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Der Anfang und das Ende


Warnung: Das Buch ist nichts für schwache Gemüter. Lesen auf eigene Gefahr!

Seit sieben Monaten kenne ich ihn. Er ist meine große Liebe. Jack Miller. Wenn er mich mit seinen stahlgrauen Augen an sieht, gibt es nur noch uns beide. Wenn seine warmen Händen mein Gesicht umfassen und seine sanften Lippen die meinen berühren, schlägt mein Herz Purzelbäume. Es war keine Liebe auf den ersten Blick, denn als ich ihn kennenlernte hielt ich ihn einfach für einen dummen Aufreißer. Er zog immer mit seiner Gang umher, deren Anführer er war. Natürlich sah er auch schon vor damals klasse aus. Seine braunen Haare die ihm ins Gesicht hingen, gaben ihm etwas wildes und in seinen grauen Augen lag etwas, was keinen Widerspruch duldete. Die Mitglieder seiner Gang gehorchten ihm aufs Wort, bis heute kann ich nicht sagen ob es aus Respekt oder aus Angst.
Das erste mal begegnete ich ihm im Stadtpark. Seine Gang hatte sich auf dem Spielplatz breit gemacht. Einige Kinder standen daneben, traurig weil die Gang sie nicht spielen ließen. Eine Weile beobachtete ich das Szenario nur, doch dann bemerkte ich einen kleinen Jungen „Das ist nicht euer Spielplatz.“, schrie er wütend und versuchte eines der Gangmitglieder zu attackieren. Das Gangmitglied, Bryan hieß er glaube ich, packte den Jungen am Kragen. „Was willst du?“
„Spielen.“, sagte der Junge trotzig. Bryans Augen funkelten gefährlich und er holte aus. Nun konnte ich nicht mehr einfach daneben stehen. Ich wollte eingreifen, doch da tat es schon ein anderer. Jack. Er packte Bryans Arm bevor dieser zu schlagen konnte. „Lass den Jungen in Ruhe, Bryan.“
Bryan ließ von dem Jungen ab. Die Blicke der beiden Jungs kreuzten sich für einen Moment und es sah aus als ob sie einen mentalen Kampf ausfochten. Ich war darauf gefasst, das sie sich gleich verprügeln würden, aber das passierte nicht. „Beweg deinen Arsch von der Rutsche, Bryan.“, sagte Jack und Bryan gehorchte aufs Wort. Der Junge sah Jack mit großen Augen an und bedankte sich, doch die Lust aufs Rutschen schien im vergangen zu sein, denn er eilte davon. Dann begegneten sich mein und Jacks Blick zum ersten Mal. In diesem Augenblick empfand ich alles andere als Liebe für ihn, nein ich verachtete ihn und seine Gang. Sie waren stadtbekannte Rüpel.
„Wieso könnt ihr euch nicht woanders breitmachen?“, giftete ich.
Er lachte nur. „Wie mutig von dir mich hier so dumm anzumachen. Ich denke du weißt wer wir sind und insbesondere wer ich bin.“
Ich ballte meine Hände zu Fäusten. „Arrogante Rüpel seid ihr, die jeden schikanieren der eurer Meinung nach unter euch steht. Und du bist ihr Anführer.“
Er schnaubte, wohl immer noch belustigt.
Ich kam zu dem Schluss das man mit ihm nicht reden konnte und wollte gerade davon stampfen, als er mich am Arm festhielt. Ruckartig drehte ich mich zu ihm um. Ich wollte ihm meinen Arm entreißen, aber sein Griff war zu fest. Er legte mit der anderen Hand einen Finger unter mein Kinn, damit ich ihn ansehen musste. Sein Gesicht war so nah, dass ich seinen Atem auf meiner Wange spüren konnte. Mir wurde mulmig zumute und ich konnte es nicht leugnen das er mir Angst machte. Mit seinen stahlgrauen Augen hielt er meinen Blick fest. „Du bist wirklich mutig. Vielleicht zu mutig. Wenn ich du wäre, würde ich besser auf mein hübsches Gesicht aufpassen.“
Ich spürte wie sein Griff sich lockerte, also entriss ich ihm meine Hand. „Danke für den Rat.“, gab ich sarkastisch zurück, damit er meine Angst nicht bemerkte. Er sah mich weiter belustigt an. Wie gern hätte ich ihm damals das provokante Lächeln aus dem Gesicht geschlagen. Stattdessen lief ich ein paar Schritte zur Hauptstraße. Die letzten paar Meter rannte ich. Aus dem Park draußen ließ ich mich an eine Mauer sinken, um einen Moment zur Ruhe zu kommen. Ich atmete ein paar mal laut aus und ein und meine Gedanken wurden wieder klarer. Ein Passant kam zu mir und fragte ob ich Hilfe brauchte. Ich verneinte. Die Wahrheit war, ich brauchte Hilfe. Vielleicht einen Seelenklempner, denn wie konnte ich mich nur mit dem großen Jack Miller und seiner Bande Rüpel anlegen? Ich musste doch verrückt gewesen sein? Nach einer Weile stand ich auf und machte mich auf den Heimweg. Immer nur mit einer Frage im Kopf. Was würde passieren, wenn ich der Gang wieder begegnete? Einer von ihnen langte schon um mich zu Brei zu schlagen, doch meistens waren sie alle zusammen. Mir wurde flau im Magen und ich legte mich zu Hause angekommen, mit einer Wärmflasche ins Bett. Das Abendessen ließ ich ausfallen. Als ich einschlief träumte ich davon wie einer von Jacks Handlangern mir die Zähne ausschlug. In dieser Nacht folgten noch weitere solcher Träume und ich hoffte das nie Realität werden würden.
Zu diesem Zeitpunkt hätte ich nie gedacht, das Jack einmal der Mann meiner Träume werden würde, doch das wurde er. Denn das zweite Wiedersehen ließ nicht lange auf sich warten.
Es war etwa eine Woche später, als ich von der Schule nach Hause lief. Mein Schulweg führte durch den Park und schon die letzten Tage hatte ich Blut und Wasser geschwitzt, wenn ich ihn durchquerte. Denn hier hielt sich die Gang oft auf. Die letzten Tage hatte ich Glück gehabt, doch heute war es aus damit. Mit großen Schritten eilte ich durch den Park ohne nach rechts oder links zu gucken und dann passierte es. Ich prallte mit Jack zusammen und fiel zu Boden. Als ich aufsah erkannte ich Jack nur an den Klamotten, denn sie Sonne verwehrte mir die Sicht auf sein Gesicht. Er streckte mir seine Hand entgegen. Doch ich wusste seine Hand zu nehmen, wäre wie die Hand des Teufels zu ergreifen, deshalb stand ich allein auf. Ich wollte gerade die Flucht ergreifen, als seine nächsten Worte mich aufhielten. „Jill Wedmore, 16, du besuchst die St. Patricks School, Oberstufenschülerin, letzte Klasse. Dein Haus liegt am Stadtrand in der Sullivanallee. Du lebst dort allein mit deiner Mutter und diese ist eine erfolgreiche Anwältin.“
Geschockt sah ich ihn an. Gerade als ich dazu ansetzen wollte zu fragen, woher er das alles wusste, winkte er mit der Hand ab. „Woher ich das alles weiß? Kontakte. Mehr brauchst du nicht zu wissen. Ich wusste an dem Tag auf dem Spielplatz nicht ob ich dich wiedersehen würde, doch mir fiel auf das du oft hier in dem Park bist. Ich informierte mich über dich und wartete bis du heute hier her kamst. Das soll dir nur eine Warnung sein, damit du dich nicht mehr ungefragt einmischst.“, und dann ging er einfach pfeifend davon.
Ich starrte ihm nach. Und als er nicht mehr zu sehen war, verließ ich den Park auf schnellstem Wege.
Die nächsten Tage nahm ich unscheinbare Schleichwege durch den Park, denn ich wollte es vermeiden Jack wieder zu sehen. Und tatsächlich gelang mir das, zumindest bis zu dem einen Tag als ich meinen Lieblingsplatz aufsuchte. Eine malerische Klippe am Meer. Ich war länger nicht mehr dort gewesen, um so mehr freute ich mich diesen Ort mal wieder zu sehen. Doch auf dem malerischen Bild, was meine Klippe abgab, war ein Fleck. Ein schwarzer der auf meinem Platz, einem großem Stein saß. Ich näherte mich der Klippe.
„Das ist mein Platz.“, sagte ich.
Als der Eindringling sich zu mir umdrehte wich ich eine Schritt zurück. „Wer sagt das?“, spottete Jack.
Ich fuhr mir mit den Händen durchs Gesicht. „Nicht mal hier bin ich vor dir sicher.“, stöhnte ich und sah mich nach Mitgliedern seiner Gang um.
„Ich bin allein hier.“, versicherte er mir und da fiel mir zum ersten mal auf, das er einen Zeichenblock auf dem Schoß liegen hatte. Darauf erkannte ich die Klippe und das Meer und die untergehende Sonne. Es war wunderschön, auch wenn es erst mit Bleistift skizziert war.
Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Jack der Rüpel machte einen auf Picasso. Doch er hatte Talent, das musste ich ihm lassen.
„Ein ungewöhnliches Hobby für eine Rüpel wie mich, nicht?“, fragte er und zum ersten Mal sah ich bei ihm ein echtes Lächeln. Zum ersten Mal sah ich ihn als den Jungen der er wirklich war. „Ich war nicht immer so wie heute, weißt du?“
Ich nickte nur. „Dein Bild ist wunderschön.“, gab ich zu.
„Das?“, fragte er und zeigte auf sein kleines Meisterwerk. „Das ist gar nichts. Ich habe noch viel schönere Bilder. Er riss die Skizze von seinem Block und hielt sie mir hin. „Ich habe es noch nicht mit Farbe bemalt, aber wenn du es willst schenke ich es dir.“
Überrascht von dieser Geste nahm ich das Blatt entgegen. „Danke.“
„Denk jetzt aber bloß nicht, das ich nett bin.“, sagte er mit einem verschmitztem Lächeln.
„Tu ich nicht.“, sagte ich ebenfalls lächelnd. „Du bleibst weiterhin ein böser Junge und ein Rüpel.“
Irgendwie begannen wir beide zu Lachen.
Und ich glaube so begann es. Unsere gemeinsame Geschichte. Unsere Liebe. Selbst wenn wir es beide zu dem Zeitpunkt noch nicht wussten oder wahr haben wollten.
An diesem Abend schlief ich selig ein. Denn ich wusste das mir von Jack keine Gefahr mehr drohte, an diesem Tag habe ich zum ersten Mal den wahren Jack gesehen.
Und so kam das Jack und ich uns täglich sahen. Unser Treffpunkt war die Klippe. Ich erinnere mich noch an den Tag, wo wir uns beide das erste Mal geküsst haben. Es war ein Samstag gewesen. Wir hatten uns damals bereits einen Monat fast täglich gesehen. Wir hatten uns eine Decke mitgenommen auf der wir lagen und den Sternenhimmel betrachtet hatten. Wir hatten beide keine Ahnung von Sternenbildern, also erfreuten wir uns einfach an der Schönheit des Nachthimmels.
Dann passierte es. Wir sahen uns, wie in den kitschigen Filmen in die Augen. Zum ersten Mal war die Härte aus Jacks Augen verschwunden. Er war in diesem Moment nicht der rüpelhafte Ganganführer sondern ein ganz normaler Junge. Unsere Gesichter näherten sich langsam. Ich war total aufgeregt, da ich zu vor noch nie einen Jungen geküsst hatte. Er musste diese Angst gespürt haben den er streichelte mir zart über die Wange. Und dann berührten sich unsere Lippen. Anfangs waren unsere Küsse zärtlich, doch sie wurden immer wilder und leidenschaftlicher. Ich spürte das er mich begehrte und ich ihn genauso.
Und so begann unsere Liebe. Wir trafen uns fünf Monate fast täglich an der Klippe, bevor wir entschieden das es Zeit wurde die Eltern des anderen kennenzulernen. Hätte ich damals gewusst, was dann passiert, dann hätte ich es nie vorgeschlagen.
Es war ein Sonntagabend gewesen, als ich Jack mit nach Hause brachte. Wir betraten mein Haus und Jack sah sich neugierig um. Vor allem meine Kinderfotos, die im Eingangsbereich hingen, interessierten ihn und ich war froh gewesen, das ich das Bild auf welchem ich nackt in der Badewanne sitze, verschwinden lassen habe. Im Esszimmer angekommen bat ich ihn schon mal am Esstisch Platz zu nehmen und ging kurz in die Küche.
„Jetzt bin ich wirklich neugierig, wenn du mir mit gebracht hast.“, sagte meine Mutter, während sie den Topf Suppe hinüber ins Esszimmer brachte. Ich folgte ihr. Im Esszimmer angekommen sah ich nur noch wie meine Mutter plötzlich erstarrte und der Topf Suppe zu Boden fiel. Der komplette Inhalt ergoss sich über den Teppich. Im ersten Moment verstand ich nicht was los war und Jack schien es genauso zu ergehen. „Ausgerechnet er.“, hauchte meine Mutter. „Das musste ja passieren.“
Ich sah Jack an und wusste das es ihm genauso ging wie mir, wir verstanden die Welt nicht mehr.
Plötzlich packte meine Mutter Jack am Kragen und zog ihn zur Tür. Dann schmiss sie ihn hochkant hinaus. „Lass die Finger von meiner Tochter.“, schrie sie bevor sie die Tür zu schlug und zusammen sackte. Ängstlich sah ich sie an. Wartete auf eine Erklärung. Doch es kam keine. Erst nach einigen Minuten sprach sie wieder. „Ich möchte das du dich von ihm fernhältst. Verstanden?“
Fassungslos sah ich sie an. Was sollte das ganze Theater? „Wieso?“
„Ich habe dich gefragt ob du das verstanden hast.“, gab sie zurück.
„Verstanden schon, aber ohne Grund werde ich es nicht akzeptieren!“, sagte ich.
Lange sah sie mich an. „Er ist dein Bruder, Jill. Du hast eine Beziehung mit deinem Bruder. Und das ist inakzeptabel. Ich kann es nicht dulden. Es ist verboten. Ich weiß das du nichts von ihm wusstest, um so besser ist es, wenn du ihn nicht mehr siehst.“
Ich brauchte einen Moment um die Worte zu realisieren. „Das ist eine Lüge. Ich glaube dir nicht. Ich habe keinen Bruder.“
Tränen tropften meiner Mutter vom Kinn. Ich hatte sie noch nie weinen sehen. Es schockte mich sie so verletzlich zu sehen und gleichzeitig wurde mir klar, das es stimmte. Sie log mich nicht an. Jack war mein Bruder. „Was ist passiert?“
Meine Mutter schluckte hörbar. „Ich habe deinen Vater geliebt. Wirklich. Doch er hat mich hintergangen. Jack war gerade gerade zwei Jahre alt, als dein Vater mit ihm durchbrannte. Er und Jack waren von heute auf morgen aus meinem Leben verschwunden, so als ob sie nie da gewesen wären. Damals war ich am Boden zerstört. Der einzige Grund wieso ich das alles verkraftet habe, warst du. Du warst noch nicht einmal geboren. Doch ich spürte wie du dich in meinem Bauch bewegtest und ich wollte für dich stark sein und dir ein normales, sorgloses Leben bieten. So wie ich es nie für Jack tun konnte. Jahrelang habe ich versucht deinen Vater und Jack zu finden, allein und mit allen möglichen Behörden. Doch es gelang mir nicht.“
Traurig sah ich meine Mutter an. Jahrelang hatte sie nie ein Wort über meinen Vater verloren und jetzt bekam ich in etwa ein Bild, was für ein Mensch er war. Ein Verräter. Er war an allem Schuld.
Ich setzte mich neben meine Mutter und streichelte ihr tröstend über den Arm. Ich verstand wieso sie so lang geschwiegen hatte, denn ich sah ihren Schmerz. Sie hatte schon immer von einer Bilderbuch Familie geträumt und bekommen hatte sie einen Verräter als Ehemann, der ihren einzigen Sohn mitnahm und sie schwanger sitzen ließ.
Meine Mutter stand auf und ging ins Schlafzimmer. Mir war klar, das sie ein bisschen Ruhe brauchte. Denn ich hatte eine alte Wunde wieder aufgerissen.
Ich ging zur Tür hinaus und tatsächlich saß Jack noch da. Verwirrt sah er mich an. Ich konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten und er nahm mich in den Arm. Ich fühlte mich in seiner Umarmung sicher und geborgen, doch es war verboten. Was wir beide hatten, durfte nicht sein. Deshalb löste ich mich von ihm und ging einen Schritt zurück. „Jack.“, sagte ich und kaute nervös auf meinen Lippen herum, bis ich Blut schmeckte. „Wir dürfen uns nicht mehr sehen.“
„Was? Wieso...?“, stammelte er. Er wirkte sichtlich geschockt. Ich legte einen Finger auf seine Lippen. Dann küsste ich ihn ein letztes mal. „Wir sind Geschwister. Du bist mein Bruder und unsere Liebe...ist verboten.“
„Was redest du da?“, fragte er. Als er keine Antwort bekam, wurde er wütend. Er schrie seine Frage noch mal, packte mich an den Schultern und schüttelte mich. Ich entriss mich seinen Griff. Ich fühlte mich so leer und ausgebrannt, wie niemals zu vor in meinem Leben. „Frag deinen Vater.“, flüsterte ich, denn lauter Sprechen konnte ich einfach nicht. Ich ging ins Haus und ließ ihn allein stehen.
Wochenlang schaffte ich es Jack aus dem Weg zu gehen. Meine Mutter holte mich sogar von der Schule ab, damit ich ihm nicht im Park über den Weg lief. Dennoch das Gefühl leer und kaputt zu sein, wurde nicht weniger. Es wurde immer schlimmer. Ich war nur noch eine blasse Ausgabe von mir selbst. Ich hatte einige Kilos verloren, weil ich kaum noch etwas aß. Normalerweise hätte ich mich über den Gewichtsverlust gefreut, doch ich selbst wusste, das er bedenklich war, wenn es so weiter ging würde ich noch in die Magersucht abrutschen. Außerdem war ich ja nicht einmal fähig Freude oder irgendein anderes Gefühl zu empfinden, denn der Schmerz des Verlustes überdeckte alles.
„Du musst ihn vergessen. Du musst über ihn hinweg kommen. Er ist dein Bruder.“, sagte meine Mutter immer. Und mir stellte sich dann immer die Frage, ob ich das überhaupt konnte. Über ihn hinweg kommen.
Eines nachts konnte ich einfach nicht mehr. Ich stand auf und ging ins Bad. Ich zog mich an. Band mir einen strammen Zopf und nahm eine kleine Handtasche, in die ich alles hineinpackte was ich brauchte. Denn ich hatte einen Plan. Ich googelte wo Jack wohnte und ich wurde fündig. Leise schlich ich mich aus dem Haus. Fuhr mit einem späten Bus zu dem Haus in dem Jack wohnte und zerschlug ein Fenster im ersten Stock. Es war mir egal ob Jack oder unser Vater mich hörten. Mir war alles egal. Ich stieg in das Haus ein und ging eine Treppe hinauf. Ein Schnarchen lotste mich zu einem Raum auf der rechten Seite. Die Tür war nur angelehnt, also stieß ich sie auf. Da lag er. Mein Vater. Seelenruhig schlafend. In diesem Moment wurde mein Hass übermächtig. Er hatte meine Familie zerstört und gleichzeitig war Schuld daran das ich mit Jack nicht zusammen sein konnte. Ich tapste zu seinem Bett. Er hatte die gleichen roten Haare wie ich. Mit der Faust schlug ich ihm ins Gesicht. Ich wollte das er aufwachte. Mir ins Gesicht sah. Und das tat er. „Wer bist du?“, fragte er.
„Du bist ein mieser Vater.“, sagte ich spöttisch. „ Du erkennst nicht mal deine eigene Tochter.“, ich lachte laut und klang dabei vollkommen irre.
Ich holte das große Küchenmesser aus meiner Handtasche und stach zu. Ich traf sein Bein und er schrie. „Das ist dafür das du meiner Mutter so weh getan hast. Jetzt weißt du vielleicht wie sie sich ansatzweise gefühlt haben muss, als du sie von heute auf morgen im Stich gelassen hast.“
Ich holte erneut aus um zu zu stechen.
„Hör auf. Bitte“, er flehte und das gefiel mir. „Bitte. Wir können doch alles klären.“
„Klären?“, wiederholte ich. „Ich bin gerade dabei.“, wieder stach ich zu und traf diesmal in seinen Bauch. Er schrie wieder und ich war mir sicher, das die Nachbarn bald die Polizei rufen würden, aber das war mir egal. Hauptsache ich bekam was ich wollte. Ich drehte das Messer in seinem Bauch herum und zog es dann heraus. Das Bettzeug war mittlerweile voller Blut.
„Bitte, hör auf.“, wimmerte er. „Es tut mir leid.“
„Ach, es tut dir Leid.“, wiederholte ich erneut. „Und das macht alles wieder gut? Nein, Vati. Denn du hast nicht nur meiner Mutter weh getan. Nein, du bist auch daran Schuld das ich mich in meinen eigenen Bruder verliebt habe!“, ich schreie und spüre wie der Schmerz in mir weniger wird.
Und dann ziele ich auf sein Herz und treffe. Ich merke es daran, dass seine Augen von Sekunde zu Sekunde lebloser werden.
Ich putze das Messer an dem Bettlaken ab und will mich gerade auf die Suche nach Jacks Zimmer begeben, als er plötzlich in der Tür steht.
„Was zum...?“, setzt er an, aber als er erst unseren toten Vater und dann mich ansieht, verschlägt es ihm die Sprache.
„Ich hoffe er hat es dir gesagt.“, sagte ich tonlos.
Immer noch schockiert sieht er mich an. „Rache ist keine Lösung. Aber ich glaube dafür ist es jetzt zu spät.“
Ich gehe zu ihm und werfe mich ihm in die Arme. Widerwillig erwidert er meine Umarmung. „Ich kann nicht ohne dich Leben. Und unser Vater hat es nicht besser verdient.“
„Ich glaube du begreifst gar nicht, was du getan hast. Ich meine, was unser Vater getan hat ist schlimm. Ich war auch wütend auf ihn...aber er ist tot. Weißt du was das bedeutet?“, er sieht mich fragend an. Doch ich schweige. „Du kommst ins Gefängnis.“
Ich lächle. „Nein, komme ich nicht.“
In diesem Moment ziehe ich das Messer, was ich dazu benutzt habe, meinen Vater zu töten, aus meinem Ärmel hervor und ramme es Jack in den Rücken. Schockiert sieht er mich an. „Warum?“, sagt er hustend. Blutspritzer landen in meinem Gesicht. „Wenn wir beide tot sind, können wir für immer glücklich sein.“
„Das ist Wahnsinn.“, sagt Jack und ich steche noch einmal zu, dann fällt er in sich zusammen und ein paar Augenblicke später ist er tot. Ich nehme das Messer und ziele auf mein Herz. Doch ich schaffe es nicht. Ich schaffe es nicht mich selbst zu erstechen. Plötzlich höre ich Sirenen. Die Polizei. Ich renne nach unten und verlasse das Haus zur Hintertür. Ich sprinte durch einige Gärten. Springe über einige Zäune und laufe über einen großen Acker, bis ich endlich da bin. Die Klippe. Hier habe ich mich in Jack verliebt. In den Rüpel Jack der zauberhaft Zeichnen konnte. Von der Klippe aus sah ich auf das blaue Meerwasser hinab. Wenn man von dieser Klippe fiel, starb man. Dort unten im Meer versteckt waren jede Menge spitzer Steine die einen aufspießen konnten. Es war perfekt. Hier würde ich friedlich sterben können. Ich sah wieder nach unten. Erneut verließ mich der Mut. Doch als Jacks stahlgraue Augen vor meinem innerem Auge auftauchten, setzte ich einen Schritt nach vorne. Ich fiel. Allerdings nur einen Meter. Denn ich hielt mich am Klippenrand fest. Ich konnte es nicht. Ich konnte nicht sterben. Egal wie sehr ich Jack liebe. Egal wie lange sie mich einbuchten würden. Ich konnte mich selbst nicht umbringen. Wenn ich Glück hatte bekam ich vielleicht sogar die Todesstrafe. Ich kletterte die Klippe wieder empor und irrte sinnlos durch die Gegend. Schon bald hatte mich die Polizei gefunden. Die Nachbarn des Hauses meines Vaters hatten mich gesehen, als ich aus dem Haus gerannt war und konnten mich ziemlich gut beschreiben. Als die Polizei mich vernahm gestand ich beide Morde und erst in diesem Moment wurde mir klar, was ich eigentlich getan hatte. Ich war von Sinnen als ich die Morde begangen hatte, dennoch verfolgten mich die Bilder meiner toten Familie. Ich hatte zwei Menschen auf dem Gewissen und die Liebe hatte mich blind gemacht. Meine Familie hatte ich endgültig zerstört. Jack und meinen Vater hatte ich bereits verloren, bevor ich sie umgebracht hatte, doch jetzt hatte ich auch meine Mutter verloren. Seit ich ihm Gefängnis saß, hatte sie mich nicht besucht. Mir ging ihr Satz nicht mehr aus dem Kopf, das ich das einzige war, was ihr half den Verlust meines Bruders und ihres Ehemanns zu verkraften. Nun hatte sie auch mich verloren.
Ich hatte so ziemlich alles zerstört, was ich hatte. Mein Leben war nichts mehr wert. Deshalb war ich erleichtert als man mich zur Todesstrafe verurteilte. Vor Gericht habe ich die Morde so kalt wie möglich geschildert, ohne jegliche Gefühlsregung. Ich wollte das sie mich für eine kaltblütige Mörderin hielten. Ich wollte das sie denken das ich nichts bereue. Doch das tat ich genau in dem Moment, als ich durch das Gift in meinen Adern starb. Ich bereute meine Taten zutiefst, aber es war zu spät.

The End

Ich hoffe die kleine Geschichte hat euch gefallen. Mit dieser Geschichte möchte ich zeigen, das Liebe nicht nur blind, sondern auch verrückt machen kann, vor allem wenn sie verboten ist. Jill hat alles verloren, weil sie zu gierig nach Rache und Jacks Liebe war und ich glaube jetzt versteht man, wieso ich gerade diesen Titel ausgewählt habe. Ich habe mir mit dieser Geschichte große Mühe gegeben und ich hoffe ihr gebt mir einen Pokal, würde mich auf jeden Fall sehr freuen.

Danke für euer Interesse an der Kurzgeschichte.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 08.09.2012

Alle Rechte vorbehalten

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