Cover

Danke und so <3

 

Ja. Worst Case Scenario im Leben eines Ben's. So kanns gehen! Eigentlich wars für einen der Wettbewerbe gedacht gewesen, aber irgendwie wollte die Geschichte nicht fertig werden. Also hau ich das Ding jetzt raus. Ich wünsche euch viel Spass dabei.
Warnungen gibts keine, ich war recht artig.
Outtakes gibts diesmal auch keine,  irgendwie ist das ganze Ding ein einziges Outtake.

 

 

Ich danke Marie Chaos fürs fröhliche drüberlesen, ihre Vorschläge/Satzumbauten und ihre lustigen Kommentare zu den Geschehnissen.

Ebenfalls ein großes Danke an Sitala Helki, die wieder ein wachsames Auge über meine fantasievolle Rechtschreibung hatte und meine Satzzeichen mit dem Lasso einfing und an die richtigen Stellen tackerte.

Und natürlich an meine Zeichnerin Solveig Solly Frank, die mir mal eben schnell was passendes für mein Cover in mein Postfach legte.

Danke meine Zaubermäuse! <3

Kaffee

 Piep, Piep, Piep. „Ja … JAAAAA … JAHA! Ich steh ja schon auf!“ Noch während des Umdrehens greife ich nach meinem Handy, dessen voreingestellter Wecker unbarmherzig in den schrillsten Tönen vor sich hinpiepst. Drei Minuten nach drei. Tja, da bleibt wohl nichts. Aufstehen! Ich strample mich aus der Decke, bringe mit der einen Hand das Handy zum Verstummen und ziehe mich mit der anderen Hand am Metallrahmen des Bettes hoch. Ich liebe dieses Bett! Groß, aus schwarz lackiertem Metall, mit hohem, in einem Rundbogen geformten, Kopfteil. Sehr stabil und äußerst praktisch. Wirklich!
Im Dunklen tapse ich nackt durch den Raum. Kleidung beim Schlafen wird völlig überbewertet. Man verliert morgens viel zu viel Zeit im Bad. Mal ehrlich. Ausziehen, Duschen, Anziehen. Das kann man doch wirklich auch leichter haben, richtig? Genau.
Und warum mach ich das Licht nicht an? Ganz einfach. Der Lichtschalter ist am anderen Ende des Raumes neben der Zimmertür. Und ich wohne ja nun mal nicht erst seit gestern hier, ich kenne mich auch im Dunkeln aus! Also torkel ich schlaftrunken den ersten Weg des Tages. – NEIN! – Nicht ins Bad. In die Küche! Ohne Kaffee fängt bei mir ein Tag nicht an. Ohne Kaffee werde ich nicht wach und ohne Kaffee bin ich nicht ich! – Klar soweit? Gut.
Also ab in die Küche. Licht brauch ich auch hier nicht, ich hab die Augen sowieso noch nicht richtig auf, und die Kaffeemaschine finde ich auch blind. Meine über alles geliebte Pad-Maschine. Kurz auf den Knopf gedrückt und dabei mal aus dem Fenster geschaut. Hm … ist wirklich noch sehr dunkel draußen. Noch nicht mal die Straßenbeleuchtung ist an. Na ja. Ist ja noch früh. Ich achte sonst nie darauf, ob morgens draußen das Licht an ist. Komisch, dass es mir jetzt auffällt. Warum leuchtet der rote Punkt an der Kaffeemaschine nicht? Ist der Stecker nicht drin? Blödsinn, warum sollte ich jemals auf die hirnrissige Idee kommen, meine Kaffeemaschine vom lebenswichtigen Stromnetz zu nehmen? Nach mehrmaligem Drücken des Powerknopfes tut sich aber trotzdem nichts. Verdammt! Dann brauch ich wohl doch ein wenig Licht.
Der Schalter für die Unterschrank-Beleuchtung tuts auch nicht. Merkwürdig. Okay, den Weg zur Küchentür finde ich auch im wachen Zustand im Dunkeln. Aber auch der Hauptlichtschalter muckst sich, außer dem obligatorischen Klacken, nicht. Was ist hier los? Allgemeine Arbeitsverweigerung oder was? Nicht mit mir! Ich muss ja schließlich auch, also AUFGEWACHT JETZT! Aber nein. Auch das Flurlicht verweigert mir den Dienst. Ach Gott … ist etwa schon wieder die Sicherung rausgeflogen?
Na, schön. So was kann ich nicht im Blindflug. Gut, dass die Taschenlampe immer im Flur auf der Kommode steht. Wenigstens finde ich die sofort, auch wenn das nicht zu meinen morgendlich antrainierten Halbschlafroutinen gehört. Der Sicherungskasten ist im Flur. Zum Glück muss ich dafür nicht in den Keller. Das wäre es noch, um kurz nach drei den Vermieter nach dem Kellerschlüssel fragen zu müssen, weil ich sonst nicht an meinen Kaffee komme. Der ist zwar schon so einiges von mir gewöhnt, aber wir wollen ja mal nicht übertreiben. Zumal der auch keine Spitzenlaune haben dürfte, wenn der wach wird, und merkt, dass kein Strom da ist. – Kaffeejunkies unter sich.
Ich frage mich, ob das eine Klausel im Kleingedruckten des Mietvertrages war: Einzug nur bei regelmäßigem Kaffeekonsum. Ich glaub, ich schau das zu gegebener Zeit mal nach. Jetzt ist aber erst mal wichtiger, wo der Strom abgeblieben ist. Ein kurzer Check durch den Sicherungskasten zeigt mir: Alle Sicherungen sind artig in ihrer Position und strahlen mir förmlich ihre Unschuld an der Situation entgegen. Ehrlich jetzt? Langsam dämmert es mir. Draußen ist die Straßenbeleuchtung aus. Hier drin funktioniert nichts Elektrisches. Da haben die lieben Kollegen vom Stromverteilwerk wohl mal wieder gepennt. Verdammt! Wo krieg ich denn jetzt den Kaffee her?
Das fängt ja schon wieder gut an. Okay. Dann muss ich halt schnell duschen, in die Klamotten, und dann nichts wie ab zur Bäckerei. Die haben auch immer Kaffee da. Einigermaßen schwerfällig mache ich mich auf den Weg ins Bad. Ehrlich, was für ein Tagesbeginn. Hab ich das verdient? Wie zum Teufel soll ich ohne meinen Kaffee denn in die Gänge kommen?
Ohne groß drüber nachzudenken, stell ich mich in die Dusche und schalte das Wasser an. Klar! Im halb garen Kopf hab ich natürlich nicht dran gedacht, dass die ersten 15-25 Sekunden nur eiskaltes Wasser kommt. Nun ja. JETZT bin ich wach! Shampoo. Duschgel. Gut, dass meine Nase auch im Dunkeln funktioniert, sonst hätte ich mir vermutlich noch das Putzmittel über den Kopf gekippt. Warum steht das eigentlich an der Dusche rum? War ich das etwa? Ach unwichtig, wird Zeit, dass der Durchlauferhitzer mal anspringt. Oh halt, Moment! VERDAMMT! Das Ding läuft ja auch mit Strom! Oh, nein! Oh, Mann! Während ich in Gedanken recht blumige Flüche erfinde, wasche ich mir schnell mit dem eiskalten Wasser den Schaum vom Körper und aus den Haaren. Ich schwöre, wenn der Duschkopf es gekonnt hätte, er hätte Eiswürfel ausgespuckt. Es fühlte sich wirklich so an, als würde er sich große Mühe geben, besonders eisiges Wasser für mich bereitzuhalten. Nicht, dass ich sonst zimperlich wäre oder so, aber ihr müsst verstehen: Morgens früh um mittlerweile halb vier OHNE KAFFEE!!! Da ist man nicht halb so tolerant und friedfertig, wie man sein möchte!
Noch halb mit Schaum bedeckt, stolper ich aus der Dusche und schnappe mir das nächstbeste Handtuch. Hab ich schon erwähnt, dass es dunkel ist? Denn wäre das Licht an, würde ich den Föhn sehen, der auf dem Handtuchstapel liegt. Es gibt aber kein Licht! Also legt der Föhn, mitsamt den restlichen Handtüchern vom Stapel, einen eleganten Freiflug hin, mit einer dezenten Bruchlandung auf meinem Fuß. Die Handtücher fallen natürlich langsamer hinterher und hinderten mich am Schmerz befreiendem Auf- und Abhüpfen! Sie behindern mich auch am Laufen. Das bekomme ich aber erst mit, als ich schon der Länge nach auf die Fliesen knalle.
Lasst euch mal gesagt sein: Nach einer eiskalten Dusche nass und nackt auf eiskalten Fliesen zu liegen - ob jetzt FREIWILLIG oder nicht! - ist KEIN besonders empfehlenswertes Wellness-Programm. Und HÄTTE ich jetzt Strom auf der Steckdose, würde ich vermutlich auch nicht mehr wirklich still hier herumliegen, da ich natürlich auch halb auf dem Föhn gelandet bin. Weil - Wenn, dann richtig!
Okay. Aufstehen, eins der Handtücher schnappen und schnell zurück zum Schrank. Oh, toll! Wie soll ich denn im Dunkeln die richtigen Klamotten finden?
Also lauf ich wieder zurück in den Flur - natürlich nicht, ohne mir den kleinen Zeh am Türrahmen zu stoßen! Das verfluchte Körperteil ist doch nur für so was erfunden worden!!! Da kann man mir überhaupt nichts anderes erzählen! Als wäre mein Blutdruck nicht sowieso schon auf 180, so ohne Kaffee! Ich atme einmal tief durch. Nur die Ruhe, Ben. Du ziehst dich jetzt an. Putzt dir die Zähne und kämmst dich. Rasieren und Kontaktlinsen kannst du ohne Licht sowieso vergessen … und dann bist du deinem Kaffee einen Schritt näher. Guter Plan. Ziehen wir's durch!
Ich schnappe mir die Taschenlampe und suche mir in deren schwachen Lichtschein meine Dienstkleidung zusammen. Ich bin schon fast überrascht, dass die Batterien so gut mitmachen, als ich plötzlich wieder im Dunkeln stehe. Ein Schütteln an der Lampe bringt natürlich nichts. Wie war das? Man sollte sich nicht zu früh freuen? Egal, anziehen kann sich der Mann von Welt ja auch ohne Licht. Zähne putzen und kämmen geht auch. Also, her mit der Jacke, der Tasche und den Schlüsseln und raus aus der Tür.
Das Einzige, was einigermaßen Licht spendet, ist der Vollmond, der auf die schneebedeckte Straße scheint. Wenigstens das. Dass ich vor dem Schneeräumer raus muss, passt mir jetzt nicht wirklich, aber wo ein Kaffee sein wird, da ist auch immer ein Weg hin. Der Weg ist das Ziel und das Ziel der große Preis! Der beste Preis! Da kann mich auch das bisschen Schnee auf der Straße nicht aufhalten. Mein kleines Auto packt das schon. Nachdem ich es enteist hab.
Gute 10 Minuten später hab ich meine Autoscheiben vom Eis befreit, den Schnee vom Dach und der Motorhaube – wieso hat das eigentlich schon wieder so geschneit? Es ist MÄRZ, verdammte Axt! - gewedelt und kann endlich einsteigen. Nach einem kurzen Stoßgebet zu keine Ahnung wem - dem Heiligen Christopherus? Schutzpatron der Reisenden? - drehe ich den Zündschlüssel. Wie durch ein Wunder springt mein kleiner, fast 19 Jahre alter Polo ohne Probleme an. Oh, jaaaa! Der Morgen kann noch gut werden!
Also rückwärts vom Stellplatz in den Hof und irgendwie auf die Straße rutschen. Im Schneckentempo – mehr ist einfach nicht drin, bei der Schneeschicht - geht’s dann erst mal in Richtung der 6 Kilometer entfernten Bäckerei. Ich kann sie schon sehen! Na ja, zumindest erahnen, denn auch in der sogenannten „City“ unseres Dorfes ist es ziemlich düster. Schon nichts Gutes ahnend, parke ich mein Auto genau vor der Tür der Bäckerei, steige aus und schaue durch die dunklen Scheiben des Ladens. NICHTS. Kein Licht. Kein Mensch, kein KAFFEE! Kann doch nicht wahr sein! Okay … nächste Möglichkeit: die Tankstelle. Die haben mit Sicherheit schon auf! Ist ja auch schon vier Uhr! Also auf zur Tanke.
Voller Hoffnung sehe ich die bereits hell erleuchtete Großtankstelle vor mir auftauchen. Gleich! GLEICH! In Vorfreude auf einen Kaffee betrete ich beschwingt das Ladenlokal und steuere direkt die Backwarentheke an, an der man auch frischen Kaffee bestellen kann. Dass da zwei der Tankstellenverkäuferinnen sichtlich hektisch an einer der Maschinen herumfuhrwerken, ignoriere ich einfach mal. „Heyhooo, fröhlichen guten Morgen. Ich hätte furchtbar gern einen Kaffee!“, begrüße ich die beiden. Ha! Gut gespielt! Das klingt fast gut gelaunt!
Zögernd dreht sich eine der Angestellten zu mir um und bei ihrem verzweifelt entschuldigendem Lächeln muss ich mein ungutes Gefühl gewaltsam runterschlucken. „Ja. Guten Morgen. Es tut mir leid, aber mit dem Kaffee ist das gerade etwas schwierig. Die Kaffeemaschine funktioniert nicht. Ich weiß leider nicht, woran es liegt, und um diese Zeit kriegen wir die Techniker noch nicht erreicht“, erklärt sie mir. Mein Lächeln friert etwas ein. Warum war das so klar?
„Okay, da kann man nichts machen. Habt ihr denn Eiskaffee im Kühlfach?“ HA! Fantastische Idee! Ich bevorzuge den Kaffee zwar heiß, gerade jetzt im Winter, aber bevor ich gar kein Koffein kriege … Entsetzt muss ich sehen, dass die Verkäuferin entschuldigend die Schultern hebt. „Normalerweise schon. Aber die Lieferung kam gestern nicht. Daher kann ich Ihnen nicht einmal das anbieten. Es tut mir sehr leid.“ Nun gut, sie ist außerordentlich zerknirscht. Sie kann ja nichts dafür. Also reiß dich zusammen, Junge! SIE KANN DA NICHTS FÜR!
Ich atme einmal tief durch, murmele eine kurze Verabschiedung und mache mich wieder auf den Weg zu meinem Auto. Okay. Neuer Plan: Auf zur Arbeit, dort in den Aufenthaltsraum und dann dort den ekligen Automatenkaffee nehmen. Das ist zwar mehr so eine gefärbte Brühe Marke Abwaschwasser, aber Hauptsache Koffein.
Ich hab es langsam wirklich mehr als nötig! Ich springe also ins Auto und sehe zu, dass ich so schnell, wie es mir bei den derzeitigen Straßenverhältnissen möglich ist, zum Dienst komme. Es ist zwar noch viel zu früh bis zum Dienstbeginn, aber zum Glück ist mein Vorarbeiter anscheinend schon dort, denn das Tor für den Dienstparkplatz ist schon offen. Na, wenigstens was.
Außer mir stehen erst zwei Autos auf dem großen Platz, aber eigentlich habe ich jetzt gerade kein Auge dafür. Elegant versuche ich einzuparken. Da es aber ziemlich glatt ist, ich auch nicht wirklich die Nerven auf die Feinjustierung hab und sowieso kaum einer auf dem Parkplatz ist, lande ich mit Schwung zwei Parkplätze weiter als auf dem, den ich eigentlich anvisiert hatte. Auch egal! Der Kaffee ist nah!
Auf dem Weg bis zur Tür des Gebäudes haut es mich einmal fast hin. Ja, so ist das, wenn man es eilig hat, nervös, fast aggressiv und total unterkoffeiniert ist. Da achtet man nicht wirklich auf seinen Weg. Mit meinem Dienstausweis verschaffe ich mir Zutritt zum Gebäude, biege aber vor der Produktionshalle rechts ab in Richtung Toiletten und Aufenthaltsräume. Nervös betätige ich den Lichtschalter. Der Aufenthaltsraum wird hell erleuchtet. HALLELUJA!!! Hier gibt’s Strom! Es wird alles gut werden! BESTIMMT!
Erwartungsvoll drehe ich mich zum Kaffeeautomaten um. Der ist noch ausgeschaltet. Kein Problem. Gerade will ich den Stecker einstecken, da erscheint mein Vorarbeiter in der Tür.
„Bisschen früh heute, was? Nicht einstecken! Das Gerät hatte gestern einen Kurzen! Da muss gleich erst mal der Elektriker kommen!“
Den Stecker noch in der Hand haltend drehe ich mich mit eingefrorenem Grinsen zu meinem Vorarbeiter um. „Aha? Okay ...“
Fast will meine Hand den Stecker nicht loslassen, und fast versagen mir die Beine bei dem Versuch, wieder aus der Hocke aufzustehen. Mein Herz rast, mein Hals ist trocken, ich bin ernsthaft kurz vorm Explodieren, als ich mich vorsichtig zu den Tischen umdrehe und SIE entdecke! Die Senseo, die einer unserer Kollegen hier mal deponiert hat. Ohhhh, du Geschenk des Himmels!
Mit drei kurzen Schritten bin ich an dem Gerät angekommen. Der Wassertank ist leer. KEIN PROBLEM! Ich nehme den Tank raus und werfe ihn in Richtung Tür, wo mein Vorarbeiter zum Glück rechtzeitig reagiert und den Plastikgegenstand gerade noch so auffangen kann.
„Wasser! JETZT!“ Mit großen Augen starrt er mich an, dreht sich dann aber ohne ein Wort zu den Toiletten um und füllt Wasser aus dem Wasserhahn in den Tank.
„Keinen Kaffee gehabt heute früh?“, fragt er vorsichtig, als er den Tank anschließend wieder in die Maschine einsteckt.
„Du hast es erfasst!“ Suchend schaue ich mich nach den Kaffeepads um. Es müssen welche da sein! Ganz bestimmt! Wo … WO? In einer der Schubladen eines Rollcontainers, der unter dem Tisch steht, finde ich eine angebrochene Tüte mit billigen Kaffeepads. Keine Ahnung, seit wann die da schon drin sind. Ob das Zeug noch schmeckt. Alles egal! Ich nehme mir mit triumphierendem Lächeln eines der Pads und lege es in den Padhalter der Maschine ein. Dann drücke ich den runden Einschaltknopf. Er fängt an zu blinken. So muss das sein, wenn die Maschine das Wasser aufheizt. Alles ist gut! Ungeduldig auf den Zehenspitzen wippend lasse ich den Knopf nicht aus den Augen. Wenn er aufhört zu blinken und dauerhaft leuchtet, bin ich meinem Koffein ein GROSSES Stück näher. Warum dauert das denn so lange?
Mein Vorarbeiter räuspert sich leise. Ich beachte ihn nicht und hypnotisiere den Knopf förmlich. Leuchte … leuchte. LEUCHTE JETZT!!!! Wieder ein Räuspern. „Was?!“
„Sag mal … kann es sein, dass die Maschine vielleicht erst entkalkt werden muss? Die steht bestimmt schon ziemlich lange hier rum“, gibt er vorsichtig zu bedenken. Ich schüttele demonstrativ den Kopf. Nein, hier wird jetzt nichts entkalkt! So weit kommt es noch.
Der Knopf leuchtet durchgängig. Ich kann es fast nicht glauben. Es ist, als würde die Sonne aufgehen. Ehrfurchtsvoll drücke ich den Knopf. Die Maschine sprotzt, brodelt und pfeift. Aber nichts kommt aus dem Hahn. Gar nichts. Das ist jetzt nicht wahr, oder? Was habe ich verbrochen, dass ich keinen Kaffee mehr verdiene? Habe ich in meinem vorherigen Leben zu wenig Karmapunkte gesammelt? Ich werfe einen bitterbösen Blick auf meinen Vorarbeiter, der daraufhin ein betretenes Gesicht macht.
„Meine Frau sagt immer, ich könnte das Unglück herbeireden ...“
„Wenn du das weißt, warum hältst du dann nicht einfach mal die Klappe?“
„Hey. Du weißt, dass ich dir diesen Tonfall nur durchgehen lasse, weil du noch keinen Kaffee hattest und dementsprechend natürlich etwas am Rad drehst. Aber mach dir das bitte nicht zur Gewohnheit!“
„Jaja. Entschuldigung! Oder so!“, knurre ich ihn an. Ich weiß ja, dass es höhere Gewalt ist. Aber kann er nicht einfach die Klappe halten?
Mein suchender Blick fällt auf eine runde Dose, die etwas eingestaubt in der Ecke steht. Ist das Instantkaffee? Ein Klick reicht, um den Wasserkocher in Gang zu bringen. Der funktioniert immer. Das weiß ich. Wir haben über 80 % Teetrinker bei uns. Wenn das Ding kaputtgeht, ist hier die Hölle los. Ich kann Tee nichts abgewinnen. Aber hey: Instantkaffee ist auch Kaffee.
Ich schnappe mir eine Tasse von dem Tisch. Es ist mir völlig egal, wem die gehört. JETZT bin ich gerade vogelfrei, fülle das kochende Wasser ein und gehe unter dem forschenden Blick meines Vorarbeiters in die Ecke zur Dose. Nahezu zitternd vor Erwartung strecke ich die Hand aus, um sie aus der Ecke zu nehmen. Warum ist die so schwer? Ist Instantkaffeepulver so schwer? Keine Ahnung, für mich ist Instantkaffee eigentlich eine gemiedene Notfalllösung. Und da ich NIE in die Verlegenheit käme, zu Hause keinen Kaffee vorrätig zu haben, gibt’s bei mir keinen Notfall. Es sei denn ich habe keinen Strom. Oder kein Wasser!
Ich löse mit zwei Fingern den Kunststoffdeckel von der Metalldose und starre hinein. Schrauben? Wieso sind hier ... Ich starre ungläubig zu meinem Vorarbeiter, der vorsichtshalber zwei Schritte zurückgeht. „Ich wollt's nicht sagen! Tut mir leid! Ehrlich! Oh, Mann … mach dir … ähm … einen starken Tee. Schwarzen! Nimm zwei Beutel. Das hilft bestimmt ein bisschen!“
Er nimmt zwei Beutel aus einer der Teeschachteln, die hinter dem Wasserkocher aufgereiht sind, und hängt sie in meine Tasse, die ich kraftlos in der Hand halte.
„Komm, Kleiner. Wir haben noch Zeit bis zum Dienstbeginn. Komm erst mal wieder runter.“
Wie in Trance folge ich ihm ins Aufsichtsbüro, lasse mich mit der Tasse in der Hand auf einen der Schreibtischstühle fallen und registriere gerade noch so, dass er das Radio lauter stellt. Es ist 5:30. Nachrichten.
Gedanklich völlig neben mir stehend tunke ich die Teebeutel wieder und wieder in die Tasse und lausche den Nachrichten, in der Hoffnung, dass sie mich etwas ablenken. Der Nachrichtensprecher erzählt irgendwas von einem großen Unfall auf der A4 … dann irgendwas von Politik… und dann irgendwas von Waldbränden in Brasilien. Und während ich mich noch darüber wundere, warum in den örtlichen Radionachrichten etwas über Waldbrände in Brasilien berichtet wird, erklärt der Nachrichtensprecher, dass ein Großteil der hiesigen Kaffee-Ernte den Flammen zum Opfer gefallen ist und somit der europäische Markt erst mal nicht beliefert werden könne.
Erschrocken starre ich das Radio an. Kein Kaffee? So GAR KEIN KAFFEE mehr? Ich springe vom Stuhl, die Tasse fällt vom Schreibtisch, zerschellt auf dem Boden und das heiße Wasser spritzt mir das Hosenbein hoch, verbrüht mir fast die Haut, aber all das bemerke ich nicht. Ich fühle mich taub und blind und kann nur noch schreien!


„Ben … hey Ben! Wach auf, komm schon! Ganz ruhig! Was ist denn los?“
Eine Stimme holt mich wieder zu mir zurück. Wer ist das? Mein Vorarbeiter? Nein, der klingt anders. Wo bin ich? Erschöpft öffne ich die Augen. Ich bin in meinem Bett. Wieso bin ich in meinem Bett? Bin ich ohnmächtig geworden?
Verwirrt schaue ich mich um und sehe Marc neben mir liegen, der mich erschrocken anschaut. Mein Marc. Moment. Marc?
Vorsichtig setze ich mich auf und reibe mir über die Augen. Von hinten werde ich in die Arme genommen. „Na, was hast du denn so Schlimmes geträumt? Du hast um dich geschlagen und furchtbar geschrien“, höre ich ihn fragen.
Ich lehne mich zurück an seine Brust und lege meine Hände auf seine Unterarme. „The worst case scenario. Es gab keinen Kaffee mehr!“ Die Brust hinter mir erbebt unter unterdrücktem Kichern.
„Oh … wahrlich ein Albtraum, mein armer Schatz. Aber du weißt genau so gut wie ich, dass deine Kaffeevorräte im Küchenschrank, Flurschrank, im Schlafzimmerschrank und wo auch immer du die sonst noch gebunkert hast, vermutlich die ganze Stadt einen Monat lang über Wasser halten könnten. Und … selbst wenn das alles weg ist ...“ Ich spüre, wie er sich kurz zur Seite bewegt, seine Hand nach etwas ausstreckt und dann plötzlich eine Tube in der Hand hält. Langsam schraubt er sie auf, drückt sich etwas von dem Inhalt auf den Handrücken und verreibt ihn mit zwei Fingern. Ungläubig nehme ich den Geruch der gelartigen Substanz wahr. Gleitgel mit … Kaffeeduft?
Mit großen Augen nehme ich ihm die Tube aus der Hand, lese die Aufschrift und und kann ein gieriges Lächeln kaum noch unterdrücken. Na, DAS ist ja mal in der Tat eine Rettungsmöglichkeit, die es sicher wert ist, dass man sie ausprobiert!

Impressum

Texte: Ben Jamin
Bildmaterialien: Ben Jamin und Solveig Solly Frank
Lektorat: Sitala Helki
Übersetzung: Muss ich jemandem ein Wort erklären? Lasst es mich wissen. ^^
Tag der Veröffentlichung: 04.05.2016

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Allen gewidmet, denen das Szenario so oder so ähnlich sehr bekannt vorkommt. Ich hoffe, ihr hattet Spaß und seid euch nun gewiss, das es nicht nur euch so geht!

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