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Sommerfest



„Aridur erschuf die Erde und ein Volk, welches unter seiner Führung lebte. Das Volk siedelte sich am Fuße des höchsten Berges, welcher der Berg des Großen genannt wurde, an und eine menschliche Zivilisation entstand. Und genau diese Zivilisation erbaute Taar Ruhn.“ „Wir stammen also von Aridur ab? Dem Gott aller Götter?“ „So kann man es sagen.“, sagte Graham, der umringt von vielen Kindern, auf dem Marktplatz saß. Die Kinder freuten sich immer, wenn das Gerücht im Dorf herumging, dass Graham der Wolf in Larain angekommen sei. Ricardo, der in der ersten Reihe direkt vor Graham saß, war ein kleiner Junge mit blondem Haar, welches er als Zopf im Nacken baumeln hatte. Seine kleine Nase und seine großen Augen, sowie Lippen waren dreckig, da er wie es für Kinder üblich war, mit seinen Freunden verstecken spielte. Er war für sein Alter recht klein und die meisten Jungs und Mädchen überragten ihn bei weitem. Graham deutete den Kindern mit einer lässigen Handbewegung an, dass sie nun verschwinden sollen, da er sich ausruhen wollte. Ricardo, der kniend vor Graham saß, stand auf und rannte vom Markplatz zu dem Haus seiner Eltern. Es war eine ansehnliche Hütte, mit kleinem Garten, wo seine Mutter Tomaten und anderes Gemüse anpflanzte, welches sie dann häufig, zu Ricardo Missfallen zu essen hatten. Sein Vater war Jäger und war gerade nach einer Jagd nach Hause gekommen. Ricardo schmiss die Tür auf und umarmte seinen Vater herzlich, als er ihn am Tisch sitzen sah. Ein dickes Wildschwein lag auf dem Tisch und Ricardos Mutter war schon dabei es zu enthäuten. Die Hütte war gemütlich eingerichtet. Ein Kamin, in dem die roten Flammen loderten, strahlte Wärme und Freundlichkeit aus. Die Fenster waren geöffnet, sodass viel Licht in die Hütte fiel. Ricardo setzte sich zu seinen Vater an den Tisch und erzählte alles was ihm Graham über die Götter erzählt hatte. Sein Vater hörte ihm aufmerksam zu und als Ricardo geendet hatte, stand er auf und sagte: „Ricardo, morgen ist das Sommerfest zu ehren von Aridur. Und da du dann in den Rang des jungen Wolfes erhoben wirst, möchten dir deine Mutter und ich ein Geschenk machen.“ Ricardo sah ihn verwundert an, aber lächelte, als er das Wort Geschenk hörte. „Dreh dich um und mach die Augen zu!“, sagte seine Mutter, die aufgehört hatte, das Wildschwein zu häuten und sich zu ihrem Gemahl begab. Ricardo hatte damit überhaupt nicht gerechnet und wurde aufgeregt. Das Adrenalin in seinem Körper ließ ihn zittern. Ricardo hört es rascheln, aber drehte sich nicht um. „Du darfst dich wieder umdrehen.“, sagte sein Vater mit freundlicher Stimme. Als Ricardo sich umdrehte, hatte sein Vater einen kleinen Bogen in der Hand und seine Mutter ein Köcher voller Pfeile. Ricardo hatte seinen Vater schon oft darum gebeten, dass er ihn mal auf die Jagd mitnahm, aber sein Vater verneinte bisher immer, weil er angeblich noch zu jung war. Ricardo nahm den Bogen in die Hand und schnallte sich ihn auf den Rücken. Es war zwar nur ein Kurzbogen, aber für ihn war er recht groß. Dankend nahm er den Köcher und nahm einen Pfeil raus. Endlich würde er mit seinem Vater Hirsche und andere Wildtiere erschießen. „Morgen nach dem Sommerfest gehen wir ein wenig üben.“, sprach sein Vater und lächelte seinen Sohn an. Ricardo, dem mittlerweile die Tränen in den Augen stand, umarmte seine Eltern. „Aber bitte denke daran, mein Kleiner, das ist eine Waffe. Wir vertrauen dir.“, sagte seine Mutter mit kritischen Blick auf Ricardo, der seinen Bogen freudig spannte.
Ricardo war mit sieben Jahren in den Rang des Jünglings erhoben worden. Mit 14 Jahren wird man zum jungen Wolf ernannt und ist damit befugt Waffen zu tragen und zu benutzen. Er verstaute den Bogen unterhalb seines Bettes und rannte gleich darauf wieder aus dem Haus. Dieses Erlebnis musste seinen Freunden erzählt werden. Er rannte zum alten Baum, an dem sich die Freunde immer trafen, wenn sie Freizeit hatten und nicht in der Schule das Schreiben und Lesen lernen mussten. Wider Erwarten erblickte er nur Sarah, die auf der Wurzel des Baumes saß. Als Sarah ihn sah, stand sie auf und ihre langes dunkelblondes Haar schmiegte sich um ihr Gesicht. Ihr grünen Augen sahen ihn an und forderten ihn direkt auf, sie zu beschäftigen. „Mein Vater hat mir einen Bogen zum Sommerfest geschenkt.“, sagte Ricardo aufgeregt. Sarah schien beeindruckt und sagte: „Warum hast du ihn nicht mitgebracht? Ich möchte ihn sehen.“ Sie blickte ihn fragend an und streifte ihr Haar aus ihrem Gesicht. „Ich darf ihn erst tragen und benutzen, wenn ich ein junger Wolf bin. Mein Vater wollte keine Ausnahme machen.“, antwortete Ricardo traurig.
„Sei froh, dass du überhaupt was bekommst. Ich werde nächsten Sommer zur jungen Wölfin und bis dahin muss ich zusehen, wie ihr alle mit euren Waffen rumspielt.“
„Aber nächstes Jahr bekommst du auch eine Waffe und bis dahin können wir dich doch ab und zu mal mit unseren Waffen spielen lassen.“, sagte Ricardo freundlich und versuchte die traurige Sarah aufzumuntern. Gerade, als sie sich auf die Wurzel setzen wollten, auf der Sarah bei Ricardos Ankunft saß, kam ein großer breitschultriger Junge direkt auf sie zu. Klyron, der in der Schule neben Ricardo sitzt, kam nun auch endlich. Sarah und Ricardo wollten sofort wissen, ob er auch schon sein Geschenk für das morgige Sommerfest bekommen hatte. Klyron fasste sich an den Rücken und holte eine große Axt hervor. „Mein Vater hat mir die heute gegeben. Eine echt wertvolle Kriegswaffe.“ Klyron hatte kurzes braunes Haar und seine dicke Nase stach aus seinem Gesicht heraus. Die Axt, hatte zwei Schneiden. Als Ricardo sie in die Hand nehmen wollte, ließ er sie fallen, weil sie viel zu schwer war. Sarah versuchte gar nicht erst sie anzuheben und Klyron fing an zu lachen, da seine beiden Freunde verzweifelt versuchten die Axt aufzuheben. Er nahm die Axt mit seinem rechten kräftigen Arm hoch und packte sie sich wieder auf den Rücken. Klyron war der Sohn eines Schmieds und hatte daher schon früh Schwerstarbeit leisten müssen. Sein muskulöser Körper war genau wie der seines Vater mit einer dunklen Haut überzogen. Klyrons Urgroßvater kam vor vielen Jahrzehnten nach Larain und wurde von den Menschen des Dorfes freundlich aufgenommen. Und seitdem Klyrons Familie für das Dorf die Waffen schmiedete, waren sie nicht mehr wegzudenken.
Ricardo erzählte Klyron, dass er einen Bogen bekommen hatte und Klyron fragte genau wie Sarah warum er ihn denn nicht bei hätte und Ricardo musste wieder erklären, dass sein Vater nicht tolerant genug war, als das er ihm den Bogen schon heute überließe. Klyron hatte schon einige Schlagkombinationen gelernt und führte Ricardo und Sarah seine Künste vor. Sie waren schwer beeindruckt. Klyron schwang die Axt elegant und kraftvoll und jeder Feind wäre vor Angst weggerannt. Als Klyron eine Schlagkombination wiederholen wollte, sprach ein dünner Junge: „Schönes Beil hast du da.“ Die drei erschraken und Klyron ließ seine Axt vor lauter Angst klirrend fallen. Diego hatte sich wie so oft an sie herangeschlichen. Er war ein Meister des Schleichens. „Diego, warum kannst du nicht wie jeder normale Mensch laufen.“, sagte Sarah wütend, die immer beinahe in Ohnmacht fällt, wenn Diego sie so erschrak. „Das ist doch langweilig. Aber ihr seit ja auch keine schweren Gegner. Bei euch brauche ich ja gar nicht schleichen, ihr würdet mich auch so nicht hören.“, feixte Diego. Diego war etwas größer als Ricardo und erheblich dünner. Er trug eigentlich immer schwarz und nun zeigte er ihnen stolz seine acht Dolche, die er von seiner Mutter bekommen hat. „Sie hat sie von deinem Vater schmieden lassen.“, sagte Diego zu Klyron und hielt einen der Dolche hoch. „Deshalb wollte meiner Vater mich nicht in die Schmiede lassen.“, sagt Klyron mehr zu sich als zu den anderen. Diego präsentierte ihnen aufgeregt, wo er seine Dolche alle versteckte. Drei der Dolche steckten im Gürtel und waren griffbereit. Ein anderer Dolch verschwand im Schuh und zwei weitere waren auf den Rücken. Die anderen beiden versteckte er in zwei Taschen. Eine Tasche auf dem linken Oberschenkel und die andere auf der Brust. „Meine Mutter trägt viel mehr Dolche, aber sie meinte acht würden erstmal genügen.“ Die anderen waren beeindruckt und nachdem jeder mal die Dolche in der Hand hatte, war es auch schon dunkel geworden. Die vier Freunde liefen zurück zu ihren Häusern, wo ihre Eltern sie erwarteten.
Als Ricardo in die Hütte kam, saßen sein Vater und seine Mutter bereits am gedeckte Tisch und warteten auf ihn. Er zog sich rasch die dreckigen Schuhe aus und gesellte sich zu ihnen. Seine Mutter hatte das Wildschwein, welches sein Vater erlegt hatte zu einer köstlichen Suppe verarbeitet. Ricardo nahm zweimal nach, da er den ganzen Tag lang nichts gegessen hatte. Als er die dritte geleerte Schüssel auf den Tisch stellte, hatte er das Gefühl, als würde sein Bauch platzen. Er half seiner Mutter noch schnell dabei, das Besteck in einen Eimer zu stellen und ging dann auch schon zu Bett. Er wollte Morgen ausgeschlafen sein, wenn er zum jungen Wolf ernannt wird. Jedes Kind, welches im Wolfsstamm geboren wird, wird mit der Taufe zum Welpen ernannt. Wenn man dann das siebte Lebensjahr vollendet hat, dann wird man einer Prüfung unterzogen, ob man das Lesen und Schreiben beherrscht, welches man zwei Jahre lang in der Schule gelernt hatte. Sobald man diese Prüfung bestanden hat, ist man ein Jüngling und nun sollte Ricardo endlich zum jungen Wolf ernannt werden. Er war sehr aufgeregt, schlief dennoch die ganze Nacht ruhig durch.
Als Ricardo erwachte, waren seine Eltern schon weg und er zog sich rasch an und wusch sich sein Gesicht mit den kalten Wasser, welches sein Vater schon früh aus dem Brunnen geschöpft hatte. Das kalte Wasser ließ ihn wach werden. Seine vom Schlaf verklebten Augen wurden nun wach und er rieb sie sich. Er wollte schon aufbrechen, als er noch rechtzeitig bemerkte, dass er seinen Bogen vergessen hatte. Er rannte schnell zu seinem Bett und zog den Bogen mit dem Köcher unter dem Bett hervor. Er schnallte sich Bogen und Köcher auf den Rücken und eilte aus der Hütte und lief Richtung Marktplatz. Es waren schon viele Leute wach und es herrschte hektisches Treiben auf den Straßen. Ricardo traf Diego, der zusammen mit seiner Mutter gerade aus einem steinernen Haus trat. „Guten Morgen Diego“ rief ihm Ricardo entgegen und er begrüßte ebenfalls Diegos Mutter. Ricardo betrachtete sie argwöhnisch, da er gestern von Diego erfahren hatte, dass sie 14 Dolche bei sich trug. Er entschloss sich mit Diego und seiner Mutter zusammen zum Fest zugehen. „Wo sind deine Eltern, Ricardo?“ fragte Diegos Mutter höflich. „Die sind schon auf dem Fest. Sie bereiten es doch vor.“ antwortete Ricardo schnell. Der Aufregung in ihm wuchs mit jedem Schritt den er machte. Als sie endlich auf dem großen Marktplatz ankamen, sah Ricardo wie immer, dass die gesamten Marktstände abgebaut worden waren und eine große Bühne aufgestellt wurde. Es waren schon sehr viele Leute da, die sich rings um die Bühne aufgestellt hatten. Sie gingen schnurgerade auf die Bühne zu und dann sah Ricardo auch seine Eltern, die gerade mit einem älteren Herren sprachen. „Und ist alles bereit?“ fragte Diegos Mutter. „Es kann losgehen, sobald alle Jünglinge anwesend sind.“ sprach Ricardos Mutter.
Ricardos Puls raste. Er hätte wetten können, dass die Leute um ihn herum seinen Puls hören könnten, wenn die Luft nicht von Gesprächen und Zurufen erfüllt gewesen wäre. Endlich trat Ricardos Vater auf die Bühne und schlagartig wurde es ruhig. Alle starrten ihn an und er sprach mit kräftiger Stimme: „Erneut feiern wir heute die Sommerwende und ich freue mich, dass ihr euch alle zusammengefunden habt. Der heutige Tag ist für einige unter uns ein sehr wichtiger, da sie in den Rang des jungen Wolfes erhoben werden sollen.“ Die Menge fing an zu klatschen und einige kreischten. „Der weise Wolf unserer Stadt wird jeden einzelnen Jüngling, der bereits das 14 Jahr vollendet hat auf die Bühne bitten und ihn feierlich erheben.“ Bei diesen Worten stieg ein alter Mann mit weißen Haaren auf die Bühne. Sein Gesicht durchzogen viele Falten, die auch nicht durch einen Bart verdeckt wurden. Er wirkte sehr weise. Nachdem sich die Menge wieder beruhigt hatte, die den weisen Wolf mit tosendem Applaus empfangen hatte, sprach der alte Mann mit lauter Stimme, die man ihm nicht zugetraut hätte: „Diego! Bitte trete auf die Bühne.“ Er hielt es nicht für nötig weitere einleitende Worte zu sprechen und so musste Diego auf die Bühne treten. Diego, dem die ganze Sachen völlig kalt ließ, sprang auf die Bühne und schüttelte dem alten Mann die Hand. Der alte Mann sprach einige Wörter zu Diego, die nicht für die Ohren der anderen Leute bestimmt waren und nach einiger Zeit, in der Diego durchgängig nickte, sprach der alte Mann erneut zu allen: „Diego Bran, es freut mich dich zum jungen Wolf ernennen zu dürfen. Ab den heutigen Tage ist es dir erlaubt Waffen zur Verteidigung und zur Jagd zu verwenden.“ Die Leute klatschen und Diego schritt von der Bühne.
Es wurde einige andere Mädchen und Jungen aufgerufen, die alle feierlich erhoben wurden, bis der alte Mann Ricardos Namen aussprach. Seine gesamte Aufregung verdoppelte sich, aber als er den ersten Fuß auf der Bühne hatte, verflog sie rasch. Er wusste nicht, ob es an der Ausstrahlung des weisen Wolfes lag, oder einfach daran, dass er die Aufmerksamkeit genoss. Ricardo schüttelte dem alten Mann die Hand und dieser sprach zu ihm: „Ricardo Throk, ich kenne deinen Vater seit seiner Geburt und dich natürlich auch. Ich hoffe, du wirst ein genauso guter Schütze und Diplomat wie dein Vater.“ Nach einigen peinlichen Sekunden in denen weder der Alte noch Ricardo was sagten, wollte sich Ricardo schon umdrehen, als der Alte das Wort erneut ergriff: „Ich habe eine Bitte an dich. Wenn das nächste Mal Graham in der Stadt ist, wirst du ihn beschatten. Ich will wissen, wohin er verschwindet, wenn er die Stadt verlässt. Diese Bitte bleibt selbstverständlich unter uns?“ Ricardo nickte und nun sprach der Alte wieder zur Masse, die gespannt warteten: „Ricardo Throk, ich freue mich dich zum Rang des talentierten Wolfes zu ernennen!“ Die Leute applaudierten doppelt so laut, wie bei den anderen, da Ricardo zum talentiertesten Jüngling ernannt wurde. Jedes Jahr gab es diese Auszeichnung, aber Ricardo hätte sich nicht träumen lassen, dass er sie bekommen würde. Als er von der Bühne ging gratulierten ihm seine Eltern und die anderen denen er begegnete. Diego schien ein wenig enttäuscht, aber sagte dennoch: „Gratuliere, du hast es geschafft.“ Ricardo war nicht in der Lage zu antworten und grinste nur. Klyron, der zwei Köpfe über den Alten ragte, wurde ebenfalls mit lauten Applaus zu jungen Wolf ernannt. Ricardo freute sich für seine Freunde, da sie nun zusammen mit ihren Waffen jagen gehen durften.
Nachdem alle Jünglinge erhoben wurden, wurden die Musiker auf die Bühne gebeten und den gesamten Tag wurde laut und herzhaft musiziert. Am Sommerfest ließen selbst die Arbeitstüchtigsten die Arbeit ruhen und feierten gelassen mit den anderen Wölfen. Am späten Nachmittag verteilte sich die Menge und Ricardo ging zusammen mit seinen Eltern nach Hause. Ricardo hatte keinen anderen Gedanken mehr gehabt. Er würde heute noch mit seinem Vater auf die Jagd gehen. Als sie an der Hütte ankamen, umarmten Ricardo und sein Vater Ricardos Mutter und verabschiedeten sich. Ricardo und sein Vater liefen Richtung Norden, wo sich der große Himmelswald befand. Ricardos Vater grüßte die Wachen, die an dem Nordtor standen, höflich. Sie folgten dem Weg und nach einigen Metern bog Ricardos Vater in den dichten Wald ab und Ricardo folgte ihm. Die Sonne ging schon wieder unter und so hatten sie nur noch drei bis vier Stunden Zeit, bis es dunkel sein würde. Wenn sie nicht vor Einbruch der Dunkelheit wieder im Dorf waren, mussten sie Wald übernachten, was Ricardo nicht besonders einladend fand. Er hatte die Jäger schon oft Geschichten über den Himmelswald erzählen hören. Die Jäger im Dorf erzählten von Gestalten, die nachts, wenn man die eigene Hand vor den Augen nicht mehr erkennen konnte, umherstreiften und den Jägern mit zischenden Lauten Angst machten. Die Gestalten konnte man angeblich sehr gut erkennen, da sie zu leuchten scheinen. Man sieht die hellen Gestalten, die eine Rauchähnliche Substanz besaßen so gut, dass viele Jäger meinen Frauen gesehen zu haben.
Ricardo wurde aus seinen Gedanken gerissen, als sein Vater der zielstrebig durch den Wald geschritten war, plötzlich innehielt und die Hand hob. Ricardo lauschte und konzentrierte sich. Sein Vater schien etwas gehört oder gesehen zu haben. Er kniete sich hin und Ricardo tat es ihm gleich. Sie liefen im Entengang durch den Wald darauf achtend kein Geräusch zu machen. Wieder hob Ricardos Vater die Hand und blieb stehen. Er drehte den Kopf zu seinen Sohn um und deutete auf eine Lichtung direkt vor ihnen. Ein großer Hagol mit prächtigem Geweih stand auf der Lichtung und graste vor sich hin. Hagols waren große Tiere mit langen dünnen Beinen, die sie zum Flüchten brauchten, da sie Beutetiere waren. Das große Geweih eines Hagols brachte jedem Jäger Ehre und viel Geld ein. Hagols waren nämlich verdammt scheu und laufen bei dem ersten fremden Geräusch weg. Ricardos Vater deute Ricardo an, dass er versuchen sollte den Hagol zu erschießen. Ricardo nahm leise seinen Bogen von seinem Rücken und spannte die Sehne mit einem Pfeil. Der Hagol war noch sehr weit weg und so musste er den Bogen richtig spannen, damit der Pfeil nicht auf halber Strecke liegen blieb. Ricardo sah noch mal kurz seinen Vater an, der freundlich nickte und dann ließ Ricardo den Pfeil los. Er flog lautlos durch die Luft und gewann an Höhe. Zu Ricardos Erstaunen traf er den Hagol sogar. Er hatte den Oberschenkel eines Beines getroffen und nun sprang der Hagol auf um wegzurennen. Ricardos Vater hatte kurz nachdem Ricardo den Pfeil losgelassen hatte, selber einen eingelegt und schoss ihn in Richtung des aufgeschreckten Hagols. Der Pfeil traf das Tier in die Brust und nach einigen Schritten fiel es zur Seite um und blieb reglos liegen. Ricardo Vater war scheinbar sehr beeindruckt, dass sein Sohn gleich mein ersten Schuss getroffen hatte: „Sehr gut gemacht, Sohn. Ich habe meine ersten zwanzig Pfeile verschossen, bis ich endlich mal ein Tier traf.“ Ricardo Vater lachte herzhaft. Ricardo fühlte sich wohl. Er wurde von seinen Vater und vom wohl besten Jägern des Dorfes gelobt. Sie gingen zum toten Hagol und Ricardo Vater hievte sich den Kadaver auf den Rücken.
Sie waren schon einige Minuten unterwegs als Ricardos Vater plötzlich stehenblieb und erneut die Hand hob, wie er es getan hatte, als er den Hagol gehört hatte. „Verdammt!“ rief Ricardos Vater. „Ein Waldtroll! Renn Ricardo!“ Ricardos Vater ließ den Kadaver auf den Boden fallen und rannte Ricardo hinterher, der bereits los gerannt war. Ricardo sprang über Wurzeln und schaute sich panisch um. Er konnte seinen Vater hinter sich hören, der anfing schneller zu atmen. Sie rannten den gesamten Weg zurück, bis sie sich auf dem Weg befanden, der zum Dorf führte. „Ein Waldtroll?“ fragte Ricardo seinen Vater nach Luft schnappend. „Ich hoffe unserer Kadaver hat ihn abgelenkt. Diese Trolle sich verdammt gefährlich. Wenn sie einen zuerst bemerken, dann muss man viel Glück haben nicht gefressen zu werden.“ antwortete sein Vater, der ebenfalls ein wenig schwerer atmete.
„Aber ich habe nichts gehört.“
„Deine Ohren sind noch nicht genug trainiert. Ein Waldtroll macht leise aber deutliche Geräusche die ihn verraten. Sie sind schwer zu hören, aber unverkennbar.“
„Vater, hast du schon mal diese Gestalten, die nachts im Wald auftauchen, gesehen?“ fragte Ricardo dem der Gedanken in den Kopf schoss.
„Das habe ich. Es sind Mariven. Eigentlich leben die Mariven nicht in diesem Teil der Welt, aber es hat scheinbar vor einigen Jahrzehnten einige hierher verschlagen. Ich habe den weisen Wolf einst darüber ausgefragt und er erzählte mir auch einiges, aber er wollte mir nicht verraten, warum sie hergekommen sind.“
„Und was sind diese Mariven?“
„Es sind weibliche Wesen, die weit im Westen der Welt leben. Sie bewohnen den Wald. Sie schlafen tagsüber in den Bäumen und nachts werden sie wach und gehen ihrer Tätigkeit nach wie du und ich.“
„Aber warum sagen alle Jäger ihnen so schlechte Sachen nach?“
„Das weiß ich nicht. Ich denke mal sie haben einfach Angst, obwohl sie eigentlich keine haben müssten. Ich habe schon einmal eine Marive angefasst und ich lebe ja noch“ sagte Ricardos Vater und grinste seinem Sohn an. Ricardo wusste nicht so recht, ob sein Vater ihn auf den Arm nehmen wollte, oder ob er wirklich schon mal eine von diesen Geschöpfen berührt hatte.
Als sie das Nordtor erreichten, färbte die untergehende Sonne den Himmel rot und die Wache wunderte sich, dass sie ohne Beute zurück kamen. Ricardo erklärte dem Mann leicht übertrieben ihre Begegnung mit dem Waldtroll und da dieser beeindruckt schien, erfand Ricardo noch einen Kampf mit ihm. Nach einigen Minuten sagte Ricardos Vater entschieden: „Das ist genug Ricardo. Keiner glaubt dir deine Geschichten.“ und zog seinen Sohn Richtung Dorf. Als sie an ihrer Hütte ankamen, war Ricardos Mutter schon schlafen und so machten sich die beide Männer ebenfalls fürs Bett fertig.
Ricardo hatte heute viel erlebt und seine Gedanken überschlugen sich, was ihn nicht schlafen ließ. Was hatte der weise Wolf zu ihm gesagt? Er solle Graham den Geschichtenerzähler beschatten? Aber warum? Seine Gedanken schweifte gerade zu einen der schönen Geschichten ab, die Graham den Kindern immer erzählte, wenn er in der Stadt war, als der Schlaf Ricardo übermannte und ihn an sich riss.

Freitag



Als Leonard erwachte, schien die Sonne durch das offene Fenster und er erkannte mit zugekniffenen Augen, dass all seine Mitstreiter bereits aufgestanden waren. Er rappelte sich auf und legte sich den roten Umhang um, den jeder Krieger der Legion trug. Heute war Freitag und somit brauchten er nicht zum Training gehen, aber trotzdem zog er seine leichte Rüstung an. Ein lederner Wams der an der Brust und an den Schultern durch Metallplatten verstärkt wurde. Als er aus dem Zimmer in den großen Salon trat, rieb er sich die Augen um den Schlaf loszuwerden, der sich nachts in seinen Augen eingenistet hatte. Seine rundliches Gesicht erschien im hellen Licht des Salon sehr rot und seine braunen Augen, die wachsam aber dennoch freundlich dreinschauten, musterte die Anwesenden. Er durchfuhr mit seiner Hand sein kurzes dunkles Haar und machte sich auf den Weg ins Freie. Die Kaserne lag etwas abseits der Stadt, daher trainieren die Krieger gerne außerhalb der Kaserne. Er schlenderte den Weg entlang, als er einige eifrige Krieger beim Trainieren bemerkte. Er selber war nicht faul, aber er war zu erschöpft, um an seinen freien Tag zu trainieren. Er entschloss sich aber den Trainierenden zu zuschauen. Vier junge Männer standen mit ähnlicher Rüstung wie Leonard vor dem General. Obwohl der General ihnen seinen Namen mitgeteilt hatte, nannte ihn alle in der Kaserne schlicht Chef. Die vier Krieger, wie Leonard erst jetzt erkannte, waren Feuerherrscher. Sie hatten einen Umhang dessen Ränder golden waren. Das wollte er sich nicht entgehen lassen. Er setzte sich auf eine freie Bank unweit der fünf Krieger. Chef sprach zu den vier jungen Männern und dann stellten sie sich auf einen Wink von ihm gegenüber auf. „Los!“ hörte Leonard Chef rufen, als die Schwerter der Krieger plötzlich in Flammen gehüllt auf einander prallten. Das Klirren war erschreckend laut und in einer so schnellen Abfolge, dass Leonard sich wunderte, woher die jungen Männer nur die Kraft nahmen, so schnell zuzuschlagen. Einer der Krieger kam ins Straucheln und wider Erwarten Leonards schlug der andere nicht zu sondern nahm die freie Hand und schlug in die Luft in Richtung des Strauchelnden. Eine kleine Flamme schoss aus der Hand und traf den Krieger auf der Brust, sodass er umfiel und die Hand als Zeichen der Niederlage hob. Leonard und einige andere, die sich um die vier Krieger versammelt hatten, fingen an zu klatschen. Die anderen beiden Kämpfer waren immer noch im Kampf verwickelt und nun lenkte Leonard seine Aufmerksamkeit ihnen zu. Die Schwerter, die beide nur mit einer Hand hielten schlugen und parierten einen Schlag nach dem anderen. Ab und zu schlugen die Kontrahenten mit der freien Hand Feuerbälle auf den Gegner, der aber meistens mit einer lässigen Handbewegung den Feuerball zerpuffen ließ. Nach einigen Momenten ließ die Flamme, die das Schwert einschloss nach und wurde kleiner, bis sie gar erlosch. Das passierte, wenn der Feuerherrscher seine Kraft verlor. Der andere schien noch bei voller Kraft zu sein und ließ nun das Schwert fallen, wobei die Flamme, die dieses Schwert umschloss sofort erlosch und schoss nach einander mit beiden Händen Feuerbälle auf seinen Gegner. Dieser konnte den ersten noch ausweichen oder parieren, aber dann trafen ihnen einige Feuerbälle und er flog einige Meter nach hinten, wo er liegen blieb und langsam die Hand hob. Wieder klatschten die Leute und der Chef gratulierte den beiden Siegern. „Damit seit ihr beide im Finale. Heute Abend kurz vor Sonnenuntergang kämpft ihr beiden.“ sagte der Chef und drehte sich dann um und ging fort. Leonard stand grübelnd da und beobachtete die vier Krieger, die sich zusammen setzten und anfingen sich zu unterhalten. Leonard wollte das Finale des kleinen Turniers nicht verpassen und als er seinen Tagesablauf im Kopf durchging, bemerkte er, dass er in einer knappen Stunde mit Grock verabredet war. Obwohl er das Verlangen hatte mit den Feuerherrscher zu reden, musste er sich zwingen wieder in sein Gemach zu gehen, denn er musste einige wichtige Dokumente, die er für Grock beschafft hatte, mitnehmen. Er schlenderte zurück zur Kaserne und bewunderte die schöne Landschaft, die ihn umgab. Die Bäume trugen schöne grüne Blätter und die üppigen Büsche waren voll mit Beeren. Er kam an einem besonders schönen Busch vorbei dessen rote Beeren im Sonnenlicht funkelten. Da er selber nur wenig von Naturkunde verstand, genehmigte er sich lieber keine. Doch die Beeren sahen so verlockend aus, dass er trotzdem einige in pflückte und sie in seine Tasche legte. Er würde später einen der Alchimisten fragen, ob man diese Beeren essen kann. Vielleicht würde er, wenn sich herausstellt, dass es leckere Beeren waren, noch mal hier her kommen und weitere pflücken. Seine Gedanken schweiften ab. Er dachte an einen leckeren Teller voll mit leckerem Obst, als er schon die Tore der Kaserne erreichte. Die Wachen grüßten ihn respektvoll und Leonard ging durch die große Öffnung der Mauer. Im Inneren war die Kaserne, anders als von außen zu erwarten, sehr ordentlich und sauber. Der Weg, der vor der Kaserne noch gepflastert war, verwandelte sich in einen weißen Weg aus Marmor. Der Weg teilte sich in zwei, um einem großen Brunnen in dessen Mitte eine Statue eines Kriegers, der gerade einen Feuerball abschoss, Platz zu machen. Der eine Weg führte zum Trainingsgelände, wo mehrere Holzpuppen und andere Zielobjekte standen. Leonard nahm den anderen Weg, der zum großen Salon der Kaserne führte. Die großen dunkelbraunen Eichenholztüren standen offen und die großen Kronleuchter waren zu erkennen. Leonard schritt hinein und machte sich auf den Weg in den zweiten Stock, wo er sein Zimmer mit drei anderen Kämpfern teilte. Die Tür stand offen und als er hinein trat war eine schüchterne Dame jungen Alters damit beschäftigt das Gemach zu säubern. Leonard grüße sie höflich, worauf die junge Dame eine Verbeugung machte. Leonard nahm ein paar Pergamente aus seinem Schrank und verschwand dann wieder aus dem Zimmer.
Leonard ging die Treppe hinunter und sah sich die Gemälde an den Wänden an. Es waren Abbildungen früherer Feuerherrscher. Leonard durchzuckte das alte Verlangen, welches er schon als kleiner Junge hatte. Er selber wollte schon immer ein Feuerherrscher werden. Er ging damals kaum wurde er volljährig zur Kaserne und wurde dankend aufgenommen. Leider musste er erfahren, dass man die Kunst des Feuers nicht erlernen konnte, sondern dass diese Gabe, wie die Leute es nannte, hat oder nicht hat. Wenn man die Gabe besitzt so heißt es, dann werden sich die Schwerter von alleine in Flammen hüllen und das Feuer wird dem Feuerherrscher Kraft geben. Er trainierte jeden Tag hart, aber seine Schwert hüllte sich nie in Flammen. Nun war er bereits über vierzig Jahre und gab die Hoffnung auf jemals ein Feuerherrscher zu werden. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Leonard vor der Tür des Legionsführer stand. Er klopfte an und die Tür ging nach innen auf. Leonard trat hinein und ging zum Schreibtisch, der am Ende vor einem großen Fenster, durch welches hellen Licht schien, stand. Er erkannte Grock der aufstand und Leonard freundlich die Hand schüttelte. Leonard war schon seit über zwanzig Jahren in dieser Kaserne und so hatte er den höchsten Rang erklommen, den ein normaler Krieger erlangen konnte. Er war Kasernenwächter und musste sich um alle Angelegenheiten rund um die Kaserne kümmern. Leonard und Grock setzten sich auf zwei Lehre Stühle und als Leonard die Pergamente auf den Tisch legte, begann Grock an zu sprechen: „Und was habt ihr herausgefunden?“ „Nicht so viel wie ich mir erhofft hatte, aber genug um weitere Schritte einzuleiten.“ antwortete Leonard. „Gut, erzählt mir alles, was ihr wisst. Ich habe keine Lust das alles zu lesen“ sagte Grock und deutete auf den Stapel Pergamente, der auf dem Tisch lag. „Der Dieb Rolf, ist wie wir dachten nur ein kleiner Fisch. Ich habe einen meiner jungen Soldaten beauftragt sich der Diebesgilde anzuschließen. Es war sehr schwierig, wie sich herausstellte, denn die Diebe kennen so gut, wie jeden Soldaten der Kaserne, daher musste ich eine sehr jungen Mann auswählen. Selbstverständlich habe ich ihn nicht willkürlich ausgewählt, da es eine sehr heikle Mission ist.“ „Du brauchst dich nicht vor mir rechtfertigen, Freund.“ sagte Grock und lächelte seinem Freund zu. „Tut mir Leid. Also der junge Mann hatte es nach einiger Zeit dann endlich geschafft in die Diebesgilde zu kommen. Natürlich war der Kontakt zu mir sehr gefährlich, weil die Diebe schnell etwas herausfinden könnten. So haben wir uns des Nachts in der Taverne zum goldenen Pony getroffen und dort hat er mir alles erzählt, was er weiß.“ Leonard sah in die Luft und grübelte nach. „Die Diebesgilde scheint nicht an die kleinen Dörfer hier im Süden interessiert zu sein. Diese überfallen sie nur um sich über Wasser halten zu können. Einer der einflussreicheren Diebe, den Namen habe ich noch nicht in Erfahrung bringen können, plant eine Überfallsnacht. Er möchte die Hauptstadt überfallen. Ich habe keine Ahnung, ob er größenwahnsinnig ist, oder genial, aber er scheint es ernst zu meinen. Wir sollten die Legion der Hauptstadt informieren.“ „Gut, ich werde noch heute einen Boten losschicken.“ „Lieber mehrere, die Diebe sind zur Zeit ziemlich aktiv.“ Grock nickte, aber sein Gesicht verriet, dass er über etwas grübelte. „Was ist los?“ fragte Leonard. Grock blickte auf und sah seinen Freund in die Augen: „Ich habe da eine Idee, aber... nein, das geht nicht!“ Grock ließ den Blick wieder sinken und betrachtete die Tischkante. „Was für eine Idee?“ hakte Leonard nach und fasste seinen Freund an die Schulter. „Wir brauchen einen erfahreneren Krieger in der Diebesgilde, aber mir fällt keiner ein, außer dir.“ Grock und Leonard schauten sich einige Sekunden in die Augen und die Stille fechtete den Konflikt der beiden aus. „Okay, aber wie soll ich in die Diebesgilde kommen?“ sagte Leonard ernst. Grock sah etwas erschrocken aus, aber antwortete ernst: „Ich werde dich aus der Kaserne verbannen.“ Das reichte schon und Leonard verstand den gesamten Plan. Wenn er erstmal verbannt wurde, dann würde die Diebe ihn bald finden und dann könnte er als Ausgestoßener leichter in die Diebesgilde gelangen. Aber, wenn sie etwas vom Plan mitbekommen, dann ist Leonard völlig auf sich alleine gestellt. Die beiden unterhielten sich noch einige Minuten, bis es plötzlich an der Tür klopfte und die Tür wieder aufschwang. Leonard fragte sich schon seit vielen Jahren, wie die Tür scheinbar von Geisterhand einfach aufschwingt. Ein großer Mann trat hinein und Leonard erkannte, dass es Chef war. Chef grüßte sie beide und sagte dann mit kräftiger Stimme: „Legionsführer, die Krieger würden sich freuen mit ihnen das Finale des Sommerturniers zu erleben.“ Grock nickte und sagte dann ebenfalls mit kräftiger Stimme: „Gut, ich werde da sein. Aber hoffentlich lohnt es sich.“ Leonard schien so etwas wie ein Lächeln auf dem Gesicht des Generals zu erkennen, als dieser sich umdrehte und wieder durch die Tür trat, die sich von alleine schloss. Leonard verabschiedete sich von Grock und machte sich alleine auf den Weg zum Finale, da Grock noch wie er sagte einiges zu tun hatte.
Leonard zog, als er in seinem Zimmer war die Rüstung aus und streifte die einfache aber dennoch elegante weiße Kleidung über, die jeder höher gestellte Krieger besaß. Als er nach draußen trat, war es bereits dunkel doch die Fackeln die rings herum an der Kaserne angebracht waren erhellten die Nacht. Es war nicht schwer den Austragungsort des Finales zu finden, da Dutzende Krieger, manche in einfacher Rüstung, manche in weißer Kleidung wie Leonard, alle in eine Richtung drängten. Es war unweit des großen Brunnens eine kreisförmige Fläche abgebaut. Die Krieger drängten sich alle darum und Leonard war froh zu den höheren Kriegern zu gehören, denn für sie wurde eine Tribüne aufgebaut, die aber bereits sehr voll war. Leonard lief die Treppe zur Tribüne hinauf und konnte sich einen Platz sichern, von dem aus er wunderbar auf das Kampffeld sehen konnte. Es waren viele wichtige Leute zugegen. Der Ausbildungsleiter Rukor und die zwei Hauptstadtdiplomaten, die von der Kaserne der Hauptstadt in die umliegenden Kaserne geschickt wurden, um nach fähigen Kriegern Ausschau zu halten, unterhielten sich und Leonard konnte ein Teil des Gespräch mitverfolgen. „Er ist wirklich ein guter Kämpfer, aber ich glaube er benötigt noch viel Übung.“ sprach Rukor, der Ausbildungsleiter. „Er kann auch in der Hauptstadt weiter trainieren. Ich werde mein Empfehlen auf jeden Fall zum Legionsoberhaupt schicken lassen.“ sagte einer der Diplomaten. „Aber hier sind seine Freunde und er sollte hier seine Ausbildung beenden.“ sprach Rukor, aber brach dann ab, weil unten auf dem Kampfplatz der Chef stand und mit den Händen um Ruhe bat. Nach dem alle still waren, sagte er mit lauter Stimme, die überall zu verstehen war: „Heute Abend werden wir den besten Feuerherrscher ermitteln. Ich hoffe ihr alle habt Spaß.“ Die Menge jubelte und klatsche. Kurz nach dem es wieder still wurde, sagte Chef erneut: „Hier sind die Kontrahenten! Fireiko von Sandbergen!“ die Leute schrien und jubelten erneut. „Und hier ist Herold Beiro!“ Im Getöse stellten sich die Krieger mit dem gold umrahmten Umhängen gegenüber auf und zogen die Schwerter. Die Schwerter schienen noch völlig in Ordnung, bis sie plötzlich von riesigen Flammen umschlossen wurden. Die beiden Krieger übertrieben ein wenig mit dem Feuer, aber es erfreute die Zuschauer, die erstaunt stöhnten. Der Chef trat aus dem Ring und warf eine weiße Feder in die Höhe. Jeder wusste, was das bedeutete. Sobald die Feder den Boden berührte, ging es los. Es war vollkommen Still, als die Feder langsam Richtung Boden gleitete. Jeder schien den Atem anzuhalten, bis die Feder endlich den Boden berührte und die beiden Krieger auf einander losgingen. Die Flammen zuckten hell auf, als Metall auf Metall, oder besser Feuer auf Feuer traf. Die Kombinationen mit denen die Krieger angriffen und abwehrten, kannte Leonard alle, aber er wunderte sich dass zwei so junge Männer, die nicht älter als 25 sein konnten, so kraftvoll und präzise ihre Schläge verteilten. Es ging einige Minuten so weiter, ohne dass einer der Krieger einen Feuerball abschoss, als plötzlich Herold seine freie Hand nach vorne schnellen ließ und ein großer Feuerball auf Fireiko zu flog. Fireiko hatte den Feuerball zu spät gesehen und konnte nicht mehr ausweichen. Er nahm beiden Hände vor die Brust, um sich zu schützen, aber der Feuerball hatte solche Wucht, dass Fireiko einfach weggeschoben wurde. Tiefe Rillen im Sand wurden sichtbar, als Fireiko nach hinten geschoben wurde. Der Feuerball wurde kleiner und verschwand dann ganz. Eine knapp zwei Meter lange Spur hatte Fireiko mit seinen Stiefeln hinterlassen. Die ledernen Handschuhe, die Fireikos Hände schützen sollten waren versengt und offenbarten die freien Hände. Fireiko aber schien völlig unbeeindruckt und schritt voran um wieder in den Angriff überzugehen. Nun wurde der Kampf nicht nur mit dem Schwerte sondern auch mit der Macht des Feuers ausgefochten. Feuerbälle und Blitze durchzuckten die Nacht und der Kampf schien kein Ende zu nehmen, bis diesmal Herold einem Feuerblitz nicht ausweichen konnte und nach hinten fiel. Er lag am Boden und versuchte aufzustehen, aber Fireiko machte es ihm unmöglich, da er weitere Feuerbälle auf ihn niederprasseln ließ. Fireiko kam näher und es schien dass Herold nun keine Chance mehr hatte, aber als Fireiko nur noch wenige Schritte von Herold entfernt war, rollte sich dieser zur Seite, sodass die Feuerbälle in den Sand rasten. Herold schwang sich schnell auf die Beine und ließ das Schwert von seiner Linken quer durch die Luft schneiden, bis die Klinge schließlich auf Fireikos Seite traf. Fireiko stockte der Atem und fiel nach rechts um. Die Waffen der beiden waren eigentlich tödliche Waffen und einen echten Gegner hätte dieser Schlag entzweit, aber die Klingen wurden mit Hilfe eines Zaubers stumpf werden lassen, so als ob man sich mit zwei großen Keulen prügelte. Die Masse schrie auf und Herold hob die Arme, da er der Sieger war. Alle jubelten ihm zu. Leonard klatschte freudig. Ein solch guten Kampf hatte er schon lange nicht mehr gesehen. Er sah sich um und erkannte Grock, der ebenfalls klatschend dastand. Leonard wollte gerade zu ihm gehen, als Grock plötzlich die Tribüne verließ und auf das Kampffeld zu Herold und dem Chef trat. Er gratulierte Herold mit einem Händedruck und drehte sich dann dem Publikum zu und sprach über das ganze Getöse hinweg: „Herold Beiro wird von nun an, an der Akademie des Feuers trainieren und seinem Vaterland jede Ehre erweisen.“ Herold, der bis eben noch grinste und seinen Freunden zugewunken hatte, schien vom Blitz getroffen zu sein. Er stand regungslos da und sah Grock verwundert an. Dieser nickte ihm zu und sagte etwas zu ihm, was Leonard aber nicht verstand. Die Krieger, die dem Finale alle zugejubelt hatten, wussten nicht ob sie sich freuen oder trauern sollten. Es war eine Ehre für jeden Krieger an der Akademie in Taar Ruhn zu trainieren, aber Herold war im Süden der Stadt geboren und war bereits mit 14 Jahren in die Kaserne geschickt worden, da seine Eltern bei einem Überfall der Diebe starben. Jeder in der Kaserne kannte Herold. Herold wurde von einigen seiner Freunde umringt und die Traube machte sich auf den Weg in die Gemächer, da es bereits spät war und morgen wieder ein ganz normaler Arbeitstag begann. Gerade als auch die ersten Zuschauer von dannen gehen wollten, trat Chef noch mal in die Mitte und sprach: „Nun werden euch die Feuerherrscher noch einige Übungen zeigen. Jeder der etwas beeindruckendes sehen möchte, sollte lieber hier bleiben.“ Da traten mehrere Krieger auf das Kampffeld und schossen mit Feuerbällen, die sich zu kunstvollen Mustern im Nachthimmel verwandelten, bevor sie verschwanden. „Und hier ist der Drache des Südens!“ schrie einer der Feuerherrscher und alle acht Feuerherrscher ließen Feuer in den Himmel steigen, das sich am Himmel zu einem hellen flackernden Drachen verwob. Sie ließen ihn durch die Luft gleiten und Zuschauer kamen nicht zum Klatschen, da sie so verblüfft waren. „Der Mann des Feuers!“ schrie jemand und der Drache verpuffte. Einer der Krieger war ganz in Flammen gehüllt. Er schritt langsam auf und ab und sein ganzer Körper schien zu brennen. „Echt beeindruckend“, dachte sich Leonard. Die Feuerherrscher zeigten noch weitere Feuertricks, aber Leonard entschloss sich in sein Gemach zu gehen und auf den morgigen Tag zu warten. Er stieg gerade die Treppe hinab als er Carl erkannte. Carl war Alchimist hier in der Kaserne und ein Freund Leonards dazu. Leonard ging auf ihn zu und als Carl ihn erkannte blickte er freundlich auf und grüßte ihn höflich. „Was gibt es, Freund?“ fragte Carl als erster. „Warum weißt du, dass ich etwas von dir möchte?“ fragte Leonard verwundert. „Das sieht man dir an, Leonard. Aber ist ja auch egal. Sag einfach was dir auf dem Herzen liegt.“ „Hier“, Leonard hielt ihm einige der Beeren hin, die er draußen vor der Kaserne gepflückt hatte, „kann man die essen?“ Carl nahm eine der Beeren und begutachtete sie. Er hielt sie nahe vor seinem Gesicht, als ob er nach kleinen Lebewesen auf den Beeren suchte. „Das sind Kreuzbeeren.“ sagte er dann plötzlich. „Und?“ „Ich würde sie lieber nicht essen. Sie werden dich bei geringen Verzehr nicht töten, aber sie machen einen üblen Durchfall. Erst bei zu viel kann das Gift so schädlich werden, dass man dem Tode ins Boot hüpft.“ Leonard mochte die Sprechweise von Carl. Es war immer wieder amüsant ihm zuzuhören. „Vielen Dank, ich hatte gehofft ich könnte daraus ein Festmahl machen.“ sagte Leonard und ging fort. Carl winkte ihm zum Abschied und ging dann ebenfalls fort. Die Alchimisten lebten nicht im großen Salon, sondern hatten ihr eigenes Gebäude, aus welchem täglich Rauch aufstieg, wenn eines der Experimente fehlschlug. Es gab nur wenige Alchimisten, aber deshalb wurden sie so hoch angesehen. Das Gebäude der Alchimisten war das wohl am gemütlichsten eingerichtete. Leonard dachte an das Gemach, in welchem er Carl einst als kleiner Bursche eine Nachricht überbrachte. Das Gemach war genau so groß, wie das in dem Leonard nun schlief, aber Carl hatte es für sich selber. Die weißen Vorhänge vor den Fenstern und der lodernde Kamin fielen Leonard wieder ein und er wurde ein wenig eifersüchtig, aber als in seinem Gemach ankam und sich auf sein weiches Bett fielen ließ, war alle Eifersucht vergessen und er freute sich auf den erholsamen Schlaf.


Der blaue Schimmer



Die Sonnenstrahlen fielen ihm ins Gesicht und Ricardo kniff die Augen zusammen. Es war bereits lange nach Sonnenaufgang und so machte er sich daran aufzustehen. Wie gewöhnlich bildete er mit seinem Händen ein Schale und ließ sich das kalte Wasser, welches sein Vater jeden Morgen aus dem Brunnen holte, ins Gesicht spritzen. Nun war er endlich richtig wach und erinnerte sich an den gestrigen Tag. Nicht nur dass er zum talentierten Wolf ernannt wurde, sondern auch an die Bitte des weisen Wolfes. Er ging zu seinem Bett und nahm den Kurzbogen heraus und legte sich ihn um die Schulter. Er sah bestimmt aus wie ein richtiger Jäger, dachte er und machte sich auf den Weg. Seine Füße trugen ihn zum alten Baum, wo sich die vier Freunde immer trafen. Sarah und Diego waren bereits da und unterhielten sich kichernd. Als sie Ricardo erkannten, kamen sie auf ihn zu, um ihn zu begrüßen. „Was war denn eben so lustig?“ fragte Ricardo die beiden. Sie sahen sich an und dann sagte Diego: „Ach, gar nichts. Ich hab ihr nur einen Witz erzählt.“ Ricardo glaubte dies zwar nicht, aber er sagte nichts weiter. „Wollen wir nicht mal wieder zum blauen Schimmer?“ fragte Sarah und wieder fingen sie und Diego an zu lachen. Ricardo guckte mürrisch, weil er nicht verstand, was so lustig war. „Nun komm schon!“ sagte Diego, der mit Sarah bereits voranging. Ricardo folgte ihnen und hakte einige Male nach, was denn so lustig sei, aber die beiden blieben hart und sagten nichts. Als sie den kleinen Fluss, der im Sonnenlicht funkelte, erreichten, setzten sie sich auf einen der großen Steine, die am Rande des Flusses standen. Wieder kicherten Diego und Sarah und langsam reichte es ihm. Was war denn so lustig, was sie ihm nicht erzählen konnten. Plötzlich kreischte Sarah auf: „Hilfe, da ist etwas im Busch!“ Ricardo blickte zur Stelle auf die Sarah deutete und erhaschte einen kurzen Blick auf ein schwarzes Bein. Ricardo zog seinen Bogen und machte sich auf leisen Sohlen auf den Weg. Er wurde immer langsamer, bis er schließlich den Strauch erreichte und als er sich gerade umdrehen wollte, weil dort nichts war, kam ein großer hässlicher Bär auf ihn zu gesprungen. Ricardo wich zurück und rutschte auf einer Pfütze aus. Er strauchelte rückwärts und fiel ungeschickt in den Fluss. Die Strömung war zu stark, so dass Ricardo von seinen Freunden weggetrieben wurde. Er versuchte sich verzweifelt an einen der Steine festzuhalten, aber sie waren rutschig wegen der ganzen Algen. Er hörte noch wie Diego und Sarah nach ihm riefen, doch dann waren sie außer Reichweite.
Es kam ihm vor als trieb er stundenlang auf dem Fluss entlang ohne jede Möglichkeit sich an Land zu ziehen, bis er plötzlich einen Stab bemerkte. Er wunderte sich, da er vor einer Sekunde noch nicht da war, aber er hielt sich an ihm fest und obwohl Ricardo damit rechnete, dass der Stab einfach abbrechen würde, blieb er an der Stelle stehen. Der Stab war aus edlem Kiefernholz gefertigt und war am Griff von meisterlicher Handwerkerhand verfeinert worden. Er konnte sich an den Rand des Flusses hieven und hielt sich an einer Wurzel fest. Als er endlich aus dem Wasser kam und sich aufrichtete, hatte er keine Ahnung, wo er war. Der Fluss hätte ihn meilenweit wegtreiben können. Er sah sich um und zu seinem Entsetzen war der edle Stab nicht mehr im Wasser. Er blickte sich um und sah ein leichtes Flackern. Das musste Feuer sein, dachte er sich und rannte darauf zu. Er erkannte, dass hinter einem etwas dickeren Baum ein Feuer brannte und ging darauf zu. Als er das Feuer erreichte, erkannte er Graham, der sich an einen Baumstamm lehnte und ihn ansah. „Was machst du denn hier draußen?“ fragte Graham, der belustigt aussah. „Ähm, ich habe mich verlaufen.“ sagte Ricardo. „Du meinst wohl eher verschwommen.“ entgegnete Graham und deutete auf Ricardos nasse Sachen. „Ja, ich bin...“ Es war ihm peinlich, dass er ins Wasser gefallen war, aber er brauchte es auch nicht aussprechen, da Graham das Thema wechselte. „Und deine Freunde sind immer so nett zu dir?“ „Wie bitte?“ Ricardo wusste nicht, was der Geschichtenerzähler meinte. „Naja, sie haben dich doch reingelegt.“ Langsam dämmerte es Ricardo. Der Bär. Es war kein Bär, das musste Klyron gewesen sein, der sich verkleidete hatte. „Oh, du weißt es nicht einmal? Es war nur ziemlich dumm von deinen Freunden. Denn wäre ich nicht hier gewesen, dann wärst du vielleicht bis ins offene Meer getrieben worden.“ Gut, dass er hier war? Er hatte ihn doch gar nicht gerettet. Scheinbar war ihm der Gedanke vom Gesicht ablesbar. „Ein so schöner Stab, steht ja wohl nicht aus Versehen im Fluss.“ sagte Graham und nahm den dunkelbraunen Stab in die Hand. „Aber, wie haben sie das gemacht?“ fragte Ricardo, der den Stab anstarrte. „Das ist ein Geheimnis welches ein Wolf deines Ranges wohl nicht lüften sollte.“ Graham lächelte und stand auf. „Ich werde dich mal lieber wieder ins Dorf bringen. Nicht, dass sich deine Eltern Sorgen machen. Wie heißt du mein Junge?“ Ricardo wusste nicht warum, aber wollte dem alten Mann nicht seinen echten Namen verraten. War es, weil er ihn beschatten sollte oder war es die unheimliche Aura die von dem Geschichtenerzähler ausging? In der Larain schien er immer so nett, aber hier draußen im Wald war Graham ihm unheimlich und so sagte er: „Diego Throk. Und wie heißt du?“ „Graham, der Geschichtenerzähler, der Wolf, der Leise, der Dreckige. Nenn mich wie du willst.“ Graham stand auf und ging voran. Ricardo folgte ihm und der alte Mann war erstaunlich schnell, sodass Ricardo fast rennen musste, um mit ihm mithalten zu können. „Woher kommst du eigentlich?“ fragte Ricardo, der sich an die Worte des weisen Wolfes erinnerte. „Weit aus dem Norden. Dort gibt es Städte, die nicht mal euer weiser Wolf kennt.“ sagte Graham locker. Etwas, was der weise Wolf nicht weiß? So etwas gibt es gar nicht. Doch Graham strahlte eine Strenge aus, die Ricardo schweigen ließ. Sie gingen einige Minuten einen Weg entlang, den Ricardo noch nie gesehen hatte und als er zurückblickte blieb ihm der Atem stehen. Der helle Sandboden, auf denen sie gingen verschwand im Wald sobald sie einige Schritte vorwärts gingen. Graham sah Ricardo an, der nun bleich wurde und sagte: „Es gibt Sachen, die du mein junger Wolf Diego noch verstehen wirst.“ Ricardo wusste nicht, ob er sich freuen oder ängstlich sein sollte. „Was weißt du über Mariven?“ fragte Ricardo freundlich. „Hat man euch in der Schule nicht gelehrt einem alten Mann nicht zu erzürnen?“ „Nein, wir sollen immer fragen, wenn wir eine Frage haben, denn nur so kann man mehr Wissen erlangen.“ „Weise Worte. Aber auch über Mariven sollst du nichts erfahren.“ „Warum nicht?“ „Weil ich es sage.“ Ricardo war enttäuscht, doch er ließ sich nichts anmerken und ging weiter neben den alten Mann her.
Ein kleines Surren drängte sich in Ricardos Ohren. Es war sehr leise, aber beständig. Er schaute sich um, aber konnte nicht erkennen, was die Ursache sein könnte. Er blickte zu Graham auf, der grinste, aber scheinbar nichts hörte. Nun sah Ricardo das Dorf und war erleichtert und gerade als er darauf zu rennen wollte, blieb Graham stehen. Ricardo drehte sich um und Graham sprach mit leiser aber deutlicher Stimme: „Wir werden uns ein anderes Mal sehen Diego. Ich hoffe dann bist du bereit.“ Ricardo sah ihn verdutzt an, aber als Graham weiter nichts sagte, drehte Ricardo sich um. Doch dann wollte er doch noch etwas fragen. Als er sich erneut umdrehte, war niemand mehr da. Er blickte sich um, aber Graham war nirgends zu sehen. Angst machte sich in Ricardo breit und er rannte zum Dorf. Es kamen ihm mehre Männer, darunter auch sein Vater entgegen. Als sie ihn sahen, wurden ihre Gesichtszüge weich. „Dir ist nichts passiert?“ sagte Ricardos Vater. Es war mehr eine Aussage als eine Frage. Ricardo nickte und die Männer drehten sich um und gingen ins Dorf. Ricardo lief neben seinen Vater her, der ihn beobachtete. „Was ist passiert?“ fragte er Ricardo leise. „Ich habe mich aus dem Wasser gerettet und bin dann hierher zurück gelaufen.“ antwortete Ricardo. Sein Vater schien das eine gute Erklärung zu sein und so fragte er nicht weiter nach. Ricardo, aber wollte unbedingt zu seinen Freunden. Er würde ihnen den Hlas umdrehen. Sein Vater und die anderen Männer ließen ihn alleine und Ricardo ging zum alten Baum. Er zog seinen Bogen hervor und legte einen Pfeil auf die Sehne. Kaum war der Baum in Sicht, erkannte Ricardo seine drei Freunde, wie sich unterhielten. Er war sauer auf alle drei und er spannte den Bogen, zielte und ließ los. Der Pfeil surrte durch die Luft und traf den Baum nur wenige Zentimeter an Diegos Gesicht vorbei. Diego schrak auf und drehte sich um: „Verdammt, was soll das?!“ brüllte er und als er Ricardo erkannte, wurde seine Stimme leiser. „Tut mir Leid, Mann. Wir wollten nicht, dass du ins Wasser fällst.“ „Das hättet ihr euch vielleicht früher überlegen sollen.“ schnauzte Ricardo sie alle drei an. Sarah saß auf einer Wurzel und wagte es nicht Ricardo ins Gesicht zu sehen. „Ich dachte du wärst vernünftiger!“ sprach Ricardo direkt zu Sarah. Sarah antwortete nicht und ein leisen Schluchzen ließ Ricardo bewusst werden, dass sie weinte. Doch es war ihm egal. Er drehte sich um und ging den Weg entlang, der zum großen Marktplatz führte. Die drei anderen machten keine Anstalten ihm zu folgen und blieben zurück.
Der Marktplatz war wieder voller Stände und ein reges Treiben ließ den Alltag in die Stadt zurückkehren. Ricardo fasste sich an den Gürtel, doch hatte er seinen Geldbeutel vergessen. Oder er hatte ihn bei seiner Badeeinlage verloren. Die Wut in ihm wurde noch größer und er trampelte durch die Stände. Als er eine rote Frucht entdeckte, die auf einem Stand lag, knurrte sein Magen mürrisch. Warum hatte er nur sein Geld vergessen? Ricardo sah sich um und ließ seine Augen zu Schlitze werden. Plötzlich wurde alles langsamer und lauter. Die Bewegungen der Menschen um ihn herum kamen ihn sehr langsam vor und er nahm einige Farben in der Luft wahr, als wäre er in einem großen Wasserbecken. Es schimmerte blau um ihn herum und nur etwas weiter entfernt wurde es rot. Er erkannte, dass ein Mann in roten Schleier gehüllt war. Er wusste nicht, warum seine Augen ihm diesen Streich spielten, aber als er sich erneut umdrehte und die Frucht erblickte, bemerkte er, dass niemand es sehen würde, wenn er sie einfach in seine Taschen fallen lassen würde. Er tat es und zu seinem Erstaunen waren seine Bewegungen nicht so langsam, wie die der anderen. Er sah sich um und der Mann, der in dem roten Schleier gehüllt war, kam auf ihn zu. Ricardo bekam Panik und rannte davon. Als er den Marktplatz verlassen hatte wurde alles um ihn herum wieder schneller. Das blaue Schimmern ließ nach und er fasste sich in die Tasche. Er nahm die rote Frucht heraus und biss hinein. Der leckere Saft löschte seinen Durst und das Fruchtfleisch seinen Hunger. Als er die Frucht vollständig aufgegessen hatte, machte er sich auf den Weg zum alten Baum. Er war zwar noch immer sauer auf seine Freunde, aber die heutigen Ereignisse waren einfach zu merkwürdig, als dass er sie niemanden erzählen könnte. Zu seinem Bedauern war nur noch Sarah dort und spielte mit einem kleinen rosa Band, welches sie geschickt in ihren Händen drehte und wendete. Als Ricardo näher kam, sah sie auf und kam auf ihn zu. Obwohl die Wut noch nicht völlig verebbt war, überkam ihn das Gefühl, was er jedes Mal hatte, wenn er Sarah sah. Er blickte in ihre tiefen, grünen Augen und musste lächeln. Sie fing ebenfalls an zu lächeln und umarmte ihn. Ricardo erwiderte die Umarmung und nach einigen schönen Momenten ließ sie ihn los. „Es tut mir wirklich Leid. Wir wollten nur, dass du dich erschreckst. Du talentierter Wolf.“ Ricardo lachte und sie sprach weiter: „Aber erzähl, wie hast du nach Hause gefunden.“ Die Sätze sprudelten nur so aus ihm heraus und er erzählte ihr alles, was er erlebt hatte. Von Graham, der mehr wusste, als man glaubte und von seinem Diebstahl, wo Sarah ihn sofort böse anguckte. „Ich werde es ja zurückzahlen.“ versprach Ricardo und das schien Sarah zu genügen. „Ich denke wir sollten den anderen beiden davon nicht erzählen.“ sagte Sarah. „Die werden nur irgendwelche dummen Witze darüber machen. Wir können ja eventuell herausfinden, wer dieser Graham wirklich ist.“ Ricardo wusste nicht, ob er ihr davon erzählen sollte, dass der weise Wolf ihm genau diese Aufgabe erteilte, aber er ließ es bleiben, da der Weise auch gesagt hatte, dass niemand davon erfahren sollte. „Klar können wir das. Ich glaube ich weiß, wo er seinen Lagerplatz hat.“ antworte Ricardo. Sie einigten sich, dass sie sich heute Abend treffen würden. Nach dem sie bei ihren Eltern gegessen hatten. Ricardo ging schnurstracks zu seinem Haus und er nahm einen süßen Geruch war. Der Magen knurrte schon wieder und er freute sich, dass er nun etwas zu essen bekommen würde. Als er in das Haus trat, saßen seine Eltern bereits am Tisch und wartete auf ihn.
Nach dem Essen machte Ricardo sofort auf den Weg, doch wurde von seinem Vater aufgehalten. „Heute gehst du nicht mehr weg.“ sagte er mit fester Stimme. „Aber ich habe mich mit Sarah verabredet.“ antwortete Ricardo trotzig. „Dann wirst du zu ihr gehen und sagen, dass ihr euch ein anderes Mal trefft. Morgen musst du wieder zum Unterricht.“ Ricardo nörgelte noch ein wenig herum, aber sein Vater blieb streng. So machte er sich dann schließlich doch auf den Weg, aber nicht um Graham zu suchen. Kaum war er einige Schritte gegangen sah er Sarah die auf ihn zukam. Sie schien ein wenig bedrückt, als sie näher kam. „Was ist los?“ fragte Ricardo sofort. „Ich darf nicht mehr raus. Wollte dir nur sagen, dass du nicht auf mich warten musst.“ entgegnete sie ihm. Er legte seine Hand auf ihre Schulter und sprach leise zu ihr: „Das macht doch nichts. Ich darf nämlich auch nicht mehr raus.“ Sie sah ihm ins Gesicht und als sie erkannte, dass er kein Witz machte, lachten sie herzlich. Sie verabschiedeten sich mit einer Umarmung und Ricardo überkam das Gefühl von Geborgenheit und Zuversicht. Er tänzelte nach Hause und legte sich schlafen.

Sarah und Ricardo sahen sich in den nächsten Tagen nur selten, da sie wieder zum Unterricht mussten und Ricardo ein Jahr älter war als Sarah und sie somit nicht in der selben Klasse waren. Ricardo war gerade auf den Weg in eines der Gebäude in denen sie etwas über die Entstehung der Erde lernten. Es war eines der interessanten Teile der Lehre. Ricardo war schon immer von den Geschichten der Götter, die in ihrer Macht entschieden wie die Welt aussieht, fasziniert. Aridur war der Gott, der die ersten Menschen erschaffen hatte und ihnen ein friedvolles Leben ermöglichte. Doch Aridurs Bruder wurde eifersüchtig auf seinen Bruder und erschuf ebenfalls Menschen. Der Krieg zwischen beiden Völker war das Hauptthema, welches sie gelehrt bekamen und obwohl es Ricardo interessierte, stellte er gewöhnlich andere Frage, die aber von den alten Wölfen immer abgewiesen wurden. Er fragte sich warum Aridur und sein Bruder stritten und ob es noch andere Götter gab und wenn, ob sie auch Menschen erschaffen hatten. Wo lebten diese Menschen? Er malte sich gerne in Gedanken aus was es noch alles jenseits des Meeres gab und was im Norden – noch nördlicher als der Himmelswald – war. Und plötzlich kam ihm der Gedanke. Er würde Graham danach fragen. Graham reiste viel und er wird wissen, was es noch für Menschen gibt. Doch kaum hatte er den Gedanken in Worte fassen können, geriet er in eine Zwickmühle. Warum wollte der weise Wolf, dass er Graham beschattete? Es gab nur eine Erklärung dafür: Graham war gefährlich. Aber das Verlangen Graham nach Informationen zu fragen war mindestens genau so stark wie die Angst, dass Graham etwas im Schilde führen könnte.
Ricardo kam aus dem Gebäude hinaus und ließ die vergangene Stunde an ihn vorbei ziehen. Der dritte Krieg zwischen den Wölfen und den Mittelländern endete damit, dass sich die Wölfe zurück zogen und den schwarzen Menschen das Land überließen. Und wieder kam Ricardo eine Frage. Warum kämpften die Wölfe nicht weiter? Es war ihre Heimat, aber ließen dennoch ab, um sich woanders ein neues Leben aufzubauen. Es gefiel ihm nicht, dass seine Vorfahren Feiglinge gewesen sein sollten. Er hatte an diesen Tag keinen weiteren Unterricht und so machte er sich auf den Weg Sarah zu suchen. Er fand sie auch recht bald, aber sie hatte noch Unterricht in der Kampfkunst. So machte er sich auf den Weg zum Marktplatz, um dort Graham zu suchen. Doch zu seinem Bedauern war er nicht dort. Gerade kam ihm der Gedanke Graham im Wald zu suchen, denn er wusste noch ungefähr, wo Graham sein Lager aufgeschlagen haben musste. Doch gerade als er losgehen wollte, um zum Südtor zu gehen, hörte er lautes Geschrei wenige Stände entfernt. Als er näher kam, sah er den Markthändler von dem er die rote Frucht geklaut hatte. Ricardo fasste sich an den Gürtel und wollte ein paar Geldmünzen aus dem Beutel holen, als er den Händler sagen hörte: „Diese rote Frucht ist sehr selten und kostet ein Vermögen. Es werden ihr zauberähnliche Kräfte nachgesagt.“ Ricardo erschrak und wurde bleich. Sprach er von der Frucht, die er gegessen hatte? War das vielleicht der Grund für den blauen Schimmer, der sich gebildet hatte? Er war durcheinander und ging ohne Ziel die Straßen entlang, als er bemerkte, dass seine Füße ihn zum Südtor getragen hatten. Ohne weiter darüber nachzudenken ging er durch das Tor zum Wald, aus dem er mit Graham zusammen kam. Als er einige Schritte auf dem Weg entlang ging und meinte sich erinnern zu können, dass er hier mit Graham aus dem Wald kam, bog er in den Wald ein. Doch kaum hatte er zwei Schritte gemacht, wurde es nebelig um ihn herum. Es war genau so, als er die Frucht gestohlen hatte. Doch anstelle eines roten Leuchtens, schien unweit vor ihm etwas helles. Ein weißen Strahlen ließ seinen Augen zu Schlitzen werden. Er sah mit zugekniffenen Augen ein Geschöpf. Sein Körper schien wärmer zu werden und ein wohltuendes Gefühl machte sich in ihm breit. Doch als er nah genug a dem weißen Licht herangetreten war, blieb ihm der Atem stehen. Ein grauer in weißen Lichte gehüllter Wolf stand vor ihm. Die Schulterhöhe des Wolfes überrage seine Hüfte bei weitem. Doch er konnte nicht weglaufen, denn seine Beine gehorchten ihm nicht mehr. Innerhalb weniger Sekeundenbruchteile erlosch das weiße Licht um den Wolf und mehrere rote Schimmer tiefer im Wald wurden sichtbar. Ricardo spürte seine Beine wieder und rannte zurück auf den Weg. Er vernahm das gleiche Surren, das er gehört hatte, als er mit Graham unterwegs war. Er schaute sich um, doch erkannte nicht, außer rote Schlieren, die sich scheinbar schnell auf den Wolf zu bewegten. Er hatte Angst und so lief er den Weg entlang zum Dorf zurück, ohne sich erneut umzuschauen. Als er das Tor erblickte wurden seine Schritte etwas langsamer, aber sein Atem blieb schnell. Was hatte er da gerade gesehen? War das wirklich ein Wolf? Wölfe gab es in dieser Gegend schon lange nicht mehr. Das sagten die alten Wölfe in der Stadt immer. Doch er hatte einen gesehen. Oder spielten ihm seine Augen nur etwas vor. Er ging nach Hause und legte sich aufs Bett. Der Rest des Abends war ereignislos. Er aß wie immer die Tomaten, die seine Mutter im Garten anpflanzte und legte sich schon früh schlafen. Eines schwor er sich. Er würde nicht mehr alleine in den Wald gehen.


Ein Pakt



Die nächsten Tagen waren ereignislos, da Ricardo und seine Freunde zum Unterricht mussten und sie sich daher nur selten in den Pausen sahen. Aber dann kam der letzte Tag vor den vier freien Tagen, die regelmäßig nach elf Tagen Unterricht kamen. Nur noch Kampfkunst und dann würde er vier Tage frei haben, um Graham zu suchen. Er lief fröhlich zum Kampfplatz, wo die jungen Wölfe trainierten und begegnete Diego, der ebenfalls in der Kampfkunst unterrichtet wurde. Es war der erste Unterricht nach dem Sommerfest. Der Lehrer, ein alter weißhaariger Mann, ließ alle jungen Wölfe gegeneinander kämpfen. Er überließ es den Jungen und Mädchen sich ihre Kampfpartner auszusuchen und obwohl Ricardo einer der schlechtesten Kämpfer war, wollte niemand gegen ihn kämpfen. „Wer tritt gegen den talentierten Wolf an? Diego, du doch bestimmt?“ sagte der Lehrer und Diego, der als der geschickteste Kämpfer galt, machte sich auf den Weg und stellte sich Ricardo gegenüber. „Gut, dann kämpfen wir in Reihenfolge. Die Gewinner kämpfen dann gegeneinander, bis wir einen Sieger haben.“ Ricardo und Diego stellten sich an den Rand, da sie erst später zum Kämpfen kamen. Als erstes waren ein kleiner Junge und ein schlankes Mädchen an der Reihe. Der Junge war mit zwei Kataren bewaffnet. Die zwei klingen, die scheinbar aus den Handrücken wuchsen spiegelte das Sonnenlicht. Kämpfer, die mit Kataren kämpfen, mussten sehr schnell und beweglich sein, da die kurzen Klingen der Katare nur geringe Reichweite boten. Das Mädchen zog einen langen Stab heraus und ließ ihn ruhig in beiden Händen waagerecht vor ihrem Körper wanken. Der Lehrer hob die Hand und ließ den Kampf beginnen. Der kleine Junge machte den Anfang und sprintete auf das Mädchen zu, die mit einer lässigen Bewegung des Stabes den Angriff ins Leere führen ließ. Der Junge stolperte und musste sich nach vorne beugen, um das Gleichgewicht zu halten. Das Mädchen hatte sich elegant auf der Stelle gedreht und hob den Stab weit über ihren Kopf und ließ den zwei Meter langen Stab auf den Rücken des Jungen sausen. Der Junge klappte zusammen und blieb reglos liegen. Der Gewinner stand fest. Es war ein sehr kurzer Kampf, aber dennoch zeigte es die Geschicklichkeit des Mädchens. Dieses verbeugte sich, wie es sich für einen Kampf gehörte und stellte sich neben den Lehrer.
Als nächstes kämpften wieder ein Junge gegen ein Mädchen. Der Junge, diesmal deutlich größer und kräftiger als das Mädchen, war mit zwei einfachen Säbeln bewaffnet. Er legte gerade die weichen gummiartigen Aufsätze auf die Klingen, die verhinderten, dass sich jemand ernsthaft verletzte, als das etwas kleinere, aber dennoch hoch gewachsene Mädchen ihre Dolche aus ihrer Hose zog. Diego tippte auf Ricardos Schulter. „Wetten das Mädchen gewinnt?“ Ricardo schüttelte den Kopf, denn er wusste, dass das Mädchen sehr schnell war. Kaum hatte auch das Mädchen ihre Dolche präpariert, ließ der Lehrer den Kampf beginnen. Anders als der erste Kampf, ging keiner der beiden Kämpfer direkt in einen Angriff über, sondern bewegten sich immer Angesicht zu Angesicht im Kreis. Plötzlich ließ der Junge eines seiner Säbel nach vorne schnellen, doch das Mädchen wich aus und rollte zur Seite. Ricardo wusste was nun kam. Das Mädchen würde eines der Dolche benutzen und den Jungen an der Seite verletzen, aber der Junge reagierte schneller und ließ den zweiten Säbel auf das Mädchen herab fahren. Ricardo kniff die Augen zusammen, aber zum Glück konnte das Mädchen eine weitere Rolle machen und stand nun hinter dem Jungen. Doch dieser drehte sich schnell genug um, sodass das Mädchen keinen Angriff ausführen konnte. Wieder liefen die beiden im Kreis, jeder bedacht, keinen Fehler zu machen, als plötzlich das Mädchen einen der Dolche auf den Jungen warf. Dieser konnte nur knapp mit einem seiner Säbel den zum Wurfmesser gewordenen Dolch abwehren. Und obwohl der Dolch nun neben dem Jungen lag, hatte das Mädchen bereits einen weiteren Dolch in der Hand. Nun kam sie mit leisen, aber schnellen Schritten auf den Jungen zu gelaufen. Dieser schlug einige Male zu, aber das Mädchen konnte mit ihren Dolchen jeden Angriff parieren, bis sich schließlich die Dolche und die Säbel verkeilten und die beiden Kämpfer nur einen Fuß auseinander standen, mit weit ausgestreckten Armen. Es schien, dass der Junge, der mehr Kraft hatte, die Säbel immer näher zum Kopf des Mädchen führte, bis das Mädchen plötzlich dem Jungen einen Tritt in die Seite verpasste. Ein Raunen ging herum, da körperlicher Kontakt verboten war, doch kaum sackte der Junge zusammen, wurden die Zuschauer leise. Ein Dolch steckte in der Seite des Jungen. Obwohl der Dolch präpariert war, durchdrang er den Stoff und das Fleisch. Der Lehrer rannte zu dem Jungen, aber ließ nach einigen kurzen Blicken das Mädchen zum Gewinner erklären. Die Wunde war nicht tief und somit auch nicht gefährlich.
Es wurden noch weitere Kämpfe ausgetragen, bis schließlich Diego und Ricardo aufgerufen wurden. Die anderen wurden plötzlich leise und sahen angespannt, wie die beiden Kontrahenten ihre Positionen gegenüber einnahmen. Ricardo zog sein Kurzschwert, welches er im Nahkampf verwendete. Ricardo war kein guter Schütze, aber ein noch schlechterer Schwertkämpfer. Diego zog zwei seiner Dolche aus seinem Gürtel und hob die Ellenbogen. Kaum hatte Ricardo sein Schwert mit beiden Händen angehoben, ließ der Lehrer den Kampf beginnen. Diego machte einen Schritt nach links. Ricardo tat einen nach rechts. Für einen kurzen Moment sahen sich die beiden Jungen in die Augen. Ricardo meinte Mitleid in Diegos Augen zu sehen und plötzlich kam Diego auf ihn zu gerannt. Diego war nur noch zwei Schritte von ihm entfernt, als sich plötzlich die Luft wieder blau färbte und Diegos Bewegungen erheblich langsamer wurden. Ricardo sah verblüfft auf den sehr langsam herannahenden Dolch, der in Diegos rechter Hand lag. Der Dolch war nur noch wenige Zentimeter von seinem Bauch entfernt, als Ricardo sich nach rechts drehte und den langsamen Angriff begutachtete. Es wäre nun ein leichtes für ihn gewesen mit seinem Schwert Diego niederzustrecken, aber er entschloss sich ein Bein vor Diegos Fuß zu stellen. Diego fiel, noch immer sehr langsam zu Boden und Ricardo nahm sein Schwert in die Hand und ließ die Schneide vor Diegos Hals ruhen. Das Blau verschwand und Ricardo blickte direkt in Diegos angsterfüllte Augen. Die anderen Wölfe klatschten nicht, sondern blickten verwirrt auf Ricardo, der sein Schwert an Diegos Kehle hielt. Der Lehrer sah genauso verwirrt aus, aber erklärte Ricardo zum Sieger. Ricardo half Diego auf und ging zur rechten Seite des Lehrers. Es wurden bereits die nächsten Kämpfer aufgerufen, als Ricardo zu Diego lief. „Warum hast du meinen Fuß nicht gesehen?“ fragte Ricardo. Diego blickte auf und sein Blick troff vor Wut und Angst. „Was hast du gemacht? Woher kannst du das? Du hast mich vorgeführt, wie ein kleines Kind!“ meckerte Diego ihn an. Diego war sehr ehrgeizig und verkraftete nur schwer Niederlagen, aber Ricardo hatte ihn noch nie so wütend gesehen. „Ich weiß nicht, wie ich das mache.“ sagte Ricardo und versuchte beruhigend zu klingen. „Du willst es nicht mal deinem Freund erzählen?“ sprudelte es aus Diego heraus. „Verdammt,“ sagte ein Junge, der neben ihnen stand. „woher kannst du dich so schnell bewegen? Das war schneller als ein Hagol.“ Ricardo ignorierte den Jungen. „Komm heute Abend zum Baum. Ich werde versuchen euch alles zu erklären.“ sagte er und ging zurück zu den Gewinnern.
Ricardo blickte noch einige Male zu Diego hinüber, aber dieser sah nicht zurück. Wie hatte er das nur gemacht? Eines war klar. Das blaue Schimmern war der Grund, aber warum kam es und warum ging es wieder?
Der blaue Schimmer erwies sich als sehr nützlich. Die nächsten Kämpfe gewann er mit Leichtigkeit, da immer, wenn sein Gegner ihn attackierte sich die Bewegungen verlangsamten und er genügen Zeit hatte, den Gegner auszutricksen. Nach drei weiteren erfolgreichen Kämpfen, klatschten nun wieder welche, wenn Ricardo gewann. Er hatte einen großen Axtkämpfer besiegt, als er sich den vorletzten Kampf ansah. Der Gewinner wird gegen ihn im Finale stehen. Das große Mädchen mit den Dolchen kämpfte gegen einen kleinen Jungen, der nur mit einem Schwert bewaffnet war. Der Junge sah elegant aus, da sein Schwert nur mit einer Hand führte und die andere Hand locker in der Hosentasche blieb. Obwohl es sehr arrogant aussah, liebten ihn die Mädchen. Doch das große Mädchen mit den Dolchen schien unbeeindruckt und attackierte in schneller Abfolge. Doch der Junge wehrte lässig jeden Angriff mit einem Wink seines Schwertes ab. Plötzlich machte der Junge einen Schritt nach vorne und ließ sein Schwert, wie ein Degen nach vorne schnellen. Das Mädchen konnte nur knapp mit einer Rolle zur Seite ausweichen. Und als sie wieder aufstand rann Blut an ihrer Seite hinunter. Doch der Lehrer ließ den Kampf weiter laufen. Wieder attackierte das Mädchen, doch sie kam nicht nah genug heran. Egal, wie schnell sie ihre Rollen zur Seite machte, der Junge stand immer gute zwei Schritt frontal von ihr entfernt. Es wurde ein langer Kampf, der nur durch einen Fehler des Gegners gewonnen werden konnte. Und genau das geschah, als der Junge abermals einen Angriff startete. Als hätte das Mädchen einen Angriff erwartet, warf sie einen Dolch in den nach vorne geführten Fuß des Jungen. Dieser zuckte zusammen und stolperte über seinen verletzten Fuß. Er rollte auf der Erde und kam mit dem Gesicht nach oben zum Liegen. Das Mädchen stand bereit und hielt einen Dolch an die Kehle des Jungen. Der Lehrer erklärte sie zum Sieger. Es wurde laut geklatscht und gejubelt, vor allem die Jungs jubelten dem Mädchen zu. Der Lehrer schaute in den Himmel, um den Sonnenstand zu ermitteln und rief laut, dass man ihn trotz des Gejubels hören konnte: „Für heute ist Schluss. In genau fünf Tagen werden wir den finalen Kampf sehen.“ Mit diesen Worten verabschiedete sich der Lehrer und ging als erster vom Kampfplatz, gefolgt von den junge Wölfen, die ihre freien Tage genießen wollten. Ricardo blickte weiter gespannt zu dem Mädchen, welches er in fünf Tagen zu besiegen hatte. Sie ließ einen Dolch lässig in ihrer Hand rotieren und steckte ihn in ihren Gürtel. Normalerweise gingen Ricardo und Diego zusammen nach Hause, aber Diego war wohl zu wütend. Ricardo machte sich auf den Weg nach Hause. Er ließ sich die Kämpfe durch den Kopf gehen, die er Dank des wundersamen Schimmerns gewonnen hatte. Es war beeindruckend, aber auch beängstigend. Alle Bewegungen der anderen wurden langsamer. Hatte es mit der Ernennung zum talentierten Wolf zu tun? Sein Vater war damals auch talentierter Wolf gewesen. Er würde es wissen. Er war so in seinen Gedanken versunken, dass er Sarah, die ihm entgegen kam, nicht bemerkte. Erst als sie seinen Namen rief, drehte er sich um und sah ihr verblüfftes Gesicht. „Oh, Entschuldige, ich habe dich gar nicht gesehen.“ sagte Ricardo. „Schon gut, ich muss es weiter. Wir sehen uns heute Abend am Baum.“ sagte sie und verschwand hinter dem nächsten Haus.
Als Ricardo zu Hause ankam war seine Mutter nicht zu Hause, was sehr seltsam war, denn sie machte um diese Zeit immer Essen. Sie war sicherlich noch schnell auf den Markt gegangen, um frische Lebensmittel einzukaufen. Plötzlich klopfte es an der Tür und Ricardo öffnete die Tür in Erwartung seine Mutter zu sehen. Doch es war sein Vater, der genauso verwirrt dreinschaute wie er selber. „Was machst du denn hier? Und wo ist deine Mutter?“ fragte er und trat ein. „Sie war nicht da, als ich kam. Vielleicht ist sie auf dem Markt.“ überlegte Ricardo laut. „Das kann nicht sein. Da war ich eben. Dann hätte ich sie treffen müssen.“ Merkwürdig, wo war nur seine Mutter abgeblieben? „Sie wird bald zurück kommen.“ sagte sein Vater zuversichtlich und machte sich daran das Feuer zu entzünden. Ricardo überlegte kurz wie er seinen Vater nach dem blauen Schimmer fragen sollte. Was ist wenn er es nicht kannte? Würde sein Vater glauben, er spinnt? Wenn sein Vater keine Antwort wusste, dann würde er Graham fragen, sobald er ihn wieder begegnete. Ricardo schaute zu seinem Vater hinüber der ruhig auf einem Stuhl saß und aus dem Fenster sah. „Vater, kennst du das, wenn die Bewegungen deiner Gegner langsamer werden, wenn du dich konzentrierst?“ fragte er. Sein Vater schien etwas überrumpelt zu sein. Er neigte den Kopf zur Seite und sah seinen Sohn an: „Langsamer? Was meinst du damit?“ „Ach nichts. Ich dachte nur du weißt darüber etwas.“ Sein Vater schien hellhörig zu werden: „Von was redest du?“ Verdammt, jetzt hatte er die Neugierde seines Vaters geweckt. „Ist schon okay. Ich werde dann mal zu meinen Freunden gehen.“ sagte Ricardo schnell und machte sich auf den Weg. Sein Vater blieb wie angewurzelt stehen und blickte ihm hinterher, aber machte keine Anstalten ihn aufzuhalten. Selbst sein Vater kannte das nicht. Graham war der einzige der darüber etwas wissen könnte. Ricardo lief zu dem alten Baum und als er um das letzte Haus bog, sah er schon seine drei Freunde. Sie blickten ihn alle drei erwartungsvoll an. Einige Momente verstrichen, ohne dass jemand etwas sagte, bis Sarah das Wort ergriff: „Wie war die Kampfkunst heute, Jungs?“ Ricardo blickte in Diegos Augen und sah noch immer die Mischung aus Angst und Wut darin. „Ricardo ist ein Verräter!“ sagte Diego laut. Sarah und Klyron blickten verwirrt Ricardo an. „Erzähl keinen Unsinn!“ schnauzte Ricardo Diego an. „Ich weiß nicht, wie ich das mache.“
Ricardo erzählte ihnen alles, was passiert war. Selbst den blauen Schimmer ließ er nicht aus. Als er fertig war, sahen seine Freunde ihn fragend an. „Meinst du das ernst?“ fragte Sarah. Ricardo nickte. „Gut, dann werden wir Graham finden und ihn fragen, ob er darüber etwas weiß.“ sagte Diego. Ricardo wusste nicht, ob Diego ihm helfen wollte, oder einfach nur die Ursache finden wollte, warum Diego gegen ihn verlor. „Heute ist es zu spät. Es wird bald dunkel und dann wollen wir nicht im Wald sein.“ sagte Sarah. Klyron stand nur da uns hörte den dreien zu wie sie darüber diskutierten, wie sie Graham am besten finden würden, als er plötzlich Diego ansprach: „Ich kann nicht mit in den Wald. Mein Vater hat es mir verboten.“ Klyrons Stimme war niedergeschlagen. „Ich fände es eh besser, wenn zwei hier warten, falls die anderen beiden nicht zurück kommen. Dann können wir Hilfe holen.“ sagte Sarah und blickte mitleidig zu Klyron, der nun etwas lächelte. Doch weder Sarah noch Diego wollten zurück bleiben, also entschlossen sie, dass nur Klyron zurück bleiben würde. Klyron schien nicht begeistert, als einziger zurück zu bleiben, aber er war wie immer ruhig und gelassen. „Dann treffen wir uns morgen nach Sonnenaufgang hier am Baum.“
Als Ricardo erwachte, war die Sonne noch nicht aufgegangen. Er rappelte sich auf und ließ das kalte Wasser über sein Gesicht fließen. Als er nach draußen schaute, war der Himmel orange gefärbt, da die Sonne gerade aufging. Die ersten Vögel zwitscherten schon fröhlich vor sich hin und als Ricardos Blick auf ein Vogel fiel, der auf einen Baum saß, durchzuckte ihn ein Schauer. Er blickte sich um. Seine Eltern waren wie jeden Tag bereits schon lange weg und so machte er sich auf den Weg zum Baum. Zu seinem Erstaunen war er der erste, obwohl er gewöhnlich als letztes kam. Als Sarah um die Ecke bog, stand Ricardo auf, der es sich auf einer der großen Wurzeln gemütlich gemacht hatte und kam ihr entgegen. „Guten Morgen“ sagte sie und umarmte ihn. Ricardo, der sich über die Umarmung freute, fragte: „Wie war die Nacht?“ Sarah antwortete nicht auf die Frage, sondern sagte, nachdem sie sich umsah und bemerkte, dass die anderen beiden noch nicht da waren: „Wollen wir alleine losgehen? So muss Diego mit Klyron zusammen hier warten.“ Ricardo fand die Idee eigentlich gut, aber er wollte Diego nicht einen weiteren Grund geben wütend auf ihn zu sein. Doch Sarahs grünen Augen überredeten Ricardo und so machten sie sich auf den Weg zum Südtor. Gerade als sie drei Schritte außerhalb des Dorfes waren, raschelte es in einem Busch neben ihnen und Diego kam hervorgesprungen. „Ich wusste, dass ihr alleine gehen werdet!“ sagte er triumphierend. Ricardo und Sarah versuchten sich rauszureden, aber Diego blieb hart. Doch schließlich gingen sie weiter den Weg entlang, der irgendwann zum Meer führte. Als Ricardo erneut die Stelle fand, wo er vor einigen Tagen alleine in den Wald ging, schritten sie durch das Dickicht des Waldes. Viele Minuten verstrichen, bis Diego, der ganze Zeit hinter Sarah und Ricardo lief, nach vorne rannte und einen seiner Dolche warf. Ricardos Augen folgten dem durch die Luft sausenden Dolch, bis er in dem Leib eines merkwürdigen Tieren stecken blieb. Das Tier schien völlig unberührt vom Dolch gewesen zu sein, bis es plötzlich vom Baum viel. Das blaue Fell färbte sich langsam rot und als Ricardo Diego fragend ansah sagte dieser: „Das sind Blauaffen. Unscheinbar, aber gefährlich. Alleine sind sie kein Problem, aber ihre Rudel sind oft bis zu Hundert Tieren stark.“ Sarahs Blick wurde ängstlich und als Ricardo sie ansah sagte er beruhigend: „Uns wird nichts passieren.“ „Das hoffe ich“ sagte Diego und ging nun voran. Warum hatte Ricardo den Affen nicht gesehen? Und warum wurde die Umgebung nicht blau, wie bei den Kämpfen? Ricardo war tief in Gedanken versunken, als plötzlich drei rote Schlieren vor seinen Augen erschienen. Er blickte sich panisch um und Sarah, die ihn ansah tat es ihm gleich. Das Rascheln im Wald wurde lauter und die drei rote Schleier wurden größer. Diego zog seinen Dolch und Ricardo seinen Bogen. Die Schleier wurden immer größer und als eines der im roten Licht gehüllten Geschöpfe um einen Baum gesprungen kam, blieb Ricardo der Atem stehen. Sarah schrie laut auf. Ein riesiges Affenänhliches Geschöpf, mit gelb braunen Fell kam auf Diego zu gerannt. Diego zog seine beiden Dolche zum Schutze vor seinen Kopf, doch das Geschöpf schlug mit dem riesigem Arm zu. Diego flog zur Seite und prallte gegen einen Baum. Ricardo nahm Sarah und hielt sie hinter sich fest. Zwei weitere Geschöpfe kamen zum Vorschein und gingen nun langsam auf Ricardo und Sarah zu. Eines der Geschöpfe sprang auf sie zu und machte sich bereit mit seinen beiden starken Armen zu zupacken. Wie schon bei den Kämpfen wurden die Bewegungen des Geschöpfes plötzlich langsamer und Ricardo überlegte nicht lange, sondern zog sein Kurzschwert und stach dem Geschöpf in die Brust. Das Blut spritzte nun wieder mit normaler Geschwindigkeit nach hinten aus dem Geschöpf und ein leisen Brummen durchzog die Luft. Die anderen beiden braunen Geschöpfe sprangen mit großen Schritten davon. Nachdem Ricardo sich versicherte, dass Sarah in Ordnung war, rannte er zu Diego der reglos auf dem Boden lag. Er schüttelte ihn heftig und als dieser die Augen langsam öffnete fiel ihm ein Stein vom Herzen. Sarah die nun hinter Ricardo stand hatte Tränen in den Augen und umarmte Diego, der sich den Kopf rieb. „Was waren das für Wesen?“ fragte Sarah Diego, der nun wieder aufrecht stand und sich umsah. „Waldtrolle.“ antwortete er knapp. Davor waren Ricardo und sein Vater auf ihrer Jagd davon gelaufen und nun hatte er einen davon erledigt. Ricardo blickte auf den Kadaver und machte ein paar Schritte zurück, als er Graham erkannte der auf sie zu schritt. Ricardo tippte seinen beiden Freunde an und als sie ihn ebenfalls sahen, blieben sie wie gefroren stehen. Graham kam langsam auf sie zu und stützte sich dabei auf seinen edlen Holzstab. Er richtete sich vor ihnen auf und sagte: „Diego, ich kann dir nicht immer das Leben retten.“ Keiner der drei sagte etwas. „Ihr beide geht am besten zurück zum Dorf“. Er deutete auf Diego und Sarah. „Und du hast mich ja jetzt gefunden. Dann können wir uns jetzt unterhalten.“ Ricardo sah in schockiert an. Woher wusste er, dass er nach ihm suchte? Diego und Sarah wollten gerade gehen, als Graham sich zu ihnen umdrehte und seine Hand ausstreckte. „Das wird euch sicher zum Dorf führen.“ sagte er und gab Diego, der langsam seine Hand hinhielt, eine kleine Münze. „Folgt dem Weg, den der Pfeil euch weißt.“ Ricardo erkannte, dass auf der Münze eine kleine Nadel befestigt war, die in eine Richtung zeigte. „Aber was wird aus ihm.“ fragte Sarah und zeigte auf Ricardo. „Ich werde ihn sicher ins Dorf zurück bringen, wenn wir fertig sind.“ antwortete Graham und drehte sich um und ging tiefer in den Wald. Diego, Sarah und Ricardo sahen sich kurz in die Augen und Ricardo meinte Misstrauen in den Augen seiner Freunde zu sehen, aber ging trotzdem Graham hinterher. Als Ricardo einige Schritte gemacht hatte, drehte er sich um und wies seine Freunde mit einer Handbewegung an zu gehen, die noch immer im Wald standen. Als Sarah und Diego sich umdrehte und losgingen, machte sich Ricardo daran Graham einzuholen, der schon einige Meter vor ihm lief. Als er Graham einholte fragte er sofort: „Kennst du das blaue Schimmern, das mich dauernd umgibt?“ Graham blickte zur Seite in Ricardos Augen. Ricardo bemerkte erst jetzt, dass er vollkommen schwarzen Augen hatte. „Ja.“ Ohne ein weiteres Wort ging er weiter.
Als sie eine Lichtung erreichten, wo zwei rechteckige Felsen standen, setzte sich Graham auf einen der beiden und lehnte seinen Stab ebenfalls dagegen. „Setz dich.“ sprach er und deutete auf den anderen Felsen. Nachdem Ricardo sich setzte, fing Graham an zu sprechen: „Du verfügst über eine Gabe, die in eurem Stamm nur sehr selten vorkommt. Früher nannte man jemanden wie dich ein Wolfswandler. Doch seit einigen Jahrzehnten gibt es nun schon keine Wolfswandler mehr im Wolfsstamm.“

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Tag der Veröffentlichung: 03.05.2010

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