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Die Welt der Charan 3

Nichts in der Welt steht einzeln und irgend ein Wirksames muß nicht als Ende, sondern als Anfang betrachtet werden.
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Johann Wolfgang von Goethe

Kapitel 1

Freiheit.

 

Einen kurzen Augenblick schließe ich die Augen und lasse mich fallen.

 

Einen tiefen Atemzug später spüre ich den festen Boden unter meinen Füßen.

 

Autos hupen, Leute reden, Musik ist zu hören.

 

Die Wärme an meinen Händen ist verschwunden, panisch schlage ich die Augen auf. Ich bin wieder in der Realität angekommen. Verwirrung und Verzeifelung überkommen mich.

 

Es ist kaum etwas zu erkennen, da eine alte dreckige Straßenlaterne die einzige Lichtquelle darstellt.

 

Mein Herz schlägt schneller.

 

JACK.

 

Wo ist er nur hin? Ist etwas schiefgelaufen?

 

Tausend Fragen schwirren in meinem Kopf umher.

 

Schnell schaue ich mich um. Ich bin in einer Gasse gelandet, Berge von Müll umgeben mich. Es stinkt fürchterlich nach vergammeltem Fisch, alten Socken und Kotze.

 

Ein Rascheln, ängstlich drehe ich mich um und krame nach meinem Messer. Es ist weg.

 

Panik steigt in mir auf und mein Herzschlag verdoppelt sich noch mal.

 

Nach Minuten, in denen ich einfach nur ängstlich die Müllsäcke von denen das Rascheln kommt anstarre, springt plötzlich eine Ratte heraus. Glück gehabt.

 

Ich atme aus und bemerke erst jetzt, dass ich die Luft angehalten habe. Ich zittre. Wo ist Jack nur? Ist er wieder verschwunden?

 

Jetzt reiß dich doch zusammen, appelliere ich an mich selbst und langsam beruhigt sich mein Puls.

 

Zweifelnd schaue ich zu dem einem Ende der Gasse, Dunkelheit. Mehr ist nicht zu erkennen, sofort schüttle ich den Kopf, da würde ich nie im Leben hergehen.

 

Das andere Ende wirkt da schon besser, eine belebte Straße und hellere Beleuchtung. Meine Entscheidung fällt mir nicht schwer. Ich wähle diese Richtung.

 

Ich gehe näher zur Wand und verstecke mich im Schatten. Mit schnellen und möglichst leisen Schritten laufe ich zu dem Ende der Gasse, das zur belebten Straße führt. Vielleicht war ich paranoid, aber die letzte Zeit hat mich vorsichtiger gemacht.

 

Wieder ein Geräusch, dieses Mal ein Knacken. Mein Herz ist sofort wieder dabei, sich vor Furcht zu überschlagen. Ich drehe mich schnell um und renne zu der belebten Straße, ich habe Glück und erreiche diese ohne weitere Zwischenfälle.

 

„Ich lebe noch!“, flüstere ich mir selbst zu, um mich zu beruhigen. Naja, so ganz klappt das nicht. Mit schnellen Schritten laufe ich über die Plastersteine. Mein Blick huscht immer wieder zu der Gasse zurück. Wo soll ich nur hin? „Denk nach!“, murmle ich zu mir selbst, doch ein Mann dreht sich zu mir um und schaut mich komisch an. Panik steigt in mir auf.

 

‚JACK!‘ Gedankenübertragung! Warum bin ich selber nicht darauf gekommen?

 

Der Mann ist schweigend weiter gegangen. Regen setzt ein. Na toll!

 

Ich schaue hoch zum Himmel, es ist dunkel und der Himmel sternenklar. Suchend schaue ich mich nach einem Unterstand um. Meine Wahl ist ein Hauseingang. Ich erreiche ihn schnell, doch meine Klamotten sind trotzdem schon durchnässt.

 

…Moment mal, wo ist meine Tasche?

 

„Mist!“ Sie liegt noch in der Gasse. Dann muss Jack warten.

 

Eilig ziehe ich mir meine Stoffkapuze über den Kopf. Ich schaue auf die dunkle Gasse zurück. Mit schnellen Schritten gehe ich ihr entgegen. Das Zittern kommt wieder, ob aus Frucht oder des kalten und nassen Wetters wegen kann ich nicht genau sagen.

 

Ich fühle mich allein, eine Träne findet ihren Weg über meine Wange. Schnell wische ich sie weg und schaue mich um.

 

Endlich erreiche ich den Eingang. Vorsichtig schaue ich um die Ecke. Die Luft scheint rein zu sein, also begebe ich mich zu der Stelle an der ich gelandet bin, ich schaue mich um. Nichts zu sehen.

 

Panik.

 

In der Tasche waren alle Hinweise! In falschen Händen würden wir gnadenlos verlieren gegen Dylan.

 

Plötzlich fühle ich mich unglaublich frustriert und wütend. Wütend auf mich, weil ich alles verbockt habe, und auf Dylan, weil ich ohne ihn jetzt sicher bei meinen leiblichen Eltern sitzen würde. Doch was wäre dann aus meinen Adoptiveltern geworden? –Die mittlerweile sicher schon von Dylan ermordet wurden… Trauer überfällt mich. All diese Gefühle schlucke ich runter. Verdrängen.

 

Konzertiert suche ich die Gasse ab und entdecke die Tasche unter einem Container. Mit wenig Aufwand schiebe ich ihn beiseite, die Tattoos haben wohl doch Wirkung. Schnell werfe ich sie mir über die Schulter und drehe mich um. Angst durchströmt mich, als ich die zwei Männer sehe, die auf mich zu kommen.

 

 

„Na, Kleine? So spät noch alleine unterwegs?“, lallt der Mensch, zum Glück. Erleichtert atme ich aus.

 

Auch der andere kommt näher. „Das ist sehr unartig von dir.“ Mist! Er ist Charan und was für einer… Ekel überkommt mich, als der Mann, dessen zweite Gestalt ein Komodowaran ist, nähertritt.

 

…Wer es nicht weiß, der Komodowaran ist eine ziemlich gefährliche Echsenart. Ihr lacht? Das Vieh kann drei Meter werden und bis zu siebzig Kilogramm wiegen!

 

Ruhig bleiben! Eden hat dich trainiert.

 

Ich greife in meine Tasche und finde zum Glück den kleinen Dolch. Ich umklammre ihn fest.

 

Mit plötzlich sehr entschlossenen Schritten und stählernen Mienen kommen die Männer auf mich zu.

 

„He! Wo willst du hin meine Schöne?“

 

Weg von euch Idioten!

 

In Realität gehe ich einfach stumm weiter, doch so einfach komme ich leider nicht weg. Der Mensch packt mich ziemlich grob am Oberarm. Blitzschnell recke ich meine Knie und es verfehlt sein Ziel nicht, landet zwischen den Beinen des Mannes. Als er zu Boden geht, ramme ich gleich noch meinen Ellenbogen in seinen Nacken. Leben lassen kann ich ihn, von ihm geht keine Gefahr aus. Bewusstlos liegt er am Boden und ich gehe weiter, in der Hoffnung, der andere würde mich jetzt in Ruhe lassen. Leider nicht.

 

„Na, na, so ungezogen.“ Schnell packt er mein Handgelenk. Aus meiner Tasche ziehe ich den Dolch und steche in seinen Bauch. Warum ich meine Kräfte nicht benutze? Ganz einfach, wenn er zu Dylan gehört, muss ich ihn töten.

 

„Du kleine Schlampe!“ Er verwandelt sich. Mist! Konnte er es nicht einfach sein lassen?!

 

‚Sie hat keine Angst vor mir, warum nicht?‘

 

Geschockt stolpere ich zurück. Nicht ohne meine Kräfte einzusetzen. Lila Feuer verschlingt ihn, noch eh er seine Erd- Macht einsetzen kann. Seine Gedanken prasseln weiter auf mich ein. Benommen und schockiert sacke ich an der Mauer zusammen. Ich spüre alles von ihm, seine Schmerzen und Qualen und seine Vergewaltigungen und seine Morde.

 

Ekel mischt sich mit Trauer und ich spüre, wie mein Kopf anfängt zu streiken.

 

‚Ja…ack.‘

 

‚Ann, wo bist du?‘

 

Ich schaue mich benommen um, erkenne das Straßenschild, gebe Jack den Namen und verliere das Bewusstsein.

 

Kapitel 2

Ein leichtes Schaukeln weckt mich aus meiner Bewusstlosigkeit. Ich fühle mich entkräftet und so gelingt es mir auch kaum, mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.

 

Ein leichter Wind kommt auf und mit ihm durchströmen mich die Erinnerungen. Die Freude darüber ,dass Jack wieder bei mir ist. Die Trauer, dass wir Alec zurücklassen mussten.LIlla,die immer noch verschwunden ist. Dann die Erinnerung an die beiden Männer in der Gasse, die Schreie von dem Einen, während ich ihn tötete…

 

Die Schuldgefühle überkommen mich, genauso wie die Verbitterung darüber, wie weit Dylan mich schon getrieben hat.

 

„Ann?“

 

Ich schlage weinend meine Augen auf.

 

Liebevoll und besorgt blicken mich Jacks Augen an. Jack war solange verschwunden… Allein hat er mich gelassen. Trotzdem drücke ich mich fester an ihn, als ich bemerke, dass er mich trägt. Meine Tränen wollen nicht versiegen.

 

„Es wird alles wieder gut, Ann!“ Worte die ich ihm nur zu gerne glauben möchte, doch ich weiß es besser.

Die Wut gewinnt in mir und so verschwinden die Tränen, ich versuche mich aus seiner starken Umarmung zu winden und nach einigem Hin und Her lässt mich Jack widerwillig runter. „Was ist los? Bist du immer noch sauer auf mich?“ Bei der zweiten Frage schlägt seine Besorgnis in Verzweiflung um.

 

„Jack, du hast mich verlassen, mich einfach allein gelassen! Da können wir doch nicht einfach da ansetzen, wo ich gegangen bin!“

 

„Genau, du hast mich zuerst verlassen!“ Wut tritt in seinen Blick und ich schlucke reuevoll. Er hat Recht. Was hätte ich gemacht, wenn ich glauben würde, er hätte was mit einer anderen? War mein Plan falsch gewesen?

 

„Das wollte ich nicht sagen, es tut mir leid, Ann!“

 

Ich schlucke schwer, der Graben zwischen Jack und mir ist noch größer als ich dachte. „Lass uns ein andermal weiterreden. Wo müssen wir hin?“

 

Jack scheint froh über meine Überleitung zu einem anderen Thema. „Hier entlang.“ Jack nimmt vorsichtig meine Hand in seine, ich lasse es zu und so zieht er mich leicht hinter sich her. Meine Tasche trägt er in der anderen Hand.

 

Immer wieder mustert mich Jack besorgt von der Seite. Wenn ich so aussehe wie ich mich fühle, kann ich seine besorgte Miene verstehen.

 

„Jack? Wie lange laufen wir noch?“

 

„Da vorne ist es.“

 

Ich folge mit meinem Blick seinem Finger, der in die Richtung einer alten Ruine zeigt. „Da rein?“ Ich bin nicht begeistert.

 

„Betrachte es nicht wie ein Mensch, in unserer Welt ist nichts wie es scheint.“ Liebevoll legt er seine Hände auf meine Schulter und stellt mich vor ihn. „Schließe die Augen.“

 

Ich tue was er sagt.

 

„Spüre das Tier in dir.“

 

Ich atme tief ein und aus.

 

„Bist du soweit?“

 

Ich nicke nur.

 

„Dann öffne deine Augen.“

 

Wieder mache ich, was er sagt und bin enttäuscht, nichts hat sich verändert. Ich will schon frustriert aufgeben, als ich einen leichten Schimmer entdecke.

 

Plötzlich scheint es, als würde die Zeit stillstehen. Die alte, schmutzige und kaputte Fassade der Ruine bricht auf und zu sehen ist auf einmal ein altes, reich verziertes Gebäude. Wunderschön. Es erinnert mich an eine Kirche und auch wieder nicht.

 

„Wow, was ist das für ein Gebäude?“ Der Anblick ist so überwältigend, dass ich nur flüstern kann.

 

„Es wurde von Charan vor Jahrzehnten gebaut. Den Menschen bleibt es verborgen. Zumindest den meisten.“

 

„Den meisten? Ich war so mit Dylan beschäftigt, dass ich mir über eure Geheimnisse keine Sorgen mehr gemacht habe.“

 

„Unsere Geheimnisse. Ann, du musst lernen, wie ein Charan zu denken. Du bist nur auf den Kampf aus, doch deine wahre Macht ist hier.“ Er zeigt auf mein Herz, das prompt anfängt wie wild zu klopfen.

 

„Ich hatte nur noch Angst um meine Familie und Freunde.“

 

„Du musst deine Ängste loslassen, sie belasten dich und so blockieren sie deine Macht.“

 

„Woher willst du das wissen?“

 

„Ich weiß nicht genau, was du bist, aber auf jeden Fall ein Teil der Prophezeiung, keiner wusste darüber mehr als meine Mutter.“ Trauer lag in seinen Augen.

 

„Ich verstehe das alles nicht. Warum ich? Warum du? Was soll das alles nur?!“

 

„Wir werden schon noch früh genug Antworten finden.“ Sachte nimmt er meine Hand und schweigend gehen wir zu dem Gebäude. Davor bleiben wir stehen.

 

„Leg deine Hand auf die Tür.“

 

„Warum?“

 

„Nur die königliche Familie kann den Zauber brechen.“

 

„Ich bin aber zurzeit kein richtiges Mitglied von Dylan.“

 

„Du bist aber Teil der wahren Familie, Dylan wird hier nie reinkommen. Auch nicht, wenn er sich König nennt!“

 

Vorsichtig lege ich die Hand auf die Tür, Wärme durchströmt mich und ich wende meinen skeptischen Blick von Jack zur Tür. Lila Funken sprühen und schon ist die Tür offen. 

 

Dahinter ist es erst dunkel und leise, plötzlich höre ich jemanden rennen. Ich bekomme Panik, aber bevor ich wegrennen kann, kommt Rose zum Vorschein. „Ann! Du lebst!“

 

 

Kapitel 3

 

Stürmisch zieht Rose mich in eine feste Umarmung, ich erwidere sie nur zu gerne.

 

„Ich hatte so eine Angst um euch!“ Ihre Stimme klingt immer noch belegt.

 

Ich will ihr sagen, wie viel Angst ich selber habe, aber am Ende lasse ich es doch sein. Denn sie vertraut mir und wenn sie weiß, dass ich mir nicht mal selbst vertraue… dann…

 

Ja, was ist dann eigentlich?

 

Eine Außerwählte die Angst hat und eigentlich das Alles nicht will. So siegen wir sicher nicht.

 

„… und Jack hast du auch wiedergefunden!“

 

Vor lauter Gedanken habe ich so gut wie nichts mitbekommen.

 

Sie entlässt mich und schlingt ihre Arme um Jack. „Die anderen haben nicht an euch geglaubt, aber ich schon! Ihr schafft alles zusammen, da bin ich mir sicher…“

 

Jack bremst sie. „Wer sind die anderen?“ Seine raue Stimme zu hören, löst in mir ein Gefühl der Freiheit aus.

 

„Mehrere Krieger und Verbündete.“

 

„Alec?“, frage ich hoffungsvoll.

 

„Ich hatte gehofft, er würde mit euch kommen… hier hat er sich nicht gemeldet, Lilla ist auch verschwunden.“ Das Strahlen in den Augen meiner Schwester erlischt. Ich schaue zu Boden, das ist meine Schuld.

 

„Kommt doch erst mal rein, ihr seid ja ganz nass.“ Rose bemüht sich, wieder einen fröhlichen Klang in ihre Stimme zu legen, dreht sich um und geht den kahlen Flur entlang. Der Dielenboden knarzt dabei gewaltig.

 

Wir gehen durch die nächste Tür rechts. Obwohl wir uns nicht angeschlichen haben, bemerken uns nur sehr wenige. Die meisten verfolgen gespannt eine hitzige Diskussion zwischen einem Mädchen, das ziemlich frech und taff aussieht, und, wie sollte es anders sein, meinem Bruder, Kylen.

 

„Sie ist meine Schwester!“

 

„Sie ist vor allem Teil der Prophezeiung, die unser Volk retten kann, dass ist doch unser Ziel oder nicht?!“

 

„Vor allem ist sie ein Charan, genau wie du und ich!“

 

Ich schmunzle, ich habe ihn erst vor kurzem gefunden, aber schnell in mein Herz geschlossen. „Der so genannte ‚normale‘ Charan ist hier.“

 

Kylen dreht sich in null Komma nichts um und reißt mich in seine Arme. „Du bist es wirklich!“

 

Meine neue Familie, Tränen vor lauter Freude.

 

Die letzten Wochen waren hart, verdammt hart. Dieser kleine Moment zeigt mir dennoch, wofür ich das alles durchmache. Wofür ich durchhalte. Für mein Volk, für meine Familie und für meine Freunde.

 

„Warum hast du so lange gebraucht?!“ Vorwurfsvoll schaut er mich an, nachdem er mich ein bisschen von sich weggeschoben hat.

 

„Ich wollte nicht ohne Alec gehen, doch dann hat er mich überredet und ich musste einen Ort finden ohne Dylans Magienetz und da hat mich Jack gefunden und nun sind wir hier.“ …Ja, ich habe meine Verzweiflung und die nagenden Selbstzweifel ausgelassen, die besonders Matts Tot betreffen, aber mich vor allen bloßzustellen wäre dumm, genau wie ihnen von meiner Leichtsinnigkeit in der Gasse zu erzählen.

 

Jack legt eine Hand auf meine Schulter, vermutlich um mich zu beruhigen.

 

„Alec ist so ein Sturkopf!“, spricht eine mir bekannte Stimme meine Gedanken aus, dieses Mal sind es Jack und ich, die sich schnell umdrehen. In dem Türrahmen steht tatsächlich Elli.

 

„Elli!“ Ich kreische fast und schon liegen wir uns in den Armen, sie ist eine wirklich gute Freundin geworden. Nach mir nimmt auch Jack sie in den Arm.

 

Als die Überraschung vorbei ist und wir alle an einem großen Tisch sitzen, geht die Diskussion um Alec weiter.

 

„Er ist genauso stur wie Jack!“, schnauft Elli.

 

„Meine Situation war völlig anders!“, verteidigt sich Jack.

 

„Es ändert nichts daran, dass Alec in Gefahr ist“, wirft Rose ein.

 

„Da draußen warten tausende Charane darauf befreit zu werden!“, ruft das Mädchen rein, das mit meinem Bruder gestritten hat. Wie ich jetzt weiß, heißt sie Francis.

 

„Wir sollten die Gefahr nicht außer Acht lassen; unsere Truppen sind längst nicht bereit.“ Das kommt von einem durchtrainierten Mann, der sich mir als Richard vorgestellt hat.

 

Tausend Meinungen und keine Einigung.

 

Ich schaue auf meine Hände, die scheinbar ruhig auf dem Tisch liegen, und betrachte meinen Ring, den ich von meinen Eltern als kleines Kind bekommen habe. Meiner königlichen Familie…

 

Mit einem Ruck stehe ich auf. Entschlossen schaue ich die Leute vor mir an. „Die Prophezeiung und die Stärkung unserer Truppen haben höchste Priorität. Dennoch möchte ich, dass Kylen mit ein paar neutralen Leuten nach Alec und Lilla sucht.“

 

„Warum ich?“, fragt Kylen.

 

„Ganz einfach: Dir vertraue ich, aber gleichzeitig bist du nicht so emotional eingebunden wie wir anderen.“

 

Er nickt und so setze ich mich wieder, alle schauen mich gespannt an und erst jetzt verstehe ich, dass ich meine Position als zukünftige Königin eingenommen habe. Hier gehöre ich an die Planung des Krieges gegen Dylan. Er hatt schon längst begonnen, nun nehme ich auch meine Verantwortung an.

 

„Richard, wie genau muss ich mir die Lage unsere Truppen vorstellen?“

 

Er räuspert sich, als wäre er überrascht. Da waren wir schon zu zweit. Monate habe ich versucht es zuzulassen, und plötzlich fühlt es sich in mir an, als hätte es nie was Anderes gegeben außer Anführerin zu sein.

 

`Du hast es im BLUT` Jack schaut mich liebevoll an. Er gibt mir dadurch Mut. Sachte umschließt seine Hand mein Handgelenk.

 

Automatisch schaue ich zu Rose, ihr Handgelenk zeichnet nur noch eine blasse Rose. Sie sieht erschöpft aus und das nur wegen mir… Matt starb, weil ich mich für die anderen entschieden habe und Alec ist verschwunden um Leute zu retten die ich hätte beschützen müssen… Ich muss das hier hinbekommen…für Matt… Richard beginnt

 

„Die Lage ist bedenklich. Viele sind nicht sehr an Waffen gewöhnt oder können gut mit ihnen umgehen, die Mächtigen verstehen ihre Macht nicht und alle haben sie keine Übung mit so großer Macht.“

 

Nicht sonderlich gut.

 

„Francis? Du scheinst mir waffengewandt?“

 

„Ja, auf jeden Fall!“

 

„Richard, Francis und Jack, ihr übernehmt das Training mit den Waffenunerfahrenen. Rose und Kylen, ihr trainiert die Magie Einsetzenden.“

 

Warum Rose und Kylen? Tja, die königliche Familie besitzt mehr Magie und da beide meine Geschwister sind, ist es ziemlich leicht, eine Entscheidung zu treffen.

 

„Warum übernimmst du sie nicht?“, fragt Francis.

 

„Ich muss selber noch viel lernen, mit Elli.“ Damit ist für mich das Gespräch beendet. Ich stehe auf. „Ich möchte mich gerne umziehen. Könnte mir jemand Klamotten leihen und den Weg zeigen?“

 

Elli springt sofort auf und wir beide müssen lachen. Wäre die gesamte Situation nicht so beschissen, könnte man fast glauben, wir wären normale Teenager.

Kapitel 4

„Wo ist Jordan?“, fällt mir ein als wir in Ellis Zimmer angekommen sind. Jordan ist der Kleinste der Demonts.


„Ich habe ihn in ein neues Versteck gebracht, er ist zu jung zum Kämpfen“, erwidert sie von ihrem Bett aus.


Ich auch!, schreit alles in mir, aber ich habe nicht die Wahl.


„Warum bist du dann hier?“, necke ich sie, die sie nur wenige Monate jünger ist als ich, um mir meine Gedanken nicht anmerken zu lassen. Suchend laufe im Zimmer umher und sammle Klamotten von Elli zusammen, sie ist einfach so unordentlich.


„Ich bin einfach unverzichtbar, außerdem brauchst du mich ja zum Einzeltraining!“, schießt sie zurück.


Wir müssen beide lachen.


„Jetzt mal ernsthaft, warum trainieren wir allein?“ Sie wälzt sich im Bett auf den Bauch und schaut mich an.


„Naja, die Male um meinen Oberarm sind wohl doch wichtiger als Gedacht.“


„Weiter, Ann! Jetzt sag schon, lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!“


„Sie verstärken meine Magie. Jack vermutet, ich würde irgendwie in so eine alte Legende passen… Außerdem sagte er, ich solle alles mehr wie ein Charan sehen…“ Sofort kamen Bilder hoch, wie wir zusammen vor dem Haus standen.


„Da hat er recht, immerhin bist du ab heute unsere Anführerin!“ Elli schmunzelt mich an. Sehr hilfreich.
Endlich habe ich Anziehsachen gefunden.


„Ich verschwinde kurz.“ Schnell gehe ich duschen, bevor sie mich noch mehr mit Fragen löchert.


Das Badezimmer ist ziemlich geräumig und durch eine milchige Glasscheibe dringt Tageslicht in den Raum, die Fliesen sind grau und die Wände weißgekachelt.


Langsam ziehe ich mich aus, mein Körper schmerzt mehr als sonst. Ich schlüpfe aus meinem T-Shirt und plötzlich durchfährt mich ein Stich in meinem Bauch, ich schreie auf. Darauf folgt ein Pochen im Kopf.


Ich stütze mich am Waschbecken ab, aber es hilft nichts, ich sehe verschwommen und breche zusammen, der Schmerz fährt weiterhin durch meinen Körper. Ich höre es klopfen und schreie wieder. Dann ein Geräusch als würde eine Tür zersplittern. Starke warme Hände ziehen mich zu sich ran. Der Schmerz wird leichter, aber es sind immer noch höllische Qualen.


Plötzlich liegen Lippen auf meinen. Ohne ihn zu sehen erkenne ich Jack. Ich lasse den Kuss zu und verliere mich in ihm… Die Schmerzen lassen nach und verschwinden ganz… Ich bin leicht wie auf Wolken, mein Körper prickelt.


‚Schotte dich ab!‘ Alec. ‚Schotte dich ab, Ann!‘


Mich durchfährt es wie ein Schock.


„Alec!“, schreie ich in den kleinen Abstand zwischen mir und Jack. Jacks Augen wirken glasig und gleichzeitig wütend, schnell schotte ich mich ab. Außer Atmen und geschockt schaue ich mich um. Francis steht in der Ecke, neben ihr Elli und Kylen.


„Raus!“ Jack wirkt grob und seine Faust die auf einen Schrank zufliegt, bestätigt es. Keiner bewegt sich.


„Raus! Und zwar alle!“ Er dreht sich von mir weg, dieses Mal hören sie auf ihn.


Auch ich mache Anstalten aufzustehen. „Du nicht, Ann!“


Kylen verlässt als Letzter den Raum. Er wirft mir einen traurigen Blick zu und schließt dann die Tür, die nur leicht beschädigt ist, was mich wundert.


„Was war das?“, flüstere ich.


„Alec.“


„Das verstehe ich nicht, wie sollte ich Alec spüren?“


Er dreht sich zu mir um und lässt sich neben mir an der Wand runtersinken.


„Er foltert ihn, um…“ Er schluckt. „…um dich zu foltern.“


„Wie soll das gehen…“ Ich beantworte es mir selber. „Indem wir verbunden sind und ich als seine Kriegsgefährtin alles spüre was er spürt…“ Ich schaue weg, zu sehr schmerzt die Wahrheit.


„Außer, er schottet sich ab oder du. Er wird dazu nicht mehr die Kraft haben…“


Dieses Mal schlucke ich. „Das bedeutet, er ist schwer verletzt.“


„Dylan wird ihn nicht umbringen, solange er dich noch nicht hat.“ Das Beruhigt mich..Ich schaue zu Jack, seine Hände sind geballt.„Dich wird er aber auch nie bekommen!“


„Ich werde kämpfen!“


„Nicht, wenn ich das verhindern kann!“ Damit steht er auf und verlässt den Raum. Sprachlos sitze ich weiter an die Wand gelehnt da. Ich fühle mich entkräftet und tausche letztendlich die Dusche gegen das Bett und schlafe. Doch selbst da ist mir keine Ruhe vergönnt, immer wieder sehe ich wie Dylan Alec foltert vor meinen Augen, Angst überkommt mich. Jack kommt ins Zimmer, traurig schaut er mich an und nimmt mich wortlos auf dem Bett in den Arm. Ich kuschle mich an ihn. Es ist wie nach Hause kommen. Schnell überfällt mich der traumlose Schlaf.

Kapitel 5

Ich weiß nicht, wie lange ich geschlafen habe, aber als ich aufwache, ist es draußen hell und ich liege allein im Bett. Noch immer spüre ich seine Arme auf meiner Haut, die mir so viel Liebe geben, und auch sein Aftershave rieche ich noch. Unverkennbar Jack.

 

Ich gönne mir den kleinen Ruhemoment, aber schnell ziehen mich die Gedanken an Matt, Lilla und Alec runter. Und schon lande ich wieder in der Realität.

 

Ich schlage die Bettdecke zur Seite und sehe auf die Uhr. Kurz nach halb sieben, wenigstens bin ich pünktlich.

 

Wir hatten uns gestern darauf geeinigt, dass ich die Gruppen einteilen würde, und dafür sollten wir uns um acht Uhr treffen.

 

Schnell springe ich aus dem Bett. Suche mir aus Ellis Schrank Klamotten. Wo hatte sie eigentlich geschlafen?

 

Gerade will ich die Tür zum Badezimmer öffnen, als diese von selbst aufgeht. Im Türrahmen grinst mir Jack munter entgegen. Ich schaue ihn von oben bis unten an. Erst ist nackt. Bis auf das Handtuch um seine Hüften. „Guten Morgen!“

 

Ich schaue wieder rauf in seine Augen und er grinst noch mehr als meine Wangen anfangen zu glühen.

 

„Morgen“, stottre ich leicht vor mich hin. Reiß dich zusammen. Schließlich habe ich ihn schon mal so gesehen, und dennoch fühlt es sich jetzt wieder wie das erste Mal an.

 

„Möchtest du ins Bad?“

 

Ich finde meine Fassung endlich wieder. „Ja!“

 

Er tritt beiseite und macht mir Platz, schnell gehe ich an ihm vorbei.

 

Die kalte Dusche tut gut, die warme danach noch mehr.

 

Meine verkrampften Muskeln lösen sich und schon bin ich ohne weitere Zwischenfälle angezogen wieder in Ellis Zimmer. Diese wartet schon mit einem Kaffee dort.

 

„Hey, wie geht’s dir?“, fragt sie mit getrübten Blick

 

„Mir geht es soweit ganz okay, und dir?“ Mit einem dankenden Blick nehme ich den Kaffee entgegen und lasse mich neben sie aufs Bett fallen.

 

„Jack hat uns gestern das mit Alec noch erklärt… Rose ist ganz schön angeschlagen.“

 

„Ich kann sie verstehen und ich werde alle daran setzten, ihn zu retten. Aber das geht nur, wenn wir unsere Truppen beisammen haben…“

 

„Sie weiß das!“

 

Ich nicke, auch wenn ich Elli nicht so ganz glaube.

 

„Sag mal, wo hast du eigentlich geschlafen?“

 

Sie wird rot, da habe ich wohl jemanden ertappt.

 

„Bei deinem Bruder.“

 

Ich lächle. „Dann wünsche ich dir mal viel Glück, bei dem Sturkopf wirst du es brauchen.“

 

Wir müssen beide lachen, doch richtig herzhaft klingt es nicht. Solange Dylan Alec und Lilla gefangen hielt und sich König nannte, würde ich nicht mehr Lachen können.

 

Es klopft.

 

„Ja bitte“, sagt Elli, denn es ist ja ihr Zimmer, und ein gelassener Jack öffnet die Tür, dieses Mal vollständig bekleidet.

 

„Seit ihr soweit? Die anderen warten.“ Wir nicken und stehen auf.

 

Den Kaffee immer noch festhaltend steigen Elli und ich die Treppe runter, immer Jack hinterher. Schlussendlich landen wir am großen Tisch von gestern.

 

Nachdem ich bemerke, dass wir wieder dieselbe Runde bilden wie gestern, lasse ich mich auf einem Stuhl nieder.

 

„Wie sieht der Plan aus?“, frage ich.

 

Richard antwortet als erster. „Unsere Truppen sind verstreut. Wir werden sie sich alle hier in der Nähe sammeln lassen, zusammen sind wir stärker und die Diritrasen werden uns nicht so leicht angreifen können. Dann beurteilen wir sie und erstellen die einzelnen Gruppen.“

 

„Wie lange wird es dauern, die Truppen hier zu sammeln?“

 

Dieses Mal ist es Rose, sie sieht tatsächlich fit aus, als hätte sie das mit Alec schon längst gewusst. „Wir haben schon einige hier und viele sind schon unterwegs, dennoch werden die letzten erst in einer Woche ankommen.“

 

„Nun gut, wenn es nicht anders geht, wir fangen schon mit denen von hier an. Wir dürfen keine Zeit verlieren.“

 

Alle stimmen dem zu.

 

„Soll ich weiter nach Lilla suchen? Nachdem Alec wohl bei Dylan ist?“

 

Ich nicke zögernd, noch besteht für sie Hoffnung.

 

„Ich glaube, Lilla hat uns was verheimlicht…“, flüstert Rose mir ins Ohr.

 

„Warum?“, frage ich laut zurück und beziehe so auch die anderen mit ein.

 

„Als Matt starb…“ Rose schluckt. „Da wollte er mir was sagen, aber es ergibt einfach keinen Sinn.“

 

„Was sagte er?“ Ich krächze es fast, weil sich mein Hals zuschnürt, wenn es um Matt geht. Matt starb nur wegen mir ganz allein.

 

„Irgendwas von Tochter. Es war wirklich verwirrend.“

 

Fragend schaue ich in die Runde, doch niemand scheint etwas zu wissen.

 

„Nun gut, dann werden wir das wohl verschieben.“ Zu viel geht mir durch den Kopf, ich kann mich kaum auf meine Aufgaben hier konzentrieren. Ich nehme mir fest vor, später mit Jack noch mal darüber zu reden.

 

„Wenn ihr sagt, einige sind schon hier…Wo sind sie dann?“, lenke ich das Thema wieder auf die Krieger.

 

„Hinterm Haus“, antwortet Rose, ohne von ihren Papieren aufzuschauen.

 

„Wie muss ich mir das vorstellen?“

 

„Komm, ich zeig es dir“, bietet Elli mir an.

 

Wir verlassen den Raum, natürlich folgt auch Jack uns, da auch er noch keine Zeit hatte sich umzusehen.

 

Wir betreten den Flur und neben der Treppe nach oben entdecke ich eine alte Holztür. Elli drückt sie mit Leichtigkeit auf. Dahinter erwartet uns ein riesiger Innenhof, mit viel Grün und sogar ein paar Bäumen. Jedoch sehen sie nicht aus wie von unserer Welt. Ein Glanz liegt über ihnen.

 

„Gefällt es dir?“, fragt mich Jack.

 

„Wunderschön“, bringe ich nur heraus.

 

„Es sind spezielle Bäume, sie wachsen nur im Schlossgarten und hier.“

 

„Also kommen sie wirklich aus der Charan-Welt?“

 

Jack nickt.

 

Vorsichtig und schüchtern streiche ich über die Rinde des Baumes. Der Wind nimmt plötzlich zu und der Duft der Rosen im hinteren Teil des Innenhofes wird stärker.

 

„Ann? Jack? Kommt ihr?“

 

Ich habe nicht bemerkt, dass Elli schon weitergegangen ist.

 

Ich lasse meine Hand sinken und schaue zum gegenüberliegenden Säulengang, auf dem reger Betrieb herrscht. Ich trete aus dem Schatten des Baumes in den des Gangs hinein und sofort wird alles ganz still. Jeder der an mir vorbeikommt verbeugt sich vor mir und grüßt mich.

 

‚Warum machen die das?‘, frage ich Jack in Gedanken, der sich dicht hinter mir hält.

 

‚Du bist ihre Königin und ihre Anführerin, wie sollten sie dich denn sonst würdigen?‘

 

‚Aber ich bin doch einfach nur Ann.‘

 

‚Hier nicht mehr.‘ Jack hat Recht und dennoch habe ich das Gefühl, allem hier nicht gewachsen zu sein.

 

„Die Krieger sind nach Geschlechtern getrennt. Rechts ab sind die Frauen und links ab die Männer. In einem Zimmer schlafen vier bis sechs Charan“, erklärt Elli neben mir.

 

„Was? Gibt es hier den keine Paare?“

 

Elli lacht auf.

 

„Krieger kennen nur eins: den Kampf. Da ist für Liebe wenig Platz“, antwortet Jack an ihrer Stelle.

 

Ich runzle die Stirn, da mir ein Leben ohne Liebe, ohne Jack, sinnlos erscheint, dennoch lasse ich die Sache auf sich beruhen.

 

„Wie viele sind schon hier?“

 

„Um die fünfhundert, bis heute Abend sollte sich die Zahl verdoppelt haben.“

 

WAS?, schrillt alles in mir.

 

„Du scheinst überrascht“, bemerkt Elli sofort. „Diese Kirche ist magisch, meine Liebe, wir haben hier endlos viel Platz.“

 

„Wie sollen wir so viele beurteilen? Und trainieren?“

 

„Um das Trainieren mach dir mal keine Sorgen, darum kümmern wir uns“, beruhigt Jack mich. „Und für das Beurteilen habe ich vielleicht eine Lösung.“

 

„Die wäre?“

 

„Toni!“ Elli ruft eine Frau zu uns, Ende zwanzig höchstens. Schwarze lange Haare, da konnte sich wohl jemand nicht trennen, und kristallblaue Augen mit einem Goldschimmer, der typisch für Charan ist.

 

„Ann, das ist Toni, eine deiner Kriegerinnen. Toni, deine Königin Ann“, stellt Elli uns gegenseitig vor.

 

Jack gibt nun mir die Anweisung, Tonis Hand zu nehmen und mich genau zu konzentrieren. Verwirrt folge ich seiner Anweisung. Ihre Hand ist weich und geschmeidig. Noch ehe ich mich konzentriere, sehe ich Bilder vor mir. In wenigen Sekunden beobachte ich, wie sie mit Anmut kämpft und geschickt Hindernisse überwindet. Bloß nutzt sie ihre Magie nur zu zehn Prozent, es schlummert mehr davon in ihr, ich spüre es.

 

Keuchend lasse ich ihre Hand los.

 

„Was ist das?“

 

„Du bist ein invenirer.“

 

„Was?“

 

„Ein Finder, Ann“, wirft Elli ein, „Das ist sehr selten und eine mächtige Waffe, du kannst dadurch Gefühle, Gedanken und Erinnerungen anderer anzapfen und sie dadurch analysieren.“

 

Damit ist klar, wie wir die knapp 500 Krieger einsortieren würden.

 

„Toni muss in die Magie-Trainingsgruppe“, verkünde ich.

 

 

Stunde um Stunde verbringen wir damit, jeden einzelnen Krieger zu beurteilen, viele sind schon sehr begabt. Dennoch weiß ich, dass es ein hartes Stück Arbeit werden wird.

 

„Der Nächste“, ruft Rose neben mir.

 

Ich lache trostlos auf. Als wären wir hier bei einem Casting.

 

„Wie ist dein Name?“, frage ich den Jungen, der kaum älter als ich aussieht. In diesem Moment brennt irgendwas in mir durch, dieser Krieg wird Opfer fordern, auf beiden Seiten. Leben werden zerstört und beendet werden.

 

Ich starre den Jungen vor mir an, wird auch er fallen?

 

„Ich brauche eine Pause.“

 

Jacks warme Stimme dringt zu mir durch, ich schaue zu ihm. Er lächelt sanft, er hat meine Schwäche bemerkt, und um mich nicht bloßzustellen, nimmt er es auf sich… Schnell nehme ich seine Hand.

 

„André, komm doch morgen bitte als Erster“, sage ich, nur weil Jack mir in Gedanken seinen Namen verraten hat. André nickt und verlässt dann den Raum.

 

„Was sollte das denn?“ Rose funkelt Jack an.

 

„Ich brauche einfach eine Pause, Rose. Ich weiß um was es geht! Dennoch ist irgendwann auch mal genug!“

 

„Unser Zeitplan…“

 

„Den können wir auch noch morgen wieder aufholen!“, falle ich ihr ins Wort. „Das Treffen ist für heute beendet. Morgen geht es um punkt sieben Uhr weiter.“ Ich rücke meinen Stuhl zurück und alle nicken mir zu, dann greife ich nach Jacks Hand und so verschwinden wir beide nach oben in unserem Zimmer unter dem Dachboden.

 

 

Kapitel 6

„Sie ist halt sauer wegen Alec.“

 

„Das gibt ihr aber nicht das Recht, dich so anzufahren!“

 

„Es ist doch alles okay.“

 

Ich wasche mein Gesicht in dem Badezimmer das direkt an das Zimmer von mir und Jack angrenzt, es sieht identisch aus wie das unten, außer dass die Decke schräg verläuft.

 

„Es geht ums Prinzip!“ Ich sehe Jack durch den Spiegel wie er ohne T-Shirt im Türrahmen steht und mich anlächelt.

 

„Wir machen alle eine harte Zeit durch, wenn wir erst mal alle wieder zusammen sind, wird es besser, versprochen.“

 

Ich unterbreche unseren Blickkontakt und schaue auf meine Hände. „Wird es nicht…“ Ich flüstere es nur, dennoch bin ich mir sicher, dass Jack es gehört hat.

 

„Ann, nicht…“

 

„Doch, ich habe die Hoffnung aufgegeben! Was muss denn noch passieren? Habe wir nicht schon genug Leute geopfert?“ Ich drehe mich zu ihm um.

 

„Du gibst dir die Schuld an allem.“ Es ist keine Frage, sondern eine Feststellung. „Ann, nicht du hast all diese Menschen umgebracht, sondern Dylan!“

 

„Blut klebt an meinen Händen, ich habe ihnen das Leben genommen um mich zu schützen und dennoch verfolgen mich ihre Gesichter!“

 

„Oh Ann.“ Er streicht mit seinen Händen kurz durch sein Gesicht und kommt dann einen Schritt auf mich zu. Als ich mich nicht bewege, überwindet er den Weg zu mir und schließt seine starken und warmen Arme um mich. Erschöpft lasse ich mich gegen ihn sinken. Er stützt mich einfach und schon bald kommen mir die Tränen. Still rollen sie über meine Wangen. Geborgenheit durchströmt mich als Jack mich noch näher an sich zieht.

 

„Du musst aufhören, dir die Schuld zu geben. Diese Charan haben ihre Wahl getroffen, indem sie dich bedrohten.“

 

„Wie hältst du das nur aus?“

 

„Hoffnung. Ich weiß, dass du unser Land verändern kannst.“

 

„ Und wenn nicht? Und ich versage?“

 

„Wirst du nicht!“

 

„Woher willst du das wissen?!“ Ich bin wütend, der Druck ist zu groß.

 

„Aeon hat dich auserwählt!“

 

Damit hatte ich nicht gerechnet und völlig perplex lehne ich an ihm, so hatte ich es noch nie betrachtet. Ich habe immer an mir gezweifelt, aber eigentlich habe ich so auch an Aeon gezweifelt. „Sie hätte dich nicht gewählt, wenn du versagen würdest!“ Seine Stimme klingt überzeugt und spendet mir so Mut.

 

„Danke.“

 

„Immer wieder gern.“ Er lässt mich los und schaut mich prüfend an. Schnell wische ich mit dem Handrücken über meine Wangen. Als ich mich kurz umgedreht und mich gewaschen habe, steht Jack immer noch dicht hinter mir.

Ein Kribbeln breitet sich in mir aus.

 

„Du bist wunderschön.“ Seine Stimme wirkt belegt.

 

Ein Schalter legt sich in mir um und ich vergesse alles um michherum, als seine Hand meine Haare im Nacken wegstreicht. Zärtlich küsst er mich dort. Ein leichtes Stöhnen entfährt mir und er dreht mich zu sich um. Mein Herz schlägt schneller und als wir uns tief in die Augen schauen, kommt es mir vor wie Stunden. Ich löse mich aus der Starre und küsse ihn und er ist völlig bereit dazu und vertieft den Kuss.

 

Ein Kuss voller Leidenschaft und Hoffnung.

 

Die Begierde strömt durch meinen Körper als er mich hochhebt und ich meine Beine um seine Hüfte schlage. Kein Wort könnte meine Gefühle beschreiben. Ich will nur eins, nämlich IHN. Sachte legt er mich auf dem Bett ab, seine Hand fährt vorsichtig unter mein Top.

 

 

„Ich liebe dich.“ Jack flüstert es immer noch mit belegter Stimme. Als Antwort küsse ich ihn und rolle mich auf ihn. Er streicht mit seiner Hand über meine Wangen. Wir lassen von dem Kuss ab und schauen uns tief in die Augen.

 

„Wie geht es jetzt mit uns weiter?“, frage ich.

 

„Wie meinst du das, jeder weiß, dass wir füreinander bestimmt sind.“ Jack küsst meinen Handrücken und verschlingt dann unsere Hände miteinander.

 

„Ich meine nicht die anderen, ich meine das zwischen uns. Kannst du mir verzeihen?“

 

„Ann, glaubst du, ich hätte dich verführt, wenn ich dir nicht schon längst verziehen hätte?“

 

Ich lächle ihn an „Ich habe dir auch schon längst verziehen.“

 

Jetzt lächelt er. „Küss mich.“

 

Und das tue ich nur zu gerne, seine Arme schlingen sich fest um mich und geben mir das Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit, natürlich denke ich immer noch an Alec und all die anderen, dennoch ist es mir jetzt einiges leichter ums Herz.

 

„Danke.“ Ich flüstre es an seinen Lippen.

 

„Ich hätte nicht gehen dürfen und dir vertrauen müssen, aber vielleicht wären wir dann jetzt nicht hier. Alles hat einen Sinn, Ann, du bist mein Sinn des Lebens.“

 

Tränen steigen mir in die Augen.

 

„Schhh… nicht weinen, Ann.“

 

„Ich weine vor Glück, dass ich dich habe.“

 

„Wir schaffen das, und zwar alle gemeinsam! Du, ich, Rose und unser gesamtes Volk!“

 

„Ich weiß.“ Und dann kuschele ich mich an ihn und sinke in einen erholsamen Schlaf.

 

Kapitel 7

Die Wochen vergehen, das Training wird für alle härter und eine Lösung unserer Prophezeiung rutscht immer weiter in die Ferne.

 

 

 

„Du kannst es nicht erzwingen!“, ruft Elli mir zu, so laut sie kann. Sie hofft, durch die Lautstärke bis zu meiner Vernunft durchzudringen. Aber Fehlanzeige. Ich höre nicht auf sie, es muss einfach klappen.

 

„Jack, nicht!“ Wieder Elli. Ich öffne die Augen und sehe gerade noch rechtzeitig wie Jack auf mich zu rennt, schnell lasse ich meine Magie los. Vor Erschöpfung lasse ich mich auf die kalten Steine des Innenhofs fallen und stütze meinen Kopf auf die Knie.

 

‚Nicht schon wieder, Jack!‘

 

„Doch! Du würdest sonst doch nie aufhören und dich hier noch völlig verausgaben!“

 

„Du hättest sterben können…“

 

„Das Gleiche könnte ich dir sagen.“ Er lässt sich neben mir fallen und zieht mich in eine Umarmung. „Was versuchst du hier nur jeden Nachmittag?“

 

„In mir steckt noch mehr Magie, ich muss sie nur irgendwie aktivieren…“

 

„Ich weiß, du sagst das jedes Mal, aber ich mache mir trotzdem Sorgen.“

 

Darauf sage ich nichts, denn jede Beruhigung wäre eine Lüge. Deswegen lenke ich seine Aufmerksamkeit lieber auf ein anderes Thema. „Wie läuft es mit dem Ausbilden der Kämpfer?“

 

„Wir sind gut dabei, sie sind fit.“ Jack lächelt mich an, wenigstens ein gute Nachricht. Dennoch habe ich ein ungutes Gefühl. Besonders als Rose in den Innenhof gerannt kommt. Sie bleibt stehen ich stehe wackelig auf, finde aber schnell das Gleichgewicht wieder. „Was ist los?“

 

„Dylans Truppen haben unsere Außenposten angegriffen, in England.“

 

„Damit war zu rechnen“, gebe ich innerlich ganz starr von mir. „Ruft die Spitze zusammen, in zehn Minuten im Hauptsaal.“

 

Dylan hat genau wie wir eine Armee zusammengerufen, ein Großteil des Charan-Volkes steht hinter ihm. Die Angst vor einer sonstigen Bestrafung macht sie gefügig. Von Lilla und meinen Eltern fehlt jede Spur und Alec wird wohl in der Nähe von Dylan gefangen gehalten. Es ist absolut sicher, dass wir Dylan direkt angreifen müssen um Alec zu befreien.

 

Die letzten Wochen haben wir unsere Truppen ausgebildet und in der Nähe der Portale stationiert: in London, Tokio, Washington, Paris, Kairo, Berlin und weiteren Großstädten.

 

Immer wieder nehmen wir Flüchtlinge auf, dennoch müssen noch genug unter Dylan leiden. Das erfahren wir von unseren Spionen, einige verstecken sich in der Charan-Welt. Noch mehr von uns dorthin zu schicken wäre einer Kriegserklärung gleichgekommen. Mit dem Angriff auf London hat jetzt Dylan eine solche abgegeben. Natürlich war mir lange bewusst, dass es passieren würde. Aber so früh?

 

Jack und ich sind die Ersten im Sitzungsaal. Rose kommt mit Elli und kurz danach trifft auch ein genervter Kylen ein. Er hat die besonders schweren Fälle abbekommen. Die kosten ihn wohl die letzten Nerven. „Wo ist denn der Rest? Im Gegensatz zu euch allen habe ich nicht den ganzen Tag Zeit!“, wettert er auch schon los.

 

„Bin doch schon da!“ Ein abgehetzter und verschwitzter Richard kommt reingerannt.

 

Wir fangen ohne weitere Verzögerung an, denn Francis kommt gerne zu ihrer eigenen Zeit… also immer zu spät.

 

„Was ist denn genau passiert?“, beginne ich die Runde, nachdem wir alle sitzen. Ich schaue zu Kylen; dieser hat sich beruhigt.

 

„Das Team aus London hat wie immer Bericht erstattet, plötzlich war ein Rauschen zu hören und die Leitung brach ab. Ungefähr zwanzig Minuten später hatten wir wieder Kontakt“, berichtet Rose. Warum hat sie uns erst so spät Bescheid gegeben? Ich nehme mir vor, mit ihr mal alleine zu sprechen.

 

„Das Team berichtete von einem Angriff mit Magie, diese prallte aber an dem neuen Schutzschild ab.“

 

„Gab es Verletzte?“, fragt Francis, die gerade durch die Tür kam als Rose anfing zu erzählen.

 

„Soweit ich weiß nicht.“

 

„Was wollten sie dann? Ich greife doch niemanden an und wenn es nach zwei Sekunden nicht klappt, gehe ich einfach“, sagt sie dann noch verständnislos und setzt sich.

 

„Du hast vollkommen recht“, stimmt Kylen zu.

 

„Vielleicht hatten wir einfach Glück“, sagte Richard.

 

„Doch, er hatte was davon, und zwar eine eindeutige Kriegserklärung“, spricht Rose meinen Gedanken aus.

 

„Wir beginnen Truppen in die Charan-Welt zu schicken, was Anderes bleibt uns nicht übrig“ stelle ich fest.

 

„Das würde hohe Verluste für uns bedeuten“, gibt Richard zu bedenken.

 

„Ich weiß… aber ohne die Truppen wird sich das Volk alleinfühlen und unsere Rebellion versandet.“

 

„Da stimme ich Ann zu“, bekräftigt mich Elli. „Das Volk ist jetzt schon skeptisch, wir müssen sein Vertrauen gewinnen. Das schaffen wir nicht mit Zurückhaltung.“

 

„Aber es in den Tod schicken, das ist okay?“, knurrt Kylen gereizt.

 

„Natürlich nicht! Es kommen nur die Erfahrenen und Freiwilligen dorthin.“

 

„Kylen, es geht darum unser Volk zu retten, das fordert eben Verluste“, meint Francis schlicht. Es klingt hart, aber genauso ist es.

 

Jack spürt die kippende Stimmung. „Elli, stell uns doch erst mal deinen Plan vor.“

 

„Haben wir die Möglichkeit, alle Portale gleichzeitig anzugreifen?“, fragt Elli Richard, ehe sie anfängt.

 

„Genug Leute haben wir, sie sind durch die Ausbildung in Bestform… die meisten.“

 

„Wie wäre es, wenn wir in London einen Scheinangriff starten und zeitgleich alle anderen angreifen? Dylan wird sich auf London konzentrieren und die anderen vernachlässigen.“

 

Ich schaue in die Runde. Francis und Rose sind sofort dabei, Richard und Jack stimmen nur zu wenn wir die Truppe in London verstärken und Kylen ist komplett dagegen, fügt sich dann aber der Mehrheit.

 

„Wir verstärken die Truppe in London mit drei weiteren Truppen von hier, die Besten der Besten. Dort wird der Kampf am härtesten sein. Jack und ich werden auch nach London reisen…“

 

„Nein!“, unterbricht mich Rose, entgeistert schaue ich sie an. „Wie nein?“

 

„Was Rose damit sagen will, ist, dass es zu riskant ist, dich an die Front zu schicken“, antwortet Kylen für sie. „Es wäre reiner Selbstmord und du bist zu wichtig, als dass du dort kämpfen könntest. Auch wenn der Plan mir nicht gefällt, was Besseres habe ich nicht. Aber du darfst nicht dort.hin“

 

„Was soll ich denn machen? Euch hinschicken, euch kämpfen lassen…“ Die unausgesprochen Wörter „und sterben lassen“, hängen in der Luft.

 

Die nächsten Worte löschen das Ungesprochene aus. „Ich gehe als Königsvertreter hin.“

 

Geschockt schaue ich Kylen an.

 

„Du willst was?!“, fragt auch Elli. Sie klingt schon fast entsetzt.

 

„Ich hasse den Plan, aber wenn wir ihn schon durchziehen, will ich alles tun was in meiner Macht steht und die Leute beschützen die dort sind!“ Wir haben schon verloren, Kylen hat entschieden.

 

„Na gut, aber nur wenn Francis und Richard mit dir gehen.“ Ich sehe sie fragend an während ich die Bedingung ausspreche und sie nicken.

 

Wir besprechen das genau Vorgehen und was wir als Ablenkung planen könnten.

 

Am Schluss entscheiden wir, unsere Spione in der Welt der Charan das Gerücht verbreiten zu lassen, dass ich in der nächsten Nacht den Stützpunkt besuche.

 

Nach der Sitzung nimmt Kylen mich zu Seite. „Mach dir nicht so viele Sorgen, ich schaffe das. Ich komme wieder.“

 

Ich hoffe still, dass er recht behält.

 

Kapitel 8

Langsam wird es dunkel und mit jeder Minute werde ich angespannter. Unsere Truppen sind verteilt über den Tag nach und nach aufgebrochen nach London, England. England, meine Heimat –dies liegt nun gefühlte Jahre zurück. Ich sitze auf der kalten Fensterbank aus Stein und kann – darf – nur warten. Sie, viele davon Freunde und Vertraute, kämpfen für etwas, das ich angezettelt habe.

 

„Ann?“ Jack steht in der Tür. Ich nicke kurz, um zu zeigen, dass ich ihn gehört habe und okay bin.

 

‚Es würde unseren Leuten sicher helfen, wenn du unten das Kommando gäbest.‘

 

Ich schaue zu ihm. Ich weiß nicht so recht, ob ich wütend, traurig oder einfach nur verzweifelt bin über die Aufforderung. Ich schicke Leute in den Tod, darf ihnen nicht helfen, aber zusehen, das ist okay. Das darf man als Königin.

 

„Ich will nicht nur zusehen!“

 

„Ich weiß, aber…“

 

„Nichts aber! Ich bin hier die, die das Sagen hat.“ Ich stehe auf und gehe auf ihn zu.

 

„ANN! Jetzt reiß dich mal zusammen. Wir sind ein Team, ein Rat. Und dieser Rat hat beschlossen du bleibst hier, also machst du das auch!“ Er scheint sauer, nicht nur besorgt, sondern richtig wütend.

 

Ich schlage mit meiner Faust gegen die nächste Tür, es tut weh aber nicht so sehr wie in mir. Ich schließe die Augen und stütze mich am Türrahmen ab.

 

‚Hey, es tut mir leid.‘ Jack umarmt mich von hinten und drückt mich an sich. Einige Minuten stehen wir so da. Doch als die Uhr Mitternacht schlägt, zucke ich zusammen, ich löse mich von ihm und verlasse den Raum nach unten. Jeder Schritt trägt mich näher an das Geschehen in London. In der Zentrale werde ich schon erwartet und Rose wirft mir einen bösen Blick zu.

 

Warum glaubt eigentlich jeder zu wissen wie es mir geht und wie man meinen Job besser machen kann?!

 

„Sind alle Truppen bereit?“

 

„Team Kylen ist in Position.“

 

„Team Francis ebenfalls.“

 

„Team Richard zur Stelle.“

 

„Team August auch.“ So klingt er also durch eine sichere Leitung, der Truppenleiter Londons.

 

Die Antworten dröhnen aus dem Lautsprecher.

 

„Irgendwas Auffälliges zu sehen?“ Vier Verneinungen.

 

Die Zeit vergeht und nichts passiert.

 

„Sie werden auf uns warten, uns läuft die Zeit davon. Wir haben keine Wahl. Team Richard, seit ihr bereit das Portal zu durchqueren?“, fragt Rose. Verwundert schauen sie alle an.

 

„Ähh… Ja“, kommt Richards zögernde Antwort nach einigen Sekunden.

 

„Richard, ihr macht gar nichts, haltet euch an den Plan!“, gebe ich mit ruhiger Stimme den Befehl und bedeute Rose, mir zu folgen. Kaum sind wir im Zimmer nebenan und die Tür ist zugefallen, kommt meine ganze Wut hoch. „Was sollte das?!“, frage ich gereizt.

 

Tränen glänzen plötzlich in ihren Augen. „Spürst du es denn nicht auch, Ann? Alec stirbt. Wir müssen endlich handeln!“ Sie klingt verzweifelt.

 

Ich atme einmal tief ein und wieder aus. „Rose… ich liebe Alec wie einen Bruder, aber wir müssen an unser Ziel denken.“

 

„Das Ziel sollte darin bestehen, Alec zu befreien.“

 

„Wir können Alec nur befreien wenn wir Dylan besiegen.“ Mir wird klar, warum Jack oben so wütend war. Oben habe ich mich verhalten wie Rose, ich habe nur an Kylen, Francis und all die anderen gedacht und nicht an das große Ziel. „Ich weiß, es ist schwer Rose, aber wir können das nur lösen wenn wir uns an den Plan halten.“

 

Die Tür wird aufgerissen. „Sie sind da!“ Jack. Kein anderer hätte sich getraut, einfach reinzuplatzen.

 

Ich nicke ihm zu, schaue ihn entschuldigend an und renne dann zurück in den Raum.

 

„Sie sind gerade durch das Portal gekommen!“, schreit Richard, man hört Schwerter aufeinander schlagen. „Es sind um die zweihundert Soldaten.“ Weniger als wir gedacht haben.

 

„Team Kylen zurückhalten!“

 

„Sollen die anderen jetzt zuschlagen?“, fragt mich ein anderer aus der Kommandozentrale.

 

„In zehn Minuten“ ist meine Antwort, ich habe ein schlechtes Gefühl.

 

Während der Kampf in London ungerührt weitergeht, stürmen wir wichtige Portale in Oslo, Tokio und anderswo rund um den Globus. Dort ist es fast mühelos. Jack kommt mit einer Karte angerannt.

 

‚Ich weiß, wieso Dylan uns diese Portale besetzten lässt, sie sind unwichtig. Sie sind viel zu weit weg vom Schloss.‘ Jack zeigt auf die Karte. Bei meinem ersten Besuch hing sie in der Bibliothek, schmerzliche Erinnerung werden wach. Ich dränge sie weg.

 

‚Wie, zu weit weg?‘

 

‚In der Charan-Welt gibt es keine Flugzeuge oder Autos. Man muss reiten, auf eigenen Flügeln fliegen oder laufen, und dieser Weg von diesen Portalen zu Dylan würde den sicheren Tod bedeuten.‘

 

„Scheiße!“ Alle starren mich an. „Die Truppen sollen sich sofort zurückziehen, außer…“, schnell schaue ich auf die Karte, „…London, Berlin, Moskau und Washington!“

 

„Was sollen die anderen machen?“

 

„Sich ins nächste Flugzeug setzten und sich auf die anderen vier anderen Städte verteilen. Markus, übernimmst du die Verteilung?“

 

‚Sobald die anderen aus London wieder hier sind erstellen wir einen neun Plan um die Portale zu stürmen.‘

 

Jack nickt.

 

Kapitel 9

  Kylens Sicht

 

Ich höre die Schreie und die Kampfgeräusche der anderen. Meine Truppe hat die Anweisung abzuwarten. Ich weiß, dass Ann mich nur losschickt, wenn es wirklich notwendig ist. Sie will mich schützen. Ich kann sie verstehen; an ihrer Stelle würde ich es genauso machen, aber da draußen sind meine Leute. Doch ehe in mir ein Konflikt entstehen kann, dringt Anns Stimme an mein Ohr.

 

„Kylen, ist dein Team bereit?“

 

„Ja.“

 

„Nehmt so viele gefangen wie nur möglich. Versucht nicht zu töten. Und, Kylen, pass auf dich auf. Los geht’s!“

 

Ich gebe meinem Team ein Zeichen. „Verstanden!“

 

Und schon rennen wir los. Mit erhoben Schwert gehöre ich zu denen die am weitesten vorn sind. Ich verschaffe mir hastig einen Überblick. Adrenalin rauscht in meinen Ohren. Ich bin nicht sicher, ob ich Ann so noch immer hören könnte.

 

Unsere Seite ist klar im Vorteil, Dylans Kämpfer unerfahren. Dennoch kämpfen sie bis zum Tod.

 

Ein junger Mann rennt auf mich zu, schnell hebe ich mein Schwert, um den Schlag abzuwehren. Es gelingt mir.

 

„Du musst das nicht tun!“, versuche ich ihm klar zu machen und verteidige mich nur ohne ihn anzugreifen. Doch er zeigt keine Reaktion. Plötzlich durchbohrt ihn ein Messer. Leblos sackt sein Körper zusammen, Francis steht hinter ihm. Fassungslos starre ich sie an.

 

„Er hatte seine Waffe schon gezogen um dich zu erschießen!“

 

Mein Blick folgt dem Finger, mit dem sie auf die Hand von dem feindlichen Krieger zeigt. Tatsächlich, eine Pistole.

„Wie kann das sein? Charane haben noch nie mit Pistolen gekämpft.“ Ich starre weiter auf die Waffe bis ich dicht neben mir ein Klirren höre. Den Kampf um mich herum habe ich über diese unglaubliche Erkenntnis vergessen.

 

„Wie wäre es, wenn du dir später Gedanken darum machst und deinen Arsch rettest? Statt alle anderen die Arbeit zu überlassen“, schlägt Francis genervt vor.

 

Schnell drehe ich mich wieder zum Kampf. Immer wieder versuche ich, die Krieger zu überreden aufzugeben, aber keiner hört darauf. Immer mehr feindliche Leichen.

 

Ich schwitze, Blut klebt an mir und langsam werden meine Muskeln schwach, wieder muss ich einen Charan töten als er mit einer Pistole auf Richard zielt.

 

„Rückzug!“, brüllt ein Mann der gegnerischen Seite. Der Befehl verbreitet sich rasant. Er braucht ihn nicht zu wiederholen. So schnell wie sie gekommen sind, fliehen sie auch.

 

Schweratmend komme ich zum Stehen und lasse mein Schwert sinken, als ich sehe, dass keine Gefahr mehr droht. Vor mir ein Meer aus Toten und Verletzten.

 

„Kylen, übernimm die Leitung der Gefangen. Francis, kümmre dich um ankommende Truppen und vorher bitte um die Toten und Richard, du kümmerst dich um die Verletzten“, lautet die Aufgabenverteilung von Ann. Ich gehe hinüber zu unserem zentralen Londoner Hauptsitz. Der Leiter, August, steht verschwitzt und noch in Rüstung, die genauso mit Blut bedeckte ist wie meine vor der Tür.

 

„Es wurden zwanzig Personen gezählt“, ist Augusts Antwort, als ich ihn frage wie viele Personen gefangen genommen wurden.

 

„Wie viele sind Verletzt?“

 

„Nur eine Person. Der Rest hat sich ohne Widerstand festnehmen lassen.“

 

„Ist die Verletzung schwer?“

 

„Nein, ihr Knöchel ist wohl gebrochen.“

 

„Ich werde erst bei den Verletzten helfen und dann machen wir uns an die Befragung.“

 

August nickt zustimmend.

 

Ich drehe mich um und helfe unsere Leute zu verarzten. Es lief gut für uns. Auf unserer Seit sind zwölf Krieger gefallen. Dylans Seite hat siebenundvierzig Tote zu verzeichnen, außerdem die zwanzig Gefangenen. Er hat seine Leute ohne jede Skrupel in den Tod geschickt. So was Grauenvolles habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen. Aber es passt wohl zu ihm.

 

Trotz der schwachen Krieger auf Dylans Seite sind viele von uns leicht verletzt und einige Leben stehen noch auf Messers Schneide. Die Nacht wird zeigen, ob noch mehr Tote folgen.

 

Nachdem alles soweit erledigt ist, gehen August und ich uns waschen und fangen danach mit den Gefangen an, sie sind jedoch keine wirklich gefährlichen Personen. Es sind einfach Bürger, die ihre Chance gesehen haben vor Dylan zu fliehen, indem sie in den Kampf ziehen. Sie sind verängstigt und dennoch willigen sie ein, sich ausbilden zu lassen, um das Kämpfen richtig zu lernen. Der Mut der Leute beeindruckt mich. Ich und August sind an der letzten Zelle angekommen.

 

„Hier drinnen ist die verletzte Gefangene. Sie weigert sich, Auskunft über irgendwas zu geben.“ August öffnet die Tür und lässt mich eintreten.

 

„Hallo, mein Name ist Kylen…“ Ich verstumme, als ich ihr Gesicht erblicke.

 

„Ich weiß.“ Ihre melodische Stimme dringt an mein Ohr. Sie klingt wie immer.

 

„Lilla!“

 

Kapitel 10

Anns Sicht

 

„Jack, ich muss nach London!“ Ich schreie ihn mittlerweile an, seit Kylen vor einer Stunde angerufen hat und uns mitgeteilt hat, dass Lilla wieder aufgetaucht ist. Lilla. Sie weiß, was mit Matt passiert ist, will aber nur mit mir reden.

 

„Warum will sie nur mit dir reden? Vielleicht ist das eine Falle!“

 

Lilla kann nicht auf Dylans Seite stehen…

 

„Das glaube ich nicht. Du willst mich beschützen…“

 

Rose unterbricht mich. „Matt wollte mir irgendwas sagen. Was ist, wenn es um ihren Verrat ging, wenn er ihn da entdeckt hatte? Ich würde ihr nicht vertrauen.“

 

„Aber Kylen meinte sie sei verängstigt.“

 

„Ich glaube nicht, dass Kylen da der richtige Ansprechpartner ist“, äußert sich ausgerechnet Elli dazu.

 

„Ich gehe!“

 

Jack verschränkt die Arme und schüttelt den Kopf, Rose‘ Miene ist wie versteinert und Elli legt mir eine Hand auf die Schulter „Ann. Ich respektiere deine Entscheidung, aber geh nicht allein.“

 

„Ich gehe mit ihr“, ist Jacks Antwort.

 

„Dann ist das ja geklärt. Also lass uns los.“ Ich gehe schon in Richtung Innenhof, Jack folgt mir.

 

„Ihr müsst doch in die andere Richtung zum Flugzeug!“, ruft Elli

 

„Wer braucht schon Flugzeuge?“, gebe ich wegwerfend zurück. Draußen konzentriere ich mich ganz auf meine Umgebung und gehe zu der freien Stelle wo ich sonst mit Elli übe.

 

„Wie meintest du das gerade?“

 

„Sie kann sich und andere teleportieren“, antwortet Jack.

 

Ich atme tief ein und aus und greife nach Jacks Händen.

 

‚Lass dieses Mal nicht los‘, necke ich ihn, seine Antwort ist nur ein Grinsen. Ich schließe kurz die Augen, blende alles aus. Als ich sie öffne umfließt uns der mir wohlbekannte lila Rauch. „London, Hauptzentrale der Rebellen.“ Der lila Rauch dreht sich um uns und in wenigen Sekunden klingt er wieder ab. Als ich mich umsehe, bin ich zuerst froh, dass es geklappt hat, vor mir ist die Hauptzentrale und neben mir hält Jack meine Hände.

 

„Es war viel besser als beim letzten Mal“, bemerkt er freundlich.

 

Ich dreh mich um und sofort habe ich einen Kloß im Hals. Die Schlacht, die hier stattgefunden hat, war schlimm. Immer noch sind Leute dabei Leichen wegzutragen und die Wiese ist mit Blut getränkt. Mit sinnlos vergossenem Blut.

 

‚Alles gut bei dir?‘, fragt Jack.

 

‚Es ist eine Sache, Bilder zu sehen, aber es in echt zu sehen… es ist grausam von Dylan, seine Leute so zum Tod freizugeben.‘

 

Jack nimmt mich in den Arm. ‚Ich weiß.‘

 

„Ich möchte zum Grab der Toten, bevor wir zu Lilla gehen.“

 

„Warum?“ Er streckt mich von sich und schaut mir intensiv in die Augen.

 

„Auch wenn sie verwirrt waren, sie waren Teil meines Volkes.“

 

Jack scheint nachzudenken und nickt dann. Ich schalte das Mikrofon an. „Kylen?“

 

„Ja?“

 

„Wie lautet das Passwort?“

 

„Aeon.“ Eine Vorsichtsmaßnahme, die wir besprochen haben, falls jemand Kylen irgendwo Gefahr gespürt hätte, hätte er Lila gesagt.

 

„Wir sind vor der Tür, ich möchte erst noch den Toten Ehre erweisen.“

 

„Ich komme sofort.“

 

Nach kurzem Warten stößt Kylen zu uns.

 

„Folgt mir.“ Wir gehen tief in den Wald. Das Laub ist grün und die Bäume blühen in vollen Pracht. Kylen bleibt stehen. „Dort begraben wir sie.“

 

Ich mache mich von Jack los und gehe auf das Erdloch zu. Vor mir erscheinen Körper. Alte Leute, junge Leute. Mit Schlamm und Blut bedeckt. Ich falle auf die Knie und fange stumm an zu weinen. Ich habe das Gefühl, jeden ihrer Charane zu sehen.

 

„Ihr seid erlöst, lauft zu Aeon und empfangt Vergebung und Glückseligkeit.“ Ich berühre den Boden und Flammen lodern auf, Flammen lila gefärbt. Flammen, die nicht ihre Körper verbrennen, sondern ihnen den Hass nimmt. Ich bleibe stumm und mache weiter.

 

‚Genug meine Tochter, ich habe alle empfangen.‘Aeon.

 

‚Danke.‘ Ich öffne die Augen, lasse die Flammen versiegen, stehe auf und drehe mich um. Jack und Kylen schauen mich an. „Aeon war hier oder?“

 

Ich nicke beiden zu, auch wenn Jack gefragt hat, sehe ich Kylen an, dass es ihm auch auf der Zunge lag.

 

„Ich habe um Vergebung für die Toten gebeten. Und jetzt lasst uns zu Lilla gehen.

 

Vielleicht weiß sie, wie wir so was wie das hier künftig verhindern können.“

 

Kylen nickt und stumm laufen wir zur Zentrale zurück. Ich fühle mich dieses Mal nicht erschöpft, Wut ist in mir. Ich will das Ende. Dylan wird bis auf den letzten Charan kämpfen, grausam und hart. Wir müssen ihn stoppen. Für Alec, meine Eltern und jeden einzelnen Charan.

 

Und wie lange wird er sich mit den Charan zufrieden geben? Irgendwann wird er die Menschen angreifen. Ich muss ihn töten, bevor er zu viel Macht bekommt.

 

Kapitel 11

„Hier ist ihre Zelle.“ Kylen zeigt auf eine Metalltür.

 

„War die wirklich nötig?“, frage ich entrüstet.

 

Jack greift nach meinem Handgelenk. „Ann, es ist immer noch nicht klar, mit welchen Absichten Lila hier ist und warum sie überhaupt verschwunden war!“

 

„Du warst nicht da, als ich sie kennengelernt habe! Lila hasst Dylan, er hat ihre Eltern umgebracht und sie bei sich arbeiten lassen, wie eine Sklavin!“

 

„Ich will nur, dass du vorsichtig bist, um deinetwillen und den unseres Volkes!“

 

„Meinst du, es geht mir nicht auch um unser Volk?! Alec ist mein Kriegsverbündeter und meine Eltern sind noch verschwunden!“

 

„Und meine tot!“, kontert Jack hitzig, dreht sich um und geht. Ich stehe einfach da und schaue ihm zu, wie er den grauen Flur entlangläuft.

 

„Unsere auch“, flüstert Kylen da. Ich hatte schon vergessen, dass Kylen die ganze Zeit neben mir stand. Er redet von unseren richtigen Eltern. Mitfühlend schaue ich ihn an. „Alles gut?“

 

„Lass uns reingehen.“ Er schaut mich nicht an und öffnet einfach die Tür.

 

Wir betreten den doch recht geräumigen Raum. Eine Wache steht in einer Ecke. Und als wir um einen Wandvorsprung biegen, sitzt Lila da schmutzig und mit Blut bedeckt auf einem Feldbett.

 

„Ann! Endlich bist du hier, die behandeln mich wie eine Verräterin!“ Sie steht auf, belastet aber das linke Bein nicht.

 

„Erklär mir, warum bist du hier, während Alec gefangen ist und Matt tot?“ Ich lasse meine Stimme eiskalt klingen. Auch wenn ich nicht glauben kann, dass von Lila Gefahr droht, haben die anderen Recht: wir brauchen antworten.

 

„Ich … Ich habe euer Versteck in Deutschland verraten.“

 

Ungläubig schaue ich sie an.

 

„Du mieses Stück! Wegen dir ist Matt tot und Dylan hat Alec!“ Kylen ist wütend und will schon zu ihr gehen, aber ich halte ihn mit meinem Arm zurück. „Erzähl weiter!“

 

„Ich wollte das nicht, er hat meine Mutter. Ich dachte, ich könnte sie nur so retten.“

 

„Was ist mit Matt passiert?“ Wut packt mich, dennoch muss ich es wissen.

 

„Er belauschte mich und Dylan… Dylan bemerkte  ihn und tötete ihn dann… Da begriff ich, dass meiner Mutter niemand helfen kann, außer dir.“

 

„Sagtest du nicht deine beiden Eltern sind tot?“ Fragt Kylen skeptisch.

 

„Nein… Nur meinen Vater“

 

„Wie hieß dein Vater?“ sie schaut auf, ein kurzer Moment vergeht

 

„Daniel“  mit fester stimme antwortet sie.

 

„Wo hat er deine Mutter?“

 

„Ich weiß es nicht, über sie konnte ich nicht herausfinden“

 

„Weißt du wo er Alec hat?“

 

„Ich weiß es auch nicht...“sie schaut weg

 

„Worüber weißt du den was?“ Ich lasse Kylen los. Er wirkt sauer, bleibt aber hinter mir stehen.

 

„Ich habe einen Fehler gemacht,aber ich musste euch warnen! Dylan will euch.“

 

„Erzähl uns was Neues!“, spottet Kylen.

 

„Was weißt du Lilla?“ Frage ich mit Nachdruck.

 

„Ich weiß von einem Angriff auf London um Punkt Mitternacht.“

 

„Warum sollten wir dir jetzt noch glauben?“

 

„Weil ich das hier habe. Ein Stück der Prophezeiung.“ Sie streckt mir ihre Hand entgegen mit einem knittrigen vergilbten Papier entgegen. Vorsichtig nehme ich das Papier an mich.

 

„Wie hast du es geschafft damit zu entkommen?“

 

„Er vertraut mir halt“

 

„Dylan vertraut nur wenigen Leuten“

 

„Ich habe euch verraten, da war ihm klar das ich auf eurer Seite nicht mehr stehe“

 

„Genau das bereitet mir sorgen. Was wenn er es nicht nur denkt?“

 

„ich bin doch hier! Zählt das gar nicht?“ Ich schaue sie mir genau an.

 

 „Wir gehen jetzt.“ Ich ziehe Kylen mit raus. „Ich will, dass sie bewacht wird. Ständig. Lass sie erst frei, wenn Jack und ich weg sind, und du kommst so schnell wie möglich nach. Sie hat zwar gesagt, sie steht auf unserer Seite, aber Matt ist wegen ihr tot, was sagt da ihr Wort?“

 

Kylen nickt.

 

Enttäuschung macht sich in mir breit, als ich den Flur entlang gehe. Und wieder Wut.

 

Es gibt nur einen, mit dem ich jetzt reden möchte. ‚Jack?‘

 

‚Ja?‘

 

‚Du hattest recht, Lilla ist eine Verräterin, zumindest behauptet sie, dass sie es war.‘

 

‚Was nun?‘

 

‚Wir beide hauen hier ab, komm zur Tür an der wir auch gelandet sind.‘

 

‚Ich warte schon.‘ Ich weiß nicht, ob ich sauer oder traurig sein soll, dass Jack es schon geahnt hat, während ich an sie geglaubt habe.

 

„Wir gehen. Setz Francis auf Lilla an und behalte ihren Verrat für dich. Und du setzt dich ins nächste Flugzeug und bereitest die Truppen hier auf neue Angriffe vor. Gib in der Zentrale Bescheid, dass auch die anderen Portale vorbereitet werden sollen. Und zu guter Letzt: verstärkt den Zauber um die Portale, die Menschen dürfen weniger denn je was von uns erfahren, auch wenn wir hier eigentlich in einem Vorort von London sind!“

 

Kylen nickt. „Wird gemacht!“ Schon gibt er erste Instruktionen durch sein Mikrofon weiter.

 

An der Tür greife ich nach Jacks Händen. ‚Kylen? Hör nur auf meine Anweisungen. Vielleicht gibt es noch mehr wie sie.  Und bleibe am Leben.‘

 

Er nickt und ich konzentriere mich auf Kopenhagen. Lila Fäden tauchen auch schon auf…

Impressum

Texte: A.S.Thomas
Bildmaterialien: unachicadelmonton
Lektorat: Megan
Tag der Veröffentlichung: 27.10.2015

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Mein finales Buch ist für meine beiden Besten Freundinnen. Sie haben meine Bücher nie gelesen, aber nur weil ich ihn schon immer alles voher erzählt habe. Sie sind immer da. Wenn es super läuft oder ich alles hin werfen möchte. Danke!

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