Der süßlich bittere Geruch des Kaffees erfüllte die Küche und verbreitete eine Atmosphäre von frühmorgendlicher Entspannung. Doch als Fumihiro genüsslich an seiner "Best Daddy in the world"-Tasse schlürfte, begann ein Zittern, ein Beben durch das Haus der Hatsunes zu wandern. "Uwaaahh! Schande! Ich habe den Wecker nicht gehört!" Und augenblicklich begann ein Getöse von hin- und herlaufenden Schritten, auf- und zuschlagenden Türen und das feinste Arsenal an Flüchen und Beschimpfungen. "Stimmübungen am frühen Morgen?", grinste Hana ihren Ehemann an, "Scheint, als wäre unsere Lauchprinzessin aufgewacht."
Ich flitzte mit Hochgeschwindigkeit durch mein rosafarbenes Zimmer und türmte meine Schulsachen in der Pinguintasche. Als ich am Spiegel vorbei lief, blieb ich stocksteif stehen und dachte in apokalyptischer Grundstimmung: SO kannst du nicht an deinem ersten Tag zur Schule gehen!
Vor mir stand ein verwuscheltes Etwas, das einen riesigen Dutt trug, der von abertausenden Clips und Spangen regiert wurde, und das mit einem gewaltigen Kissenabdruck im Gesicht markiert war. Als ich gerade beschlossen hatte mein Gesicht mit etwas Wimperntusche aufzufrischen, klopfte es laut an der Tür und ich stieß mir die Bürste unweigerlich ins Auge. Wild mit den Händen rudernd kniff ich die Augen zu und verfluchte mich erneut - lautstark. "Fuu- Was ist?!" Verschüchtert steckte meine Mutter den Kopf ins Zimmer und fragte mich ernsthaft, ob ich klar kommen würde. Ich nickte nur stumm, und begann mir die Spangen aus dem glatten, türkisfarbenen Haar zu zupfen.
Noch einmal das in glatten Wogen liegende Meer aus Haaren mit der Bürste durchzogen, hetzte ich an ihr vorbei und schlitterte in die Küche. Meine Hände griffen nach dem goldbraunen Toast und hektisch verschwand es in einem Zug in meinem Mund. "Miku?", fragte mein Vater, doch ich wurde mit dem Strom meiner Gedanken fortgerissen und hörte nicht zu. Wie wohl die Highschool so war? Und wieso passte die verdammte Bentobox nicht in den Rucksack? Ein paar Bücher ausgepackt, stemmte ich mich gegen das feine Plastik und buxierte mein Frühstück keuchend zwischen Mathebuch und Bioheft. "Ich weiß ja nicht, ob es Prinzesschen interessiert, aber dein Bus ist gerade abgefahren." Ich erstarrte inmitten meiner Bewegung, mein Vater aber biss genüsslich von seinem Brot ab. "Und warum sagst du das erst JETZT?! Katastrophe!", presste ich perplex hervor und ließ mich pessimistisch auf den nächstbesten Stuhl gleiten. "Keine Sorge, Prinzessin. Ignorier den Mann, der sich dein Vater nennt und entspann dich. Ich bring dich.", meinte meine Mutter, warf ihrem Göttergatten einen scharfen Blick zu und gab mir liebevoll einen Kuss auf die Stirn. Dankbar drückte ich sie, streckte meinem schadenfrohen Vater die Zunge heraus und widmete mich in Ruhe meinem morgendlichen Essen.
5 Minuten vor Schulbeginn stand ich vor dem Schulgebäude und schluckte schwer. Gott, war das riesig! Ich war hier ein absoluter Niemand und kannte kein Schwein! Ein riesiges, modernes Gebäude im edlen Schwarz-Weiß erhob sich vor meinen weitaufgerissenen Augen. Durch die Panoramafenster konnte ich mit Flachbildschirmen und Computern mit Touchscreen ausgestattete Klassenzimmer ausmachen. Zwei gigantische Sporthöfe sowie ein Außenpool, ein Innenpool, eine Weitblickbühne, eine Cafeteria und weitflächige Grünflächen konnte ich ebenfalls erkennen.
Nachdem ich mir einen Schulplan sowie meinen Stundenplan aus dem Sekretariat besorgt hatte, wandelte ich etwas konfus über die gewaltige, fast schon epische Göße dieses Labyrinths, das sich Schule schimpfte, auf der Suche nach dem Klassenzimmer, in dem ich den ersten Unterricht hatte. Endlich stand ich vor dem Zimmer, mehr zufällig gefunden als ernsthaft gesucht. Vorsichtig, langsam, ganz sacht schob ich die beigefarbene Schiebetür auf und lugte wie ein kleines Tier herein. Puff- der verstaubte Schwamm begrüßte mich mit einer weißen Wolke, als er mir ins Gesicht flog. Einige meiner neuen Mitschüler hatten eine Kreide und Schwammschlacht gemacht und lachten mir in kindlicher Manie entgegen. Den Kreidestaub aus meinen Klamotten klopfend, ging ich weiter hinein, blickte mich nach einen Sitzplatz um. Eine wahre Schönheit saß mit überkreuzten Beinen und kaugummikauend auf einem Tisch und drehte sich die kirschblütenfarbenen Haare. Ihre Haut war mamorfarben, ihre Augen waren Fluten des unendlichen Ozeans, die einen Jungen in Windeseile in die Tiefen locken konnten und ihr Mund war herzförmig, ihre vollen Lippen glänzten im zarten Rose. Die Seifuku, also die Schuluniform stand ihr unglaublich gut. Sie war ein hinreissendes, süßes Schulmädchen.
Trotzdem blickten ihre Augen gelangweilt durchs Zimmer und sie schien sich nicht im geringsten für das Geschehen im Klassenraum zu interessieren.
Mein Blick streifte ein zankendes Zwillingspärchen, welches sich als quirliges 16 Jahre altes Mädchen mit ihrem Brüderchen herausstellte. Ihre blonden Haare waren in zwei Zöpfen zusammengebunden und energisch sprach sie auf ihr männliches Spiegelbild ein, der sich jedoch nur gähnend zurücklehnte und an einem Kopfhörer herumbastelte. Als die Jungen, die sich zuvor mit dem Schwamm beworfen hatten, an mir vorbeirasten und den Schwamm aufhoben, seuftze ich. Das interessierte mich keineswegs, mein Blick war in der zweiten Stuhlreihe an der Türseite hängen geblieben. Lässig gegen seinen Stuhl gelehnt, saß dort ein Typ... und was für einer! Seine dunkelblauen Haare waren kreuz und quer in alle Himmelsrichtungen verstrubbelt und er kaute nachdenklich auf einem Lolli rum. Seine blauen Augen sahen träumerisch in die Ferne und über seiner Schuluniform lag ein flauschig aussehender Schal. Er hatte meine Blicke wohl bemerkt, denn er nickte mir kaum merklich zu und grinste - sofern es mit dem Lolli möglich war.
Meine Welt schien stehen zu bleiben und sich schließlich immer schneller um mich zu drehen. Meine Hand wanderte zu meinem Herzen, was sich fast zu Tode schlug und ich wandte mich abrupt ab. Verdammt, meine Wangen waren bestimmt ganz rot!
Mich räuspernd trat ich an den Tisch neben ihn heran, dort stand noch keine Tasche. „Sitzt hier schon jemand?“ Er lachte kurz auf, sodass sein Lolli ihm fast aus dem Mundwinkel fiel, klopfte sich auf den Schenkel bis er sich die Tränen aus den Augen wischend sagte: „Seh ich so aus, als hätte ich keine Sitznachbarin?“ Stumm guckte ich auf das leuchtende Blau seiner Haare, fragte nochmals: „Ist da jetzt frei oder nicht?“ Gott, erst sabberte ich ihn an und dann war der einzige freie Platz auch noch neben ihm? Peinlich, peinlich! Wahrscheinlich wirkte ich schon wie eine Stalkerin... Ernüchtert nuschelte er, sich am Kopf kratzend: „Ja... Die Lehrer wollen nicht, dass ich die anderen beim Lernen störe..." Unwillkürlich musste ich lächeln, es schien als wäre dieser Typ netter als sein anfangs machohaftes Gehabe vermuten ließ. Erleichtert nicht mehr wie ein Leuchtturm mitten im Zimmer zu stehen, abgestempelt als Neue und mit viel zu viel Blut in den Wangen, setzte ich mich endlich hin. Mein neuer Platz war auf der Türseite in der zweiten Reihe am Gang. Rechts von mir saß der blauhaarige Junge, der sich grinsend als Kaito Shion vorgestellte hatte, links von mir, getrennt durch den Durchgang, hockte erst der männliche Teil des blonden Zwillingspärchens an den 1m² großen Holztischen und dann der Weibliche. Vor dem Blondchen saß die Kirschblütenprinzessin. Seufzend legte ich den Kopf in die Hände. Die Klasse schien interessant zu sein und ich hoffte, dass ich mich schnell hineinintegrierte würde. Vielleicht würde ich ja auch mal eine Chance haben mit dem hübschen Mädchen in der ersten Reihe reden zu können. Sie sah zwar sehr unnahbar aus, doch schien von ihr eine gewisse Aura auszugehen, welche mich sprachlos ließ. Sie sah nicht zickig aus, sondern... mir fehlten einfach die Worte! In diesem Moment drehte sie ihren Kopf zu mir herum und musterte mich... interessiert? Dann drehte sie sich wieder nach vorne und ihre Haare fegten wie ein rosafarbener Sturm im Frühling hinterher.
Kaito schielte mich von der Seite aus neugierig an und um ein erneutes Rotwerden zu vermeiden, zog ich meine Tasche heran und kramte nach meinem Stundenplan. Am meisten wunderte es mich, dass das Fach Musik mit keiner Silbe erwähnt wurde. War es ein wählbarer Zusatzkurs? Da spürte ich eine warme, starke Hand an meiner Hüfte und die raue Stimme des Blauhaarigen wehte zu mir herüber: „Keine Sorge, ich werde dich schon nicht von der Stunde ablenken, außer natürlich... du möchtest es...!“ Er lachte mich an und die weißen Zähnchen blitzten mir entgegen. Ich spürte erneut wie das Feuer in meinen Wangen belebt wurde. „Pah, Kaito! Jetzt geht’s aber los hier! Wirst du wohl deine unausgereiften Witze für dich behalten? Ist ja ekelhaft!“ Wir schauten verwirrt auf, genau in das Gesicht des weiblichen Twinnis. Ich nuschelte ein schüchternes „Danke...“ und breit lächelnd sagte meine Retterin: „Ach, war doch überhaupt kein Problem dich aus den schleimtriefenden Klauen von Bakaito zu reißen! Ich bin übrigens Kagamine Rin, stets zu Diensten. Und du?“, ihre Augen sprühten Funken und Bakaito sank kaum merklich in seinen Stuhl zurück. „Da siehst dus doch, dass du nervst! Kann du nicht mal für ein paar Sekunden deine Flirtereien abstellen, Schlumpfhaar?“ „Rin!“, murrte ihr Bruder an seinem Tisch und ließ seinen Kopf geräuschvoll auf die Tischplatte rumsen. „Lass den Blödkopf doch jetzt einfach mal in Ruhe, damit ich meine Ruhe haben kann!“, müde blinzelte er seiner Schwester entgegen. „Ja, was denn? Man muss dem doch auch mal einheizen, sonst vergrault er die süße Neue doch, Len!“, entrüstet warf sie ihrem Brüderchen diese Worte an den Kopf, zwinkerte mir freundlich zu und stapfte dann schließlich an ihren Tisch zurück.
Okay... auf diese Weise hatte ich auch noch nie Leute kennengelernt!
Puh, die ersten Stunden hatte ich mehr oder weniger gut überstanden und taumelte erleichtert Richtung Mensa. Das heißt, wenn das der richtige Weg war.. Nach geschlagenen 10 Minuten gelangte ich schließlich zu einer großen, breiten Tür, wo in fettgedruckten Großbuchstaben MENSA draufstand. Unsicher drückte ich die Tür auf und lugte mit dem türkisfarbenen Kopf hinein. Eine Flut von Schülerin und Schülerinnen wuselte durch die große Halle, ein angenehmer Duft von gebratenem Reis wanderte durch die Luft und die warme Mittagssonne schien durch die weiten Fenster auf die weißen Tische und Sitze. Plötzlich gab die Tür nach und ich flog mit einem quietschendem „Yiep!“ auf meine Nase. Kurz herrschte Stille bis die anderen ohne Auflachen oder Kichern ihren eigentlichen Tätigkeiten nachgingen. Mir das Näschen reibend rappelte ich mich wieder auf und wollte in Richtung Tresen trotten, als ich abrupt ausgebremst wurde: Einer meiner türkisfarbenen Zöpfe hatte sich in der Türe verfangen und genervt entzerrte ich ihn. Endlich gelangte ich zu den netten Tantchen hinter dem Tresen, die mich mittlerweile mitleidig anschaute und mir eine Wasserflasche und ein Melon Bonbon zuschob. Ein Bento hatte ich ja glücklicherweise mitgenommen. Dort vorne saßen Rin und Len zusammen mit Kaito. Lachend klopften die beiden Jungen auf den Tisch, während Rin seufzend den Kopf schüttelte. Als sie mich sah, winkte sie mir zu und klopfte auf den Stuhl neben sich. Schüchtern lächelnd kam ich auf die drei zu und setzte mich auf den mir zugewiesenen Stuhl.
„Wir haben dich noch gar nicht nach deinem Namen gefragt.“, Len sah mich entschuldigend an. „Hatsune Miku.“, erwiderte ich lächelnd und es erklang im Chor ein fröhliches „Hi“. „Darf ich euch was fragen?“, ich sah von einem zum anderen. „Aber klar, alles was du wünschst.“, Kaito zwinkerte und ich spürte, wie mir das Blut wie eine Limofontäne in den Schädel strömte. „Kann man Musik hier eigentlich als Zusatzfach wählen? Es stand nämlich nicht auf meinem Stundenplan…“ „Nö. An dieser Schule gibt es keinen Musikunterricht.“ Ungläubig blinzelte ich Rin an: „Wie? Warum?“ Diese zuckte nur mit den Achseln. Das konnte doch nicht wahr sein! „Irgendwie… geht so ein Gerücht rum, dass unser Schulleiter mal was mit `ner heißen Sängerin hatte, aber bevor es richtig ernst wurde, soll sie abgehauen sein…“, sie tauschte mit ihrem Bruder ein feistes Grinsen aus, „Anscheinend hat er deswegen die Liebe zur Musik verloren und bestraft uns seitdem mit dem ödesten, unkreativsten Unterricht des Landes. Wir könnten ja anfangen an die Liebe zu glauben.“ Der Bruder klopfte sich auf die Schenkel und gab ein herzhaftes Lachen preis. „Bei dem ist es kein Wunder, dass seine Süße über alle Berge ist. Aber andere behaupten ja, dass seine Frau, mit der er 10 Jahre lang verheiratet war, mit dem Musiklehrer durchgebrannt ist. Also such dir aus, was der Grund für unsere musiklose Schule ist.“ Kaito legte seine Beine auf den anderen Stuhl und lehnte sich genüsslich zurück. Mit traumverhangenen Blick hob er seine Hand und fummelte an den blauen Haaren herum. „Das ist ja furchtbar!“, entsetzt blickte ich zu den blonden Zwillingen. „Spielst du denn irgendein Instrument?“, etwas verwirrt über meinen kleinen Gefühlsausbruch legten sie synchron die Köpfe schief, jeder von ihnen in die entgegengesetzte Richtung. „Ich… ich singe gerne…“, gab ich kleinlaut zu und zupfte etwas bedröppelt an meiner Schuluniform. „Echt? Cool! Dann kannst du dich ja mit Luka zusammentun!“, Rin lächelte und wies mit ihrem Kopf zu der Pinkhaarigen herüber, die noch an der Essensausgabe stand.
Ich schaute sie kurz an und fragte geistesabwesend: „Sie singt also auch?“ Len nickte kurz und nuschelte, während er sich einen Happen von seinem Bento gönnte: „Am liebsten spielt sie aber Gitarre. Wie mein Schwesterchen.“ Ich schaute zu den anderen beiden und wies mit der Hand auf sie: „Das heißt ihr alle spielt ein Instrument?“ Interessiert setzte ich mich auf. Endlich einmal leidenschaftliche Musiker zu treffen war einfach wunderbar. „Bass.“, hob Len seine Hand. Gelangweilt gab Kaito „Schlagzeug“ von sich. Langsam sah ich alle nacheinander an. „Das sind ja Instrumente für eine Band… So zusammen meine ich…“ Die anderen starrten mich erst etwas verdattert an, drehten sich aber schließlich zueinander. „Sie hat Recht.“, Len kratzte sich nachdenklich am Kopf. „Sei nicht albern! Das würden die uns doch nie erlauben.“, Rin schüttelte einfach nur den Kopf. Betroffen senkte ich den Kopf. Das Schulaktivitäten dermaßen kontrolliert wurden, war ich von meiner ehemaligen Schule gar nicht gewohnt. „Sei nicht traurig.“, der weibliche Zwilling sah mich an, ein freundliches Lächeln zierte ihr Gesicht. Der Blauhaarige packte einen weiteren Lolli aus der Tasche aus, als ein Schatten über mich fiel. Pinke wellige Haare und zwei sanfte, türkisfarbene Augen stahlen sich in mein Blickfeld. „Luka!“, quiekte Rin auf und beeilte sich von der Bank hoch zu kommen. „Wie waren deine Ferien?“ „An der Küste war es schön und ruhig. Und deine?“, ihre melodische Stimme nagelte sich in meinem Kopf fest. „Eigentlich erholsam, obwohl ich etwas Stress mit meiner anderen Hälfte hatte.“, Rin erntete bei dieser Bemerkung einen giftigen Blick von ihrem Bruder. „Was kann ich denn dafür, dass Mama und Papa uns von A nach B zu Museen schleifen?“, maulte er. „Sowas nennt man Kultur, Bildung, Len! Du hast nur so rumgenörgelt, weil du nichts im Kopp haben willst! Wenn man so negativ an eine Sache rangeht wie du, dann kann auch nur Schlechtes dabei rumkommen!“, pöbelte sie scherzhaft los und hob gespielt die drohende Faust. Kaito am Platz gegenüber setzte sich nur wortlos die Kopfhörer auf. Scheinbar gehörten solche Streitgespräche zur Tagesordnung.
Luka schüttelte lachend den Kopf, wobei ihre Haare Wogen schlugen und wie ein Saum über ihre Schulter flossen. Bestimmt war sie das It-Girl der Schule. Während das Zwillingspaar sich weiter über die vergangenen Ferien ausließ, sah ich auf meine etwas unordentlichen Zöpfe hinab, die mir bis zu meinen Waden hingen. Bei Typen hätte ich so wohl niemals eine Chance, noch nicht mal eine potentielle bei Kaito. Moment! An was dachte mein Hirn da bloß?
„Kein Plan was du hast: Ich fands schön!“ „Ach ja? Und was-ihhh! Len!“, kreischend sprang Rin von ihrem Bruder weg und beschwerte sich zeternd. Lachend hatte Len versucht sie nass zu machen. Dieser perfide Plan war allerdings gescheitert bzw. voll danebengegangen. Denn nun war ich die, die das Wasser ins Gesicht bekommen hatte. „Len!“, rief Rin aus, ihr Bruder stotterte nur peinlich berührt: „Sorry! Das wollt ich nicht…“ „Ihr seid unmögich! Das ist die Mensa und nicht das Wasserwunderland für Dreijährige!“, schnaubte Luka. Selbst sauer, klang ihre Stimme noch wie eine wunderschön aufgebrachte Melodie. Sie beugte sich zu mir herunter, zückte ein Seidentuch aus dem Rocksaum und begann damit mich abzutupfen.
Ein It-Girl, das auch noch zu triefnassen Tanten wie MICH nett war? Wow, was für ein Mädchen! Jeder Junge dieser Schule sah sie bestimmt als Göttin! „Entschuldige bitte, meine stürmischen Freunde. Nach den Ferien haben sie ihren kindlichen Enthusiasmus noch nicht ganz unter Kontrolle.“, sie kicherte herzlich auf und entlockte mir ebenfalls ein ehrliches Lachen. „Ich finde es eigentlich ganz cool. Sie behandeln mich, als wäre ich schon seit der Krabbelgruppe mit ihnen befreundet.“ Die Kirschblütenprinzessin nickte immer noch mit einem leichten Lächeln, die langen Wimpern die ihre gesenkten Augenlider umrahmten, waren geschwungen und perfekt geformt. „Ähh… Danke, Luka?“ Erstaunt schaute sie mich an: „Du kennst schon meinen Namen? Dann entschuldige kurz!“ Kurz entschlossen drückte sie mir das bestickte Taschentuch in die Hand, boxte Kaito in die Seite und warf den blonden Zwillingen zusammengeknüllte Papiertücher gegen die Dickköpfe. „Ihr drei! Habt ihr der Neuen meinen Namen verraten?“, etwas angepisst verschränkte sie die Arme, während Len und Rin sich zitternd in die Arme fielen und Kaito sich mit eingezogenem Kopf die Seite rieb. „…“, erstickte Stimmen waren das einzige, was die drei hervorbrachten. Entsetzt fragte ich mich, ob Luka Megurine, die an den Flurwänden als beste Schülerin mit so einigen Auszeichnungen vertreten war, doch kein so perfektes Mädchen war und somit eher weniger zum Vorbild oder gar zur Freundin taugte. Doch ehe sich diese düstere Vermutung bestätigen konnte, murrte sie wieder in der schönen, melodischen Stimme: „ Jetzt kann ich mich nicht persönlich vorstellen und gelte wieder als arrogate und eitle Schulbitch…“ Mein Mund öffnete sich leicht, doch ich fing mich schnell und plapperte drauf los: „Du bist doch noch lange keine arrogante Bi… Ich finde dich im Gegenteil super cool, nett und hübsch.“ Mit glitzernden und leuchtenden Augen trat ich an sie heran, meine Hände zu Fäusten geballt am Gesicht. Ihr Blick wurde liebevoll und begeistert nahm sie meine Hände und zwitscherte: „Oh, danke, Miku! Das ist soo lieb von dir! Wenn du irgendwelche Fragen hast, komm ruhig zu mir!“ Während ich sie weiter anhimmelte, sah ich aus den Augenwinkeln wie die anderen drei reagierten: Kaito sah uns interessiert auf die Faltenröcke, während Rin sich spontan zu uns gesellte und mitkicherte. Len haute seinem blauhaarigen Kumpel gegen den Hinterkopf und sagte lachend: „Unaufälliger geht’s nicht, du Spast?“ Der Spast lachte, sich am Schädel kratzend kurz auf und brummte schließlich: „Da haben sich ja welche gesucht und gefunden, wa? Endlich haben deine Zicke von Schwester und Luka eine potentielle Freundin für ihre richtige Clique gefunden.“ Und schon fing er sich erneut einen mehr oder weniger liebevollen Klaps ein. Hatte er auch verdient. Denke ich.
Es schellte und erleichtert fütterte ich meine Pinguintasche mit den Schulsachen. Der erste Schultag war für meine Verhältnisse eigentlich ganz gut verlaufen…nur ein paar kleine Peinlichkeiten am Rande, hrm. Rin sprang freudig neben mir her und redete in einer Tour auf mich ein, was sie heute noch alles zu erledigen hatte. Ihr Bruder dagegen kickte einen Stein vor sich her und murrte etwas über „zu viel Sonne, zu heiß“. Kaito folgte uns unauffällig, wobei er es nicht verpasste sämtlichen weiblichen nackten Beinen hinterher zu starren. Luka lief vor uns her, obwohl sie in meinen Augen eher schwebte als ging. Meine Augen nahmen sogleich einen potentiellen Grund ins Visier, als ich mich leicht zur Seite neigte, um an ihr vorbei zu spähen. An unserem Schultor lehnte ein unheimlich heißer blonder Typ. Mit seiner Gakuran-Jacke lässig über die Schulter geworfen, lächelte er die Pinkhaarige verschmitzt an und trat einen Schritt auf sie zu. Mit ihrer Schultasche in beiden Händen, sah sie ihn mit ihren grünblauen Seelenspiegeln lächelnd an. Das der Typ bei dem Gesichtsausdruck von ihr nicht vor lauter Blut im Kopf hintenüber kippte, ließ mich erstaunen. Er schien sie irgendetwas zu fragen, denn sie begann zu lachen und fuhr sich schließlich mit den Fingern leicht durchs Haar. Dann verabschiedete sie sich von uns, indem sie uns leicht zuwinkte. Aus den Augenwinkeln bekam ich mit, wie Rin ihr zuzwinkerte und den Daumen hochstreckte. Okay, das würde dann so viel bedeuten wie, dass das da Lukas Typ war. Ob sie schon zusammen waren?
Ich verabschiedete mich ebenfalls von meinen Leutchen und lief Richtung Bushaltestelle. Auf der gegenüberliegenden Seite lag die Karasu High School, welche sich durch ihre großen Bauten majestätisch in den Himmel reckte. Mir blieb der Mund halb offen stehen, wow, was für ein Anblick! Ich war bis jetzt nur dran vorbeigelaufen, ohne richtig drauf zu achten. Als private High School verzeichnet, kostete es Wahnsinns Summen sich dort anzumelden, daher hatten mich meine Eltern an die Hato-High geschickt. Während ich gaffend an der Schule vorbei lief, überlegte ich ob es wohl dort eine heiß begehrte Musikklasse gab. Wie konnte man einfach die Musik verbieten? Das ging doch nicht! Damit wurde doch die künstlerische Ader der Schülerschaft unterdrückt, womit sich unsere Schulleitung bestimmt keine Freunde machten. Seufzend kratzte ich mich am Kopf, meine Gedanken kreisten ziellos umher und prompt lief ich in jemanden hinein. „Au~. Tschuldigung, hab sie nicht ges-!“, der Satz blieb mir im Halse stecken, als ich mir bewusst wurde wer da vor mir stand. Es war ein junges Mädchen, ungefähr im selben Alter wie ich selbst. Im Gegensatz zu mir, trug sie jedoch unverkennbar die Uniform der Karasus. Ihre langen roten Fingernägel sahen aus wie Blutgetränkte Krallen, mit denen sie sich die braunen kurzen Haare aus der Stirn wischte. Bevor ich meine Entschuldigung beenden konnte, vernahm ich ihr arrogantes Schnauben und bemerkte ihren abschätzigen Blick. Ohne mich weiter zu beachten, stieß sie mich grob zur Seite und ging mit ihrem Handy am Ohr weiter. „Mich hat gerade so eine Hato-Kreatur angerempelt, echt ey. Die zeigen denen bei der Hato-High auch nicht wie man richtig guckt. So, wie machen wir das jetzt mit der Bandprobe? Der Direc sagte mir, dass wir uns am Anfang der Schulveranstaltung….“, mehr bekam ich nicht mit. Sie lief die Straße weiter hinunter und verschwand irgendwann hinter einer Häuserreihe… So eine Zicke! Ich ging in die entgegengesetzte Richtung weiter, sah mich zwischendurch jedoch immer wieder um. Tja, Privatschule hinterließ halt immer irgendeinen Stempel! Pha!
Doch dieser eine Satz des Mädels ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Eine Band auf der Schulveranstaltung? Vor der Schulbelegschaft aufzutreten wäre schon etwas…ein tolles Erlebnis. Die Karasu-High hatte also erlaubten Musikunterricht. Der Bus hielt an einer Ampel. Direkt mir gegenüber lag ein Musikgeschäft, natürlich! Jetzt musste mir auch noch Fortuna Salz in die Wunde streuen! In Schaufenster hingen ein paar Sale-Poster und in der Mitte war ein Schlagzeug, sowie mehrere Gitarren aufgebaut. Eine Band…das wäre doch was! Vor meinem geistigen Auge breiteten sich Ideen aus und zerplatzten mit einem lauten imaginären Knall. Ich ließ den Kopf hängen und schniefte. 1. War es an unserer Schule nicht erlaubt Musik zu spielen und 2. hatte ich unheimlich viel Angst vor Publikum zu singen. Ich war so ein Hammel. Aber die Idee fand ich gar nicht so schlecht, ich sollte unbedingt morgen mit meinen neu gewonnenen Freunden darüber reden. Wenn nicht offiziell Musik gemacht werden dürfte, musste man es eben im Geheimen versuchen. Ich war schon so gespannt!
Meinen Eltern berichtete ich den ersten Schultag ganz ausführlich (ohne zu erwähnen, dass Kaito ein potentieller Boyfriend werden könnte), wobei ich meinen Frust über den verbotenen Musikunterricht Luft machte. Es war schon recht spät, als ich die Küche endlich verließ um mich für den morgigen Tag zu wappnen. Rasch schlüpfte ich in meinen rosa Schlafanzug, drückte mir meinen Plüschhasen gegen die Brust und mummelte mich in meinem Bett ein. Der Tag war aufregend gewesen. Morgen würde ich sie alle wieder sehen und hoffentlich nicht verschlafen! Und ich würde ihn wiedersehen…Oh Gott! Wo bin ich mit meinen Gedanken??? Ich drückte mir mein Kissen ins Gesicht und kreischte hinein, wobei ich mit meinen Beinen zappelte wie ein Fisch am Strand. Wenn ich mich nicht zurücknahm, würde ich bald nur noch ihn im Unterricht anhimmeln und den Lehrer ignorieren. Hihi.
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Tag der Veröffentlichung: 20.01.2013
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