Kapitel 1
Meine zweite Woche und es fühlt sich gar nicht mehr fremd an. Am Eingang werde ich wie jedem morgen freundlich von der Rauchgruppe begrüßt und anschließend laufe ich die 3 Stockwerke zu meinem Büro im kühlen Treppenhaus nach oben in mein kleines, aber dennoch gemütliches Büro.
Ich hänge meine Strickjacke über die Stuhllehne und beginne den Tag mit einem Lächeln und schaue träumend aus meinen Fenster. Obwohl eigentlich Hochsommer seien sollte, ist es eher schon ein anfangender Herbst, aber deswegen bin nicht böse. Ich liebe den Herbst, ich liebe die Sonnenstrahlen die zwischen den Blättern tanzen und ich liebe auch die trüben Tage, wo es einfach nicht hell werden möchte und der Regen den Tag dominiert.
Kurz erschrocken drehe ich mich um und erblicke Ulrike, in ihrem unverwechselbaren hüpfenden Gang, in mein Zimmer kommen mit einem großen Stapel Akten unter dem Arm.
"Guten Morgen Ari" sagte sie fröhlich mit einem grinsen im Gesicht welches jede Sonne überstrahlen würde. "Bereit für die erste Sitzung heute?".
"Dir auch einen wunderschönen Guten Morgen und ja, ich bin bereit."
Hüpfenden Schrittes verlässt Ulrike wieder mein Büro, mache meinen PC startklar und ich fange an meine Akten zu sortieren, anschließend werfe ich noch einen letzten kontrollierenden Blick auf meine Sitzungsnotizen und mein Anklageschrift. Es ist nicht so als wäre dies meine erste Sitzung, nein, ich war jetzt 3 Jahre bei der Staatsanwaltschaft in München und habe dort einiges an Berufserfahrung sammeln dürfen.
Ich hätte es nie gedacht, aber ich hatte mich doch Schlussendlich vor 2,5 Jahren durchgerungen meinen Versetzungsgesuch zu stellen, damit ich wieder in meiner Heimat bin.
Meiner Heimat, aus der ich vor 11 Jahren Hals über Kopf geflüchtet bin um zu vergessen.
Das mit dem Vergessen hat zu meinen Bedauern nur mittelprächtig funktioniert, aber ich kann mit stolz behaupten das doch eine dicke Schicht Gras über die Sache gewachsen ist.
Ich lese mir nochmals meine Anklageschrift vor, ich möchte an meinen ersten Tag hier in der neuen Stelle einfach super vorbereitet sein und einen guten Eindruck hinterlassen. Ein Blick auf meine kleine silberne Armbanduhr verriet mir das es Zeit ist mir meine Robe über zu ziehen und hinunter in den Sitzungstrakt zu gehen. Schnell schlüpfe ich noch aus meinen bequemen Turnschuhen und ziehe meine hohen, schwarzen Pumps an. Ich bin mit meinen 1,68 Meter zwar ziemlich gut im Größendurchschnitt, aber durch meine hohen Schuhe bekomme ich etwas mehr Form. Gleichzeitig richte ich meinen Rücken etwas gerader und fühle mich noch eine Portion Selbstsicherer.
Meine Schulterlangen rotbraunen Haare binde ich zu einen einfachen Zopf im Nacken zusammen und schaue selbstsicher in den kleinen Spiegel, welcher sich in meiner Schranktür befindet. Zuversichtlich und leicht aufgeregt blicken mich meine großen blauen Augen an und ich muss leicht über mich schmunzeln. Hier bin ich nun, da wo ich immer hin wollte und was außer meiner Familie mir niemand zugetraut hätte. Ich bin Staatsanwältin geworden und es dauert nicht einmal 4 Monate und ich sitze auf meinen Richterposten, für welchen ich mich hier beworben habe. Das ich 4 Monate als Staatsanwältin hier tätig bin stört mich nicht im geringsten, somit konnte ich 4 Monate eher aus München weg und meine Familie dankt es mir, dass ich endlich wieder zu Hause bin.
Ich schließe meine Türe ab und beim umdrehen stoße ich schon fast mit meinen Kollege Richter Carsten Bauer zusammen. "Hey, ich wollte dich nur persönlich abholen, nicht damit du unseren Sitzungssaal nicht findest". Seine Stimme klingt wundervoll weich und er strahlte mich mit seinen dunkelgrünen, funkelnden Augen an und ich konnte nur zurück lächeln. Er ist wirklich nett, freundlich und was nicht zu verachten ist, eine wirkliche Augenweite.
"Guten Morgen Herr Richter und vielen Dank". Oh ja, er könnte mir wirklich gefährlich werden und warum nicht.
Neuer Anfang, neues Leben, neue Liebe und ich bin frei und kann machen was ich möchte. OK, frei nicht im Sinne von richtig Frei, nein, ich muss mich wohl doch mal endlich um meine Grasschicht kümmern.
Beim Gedanke daran ärgere ich mich doch, ich hätte es schon vor einigen Jahren angehen sollen, hier wird es dann doch bestimmt jeder mitbekommen und ich hoffe das nicht all zu viele Fragen kommen werden. Eine Scheidung ist doch heut zu Tage keine Seltenheit mehr und kommt in den besten Familien vor.
Tag der Veröffentlichung: 28.01.2016
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Widmung:
In Bearbeitung
Kapitel 1