlling zu tun … ach Moment, ich weiß ja, diese Sache mit Ganymed, nicht wahr? Du wolltest eine Rückansicht, oder?« Karls Finger verwandelten sich in einen enthusiastischen Wirbel aus schemenhaften Tastaturanschlägen, und nach einer Zeit zuckte das festgefrorene Grinsen in seinem Gesicht kurz, als er sich zu Misa umdrehte. »Du hast den Flush vergessen, Süße.«
Misa verdrehte die Augen, weil sie wusste, was nun passieren würde. Obwohl sie sofort begriff, was ihr Fehler gewesen war, würde Karl einen wenigstens fünfminütigen Monolog darüber halten, dass man Ausgaben von Sonden nur dann berichtet bekam, wenn man auch daran dachte, der Sonde zu befehlen, aufgenommene Daten abzusenden und nicht nur zu speichern.
Benommen von den blumigen, ausschweifenden Erklärungen stolperte sie schließlich aus Karls Bürobereich, während er ihr fröhlich grinsend »Ich hab jetzt was gut bei dir!« hinterherrief.
***
Misa seufzte, sammelte sich und kehrte an ihren Schreibtisch zurück. Sofort sendete sie die Flush-Anweisung an Voyager IX, doch bestand die bittere Erkenntnis darin, dass das Signal mehr als zwölf Stunden bis zur Sonde hin und die Ergebnisse mehr als zwölf Stunden zurück zum Mars brauchen würden. Mürrisch blickte sie auf die blinkenden Worte »Transmission abgeschlossen«. Weitere 24 Stunden! Sie kontrollierte die anderen, weit weniger exotischen Datenquellen von Ganymed. Keine Veränderung. Ein wenig fragte sie sich, wie es sein konnte, dass das Oberkommando so ruhig mit ansah, dass kein Kontakt bestand, denn soweit sie wusste, war ein derartiger Zustand, solange Sichtverbindung bestand, zwischen menschlichen Außenposten seit vielen Jahren absolut undenkbar – zu viele Datenverbindungen wollten gefüttert, gesendet und empfangen werden. Und doch … die Stille des Weltalls konnte auch eine beinahe besinnliche Komponente darstellen, wenn sie nur nicht erzwungen worden wäre. Was konnte sie sonst noch tun? Sie nahm ihr Kopfkissen aus der Schreibtischkommode neben ihr, legte den Vibrationsfingerring an, der sicherstellen würde, dass sie aufwachte, wenn es nötig sein sollte, stellte allerhand Alarmbedingungen ein für den Fall, dass etwas ihrer Aufmerksamkeit bedurft hätte, und legte die Schulter quer über die Schreibtischplatte. Das Reich der Träume war diesmal für sie wie der Weltraum, durch den sie ihre neugierigen Gedanken nach Ganymed und Jupiter ausstreckte: Kalt, still und leer waren ihre Träume, bis sie weniger sanft als gewohnt geweckt wurde.
Winston Grünbaum stand hinter ihr und hatte ihre freie Schulter geschüttelt. Halb zornig, halb schlafend blickte sie den Leiter der Einrichtung an, beinahe in der Erwartung, dass sie etwas verpasst hätte und nun dafür gerüffelt würde.
»Ich wollte nur sagen«, begann er entschuldigend, »dass Sie natürlich auch zu Hause schlafen können. Sie wissen ja, dass Sie alle Überwachungstrigger an den Nachtoperator schicken können, der Sie benachrichtigt, wenn es etwas Neues gibt. Es gibt keinen Grund, wegen der versäumten Meldung keine Ruhe zu bekommen, verstehen Sie?«
Obgleich immer noch schlaftrunken, musste Misa innerlich lachen. Natürlich wusste sie, dass sie ihre Nächte nicht hier verbringen musste, aber sie konnte eben schlecht die Überwachung der Voyager-Sonde, die sie eher nicht anzapfen sollte, dem Nachtoperator übergeben. Allein, das würde sie Grünbaum natürlich besser nicht verraten. Sie nickte dankbar, sagte aber nur: »Das nächste Mal denke ich daran«, und legte sich wieder hin. Sie merkte, wie ihr Nacken sich verspannte, doch eine Weile würde es noch gehen.
Eine Weile musste es noch gehen.
***
Das Brummen, nicht die Vibration ihres Aufwachringes, den sie um den Finger gelegt hatte, weckte sie unsanft. Diese Geräte waren dazu konstruiert, so physiologisch verträglich und schonend wie möglich aufzuwecken, aber manchmal ging es dennoch schief. Misa wischte sich den Schlaf aus den Augen und schielte auf den blinkenden Teil des Bildschirms. Gab es tatsächlich Neuigkeiten? Langsam begannen ihre Finger auf die Tastatur einzuwirken, doch je mehr sie herausfand, was vor sich ging, desto schneller und wacher wurden ihre Eingaben.
Voyager IX hatte geantwortet. Viel zu früh. Hatte sie die Entfernung falsch berechnet? Egal. Rastlos und hellwach ging sie durch die Wüste aus binär komprimierten Datenströmen, ehe sie die Kontrollsignatur fand, die sie selbst gesendet hatte. Endlose Sekunden vergingen, als aus den Daten das Falschfarbenbild wurde, das die Sonde von Jupiter aufgenommen hatte. Ein großer Ausschnitt bestand aus uninteressantem Weltall, aber unten rechts fand sich die verräterische pastellblaue Scheibe des Jupiters, der eigentlich orange war, in der breitspektralen Aufnahme jedoch invertiert erschien. Misa befahl die Vergrößerung und im selben Moment, als das Ergebnis den Bildschirm erreichte, wusste sie, dass wirklich etwas nicht stimmte. Ein riesiges Sensorecho hing vor Jupiter und verdeckte mit einer wabenartigen Struktur einen guten Teil der orange-blauen Scheibe. Was immer es auch war, Misa hielt für ausgeschlossen, dass es einen natürlichen Ursprung hatte. Und noch etwas wusste sie ganz sicher: Das musste sie melden.
***
»Sie haben was?« Grünbaum legte die runzelige Stirn in Falten und sah sie ungeduldig an.
»Eine isospektrale Aufnahme der Rückseite von Jupiter. Die thermischen Verzerrungen sind darauf nicht zu erkennen, aber …«, begann Misa.
»Wie sind Sie überhaupt daran gekommen?«
»Voyager IX.«
»Was denken Sie sich eigentlich, einfach projektfremde Ressourcen anzuzapfen?«
»Ich … na ja. Ich dachte, es wäre hilfreich zu verstehen, was Jupiter tut.« Misa war verunsichert. Sie hatte erwartet, dass ihr Chef zufrieden sein würde, dass sie neue Erkenntnisse gleich meldete, doch stattdessen war er ziemlich sauer, dass sie die Sonde verwendet hatte. Ihn schien überhaupt nicht zu interessieren, was auf den Aufnahmen zu sehen war.
»Nun ja, nein. Ist es nicht. Die Sorge des Oberkommandos gilt allein Ganymed und den Menschen dort. Und erst wenn wir wissen, dass sie unversehrt sind, können wir es uns leisten, an Forscher-Idealismus zu denken, verstanden?«
Misa nickte. Natürlich teilte sie die Sorge um Ganymed, aber da Jupiters seltsames Verhalten der einzige Hinweis auf eine Erklärung war, hatte sie gedacht, dass sie ihren vorherigen Fehler wieder gutmachen konnte.
Winston Grünbaum seufzte. »Misa … ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ehrlich. Mir scheint, dass Sie mit dieser Situation nicht besonders gut umgehen können. Doch ich gebe Ihnen noch eine Chance. Besinnen Sie sich auf Ihre Aufgaben und melden Sie jegliche Beobachtungen, doch unternehmen Sie nichts weiter. Verstanden?«
Misa nickte. Traurig und verängstigt sah sie Grünbaum an. Hatte sie wirklich alles falsch gemacht? Sie wandte sich zum Gehen, doch Grünbaum hatte noch immer nicht genug.
»Wenn wir wieder Kontakt mit Ganymed haben, werden die Wissenschaftler dort auswerten, was Sie gefunden haben. Wenn sie es nicht schon längst haben«, rief er ihr hinterher.
***
Misa kehrte an ihren Operator-Platz zurück und starrte auf den rechten Bildschirm, der noch immer wie ein riesiges Menetekel das über Jupiter schwebende Sensorecho enthielt. Sie wollte es gerade wegklicken, da hörte sie, wie jemand in ihre Nische trat.
»He, was ist denn das für ein abgefahrenes Hintergrundbild?«
Breit grinsend stand Karl Schmitz hinter Misa und betrachtete die Falschfarbenaufnahme.
»Das ist kein Hintergrundbild«, sagte sie fatalistisch, wobei sie sorgsam darauf achtete, den Fatalismus so sehr überzubetonen, dass auch Karl sich hätte angesprochen fühlen können, wenn er denn feinfühlig genug gewesen wäre.
»Abgefahren«, sagte er nur. »Was ist das?«
Misa begriff, dass er zwar ein technisch unübertroffener Hacker war, aber von Astrophysik nichts verstand. Sie musste abwägen zwischen der Verlockung, ihm irgendwelchen Unsinn zu erzählen, um kompetent zu wirken, oder zuzugeben, dass man es nicht wusste.
»Wir haben keine Ahnung«, sagte sie lakonisch.
»Ja … mhh. Und … was könnte es denn sein?« Seine Begeisterung war ungebrochen.
»Vielleicht ein feindliches Raumschiff? Oder eine interstellare Kaffeemaschine, die Jupiter rösten, zermahlen und schließlich verzehren wird?«, fragte Misa mit lustlosem Sarkasmus. Sie bemerkte, dass es jedoch nicht Karl galt, sondern vielmehr der Situation, in der sie sich befand. Es traf sie, nicht weiterforschen zu können. Denn so war sie nun einmal; sie mochte nicht das Genie der großen Physiker besitzen, doch wenn es ein Rätsel zu lösen gab, dann konnte sie nicht eher Ruhe finden, bis sie zumindest einen Hinweis darauf hatte, was vorging.
»Sehr witzig«, sagte Karl. »Und was tut ihr, um es herauszufinden?«
»Gar nichts«, sagte Misa. »Das Oberkommando will abwarten, bis sie Nachricht von Ganymed haben.«
Karl nickte verständig. Misa hatte beinahe die Hoffnung, dass er bald gehen würde. Dann schien ihm doch noch etwas einzufallen. »Und wenn sich Ganymed nicht meldet? Wie in einem drittklassigen Film des letzten Jahrhunderts?«
»Diese Möglichkeit scheint für das Oberkommando nicht zu existieren«, sagte Misa.
»Oh, ach so. Ja … Gut. Die werden es schon wissen«, sagte er und ließ die mehr als je zweifelnde Misa Vebiletti zurück.
Misa bemerkte die Unruhe im zentralen Kontrollraum sofort, doch Bescheid gesagt hätte ihr vermutlich niemand, als auf dem großen Hauptbildschirm das Kommandozentrum vom Außenposten Ganymed erschien und Hubertus Nasri, der Gouverneur des Jupiter-Mondes, Meldung machte. Die Anspannung der Operatoren in dem für den Mars großen Raum war förmlich spürbar, bevor Nasri ansetzte und seine Übertragung begann. Misa stellte zufrieden fest, dass sie nicht die einzige ob der Funkstille angespannte Person gewesen war. Doch nun galt es, dem Bericht des Gouverneurs zuzuhören, der am Anfang noch etwas abgehackt eintraf.
»… haben anscheinend eine Art Gammablitz abbekommen, der die elektronischen Systeme vollkommen überlastet hat. Wir werden untersuchen, aus welcher Richtung die Strahlung kam und ob wir noch weitere Probleme zu befürchten haben. Bis auf Weiteres haben wir alle außer-atmosphärischen Aktivitäten eingestellt.«
Der Mann war im mittleren Alter und sprach einen leicht französischen Akzent mit dem typischen Duktus von jemandem, der sich in die Weiten des unwirtlichen Weltalls hinaus geschwungen hatte. Misa bewunderte den Pioniergeist, den auch heute noch die Bewohner Ganymeds versprühten, selbst in einer kurzen Videobotschaft, die nur etwa 90 Minuten unterwegs gewesen war. Doch nun schien Ganymed bei all den Unklarheiten noch viel weiter entfernt. Sie sah, wie der Mann sein schmales Pad, von dem er nervös ablas, beiläufig berührte und dann grimmig dreinblickend fortfuhr.
»Leider muss ich außerdem melden, dass wir den Kontakt zu sechsundzwanzig Kurzstrecken-Shuttles verloren haben, die mit Konstruktions- oder Transportmissionen nahe dem Ganymed-Orbit beschäftigt waren. Vier davon haben wir lokalisiert, ohne jedoch Kontakt herstellen zu können, und zwei weitere sind auf die Oberfläche aufgeschlagen ohne Hoffnung auf Überlebende. Wir trauern um unsere furchtlosen Kameraden, deren Tod uns umso schmerzlicher trifft, da er unvorhersehbar schien. Unsere Bemühungen konzentrieren sich erst mal darauf, verbleibende Crews nach Ganymed zurückzuholen. Ich wiederhole noch einmal, dass jegliche extraganymedischen Operationen eingestellt worden sind.«
Damit flackerte der Bildschirm und kehrte zum Äquivalent eines nostalgisch-futuristischen Testbildes zurück, das schematisch das solare System zeigte, in dem Mars und Ganymed markiert waren. Eine dünne, gestrichelte Linie dazwischen verblasste und verdeutlichte gleichsam die beendete Kommunikationsverbindung.
Die Stimmung war gemischt. Während die erfahreneren MSA-Mitarbeiter entspannt diskutierten, welche Ursachen der beschriebene Zwischenfall haben mochte und ob die über das solare System verstreuten anderen Sensoren vielleicht Spuren eines Gammablitzes aufgefangen haben mochten, gab es die Fraktion der eher jüngeren Kollegen, die noch keine große Krise zu meistern gehabt hatten und entsprechend unsicher waren, wie das Gehörte zu bewerten sei. Der Umstand, dass die volle Funkkommunikation noch nicht wieder hergestellt war und Ganymed bis auf Weiteres wieder schwieg, sollte nicht zur Entspannung beitragen.
Misa sah, wie Grünbaum angeregt mit einigen Technikern an den Hauptpulten diskutierte und sich dann umsah. Er ließ sich schließlich das Mikrophon geben und richtete das Wort an die versammelte Mannschaft.
»Ich weiß, dass einige von Ihnen vielleicht besorgt oder gar panisch auf das Gehörte reagieren möchten. Doch lassen Sie mich eines gleich vorweg klarstellen: Dazu gibt es keinen Grund. Der Ganymed scheint für den Moment stabil zu sein und deshalb wird hier weiter Dienst nach Vorschrift geleistet, verstanden? Der Krisenstab Gamma trifft sich in fünfzehn Minuten im blauen Konferenzzimmer.«
Misa kam nicht umhin, über die Inkongruenz der Aussage zu schmunzeln, dass einerseits kein Grund zur Panik bestünde und andererseits der Krisenstab zusammengerufen wurde, da stand Grünbaum auch schon neben ihr. »Wissen Sie, normalerweise würde ich Sie nicht hinzuziehen, soviel Ehrlichkeit muss sein. Doch, Sie haben die ersten Beobachtungen gemacht und ich beginne, Ihre Sorge zu teilen, ungeachtet dessen, was ich eben gesagt habe. Deswegen werden Sie dem Gamma-Stab angehören.«
Sie nickte mit einer Mischung aus Überraschung und Zufriedenheit, konnte jedoch auch sehen, dass Grünbaum sich mit dieser Entscheidung unwohl fühlte. Womöglich würde er sich vor dem Vorstand rechtfertigen müssen, doch sie würde ihn nicht enttäuschen. Immerhin hatte sie noch fünfzehn, nein vierzehn kostbare Minuten, um ihre Daten auf den neuesten Stand zu bringen.
***
Es war eine seltsame Stimmung im blauen Konferenzraum, als Misa eintrat. Sie konnte die Mischung aus Zuversicht und Unkenntnis spüren, die von den bereits eingetroffenen Personen ausging. Neben Grünbaum saßen zwei Mitglieder des Exekutivkomitees, ein Kosmologe, zwei Raumfahrtingenieure und Karl Schmitz. Natürlich war nur noch der Platz neben ihm frei und so grinste er Misa freudig an, als sie sich setzte.
Winston Grünbaum räusperte sich und fragte knapp, ob man vollständig sei. Er aktivierte die Protokollkamera, die für derartige Zwecke vorgehalten wurde, damit kollektives Fehlverhalten nicht auf einzelne Personen abgewälzt werden konnte. Es war ein erstaunlich simples Konzept, das die Effizienz von Gremienarbeit in den letzten Jahrzehnten bedeutend verbessert hatte. Auf der Erde lehnte man diese Art der Überwachung mit einem ebenso idealistischen wie abwegigen Beharren auf informationeller Selbstbestimmung ab, aber so waren nun einmal die Terraner. Trotz all der Unannehmlichkeiten war Misa doch froh, Teil des effizienten Viertels der Menschheit zu sein.
Grünbaum hatte die Teilnehmer nun gegenseitig vorgestellt und projizierte ein großes Schema des Jupiter-Mondsystems an das Kopfende des Raumes. Ganymed war markiert, ebenso wie die kleineren Außenposten auf Europa, Kallisto und im nahen Jupiterorbit.
»Wir wissen im Moment noch fast nichts über den Zwischenfall, der sich auf Ganymed, beziehungsweise im Jupitersystem ereignet hat. Frau Vebiletti wird Ihnen alles berichten, was unsere Operatoren bisher aufgefangen haben.«
Misa war nervös. Grünbaum hatte ihr kurz zuvor noch halbwegs das Vertrauen ausgesprochen, doch die anderen Teilnehmer kannte sie nur vom Sehen. Sie würde sich besser ins Zeug legen, einen guten Eindruck zu machen. Detailliert schilderte sie, wie die Datenverbindungen zusammengebrochen waren und wie sie thermische Instabilitäten von Jupiter festgestellt hatte. Sie zeigte die Bilder der Voyager-Sonde und schloss mit dem Bericht des Gouverneurs von Ganymed. Sie vermutete zwar, dass alle ihn verfolgt hatten, doch fand sie, dass es zu einer vollständigen Angabe dazu gehörte – vielleicht auch wegen der mahnenden Präsenz der Protokollkamera.
Wie sie erwartet hatte, waren die anderen sich darüber uneinig, wie die Infrarotaufnahmen des Jupiters und das Sensorecho der Sonde zu interpretieren seien.
»Die Sonde muss eine Fehlfunktion haben. Diese Strukturen … also … wenn es denn welche sind … haben die Ausmaße von mehreren hundert Kilometern, wenn sie einen so großen Teil des Planeten abdecken. Das kann nicht künstlicher Natur sein, und doch spricht seine Form eine andere Sprache«, sagte Florian Doppeldecker. Er war Raumfahrtingenieur und trug stolz den cremefarbenen Overall der Marspioniere.
»Sie meinen eher, 'nicht menschlichen Ursprungs', nicht wahr?«, fiel ihm der Kosmologe der Runde, Pavel Rabinovic, ins Wort. Sein leichter marsio-russischer Akzent betonte das Wort 'nicht' auf so typische Art und Weise, dass ihn alle ungläubig ansahen.
»Was denn? Wir sind hier, um alle Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, nicht wahr?«, rechtfertigte er sich.
Misa spürte, wie ihr ein Schauer den Rücken hinunterlief, und sie fragte sich unwillkürlich, ob er Recht haben könnte. Doch wie sollte ihnen eine so große Struktur so lange verborgen geblieben sein?
Grünbaum hob schließlich beide Hände und sagte: »Sachte, sachte. Wir wissen rein gar nichts, bis auf die wenig aussagekräftigen Sensorechos. Ich schlage vor, eine zweigleisige Strategie zu verfolgen: Erstens schicken wir eine Nachricht an Ganymed, auf welche Beobachtungen sie sich konzentrieren sollen, und zweitens werden wir Beobachtungszeit der hiesigen Teleskope benutzen, um den Jupiter von hier aus zu checken.«
»Bei allem Respekt«, sagte nun Jonathan Frasier, einer der Mitglieder des Exekutivkomitees, »Ganymed hat alle Hände voll zu tun, seine Leute nach Hause zu holen. Ich denke nicht, dass wir …«
»Wir müssen herausfinden, was auf der anderen Seite des Jupiter vor sich geht«, sagte Claudie van Hefeghem, seine Kollegin. »Ganymed hat einen Orbit von sieben Tagen, würde also in drei Tagen Sichtkontakt zu etwas haben, das hinter dem Jupiter ist. Wenn da etwas ist. Wir sollten sie nur daran erinnern, genau nachzusehen, und sonst nicht weiter behelligen, sondern fragen, ob sie Unterstützung wünschen.«
»Ich erinnere Sie nur ungern daran, dass wir keine Möglichkeit haben, sie zu unterstützen. Alle zivilen Raumfähren sind am Titan im Einsatz«, wandte Robert Matthieu Picard ein. Er war der zweite Ingenieur im Krisenstab Alpha und Kenner der interplanetaren Operationen der MSA.
»Dann müssen wir notfalls kommerzielle Schiffe requirieren«, sagte Grünbaum schroff.
»Das können wir uns nicht leisten«, sagte Rabinovic.
»Das werden wir ja sehen«, gab Grünbaum zurück. »Die großen Konglomerate können es sich ihrerseits nicht leisten, bei einer Rettungsmission als Spielverderber dazustehen.« Damit fand er Zustimmung. »Frau Vebiletti«, sagte er, »Sie werden eine Nachricht ausarbeiten, die möglichst kurz, aber voller Teilnahme deutlich macht, was wir erwarten, also dass sie auf der Rückseite Jupiters nach fremden Strukturen Ausschau halten sollen.«
»Verstanden. Was ist mit den thermischen Ungleichgewichten in der Jupiter-Atmosphäre?«
»Das stellen wir für den Moment zurück. Das können die hiesigen Teleskope auch beobachten.«
Misa nickte enttäuscht und stand auf. Sie bemerkte nicht sofort, dass Claudie van Hefeghem neben ihr stand.
»Entschuldigen Sie, ich finde, dass Winston etwas schroff zu Ihnen war. Ich würde Ihre Daten gerne noch einmal selbst in Augenschein nehmen.«
Misa hatte nicht mit weiterer Unterstützung gerechnet und freute sich über das Interesse. Sie lud van Hefeghem ein, sie zu ihrem Schreibtischplatz zu begleiten. Das Schlimmste, was passieren konnte, war, dass sie ihr nicht glaubte – doch weniger Unterstützung als jetzt schon konnte das kaum bedeuten.
***
Van Hefeghem war eine großgewachsene Frau mittleren Alters, die nicht nur dem Namen nach niederländischer Abstammung war. Ihr Lächeln war herzlich, doch ihre Fragen waren ernsthaft und wohlüberlegt. Misa zeigte ihr noch einmal in voller Länge alle Materialien, die sie seit dem Ausfall der Kommunikation gesammelt hatte. Interessiert sog Claudie van Hefeghem jedes Detail in sich auf, wollte, so schien es, als einzige Teilnehmerin des Krisenstabs wirklich zum Kern des Problems vorstoßen.
»Wir haben keine weiteren Informationen über die thermischen Gradienten in der Jupiter-Oberfläche?«
Misa schüttelte den Kopf. »Alle Überwachungssatelliten, die ich anzapfen wollte, sind bisher außer Betrieb. Vielleicht hat man auf Ganymed mehr Glück, aber von hier aus ist Voyager IX die einzige Ressource, auf die wir zugreifen können.«
»Das ist ja wirklich besorgniserregend. Was für ein Phänomen kann denn nur einen elektromagnetischen Puls von diesem Ausmaß anrichten?«
Misa blickte van Hefeghem besorgt an. Wenigstens sie schien zu begreifen, dass die Ruhe und, ja, konnte man sagen, Ignoranz Grünbaums fehl am Platze war. »Rabinovic hat einen Gammastrahlenblitz als mögliche Erklärung ins Gespräch gebracht«, sagte Misa.
»Den hätte man aber doch auch von hier aus beobachten müssen«, sagte van Hefeghem.
»Gammastrahlenblitze haben doch eine sehr geringe spatiale Ausdehnung, wenn ich das richtig weiß.«
Van Hefeghem nickte. »Das ist richtig, aber damit einher geht immer eine Nova oder eine Singularitäts-Annihilation von solaren Ausmaßen. Und das kann man von praktisch überall aus sehen.«
»Dann kann es das nicht sein. Ist es möglich, dass die Konvektion von Jupiter irgendwie instabil geworden ist?«, fragte Misa.
»Ich wüsste nicht, wie. Ein Planeten-System, das vier Milliarden Jahre stabil ist, kollabiert doch nicht einfach so innerhalb von Minuten. So viel Energie, wie für diese Störungen nötig ist, kann Jupiter nicht abgeben, denke ich.«
Misa nickte. »Na schön. Abgesehen von der Nachricht an Ganymed, was können wir von hier aus weiter tun? Grünbaum erwähnte die Teleskope, aber wonach müssen wir Ihrer Meinung nach suchen?«
»Ich … ich weiß es auch nicht. Das gesamte Spektrum muss abgesucht werden. Wenn es ein Gammablitz war, so wird es nicht noch einmal passieren und wir müssen warten, welche Aufzeichnungen Ganymed wiederherstellen kann. Dann gibt es aber auch keinen Grund zur Besorgnis.«
»Wir können nichts tun außer warten, dass Ganymed einen weiteren Bericht sendet?«
»Ich fürchte nicht.«
Resigniert wandte Misa sich von den Bildschirmen ab und sah Claudie van Hefeghem an.
»Verzagen Sie nicht«, sagte die Mars-Niederländerin. »Bestimmt bekommen wir bald Bescheid.«
Misa nickte. »Danke. Wo immer Sie Ihre Zuversicht auch hernehmen.«
Van Hefeghem schüttelte betrübt den Kopf. »Ich habe nicht nur keine Zuversicht, sondern auch keine Optionen. Es gibt einfach nichts, was wir von hier aus tun können.«
Sie entschuldigte sich und verließ Misas Platz. Zurück blieb eine nachdenkliche Deep Space-Operatorin, die sich klar machen musste, dass der einstige Pionier der interplanetaren Raumfahrt, die Marsianische Raumfahrtagentur, nicht nur viel von ihrer einstigen Größe verloren, sondern nicht einmal einen Plan B für Notfälle hatte. Sie machte sich daran, die Nachricht an die Administration von Ganymed vorzubereiten, die eben dies möglichst diplomatisch erläutern sollte und überdies auch noch Beobachtungsdaten der Vorgänge anfragte. Sie konnte sich wahrlich schönere Aufgaben vorstellen, doch sie bemerkte auch, dass die schiere Möglichkeit, irgendetwas zu tun, ihr half, sich zu beruhigen. Die Antwort würde früh genug eintreffen.
***
»Das können wir so nicht senden.«
Grünbaum nestelte nervös an seinem Digitizer-Stift, während Misa ihn fragend anblickte.
»Das können wir so nicht senden«, sagte er wieder, ohne den Anschein zu erwecken, seine vernichtende Kritik erläutern zu wollen.
»Was … stimmt nicht?« Unruhig rutschte sie auf dem ungepolsterten Plastiksitz vor Grünbaums Schreibtisch hin und her.
»Misa … Sie schreiben hier 'sichern wir unsere volle Unterstützung zu' … das geht so nicht. Wir haben nichts anzubieten, das wissen Sie doch auch!«
»Sie haben doch gesagt, dass wir sie beruhigen sollen. Ich denke, dass die Ganymed-Administration ganz gut weiß, wie es um unsere Ressourcen steht.«
»So? Ich sage, Sie schreiben es noch einmal neu, ohne derartig unterwürfige Absichtserklärungen. Machen Sie ihnen klar, dass wir Sensordaten brauchen und keine Rettungsschiffe schicken werden.«
Misa nickte. »Ja, in Ordnung. Entschuldigung.«
»Kein Grund, sich zu entschuldigen. Sie wussten es ja nicht besser.«
Traurig schlich Misa aus Grünbaums Büro. 'Sie wusste es ja nicht besser?' Dieser unausstehliche Besserwisser! Misa verstand natürlich, dass er auch und in erster Linie Politiker war und daher in gewisser Weise mit seiner Aussage Recht hatte, aber musste er immer so schroff zu ihr sein? Sie hatte nur versucht, ein bisschen Trost in die Nachricht zu legen, doch das war anscheinend schon zu viel gewesen. Als sie ihren Platz erreicht hatte, strich sie den Satz ersatzlos, las die kurze Nachricht noch einmal durch und schickte sie erneut an Grünbaums Büro. Sie würde nicht noch einmal persönlich hingehen, sondern die Sache über Instant Messaging zu Ende bringen.
Keine zehn Sekunden später ertönte ein leises Zirpen und Grünbaum hatte geantwortet.
'Hervorragend. So ist es gleich viel besser. Leiten Sie das an die Kontrollzentrums-Crew und schicken Sie es mit dem stärksten Transponder, damit es auch tatsächlich durchkommt.'
Misa pfiff leise Luft zwischen den Zähnen hindurch. 'Gleich viel besser'? Grünbaum brachte sie zur Verzweiflung. Doch sie würde sich heute nicht noch weiter damit befassen. Sie schickte den Text an die Kontrollcrew, nahm noch einen letzten Schluck von ihrem Instant-Cappuccino und entschied dann, endlich mal eine Nacht zu Hause zu schlafen. So sehr sie Grünbaums Verhalten auch gestört hatte – als sie die schmale Sicherheitsluftschleuse zum MSA-Hauptquartier hinter sich gebracht hatte und die Hochgeschwindigkeitsbuggies vor dem Gebäude warten sah, blickte sie zufrieden auf die unwirtliche, rostbraune Prärie, die doch irgendwie ein Gefühl der Heimat erzeugte. Sie zog sich den Atmosphärenanzug über und brauste mit ihrem Zweirad zu den großen Habitaten von Gagarin City.
***
Die zentrale Biosphäre Gagarins war einfach phantastisch. Genau das richtige nach zweieinhalb Tagen im MSA-Hauptquartier. Sie hatte ganz vergessen, welches Gefühl der Enge das Labyrinth aus ineinander verzahnten Überlebensboxen in ihr hervorzurufen vermochte. Doch hier, zweihundertsiebenundvierzig Meter im Durchmesser, stand sie in Herz und Stolz der Stadt. Misa machte es sich auf dem oberen Level gemütlich, lauschte den Tropenvögeln und dem Rauschen des synthetischen Wasserfalls. Symbol der Dekadenz und Fortschrittlichkeit der Marskolonie gleichermaßen, war die Verschwendung des Trinkwassers ein Mahnmal, dass der Mars nicht länger ein kleiner Forschungsaußenposten war. Fünfhunderttausend Menschen lebten in Gagarin City, und längst waren sie nicht mehr alle Astronauten oder Weltraumpioniere. Glücksritter trafen auf Goldgräber, Forscher auf Ausgestoßene, die sich auf der Erde unerwünscht gemacht hatten. Und dann waren da noch die anderen Habitate. Kennedy City, Putin City, New Beijing, Neu-Brüssel. Seit kurzem gab es sogar Pläne, erste Experimente mit dem Bauen von Habitaten außerhalb des Permafrostbodens des Südpols durchzuführen. Wehmütig dachte Misa daran, wie sich jener Geist des Aufbruchs und der Pioniertätigkeit in den Jahren, seit sie hier war, mehr und mehr verflüchtigt hatte. Sie fragte sich, wie es auf Ganymed oder Titan sein musste. Die Bedingungen waren viel härter und ein Ausfall der Kommunikation musste sie so viel heftiger treffen. Doch andererseits handelte es sich dort um einen Menschenschlag, der durch die Unwirtlichkeit des Weltalls nicht zu erschüttern war. Trotzdem bangte sie um die Bewohner auf Ganymed, von denen sie noch immer nicht wusste, was vorgefallen war.
Misa betrachtete das Farbenspiel des Wasserfalles und entschied, dass es unangemessen war, das künstliche Naturschauspiel zu bewundern, solange sie nicht wusste, wie es am Jupiter weiterging. In gewisser Weise fühlte sie sich direkt verantwortlich, obwohl sie als Operator natürlich nur für die Überwachung der Kontrollstationen zuständig war. Trotzdem … ein wenig war es so, als wäre es ihr Planetoid, und mürrisch stellte sie fest, dass sie keine Ruhe finden würde, ehe sie mehr wusste. Sie überlegte sogar, zum MSA-Hauptquartier zurückzukehren, doch sie zwang sich, ihrem Bett die Ehre zu erweisen. Grünbaum hatte in den letzten Tagen nicht viel Kluges gesagt, doch als er gemeint hatte, sie müsse sich ausschlafen, hatte er Recht gehabt.
***
Ihr erster Weg in dem fünfzehn Quadratmeter großen Heim galt der Nasszelle, die ihren Namen zu Unrecht trug, denn Wasser hatte sie noch niemals gesehen. Die Ultraschalldusche brummte die ersten paar Takte der automatischen Säuberungssequenz, doch dann starb sie, wie so oft, einen grausamen elektrischen Tod, zischend und wimmernd. Routiniert nahm Misa den Hammer unter dem Waschbecken hervor, klopfte dreimal an die Abdeckung und ließ die Schultern hängen. Diesmal war sie wirklich hinüber. Sie schrieb ein Memo an den Gagarin-Reperaturtrupp, doch sie wusste auch, dass in den nächsten Tagen wohl kaum etwas passieren würde. Sie schnappte sich den antiseptischen Säuberungshandschuh und rubbelte den Marsstaub mit der Hand von ihrer Haut ab. Weder sauber noch schmutzig schmiss sie sich auf ihre Pritsche und versuchte, nicht mehr an Ganymed zu denken.
Halb in Gedanken, den Weckdienst zu programmieren, registrierte sie nur beiläufig, dass ihr Wohnungsdisplay melodisch zirpte.
»Hallo Misa, hier spricht Püppi. Ich hab gesehen, dass mal wieder Licht in deinem Quartier war, als ich von der Arbeit kam. Hast du Zeit für mich?«
Misa drehte und wühlte sich umständlich aus der Decke. Zwar würde sie ohnehin nicht schlafen können, doch ihre beste Freundin war das, was man selbst auf dem Mars anstrengend nannte, und so nahm sie sich all die Zeit, die sie für die Entscheidung brauchte. Püppi würde sie ablenken und das gab den Ausschlag. »Surtshellir«, schrieb sie als Antwort, nahm ihren Pelzoverall aus dem Schrank und machte sich auf den Weg.
***
Als sie die beiden massiven Stalagmiten Thors Zwillinge passierte, würdigte sie die stille Hommage der Pioniere des stabilen Gesteins unterhalb des Gagarin-Habitats mit keinem Gedanken. Sie wusste zwar, dass die eisige Höhle Surtshellir ebenso wie ihr irdischer Namensvetter aus erkalteter Lava geschaffen worden war, doch sie interessierte nur die aus sorgfältig geschichtetem Eis geformte Bar, die nicht nur visuell eine der angesagtesten Locations des Planeten war. Innerhalb von Sekunden hatte sie Püppi erspäht, die ungeduldig mit den Fingerspitzen auf den ebenfalls eisgeformten Tisch trommelte und sie grummelig ansah. Sie trug ein Oberteil mit nachgemachtem Tierfell, das in ein geschmackloses Karomuster überging und an viel zu kurze Hotpants anknüpfte. Püppi war niemals kalt, das war ihre Botschaft. Misa bewertete ihre Freundin nicht nach Äußerlichkeiten, doch das bedeutete nicht, dass sie nicht wusste, dass das Attribut 'billig' auch auf dem Mars eine gewisse Verbreitung fand.
»Wo bleibst du denn?«, fragte Püppi wie üblich ohne Begrüßung, riss im gleichen Moment die Hand in die Luft, um einem der hastig umherflitzenden Bedienroboter zu winken.
»Ich habe mich beeilt«, sagte Misa betrübt, jedoch ohne Überraschung. Sie hatte tatsächlich keine Zeit mehr verloren, nachdem sie ihre Antwort getippt hatte, und so kam sie zu dem Schluss, dass Püppi bereits ohne ihre Antwort abzuwarten hierher gegangen sein musste.
»Na schön, ich lasse Gnade vor Recht ergehen. Was gibt es Neues, Süße?«
Misa zögerte, ob sie ihrer Freundin, die der exakten Definition von Geschwätzigkeit an sich schon recht nahekam, von ihrer, nun ja … Entdeckung berichten sollte.
Bevor sie sich überhaupt entschieden hatte, hakte Püppi jedoch nach. »Na komm schon, Schätzchen. Ich seh' doch, dass dich was bedrückt.«
Misa nickte missmutig. »Wir haben den Kontakt zu Ganymed verloren«, sagte sie knapp und fragte sich erst danach, ob sie es überhaupt hätte erzählen dürfen. Halbherzig fügte sie hinzu: »Das weiß aber niemand, verstanden?«
»Na klar, Süße. Ich weiß schließlich gerade mal, was Ganymed überhaupt ist. Diese Station um den Jupiter, nicht wahr?!«
»Es ist ein Mond, genau genommen der größte Mond des ganzen Sonnensystems, aber mach dir nichts draus«, erwiderte Misa.
»Hab ich doch gesagt. Was ist also mit diesem Ganymed?«
»Das wissen wir noch nicht«, begann Misa, biss sich jedoch auf die Zunge, als der Servierroboter ihre Drinks auf den vor Kälte glänzenden Eistisch stellte.
Dampfend waberten die warmen Cocktails in den Kristallgläsern umher, die der Roboter millimetergenau auf die Untersetzer platzierte, damit sie nicht zu schnell kalt wurden.
»Deine Vorsicht vor diesen Robotern ist immer so niedlich!«, quiekte Püppi und sah sich um. »Wenn du nicht genau artikuliert die Nummer von der Karte sagst, versteht er genau gar nichts von dem, was du willst.«
Misa verzog das Gesicht. »Es geht nicht darum, was er verarbeitet, sondern was er aufzeichnet«, sagte sie lakonisch.
»Sei nicht paranoid.«
»Sei nicht naiv.«
Beide mussten lachen. Sorgsam abwägend, ob es sich wirklich lohnte, den anstehenden Monolog schon jetzt auszulösen, sagte Misa schließlich die Worte, die sie jedes Mal bereute: »Und wie geht es dir, Püppi?«
Sie schrieb die folgende halbe Stunde ab, nickte ab und zu und stellte fest, dass Rauschen in ihrem Gehirn deutlich angenehmer war als die bohrenden Gedanken an Ganymed. Püppi war zwar oberflächlich, aber doch lieb, und so konnte sie es ihr nicht abschlagen, sie dann und wann einmal zu sehen. Sie erzählte irgendetwas davon, dass ihr Vorarbeiter sie mal wieder unangemessen behandelt habe, schob es auf sexistisches Verhalten, was Misa wenig überraschend fand, und in der Folge beschäftigte sie sich nicht näher mit dem Inhalt des nicht enden wollenden Geschwalls. Nachdenklich betrachtete sie sich von außen und stellte einmal mehr fest, wie viele weibliche Stereotype bei ihr fehlschlugen, wenn man sie nur einer halbwegs ernsthaften Prüfung unterzog. Trotzdem genoss sie Püppis Gesellschaft und fühlte sich auf eine seltsam paradoxe Weise behaglich inmitten der uralten Höhle aus einer Zeit, da der Mars noch eher wie die Erde gewesen war und in der es unter Null Grad hatte. Sie fand schließlich einen halbwegs glaubhaften Vorwand, Püppis Vortrag nicht weiter anhören zu müssen, drückte ihr zwei flüchtige Küsschen auf die Wangen und wanderte beschwingt vom Alkohol des lauwarmen Cocktails zurück in ihre Kabine. Sie schlief auf der Stelle ein und wenigstens für ein paar Stunden hatte sie es tatsächlich geschafft, den marternden Zweifeln und Fragen zu entkommen.
***
Die Ruhe des Schlafes war trügerisch. Sie träumte von Blitzen, die ohne Donnern die Technologie der Weltraumpioniere des Jupiters ausknipsten, von thermischen Druckwellen, die, entgegen aller Gesetze der Physik, den Mars erreichten und ihn wie eine Apfelsine zerquetschten. Bunte Drachenwesen entsprangen ihrer Phantasie, drehten und wendeten den Weltraum ihres Verstandes, spielten Tennis mit dem Ganymed ihrer Imagination, wurden zu elastisch stoßenden Kugeln, die dem Sonnensystem Bowling beibrachten, bis alles zerrumpelt in der Ecke lag. Misa wand sich hin und her, ohne Erholung finden zu können. Genervt blickte sie zum Wohnungsdisplay und nervös blinzelnd gelang es ihr, die Ziffern zu lesen. Ehe sie verstand, dass sie nur wenige Stunden zuvor noch in der Eishöhle gewesen war, stand sie auf, zog sich trotzig an und machte sich doch zurück auf den Weg zur MSA-Bodenstation. Hartnäckige Probleme konnte man nur mit noch hartnäckigerem Dagegenhalten lösen, dachte sie bei sich. Während sie also inzwischen die scheinbar unbegrenzte Freiheit des Zweirades auf dem marsianischen Permafrostboden zu genießen versuchte, bemerkte sie nicht das hartnäckige, maliziöse Blinken des Nachrichtenpagers in der unteren Ecke des Motorraddisplays.
Als sie die Luftschleuse durchschritt, wäre ihr nicht in den Sinn gekommen, sich bei Grünbaum zu melden. Sie schüttelte den roten Staub von den Stiefeln und ergab sich der Schalldesinfektion. Es war mitten in der Nacht, als sie das MSA-Hauptquartier betrat, und die Geschäftigkeit im Kontrollraum war nicht ungewöhnlich, denn in einem Sonnensystem voller Relativität gab es keine Zeit für Nachtruhe. Die Titan-Controller saßen entspannt an ihren Kursberechnungen und beantworteten ruhig die Nachrichten der Flugkontrolle. Sie grüßte knapp und machte sich auf den Weg zu ihrer Bürozelle.
»Da sind Sie ja!«, schallte es ihr entgegen und Misa musste sich beinahe zweimal um die eigene Achse drehen, ehe sie begriff, dass Winston Grünbaum sie rief. »So schnell hatte ich dann doch nicht mit Ihnen gerechnet«, sagte er düster.
»Ich … also, was ist denn los?«
Grünbaum schien fassungslos. Sah sie an, guckte fragend, atmete theatralisch ein. »Sie machen mich wahnsinnig. Sie müssen doch die Nachricht bekommen haben!«
»Ich … nein, was ist denn nur los?« Grünbaums Panik erfasste Misa und eine düstere Vorahnung vernebelte auch ihre Gedanken.
»Voyager IX sendet nicht mehr«, sagte Winston Grünbaum. Grabesstille im Kontrollraum. Vereinzelte Operatoren blickten verschämt hinter ihren Monitoren hervor, um zu sehen, was sich da zwischen Grünbaum und der Ganymed-Operatorin zutrug. Niemand sagte ein Wort.
Misa war wie erstarrt. »Wie ist das nur möglich?«
»Das wissen wir noch nicht. Und deshalb, so leid es mir tut, ist es meine Pflicht als Leiter des Kontrollzentrums, die einzige Operatorin, die das vielleicht herausfinden könnte, bis auf Weiteres von ihren Aufgaben zu entbinden. Sorry.«
Sie starrte ihn fassungslos an, unfähig ein Wort zu sagen. Das konnte unmöglich sein Ernst sein. Wie konnte irgendjemand annehmen, dass sie dafür verantwortlich war, die Sonde kaputt gemacht zu haben?
»Bis die Untersuchung abgeschlossen ist«, sagte Grünbaum und versuchte, dabei sanft zu klingen, jedenfalls dachte Misa das. Natürlich konnte es auch sein, und in einer hinteren Ecke von Misas Verstand gab es einen Platz dafür, dass er ganz froh war, die Operatorin los zu sein, die in den letzten Tagen nichts als Arbeit und Unruhe bedeutet hatte.
»Muss ich … das Gebäude verlassen?«, fragte sie unsicher.
Grünbaum war offenbar überrascht. Es war ihm nicht leichtgefallen, Misa ihre Demission mitzuteilen, und über mehr als das hatte er sich anscheinend noch keine Gedanken gemacht. Misa sah, wie er zögerte, sich aber keine Blöße geben wollte. »Das wäre für den Moment wohl besser«, sagte er schließlich vorsichtig. »Es ist ja zu Ihrem eigenen Schutz vor …« Er zögerte.
»Ja?« Misa starrte ihn an. Wovor musste sie beschützt werden?
»Na ja, Sie wissen schon. Vor … Formfehlern bei einer internen Untersuchung.«
Sie sah, wie ratlos Grünbaum nun vor ihr stand, und konnte sich nicht erinnern, ihn schon einmal so gesehen zu haben. War diese kleine Unannehmlichkeit, der Kontaktverlust nach Ganymed schon genug, ihn um seinen scharfen Physikerverstand zu bringen? Sie machte auf dem Absatz kehrt und verzichtete darauf, sich von irgendjemandem, schon gar nicht Winston Grünbaum, zu verabschieden. Sie dachte kurz an Karl Schmitz, der sicher dafür bürgen konnte, dass sie keine Schuld an dem hatte, was die Sonde anging, und fragte sich, was er wieder für zynische Kommentare aushecken würde, wenn er Anteil daran hätte, dass die Untersuchung gut ausging.
Keine Viertelstunde, nachdem sie das Hauptquartier betreten hatte, schritt Misa wieder hinaus in die rostbraune Ödnis und wollte nur noch fort. Beinahe gewaltsam wischte sie über die Menüstruktur ihres Motorraddisplays, als der Akkustand ihr beschied, dass sie gerade genug geladen hatte, um zurück nach Gagarin City zu gelangen. Schade. Das wäre die richtige Gelegenheit gewesen, richtig durch den unwirtlichen Permafrost zu donnern und einfach alles hinter sich zu lassen. Weder Grünbaum noch seine Untersuchung der Sonden-Fehlfunktion sahen, wie Misa Vebiletti vor den geschäftig leuchtenden Antennenspitzen des MSA-Zentrums kehrtmachte und zurück nach Hause fuhr. Vielleicht war es auch nur ein Ablenkungsmanöver, um sicherzustellen, dass sie keine Fehler mehr wie am Beginn der Krise machte. Vielleicht war die Lage ernster, als sie zugaben. Oder vielleicht waren sie auch einfach so ratlos, wie Misa sie in jenem Moment wähnte.
***
Als die Türme des zweitgrößten marsianischen Habitats in Sichtweite kamen, hatte Misa längst einen Plan. Oder vielmehr zwei. Zuerst schrieb sie Karl Schmitz eine herzzerreißende Nachricht, in der sie ihn darum bat, alles Menschenmögliche zu tun, um zu beweisen, dass sie keine Schuld traf. Sie wusste, dass sie später dafür Opfer würde bringen müssen, doch es war ihr egal. Vielleicht, das war ihr mittlerweile klar geworden, ging es um ihre Existenz. Denn, bei aller Prosperität, wer auf dem Mars keinen Job hatte, musste den nächsten Transport zu Mutter Erde nehmen. Das Leben auf dem Mars war gut, aber Herumdrücken leistete man sich noch nicht. Darauf war man stolz. Die Wirtschaft funktionierte, was auch daran lag, dass etwaige 'Produktivitätssenken', wie es so schön hieß, gnadenlos aussortiert wurden. Doch das war eine Befürchtung für einen anderen Tag. Misa beendete ihre Instant Message an Schmitz und machte sich auf den Weg zum höchsten Punkt der Stadt, dem alten Observatorium.
Es sagte viel über Gagarin City und den Mars als solchen aus, dass das alte Observatorium nicht an der Spitze eines Gebäudes der mächtigen Kapitalgesellschaften war. Zwar hatten sie alle Niederlassungen hier, doch niemals wäre der marsianische Südpol für ein Hauptquartier eines der mächtigen terranischen Firmenkonglomerate in Frage gekommen. Der Mars war aufstrebend, noch immer der zweitgrößte Bodenschatzlieferant, doch zu mehr als zum Ausbeuten nicht geeignet. Bitter dachte Misa daran, wie ein Manager es einst beschrieben hatte: 'Niemand, der es zu etwas bringen will, könnte von der Erde weg. Sie wird immer der Nabel der Welt sein, so paradox dies in einer interplanetarischen Gesellschaft auch klingen mag.'
Die Wahrheit war, ihr gefiel es und sie hatte die Absicht, hier zu bleiben. Doch dafür musste sich der Irrtum mit der Sonde aufklären lassen. Vorzugsweise von der Untersuchungskommission, doch notfalls durch sie selbst. Sie wusste, dass die MSA schon genug mit dem Ganymed-Zwischenfall zu tun hatte, deshalb war ihr klar, dass diese Affäre nicht spurlos an ihrem Ruf in der Agentur vorübergehen konnte. Selbst wenn, wovon sie nach wie vor ausging, sie sich als völlig schuldlos herausstellte.
Der automatische Lift fuhr bis vier Stockwerke unter die Spitze und endete in einem altmodischen, beinahe Dampf-punkigen Eisengitter, das die sonst aus eloxiertem Aluminium bestehenden Lifttüren ersetzte. Es roch muffig, vielleicht ein wenig nach Marssand und Schwefel, und irgendwie fühlte Misa sich, als würde sie einen der terranischen Kirchtürme, die sie freilich nur von Holographien kannte, hinaufklettern. Die Treppe war aus abgenutztem Edelstahl und an die Wände angeschmiegt wie ein Schwanenhals. Auf der vorletzten Ebene das runde Bullaugenfenster, das man von weit her sehen konnte, wenn man sich Gagarin City näherte. Die stählerne Treppe quietschte unter Misa und dem Druck des halben Jahrhunderts, das sie nun schon existierte. Misa fühlte sich, als hätte sie sich die über einhundert Meter komplett allein nach oben getrieben, obschon sie die meiste Distanz im Lift überwunden hatte. Vor ihr lagen der kuppelförmige Oberbau des Turmes und das größte Teleskop des Mars, das schon eine halbe Ewigkeit nur noch eine miefige, altmodische Aussichtsplattform war. In der Mitte das mächtige Leitwerk, das um tausendstel Bogensekunden verstellt werden konnte. Misa musterte die kleine, herabhängende Kapsel, die das Okular und die Sucheroptik enthielt.
»Kann ich Ihnen helfen?«
Erschreckt fuhr sie herum. Natürlich gab es einen Touristenführer, Hausmeister, was auch immer seine Aufgabe war. Doch das war kein Grund, sich nicht vorn herum vorzustellen. »Hallo«, schnaufte sie. Ihr fiel ein, dass es besser war, freundlich zu sein, sonst würde sie gewiss schneller wieder hinunter befördert, als sie 'Ganymed' sagen konnte.
»Ich habe nicht oft Gäste um diese Zeit«, sagte die Stimme.
Misa drehte sich um und sah einen freundlich dreinblickenden, rundlichen Mann, der offenbar wirklich froh war, etwas Gesellschaft zu haben. Sie erkannte die stolz am Revers befestigte Pioniersmedaille. Er gehörte zu den ersten Einhundert, dachte Misa beeindruckt.
»Der Weltraum ist langweilig geworden, wissen Sie«, sagte er wehmütig. »Niemand erinnert sich mehr daran, wie es war, als wir nicht wussten, was uns erwartet. Als jeder Tag eine Herausforderung war.« Er schielte nach unten, sagte allerdings nichts, doch Misa fühlte sich verpflichtet, ihm Respekt zu erweisen. Sie nickte und antwortete: »Ich beneide Sie darum, diese Zeit erlebt zu haben.«
Sein kugelrunder Bauch erbebte und Lachen brach sich Bahn, als er Luft zur Antwort in die ächzenden Lungen sog. »Nicht die Zeit, Kindchen, den Ort. Immer gibt es Herausforderungen und Neues zu entdecken. Doch nicht mehr hier. Sie sind weiter gezogen. Ganymed, Titan, neuerdings sogar Oberon am Uranus. Jahrhundertprojekt haben sie den Mars genannt, als wir aufbrachen, und keine fünfzig Jahre später fühlt es sich an, als hätte er schon jetzt seinen Platz in der menschlichen Geschichte eingenommen.«
Nachdenklich sah Misa ihn an. Sie hatte einen brummeligen Kerl erwartet, der sie nicht ohne genaues Ausfragen durch sein Teleskop blicken lassen würde, doch seine Herzlichkeit überwältigte sie. Es war klar, dass er Wehmut empfand darüber, dass man nicht würdigte, welch gewaltige Aufgabe es gewesen war, den Mars zu bändigen, doch er trug es mit Fassung.
»Erinnern Sie sich an die ozeanographische Erforschung der Erde? Nein?« Misa lachte, weil sie sich vorstellen konnte, worauf er hinaus wollte. »Weil es praktisch keine gab, nachdem der Raumflug in privater Hand lag. Das Streben nach neuen Ressourcenvorkommen gewann Oberhand über die reine Exploration, und so hat der große Blaue heute mehr Rätsel für uns als der kleine Rote oder das Universum als solches. Was könnte ich Ihnen zeigen, was Sie nicht schon gesehen haben?«
»Jupiter«, sagte Misa trocken, vielleicht etwas zu gezielt. Sie sah, wie er seine Stirn in Falten legte.
»Sind Sie Journalistin?«
»Wie kommen Sie denn darauf?«
»Vor ein paar Stunden waren ein paar von denen da. Wollten auch Jupiter sehen. Meinten irgendetwas von einem Zwischenfall. Seltsame Leute.«
»Tatsächlich?«
»Ja, allerdings.« Der Observatoriumsaufseher nestelte am Bedienfeld des Okulars herum, woraufhin die gesamte Plattform leicht erzitterte und sich langsam drehte. Die Konstruktion quietschte hin und wieder und blieb dann abrupt stehen. Sie hatte sich nicht viel weiter bewegt. Er hatte Recht. Vor einer halben Stunde konnte jemand durch das Teleskop den retardierten Jupiter beobachtet haben. »Jupiter, König der Götter«, verkündete er voller Pathos.
Vorsichtig lugte Misa in die schwarze Öffnung des Okulars, kniff das andere Auge zu und ja, tatsächlich, es zeigte sich ein matschiger, orange-farbener Fleck vor ihrem Auge.
»Es ist unscharf«, sagte sie mit der lakonischen Erfahrung eines MSA-Operators, der schon wesentlich bessere Bilder gesehen hatte.
»Wir sind hier altmodisch«, antwortete er ungerührt und deutete auf die kleinen Kurbeln neben dem Okular.
Misa probierte vorsichtshalber zunächst nur einen Freiheitsgrad aus und war schlichtweg beeindruckt. Während sie die Kurbel um mehrere Umdrehungen weiter zog, bewegte sich das Teleskop so wenig, dass Jupiter noch immer beinahe in der Mitte des Sichtausschnittes lag. Sie brauchte nicht lange, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie es ging, und schon bald hatte sie den besten Jupiter im Visier, den sie je selbst erblickt hatte. Sie vergrößerte den Ausschnitt mehrfach, bis sie gefunden hatte, was sie suchte. Ganymed lag in der vertraut bröcklig wirkenden, dumpf-grauen Atmosphäre vor ihr. Sie vergrößerte die Darstellung bis zum Äußersten, doch so sehr sie sich an anstrengte, es war nichts Ungewöhnliches zu erkennen.
»Können Sie Thermo- oder Spektralfilter einbauen?«, fragte sie den Alten.
Er lächelte und schüttelte den Kopf. »Nein, Kindchen, dieses Teleskop ist rein optisch, alle anderen Daten gehen an die MSA. Wenn Sie etwas davon haben wollen, dann müssen Sie dort nachfragen, das habe ich ihren Kollegen schließlich auch gesagt.«
»Meinen Kollegen …«, dachte Misa laut. Dann fiel es ihr wieder ein. »Aber ich bin keine Journalistin!«
»Natürlich nicht. Hören Sie, es tut mir leid, aber ich fürchte, ich kann ihnen nicht weiterhelfen. Wenn die MSA sich nicht zu Ihren Fragen äußert, dann kann ich es erst recht nicht.«
Misa stand noch immer auf dem Schlauch. »Was für Fragen?«
»Na, wieso abgestritten wird, dass es einen Zwischenfall gab, obwohl sogar auf der Erde die Satelliten die Störungen aufgefangen haben. Das haben sie jedenfalls gesagt, die interplanetaren Ticker sprechen nicht davon.« Der Mann zog die Schultern hoch und ließ sie theatralisch wieder hinunter fallen. »Warten Sie doch einfach mal ab, das hat noch selten jemandem geschadet«, sagte er. »Und wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, ich habe noch andere Dinge zu erledigen. Sie können gerne so lange auf Jupiter oder Ganymed starren, wie Sie wollen, mehr kann ich ihnen nicht bieten.«
Nachdenklich starrte Misa auf das kleine Okular an der Seite des mächtigen Teleskoparms. Ja, sie würde noch eine Winzigkeit überprüfen wollen. Sie schnappte die Steuerkurbeln, verringerte die Vergrößerung wieder etwas, bis sie die fast volle Sichel des Jupiters sehen konnte. Vielleicht konnte sie keine Falschfarbendarstellung bekommen, um den Kontrast zu erhöhen, aber es gab auch altmodische Tricks, die ihr einfielen. Sie fuhr die Vergrößerung wieder etwas heran, schob das Teleskop weiter, sodass sie den Rand der satten orangefarbenen Atmosphäre im Bild hatte, und kniff dann auch das sehende Auge so weit zu, dass sie nur die optische Aberration an der Seite erkennen konnte. Es war nicht besonders stark, doch es war, wo sie es vermutet hatte. Eine Winzigkeit über Jupiter hinaus erkannte sie die verräterischen Reflektionen der rechtwinkligen Strukturen, die auch Voyager IX gesehen hatte. Es war vielleicht Einbildung, doch zu geradlinig, um eine optische Störung zu sein. Misa war überzeugt, dass etwas … irgendetwas, sich hinter Jupiter versteckte und für die Störungen verantwortlich war. Abwesend legte Misa die Hand auf den mächtigen Drehkranz des Teleskops und konnte nicht einmal im Ansatz ermessen, welche Geheimnisse auf sie warteten.
***
Nachdenklich schlich sie die Treppen des Observatoriums hinunter und bekam diesen einen bohrenden Gedanken nicht aus dem Kopf: Was, wenn wirklich etwas hinter dem Jupiter lauerte und sich den menschlichen Blicken entzog? Sie ertappte sich dabei, dass sie ihren eigenen Beobachtungen nicht glaubte und abstritt, was sie selbst aus dem Augenwinkel gesehen hatte. Wenn Voyager IX nicht ausgefallen wäre, gäbe es längst eine Nahaufnahme der Jupiterrückseite und alle Aufregung würde sich vermutlich erledigen. Doch für den Moment existierte kein Gegenbeweis, und Misa nahm nicht ohne Grund an, dass sie vielleicht der einzige Mensch war, der wusste, dass etwas nicht stimmte. Was das alles mit Ganymed zu tun haben sollte, war zwar unklar, doch Misa weigerte sich stets, an Zufälle zu glauben.
Die glänzenden Messinggeländer der oben offenen Liftkonstruktion ließen sie in den tiefen Schlund der mittleren Etagen von Gagarin City spähen und hätten beinahe dafür gesorgt, dass sie ihr Mobilgerät hineinwarf, als sie mehr aus Langeweile den marsianische Newsticker anwählte.
»Ganymed: Vertuscht die MSA Zwischenfall?«, stand in großen, bunten Lettern über dem Artikel, darunter: »Insider: Operator beurlaubt.«
Ungläubig starrte sie auf das wenige Zoll breite Display und glaubte ihren Augen nicht. Ein notdürftig verpixeltes Bild zeigte ohne Zweifel Misa Vebiletti, als sie gerade am MSA-Hauptquartier das Elektrobike fahrbereit machte.
Der Lift piepte und ließ sie eintreten, doch Misa hatte nur das unscharfe Foto voll brauner Steppe im Blick. Offenbar wurde hier öffentliche Empörung auf ihrem Rücken produziert. Sie wählte gerade die Kontakt-Schaltfläche, auf der „Grünbaum, Winston“ stand, da öffnete sich die Tür auf der Durchgangsebene Eins, der Gagarin-Promenade. Für den Menschen der gerade zu hoffen begann, dass sein Name auf wundersame Weise nicht mehr länger Misa Vebiletti lauten mochte, hätte es geradewegs das Tor zur Hölle sein können, denn ein gutes Dutzend Fotografen und Reporter wartete auf sie. Wie benommen von Blitzlicht und Fragen stammelte sie Wortfetzen wie „kein Kommentar“ oder „keine Ahnung“, ehe sie sich besann und ihre Verfolger in Richtung ihres Quartiers abschütteln konnte. Was passierte hier eigentlich gerade? Als sie die Sicherheit verheißende Quartierstür hinter sich schloss, schien es ihr wieder, als drehte sich alles und ein wenig echter Schwindel war wohl auch dabei, als sie sich auf ihr Bett fallen ließ und erst mal nur in Ruhe gelassen werden wollte.
Ihr Wunsch sollte nicht in Erfüllung gehen. Dumpf brummend rührte sich das Smartphone in ihrer Hand. Erneut erschien das geradewegs karikatureske Konterfei ihres Chefs als Symbolbild im Anrufdisplay, doch diesmal war er es, der die Verbindung herstellen wollte. Misa seufzte ausgiebig, bevor sie über die grüne Taste wischte und abnahm.
»Hallo?«
»Hallo. Hier spricht Winston Grünbaum. Hallo.« Er war aufgeregt und nervös. Misa war nicht gut darin, sich in andere Menschen hinein zu versetzen, doch das war hier auch nicht nötig. Ein wenig belustigt bemerkte sie, dass dies ein interessantes Gespräch werden konnte, wenn sie es schaffte, es distanziert zu betrachten.
»Ich höre Sie gut«, sagte sie ruhig.
»Ja … also … ich habe gerade die Nachrichten gesehen. Das haben Sie sehr gut gemacht.«
»Wie bitte?«
»Nichts zu sagen. Den Kommentar zu verweigern. Und so weiter. Ja.« Sie stellte sich vor, wie er nickend und mit den Armen rudernd in seinem Büro stehen musste, und lachte beinahe laut los.
»Ich … danke. Doch ehrlich gesagt hätte ich ja nicht einmal gewusst, worum es überhaupt geht.«
»Also anscheinend ist die öffentliche Presse davon überzeugt, dass wir Sie beurlaubt haben, weil der Zwischenfall auf Ganymed auf Ihr Fehlverhalten zurückzuführen ist. Wir haben das zwar dementiert und abgestritten, doch da wir keine weiteren Informationen von Ganymed haben, ist es, ehrlich gesagt, gar nicht so schlecht, wenn diese Geschichte sich in der Öffentlichkeit hält.«
»Ich verstehe, ich komme Ihnen als Sündenbock also gerade recht?«
Sie hörte ein wüstes Grummeln im Hintergrund, bevor Grünbaum antwortete. »Misa, Sie dürfen das bitte nicht falsch verstehen. Dass wir noch immer keine weiteren Informationen zu der Sache haben, setzt uns ein wenig unter Druck.«
'Untertreibung des Jahres', dachte sie, doch Grünbaum war noch nicht fertig.
»Hören Sie, wir brauchen etwas Zeit, die Sache aufzuklären, und ich versichere Ihnen, wenn Sie mitspielen, dann wird sich das positiv für Sie auswirken …«
Sie verstand nicht, was er meinte. Spielte er auf den Untersuchungsausschuss wegen Voyager IX an oder ihre Verfehlung, als sie den Ganymed-Zwischenfall nicht sofort gemeldet hatte? »Was soll ich tun?«, fragte sie vorsichtig.
»Wie? Äh, tun? Gar nichts, Misa, gar nichts!« Beinahe flehentlich schrie Grünbaum in sein Ende des Kanals. »Bitte äußern Sie sich nicht, sondern beschäftigen Sie einfach nur die Journalisten.«
»Ich denke, ich habe Sie verstanden«, sagte Misa. »Ich freue mich schon darauf, von Ihnen zu hören«, flötete sie, bevor sie die Verbindung unterbrach und Winston Grünbaum die Chance nahm, noch etwas zu erwidern. Vor allem, wie sie 'deeeeeenke' in die Länge gezogen hatte, gefiel ihr vorzüglich. Erstaunt stellte Misa fest, welch gute Laune sie auf einmal hatte, obwohl sich eigentlich an ihrer Situation nichts geändert hatte. Doch Grünbaums Unterwürfigkeit, von der sie zwar begriff, dass sie der Situation geschuldet war, gefiel ihr so sehr, dass sie einen Moment die Augen schloss und sich noch einmal vorstellte, wie verdattert er nun am anderen Ende der Leitung stehen musste. Kurze Zeit später erhielt sie noch eine Instant Message von ihm: »Machen Sie um Himmels willen keine Dummheiten. Sie haben keine Konsequenzen zu fürchten, wenn Sie nur nicht mit der Presse sprechen. Grünbaum.«
Zufrieden blickte sie noch einmal auf das Smartphone, dann traf sie eine Entscheidung. Zeit, ein paar Journalisten an der Nase herumzuführen.
***
Sie hatte Surtshellir in Erwägung gezogen, ebenso wie sie überlegt hatte, Püppi anzurufen. Doch nun saß sie allein im Dublin Inn und genoss eine andere Leidenschaft – Guinness. Oder das, was man auf dem Mars darunter verstand. Obwohl die Transportfenster und –methoden in den letzten fünf Jahrzehnten stetig verbessert worden waren, war es ein nicht vorstellbarer Luxus, Lebensmittel oder gar Alkohol auf den langen Weg zu schicken. Und so schlürfte sie etwas, von dem immerhin eingewanderte Mars-Iren sagte, dass es das sei, was ihrem Nationalgetränk am nächsten käme, wenn auch Lichtjahre zum Original fehlten. Das Dublin Inn hatte eine gewisse Tradition vorzuweisen und war quasi das Herz der irischen Lebensart auf dem Mars. Misa schätzte vor allem die Herzlichkeit, mit der man miteinander umging. Der Wirt hieß ironischerweise Scott und sprach zu aller Unbill auch noch in britischem Marsakzent, doch all das musste man hinnehmen, wenn man fern des echten Irlands war.
Sie hatte sich an die Bar anstatt die engen Tischbänke gesetzt, denn sie wollte, falls es ihr zu bunt wurde, doch die Möglichkeit haben, schnell das Weite zu suchen. Sie erkannte den ersten Journalisten daran, dass er viel zu offensichtlich und viel zu unnatürlich in ihre Richtung stierte. Es war ihr beinahe unangenehm, mitanzusehen, wie er sie … nun ja, investigativ beobachtete. Sie prostete ihm schließlich zu, wobei er nicht weniger als drei andere Gäste anrempelte und schließlich aus dem niedrigen Lokal hinaus stürmte. Misa lachte herzlich, besann sich jedoch. Nicht, dass sie einem der hiesigen Trunkenbolde erklären musste, wie ihre Situation war.
»Man könnte fast meinen, du fühlst dich verfolgt«, sagte schließlich Scott, der Wirt, der einen guten Riecher für die Sorgen seiner Gäste hatte. Bevor Misa etwas entgegnen konnte, hatte er ihren Gesichtsausdruck bereits als widerwillige Zustimmung entziffert und fuhr fort, seinen siebten Sinn für Gäste zu erklären. »Wer wie ich den ganzen Tag nichts anderes macht, als Guinness zu zapfen, zu trinken und aufzuwischen, muss sich notgedrungen damit beschäftigen, die Leute zu beobachten«, sagte er und lachte.
»Ich werde nicht verfolgt, sondern beobachtet«, sagte Misa, die einsehen musste, dass sie, wenn sie ein weiteres Guinness trinken wollte, nicht umhin kommen würde, ehrlich zu Scott zu sein.
»Ich erkenne da keinen wirklichen Unterschied«, sagte er lapidar und musterte sie. »Was hast du ausgefressen?«
»Ich …« Misa ermahnte sich, dass sie vorsichtig sein musste, was sie öffentlich sagte, selbst wenn es sich um eine treue Seele wie Scott den Wirt handelte. Man konnte nie wissen, wie spitz die Ohren der Reporter sein würden, dachte sie. »Ich habe gar nichts ausgefressen, die Journalisten, die mir nachstellen, glauben das nur«, flüsterte sie leiser als nötig.
»Wenn das so ist, warum sprichst du dann nicht mit ihnen darüber?«, fragte Scott und grinste, denn er wusste, dass er Recht hatte.
»Das kann ich nicht. Mein Chef würde mich aufknüpfen«, sagte sie etwas zu salopp.
»Also hast du doch etwas ausgefressen!« Er grinste triumphierend. »Oder warte … wenn er nicht will, dass du redest, so muss er es sein, der etwas zu verbergen hat. Ha! Hab ich Recht?«
Misa schüttelte verzweifelt den Kopf. Sie musste entweder das Thema wechseln oder die Bar verlassen.
»Du würdest einen guten Psychotherapeuten abgeben, weißt du das?« Sie warf ihr langes Haar in den Nacken und leerte das noch halbvolle Glas in einem Zug. Flink wischte sie die Autorisation für die drahtlose Bezahlung ihrer Zeche auf dem Smartphone herum und stand auf.
»Manch einer würde sagen, dass die Unterschiede zwischen diesen beiden Berufen fließend sind«, sagte Scott und nippte an seinem Guinness. Er tippte zum Abschied mit dem Finger an die Stirn und rief ihr auf herrlich direkt irische Weise hinterher, sie möge auf ihr Hinterteil aufpassen bei all den Reportern auf ihrer Spur.
***
Misa trat auf die Promenade und grinste. Sie hatten ihr Bestes gegeben, sich zu verstecken, aber wenn man wusste, worauf man achten musste, war es nicht gerade schwer, sie auszumachen. Sie sah Objektive hinter halboffenen Türspalten, den billig nachgemachten, antiken Säulen der Promenade und … ja, ein Mann mit gezücktem Mikrophon kam direkt auf sie zu.
»Frau Vebiletti, können wir kurz eine Stellungnahme …«
Sie hielt halb irritiert, halb verärgert das Mikrophon zur Seite und deutete lediglich mit den Lippen ihre Ablehnung an, doch dieses Exemplar würde es damit nicht gut sein lassen. Er hatte schulterlanges, hellblondes Haar, das beinahe zu leuchten schien. Misa war für einen Moment wie geblendet von der Erscheinung, die ihr noch immer das Mikrophon unter die Nase hielt und nicht von ihrer Seite wich. Sie beschleunigte ihre Schritte und versuchte, die Promenade zu verlassen, doch auf keinen Fall konnte sie so in ihr Quartier gehen, ohne dass es stundenlang belagert würde. Nein, hier half nur die gute alte Nebelkerze. Misa vertraute darauf, dass sie Gagarin City besser kannte als irgendjemand sonst. Sie würde diesen einfältigen Reporter ein wenig an der Nase herumführen.
Zielstrebig stolzierte sie zum zentralen Kapsel-Hub. Neben traditionellen Aufzügen hatten die Kapseln, in deren Innerem zwei Personen mehr oder weniger bequem Platz fanden, den Zweck, die äußeren Bezirke des Habitatkomplexes schnell zu erreichen. Natürlich waren sie nicht kostenlos, doch die verhältnismäßig geringe Gebühr war der Preis, den Misa dafür zu zahlen bereit war, dass die Reporter-Meute nicht nur mühsam erraten musste, welches Ziel sie ansteuerte, sondern es zudem eine gewisse Zeit dauern würde, bis alle ein eigenes Gefährt fanden, um ihr folgen zu können.
Sie nickte dem Operator kurz zu, der ganz allein am Tag nicht weniger als eineinhalb Millionen An- und Abfahrten zu überwachen hatte, und schloss dann blitzschnell das spiegelnde Verdeck über der perfekt kugelförmigen Kapsel, gab das Ziel ein und düste feixend hinab in das verzweigte Rohrpost-System von Gagarin City. Obwohl die Beschleunigung nicht mit dem ungezähmten Drehmoment eines Verbrennungsmotor-Vehikels mithalten konnte, war der erste Moment des freien Falls hinab in die Vakuumröhren doch stets ein kribbelndes Erlebnis für Misa, deren Magen sich trotz des wohlbekannten Fehlens der Schwerkraft stets aufs Neue unangenehm zusammenzog. Sie klopfte abwesend an ihr Ohrläppchen, als könne sie auf diese Weise dem Gehirn seinen Denkfehler verdeutlichen, da legte sich das Innere der Kapsel auch schon zur Seite, als die horizontale Richtung gefunden war und die Rohre nun direkt auf das angestrebte Ziel zuführten.
Misa nahm sich einen Moment Zeit und stellte sich genüsslich die Reporter vor, die nun aus nicht weniger als dreiundvierzig Zielen im verzweigten Netzwerk auszuwählen hatten. Sollte sie am Ausgang des Hubs warten, um zu sehen, wie viele es richtig gemacht hatten? Nein, das war nicht nur arrogant, sondern auch töricht. Sie konnte sich erst darauf verlassen, sie abgehängt zu haben, wenn sie in ihrem Quartier war. Und selbst dann war es nicht ausgeschlossen, dass sie einfach auf Verdacht dort erscheinen würden. Misa besann sich ihrer Optionen und dachte beinahe darüber nach, für eine Nacht in einem der sündhaft teuren Hotels der Stadt unterzutauchen, nur um ein paar Stunden Ruhe zu finden.
Sie würde jäh aus ihren Überlegungen gerissen, als etwas in der Kapsel ruckte. Hatte sie schon das Förderband erreicht, das die Kugeln aus dem Rohrsystem hinauf zum Ausstiegshub beförderte? Ausgeschlossen. Die Reise war zwar schnell und lautlos, doch das konnte es nicht sein. Schamvoll erriet sie schließlich, was es war, zog ihr vibrierendes Telefon aus der Tasche und sah das hell leuchtende Display an. Was konnte denn nun schon wieder sein?
Halb bewunderte sie die Segnungen der Informationstechnologie, dass sie in einer vollummantelten Aluminiumkugel, die schneller als der Schall in einer kaum zwei Meter breiten evakuierten Röhre unter dem größten marsianischen Habitat umher schoss, Mobilfunkempfang hatte, und halb fürchtete sie, auf den Knopf zu drücken, auf dem »Grünbaum annehmen» geschrieben stand.
»Hallo?!«
»Ah ja, Misa. Gut … äh … hören Sie zu. Wir haben herausgefunden, warum die Voyager-Sonde nicht mehr sendet. Wir brauchen Sie sofort hier, verstanden?«
Misa war vollkommen überrumpelt. »Sie meinen … ich bin wieder im Dienst?«
»Sie … ja … mehr als das. Kommen Sie, so schnell es geht, ja?«
Die Verbindung war jetzt sehr, sehr schlecht, aber dennoch war sie sich sicher, dass sie ihn richtig verstanden hatte. Es würde also alles in Ordnung kommen.
»Ich mache mich sofort auf den Weg, Chef«, sagte sie und lächelte. Die Erleichterung verteilte Adrenalin oder Dopamin, oder was immer es sein mochte, in ihrem Körper, und ganz, ganz langsam begann sie zu verstehen, unter welcher Anspannung sie gestanden hatte. Vorsichtig begann sie zu überlegen, wie sie nun vorgehen würde und stellte fest, dass einmal mehr der einzige Nachteil des Kapsel-Systems sie kalt erwischte. Das Problem war nämlich, dass, einmal auf die Reise geschickt, keine Richtungsänderung mehr möglich war. Deswegen gab es keine Langstrecken-Verbindungen in Kapsel-Bauweise, sondern gute alte Magnetschwebebahnen, die Menschen, wie Tiere zusammengepfercht, mit einer mit den Kapseln verglichen erbärmlichen Geschwindigkeit zwischen den Habitaten hin- und herfuhren. Sie sah auf das interne Kapseldisplay und checkte die verbleibende Fahrtzeit. Sie würde in Habitat Gamma B aussteigen und eine neue Kapsel zum Fahrzeugterminal, wo ihr E-Bike verstaut war, nehmen müssen. Misa spürte Ärger über die Unzulänglichkeit des Systems in sich aufsteigen, doch verschwand er schnell wieder unter dem dicken hormonellen Nebel der Erleichterung, der sie aufputschte.
Routiniert blieb sie in der Kapsel sitzen, als sie den kleinen Außenhub erreichte, gab das neue Ziel ein, bezahlte eilig und verschwand wieder in den düsteren Tiefen von Gagarin City. Während sie zum Fahrzeugterminal unterwegs war, prüfte sie gewohnheitsmäßig die Wettervorhersage. Die Zeichen standen auf Sturm, jedoch nicht so schlimm, dass man die Tore schließen würde. Nein, ohne Zweifel war sie schon durch Schlimmeres gefahren. Es würde nicht so angenehm sein wie die Transportkapseln, aber auch nicht so holprig wie ein Start in den Orbit. Sie vertrieb sich die Zeit mit terranischen Klatsch-Webseiten und ihrer üblichen marsianischen Steampunk-Musik. Wäre nicht der aufkommende Sturm gewesen, Misa hätte zum ersten Mal seit Tagen völlig entspannt sein können. Doch es war besser als nichts. Sie freute sich auf die Reise durch das Südpol-Hochplateau und zu erfahren, was Voyager IX widerfahren war.
Die Kapsel wäre beinahe umgekippt, so behände schwang sie sich heraus. Zielstrebig ging sie zu den Ankleidekabinen, nahm ihr Zeug aus dem Schließfach und stülpte den großzügigen Atmosphärenanzug über ihre Kleidung. Dann trat sie in die Tiefgarage, vergewisserte sich noch einmal der Wettervorhersage, wog Risiken und Nutzen ab und entschloss sich, geradewegs in den aufziehenden Sandsturm hineinzufahren. Es war nicht das erste, und gewiss nicht das letzte Mal, dass sie so etwas tat, und auch, wenn ihr niemals ganz wohl dabei war, so war auch Grünbaums Anruf noch immer so präsent, dass sie nicht abwarten konnte, an ihren Schreibtisch zurückzukehren und zu hören, was man gefunden hatte. Zuversicht, dass sie Recht gehabt hatte, mischte sich mit Unbehagen ob der turbulenten Umgebungsbedingungen.
***
Seltsamerweise fühlte sie sich ruhiger, als sie das Elektrobike bestieg, obwohl sie bereits im windgeschützten Teil der Ladestation merkte, wie unruhig die Fahrt werden würde. Manuell stellte sie das elektronische Stabilitätsprogramm auf eine besonders hohe Stufe ein und hoffte, dass es nicht zu viel zu tun bekommen würde. Als sie die breite Rampe hinunter rollte, konnte sie im Rückspiegel vage erahnen, dass sie nicht allein in den Sturm hinein fuhr. Wenigstens drei weitere Gefährte folgten ihr.
Misa musste die Reporter still bemitleiden. Ihre Situation war sicher nicht einfacher geworden, seit sie mit Grünbaum telefoniert hatte, aber ein Job, der es erforderte, in einen grundanständigen Mars-Sturm hineinzufahren, nur um die Möglichkeit warmzuhalten, einer vielleicht interessanten Person ein vielleicht interessantes Wörtchen zu entlocken, entbehrte nicht einer gewissen Ironie.
Keine zehn Meter hinter ihr brummten die weiteren Zweiräder vor sich hin und folgten ihr einigermaßen penetrant. Obwohl sie sofort nach der Abfahrt die Richtung geändert hatte und nicht direkt auf die MSA-Zentrale zuhielt, folgten die Gefährte ihr doch beharrlich. War es möglich, dass tatsächlich einer der Reporter richtig geraten hatte? Oder hatte man einfach an der Rampe gewartet, in der Hoffnung, Glück zu haben?
Misa wischte diese Gedanken hinweg und stemmte sich gegen den Sturm. Missmutig erinnerte sie sich daran, warum man nicht in Sandstürme hinein fuhr. War die Atmosphäre ein paar Jahrzehnte vor dem Beginn des Terraformings noch viel zu dünn für derartige Gefahren gewesen, so unterschätzte heute niemand mehr das von Menschenhand hervorgebrachte Marswetter. Die Sicherheitsstandards der Gefährte waren indes zwar so hoch, dass sie mühelos die zweihundert Kilometer pro Stunde schnellen Winde ignorierten. Nein, hinterher galt es nämlich, einen neuen Helm zu kaufen, denn wie jedes Mal würde nach einiger Zeit das Acrylglas so stumpf werden, dass sie kaum noch hindurchsehen konnte.
Um nichts auf der Welt wollte Misa mit diesen armen Teufeln tauschen, die weiter hinter ihr herjagten, als würde es um die Zukunft der Menschheit gehen. Und doch, als sie den Handgriff voll herumriss und die jähe Beschleunigung die Maschine beinahe senkrecht stellte, fühlte sie sich auf eine so kraftvolle Weise lebendig, dass sie aufpassen musste, nicht übermütig zu werden. Düster hörte sie die Stimme ihrer Großmutter über die terrestrische Videoleitung. Dies war der Mars, kein Abenteuerspielplatz. Ein Riss im Schutzanzug, ein zu viel gefahrener Kilometer, und schon wäre ihr ein qualvoller Tod durch Gefrierbrand sicher. Sie stellte sicherheitshalber den Marker auf ihrem Navigationssystem ein. Verfahren wollte sie sich genauso wenig wie den direkten Weg nehmen. So leicht würde sie es ihren Verfolgern dann doch nicht machen.
Hinauf ging es durch das Tal der Turkmenen, das nach einem Kosmonauten des zwanzigsten Jahrhunderts benannt war. Misa fuhr in Kurvenlinien durch die einigermaßen windgeschützten Dünen, die der Sturm mehr und mehr aufschichtete. Die Sichtweite war hier besser, und so bekam sie auch einen genaueren Blick auf ihre Verfolger, die noch immer maliziös im Rückspiegel zu erkennen waren. Kurz dachte sie darüber nach, auf eine der Dünen hinauf zu fahren, um sie in einer dichten Verwehung mit einer engen Kurve abzuhängen, doch sie entschied sich fürs Erste dagegen. Sie hatte wenigstens eine Stunde Fahrt vor sich, wenn sie weiterhin in so großem Bogen in Richtung der MSA-Anlage fuhr. Es würde noch bessere Gelegenheiten geben, und wenn nicht, dann würde sie einfach dem Sicherheitsdienst sagen, sie abzuweisen. Der Weg führte jetzt an einem mehrere Kilometer breiten Krater entlang. Fasziniert verfolgte Misa, wie sich, einer zähen, dennoch rasend schnellen Flüssigkeit gleich, der Sturm quasi in die Tiefe stürzte, während an anderen Stellen Sand und Staub wie aus einem Geysir nach oben verwirbelt wurden. Unwillkürlich blickte sie auf den Displaymarker und entschloss sich, demnächst nach Westen zu driften, um dann um einen weiteren Krater herum die endgültige Richtung aufzunehmen.
Sie legte sich elegant in die weite Kurve, die sie nun fuhr, und erkannte es erst, als ihre Verfolger auffächerten und eine seltsame Tendenz zeigten, nach rechts oder links abzudrehen. Direkt vor ihr hing eine der berüchtigten marsianischen Windhosen scheinbar stillstehend in der Luft. Misa riss die Maschine nach rechts, doch es war zu spät. Sie spürte, wie die gewaltigen Kräfte ihre Maschine in die Luft hoben und sie die Kontrolle verlor. Höher und höher stieg das Elektrobike, während das elektronische Stabilitätsprogramm ihren Helm mit klirrenden, in der Situation absurd surreal klingenden Warntönen füllte, ehe Misa eine jähe Beschleunigung bemerkte, sie sich an die Griffe des Lenkers klammern musste und feststellte, dass der Sturm sie ausgespien hatte. Während sie den Boden unheilvoll auf sich zukommen sah, erinnerte sie sich diffus an eine frühe Lektion mit Offroad-Bikes, entriegelte in Sekundenschnelle die Drehzahlregelung und gab vollen Schub, als sie aufschlug. Die Maschine kreischte unter ihr, doch es gelang ihr nicht nur, den Sturz aus mindestens zehn Metern abzufedern, sondern auch den Lenker zu halten. Sie spürte, wie die Luft aus ihren Lungen gepresst wurde und ein jäher Schmerz durch ihr Steißbein schoss. Atemlos stoppte sie das Motorrad und blickte sich um. Sie war in Sicherheit. Der Schmerz war stark, doch er ließ nach.
Der Sitz unter ihr schien nicht unbequemer als sonst unter diesen Umständen und so schloss sie, dass zumindest nichts gebrochen war. Die Windhose hatte nun Fahrt aufgenommen und mähte mit großer Geschwindigkeit durch die Ebene. Von ihren Verfolgern gab es keine Spur. Misa überlegte einen Moment, drehte die Maschine und fuhr langsam den letzten Kilometer ab. Wenn es auch ihre Verfolger erwischt hatte, so würde sie Spuren davon finden und könnte später einen Suchtrupp losschicken. Die Sicht war kaum besser als zuvor, doch Misa nahm ihre Aufgabe ernst. Wenn sie von ihrem Rad geworfen worden wäre, dachte sie, würde sie auch gern gesucht werden, bemerkte jedoch im gleichen Augenblick, dass die Journalisten nicht nur altruistische Motive heranziehen würden, um sie wiederzufinden. Natürlich konnte sie nicht darauf hoffen, Reifenspuren zu finden, dennoch studierte sie ruhelos Horizont und Erdboden. Sie orientierte sich an den größeren Steinen, die im Weg lagen und zum Teil mehrere Meter von der Windhose verschoben worden waren. Doch dort, was war das?
Misa fand, dass einer der Felsen unförmig war, und als sie näher heranfuhr, kam sie mehr und mehr zu der Erkenntnis, dass es sich um ein Motorrad handeln musste. Sie fuhr bis auf wenige Meter heran, ehe sie stehen blieb. Doch es gab keine Spur von seinem Fahrer. Flink checkte sie die Positionsaufzeichnung, um festzustellen, welchen Weg es genommen hatte. Erschreckt stellte sie fest, dass der Höhenmesser maximal dreiundfünfzig Meter über dem Boden angab. Wenn der Fahrer zu diesem Zeitpunkt noch darauf gesessen hatte, würde sie ihn selbst bei der niedrigen Mars-Gravitation nur tot auffinden können. Schnell überlegte sie, welches der wahrscheinlichste Weg für einen Mann durchschnittlicher Statur war, der von einem Motorrad sprang oder fiel und schlug dann diesen Weg ein. Sie hatte mehr als einen halben Kilometer zurückgelegt, ehe sie ihn fand.
Stumm und reglos lag ein Schutzanzug der höchsten Konfektionsgröße in einer kleinen Kuhle. Wenige Meter entfernt stoppte sie das Elektrobike und beugte sich über den Helm. Ein rundliches Gesicht blickte sie ungläubig an und zeigte so etwas wie Erleichterung.
Misa nestelte an ihrem HUD herum, bis sie die Einstellung für Kurzstreckenfunk gefunden hatte. »Hallo! Können Sie aufstehen?«, fragte sie vorsichtig, als das grüne Verbindungsicon auf dem Display vor ihrer Nase schwebte.
»Ich … bin nicht sicher. Ich denke, beide Beine sind gebrochen, doch der Rücken scheint ok zu sein. Sind Sie Misa Vebiletti?«
Sie ignorierte die unmittelbar auf die berufliche Natur des Mannes schließende Frage nach ihrer Identität und konzentrierte sich ganz auf seine Rettung. Für persönliche Gespräche würden sie später Zeit haben … oder auch nicht. Anhand der Größe des Anzuges konnte Misa unmittelbar sehen, dass sie ihn nicht auf den Rücken nehmen konnte, weil der Mann gut doppelt so schwer sein musste wie sie selbst. Sie würde einen anderen Weg finden müssen, ihn auf ihren Beifahrersitz zu hieven, wenn sie ihn hier wegbringen wollte. Rettungskräfte würden bei diesem Sturm jedenfalls nicht heraus kommen, das wusste sie. Doch zunächst galt es sicherzustellen, dass sein Anzug nicht beschädigt war. Dazu nahm sie das bidirektionale Kabel aus ihrer Anzugtasche, stöpselte es umständlich in die Verbindungsbuchsen und sah die Diagnosedaten durch. Es schien ihr einigermaßen absurd, dass Funkkommunikation möglich war, doch die Diagnose kabelgebunden erfolgen musste, ändern konnte sie es allerdings auch nicht. Der Atemvorrat ihrer beiden Anzüge würde nicht mehr ewig halten, doch gab es fürs Erste keinen Grund zu übermäßiger Eile. Stattdessen brummte sie mürrisch in den Sprechfunk. »Wie kriege ich Sie denn bloß auf meinen Sozius?«
»Stabilitäts … programm …«, stotterte er. Misa hörte, wie schlecht es ihm ging, obschon der erste Eindruck ihr Hoffnung gemacht hatte. Doch er hatte Recht. Misa eilte zurück zu ihrem E-Bike, aktivierte die automatische Regelung und bewunderte, wie das Rad perfekt gerade auf dem instabilen Marssand stand, ohne dass der pfeifende Wind es umgeworfen hätte. Sie nahm alle ihre Kraft zusammen, packte den Unbekannten bei der Hüfte und hievte ihn auf den hinteren Sitz. Sie schrie vor Schmerz, der ihr Rücken und Beine durchfuhr, doch sie würde es schaffen. Als sie den Mann losließ, wackelte das Motorrad ein wenig von einer Seite zur anderen, doch blieb auch jetzt noch stabil. Zufrieden setzte sie sich vor ihm hin, etwas weiter vorne als nötig, justierte die Karte und fuhr langsam los. Bäuchlings lag der Verletzte über dem Sitz und so musste Misa viel vorsichtiger fahren, als sie es sonst getan hätte. Sie nahm jetzt den direkten Weg, doch es würde trotzdem eine Ewigkeit dauern, ehe sie die MSA-Zentrale erreicht hätte. Der Sturm legte sich langsam, beinahe so, als hätte er nur darauf gewartet, hier ein unvorsichtiges Opfer zu finden, um dann zufrieden wieder zu verschwinden.
»Also? Sind Sie es?«
Misas Helmlautsprecher knackte. »Erst mal bringen wir Sie in Sicherheit«, sagte sie ungerührt. »Dann können wir reden.«
»Ich bitte Sie. Sie sind dabei, mein Leben zu retten. Ich werde kaum wie der wütende Mob Journalisten ihre Entlassung herbeischreiben.«
»Sind Sie wie ein Wahnsinniger durch die südliche Hochebene gerast, beinahe von einem Tornado zerfetzt worden, um mir Ihre Freundschaft anzubieten?« Misa fiel es schwer, das zu glauben. Sie zwang sich, sich daran zu erinnern, dass es auch heute noch Journalisten gab, die ihr Handwerk – und dazu gehörte nun einmal, Leute auszuhorchen – verstanden. Sie würde vorsichtig bleiben.
Doch der Unbekannte ließ nicht locker. »So könnte man das möglicherweise schon sehen«, schnaufte er. Stille. Misa gedachte nicht, zu antworten. »Ich bin im Auftrag des Guardian hier«, fuhr er schließlich fort. »Es gibt Hinweise darauf, dass eines der großen terranischen Stellarunternehmen mit Notfallausrüstung spekuliert.«
Misa rümpfte die Nase, was ihr Gesprächspartner, der durch sein Helmvisier zweifellos nur den vorbeirasenden Marssand des Bodens sehen konnte, natürlich nicht hörte. Um ihre Haltung zu verdeutlichen, schnaufte sie hingebungsvoll in das interne Mikrophon und fragte schließlich, was das alles mit ihr zu tun habe.
»Es gibt andere Hinweise, die mit Ihrer Behörde zu tun haben und die besagen, dass sich eine Art Katastrophe auf Ganymed ereignet hat, die den genannten Spekulationen Auftrieb geben würde.«
Erschreckt dachte Misa, dass er sie jetzt beinahe dazu gebracht hätte, etwas Unüberlegtes zu sagen. »Davon weiß ich nichts«, entgegnete sie stattdessen.
»Das ist bedauerlich«, sagte ihr Passagier. »Denn das bedeutet, dass einer der größten Insiderhandel der jüngeren Geschichte möglicherweise nicht aufgedeckt werden kann.«
Misa schnaufte erneut. »Hören Sie … wenn es stimmt, was Sie sagen, dann wird sich gewiss jemand in der MSA
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 22.09.2015
ISBN: 978-3-7396-1496-0
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