1.Kapitel Der Neuanfang
Es war ein trüber, regnerischer Morgen, an dem Elena den Empfangsaal betrat. Der Empfangsaal war riesig, etwa zehn Meter breit, mit einer fünf Meter hohen Decke. Das gesamte Schloss war vor ein paar Jahrhunderten von einem Krieger, im gotischen Baustil errichtet worden, alles wirkte sehr altertümlich. Der Boden bestand aus feinstem Marmor, in dessen Mitte lag ein langer, roter Teppich, mit edler Goldverzierung. Der Teppich, führte Elena und ihren Begleiter zum anderen Ende des Raumes, wo zwei, vermutlich mit Gold veredelte Throne standen, auf dessen Sitzen, zwei Männer saßen, die große Ähnlichkeit miteinander hatten. Der rechte Mann schien die jüngere Ausgabe des linken zu sein. Beide hatten dunkle Haare, nur bei dem linken Mann durchzog es sich mit ein paar einzelnen grauen Strähnen. Ebenfalls teilten sie dieselben glasklaren, blauen Augen, die Elena jetzt streng musterten. Elena versuchte ihnen in die Augen zu sehen, um den Schein von äußerer Gelassenheit zu wahren, aber es gelang ihr nicht besonders gut, sie fühlte sich von den beiden Machthabern zu sehr eingeschüchtert. Sie war sehr nervös und am liebsten hätte sie auf dem Absatz kehrt gemacht und wäre abgehauen, aber das konnte sie ihrem Onkel, ihrem einzigen noch lebenden Familienangehörigen nicht antun, ihm hatte Elena es überhaupt zu verdanken, dass sie nun hier war, eine Chance auf einen Neuanfang hatte, und nun vor der königlichen Familie ihres Heimatlandes, eine Audienz hatte. Ihr Onkel war es nun der Elena kurz an der Schulter an tippte und sie so daran erinnerte weiter zu gehen, sie war wohl für einen Moment so in Gedanken versunken, dass sie kurz stehen geblieben war. Sie vermied es den beiden Adeligen in die Augen zu sehen und besah sich lieber die eindrucksvollen Wandteppiche, die so zahlreich an den Wänden hingen. Links oben war immer, dass lila, gelbe Wappen, Baselliks ein gestickt worden und darunter waren die wundervollen Panoramen die es in Basellik, manchmal zu sehen gab, eingenäht. Elena konnte nicht umhin, die Schneider für ihr Handwerk zu bewundern. Wie lang es wohl dauerte einen dieser schönen Wandteppiche fertig zu stellen? Ihre Aufmerksamkeit richtete sich prompt nach vorne, als ihr Onkel stehen blieb, er bedeutete nun, dass es Zeit war, den wochenlang einstudierten Knicks vorzuführen, während er sich verbeugte und die formelle Anrede benutzte. „Eure Majestät, Prinz“, nachdem er die Begrüßung ausgesprochen hatte, stellte er sich möglichst gerade hin und Elena tat es ihm gleich. Nun war sie gezwungen den zwei mächtigsten Männern Baselliks in die Augen zu sehen, egal, wie sehr es ihr widerstrebte, auf keinen Fall würde sie wegsehen, denn sie wollte nicht schwach wirken oder ohne Selbstbewusstsein.
„Graf Antonius“, grüßte der König meinen Onkel förmlich, dann wandte er sich Elena zu. Sein Gesicht spiegelte Verwunderung und Erstaunen wieder, genauso wie das, seines Sohnes.
Was ging nur in ihnen vor?,fragte sich Elena.
Elenas Onkel beugte sich zu ihr herüber. „Stell dich vor“, wisperte er ihr zu. Sie nickte. „Ich bin...Elena Richards“, sagte sie sachlich, kam sich aber irgendwie dumm vor, sich so einfach vorzustellen, in manchen Situationen wünschte sie sich auch einen Titel zu besitzen, aber sie hatte nun mal keinen. Ihr Onkel war ein Adeliger dritten Ranges, ihr Vater war ebenfalls ein Adeliger gewesen, doch Elena besaß keinen Titel, da sie nie getauft worden war. Ihr Vater hatten seinen Adelstitel abgelegt, bevor er mit Elena jahrelang in der Versenkung verschwunden war, alsdann Elenas Vater im letzten Krieg starb, kam sie auf Umwegen zu ihrem Onkel. Sie lebte erst seit kurzem bei ihm, aber sie mochte ihn sehr. Er hatte sie mit offenen Armen willkommen geheißen und wenn es nach ihm gegangen wäre, wäre Elena jetzt Gräfin, aber die rechtliche Lage, verweigerte ihr den Anspruch auf einen Titel, da ihr Vater seinen Titel abgelegt hatte, bevor er verstorben war. Trotz allem kümmerte sich ihr Onkel rührend um sie und sie war ihm unglaublich dankbar dafür, denn alleine wäre sie nie zurecht gekommen.
Der König runzelte die Stirn und flüsterte seinem Sohn etwas ins Ohr, was wohl die darauf folgende Diskussion auslöste. Elena spitzte, die Ohren, und versuchte zu verstehen, worum es in dem scharfen Wortwechsel ging, aber es gelang ihr nicht. Vater und Sohn redeten zu schnell, als dass hätte Elena sie sie verstehen können. Nach einigen Minuten sahen beide Männer wieder zu Elena und ihrem Begleiter hinüber. Der König setzte eine gleichgültige Miene auf und der Prinz tat es ihm nach.
„Ms. Richards, welche Hausarbeiten könnten sie verrichten?“, fragte der König, wie nebenbei.
Elena wusste nicht so recht, was sie sagen sollte, antwortete jedoch: „Ich denke, ich kann ganz gut kochen“
Der König sah sie nachdenklich an und faltete dabei die Hände auf dem Schoss. „Besitzen sie Kenntnisse, über den Verhaltenskodex?“, war die nächste Frage des Königs, bei welcher sie nur den Kopf schütteln konnte. Im Verhaltenskodex, war aufgelistet wie Adelige, aber auch Diener sich bei Zeremonien oder formellen Anlässen zu kleiden oder zu verhalten hatten. Soweit Elena wusste, umfasste der Kodex ungefähr fünfhundert Seiten. Elena wollte ihn gern lesen, aber bisher war sie noch nicht dazu gekommen.
Jetzt schien der Zeitpunkt gekommen, der über Elenas weitere Zukunft entscheiden würde. Die Adeligen besprachen sich untereinander, sie wirkten sehr ernst dabei.
Nun erhoben sich beide Männer von ihren Thronen und kamen auf Elena und ihren Onkel zu. Jede Bewegung der beiden zeugte von Eleganz und Anmut, dazu strahlten sie eine unglaublich mächtige Präsenz aus, irgendwie lösten sie in Elena ein ungutes Gefühl aus und sie wäre gern einen Schritt zurück getreten, aber ihre innere Stimme verbot es ihr und erinnerte sie daran, wie wichtig der nächste Moment sein würde.
Die beiden hochadeligen Männer blieben etwa einen Meter vor ihr stehen. Das Licht, welches von einer elektrischen Lampe kam, ließ sie grimmig und düster aussehen, was Elena nicht gerade beruhigte. Zu dem betonte das weiße Licht, die blasse Haut, die beide Männer hatten. Als Elena nun Vater und Sohn nacheinander in die Augen sahen, erkannte sie ein gefährliches Glitzern, mit ihnen sollte man sich besser nicht anlegen, dachte sie. Zum ersten mal traute sich Elena jetzt, Nero genauer anzuschauen. Er war attraktiv, dass musste sie wohl oder übel zu geben. Seine blasse Haut bildete einen wunderbaren Kontrast zu seinem dunklen Hemd und der Hose, die er trug, dazu schien er etwa in ihrem Alter zu sein, vielleicht auch eins, zwei Jahre älter.
Elena fragte sich, wie jemand, der kaum älter zu sein schien als sie selbst, so eine gefährliche Aura ausstrahlen konnte.
„Elena Richards“, durchbrach die ernste Stimme des Königs ihre Gedankengänge. „Wir haben beschlossen, dass wir sie als Küchengehilfin einstellen würden, vorausgesetzt, sie sind einverstanden, mit unserem Beschluss?“
Elena ließ die Worte des Königs einen Moment sacken, bevor sie zustimmend nickte und sich bedankte. Elena wusste nicht ob ihre Kochkünste, den Ansprüchen der Königsfamilie gerecht werden konnten, aber sie wollte es um jeden Preis versuchen.
„Phillipe“, rief der König und eilig rannte ein schmaler, junger Mann mit einem Zettel und einem Kugelschreiber herbei. Er hielt ihn Elena vor die Nase.
„Das ist der Vertrag, der bestätigt, dass du offiziell hier arbeitest und lebst. Lese ihn dir besser noch einmal durch“, sagte der König. Elena nahm den Vertrag entgegen und begann zu lesen, dann unterschrieb sie ihn und gab ihn Phillipe zurück, der so schnell verschwand, wie er gekommen war.
„Ich danke euch, mein König“, antwortete Elenas Onkel unterwürfig und verbeugte sich. Elena machte ebenfalls einen Knicks zum Dank, da unterbrach der König sie hastig. „Das ist nicht alles“, begann er. „Elena“, sprach er sie direkt an. „Ich wünsche, dass sie den Kodex schnellstmöglich auswendig lernen, schaffen sie das?“
Verwundert sah sie den Herrscher des Landes an. Warum sollte sie den Kodex auswendig lernen? Sie würde in der Küche ihren Platz haben, wozu brauchte man dort Verhaltensregeln und Kleiderordnungen? Natürlich, war es immer nützlich über solches Wissen zu verfügen, aber wozu sollten sie es brauchen? Obwohl in Elenas Kopf sich ein großes Fragezeichen festgesetzt hatte, verlangte sie keine Antworten, im allgemeinen galt es unhöflich, die Entscheidungen, des Königs all zu sehr in Frage zu stellen, deshalb nickte sie nur, als Bestätigung, dass sie einverstanden war.
„Stella“, rief der König plötzlich.
Nach einigen Sekunden wurden Schritte im Vorzimmer des Empfangssaals laut, dann klopfte es. Ein Mädchen, wohl etwas älter als Elena, kam herein geeilt. Ihre dunklen Locken wippten bei jedem Schritt auf und ab und vielen ihr manchmal in ihr zierliches Gesicht. Sie wirkte im gesamten sehr zierlich und zerbrechlich, aber in ihren dunklen Augen stand ein helles Funkeln, welches jeden, schien anstecken zu können. Stella blieb auf gleicher Höhe, wie Elena stand stehen. Einen Moment trafen sich ihre Blicke, dann verneigte sie sich vor der Königsfamilie. „Majestät, Prinz Nero“, benutzte auch sie die formelle Anrede. „Was ist euer Anliegen?“
„Ich wünsche, dass du Elena hilfst sich hier zurecht zu finden“, antwortete der König.
Mit einer schnellen Bewegung drehte Stella sich zu mir hin. „Mit Vergnügen“, dann wendete sie sich wieder dem König zu.
„Zeig, Elena ihr neues Zimmer“, befahl der mächtigste Mann des Landes. „Außerdem lass ihr einen Kodex bringen“
Stella schaute den König einen Augenblick verwirrt an, dann fing sie sich wieder und zeigte ein freudestrahlendes Lächeln. Sie schien ebenfalls nicht zu verstehen, warum Elena die Regeln des Kodex können sollte, aber auch sie wusste, dass es besser war keine Fragen zu stellen.
Stella nickte kurz und verneigte sich. „Sehr wohl, eure Majestät“, dann drehte sie sich zu Elena um und forderte sie auf ihr zu folgen. Elena verabschiedete sich noch kurz von ihrem Onkel, bevor sie dem zierlichen Mädchen aus der Tür folgte. Sie vermisste ihren Onkel jetzt schon, da sie wusste, dass sie ihn eine Weile nicht mehr zu Gesicht bekommen würde, da er eine Auslandsreise aus Geschäftsgründen plante. Aber Elena blieb kaum Zeit darüber nachzudenken, da Stella so schnell vor ihr her lief, dass Elena Probleme hatte, mit ihr Schritt zu halten. Stella, konnte für ihre kurzen Beine, wirklich verdammt schnell laufen.
Beim Vorbeigehen, oder viel mehr, vorbei eilen, konnte Elena nicht umhin, die geschmückten Wände, der Flure die sie durchliefen zu betrachten. Überall an den Wänden hingen Bilder, von den gefeierten Adeligen der letzten Jahrhunderte. Elena hätte sie sich am liebsten genauer angesehen, aber Stella meinte nur dass sie dazu später noch genug Zeit haben würde und ging einfach weiter. Leider konnte Elena nicht riskieren, den Anschluss an Stella zu verlieren, da das Schloss wahrhaft riesig war und sie sich vermutlich alleine verlaufen würde.
Also eilte Elena, Not gezwungen hinter ihrer neuen Kollegin her. Die Mädchen durchquerten noch etliche Gänge, in denen noch mehr Bilder aufgehängt waren. Ja, die Geschichte Baselliks war lang, mit endlos vielen Herrschern und Machthabern.
Von einem Bibliothekar, hatte Elena mal gehört, dass die Chroniken, in denen so gut wie alles über Basellik zu finden war, etwa fünftausend Seiten umfassten und stetig neue Seiten, von Historikern hinzugefügt wurden.
Gerade als Elena fragen wollte, wann sie endlich Ziel erreichen würden, stoppte Stella vor einem der Gänge. Sofort fiel Elena auf, dass es hier nur ein einziges Bild gab, ansonsten waren die Wände kahl und schmucklos. Auf dem Bild stand etwas geschrieben und als Elena mit Stella den Gang hinunter lief, entzifferte sie, was darauf stand. „Treue und Loyalität, mit Blut und Seele geschworen, diene ich meinem Herrscher bis zu meinem letzten Atemzug.“, stand auf dem Bild, wobei es viel mehr eine alte Schrifttafel war.
„Der Leitspruch der Diener“, erklärte Stella in der Kurzfassung. „Er soll uns vor Abwegen bewahren“, sie machte eine dramatische Pause, bevor sie weiter sprach. „Wir sind hier im Dienerbereich. Hier wird auch dein Schlafsaal sein“
Sie gingen noch ein paar Meter, als Stella, vor einer Tür, die genauso aussah wie alle anderen, stehen blieb. „Dein neues zu Hause“, sagte sie mit einem angedeuteten Lächeln. Stella hielt Elena plötzlich etwas silberglänzendes vor ihr Gesicht. Elena begriff erst nach einigen Sekunden, dass es ein Schlüssel war, etwas lahm griff sie danach, sie beäugte ihn kurz, er war bis zur Mitte gerade und glatt doch am Ende kamen zwei kleine und eine große Vertiefung. Nun steckte sie ihn ins Schloss und drehte ihn herum.
Mit großer Neugier, was sie wohl hinter der alten Eichentür erwarten würde, drückte sie die Klinke herunter und öffnete die Tür.
Ein heller Raum erstreckte sich zu Elenas Füßen. Er war relativ klein, fast winzig, im Gegensatz zu dem Zimmer, wo ihr Onkel sie, in seiner Villa damals untergebracht hatte. Alles wirkte etwas gequetscht, trotzdem fühlte sich Elena hier auf Anhieb wohl. Sie ging in die Mitte des kleinen Raumes, um sich besser umsehen zu können.
Das Mobiliar bestand aus einem Eichenholzschrank, der eine komplette Wandseite für sich beanspruchte, einem einfachen Bett mit weißem Bettzeug und einem kleinen, kahlen Tisch an den zwei Stühle angestellt waren.
Eine weitere Tür, führte in ein Nebenzimmer, ein Bad vermutete Elena, sie würde es sich später ansehen, wenn Stella gegangen war.
Wie auf ein Stichwort, meldete sich Stella zu Wort. „Ich habe noch viel zu tun und muss weiter“, unterbrach sie Elenas Musterung des Raumes.
„Kommst du zu Recht?“, fragte Stella, um sich abzusichern.
Elena nickte nur.
„Deine Koffer stehen unten im Laderaum, ein Diener wird sie dir später bringen“, sagte sie. Es war zwar am Anfang nicht sicher gewesen, ob Elena, wirklich Arbeit bei Hofe bekommen würde, aber zur Sicherheit hatte eine Zofe, die in Diensten von Elenas Onkel stand, ein paar Sachen für sie zusammen gepackt.
„Und den Kodex, bekommst du auch noch“, sagte sie grinsend. Elena verdrehte die Augen. Wie sollte sie es nur schaffen, fünfhundert Seiten auswendig zu lernen?
Im nächsten Moment, war Stella auch schon zur Tür hinaus gelaufen, so dass Elena sich nicht einmal bedanken konnte.
Nun war sie alleine, allein in ihrem neuen Reich. Zum ersten Mal seit Elena heute Morgen aufgestanden war, herrschte völlige Stille. Elena empfand die Ruhe, als entspannend und wohltuend, erst jetzt bemerkte sie ihre Müdigkeit. Sie war schon seit über vierzehn Stunden auf den Beinen. Sie ließ sich auf ihr neues Bett fallen und zog die Decke bis zum Kinn hoch. Elena war um vier Uhr nachts aufgestanden, hatte sich fertig gemacht und hatte sich, mit ihrem Onkel in die Kutsche gesetzt und sich auf den Weg zum Herrscherschloss Baselliks gemacht. Es war eine anstrengende Reise gewesen, die Elena länger vorgekommen war, als sie es tatsächlich gewesen war. Trotz des trüben Wetters derzeit in Basellik, war es sehr schwül gewesen, was Elena und ihrem Onkel die Schweißperlen auf die Stirn getrieben hatte. Gegen Mittag waren sie dort angekommen, dann waren sie fast sofort zu der Audienz bei der königlichen Familie gerufen worden. Vorher hatten man ihnen gestattet sich kurz frisch zu machen, bevor ein Diener sie zum Empfangsaal begleitet hatte, zusätzlich kam die spätere Aufregung vor der königlichen Familie zu stehen, die über ihre Zukunft entscheiden würde.
Nun lag Elena hier, in ihrem Zimmer, in einem weichen Bett und freute sich darüber, dass sie hier leben und arbeiten durfte.
Plötzlich klopfte es an der Tür. Einen Moment überlegte Elena, ob sie einfach warten sollte, bis der Besucher von alleine ging, aber dann viel ihr ein, dass Stella ihr gesagt hatte, dass sie einen Diener mit ihren Koffern und einem Kodex vorbeischicken würde. Widerwillig stand sie auf und tapste etwas unbeholfen zur Tür. Als sie sie öffnete fand sie einen jungen Mann vor.
„Ich bringe dir, deine Sachen und den Kodex hier“, erklärte er sein Erscheinen.
Elena nickte nur, sie war zu müde um zu sprechen. Der Diener übergab ihr die Koffer und den Kodex, dann lief er in eiligem Tempo weiter den Gang hinunter. Offenbar hatten die Diener hier wirklich viel zu tun und alles musste schnell gehen, der Alltag eines Diener war hier vermutlich mit viel Stress und Aufregung verbunden, ob es ihr wohl in der Küche genauso ergehen würde? Sie hoffte es nicht.
Elena schloss die Tür, stellte ihren Koffer neben dem Tisch ab und legte dass dicke Buch darauf ab. Der Kodex war wirklich schwer, an Lesestoff würde es Elena hier bestimmt nicht mangeln, zu dem gab es hier eine Bibliothek.
Sie beschloss, den Kodex morgen anzufangen zu lesen, denn heute war sie zu müde dazu. Elena ließ sich wieder auf ihr Bett fallen und es dauerte nicht lange, da schlief sie schon tief und fest.
2.Kapitel Der erste Tag
Zwei dunkle Gestalten, in Roben gekleidet, standen auf den Dächern des Herrscherschlosses Baselliks, der Wind umspielte ihre Gewänder, dazu kam starker Regen, doch sie trotzten mühelos den schlechten Wetterbedingungen, den sie waren ja schließlich keine Menschen.
„Rain, du kennst deine Aufgabe?“, fragte die größere Gestalt, die kleine, zierlichere.
„Natürlich“, antwortete Rain genervt, diese Frage hatte Basales schon hunderte Male zuvor gestellt.
Basales nickte. „Beobachte, Nero und dieses blonde Gör, lass dich aber nicht erwischen und erstatte in einer Woche unserem Meister Bericht“, murmelte er, bevor er den zehn Meter hohen Turm hinunter sprang. Nach ein paar Sekunden hörte Rain einen leisen Aufprall, bevor sie den Mann in Richtung Norden weg, vom Schloss laufen sah.
Natürlich, würde Rain ihre Aufgabe mit aller Kraft versuchen zu meistern, aber die Angst erwischt zu werden war groß, denn wenn sie erwischt und als Spionin entlarvt würde, stände vielleicht bald ein Krieg ins Haus.
Mühelos sprang Rain nun ebenfalls vom Dach, fing sich jedoch an einem Fenstersims ab und zog sich hoch. Hinter diesem Fenster lag, das blonde Mädchen, friedlich schlafend, nichts ahnend, dass sie der Auslöser des nächsten Krieges sein könnte.
Schon früh war Elena aufgestanden, hatte ihre Arbeitskleidung angezogen, die sie ihm Schrank gefunden hatte und ihre Haare zu einem Zopf zusammen gebunden. Sie warf einen Blick in den Schrankspiegel und befand sich als praxistauglich. Ihre Haare störten sie zusammengebunden nicht mehr und ihre Arbeitskleidung war bequemer als sie aussah, zu dem betonte sie Elenas schlanke Statur.
Als die ersten Sonnenstrahlen in Elenas Zimmer drangen, klopfte es an der Tür. Als sie sie öffnete blickte sie in Stellas sanftes Gesicht. Sie hatte ihre Haare ebenfalls zu einem Zopf gebunden und trug die selbe Kleidung, wie Elena, die sie aber noch kleiner und zierlicher wirken ließ.
„Guten Morgen“, sagte Stella mit einem kleinem Lächeln. „Ich wollte dich abholen und zu deinem Arbeitsplatz begleiten.“
„Okay, ich wäre so weit“, sagte Elena, bevor sie sich auf den Weg zur Küche machten. Der Weg führte wieder über einige Flure und Gänge, war aber wesentlich kürzer, als der zum Empfangsaal.
Die Küche war halb so groß, wie der Empfangsaal, war aber ansonsten mit allem neumodischen Schnickschnack ausgestattet. Viele Angestellte wuselten durch die Gegend, von einem zum anderen Schrank, schnitten Zutaten, räumten auf. Mehrere Töpfe standen auf den Herden, mit kochendem Inhalt. Ein süßlicher Geruch lag im Raum, der Elenas Geschmacksknospen umschmeichelte und ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ.
Stella und Elena betraten den Raum, eine molligere Frau, in mittleren Jahren kam so gleich aus sie zu. „Elena, richtig?“, fragte sie freundlich.
Elena nickte.
„Ich bin Ricka“, stellte sich die Frau vor und schüttelte mir die Hand. „Stella, du kannst Amun bei dem Hummer helfen. Ich kümmere mich schon um Elena“,
Stella nickte und ging zu dem dunkelhaarigen Jungen hinüber, der bereits mit dem Hummer hantierte.
Ricka wandte sich jetzt mir zu. „Was kannst du zubereiten?“, fragte sie.
„Mehr einfache Speisen, wie Eier und Speck, so was in die Richtung“, gestand Elena, sie wusste das dass bei Hofe, bei weitem, nicht ausreichen würde.
„Gut, dann wirst du heute nur zusehen können, eventuell mir behilflich sein und spülen“, erklärte Ricka Elenas heutige Tätigkeiten.
Ricka wandte sich einer Arbeitsfläche zu und begann dort Karotten zu schneiden, dann erlaubte sie es, dass Elena es versuchte. Normalerweise schnitt Elena mit einfachen Küchenmessern, aber dieses hier, war viel schärfer, aber Elena gelang es die Karotte in die gewünschten Scheiben zu schneiden, wenn auch nicht so schnell, wie es Ricka geschafft hatte.
Plötzlich kam einer junger Mann, in den Raum gestürzt. Ein rotes, mit blauen Linien verwundendes Abzeichen, zeichnete ihn als Bote aus. „Die königliche Familie wünscht heute um zwölf zu essen“, erklärte er Ricka, diese nickte nur, einen Moment geistesabwesend. Aber dieses kleine nicken, langte dem Mann, um seine Meldung als bestätigt anzusehen, bevor er ging.
„Das wird knapp“, gestand Ricka. „Und der König besteht auf Pünktlichkeit“
„Stella, Amun, wie sieht es mit dem Hummer aus?“, fragte sie die beiden.
„Fast fertig“, sagten beide aus einem Mund. „Muss nur noch gekocht werden“, murmelte Amun.
Als Elena auf die Uhr sah, bemerkte sie, dass ihnen nur noch eine halbe Stunde Zeit blieb. Sie würden sich wirklich ran halten müssen, um pünktlich fertig zu werden.
Elena half wo sie nur konnte, schnitt hier und da Zutaten für einen speziellen Eintopf und holte die essbare Dekoration, um den Hummer, ansehnlich auf einem Teller zu präsentieren, aus dem königlichen Schlossgarten. Die Hektik die nun in der Küche herrschte, ließ jedem die Schweißperlen auf die Stirn treten, denn die Zeit drängte.
Selbst Ricka, die die ganze Zeit, die Ruhe selbst gewesen war, rannte hektisch umher. Kontrollierte den ersten und zweiten Gang, der bereits fertig war und half bei dem dritten.
Doch trotz aller Eile, wurden ein Teil des Essens nicht fertig. Die Köche taten ihr bestes aber die Nachspeise war noch nicht fertig. Ricka kam auf sie zu und Elena ahnte schon nichts gutes.
„Elena, wir können zur Zeit keinen der Köche entbehren, trotzdem muss das Essen serviert werden“, sagte Ricka verzweifelt und sah Elena dabei dringlich an.
Ängstlich sah Elena ihre Chefin an.
„Elena, bitte richte das Essen an“, bat Ricka mit großen Kulleraugen. „Wenn wir nicht pünktlich servieren wird es Ärger geben, für jeden von uns, unsere Aufgabe ist es immer das zu kochen was verlangt wird und pünktlich servieren.“
„Kann den wirklich niemand...?“, setzte Elena an, brach aber ab, als Ricka den Kopf schüttelte. Eine unglaubliche Angst überkam Elena. Sie wusste nicht, wie man Essen formell servierte. Sie wollte sich nicht vor der Herrscherfamilie blamieren.
„Gut, hör zu..“, begann ihre Chefin. „Als erstes wirst du den ersten Gang hineinbringen und bietest dem König etwas an, dann dem Prinzen, danach stellst du den Rest auf den Tisch. Dann stellst du dich kurz an die Seite und wartest darauf, dass du die Teller der Hoheiten mitnehmen kannst und holst den nächsten Gang, so machst du es, bis du alle Gänge durch hast“, Ricka holte kurz Luft. „Verstanden?“
Elena nickte, fest entschlossen die Sache durch zu ziehen.
Ricka übergab Elena den ersten Gang, eine wohlriechende Suppe und erklärte ihr den Weg zum Speisesaal. Der Weg führte über zwei Gänge, bis sie an einer roten Tür an kam, sie war klein und schlicht, ein Seiteneingang, extra für Diener gedacht.
Elena öffnete die Tür und versuchte dabei, keine Suppe aus dem Kessel heraus schwappen zu lassen. Ihr Herz schlug bis zum Hals, als sie die Adeligen ungeduldig an einem langen, aus dunklem Holz bestehenden Tisch, der bereits gedeckt war, sitzen sah. Sie wirkten ungeduldig, was Elena flau im Magen werden ließ. Sie lief auf den Tisch zu und blieb bei etwa einem Meter Entfernung stocksteif stehen. „Eure Majestät, Prinz“, brachte Elena die formelle Anrede hervor. Elena ging zum einen Ende des Tisches an dem der König saß. Sie erlaubte sich eine kurze Musterung des Herrschers. Die Diener sagten, der König wäre in Mitte der fünfziger, doch wenn er tatsächlich so alt war, dann sah er recht gut aus für sein Alter.
Sein Gesichtsausdruck war ernst, etwas säuerlich, weil das Essen bereits zu spät serviert wurde wahrscheinlich, aber noch etwas anderes lag in seinen Zügen, aber Elena vermochte es nicht zu deuten.
Elena wusste nicht, was sie sagen sollte, daher fragte sie einfach: „Suppe, eure Majestät?“
Er nickte und ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Vorsichtig goss Elena mit einem Schöpflöffel dem König Suppe in den Teller, bevor sie sich zum anderen Ende des Tisches aufmachte.
Auch der Prinz sah wie immer unglaublich gut aus. Er sah keineswegs sauer aus, aber in seinen Gesichtszügen lag ebenfalls etwas, was Elena nicht deuten konnte. „Suppe, Prinz Nero?“,fragte Elena aufgeregt.
Auch er nickte und er lächelte sogar recht freundlich. Elena goss ihm etwas von der Suppe auf dem Teller.
Schweigend löffelten die beiden Männer die Suppe.
Elena hätte die Suppe gern probiert, sie roch köstlich, aber sie wusste, dass das wohl nicht als schicklich gelten würde.
Etwas entspannter beobachtete Elena, wie die beiden Männer genüsslich aßen.
Nach etwa zehn Minuten gab der König ihr ein Zeichen, die Teller wegzuräumen und sie lief zurück in die Küche um den zweiten Gang zu holen. In der Küche angekommen stellte sie die dreckigen Teller neben der Spüle ab und Ricka gab ihr den nächsten Gang. So verlief es auch mit den nächsten Gang. Elena entspannte sich und fühlte sich jetzt wieder wohler, selbst wenn sie formelle Fehler gemacht hatte, schien es hier ihr niemand übel zu nehmen. Einige Zeit war vergangen und es war an der Zeit den letzten Gang zu servieren. Den Nachtisch.
Ricka übergab ihn ihr und sofort umringte sie der süße, metallische Geruch, der in Elenas Nase stach, um sie herum auszubreiten. Ihr wurde übel und sie spürte, dass sie weiche Knie bekam.
„Was ist das?“, fragte Elena und fühlte wie der Schwindel sie ergriff.
„Eine Art Reisbrei“, antwortete Ricka, dann sah sie Elena genauer an. „Alles klar mit dir? Du wirkst blass“
Elena nickte eifrig. „Ja“, bevor sie sich auf den Weg zum Speisesaal machte. Wieder öffnete sie die Tür und trat ein. Sie verteilte die Speise und entfernte sich weiter von dem Tisch, als wie sie es bei den vorherigen Gängen getan hatte. Was war das nur für ein Zeug?, fragte sie sich in Gedanken. Eine Art Reisbrei, hatte Ricka gesagt, aber warum wurde ihr nur so davon übel. Der Geruch umfing sie immer noch, aber immerhin nicht mehr so stark.
Sie starrte zu Boden, um nicht zu würgen. Die Herrscherfamilie schlang das Zeug runter, wie Pudding. Wie konnten sie das nur essen?
Plötzlich spürte sie ihre Blicke. König und Prinz sahen sie an, sie versuchte ihren Blick zu erwidern. Vater und Sohn sahen sich verschwörerisch an und sie fragte sich, was sie wohl dachten. Immer wieder sahen die beiden Männer sie an, dann wieder einander, manchmal wirkte es so als ob sie miteinander irgendwie kommunizieren könnten, ohne dass sie etwas davon mitbekam.
Elena war erleichtert, als sie endlich das dreckige Geschirr abräumen konnte und es in der Küche neben die Spüle stellte.
Ricka tauchte plötzlich neben Elena auf. „Du hast das gut gemeistert“, lobte sie Elena, was Elena ein Lächeln entlockte. „Danke“
Auch Ricka lächelte. „Könntest du bitte noch spülen?“ Elena wollte nein sagen, aber etwas lag in Rickas Blick, dass kein nein akzeptierte.
„Bis morgen“, verabschiedete sich Ricka und verließ die Küche. Ein bisschen wütend auf sich selbst, machte Elena sich an die Arbeit und begann zu spülen. Als erstes spülte sie den Topf mit der Nachspeise, damit sie den metallisch, süßlichen Geruch, der sie fast in den Wahnsinn trieb nicht mehr ertragen musste. Außer ihr war niemand mehr in der Küche. Es war still geworden, einzig das Geräusch das Elena beim Spülen machte, war zu hören.
Am späten Nachmittag war Elena fertig mit spülen und sie freute sich endlich frei zu haben. Es war wirklich unglaublich, wie viel Geschirr zum Spülen angefallen war, aber sie hatte es geschafft und konnte den restlichen Tag genießen.
Elena nahm sich vor, dass Schloss ein bisschen zu erkunden. Sie lief durch viele Gänge, mit vielen Zimmern. Die meisten Wände waren geschmückt mit Porträts von hohen adeligen und Herrschern, sogar Kinder waren bereits auf der Leinwand verewigt worden.
Elena kam in einen Gang, in dem nur zwei Bilder hangen, auf dem einen war Nero zu sehen, Elena schätzte dass das Bild etwa vor einem Jahr gemalt sein musste, da seine Haare auf dem Bild kürzer waren. Auf dem anderen Bild konnte man den König sehen, dass Bild musste ebenfalls vor einem Jahr entstanden sein, denn auch bei ihm, waren die Haare jetzt länger und mit mehr grauen Strähnen durchzogen.
Elena entschied sich lieber wieder zu gehen, sie wusste nicht ob sie sich hier aufhalten durfte.
Eine Weile schlenderte sie noch durch den Palast, entdeckte neue Gänge und Räume und fing an allmählich sich in dem Labyrinth zurecht finden zu können.
Letzten Endes landete Elena im Schlossgarten. Die Sonne begann bereits unterzugehen und tauchte alles in ein rötliches Licht. Überall blühten Blumen und Sträucher in allen möglichen Farben, auch viele exotische Bäume standen und Elena ließ sich unter einem Ahornbaum nieder. Sie genoss die frische Luft, welche mit den verschiedenen Gerüche der Pflanzen in ihrer Umgebung getränkt war. Verträumt starrte sie in den Himmel, der von roten Streifen durchzogen war. Elena war erleichtert, dass sie den ersten Arbeitstag überstanden hatte. Was würde sie hier wohl noch alles erwarten? Auf jeden Fall viel Arbeit, dass war ihr klar. Aber am Ende des Monats würde sie einen guten Lohn bekommen, wofür es sich lohnte viel und hart zu arbeiten, nicht mal die gut bezahlten Handwerker Baselliks bekamen so viel Lohn.
Plötzlich hörte Elena ein lautes Knacken, welches zu schwer war, selbst für einen großen Vogel. Erschrocken schaute sie noch oben. Einen Moment meinte Elena einen Schatten erkennen zu können, aber als sie dass nächste mal hinsah, war nichts zu sehen, sie musste es sich eingebildet haben.
Sie sank in ihre Tagträume zurück. Ihre Gedanken wanderten zu ihrem Onkel. Für ihn empfand sie große Dankbarkeit, denn er war immer für sie da gewesen, wenn sie Hilfe gebraucht hatte. Wie es ihm jetzt wohl ging? Ob er seine Auslandsreise schon angetreten hatte? Elena wusste nicht einmal wohin er reisen wollte, weil er daraus ein Geheimnis gemacht hatte, sie hatte keinen blassen Schimmer warum.
Elena schreckte erneut aus ihren Gedanken auf, sie Schritte hörte, die ziemlich nah bei ihr stehen geblieben zu sein schienen. Als sie aufschaute sah sie in das Gesicht eines jungen Mannes. Ein Adeliger, offensichtlich, begriff Elena. Er hatte hellblondes Haar, welches sehr rötlich in der untergehenden Sonne wirkte, grasgrüne Augen, die im Kontrast zu seiner blassen Hautfarbe standen. Elena erkannte an dem Wappen, auf seinem schwarzem Umhang, dass er ein Adeliger war und sie erkannte auch dass er kein Basellikischer Adeliger war. Er war sehr edel und vermutlich auch teuer gekleidet.
Hastig erhob sich Elena und machte einen wackeligen Knicks, wobei sie fast hinfiel, was ihr von dem jungen Mann ein Lächeln einbrachte.
„Ich wollte euch nicht erschrecken“, sagte er lächelnd und sah ihr dabei fest in die Augen. Er sah unglaublich gut aus, dass musste Elena sich eingestehen.
Der Adeliger musterte Elena aufs genaueste. Irgendetwas schien ihn an ihr zu faszinieren, dann fasste er sich wieder. „Entschuldige, ich hätte mich vorstellen sollen. Ich bin Aeron.“
Elena sah ihn verwundert an. „Ihr seid kein Adeliger?“, fragte sie, weil er keinen Titel nannte. Er schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin nur ein Botschafter der Nordseite“, sagte er gelassen, aber irgendetwas sagte Elena, dass er log. Er hatte etwas gefährliches an sich, aber sie konnte nicht sagen, was es war.
„Habt ihr eure Botschaft überbracht?“, erwiderte Elena etwas lahm.
Er nickte. „Ja, ich wollte mich nur kurz hier ausruhen. Es war nicht meine Absicht euch zu stören.“
„Ihr habt nicht gestört“, gab Elena wieder.
„Wenn ich fragen darf..“, begann Aeron. „Wie ist euer Name?“
„Elena“, antwortete sie.
„Elena, hm, ein wunderschöner Name für ein schönes Mädchen“, sagte er mit einem breiten Grinsen.
Elena schoss die Röte in die Wangen. „Danke“, brachte sie mühsam hervor. Sie fühlte sich geschmeichelt.
„Elena“, rief jemand ihren Namen, sie drehte sich in die Richtung aus der sie meinte, dass der Ruf gekommen sei, im nächsten Moment drehte sie sich um, aber Aeron war verschwunden. Ungläubig sah sie sich um. Wo war er? Konnte er wirklich so schnell verschwinden oder sich auch nur verstecken? Und wieso sollte er so etwas tun? Oder hatte Elena sich vor lauter Einsamkeit, Aeron nur eingebildet? Nein, er war echt, sie wusste, dass ihre Einbildung niemals einen so gut aussehenden Mann wie Aeron erschaffen könnte.
Ein eisiger Wind wehte Elena ins Gesicht, irgendetwas war hier sehr merkwürdig, ging es ihr durch den Kopf, sie würde später darüber nachdenken.
„Elena“, hörte sie Stella hinter sich sagen. „Ich habe dich gesucht.“, als Elena sich zur ihr umdrehte, musterte sie sie kurz. „Ich wollte dich einladen mit mir in die Bibliothek zu gehen, willst du mitkommen?“, fragte sie fröhlich. „Alles klar bei dir?“, fragte sie besorgt. „Du siehst...blass aus?“
Elena nickte. „Ja, alles gut. Ich komme gerne mit dir in die Bibliothek“
So machten sich die beiden Mädchen auf den Weg zur Bücherei.
Nero war auf den Weg in die Bibliothek. In seiner Freizeit war es sein Hobby zu lesen, vor allem die alten Mythen Baselliks interessierten ihn. Er öffnete die Tür und erblickte sie. Elena. Elena mit ihrem hellen, blonden Haaren, mit ihren klaren blauen Augen und ihrer schlanken Figur. Sie trug immer noch ihre Arbeitskleidung, die ihr besser stand, als der zierlichen Stella, mit der sie gerade herumalberte. Elena wirkte jetzt fröhlich und locker, nicht so verklemmt, wie sie es gewesen war, als sie vor dem König und ihm gestanden hatte, um sich Arbeit zu erbitten. Plötzlich sah Elena zu ihm herüber einen Moment hielten ihre Blicke einander fest, dann wandte sie sich hastig ihrem Buch zu, dessen blauer Umschlag verriet, dass sie ebenfalls etwas über Mythen las. Stella beugte sich über sie und schien mit zu lesen, aber sie verlor schnell das Interesse und zog sich an ein anderes Regal, dass weiter hinten im Raum stand zurück und stöberte dort. Nero lief auf das Regal zu, dass nicht weit von Elena stand und holte sich ein Buch über den ersten Götter Mythos und gesellte sich auf einen alten Stuhl neben Elena. Er spürte ihre Nervosität und ihre Ehrfurcht vor ihm. Nero wusste selbst, dass er auf manche Leute beängstigend wirkte, aber trotzdem wollte er versuchen, Elena die Angst zu nehmen. Er beugte sich vor und las den Titel auf ihrem Buch. „Die Marias Sage?“, las er laut vor.
Wie ein ängstliches Reh sah sie ihn an und nickte.
„Warum interessierst du dich dafür?“, fragte er nach einigen verstrichenen Sekunden. Wieder sah sie ihn an, er war sich fast nicht sicher ob er eine Antwort erhalten würde.
„Ich finde diese Sage...sehr spannend...“, erklärte sie nach etlichen Augenblicken, sah ihm dabei aber nicht in die Augen. „Ob sie wohl war ist?“, fragte sie eher sich selbst als Nero.
Nero hatte das Buch bereits gelesen und befand dass die Sage durch aus wahr sein könnte. „Könnte sein“, antwortete er.
„Meint ihr?“, fragte sie überrascht.
„Warum nicht?“, stellte er die Gegenfrage und war erfreut Elena in ein kleines Gespräch verwickelt zu haben.
„Ich weiß nicht“, sagte sie unsicher. Sie hatte wahnsinnige Angst etwas falsches zu sagen. „Die Sage verhöhnt Adelige“. Er nickte. „Ja,das tut sie, aber nicht alle Machthaber sind, wie diese in dem Buch“, erklärte er ihr. Sie wendete sich wieder ihrem Buch zu, aber er bemerkte ihre heimlichen Seitenblicke zu ihm. Elena fühlte sich immer noch unwohl, in Neros Gegenwart, aber jetzt war sie nicht mehr so verkrampft. Nero tat es Elena gleich und wandte sich ebenfalls wieder seinem Buch zu. Sie unterhielten sich zwischendurch weiterhin über die Legenden und Sagen, die sie gerade lasen und schon gelesen hatten. Als Stella zurück kam, verabschiedete sich Nero. Als er aus der Bibliothek ging schaute er noch einmal kurz zurück zu Elena. Sie war eine interessante Person, es gab nur wenige Menschen die sich heutzutage noch für Mythen und Sagen interessierten und der Frauenanteil war praktisch nicht existent.
Mittlerweile war es draußen dunkel geworden. Elena saß auf ihrem Bett, den Verhaltenskodex auf ihrem Schoß liegend. Er war schwer und sie fragte sich wie lange es wohl dauern würde, ihn durchzulesen. Sie schlug die erste Seite auf und besah sich die Inhaltsangabe genau. Die einzelnen Themen waren in Lektionen eingeteilt, insgesamt gab es acht. Die erste Lektion, beschrieb formelle die Begrüßung und die Anrede, der Adeligen und Machthabern, wenn man selbst adelig war. Die zweite, wie man hohe Persönlichkeiten begrüßte und anredete wenn man ein Diener oder ein Bürger war. Die dritte Lektion bestand aus Kleiderordnungen für Adelige und Diener, bei speziellen Anlässen. Die vierte, wie man bei speziellen Anlässen, als Diener den Tisch deckte. Die fünfte Lektion, erklärte wie man sich während einer Konferenz zu verhalten hatte, so wohl als Diener, wie als Adeliger. Die sechste Lektion, lehrte einem, wie man als Diener Anliegen vor dem König oder anderer Adeliger vorbrachte. Die siebte Lektion, zeigte einem mithilfe von gezeichneten Bilder nochmal, wie man knickste oder sich verbeugte. Die letzte Lektion bestand aus Kurzgeschichten, die einem formelle Anlässen verdeutlichen sollte.
Alles in allem standen in diesem Buch viele Dinge drin und Elena nahm sich vor sie alle aufs genaueste zu lesen und zu studieren. So gleich begann sie die erste Lektion zu lesen, die aus etwa hundert Seiten bestand.
3.Kapitel Die Nächte
Es war bereits Nacht gewesen, als Nero eine Bewegung in einer Baumkrone aufgefallen war.
„Was willst du hier?“, fragte Prinz Nero ganz unverhohlen, als er seinen unerwünschten Besucher vom Boden aus in die Augen sah. Dessen Gesicht nahm einen höhnischen Ausdruck an. „Du weißt ganz genau, was ich hier will.“, er ließ sich nach unten fallen. Er landete leise wie eine Katze.
Nero trat näher an den blonden jungen Mann heran. „Und du weißt, dass sie bei mir sicherer ist als bei dir! Wenn sie in falsche Hände gelangt...“, er ließ den letzten Satz offen stehen, sie beide wussten, was dann passieren würde. Sie würde sterben. Alle Wesen der geheimen Welt würden sterben.
„Wenn ihr irgendein Leid geschieht, werde ich da sein und Vergeltung üben, dass schwöre ich dir, Nero, bei meinem Leben! Und mir wird nichts, wahrlich nichts entgehen!“, sagte er bevor er sich in eine Nebelschwade auflöste und der Wind ihn davon wehte.
Nero wollte gerade ins Schloss zurückkehren als er beinahe mit Elena zusammen stieß.
Verwirrt sahen sich beide an. Die gleiche Frage in Gedanken. Was machte der jeweils andere zu so später Stunde hier draußen.
Nero fragte als Erster. „Was treibt dich zu so später Stunde nach draußen?“
Sie zögerte einen Moment, überlegte wohl, was sie ihm sagen konnte. „Es war ein harter Arbeitstag und ich brauchte frische Luft“, erklärte sie.
Er nickte. Von den Dienern hatte er gehört, das Ricka die Küchenchefin, Elena jede Menge Arbeit aufgebürdet hatte, darunter Aufgaben, für die einige andere Angestellte besser geeignet gewesen wären, aber es war Rickas Entscheidung, wen sie für welche Arbeit einteilte. Unter anderem war Nero zu Ohren gekommen, dass Ricka und Elena eine kleine Auseinandersetzung gehabt hatten, als es um eine hochwertige Aufgabe ging. In wenigen Wochen würde zu Sommerbeginn ein Ball abgehalten werden und Ricka hatte sie darum gebeten, Häppchen und Getränke unter den Adeligen zu verteilen. Dabei musste man stets höflich sein, egal wie herablassend und ungehobelt Adelige Diener auch manchmal behandelten, außerdem musste man die Verhaltensregeln genau kennen und anwenden, was Nero bezweifelte, dass Elena nach so kurzer Zeit schon in Blut und Gemüt übergegangen war. Ricka hatte aber anscheinend gewonnen, Elena würde am Ball Abend die Adeligen bedienen, was für sie hieß, dass sie schnell alle Verhaltensregeln perfekt beherrschen musste, um sich nicht zu blamieren. Nero musterte Elena. Das wenige Mondlicht, was nachdem Vollmond geblieben war, ließ ihr Haar weiß wirken, ebenso wie ihre Haut, dazu ihr weißes Nachtgewand, verwandelte sie in einen wahren Nachtgeist.
„Und was macht ihr hier?“, fragte sie plötzlich.
Auch Nero zögerte. Den wahren Grund konnte und durfte er ihr nicht nennen, also gab er ihr eine ähnliche Antwort, wie sie sie ihm genannt hatte.
Sie lächelte sanft. Dabei umgaben ihren Mund sanfte Grübchen. Kleine Fältchen unter ihren Augen wiesen darauf, dass sie in letzter Zeit wenig Schlaf abbekommen haben musste. Nero fragte sich, ob sie schon öfters Nachts im Schlossgarten umher gegeistert war und er sie nur einfach nicht gesehen hatte. Dabei war gerade dass gefährlich. Im Schlossgarten drohten zwar kaum körperliche Gefahren, dennoch könnte sie verstörende Dinge mitbekommen.
„Du solltest besser nachts nicht allein nach draußen gehen“, sagte Nero ernst.
Elena sah ihn fragend an.
Nero suchte nach einer zumindest zum Teil waren und somit glaubhafteren Antwort. „Manchmal treiben sich wilde Tiere und Plünderer hier herum.“
Die Tiere im Garten waren im allgemeinen friedlich, aber er hoffte, dass Elena ihm glaubte. Zu den Plünderern, tatsächlich hatten sich vor ein paar Jahren Plünderer im hinteren Teils des Garten ein Lager errichtet, aber das war schon viele Jahre her und als man sie entdeckt hatte, hatten sie hastig so viel mitgenommen wie sie tragen konnten und waren verschwunden, seitdem hatte man hier keine mehr gesehen.
„Ich glaube nicht dass Tiere mich anfallen würden, früher einmal habe ich in einem kleinem Wäldchen mit meinem Vater gelebt und selbst nachts, haben die Tiere keinen Schaden angerichtet. Was die Plünderer betrifft denke ich, dass sie keinen Grund hätten mich zu überfallen. Wer trägt den schon in seinem Nachtgewand wertvolle Gegenstände durch die Gegend?“
Nero wusste nicht viel über Elena, nur dass sie ebenfalls eine Adelige sein könnte, hätte ihr Vater seinen Titel nicht abgelegt. Auch wusste er, dass Elenas Vater, mit ihr jahrelang durch Basellik gereist war, um sie vor ihrer Familie zu schützen, zuvor hatte er seinen Titel abgelegt und war erst im Krieg wieder aufgetaucht, tot. Das ganze war etwa ein Jahr her, seitdem hatte Elena bei ihrem Onkel, Graf Antonius, ein guter, ehrlicher Mann, Unterschlupf gefunden, aber da sie keine Adelige war, musste sie für sich selbst sorgen und so hatte ihr Onkel sie hergebracht, damit sie Arbeit bekam. Vielleicht hätte sie überhaupt keine Arbeit gefunden, wenn sie, nicht so außergewöhnlich wäre.
Nero sah wieder zu Elena. Sie hatte sich an die Schlosswand gelehnt und schaute verträumt zum Mond hinauf. Was sie wohl dachte? Wenn man es so betrachtete, wussten die derzeitigen Machthaber, mehr über Elena, als sie über sich selbst.
Solche nächtlichen Zusammenkünfte kamen wurden nun häufiger. Elena und Nero verstanden sich gut, sie redeten über alltägliche Themen, aber auch persönlichere, wie Familie und Vergangenheit. Wobei Nero bei seinen Erzählungen über seine Familie und Vergangenheit, einige Dinge verschwieg.
Nero hatte oft Mitleid mit Elena, weil Ricka ihr viele harte Aufgaben gab, die lange dauerten und an ihren Kräften zu zehren begannen. Sie war oft müde und erschöpft, trotzdem fand sie oft nachts in ihrem Bett keine Ruhe und gesellte sich nachts zu Nero. Gemeinsam saßen sie oft auf den großen Steinen die im Schlossgarten als Dekoration dienten. Manchmal schwiegen sie, manchmal führten sie Debatten und diskutierten. Fast jede Nacht ging das so.
Eines Abends ging Elena auf die Terrasse hinaus, wo Nero und sie sich des öfteren getroffen hatten. Wieder einmal hatte sie nicht schlafen können und sich sinnlos im Bett hin und her gewälzt. Elena setzte sich auf einen der Steine und wartete auf Nero. Es war eine mondlose Nacht und Elena konnte kaum die Hand vor Augen erkennen sie nahm nur einen leichten Luftzug war, als sich jemand ihr gegenüber auf den Stein setzte. Doch als derjenige ihren Namen aussprach, wusste sie sofort, dass nicht Nero ihr gegenüber saß. Der Klang der Stimme war sehr melodisch und männlich und sie brauchte einen Moment um die Stimme einem Gesicht zu zuordnen zu können.
„Guten Abend, Elena“, begrüßte Aeron sie.
Sie schwieg, überlegte was sie sagen könnte und stellte dann die wichtigste Frage. „Warum bist du hier?“
Er lachte. „Klingt als ob du mich nicht hier haben wollen würdest“, stellte er fest.
„Nein“, gab sie darauf zurück.
„Elena“, sagte Aeron und war schlagartig wieder ernst. „Ich bin hier, um dich zu warnen. Vor Nero zu warnen, er ist nicht der, der er zu sein vor gibt.“, erklärte Aeron.
„Was...meinst du damit?“, fragte Elena verwirrt.
Aeron sah sie eine zeit lang an, nach einigen Sekunden antwortete er. „Dass wirst du noch früh genug erfahren, im Moment kann ich dir noch nicht mehr sagen, außer dass du vorsichtig sein sollst.“
Elena sah ihn ungläubig an. „Warum kannst du nicht mehr sagen?“
Er schüttelte den Kopf und trat auf sie zu. „Du wirst früh genug erfahren warum.“, plötzlich hob er seine Hand und berührte sanft ihre Wange, Elena wollte zurückweichen, aber sie sah in seine Augen, bemerkte die Zuneigung darin und vergaß es. „Elena, mir liegt viel an dir, sehr viel. Ich will dich nur beschützen, also höre bitte auf meine Warnung. Pass auf dich auf.“
Sie sahen sich an. Elena wusste oder viel mehr spürte, wie die Sorge um sie von Aeron ausging.
Plötzlich hörte sie ein Geräusch, was eher wie ein Fluchen klang. Nero rannte auf sie zu und als Elena sich kurz in Aerons Richtung umwandte war er fort. Stattdessen stand jetzt Nero an der Stelle, wo zuvor Aeron gestanden hatte. Nero sah Elena direkt in die Augen und da war er wieder, der gefährliche Nero, vor dem Elena sich fürchtete. Während ihrer Gespräche in den letzten Nächten, war es verschwunden, aber nun war es wieder da.
„War er hier?“, knurrte Nero. „War Aeron hier?“
Elena sah ihn ängstlich an und ging einen Schritt zurück. „Ja“, antwortete sie kurz.
Nero beobachtete sie und als er ihre Angst bemerkte versuchte er sich wieder zu beruhigen.
„Was hat er dir gesagt?“, fragte Nero etwas ruhiger.
Auch Elena beruhigte sich wieder, zögerte aber immer noch bei ihrer Antwort. Was konnte sie ihm sagen? Was würde er ihr auch glauben? Am besten war es wenn sie bei der Wahrheit blieb, Aeron hatte ja nicht viel gesagt.
„Er hat gesagt, dass du nicht der bist, der du zu sein vorgibst und ich mich vor dir in Acht nehmen soll“, gab sie zu und sah zu Boden.
„Mehr hat er nicht gesagt?“, fragte Nero ungläubig.
Sie schüttelte nur den Kopf.
Plötzlich wirkte er erleichtert.
Die Frage kam Elena schneller aus dem Mund, als hätte sie sie aufhalten können. „Gibt es einen Grund für seine Warnung?“
„Nein“, sagte er kurz angebunden. „Es wäre besser wenn du jetzt schlafen gehst und vergiss was Aeron gesagt hat. Er ist manchmal etwas zu sensil für sein Alter.“
Nero begleitete sie bis zu ihrer Zimmertüre, bevor er sich verabschiedete. Elena legte sich in ihr Bett und versuchte zu schlafen, was ihr lange schwer viel, aber letztendlich glitt sie doch noch in die Schwärze eines traumlosen Schlafes. Doch ein letzter Gedanke huschte durch ihren Kopf. Sie würde Aerons Warnung nicht vergessen, sie würde aber beiden Männern gegenüber wachsamer werden und genau beobachten was sie taten, während sie ihr Gesellschaft leisteten.
Die nächsten Wochen tauchte Aeron nicht mehr auf und Nero schien Elena regelrecht überwachen zu lassen. Sie bemerkte, wie Diener sie verfolgten, wenn sie draußen, tagsüber spazieren ging und bemerkte wie sie sie bei der Arbeit genau beobachteten. Nero wusste, dass Elena es wusste, aber beide sprachen nicht darüber. Ihre nächtlichen Gespräche handelten oft über Politik oder über den Sommerball, der bald stand fand und inwiefern Elena die Regeln des Kodex beherrschte. Tatsächlich hatte Elena ihn fast fertig gelesen, ihr fehlten nur noch zwei Lektionen.
Sie war sich sicher, sie würde alle Regeln auswendig können, wenn es so weit war.
4.Kapitel Der Kuss
„In wie weit beherrschst du den jetzt den Kodex?“, fragte Stella, als wir gemeinsam halfen den Ballsaal für den Sommerball zu dekorieren. Überall hingen goldene Ketten von der Decke, die etwa drei Meter vor dem Boden endeten. Männliche Diener brachten hängten schwere Wandteppiche von den Wänden ab und hingen andere auf, auf ihnen waren die hohe Adelige abgebildet, sie sahen klug und mächtig aus und Elena war sich sicher, dass sie einmal starke Herrscher gewesen waren, bevor sie die Krone weitergegeben hatten.
Elena sah kurz zu Stella. „Ich bin bei der letzten Lektion angekommen und die anderen beherrsche ich fast perfekt“, sagte sie mit einem Grinsen, bevor sie sich wieder ihrer Arbeit widmete. Zusammen mit Stella hing sie weitere Ketten an der Decke auf. Beide Mädchen standen dazu auf einer klapprigen Leiter. Diese Arbeit war gewiss nichts für Leute die Höhenangst hatten. Der Erdboden lag, vermutete Elena, etwa fünf Meter unter ihnen. Aber die Arbeit gefiel Elena besser, als in der Küche zu helfen. Die letzten Wochen hatten ihr doch ziemlich zugesetzt. Vor allem da Ricka sie ständig Überstunden machen ließ. Aber sie beschwerte sich nicht, obwohl sie durch aus gern, mehr Freizeit gehabt hätte. Trotz der harten Arbeit konnte Elena abends meistens nur schlecht oder gar nicht schlafen und so schlich sie sich fast jede Nacht hinaus. In den letzten Wochen spürte sie immer öfter Blicke von Dienern auf sich ruhen, sie beobachteten sie immer noch, verfolgten sie manchmal und sie wusste, dass Nero dafür verantwortlich war. Er wollte sie vor irgendetwas schützen, vielleicht vor Aeron, der seinerseits sie vor Nero gewarnt hatte. Mittlerweile traute sie weder Aeron noch Nero. Sie benahmen sich beide in ihrer Gegenwart merkwürdig, aber die Gründe dafür blieben ihr verborgen, Elena hatte versucht etwas aus Nero heraus zu bekommen, aber jedes mal wenn sie ihm eine Frage zu der Sache stellte, wich er gekonnt aus.
„Elena, dort drüben muss noch eine Kette hin“, wies Stella sie an. Elena stieg von der Leiter und stellte sie weiter nach links, sie stieg hinauf und befestigte die Kette. Es gehörte einiges Fingerspitzengefühl dazu sie richtig zu fest zu machen und sie nicht fallen zu lassen, was sie auf jeden Fall vermeiden wollte, den die Ketten waren schwer und wenn sie auf den empfindlichen Bankett Boden fielen, würde es ein hässliches Loch geben, dessen Reparaturen von ihrem Lohn abgezogen werden würden, was nicht billig sein würde. Der Hofmeister hatte sie extra angewiesen vorsichtig zu sein.
Als Elena fertig war stieg sie von der Leiter hinab, klappte sie zusammen und übergab sie einem Diener der wusste, wo sie hingehörte, auch Stella war fertig und gab ihre Leiter ab.
„Endlich fertig“, sagte sie erleichtert und lächelte.
„Wir müssten eigentlich noch eine Stunde in der Küche arbeiten...“, begann Elena.
„Unsere Arbeit ist erledigt und Ricka hat nichts davon erwähnt, dass wir zu ihr kommen sollen, wenn wir hier fertig sind“, Stella grinste schelmisch. Ja, Stella war zierlich und sah absolut brav aus, aber sie war es nicht.
„Du hast so oft Überstunden gemacht, meinst du nicht, dass du dir eine Auszeit verdient hast?“, fragte sie grinsend.
Elena schwieg. Sie wusste genau, dass Ricka wollte dass sie zurück kommen würde, damit sie die Drecksarbeiten erledigen konnte und sie wusste auch dass sie Ärger bekommen würde, wenn sie heute nicht mehr in der Küche auftauchen würde, anderseits Elena hatte in letzter Zeit kaum Zeit für sich gehabt.
„Wir könnten zu den Ställen gehen“, schlug Stella vor.
„Zu den Ställen?“
Stella nickte. „Ja, warum nicht?“
Elena druckste herum. „Ich mag Pferde nicht besonders und sie mich auch nicht.“
Aber Stella duldete kein Nein und zog Elena an der Hand hinter sich her. Sie verließen den Ballsaal und durchliefen einige Gänge bis eine golden, umrahmte Glastür nach draußen führte.
Als Stella sie in einen der Ställe führte, wurde Elena mulmig zumute. Sie hörte wie die Pferde mit den Hufen scharrten und sie schlugen mit den Hufen gegen die Boxentüren und wieherten wild. Stella schien das nicht zu bekümmern. „Komm“, sagte sie. Es dauerte tatsächlich nicht lange, bis Elena ein leises, aber lauter werdendes Knacken hörte. Dann brach eine der Boxentüren, hinter denen die Pferde standen, plötzlich auf und andere folgten. Die Tiere rannten hinaus. Stella schrie vor Panik auf und flüchtete hinaus. Aber Elena war wie erstarrt. Eine Art Déjà vu kam in ihr hoch. Als kleines Kind hatte sie einen Bauern, einen Freund ihres Vater besucht, die Pferde hatten ähnlich auf sie reagiert, wie jetzt. Die Pferde rannten auf die Stalltore zu. Sie schienen vor Elena zu flüchten, dabei überrannten sie sie. Elena spürte wie du Hufe der Pferde sie zertraten, doch als ein Pferd auf ihren Bauch trat war sie noch nicht einmal fähig zu schreien.
Nach unendlich scheinenden Minuten war es still. Die Pferde waren weg. Elena lag zerschunden am Boden, ihr tat jeder Kochen im Leib weh und als sie versuchte auf zu stehen wurde es nur schlimmer.
„Stella?“, rief sie so laut es eben ging. Keine Antwort, auch beim zweiten oder dritten Mal kam keine Antwort. Vielleicht holt sie Hilfe, kam es Elena in den Sinn oder sie hat mich hier einfach liegen lassen, weil sie sich selbst retten wollte. Elena bewegte ihren Kopf seitlich. Die Sonne stand etwas tiefer, es war Nachmittag, abends würden die Stalljungen sie finden. Elena fragte sich, ob sie innere Blutungen hatte oder nur Knochenbrüche, beides könnte sie schnell sterben lassen, wenn nicht bald Hilfe bekam.
Seine Späher hatten Aeron berichtet, dass Elena sich im Garten aufhielt vorher hatten sie ein Gespräch zwischen Elena und einer Dienerin mitbekommen, dass sie zu den Ställen gehen wollten. Aeron beschlich ein mulmiges Gefühl, was durch ein lautes Krachen, nicht weit weg, bestätigt wurde. Eine Dienerin rannte an ihm vorbei, er packte sie am Arm. „Wo ist Elena?“, fragte er ruhig, sie zeigte auf den Stall, aus dem Pferde hinaus rannten. Er ließ sie los und sie rannte weiter. Er empfand Wut auf dieses Mädchen, wie konnte sie Elena nur im Stich lassen?
Jetzt eilte er auf den Stall zu. Es liefen immer noch Pferde hinaus und er fragte sich wie viel Pferde die königliche Familie in Basellik besaß. Er blieb an den Stalltoren stehen und wartete darauf, dass der Strom der aus Pferden bestand versiegen würde.
Als er verebbte betrat er den langen Gang des Stalles, in der Mitte des Stalles lag sie. Er erkannte ihr blondes Haar. Aeron rannte los. Sorge durchströmte ihn. Er konnte nur hoffen, dass sie nicht tot war.
Beim Näherkommen bemerkte er ihre flache Atmung, am ganzen Körper hatte sie Schürfwunden und Aeron vermutete weit aus, schlimmere, innere Verletzungen.
Er ließ sich neben ihr auf die Knie fallen. Plötzlich schlug Elena die Augen auf, ein verwirrtes Lächeln umspielte ihre Lippen.
„Ich kann dir helfen. Vertrau mir!“, sagte Aeron und konnte die Besorgnis, die er für sie empfand nicht wirklich gut verbergen.
Sie nickte schwach und schien selbst dabei Schmerzen zu haben.
Er legte seine Hand sanft auf ihre Stirn, dann auf ihren Bauch. Aeron ließ sich in einen Zustand fallen, der einem leichten Schlaf ähnlich war und drang mit seinem Geist in Elenas verletzten Körper ein. Er konnte sehen, dass Elena sich zwei Rippen gebrochen hatte, zum Glück, dass sie sich nicht in die Lunge gebohrt hatten, auch ihre Wirbelsäule war geprellt, was die schlimmen Schmerzen bei der kleinsten Bewegung erklärte, ihr linker Arm war gebrochen und ihr rechter Knöchel angebrochen. Aber was hatte Aeron auch erwartet? Pferde waren schwer und wenn sie einem auf den Fuß traten, tat das schon höllisch weh.
Aeron konzentrierte sich nach und nach Elenas Verletzungen zu heilen. Er hatte noch nicht oft so viele Verletzungen auf einmal heilen müssen, was sehr an seinen Kräften zehrte, aber er musste durchhalten für Elena. Als Aeron fertig war, sackte er keuchend neben Elena. Es würde eine Weile dauern, bis sie wach werden würde und er musste dringend neue Kräfte sammeln und alleine lassen wollte er sie so wieso nicht.
Es dauerte nicht lange bis er einschlief.
Elena erwachte als der Morgen graute. Zu ihrer Überraschung spürte sie keine Schmerzen. Sie überlegte, ob es nur ein schlimmer Traum gewesen sei, dass die Pferde sie überrannten, aber sie lag im Pferdestall.
„Geht es dir besser?“, fragte eine vertraute Stimme.
Verwirrt sah Elena in Aerons Gesicht. Sie nickte. „Aber wieso..?“, begann sie aber Aeron unterbrach sie.
„Ich habe dich geheilt“, erklärte er zufrieden. „Ohne mich wärst du wahrscheinlich gestorben.“
Ihr Blick spiegelte Erstaunen wieder. „geheilt?“, Elena wusste, dass es Heiler gab, aber in der Norm waren es irgendwelche Quacksalber, die in Wahrheit nicht mal einen Kratzer behandeln konnten.
Bestimmt gab es einige Dinge die Elena merkwürdig erscheinen sollten, aber im Augenblick war sie nicht imstande großartig nach zu denken.
„Du solltest auf dein Zimmer gehen und dir was frisches Anziehen“, empfahl Aeron.
Als Elena den Stand der Sonne beobachtete, wusste Aeron schnell woran sie dachte. „Nein, du gehst heute nicht arbeiten. Ruh dich lieber aus.“
„Ich habe gestern Nachmittag schon blau gemacht“, gestand sie. „Ich kann es nicht schon wieder tun“
In Aerons Augen blitzte es. „Elena, du wärst fast gestorben, ist dir das klar? Und warum willst du deinen Kollegen in der Küche unbedingt helfen? Deine Chefin brummt dir die Drecksarbeiten und Überstunden auf und deine Arbeitskollegin kümmert sich lieber ums sich selbst, als dich vor dem sicheren Tod zu bewahren oder Hilfe zu holen!“
„Ja...aber...“, Elena schluckte, dann kam ihr ein neuer Gedanke. „Woher weißt du davon? Von Rickas Sklaverei und ...“
Er lachte. „Elena, ich will dich beschützen! Natürlich habe ich Leute die dich beobachten und deine Kollegin habe ich sogar gesehen, wie jämmerlich sie doch ist und feige, dich im Stich zu lassen!“, sagte er voller Abscheu.
Verblüfft sah Elena, Aeron an. „Warum bist du so erpicht darauf mich zu beschützen? Wir kennen uns doch kaum.“
Aeron stand auf und ging ein paar Schritte von ihr weg. „Ich kenne dich besser als du es dir vorstellen kannst. Sei vorsichtig, es gibt Dinge zwischen Erde und Hölle, von denen du nichts weißt.“
Im nächsten Augenblick war Aeron verschwunden. Von ein auf den anderen Moment, wie in Luft aufgelöst.
Er war wirklich seltsam, aber wenn es stimmt das er sie gerettet hatte, dann sollte sie ihm dankbar sein.
Nachdem Elena sich frisch gemacht hatte, trat sie in die Küche, trotz Aerons Rat. Ricka sah sie wutentbrannt an und wollte zu einer Schimpftirade ansetzen, aber Elena stoppte sie. „Wo ist Stella?“, fragte sie finster, aber sie entdeckte sie bevor ihre Chefin etwas sagen konnte. Elena stampfte auf sie zu und baute sich vor ihr auf. Eine unglaubliche Wut durchflutete sie. „Wie kann man nur so egoistisch sein?!“, schrie Elena es heraus. Elena war eigentlich ein gelassener Mensch der viel durch gehen ließ, aber das ging ihr doch zu weit.
Stella schaute sie nicht einmal an, was in Elena einen unglaublichen Zorn weckte.
Ricka wollte etwas sagen. Vermutlich dass sie private Angelegenheiten außerhalb der Arbeitszeiten klären sollten, aber sie kam nicht dazu.
„Du hast mich zu diesen Viechern gezerrt und als sie ausbrachen, hast du mich einfach dort zurück gelassen, um deine eigene Haut zu retten! Nicht einmal Hilfe hast du geholt!“, sie ballte ihr Hände zu Fäusten. „Ich...wäre fast gestorben. Hätte mein Retter mich nicht gefunden und geheilt wäre ich elendig verreckt!“
Stella schluckte laut, schwieg aber.
„Hast du dazu nichts vorzubringen?“, fragte sie laut. Alle in der Küche sahen zu ihnen hinüber. Ja, sie waren das Spektakel des Tages, ganz sicher würde niemand dazwischen gehen, weil sie sonst keine gute Show mehr geboten bekommen würden. Stella schwieg und Elenas Wut und Zorn brach sich Bahn. Sie schrie, holte weit aus und schlug zu. Ein Aufschrei kam von ihren Kollegen sogar von Ricka, die sonst so harte wirkende Frau, wirkte geschockt.
Stella sank zu Boden und hielt sich ihre Hand an die blutende Stirn. Sie wimmerte vor Schmerz.
„Nicht einmal entschuldigt hast du dich! Und glaub mir ich habe sicherlich hundert mal mehr gelitten als du gerade.“, schrie Elena.
Ricka sah sie einen Moment an. Sie schien abzuwägen in wie weit Elena sich in den wenigen Sekunden beruhigt hatte. „Du musst noch arbeiten, vor allem weil du gestern Nachmittag nicht da warst.“, sagte sie. Elena konnte es kaum fassen, sie hatte eine Kollegin geschlagen und Ricka dachte nur an Arbeit.
„Ich habe mehr Drecksarbeit und Überstunden gemacht als jeder andere hier. Außerdem wäre ich gestern fast gestorben, falls sie nicht zu gehört haben! Ich habe eine Auszeit verdient“, erklärte sie wütend, dann stampfte sie davon. Elena hatte genug von allem. Sie fühlte sich allein und verlassen. Stella war nie ihre Freundin gewesen. Und Nero und Aeron waren zwielichtige Typen, die sie nicht verstand. Als Elena in ihrem Zimmer an kam ließ sie sich auf ihr Bett fallen und entließ einen lauten Schluchzer, den sie schon seit sie in der Küche gewesen war, unterdrückt hatte. Alles hatte sich so furchtbar entwickelt. Sie wünschte sich mit ihrem Onkel reden zu können, aber so weit sie wusste, würde er erst in zwei Monaten wieder kommen.
Nachdem die Dunkelheit eingekehrt war traute sich Elena nach draußen. Es war kalt und die Kälte drang sofort durch ihr dünnes Nachtgewand, aber es störte sie nicht, im Gegenteil, es klärte ihren Verstand.
„Elena?“, fragte Nero hinter ihr. Sie drehte sich ruckartig zu ihm um und er musterte sie. Schlagartig wurde ihr bewusst wie sie im Moment aussah, zottelige, ungekämmte Haare, rotes, verheultes Gesicht und tiefe Ringe unter den Augen. Ja, im Moment war sie kein schöner Anblick.
„Elena“, murmelte er tröstend und berührte sanft ihre Wange. Mit großen, überraschten Augen sah sie ihn an. Doch sie konnte nicht anders, als ihre Wange an seine Hand zu schmiegen. Plötzlich umschlang Nero mit seinem anderen Arm Elenas Taille und zog sie an sich. Elena bettete ihren Kopf auf seiner Schulter.
„Lass es raus!“, sagte Nero tröstend und nun entwich ihr wieder ein Schluchzer. Und die Tränen kullerten. Sie konnte einfach nicht anders, als ihre ganze Trauer raus zu lassen. Sie fühlte sich so zerstört und fertig, aber an Neros Schulter geschmiegt, fühlte sie sich bald besser. Nach einiger Zeit schaute Elena auf und begegnete Neros Blick. „Elena, ich habe dich nur überwachen lassen, damit dir nichts passiert. Ich kenne dich nun schon eine Weile und nun ja...“, er sah Elena tief in die Augen, in ihnen spielte sich so viel ab, dann sagte er es. „Ich liebe dich!“
Elena wandte den Blick ab. Sie brauchte einen Moment um zu verdauen, was Nero so eben gesagt hatte. Er, der Prinz und zukünftige Thronfolger Nero von Basellik, liebte sie, eine Bürgerliche? War so etwas möglich? Oder verarschte er sie nur? Das hätte Elena gerade noch gefehlt. Vielleicht wollte er sie auch nur in die Kiste kriegen?
Nach einer Weile des Schweigens, hobt Nero Elenas Kopf so an das er sie ansehen musste. Nero Kopf näherte sich ihrem, bis ihre Lippen sich trafen. Anfangs erwiderte Elena nur widerwillig den Kuss, doch dann genoss sie ihn. Er fühlte sich warm an. In seinen Armen fühlte sie sich geborgen und sicher und alles schien wieder richtig zu sein. Der Kuss dauerte lange und Elena wünschte sich er würde ewig dauern. Aber als Nero den Kuss beendete sah er sie an. In seinen Augen standen so viel Zuneigung. Das konnte doch nicht geheuchelt sein, oder?
Er sah ihr liebevoll in die Augen. Könnten diese Augen lügen?
Elena begann zu zittern, woran nicht nur die Kälte Schuld war. Nero gab ihr praktisch sofort seinen edlen Mantel. „Ich kann dich doch nicht erfrieren lassen.“
er lächelte als sie etwas erwidern wollte, aber ihre Stimme wollte nicht so wie sie. „Wir sollten reingehen. Es ist spät“, sagte Nero fürsorglich.
Sie nickte.
Und Hand in Hand gingen sie zu Elenas Zimmer.
„Komm morgen zu mir den Empfangssaal. Ich denke du willst nicht mehr in der Küche arbeiten, oder?“, sagte Nero.
„Nein“, brachte sie mühsam hervor, bevor er sie zärtlich küsste zum Abschied, dann ging er.
Sie öffnete die Tür zu ihrem Zimmer blieb, aber noch einen Moment stehen um ihm nach zu sehen, dann ging sie hinein und fiel glücklich in ihr Bett. Und zum ersten mal seit langer Zeit schlief sie richtig gut, ohne Altträume oder dergleichen. Immer wieder träumte sie von ihrem ersten Kuss mit Nero, der so wunderschöne, sanfte Gefühle hervorrief, die im Gegensatz zu den Gefühlen standen, die sich noch vor einigen Stunden empfunden hatte.
5.Kapitel Der Sommerball
Die Abenddämmerung brach über Basellik herein. Ein riesiger Strom, bestehend aus den Adeligsten der Aderligen von Basellik ergoss sich in den Ballsaal des Herrscherschlosses. Von einer Empore aus, die sich über dem Ballsaal befand, beobachtete Nero, das bunte Treiben. Er war in Gesellschaft seines Vaters, dieser erklärte ihm hin und wieder welche der Adeligen dort unten, in Zukunft wichtige Bündnispartner sein könnten. Nero, erkannte einige von ihnen wieder, da sie auf den prächtigen Wandteppichen abgebildet waren, die extra für den Sommerball angefertigt und aufgehängt worden waren.
Nero schielte nach hinten, um sich zu vergewissern, dass es Elena gut ging, er sorgte sich immer sehr um sie seit er sie vor einer Woche zu seiner persönlichen Dienerin ernannt hatte, es bedeutete dass sie die ganze Zeit in seiner Nähe bleiben musste, außer er gestattete ihr weg zu gehen, aber von dieser Regel durfte er bei einem öffentlichen Event, wie dem Sommerball keinen Gebrauch machen, es würde gegen sämtliche Regeln verstoßen und zu Argwohn und Gerüchten beitragen.
Seelenruhig stand Elena da und sah ebenfalls auf die Menschen unter ihr herab. Ein Glitzern stand in ihren Augen. Sie hatte bestimmt noch nie so viele Menschen auf einem Haufen gesehen, dachte Nero. Für alles gab es ein erstes mal.
Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Gästen des Sommerballs zu. Er fing einige Wortfetzen über Politik auf, auch über das mögliche, baldige Bündnis mit Menderan wurde heiß diskutiert. Menderan, war ein Land voller Dämonen, die zu gerne Vampire massakrieren würden, aber eines stand ihnen im Weg, etwas wovon die meisten Leute nichts wussten, besser gesagt nur eine Person stand zwischen den Fronten und sie wusste es nicht einmal selbst. Elena war kostbar, mit ihr hatte der König es geschafft ein Bündnis zwischen den ewig verfeindeten Ländereien Basellik und Menderan zu schaffen, aber ob ein erzwungenes Bündnis wirklich eine so gute Idee war? Nero schüttelte leicht den Kopf, um den Gedanken abzuschütteln. Er wollte nicht weiter darüber nachdenken. Heute war der Sommerball, seine Gedanken, sollten beim Feiern sein, nicht bei der Bündnisplanung. Er sollte zumindest so tun, als ob er sich amüsiere.
Nach einigen Minuten erhob sich der König, als er um Aufmerksamkeit bat, wurde jegliches Gespräch im Saal eingestellt. Mit lauter Stimme begann der König seine kurze, einleitende Ansprache. „Meine lieben Gäste“, sagte er förmlich. „Wir sind heute hier versammelt, um den Sommerbeginn zu feiern und uns von der Schöpferin unseren Segen zu erbitten.“, er machte eine kurze Pause. „Wir bitten dich, heilige Schöpferin Lillith, um einen Sommer, mit vollen Ernten, ohne Dürren und Seuchen, bitte gebe uns deinen Segen“, er beendete sein Gebet und schwieg einen Moment um dem kurzen Gebet Nachdruck zu verleihen. „Nun, erhebe ich mein Glas, auf einen erfolgreichen Sommer und einen fröhlichen Sommerball“, sagte er, erhob sein Glas prostete seinen Gästen zu und nippte kurz an dem Wein, bevor er sich setzte. Nero und die Menschenmenge taten es ihm gleich. Dann widmeten sie sich wieder ihren jeweiligen Gesprächspartnern.
„Bist du dir sicher, dass es richtig ist, sie so nah in deiner Nähe zu halten?“, fragte der König unvermittelt seinen Sohn. Der König sprach es nicht direkt an, aber Nero wusste, dass er von Elena sprach.
Er zuckte mit den Schultern. „Nein, bin ich mir nicht. Aber in der Küche konnte sie wohl auch nicht bleiben, oder?“
Der König schwieg. Sein Vater wusste genau, wenn Elena in der Küche hätte weiterarbeiten müssen, hätte das alles zu einer noch unangenehmeren Angelegenheit ausarten können, als sie es jetzt schon war. Die Gerüchteküche brodelte bereits, was Elena betraf.
Seit zwei Stunden stand Elena nun schon neben Neros Thron. Ihr taten bereits die Beine weh, weswegen sie von ein auf das andere trat. Sie wusste, sie würde sich so schnell nicht setzen können, geschweige denn, den Ball endlich verlassen. Die Lautstärke in dem riesigen Raum, nahm von Zeit zu Zeit zu, umso mehr die Adeligen sich betranken. Der Lärmpegel bereitete Elena Kopfschmerzen. Einige Adelige gerieten miteinander in Streit und die Wächter, die an den ansonsten ihre Plätze an den Wänden hatten, mussten oftmals eingreifen und schlichten. Elena bemerkte, dass nicht alle Adeligen solch nette Menschen waren, wie ihr Onkel. Nein, ganz und gar nicht, einige von den dort unten Anwesenden, waren arrogante, eingebildete Schnösel, die Diener herumkommandierten und wie den letzten Dreck behandelten. Solche Menschen versetzen Elena jedes mal in Rasche, aber was sollte sie schon tun, sie konnte diese Menschen so wieso nicht daran hindern, wieder und wieder andere schlecht zu machen.
Elena erspähte am anderen Ende des Saals Stellas zierliches Gesicht. Die Dienerinnen, die Getränke und Essen verteilten, waren pro Stunde in Schichten eingeteilt, dass wusste Elena,weil sie selbst für eine Schicht eingeplant worden war, bevor sie den Job gewechselt hatte, um genau zu sein, hätte sie mit Stella die selbe Schicht teilen müssen. Irgendwie, war sie froh dem entgangen zu sein.
Stella kam gerade aus der Küche. Einen Moment sah sie zu Elena hoch auf die Empore, dann wandte sie schnell den Blick ab und widmete sich den Adeligen um sie herum und verteilte die Weingläser, die sie auf ihrem Tablett balancierte.
Auch Elena wandte den Blick nun von ihr ab. Stellas Anblick hatte sie die letzten Tage stets mit Wut erfüllt. Elena verstand nicht, weshalb sie sich nicht wenigstens entschuldigte. Vielleicht würde sie ihr sogar verzeihen, aber vermutlich war sie zu feige. Elena unterdrückte ein Schnauben und versuchte Stella aus ihren Gedanken zu verbannen. Heute war ein feierlicher Abend, kein Abend an dem man über feige Menschen nachdenken sollte, die ihr leben über das eines anderen stellten, ins besondere wenn man mit dem anderen befreundet war.
„Ich werde mich ein bisschen zu meinen Gästen gesellen“, sagte der König, in seinen Worten, lag eine stille Aufforderung an Nero, dass er doch mitkommen solle. Aber er blieb sitzen und der König schritt allein die weiße, Marmortreppe hinunter, zu den Adeligen.
Elena hätte gern mit Nero gesprochen, aber selbst jetzt wo sie allein auf der Empore standen, war es besser Abstand zu halten. Es würden nur böse Gerüchte aufkommen, hatte Nero ihr erklärt. Insgeheim hegte Elena die Angst, dass Nero sich für sie schämte und sie deshalb in der Öffentlichkeit nicht so nah bei sich haben wollte. Sie hoffte es nicht.
Von einen auf den anderen Moment bekam Elena starke Kopfschmerzen, ein starker, kurzzeitiger Druck der auf ihren Kopf zu drücken schien, er war nur von kurzer Dauer, aber trotzdem musste sie einen Aufschrei unterdrücken.
Dunkle Schatten huschten durch ihr Sichtfeld, immer schneller und schneller. Elena sah sich um, keiner schien sie zu bemerken. Vielleicht bildete sie sie sich nur ein, denn warum sonst sah sie keiner? Sie rieb sich die Augen, aber die Schatten verschwanden nicht. Sie schienen näher zu kommen. Gefährlich nahe. Ein mulmiges Gefühl kroch in Elena empor. Irgendetwas stimmte nicht. Ihr Gefühl, sagte ihr das. Was sollte sie tun? Nero warnen? Nein, entschloss sie sich. Sie würde abwarten, was passiert. Vielleicht war es ja auch nur falscher Alarm.
Schatten huschten mit einem Mal quer durch den Raum. Von der Decke zum Boden, von der einen Wand zur anderen, dabei kamen sie immer näher an Nero und Elena heran.
Plötzlich tauchten zwei Schatten auf, deren Farbe anders war, als die der anderen. Alle Schatten waren dunkel, aber diese hier glitten hinüber in ein helleres grau. Die dunkleren Schatten verschwanden von ein auf die andere Sekunde. Nur die zwei helleren Schatten flogen mitten im Raum, dann preschten sie in atemberaubender Geschwindigkeit nach vorne. Elena wollte schreien, Nero warnen, doch da flog er schon mit einem lauten Knall gegen die Wand und fiel leblos zu Boden. Als Elena ihn ansah, bemerkte sie wie ihm das Blut die Stirn runter lief und auch sein Arm blutete.
Ein beißend, süßlicher, metallischer Geruch umfing Elena. Er wickelte sie ein, betörte sie. Woher kam er? Von den den Schatten? Nein, er kam..von Nero...Als Elena ihren Blick kurz durch den Raum schweifen ließ, bemerkte sie dass alle Gäste verschwunden waren. Elena kam der Gedanke, dass der König seine Gäste wohl evakuiert haben musste, nachdem der Knall den Raum erschüttert hatte.
Ein Rascheln legte ihre Aufmerksamkeit wieder zu den Schatten. Die Schatten verwandelten sich in zwei Gestalten. An der Statur erkannte sie, dass es sich um einen Mann und eine Frau handeln musste, da ihre Gesichter von den Kapuzen ihrer grauen Roben verdeckt wurden, konnte sie ihre Gesichter nicht sehen. Was waren das nur für merkwürdige Wesen. Vielleicht träume ich?, fragte sich Elena, aber sie wusste dass das nicht der Fall war, dies alles hier war echt, zu real.
Ein höllischer Schmerz im Oberkiefer, riss sie aus ihren Gedanken. Sie hielt die Hand vor den Mund, um den Auslöser des Schmerzes zu finden, aber sie spürte ihn bereits an der Unterlippe. Etwas spitzes stach sie und sie konnte ihr eigenes Blut schmecken. Vorsichtig tastete sie ihren Mund weiter ab. Was ging hier bloß vor sich? Ihre Eckzähne waren auf einmal lang und spitz und irgendwie verspürte sie ein Hungergefühl, angesichts des Geruches den Nero verströmte.
Elena fühlte sich im ersten Moment schwach, dann unglaublich stark und so stellte sie sich den Angreifern in den Weg als sie zu Nero gehen wollten.
„Wir wollen dir nichts tun.“, erklärte die Frau.
„Wir sind herkommen um Nero zu töten. Nicht dich“, sagte der Mann ungeduldig.
Elena lachte. „Ihr werdet mich töten müssen, bevor ihr an ihn herankommt.“
Die beiden Angreifer kamen weiter auf sie zu. Was sollte sie nur tun? Sie war verwirrt und Angst durchströmte sie. Plötzlich spürte sie etwas. Etwas in ihr, das Macht verströmte. Sie konnte danach greifen. Zuerst hatte sie Probleme es zu beherrschen, aber dann schaffte sie es kleinen Teil von dieser Macht auf ihrer Hand zu bündeln.
In den Gesten des Feindes erkannte sie Verwunderung und Überraschung wieder und als Elena ihre Macht ihnen entgegen schleuderte, schrie die Frau auf. Elena hatte den Mann getroffen, der nun lichterloh brannte, wie ein Neutagesfeuer, er hatte überhaupt keine Gelegenheit gehabt, zu reagieren. Letzten Endes blieb nur noch Asche von ihm übrig.
Elena sah ungläubig auf ihre Hand. War wirklich sie das gewesen? Woher...kam diese Kraft? Ein kurzzeitiges Triumphgefühl stellte sich bei ihr ein, bis sie ihre Aufmerksamkeit wieder der Frau zu wenden musste.
„Das...wirst du mir büßen!“, fauchte sie aufgebracht und bereitete einen Angriff auf Elena vor, doch gerade als sie ihn ausführen wollte, stellte sich jemand schützend vor Elena. Die Waffe die die Frau auf Elena werfen wollte, prallte an dem unsichtbaren Schild ihres Beschützers ab. Elena brauchte einen Moment, um zu erkennen, wer da vor ihr stand. Es war Aeron, der sich schützend vor sie gestellt hatte. Woher war er so schnell herkommen?
Aeron drehte seinen Kopf leicht zu ihr herum. „Bleib dicht hinter mir, dann passiert dir nichts. Ich erledige das.“, sagte er gelassen und Elena tat wie geheißen. Er wirkte stark und unbesiegbar.
Aeron sah der Frau in die Augen. „Du bist zu weit gegangen!“, sagte er. Die Frau wollte etwas erwidern, aber da sackte sie schon auf dem Boden zusammen. Sie ächzte und schien schlimme Schmerzen zu haben. Aber was tat Aeron? Er griff sie weder körperlich noch geistig sichtbar an. Wie schaffte er es, der Frau solche Schmerzen zu zufügen?
Die Frau röchelte. Sie bekam keine Luft, begriff Elena und die Haut der Frau nahm schnell eine bläuliche Farbe an. Sie würde sterben. Aeron tötete sie irgendwie, nahm ihr die Luft zum Atmen.
„Aeron“, flüsterte Elena. Sie wollte das er aufhörte, aber er schien sie nicht zu hören. Die Frau wollte Nero und sie töten, aber Elena wollte nicht dass sie starb, es war...nicht richtig. „Aeron“, sagte sie diesmal lauter. Er sah sie kurz an, dann sah er wieder zu der Frau. „Hör auf, bitte! Es ist...nicht richtig!“, hauchte sie ängstlich.
„Du weißt gar nicht, wie richtig es ist.“, erwiderte er aufbrausend. Auf seinem Gesicht konnte Elena große Anstrengung lesen, es musste ihn viel Kraft kosten, sie zu töten.
Elena überlegte wie sie ihn aufhalten könnte, aber ihr fiel nichts ein. Sie wusste nicht wie er sie tötete und solang sie dass nicht wusste konnte sie nichts tun.
Elena sah die Frau mitleidig an.
„Wir sehen uns in der Hölle, Meister Aeron“, stieß sie mit letzter Kraft hervor, dann hörte ihre Brust auch schon auf sich zu bewegen und ihr Körper erschlaffte. Sie war tot. Elena konnte es spüren. Sie spürte wie eine Träne ihr die Wange herunter lief. Die Frau hatte sie töten gewollt, stattdessen musste sie ihr eigenes Leben lassen. Aeron hatte sie getötet. Aber was sie jetzt am meisten erschütterte war, dass sie selbst einen Menschen auf dem Gewissen hatte, sie hatte einen Mann getötet, wurde ihr klar. Es war nicht ihre Absicht gewesen ihn zu töten, aber es war nun mal passiert. Sie war eine Mörderin. Heiße Tränen tropften an ihrem Kinn herunter. Im nächsten Moment fiel ihr Nero wieder ein. Sie rannte eilig zu ihm hin und kniete sich neben ihn. Wieder überfiel sie dieser Geruch, der ihre Sinne betäubte und ihren Verstand ausschaltete. Die Wunde an Neros Stirn blutete nicht mehr und begann bereits sich zu schließen. Aber Elena war zu durcheinander um darüber nachzudenken, wie dass in so kurzer Zeit möglich sein konnte. Elena fixierte Neros Handgelenk, welches immer noch blutete, sie packte es und führte es an ihren Mund.
„Elena!“, schrie Aeron von weiter weg. „Elena lass das!“, schrie er lauter, aber sie hörte nicht mehr auf ihn. Alles um sie herum verschwamm. Das Blut. Neros Blut, schmeckte so gut, so verführerisch, sie hatte noch nie etwas so leckeres gekostet. Mit ihren spitzen Eckzähnen, öffnete sie Neros Wunde weiter, damit sie mehr von der roten Flüssigkeit trinken konnte. Es schmeckte so gut. Elena spürte, wie etwas an ihr zog, versuchte sie von dem Arm wegzubekommen, Aeron, aber er war nicht stark genug.
Plötzlich bewegte sich der Arm. Elena hielt ihn fest, aber jetzt war sie diejenige die nicht stark genug war.
„Elena, hör auf damit!“, sie erkannte Neros Stimme.
„Nein, ich will nicht“, nuschelte sie und saugte weiter Neros Blut.
„Elena“, sagte er ermahnend und diesmal schaffte er es sie zurück in die Realität zu holen. Sie ließ von ihm ab und entfernte sich einige Meter. Sie wischte sich mit dem Handrücken das Blut von ihrem Mund. Sie hatte Neros Blut getrunken, es hatte so köstlich gerochen und so unheimlich lecker geschmeckt. Was war nur los mit ihr? Wurde sie verrückt? Sie fasste sich mit beiden Händen an den Kopf. Alles war so verwirrend. Was war nur mit ihr passiert in den letzten Stunden? Sie hatte das Gefühl, in einen schlimmen Alttraum geraten zu sein, der sich jetzt in die Realität verwandelte. Tausend Gefühle übermannten sie. Verwirrung, Wut, Trauer, Selbsthass. Verwirrung, weil Elena keine Ahnung hatte was hier gespielt wurde. Wut, darüber dass sie Aeron nicht abhalten konnte die Frau zu töten. Trauer, weil sie selbst einen Mann getötet hatte, weswegen sie auch Selbsthass empfand. Vielleicht hätte sie es verhindern können. Aber wie? Sie wusste bis dahin nichts von ihren merkwürdigen Fähigkeiten, geschweige denn wie man sie kontrollierte.
Und dass sie Neros Blut so berauschend gefunden hatte, verwirrte sie um so mehr, was um Gottes Willen war nur los mit ihr?
Elena beobachtete, wie Aeron und Nero einen Blick tauschten. Nero nickte Aeron zu. Aeron ging zu Elena und zog sie in seine Arme. „Es wird alles gut. Wir werden dir alles erklären. Später.“, flüsterte er Elena sanft ins Ohr. Dann legte er seinen Kopf so, dass er Elena ansehen konnte. Sie sahen sich tief in die Augen. Plötzlich dröhnte Elena der Kopf, als würde er zerspringen wollen. Erst verstand sie nicht, dann wurde ihr klar, dass Aeron der Auslöser für ihren Schmerz war. Sie wollte etwas sagen oder schreien, aber die Schwärze umfing sie zu schnell als das sie hätte reagieren können.
6.Kapitel Die Flucht
Als Elena die Augen öffnete, blieb alles so dunkel wie zu vor. Sie tastete den Untergrund unter ihr ab. Steinboden?, schoss es ihr durch den Kopf. Warum war sie nicht in ihrem Bett? Wenn sie doch wenigstens etwas sehen könnte, dachte sie immer noch müde. Vielleicht war das ganze ein Traum? Sie versuchte sich aufzusetzen, dabei konnte sie ein Ächzen vor Schmerzen, nicht unterdrücken. Vorsichtig stand sie auf. Dieser kalte, harte Boden war wirklich kein guter Ort zum Schlafen. Wie war sie nur hier her gekommen oder warum?
„Elena?“, fragte eine vertraute Stimme aus einer Ecke des Raumes.
„Ja“, krächzte sie, ihr Hals war staubtrocken.
Plötzlich umfingen Elena zwei starke Arme und zogen sie zu sich. Sie konnte ihn riechen, auf eine Art wie sie ihn noch nie gerochen hatte. Er hatte einen sehr männlichen, aber angenehmen Geruch an sich, aber diesmal roch sie noch etwas anderes, spürte noch etwas mächtigeres. Elena konnte praktisch sehen, wo seine Adern Blut pumpten, hörte das Rauschen. Wie konnte Aeron nur so...köstlich riechen? Sie war entsetzt von ihren eigenen Gedanken, denn in diesem Moment fielen ihr die letzten Stunden wieder ein und die Fragen kamen wieder hoch. Sie hätte sie gern gestellt, aber sie war zu sehr auf Aerons Halsschlagader fixiert. Wie sie pochte, so unversehrt. Sie hätte ihren Kopf nur einige Millimeter nach vorne beugen müssen...Nein, sie wollte ihn nicht beißen. Elena schloss für einen kurzen Moment die Augen und versuchte sich abzulenken, was nicht sonderlich funktionierte. Sie musste Fragen stellen, wenn sie ihn jetzt biss...würde er vermutlich nicht mehr antworten.
Sie begann zu zittern und näherte sich seinem Hals, ohne es zu wollen. Einen Moment wich er zurück, dann kam er wieder näher. „Trink“, sagte er kurz und bot ihr seinen Hals dar.
Einen Moment zögerte Elena, dann verlor sie jegliche Selbstkontrolle. Sie biss zu und trank sein Blut. Es schmeckte anders als Neros Blut, aber nicht wirklich besser, trotzdem erfüllte es seinen Zweck. Es stillte ihren Durst oder war es Hunger, sie konnte es nicht so genau sagen.
Aeron hielt Elena während der ganzen Prozedur im Arm und strich ihr zärtlich über den Rücken.
Da Elena es sich nie verzeihen könnte, wenn Aeron wegen Blutverlust sterben würde, hörte sie nach kurzer Zeit auf zu trinken. Wischte sich mit ihrem Arm das restliche Blut von den Lippen und bettete ihren Kopf an Aerons Schulter. Sie atmete tief durch bevor sie endlich mit den Fragen begann.
„Bin ich wirklich...ein Vampir?“, es war für sie die wichtigste Frage überhaupt und zugleich die die ihr am meisten Angst einjagte.
Einen Augenblick schien Aeron über seine Antwort nachdenken zu müssen. „Ja und Nein. Du bist immer noch ein Mensch und aber zu gleich ein Vampir. Ein Halbvampir“, erklärte er.
„Halbvampir. Aber wieso...?“, stammelte sie überrascht. Wie konnte das nur möglich sein? Konnte man den wirklich zwei Wesen auf einmal sein?
„Ein Halbvampir, entsteht aus einer Bindung zwischen einem Menschen und einem Vampir“, beantwortete er ihre Frage, bevor sie sie überhaupt aussprechen konnte.
Elena schluckte. „Aber...mein Vater war menschlich. Da bin ich mir sicher“, sie stockte. „Meine Mutter...könnte...aber Vater hat es nie erwähnt..“
„Elena, hör mir gut zu.“, sagte Aeron leise. „Du musst verschwinden. Weg von dem Schloss. Du musst Basellik verlassen!“
Geschockt sah sie ihn an. „Wieso?“
Aeron wirkte plötzlich traurig. „Weil du sonst sterben wirst“, er wartete ihre Antwort nicht ab und sprach weiter. „In Basellik, gibt es ein Gesetz, welches besagt, dass alle Halbwesen getötet werden müssen“
„Aber warum? Ich habe doch nichts getan!“, stotterte sie.
„Du hast es selbst gemerkt. Halbwesen, wie du, können ihre Kräfte nicht kontrollieren und sind deshalb gefährlich. Nero ist verpflichtet dich zu töten.“
Elena schluckte. „Woher weißt du das alles?“
„Weil jedes dunkle Geschöpf die Gesetzte der Nacht kennt. Ich bin ein Dämon“, murmelte Aeron.
Mittlerweile konnte so gut wie nichts Elena mehr überraschen.
Aeron drückte ihr etwas weiches in die Hand. „Zieh das an“, sagte er bestimmend.
Sie brauchte einen Moment bis sie erkannte das es ein Umhang war. Sie zog ihn über.
Er nahm ihre Hand und führte sie gerade aus, dann hörte sie wie er die Tür öffnete. Helles Licht von den Lampen die an den Wänden befestigt waren, blendete sie einen Moment, aber Aeron gebot ihr weiter zu gehen. „Sei möglichst leise. Ich kenne einen Tunnel der unter den Mauern des Schlosses hinausführt.“
Elena nickte nur und folgte ihm.
Sie gingen gerade aus, kamen an vielen verlassenen Verließen vorbei. Es war fast gespenstisch, aber sie fürchtete nichts mehr. Sie hatte nur die Wahl zwischen Flucht und Tod und das eine konnte ebenfalls zum anderen führen, also wovor sollte sie sich jetzt noch ängstigen. Der Mann, den sie liebte, könnte ihr Henker werden. Und sie würde ihre Heimat für lange Zeit verlassen müssen, vielleicht auch für immer.
Es gab noch so viele Fragen, die es zu beantworten galt. Sie würde auf ihrer Flucht Antworten suchen.
Plötzlich blieb Aeron stehen, beinahe wäre sie mit ihm zusammen geprallt, aber sie konnte sich noch bremsen.
Das Licht war spärlich trotzdem konnte Elena sehen, wie Aeron eine Wand abklopfte. Ein ungleichmäßiger Rhythmus. Elena dachte zu erst er würde einen Hohlraum hinter der Wand suchen, um so den Tunnel zu finden, doch da schob sich die Wand auch schon zur Seite.
„Hier ist er. Der Weg in die Freiheit“, Erleichterung schwang in seiner Stimme mit,so als ob er daran gezweifelt hatte, den Tunnel finden zu können.
„Geh einfach gerade aus. An Abzweigungen hältst du dich links“, riet Aeron ihr.
„Du kommst nicht mit?“, fragte sie. „Ich weiß nicht ob ich es alleine schaffe“
Er lächelte sanft und strich Elena sanft über die Wange. „Nein, aber du schaffst es. Da bin ich mir sicher.“
Sie fühlte sich ernüchtert. Glaubte er wirklich daran, dass sie es ohne Hilfe schaffen konnte? Sie selbst zweifelte daran. Sie blickte in den Tunnel und sah nichts als Dunkelheit. Wie sollte sie sich ohne Lampe zurecht finden?
„Beeile dich, die Wachen könnten jeden Moment hier sein. Geh einfach so wie ich es dir gesagt habe, dann kann nichts schiefgehen.“, sagte er hastig und stieß sie in den dunklen Tunnel hinein. Als sie wieder hinaustreten wollte, war die Wand bereits dabei sich wieder zu schließen.
„Geh!“, befahl Aeron. „Viel Glück!“, fügte er noch hinzu, bevor die Dunkelheit Elena umfing und sie sich um so mehr wünschte eine Lampe dabei zu haben. Nun hatte sie keine andere Wahl mehr, als dem Tunnel zu folgen und so tastete sie sich an den Wänden entlang.
Nero kniete vor dem Altar in der kleinen Kapelle des Schlosses, die der Schöpferin Lillith geweiht war. Sie war die Schöpferin aller dunklen Wesen. Vampire und Dämonen gleichermaßen. Vor so vielen Jahrhunderten, dass man sie mit keiner Zeitrechnung dieses Jahrhunderts berechnen könnte, hatte sie Vampire erschaffen und einige Jahrhunderte später auch Dämonen. Beide Arten waren mächtig und hatten schnell die Oberhand über die Menschen erlangt, so kam es dass sie die beiden Reiche Basellik und Menderan für sich einnehmen konnten. Der größte Teil der höchsten Adelige war heutzutage entweder Vampir oder Dämon und alle huldigten ihrer Schöpferin Lillith.
Vampire und Dämonen waren von Grund auf verschieden. Vampire hatten gelernt ihre Fähigkeiten und ihre wahre Natur im Laufe der Jahrhunderte zu verbergen. Dämonen hingegen waren ein sehr barbarisches Volk, sie lebten vom Drang zu töten, mit Vorliebe Vampire, was immer wieder Krieg ausgelöst hatte in den vergangenen Jahrhunderten. Vampire herrschten über Basellik, ohne dass die Menschen wussten, was sie waren. Dämonen hingegen herrschten ,wie die Barbaren zu früheren Zeiten, über Menderan. Zwar wussten auch die Menschen dort nicht, was sie waren, aber sie waren vorsichtig, gegenüber ihren Adeligen und kamen ihnen mit übertriebenen Respekt entgegen.
Nero hasste Dämonen. Seit Jahrhunderten hatten Basellik und Menderan Krieg geführt. Doch Dank Elena hatten sie eine Weile Frieden gehabt. Menderan wollte Elena unbedingt in die Finger bekommen und dadurch hatten sie einen Waffenstillstand vereinbart. Aber nun würde Nero Elena töten müssen, da sie ein Halbwesen geworden war und das Gesetz es verlangte. Nero hasste dieses Gesetz. Elena hatte die Kontrolle verloren, aber sie hatte ihm nichts angetan. Im Gegenteil ohne sie, wäre er vermutlich von diesen Schatten ermordet worden, aber sie hatte die Angreifer in die Flucht geschlagen. Sie hatte nicht unrechtes getan. Aber dass sah der König anders. >Wenn sie wieder die Kontrolle verliert, könnten Unschuldige in Gefahr gebracht werden. Nero, du wirst König! Es ist deine Aufgabe dein Volk zu schützen! Das steht an erster Stelle. Deine Gefühle musst du hinten anstellen!7.Kapitel Asura
Es war eine kalte und raue Nacht gewesen, als Elena bei den ersten Sonnenstrahlen erwachte. Sie fühlte sich müde und ausgelaugt, da sie die halbe Nacht von Albträumen geplagt worden war, wie Nero sie auf jede erdenkliche Weise umbringen hatte wollen. Zu dem war sie bei jedem Rascheln aufgewacht. Immer beschlich sie die Angst dass Soldaten oder Nero selbst sie finden und töten könnten.
Als sie aufstand zog sie ihren Umhang an und zerstörte ihr Nachtlager, um Spuren zu verwischen. Es tat ihr fast Leid um die ganze Arbeit die sie hineingesteckt hatte um es zu errichten, aber sie hatte keine andere Wahl. Sie wollte keinen Fingerzeig hinterlassen, dass sie hier genächtigt hatte.
Als sie fertig war, kontrollierte sie ein letztes Mal, ob sie alles was beweisen konnte, dass sie hier geschlafen hatte, beseitigt war, dann zog sie in Richtung Norden los. Sie hatte keine Ahnung wo sie war oder ob sie sich noch in Basellik befand, aber irgendwo würde sie schon landen.
Vielleicht würde sie ein kleines Dorf finden, wo sie Informationen herbekommen könnte.
So stakste sie los ins Ungewisse.
Als der König Nero zu sich bestellte, dachte Nero es würde wieder um Elena gehen. Vielleicht hatten die Soldaten sie gefunden, möglicherweise sogar schon getötet. Es konnte auch sein, dass sie sie ins Schloss bringen würden, damit sein Vater oder er sie töten konnten, aber dass bezweifelte er. Er bezweifelte auch, dass die Soldaten Elena wirklich schon gefunden hatten.
Er wusste, dass sie schlau war, schließlich war sie ja auch aus dem Verließ entkommen, dass allgemein als unentrinnbar galt. Aber vielleicht hatte Aeron ihr auch geholfen, denn er tauchte seit ihrem Verschwinden ebenfalls nicht mehr auf. Ja, vermutlich war es so.
Nero betrat das Schlafgemach seines Vaters, der auf seinem Lesesessel an seinem Schreibtisch saß und er war nicht allein. Das Schlafgemach war sehr schlicht und dunkel gehalten und irgendwie passte, dass Mädchen, welches neben seinem Vater saß nicht ganz in den Raum. Sie hatte ein blass rosarotes Kleid an, dass ihre blasse Haut betonte. Sie war ohne Frage ein Vampir, was ihre außerordentliche Schönheit bezeugte. Sie hatte helle braune Augen und ihre zarten Gesichtszüge waren einfach perfekt geschnitten. Ihr Gesicht wurde von dunklen Locken umrahmt, die ihr etwas freches verliehen.
Nero wurde unbehaglich zumute.
„Das ist Asura. Tochter des Grafen von Feltenstein“, sein Vater deutete dabei auf das junge Mädchen, dieses lächelte und verbeugte sich ehrfürchtig. „Ich freue mich sehr euch kennenzulernen, Prinz Nero. Man hört nur Gutes von euch.“
Feltenstein war ein kleines Lehen, dass an der Grenze zu Menderan lag und oft vom Krieg betroffen war. Graf Tankon von Feltenstein war ein starker Vampir und ein noch besserer Lehnsherr. Nero erinnerte sich, ihn beim vorletzten Sommerball getroffen zu haben und wusste daher, dass Asura ihm, wie aus dem Gesicht geschnitten war.
Nero hatte eine böse Vorahnung was sein Vater mit Asura vor hatte, die im nächsten Augenblick bestätigt wurde.
„Ich möchte Nero, dass Asura die Frau und Königin an deiner Seite wird.“, sagte der König und sah ihm dabei fest in die Augen.
Neros Blick wurde finster. Wie konnte er nur verlangen, dass er ein wildfremdes Mädchen heiratete? Sein Vater wusste doch, dass er Elena liebte und sie war noch nicht tot.
Ohne mit der Wimper zu zucken sahen die beiden Männer sich an. Sie schienen einen inneren Kampf zu bestreiten und beide mussten so wirkten, als ob sie gleich aufeinander losgehen würden.
„Entschuldigt“, Asura hatte offensichtlich die gefährliche Stimmung bemerkt und versuchte sie nun zu lockern oder aufzulösen. „Darf ich fragen wo mein Zimmer sich befindet?“
Der König wandte ihr den Blick zu, dann rief er einen Namen, der einer Dienerin gehörte, dieser gab er den Auftrag, Asura im Schloss herumzuführen und ihr, ihr Zimmer zu zeigen. Gemeinsam verließen die beiden Frauen das Schlafgemach und sobald die Tür geschlossen worden war, begannen die beiden Männer miteinander zu streiten.
„Ich habe dir lange genug Zeit gegeben dir eine Frau zu suchen.“, antwortete der König gelassen, auf Neros Anschuldigungen.
„Ich liebe Elena“, schrie Nero. „Und Asura kenne ich kaum.“
„Elena wird bald tot sein und du brauchst eine Königin, die dich bei den königlichen Aufgaben unterstützt.“
Nero atmete einen Moment durch, um nicht zu wieder zu schreien. „Ich werde Asura nicht heiraten. Ende.“, war das Letzte was er sagte, bevor er aus dem Raum stürmte.
Wieso konnte er nicht einfach ohne Königin regieren?, fragte er sich in Gedanken. Es gab viele Könige die allein regiert hatten. Also warum auch nicht? Geschadet hatte es ihnen nie. Und vielleicht würde er sich mit der Zeit eine Frau suchen, wenn er über Elena irgendwann einmal hinwegkommen sollte, aber er glaubte nicht so recht daran.
Wie es Elena wohl ging? Wo war sie nur? Insgeheim hoffte er, dass die Armee sie nie finden würde. Vielleicht war sie nach Menderan geflohen, auch wenn von dort ebenso viel Gefahr für sie ausging wie in Basellik, wäre sie dort zumindest für den Augenblick sicher. Wenn Aeron bei ihr war, würde ihr nichts passieren, aber er konnte sich darauf nicht verlassen.
Nero ließ sich auf einem der Fensterbretter nieder, die es unzählig in manchen Gängen gab. Vertieft in seine Tagträume sah er auf den Schlossgarten hinunter. Plötzlich tippte ihn etwas an der Schulter an. „Nero?“, fragte sie leise. „Ist alles gut bei dir?“
Er konnte seine Trauer um Elena nicht verbergen, als er in Asuras Gesicht sah. Er schüttelte den Kopf und schaute wieder aus dem Fenster zu den kahlen Bergen Baselliks.
„Bedrückt dich unsere erzwungene Heirat?“, fragte sie vorsichtig. „Ich bin ebenfalls nicht begeistert. Ich liebe jemand anderen, aber mein Vater würde es mir nie gestatten ihn zu heiraten.“
Traurig sah sie nun ebenfalls in die Ferne. Sie hatte eine leicht kindliche Stimme, bemerkte Nero. Sie musste etwa drei Jahre jünger sein als er. Vielleicht vierzehn oder fünfzehn. Elena war sechzehn, Nero hatte sie einmal beiläufig gefragt.
Nero dachte darüber nach, was Asura so eben gesagt hatte.
„Du hast doch keine Ahnung!“, er erhob seine Stimme leicht, es war als ob sie Salz in seine Wunde gestreut hätte, die Elena hinterlassen hatte.
„Natürlich habe ich die!“, in ihr schien ebenfalls etwas seit längerer Zeit zu brodeln. „Er ist ein Dämon, verdammt!“, platzte es aus ihr heraus. Augenblicklich sah sie sich um und suchte den Gang nach Zuhörern ab, aber es war niemand in der Nähe gewesen. Sie blickte erschüttert über ihre letzten Worte zu Boden.
Nero war leicht überrascht. Er hatte damit gerechnet, dass sie sich in einen Diener oder so etwas in der Art verliebt haben musste und dass ihr Vater altmodisch veranlagt war und ihr somit verbot einen bürgerlichen zu heiraten und ihn somit adelig zu machen. Ein Dämon war eine andere Sache. Dämonen und Vampire waren natürliche Feinde. Verbindungen zwischen ihnen waren höchst selten. Wenn es ein dann noch einmal ein Paar gab, wurden sie missachtet, oft sogar geächtet oder für vogelfrei erklärt.
Nero musterte sie und empfand Mitleid.
Wusste sie was Halbwesen waren oder das es sie gab? Würde sie seine Liebe zu Elena verstehen und nachvollziehen können? Vielleicht, aber konnte sie es für sich behalten? Nero war nicht scharf darauf, dass andere Vampire erfuhren dass es einen Halbvampir gab und er mit ihr liiert gewesen war. Er würde als zukünftiger König an Autorität verlieren und einige Adelige würden versuchen ihn zu stürzen.
Und wenn es nach Menderan vordrang, könnte dies einen erneuten Krieg bedeuten.
„Was ist es bei dir?“, murmelte Asura neugierig. Klar, nach Neros Ausbruch wollte sie wissen, welches Geheimnis er hegte, aber er entschied sich es ihr nicht zu verraten.
„Im Moment kann und darf ich es dir nicht sagen. Aber sagen wir mal so, es ist schlimmer“, erklärte er.
Asuras Neugier war geweckt, aber er widerstand ihren Versuchen ihn auszuquetschen.
Als es dunkel wurde, zog Asura sich in ihre Gemächer zurück und Nero tat es ihr gleich.
Er vermisste die Nächte, in denen er sich mit Elena getroffen hatte. Wie sie mit manchmal zerzausten Haaren und ihrem weißen Nachthemd zu ihm gekommen war. Selbst in diesem Zustand war sie wunderschön gewesen. Für Nero glich sie wahrlich einem Engel.
Asura war anfangs nicht begeistert gewesen über ihre arrangierte Ehe, dennoch gefiel ihr die Aussicht bald Königin zu werden. Sie würde die schönsten und prunkvollsten Kleider tragen und immer perfekt aussehen und dazu durfte sie ein komplettes Reich mitregieren. Es würde bestimmt aufregend sein und sie würde viele neue Adelige kennenlernen und die Leute würden ihr einen hohes Maß an Respekt zollen und den Boden zu ihren Füßen küssen. Sie war erst fünfzehn und einige Tage nach ihrem sechzehnten Geburtstag, würde sie Nero heiraten. Sie liebte ihn nicht, aber er sah nicht schlecht aus. Nicht so gut wie ihr Geliebter Dian, aber immer hin. Der Gedanke an Dian stimmte sie traurig. Er fehlte ihr unglaublich. Sie vermisste es durch sein blondes Haar zu greifen, in seine grünen Augen zu sehen, aber am meisten vermisste sie seine zärtlichen Berührungen. Sie waren noch nicht lange zusammen gewesen, als ihr Vater ihr eröffnete, dass sie Nero heiraten würde. Als sie es Dian erzählt hatte, war er ausgerastet und wollte ihren Vater für diese Entscheidung töten, aber sie hatte ihm davon abgehalten. Zur Zeit herrschte Waffenstillstand zwischen Basellik und Menderan und sie wollte nicht Schuld daran sein, wenn dieser zerbrach. Außerdem war ihr Vater ein guter Mann, er hatte sie immer liebevoll behandelt und wollte nur das Beste für sie. Und was könnte es besseres geben, als das sie Königin werden würde? Sie hatte Dian erklärt, dass sie nur ihn liebte und immer lieben würde und er hatte ihr geglaubt.
Die beiden hatten sich seit etwa zwei Wochen nicht gesehen, aber Asura wusste, dass er in der Nähe war und sie sich bald treffen würden, sobald der Zeitpunkt günstig war. Dian musste sich versteckt halten, da einige Bewohner Baselliks ihm sicherlich nicht freundlich gesinnt sein würden, da man an seiner etwas dunkleren Haut erkennen konnte, dass er aus Menderan kam.
Durch die Kriege in den letzten Jahrhunderten war eine große Feindschaft zwischen den beiden Völkern entstanden, an denen größtenteils die Herrscher beider Seiten Schuld hatten. Hätten Dämonen und Vampire, Menderan und Basellik nicht besetzt hätte es vermutlich die letzten Jahre keinen Krieg gegeben, aber weder Dämonen noch Vampire wollten ihren Thron und die Positionen in den Lehen abgeben. Was Asura nachvollziehen konnte, wer wollte schon auf Ruhm und Reichtum verzichten?
Ihre Gedanken wanderten wieder zu Nero. Er hatte vorhin unfreiwillig zugegeben, dass er ein Geheimnis hatte, aber er wollte es verbergen. Was konnte es nur sein? Asura platzte beinahe vor Neugier. Sie wusste dass es etwas mit Liebe zu tun haben musste. Sie malte sich die schlimmsten, aber auch verrücktesten Dinge aus. Was konnte seinem Ruf schaden. Vielleicht war seine Geliebte ebenfalls eine Bewohnerin von Menderan? Nein, befand Asura, dass hätte er ihr bestimmt anvertraut, da sie dann dasselbe Geheimnis hätten. Asura wusste das der König von Basellik nicht der altmodischen Ansicht war, dass ein zukünftiger König auch eine adelige heiraten musste, also musste es einen anderen Grund geben. Vielleicht stand er auf Männer? Baselliks Adelige würden bestimmt nicht so begeistert sein, wenn ihr König gleichgeschlechtliche Geliebte in sein Bett nahm. Neros Gestalt tauchte vor Asuras innerem Auge auf. Sein dunkles Haar, das einen Kontrast zu seiner blassen Vampir Haut darstellte und seine keineswegs schmächtige Statur. Er sah gut aus, wie ein richtiger Mann eben. Er stand nicht auf Männer, dafür würde sie ihre Hand ins Feuer legen. Trotzdem musste sie bei dem Gedanken grinsen.
Ihre Neugier wuchs nun stetig in ihr. Nero würde es ihr bestimmt nicht sagen, weil er zu große Angst hatte, dass sie sich verplappern würde. Also musste es eine andere Lösung geben, um hinter sein Geheimnis zu kommen. Sie dachte darüber nach. Vielleicht hatte er ein Tagebuch, dass sie ihm heimlich klauen könnte.
Asura schmiedete einen Plan.
Sie lief etliche Gänge entlang. Von Dienern hatte sie erfahren wo sich Neros Zimmer befand. Sie klopfte und lauschte. Es blieb still. Leise drückte sie die Türklinke herunter und huschte in den Raum.
Es brannte kein Licht im Raum, vielleicht war Nero unterwegs und hatte vergessen abzuschließen. Perfekte Gelegenheit.,dachte sich Asura. Sie schaltete das Licht an und begann mit ihrer Suche beim dem riesigen Eichenschrank. Asura durchwühlte Neros Kleidung, wohl darauf bedacht, sie wieder richtig einzuordnen sobald sie mit einem Teil des Schrankes fertig war um keine Spuren zu hinterlassen. Sie durchsuchte den Schrank auch nach Geheimfächern, fand aber keine. Sie hatte auch einmal gelesen, dass manche Leute ihre Tagebücher unter den Dielenboden versteckten, aber Nero hatte keinen solchen Boden, unter dem man hätte etwas verstecken können. Als nächstes durchstöberte sie den Nachtisch, auch dort blieb ihre Suche erfolglos und langsam bekam sie Panik, dass Nero zurückkommen könnte. Sie durchsuchte noch den Schreibtisch und als sie auch dort nichts fand ging sie zu Neros Bett hinüber. Gerade als Asura unter dem Kopfkissen nachsehen wollte, hörte sie Schritte auf dem Gang. Aber es war schon zu spät um sich zu verstecken.
Nero riss die Tür auf und sah sie überrascht an.
Asura spürte wie ihr die Röte in die Wangen schoss.
„Was machst du da?“, fragte Nero verwirrt.
Einen Moment überlegte sie, sich etwas auszudenken, doch sie entschied dass in diesem Fall, dass beste war, die Wahrheit zu sagen. „I-ich habe...dein Tagebuch gesucht.“, gestand sie, peinlich berührt.
Nero sah sie verdutzt an. „Du hast was gesucht?“, fragte er ungläubig, nach und fing an zu Lachen.
„Was ist daran so lustig?“, fragte sie trotzig.
„Ich habe kein Tagebuch, dass ist eher was für kleine Mädchen.“, sagte er lachend. Asura schmollte. Von jetzt an würde er sie bestimmt wie ein kleines Mädchen behandeln, da sie sich so kindisch benommen hatte.
Nero wurde plötzlich wieder ernst. „Aber mal angenommen ich hätte eins. Wieso hast du es gesucht?“
„Ich wollte wissen, was dein Geheimnis ist. Du weißt schon, worüber wir uns vorhin unterhalten haben.“, gab Asura niedergeschlagen zurück.
Nero wurde plötzlich blass, als ob man ihm etwas schlimmes offenbart hatte. „Ich werde es dir sagen, aber nicht jetzt, nicht heute, irgendwann, aber im Moment möchte ich es für mich behalten. Es ist besser so.“, murmelte er und klang dabei so unendlich traurig.
Asura fühlte sich irgendwie schuldig, sie hatte ihn traurig gemacht, da sie ihn an etwas trauriges erinnert hatte.
„Es tut mir Leid.“, stammelte sie.
Er nickte. „Schon okay. Aber bitte sprich nicht mehr darüber.“
Egal, wie neugierig sie noch immer war, sie würde ihm Zeit gegeben und nicht weiter nachforschen. Den sie wollte ihn nicht weiter verletzen.
„Ich möchte jetzt bitte allein sein.“, bat Nero leise. In seiner Stimme klang so viel Schmerz mit.
„Aber...Bist du sicher?“, fragte Asura unsicher. Sie hasste es allein zu sein, wenn es ihr schlecht ging und sie ging davon aus das es bei anderen genauso sein würde.
„Ja“, hauchte er und ließ sich auf sein Bett fallen.
Asura verließ leise den Raum. Sie hatte Nero nicht verletzten wollen, mit ihrer kindischen Neugier, aber sie wollte sein Geheimnis unbedingt wissen und sie würde es herausfinden. Schließlich wusste er ja auch ihres, wenn sie auch selbst daran Schuld war, weil sie sich verplappert hatte.
Sie ging zu ihren Gemächern zurück und legte sich schlafen. Morgen würde sie einen langen Tag haben. Da sie von einem Lehrer die Regeln des Verhaltenskodex beigebracht bekommen würde, damit sie als Königin glänzen konnte.
Elena ging es deutlich schlechter als zuvor, als sie den leblosen Körper zu Boden fallen ließ. Seit einigen Tagen lebte sie nun am Rand der kleinen Stadt Sypin, welche an einem schmalen Fluss lag, der die Grenze zu Basellik darstellte. Es war zwar keine riesige Stadt, trotzdem herrschte hier reges Treiben. Auf dem Markt gab es viele Stände die alle möglichen Waren angeboten, manche von ihnen hätte Elena gern gekauft, aber bei ihrer übereilten Flucht, hatte sie ja kein Geld mitnehmen können. So ging sie leer aus. Sie war froh, dass sie kein Geld für Nahrung und Trinkwasser benötigte, dass einzige Gute an ihrem Vampirdasein oder viel mehr Halbvampirdasein. Elena sah auf die Leiche des toten Mannes herab. Auf seinen starren Gesichtszügen spiegelte sich Schock und Angst wieder und Elena fühlte sich schuldig. Sie wollte niemanden umbringen, aber sie musste es tun um zu überleben. Vielleicht war es egoistisch, aber sie wollte nicht sterben. Doch nicht nur ihre Schuldgefühle plagten sie. Egal, wie viel sie auch trank, sie schien nie satt zu werden. Als sie Aerons Blut getrunken hatte war ein Sättigungsgefühl eingetreten, daran erinnerte sie sich. Aber sie verstand nicht warum sie sich so komisch fühlte. Sie hatte reichlich Blut getrunken. Vielleicht wurde sie krank. Aber sie hoffte es nicht, denn wer könnte ihr helfen? Sie hatte kapiert, dass das Leben als Halbvampir gefährlich war und sie es geheim halten musste.
Elena verscharrte die Leiche tief Wald, wo sie so schnell keiner finden würde und kehrte nach Sypin zurück. Für diesen Tag hatte sie sich vorgenommen die Bibliothek zu besuchen. Als sie die Bibliothek betrat schauten einigen Leute zur ihr auf. Die meisten Bewohner Sypins hatten dunkle Haut, und bisher hatte sie keinen gesehen, der so helle Haut hatte, wie es in Basellik üblich war. Sie fiel hier auf jeden Fall schon mal auf wie ein bunter Hund.
Elena entdeckte in einem Regal, am anderen Ende des Raumes, ein paar sehr dick aussehende Bücher. Die Chroniken von Menderan.,schoss es ihr durch den Kopf. Sie steuerte das Regal an und las, was auf den Einbänden geschrieben stand, dabei ignorierte sie die Blicke der Anwesenden. Sie fragten sich bestimmt, warum ein junges Mädchen sich für die Chroniken interessierte und warum sie so helle Haut hatte und vielleicht hegten sie auch schon auf Grund dessen den Verdacht, dass sie aus Basellik stämmig war. Hoffentlich würde das keinen Aufruhr früher oder später verursachen, aber Elena glaubte es nicht, da die Bevölkerung Sypins eher friedlich wirkte.
Elena entschied sich für den Teil der Chronik, der die letzten zweihundert Jahre umfasste. Das Buch hatte fünfhundert Seiten, es würde also eine Weile dauern bis sie es durchgelesen hatte, aber vielleicht würde sie etwas über Vampire rausfinden können, dass ihr weiterhelfen könnte.
So begann Elena die Chroniken zu lesen, bis spät in die Nacht herein, bis der Bibliothekar sie aufforderte zu gehen.
Müde schlich Elena durch die Straßen, zu der alten Ruine am Stadtrand, wo sie die letzten Nächte verbracht hatte. Es war ein altmodisches Haus, im Barockstil. Es drohte zu zerfallen, aber trotz allem bot es Elena ein Dach über dem Kopf und die nächtliche Kälte blieb ihr fern.
Erschöpft kauerte Elena auf den dünnen Teppich, der vor dem eingefallenen Kamin lag. Und schon bald war sie eingeschlafen.
8.Kapitel Das Tagebuch
Draußen dämmerte es bereits und orangefarbene Strahlen wurden an die modrigen Wände der Ruine geworfen, in der Elena die letzten paar Nächte verbracht hatte. Sie war nun schon einige Tage hier und sie befand dass es Zeit war weiter zu ziehen, um der Sicherheit willen. Sie hatte kein Gepäck musste dennoch Spuren ihrer Anwesenheit verwischen. Gerade als sie dabei war den Teppich auf dem sie immer geschlafen hatte zurecht zu legen, fiel ihr Blick auf das alte modrige Regal. Es standen einige Bücher darin, alle mit bunten Einbänden, nur eines nicht und irgendwie erweckte es in Elena Neugierde. Wieso war es ihr bloß nicht schon früher aufgefallen? Es wirkte einfach so Fehl am Platz, mit dem dunklen Ledereinband.
Als sie es herausnahm erkannte sie dass es ein Tagebuch war. „Herik Edan“, stand auf der Vorderseite, vermutlich der Besitzer.
Eine innere Stimme sagte Elena sie solle das Tagebuch zurücklegen, schließlich war es nicht ihres und es kam ihr einfach nicht richtig vor darin zu stöbern, aber trotz ihres schlechten Gewissens schlug sie es auf und las was dort in einer sehr ordentlichen geschwungenen Schrift geschrieben stand:
8. Mai
Es ist eine dunkle stürmische Nacht gewesen, als ich zu Salim aufgebrochen bin. Das Anwesen ihrer Eltern liegt einige Kilometer von meinem entfernt, aber für sie nehme ich den Aufwand gerne in Kauf. Wenn ich schon an ihre seidigen, braunen Haare, an ihre strahlend grauen Augen und ihre zärtlichen Lippen denke wird mir schon ganz warm ums Herz. Sie ist einfach so wunderschön und ich kann nicht aufhören an sie zu denken. Ich lernte sie vor etwa einem Monat auf dem Sommerball kennen und vom ersten Augenblick an wusste ich, dass ich sie liebte. Sie war nicht nur außergewöhnlich schön, nein, sie war dazu auch noch sehr klug. Wir hatten uns damals von dem Ball zurückgezogen, an ein lauschiges Plätzchen und hatten einfach nur geredet. Sie schien mich zu verstehen, wie keine andere Frau jemals zuvor und umkehrt war es genauso. Noch nie hatte eine Frau mich so sehr fasziniert wie Salim.
Seit einem Monat besuchte ich sie jede Nacht heimlich. Ihr Vater sollte nichts von unserer Beziehung erfahren, da unsere Familien keinen besonders guten Draht zueinander hatten. So hatten wir uns jede Nacht an der alten Eiche getroffen die unweit von ihrem Anwesen entfernt stand. Jedes Mal erfüllte mich Salims Anblick von neuem mit unglaublicher Glückseligkeit, so als ob sie das einzige wäre, was ich zum Leben benötigte. Mit Salim konnte man über alles reden und sie verstand einen. Sie war mir nie böse, wenn ich über unsere Väter und ihre Feindschaft schimpfte, stattdessen streichelte sie mir zart über die Wange um mich zu beruhigen. Sie wusste immer was ich brauchte und ich wusste was sie brauchte. Wir passten einfach zusammen wie Pech und Schwefel und nichts auf der Welt könnte das ändern. Weder unsere Väter und ihre Feindschaft noch sonst etwas.
Das Geschriebene musste schon lange her sein, den Elena konnte sich nicht daran erinnern das es einen Adeligen namens Herik Edan oder eine Adelige namens Salim in den letzten Hundert Jahren gegeben hätte. Außerdem war das Papier des Tagebuchs vergilbt und fleckig, was ebenfalls darauf hinwies das es schon sehr alt sein musste.
Elena entschied sich das Tagebuch mit zu nehmen. Sie würde es im Verlauf ihrer weiteren Reise lesen, vielleicht fand sie etwas nützliches darin. Sie wickelte das Tagebuch in ein dünnes Tuch ein, um es vor Schmutz zu schützen und band es mit Hilfe einer Schnur auf dem Rücken, unter ihrer Kleidung fest, dann zog sie sich den Umhang über und verließ die Ruine.
Mittlerweile war die Sonne komplett untergegangen und es würde nicht mehr lange dauern bis es dunkel wurde, aber es war sicherer nachts zu reisen, da man sie so weniger leicht entdecken würde.
Als sie ein paar Schritte gelaufen war schaute sie noch einmal sehnsüchtig auf die alte Ruine zurück. Sie würde sie vermissen, denn sie war für sie wie eine Art zu Hause geworden, selbst wenn sie nicht besonders komfortabel gewesen war. Aber es wurde Zeit aufzubrechen. Denn es könnte sein dass jeder Zeit ein Späher der Armee von Basellik sie entdeckte und sie töten wollte.
Ein eisiger Wind durchfuhr ihre Haare, während sie in Richtung Norden lief.
Wo sie ihre Reise nun hinführen würde?
Unruhig lief Asura in ihrem Zimmer auf und ab. Wann war es den endlich Mitternacht? Ihre Geduld neigte sich dem Ende zu, während ihr Blick immer wieder zu der alten Kirchturmuhr die sie von ihrem Zimmerfenster aus sehen konnte, wanderte. Weiter lief sie hin und her. Warf sich auf ihr Bett stand wieder auf, als sie endlich vom Glockenschlag der Kirchturmuhr erlöst wurde.
Sie öffnete das Fenster, welches zum Schlossgarten hinausführte und kletterte aufs Fensterbrett. Ihr Zimmer befand sich im fünften Stock und trotz das sie ein Vampir war, würde sie sich bei einem Sprung von dieser Höhe verletzten können. Sie schaute sich um. Nicht weit von ihrem Fenster entfernt stand eine alte Birke, wenn sie es schaffte zu ihr hinüber zu springen, könnte sie an ihr sicher nach unten klettern, vorausgesetzt wenn es ihr überhaupt gelang die Birke zu erreichen. Sie stand etwa vier vielleicht fünf Meter von ihr entfernt. Asura stellte sich auf dem Fensterbrett vorsichtig auf. Ein Augenblick der Angst erfasste sie, während sie in den Abgrund hinunter sah, denn es dauerte einige Sekunde bis sie das Gleichgewicht fand, doch ohne länger darüber nachzudenken sprang sie auf die Birke zu. Aber sie erreichte sie nicht. Einige schauerliche Sekunden des Erschrecken durchliefen sie, bevor sie nach einem Ast greifen konnte. Sie hielt sich mit einer Hand fest und versuchte sich an dem Ast hochzuziehen, doch genau in dem Moment hörte Asura ein Knacken und dann befand sie sich auch schon im freien Fall. Sie sah wie der Boden auf sie zu raste. Immer schneller, kam er näher. Sie würde nicht sterben, aber vermutlich würde sie einige Zeit bewusstlos sein, wenn sie unten aufkam und es würde doch Tage dauern, bis sie wieder vollständig regeneriert sein würde. Der Heilungsprozess bei Vampiren war zwar sehr schnell, schneller als bei Menschen oder Dämonen, aber nicht ganz schmerzfrei, dabei konnten auch noch hässliche Verkrüppelungen entstehen, wenn ein Bruch falsch zusammenwuchs.
Der Erdboden war nicht mehr weit entfernt und sie schloss die Augen. Sie wollte das Elend nicht mit ansehen müssen. Sie wartete auf den Aufprall aber er kam nicht stattdessen spürte sie wie etwas ihre Schultern und ihre Taille umfing. Als sie die Augen öffnete blickte sie zwei strahlend grüne Augen, die sie erschrocken anstarrten. Dian. Er war tatsächlich gekommen und hatte sie gerettet. Asura konnte ein glückliches Lächeln nicht unterdrücken, sie liebte Dian über alles und konnte ihre Freude über sein Erscheinen nicht länger verborgen halten. „Dian!“, hauchte sie ihm auf die Wange und küsste ihn.
Dian stellte Asura auf die Füße und nahm sie so gleich in den Arm. „Asura, was machst du nur wieder für Sachen?“
Asura ignorierte seine Frage. „Ich bin so froh dich zu sehen! Du glaubst gar nicht wie sehr ich dich vermisst habe!“, flüsterte sie aufgeregt.
Ihre beiden Münder kamen sich näher und letztendlich berührten sei sich zärtlich bis sie sich sanft küssten.
Ein erregtes Gefühl durchlief Asura und sie spürte, dass es bei Dian genauso war. Jeder Kuss fühlte sich an wie ihr erster. Zärtlich und sanft und immer löste er ein erregendes, elektrisierendes Gefühl aus, dass Asura die Röte in die Wangen trieb.
„Wie ist es dir in den letzten Tagen so ergangen? Hat Nero versucht sich an dich heranzumachen?“, fragte Dian und seine Stimme bekam bei der zweiten Frage einen gefährlichen Unterton. Asura wusste, wenn Nero ihr tatsächlich etwas getan hätte und Dian es herausfinden würde, würde er Nero vermutlich umbringen, auf die grausamste Weise die ihm einfallen würde.
„Ich habe dich schrecklich vermisst! Aber ansonsten war es hier ganz in Ordnung.“, antwortete sie. „Und nein Nero hat nichts der gleichen getan. Im Gegenteil er scheint null Interesse an mir zu haben. Ihm scheint es ähnlich zu gehen wie uns beiden. Ich denke er hat eine Geliebte die seinem Vater nicht passt, aber warum will er mir nicht verraten.“, sprudelte es aus Asura heraus.
„Hmmm“, machte Dian nachdenklich. „Weiß er...weiß er von uns?“, fragte er ängstlich.
„Hm, nun ja...“, stammelte sie nervös. Die Wahrheit würde ihn bestimmt nicht fröhlich stimmen.
„Asura!“, sagte er mahnend.
„Es ist mir raus gerutscht.“, gestand sie.
Dian schüttelte den Kopf. „Du hast wirklich ein loses Mundwerk, meine Geliebte.“
„Es tut mir Leid“, gab sie darauf zurück. „Ich wollte es nicht ausplaudern, aber er ist der einzige der es weiß. Nicht mal meine Freundinnen wissen davon!“
Dian musterte sie verwirrt. „Wieso nicht?“
„Wie meinst du das? Ich dachte...“
„Du hast es Nero erzählt und deinen Freundinnen nicht? Wieso?“, fragte er verwirrt.
Sie lächelte schief. „Du weißt doch wie diese ganzen Adeligen Mädchen sind. Sie traschten. Und Nero hat bisher nichts weiter erzählt also denke ich das er es auch in Zukunft nicht beabsichtigt zu tun.“, sagte Asura.
Er zog eine Augenbraue hoch. „Das mit deinen Freundinnen leuchtet mir ein. Aber hast du es Nero freiwillig so ganz nebenbei erzählt?“
Asura lachte empört. „Nein, er hat mich quasi provoziert. Er hat behauptet ich hätte keine Ahnung wie es ist jemanden zu lieben, den die Eltern nicht akzeptieren und da ist es aus mir herausgeplatzt“
Dian nickte. „Typisch!“, und ein leichtes Lächeln zeichnete sich auf seinem markanten Gesicht ab.
„Hey“, sagte sie gespielt beleidigt und schlug gespielt auf ihn ein bis sie beide zu Boden fielen und sich wild und leidenschaftlich küssten. Asura genoss es und konnte es nicht verbergen wie erregt sie war. Aber in dieser Nacht, würde sie ihre Jungfräulichkeit bewahren. Schließlich war sie erst fünfzehn. Zwar waren die Regeln gelockert worden was dies anging, aber trotzdem schickte es sich nicht mit fünfzehn seine Jungfräulichkeit zu verlieren.
Früher musste eine Frau mit dem ersten Sex bis nach der Eheschließung warten, aber heute durfte man durch aus auch schon vor der Hochzeit Sex haben, aber trotzdem nicht in ihrem Alter. Wenn sie es einer ihrer adeligen Freundinnen erzählt hätte, dass sie über den ersten Sex nachdachte,in ihrem jungen Alter, hätten diese sie empört angeschaut oder sie ausgelacht.
Asura verbrachte die halbe Nacht mit Dian, erst als die ersten Sonnenstrahlen erschienen, stahl sie sich durch den Haupteingang zurück in Schloss, in ihr Zimmer.
9.Kapitel Asuras Neugierde
Es war ein kühler und rauer Morgen, als Asura auf den Balkon hinaustrat. Die Kälte färbte ihre Wangen rosa und durch drang ihr dünnes Kleid, aber das machte ihr nichts aus. Die Sehnsucht nach Dian hatte sie aus dem Bett und auf den Balkon getrieben.
Als Asura sich auf dem Balkon umsah, erspähte sie am vorderen Geländer eine dunkle Gestalt. Beim Näherkommen erkannte sie, dass es sich um Nero handelte.
„Nero, weshalb bist du so früh schon auf den Beinen?“, fragte Asura und konnte die Neugier in ihrer Stimme nicht gänzlich verbergen. So war sie nun mal, unheimlich neugierig. Man konnte ihre Neugier lieben oder hassen.
„Aus dem selben Grund wie du vermute ich.“, gab Nero zurück und klang dabei irgendwie sehr traurig und als Asura einen Blick auf Neros Gesicht erhaschen konnte, wusste sie was er meinte. Dunkle Ringe lagen unter seinen Augen und ein dunkler Schatten überzog sein Gesicht. Leicht gebeugt stand er an dem Geländer des Balkons und starrte ziellos in die Landschaft.
„Du hast Recht“, antwortete sie etwas nüchterner.
Nun lehnten beide sich auf das Balkongeländer und blickten verträumt in die kahlen weiten Baselliks.
Nero vermisste seine Geliebte genauso sehr, wie sie Dian. Vielleicht vermisste er sie sogar noch mehr. Irgendwie hätte Asura Nero gern erzählt das sie Dian wieder gesehen hatte, aber sie spürte, dass es ihn vermutlich noch trauriger stimmen würde.
Asura musterte ihn und hoffte das es ihm nicht auffiel. Er sah hager aus. Vampire waren immer schlank, aber nicht abgemagert, insbesondere männliche Vampire neigten zu einem sehr muskulösen Körper.
„Ist sie...ist sie tot?“, hauchte Asura leise, denn sie schämte sich, ihn danach zu fragen, aber sie wollte es einfach wissen. Außerdem konnte sie ihn vielleicht viel besser trösten, wenn sie wüsste, was mit seiner Geliebten war.
Nero zuckte leicht mit den Schultern.
Er hat sie also schon länger nicht mehr gesehen, schlussfolgerte Asura. Die Frage war nur, dass warum. Wenn man sich wirklich liebt, dann möchte man immer zusammen sein. Asura konnte sich ein Leben ohne Dian, der ihre ganzen Macken und Ängste tolerierte und sie so mochte und akzeptierte wie sie war nicht mehr vorstellen. Dian war einfach immer da gewesen, egal was geschehen war, selbst wenn er sich selbst ihn Gefahr begeben hatte.
Ein eisiger Windzug fuhr über Asura und Nero hinweg. Es war ein stürmischer Sommertag, wie er in Basellik üblich war, kalt und unruhig, trotzdem wirkte das Wetter wie festgelegt, für diese düstere Stimmung die über Asura und Nero stand.
Asura wollte gerade zur nächsten Frage ansetzen als ein Bote zu ihnen stoß. Er brauchte einen Moment um Luft zu holen und ging kurz in die Knie um sich zu erholen, dann stellte er sich gerade auf und sprach, was man ihm aufgetragen hatte.
„Prinz Nero“, der Bote verneigte sich tief. „Der König wünscht euch in einer wichtigen Angelegenheit zu sprechen“
Nero sah dem Mann tief in die Augen. Vielleicht hoffte er in ihnen lesen zu können, was sein Vater von ihm wollte, aber der Bote schien selbst von nichts zu wissen.
Als Asura in Neros Augen sah, spiegelte sich Angst in ihnen wieder und er wirkte angespannt, trotzdem versuchte er stark auszusehen.
„Wo ist er?“, seine Stimme klang fast gezwungen gelassen.
„Er erwartet euch in seinen Gemächern“, sagte der Bote.
„Du kannst gehen“, befahl Nero und winkte ab.
Der Bote verbeugte sich erneut und ließ Nero und Asura allein zurück.
„Ich muss zu ihm“, sagte er mehr zu sich selbst, als zu ihr. Dann ging er einfach. Sie wusste das er nicht wollte das sie mit kam, doch nach einigen Momenten kam Asura ein Gedanke. Vielleicht erfuhr sie jetzt mehr über ihren zukünftigen Ehemann.
Nachdem Nero durch die Tür zurück ins Schloss gegangen war, folgte Asura ihm. Immer schrittweise damit er sie nicht bemerkte. Sie wartete immer bis sie seine Schritte in den Gängen nicht widerhallen hören konnte, dann schlich sie ihm nach. Er lief schnell und achtete nicht darauf ob ihm jemand nachlief, aber wer außer Asura sollte ihm auch schon folgen?
Nach etlichen Minuten die sie durch die Gänge gewandert waren, machte Nero an einer roten Tür halt, klopfte und trat ein ohne auf ein „Herein“ oder ähnliches zu warten.
Asura wartete einen Moment bevor sie sich ebenfalls der Tür näherte. Gut fünf Meter vor ihr blieb sie stehen, hier konnte sie verstehen was Vater und Sohn sprachen und würde im Zweifelsfalle nicht so schnell dabei ertappt werden, dass sie lauschte.
Sie beruhigte ihren Atem, denn sie musste so leise wie möglich sein, Vampire hatten ein verdammt gutes Gehör, wie sie auch von sich selbst wusste. Zwar nicht so übertrieben gut wie es in Fabeln oft dargestellt wurde, aber Fabeln waren schließlich auch nichts anderes als Märchen, selbst wenn die Menschen sie glaubten.
Nun spitzte Asura die Ohren und belauschte das Gespräch das nur wenige Meter entfernt von ihr stattfand.
„Was gibt es, Vater?“, fragte Nero und versuchte gleichgültig zu klingen. Nero hatte eine gewisse Ahnung was gleich aus dem Mund des Königs kommen würde, aber er hoffte dass er etwas anderes sagen würde. Leider sprach vieles dafür, vorneweg die Dringlichkeit des Gesprächs.
„Die Spezialeinheit in der Nordhälfte Baselliks vermuten das Halbwesen gefunden zu haben. Sie werden morgen hier sein.“, teilte sein Vater ihm mit.
Einen Moment war Nero wie erstarrt. Das konnte einfach nicht sein. Sie konnten Elena nicht gefunden haben. Sie ist bestimmt nicht mehr in Basellik. Da der König das Wort „vermuten“, im Zusammenhang mit dem Finden des Halbwesens benutzt hatte, bestand noch eine kleine Chance, dass es gar nicht Elena war, die die Spezialeinheit gefunden hatten. In Nero loderte plötzlich Hoffnung auf. Die Einheit war stark und jederzeit bereit zu kämpfen, aber eine Person zu finden, die sie nur von Beschreibungen her kannten, müsste selbst für sie schwierig sein und sie waren schließlich auch nicht unfehlbar.
„Nero“, murmelte sein Vater eindringlich. „Selbst wenn uns hier eine Art Verwechslung vorliegt, irgendwann muss sie trotzdem sterben!“, der König holte laut Luft, auch ihm schien es nicht zu gefallen seinem Sohn innerliche Qualen zu bereiten, was man auch an seinem leicht verzerrten Gesicht, welches sonst immer sehr kühl und kontrolliert war, sehen konnte. „Sie wird sterben, früher oder später. Und ich denke es wäre besser wenn es früher geschieht, denn wenn du meinen Platz einnimmst, führt kein Weg mehr daran vorbei, es wäre dann deine Aufgabe sie zu töten!“
Nero zog scharf die Luft ein und schaute getroffen zu Boden. Er sollte sie töten? Er glaubte nicht so Recht daran, dass er es tun könnte, aber wenn er es musste...würde er es tun? Konnte er es überhaupt? Oder würde er lieber riskieren, dass seinem Volk Leid angetan wird von einem unkontrollierten Wesen, welches nichts dafür konnte, vielleicht sogar Kontrolle lernen konnte, wenn man ihm die Zeit gab?
Nero entschied sich dazu, wenn es es wirklich so weit kam, auf den Thron zu verzichten und Elena zu beschützen. Immerhin hatte sie ihm das Leben gerettet, er war es ihr also schuldig.
Zögernd erhob sich Nero. „Wenn sie Elena gefunden haben und herbringen, möchte ich sie bevor du sie tötest noch einmal sehen.“, war alles was er sagte, bevor er eilig den Raum verließ. Seine Gefühle waren ein einziges durcheinander und er brauchte jetzt einen ruhigen Ort, wo er sie ordnen konnte.
Asura hatte es gerade so noch geschafft sich um die Ecke zu verstecken, bevor Nero sie gesehen hätte. Er war aus den Gemächern des Königs gestürmt, sein Gesicht hatten tiefen Schatten durchzogen. War auch nicht verwunderlich, in Anbetracht dessen, was sie gerade erfahren hatte. Sie hatte zwar nicht alles verstanden, aber sie würde in die Bibliothek gehen und nachsehen ob sie etwas zu dem Thema Halbwesen fand und weshalb man sie töten musste. So weit Asura verstanden hatte, war Neros Geliebte eines dieser Halbwesen. Elena, so hieß sie.
Nachdenklich lief Asura durch die Gänge zur Bibliothek. Es war ein weiter Weg und in solchen Momenten vermisste sie ihr zu Hause, das Anwesen war nicht mal halb so groß und die Gänge sahen immerhin nicht alle gleich aus, wie es im Schloss der Fall war.
An der Bibliothek angekommen ging sie leise hinein. Sie wusste genau, wo die Bücher standen die nur für Vampiraugen bestimmt waren und las sich die Einbände durch. Die meisten Bücher waren mehrere hundert Jahre alt und man musste vorsichtig mit ihnen umgehen, so zog Asura vorsichtig ein Buch mit grünem Einband hervor.
Als sie es aufschlug wurde ihr bewusst, dass das Buch womöglich schon mehr als fünfhundert Jahre alt sein musste, denn die Seiten waren gelb und lose und sie musste sehr aufpassen keine Seite heraus zu trennen.
Sie begann zu lesen und wusste sofort, dass das Buch ein Volltreffer war. Sie ließ sich auf einem braunen Lesesessel nieder und las, bis die Uhr Mitternacht schlug.
In dem Buch stand geschrieben, dass Halbwesen, hauptsächlich Halbvampire, selten auch Halbdämonen sind und sie oft starke Fähigkeiten bzw. Blutdurst haben den sie nicht kontrollieren können und so eine Gefahr für Menschen darstellen. Auch stand dort geschrieben dass ein Gesetz erlassen wurde in dem stand, dass Halbwesen sofort getötet werden mussten, von dem jeweiligen Herrscher Baselliks oder einem Bürger der dazu fähig war.
Asura klappte das Buch zu, Staub entweichte und flog ihr ins Gesicht, sie musste niesen, als sie wieder aufsah, dachte sie über das nach, was sie gerade erfahren hatte.
Elena war ein Halbwesen, wahrscheinlich ein Halbvampir. Sie musste große Kräfte besitzen, die sie nicht kontrollieren konnte, vielleicht hatte sie auch schon andere Menschen angriffen? Und das Ende vom Lied war, dass Elena wegen einem Gesetz sterben sollte, getötet vom König selbst.
Asura war wie gelähmt. Sie konnte ganz gut nachfühlen, wie Nero sich fühlen musste. Leer, weil Elena nicht mehr bei ihm war. Schmerzerfüllt, weil er sie erst wiedersehen würde, wenn sein Vater sie töten würde. Morgen.
Aber war dieses Gesetz wirklich rechtens? War es wirklich fair ein Halbwesen umzubringen? Sie konnte nichts dafür, für dass was sie nun mal war. Das konnten nur ihre Eltern, die sie zu Halb Mensch und Halb Vampir gemacht hatten, aber nicht sie.
Gerade als Asura aufstehen wollte, tauchte ein dunkles Gesicht vor ihr auf. Zwei dunkle Augen, die in tiefen Höhlen saßen, blickten auf sie herab. Mit einer schnellen Bewegung riss der Mann ihr das Buch aus der Hand. „Dieses Buch ist nichts für junge Frauen.“, sagte der Bibliothekar energisch und stellte das alte Buch an seinem Platz. „Ich muss sie jetzt bitten die Bibliothek zu verlassen und lassen sie in Zukunft die Finger von Büchern die sie nichts angehen!“, grummelte er und schob sie zur Tür hinaus. Der Mann knallte die Tür hinter ihr zu und Asura hörte wie er die Tür abschloss, dann schlenderte sie in Richtung Zimmer.
Asura wusste von den altmodischen Ansichten des Bibliothekars immerhin war er fast zwei Jahrhunderte alt, nichts ungewöhnliches für einen Vampir. Doch Asura ärgerten die Ansichten des Bibliothekars. Früher war es in Basellik so gewesen, das Frauen selten Lesen konnten und wenn sie es konnten galt es als unschicklich und diese Frau blieb damals meistens ohne Mann. Auch in der Politik durften sie nicht mitreden. Nein, früher waren Frauen einfach nur für den Haushalt und die Kinder zuständig. Es war praktisch ihre Lebensaufgabe gewesen für den Ehemann zu arbeiten und ihn glücklich zu machen.
Heute war es nur in manchen Lehen noch so. In dem Lehen, in dem das Herrscherschloss stand zum Glück nicht. So würde Asura an Neros Seite regieren können, in nicht mal vier Monaten.
Trotzdem mochte Asura keine Leute, die irgendwie nicht mit der Zeit und ihren neueren Regeln lebten und verachtete sie sogar ein bisschen, sie würde nie so sein, selbst wenn sie noch hundertzwanzig weitere Jahre auf der Erde verweilen würde.
Nachdem sie ihr Zimmer betreten hatte, ließ Asura sich auf ihr Bett fallen.
Morgen würde sie mit Nero über Elena sprechen, egal was er sagen würde.
Und wieder eine Nacht ohne Schlaf, dachte Nero und ließ sich auf einem Stein nieder. Der Mond schien hell auf ihn herab. Seit Elena weg war hatte Nero kaum ein Auge zu gemacht, was man vermutlich an den tiefen Ringen unter seinen Augen erkennen konnte. Er machte sich sorgen um sie. Er wollte sie beschützen, aber es führte vermutlich kein Weg mehr daran vorbei, sie würde sterben und er hoffte das es nicht durch seine Hand geschehen würde.
So wie er jetzt auf dem Stein saß und auf den leeren Stein neben sich schaute, kamen Erinnerungen an längst vergangene Nächte in ihm hoch.
Er durchlebte den Kuss zwischen ihm und Elena noch einmal in Gedanken. Wie konnte man ein Lebewesen, was auch immer es sein mochte, so sehr vermissen?
Er sah hinauf zum Mond und fragte sich ob sie gerade das Gleiche tat.
Denn er glaubte nicht daran, dass die Spezialeinheit sie tatsächlich gefunden hatte.
Aeron sah zu dem hellen Mond empor. Wo bist du nur?, fragte Aeron sich in Gedanken. Er hatte Elena zur Flucht verholfen und hatte geplant sie irgendwo in den Wäldern Menderans ab zupassen, aber er hatte sie nicht gefunden als er dort angekommen war, er hatte sich verspätet, dadurch das er selbst unerkannt aus dem Schloss fliehen musste, ohne das die Wachen ihn bemerkten, was einige Zeit beansprucht hatte. Selbst wenn ein erneuter Krieg zwischen Menderan und Basellik unvermeidbar war, wollte er ihn jedoch noch nicht jetzt provozieren.
Aeron sah verträumt in die vom Mondschein erhellte Nacht hinaus, als er plötzlich einen kalten Luftzug spürte. Er fühlte sich kälter an wie jedes Eis und gleichzeitig wärmer wie jedes Feuer, es war einfach unnatürlich.
„Yasar, schön dass du gekommen bist!“, sagte Aeron mit einer weichen Stimme und verschwörerischen Unterton.
„Meister!“, begrüßte Yasar ihn höflich. Yasar war ein dunkles Wesen, er war weder Vampir, noch Dämon, noch Hexer oder sonst irgendetwas. Im Völkerglauben hieß es, dunkle Wesen besäßen keine Seele und wurden vom Teufel geschaffen um Engel zu töten, als Rache das er selbst aus dem Himmel verbannt wurde. Aber die Realität war das dunkle Wesen meist Dämonen oder Vampiren dienten, als was auch immer.
Aeron verwandte Yasar auf den Zweck jemanden aufzuspüren, dies war seine spezielle Fähigkeit. Wenn Aeron jemanden suchte, würde Yasar ihn kürzester Zeit finden können. Er war einfach ein Genie auf diesem Gebiet.
Also wer wäre besser geeignet Elena zu finden als er?
Yasars blasses, irgendwie durchscheinendes Gesicht zeigte offensichtliche Ungeduld. Er sah durchaus noch menschlich aus, aber jeder der von der geheimen Welt, würde erkennen dass er keinesfalls ein Mensch war.
„Wie du dir vielleicht denken kannst, sollst du jemanden für mich finden.“, erklärte Aeron ihm und bekam so die gesamte Aufmerksamkeit Yasars.
„Du hast bestimmt schon von ihr gehört.“, begann er zu erzählen. „Elena Richards, 16 Jahre alt, sehr helles blondes fast weißes Haar, blasse Haut, klare blaue Augen.“, er machte eine kurze Pause. Die letzte Information hatte Aeron sich extra bis zum Schluss aufgehoben, denn er wollte Yasars Gesichtsausdruck sehen, wenn er dies hörte. Denn Yasar hatte immer einen starren, gehorsamen Blick und nichts konnte ihn aus der Ruhe bringen, Aeron hatte es schon einige Male versucht, aber er war immer gescheitert, Yasar hatte meistens nicht mal mit der Wimper gezuckt.
„Und sie ist ein Halbvampir.“, beendete Aeron seine Ausführung über Elena.
Zum ersten Mal sah Aeron einen anderen nicht starren Gesichtsausdruck von Yasar. Er wirkte überrumpelt, sogar leicht geschockt. Obwohl es in Menderan kein Gesetz gab, das besagte, dass Halbwesen getötet werden mussten, gab es auch hier keine, seit hunderten von Jahren. Aber Yasar war schon sehr alt, auch wenn man es ihm nicht ansah, er hatte vermutlich schon mal einen Halbvampir gesehen und würde sie bestimmt erkennen können.
Yasar fragte nie nach dem wie oder warum und Aeron war froh darüber, denn er wollte das er sie fand, bevor es die Einheit von Basellik es tat. Elena durfte einfach nicht sterben.
„Du musst sie finden, Yasar. Sonst wird sie sterben!“, befahl Aeron ihm, leichte Verzweiflung lag in seiner Stimme, die er nun nicht mehr verbergen konnte. Sein kleiner Gefühlsausbruch war ihm peinlich, aber er hatte jetzt keine Zeit zum Schämen.
Der starre Gesichtsausdruck war in Yasars Gesicht zurückgekehrt, vermutlich interessierte ihn Aerons Gefühlslage nicht, er tat einfach seinen Job . „Ich finde sie.“, versprach er leise, bevor er verschwand.
Das Fenster vor dem Aeron stand, stand nun offen, eisige Nachtluft drang in den Raum und liebkoste seine Haare. Die Vorhänge flatterten im eisigen Wind. „Finde sie. Finde sie.“, murmelte Aeron zu sich selbst und schloss das Fenster wieder.
Yasar war bereits verschwunden.
10.Kapitel Auf der Spur
Asura hob zaghaft die Hand um an die Tür zu klopfen senkte sie jedoch gleich wieder. War es wirklich eine gute Idee Nero zu so früher Stunde aufzusuchen und ihm zu offenbaren dass sie von seiner Geliebten wusste? Elena, die vermutlich eine Halbvampirin war und, zumindest glaubte das der König, eine Gefahr für die menschliche Bevölkerung darstellte und von die von einem Teil der Armee gesucht und vielleicht auch gefunden worden war.
Die Spezialeinheit war gestern zurückgekehrt und heute würde die vermeintliche Elena ,dem Prinzen und dem König vorgeführt werden. Nero konnte Beistand möglicherweise gut gebrauchen. Bestimmt war er die ganze Nacht wach gewesen und hatte sich gefragt wie er es ertragen sollte, Elena leblos am Boden liegend zu sehen.
Asura hob erneut die Hand und wollte gerade klopfen, als die Türklinke nach unten gedrückt und die Tür aufgerissen wurde.
Nero stand plötzlich ganz nah vor ihr. So nah, dass sie seinen Atem auf ihrer Wange spüren konnte.
„Asura?“,hauchte er erschrocken.
Sie wich ebenfalls erschrocken zurück. „Entschuldige.“, brachte sie mühsam hervor.
Die ersten paar Sekunden verstrichen ohne das einer ein Wort sagte.
„Ich wollte mit dir...reden!“, sagte Asura, und ersetzte in Gedanken das letzte Wort durch trösten.
„Eigentlich habe ich es eilig. Ich muss gleich zu meinem Vater.“, gestand er und ihm standen Schweißperlen auf dem Gesicht. Er wollte sich an Asura vorbei drängen, doch sie wollte unbedingt mit ihm reden. Es war ihr einfach irgendwie wichtig. „Es ist wegen Elena, nicht?“, fragte sie ruhig.
Augenblicklich hielt Nero mit jeglicher Bewegung inne. Er war wie erstarrt, wie in einem Schockzustand. Klar, er fragte sich woher sie von Elena wusste und vor allem wie viel sie wusste.
Er schluckte laut, dann löste er sich urplötzlich aus seiner Schockstarre und zerrte sie in sein Zimmer und schmiss sie auf sein Bett. Diese Handlung hätte etwas anzügliches sein können, wäre da nicht der unangenehme Aufprall auf dem Bett gewesen. Asura schwirrte einen Moment der Kopf, bevor sie wieder zu Nero sah.
Dieser lief auf und ab, versuchte seine Gedanken zu ordnen. Dann sah er sie mit einem eiskalten Gesichtsausdruck an. „Woher weißt du von ihr?“, als Asura nicht sofort antwortete, schrie er ihr die Frage noch mal ins Gesicht. Mit ihm war in diesem Moment wirklich nicht gut Kirschen essen.
„Ich...Ich habe an der Tür gelauscht...vor zwei Tagen.“, stammelte sie, denn sie hatte große Angst das Nero sie schlug. Zwar waren sie beide Vampire, aber keineswegs gleich stark. Wenn es zu einer Auseinandersetzung kam, würde er gewinnen, keine Frage.
Er wusste sofort was sie meinte. „Was?!“, fauchte er entsetzt und außer sich. „Du kleines neugieriges...“, er ließ den Satz offen stehen, doch Asura war klar, was er sagen wollte. Kleines, neugieriges Miststück, lag auf seinen Lippen. Das hatten schon viele Männer zu ihr gesagt, weil sie ihre Nase in Angelegenheiten gesteckt hatte, die Asura nicht mitbekommen sollte oder die den Männern peinlich waren. So hatte sie viele von ihrem Vater arrangierte Ehemänner in die Flucht geschlagen und sie fragte sich ob es mit Nero nun den gleichen Verlauf vernehmen würde.
Nero ließ sich auf einen Stuhl fallen und schlug die Hand vors Gesicht und atmete hörbar laut durch um sich ab zu regen.
„Ich habe es nicht weitererzählt, glaub mir.“, sagte Asura und versuchte sein Vertrauen zu gewinnen.
Als Nero nun die Hand von seinem Gesicht nahm und sie ansah, lag ein unheimliches Glänzen in seinen Augen. Er schnaubte höhnisch. „Du kanntest mich nicht einmal einen Tag, bevor du mir dein kleines Geheimnis anvertraut hast, wie soll ich glauben das du meines bewahrt hast?“, einen Moment war er still. „Wenn du es weitererzählt hast wird es zu meinem, aber auch zu deinem Schaden sein. Das Volk wird weder mich noch dich als seine Anführer respektieren!“, er schrie fast und in seiner Stimme lag ein fast wahnsinnig klingender Unterton.
„Ich habe es nicht ausgeplaudert!“, schrie Asura nun verteidigend zurück und klang fast schon verzweifelt.
Nero lachte. „Asura, wenn dir nur ein falsches Wort über die Lippen geht, werde ich dich quälen, bis ich dich letztendlich eiskalt umbringen werde. Du weißt das ich das ohne Schwierigkeiten könnte, niemand würde mir einen Mord nachtragen.“, er klang wahnsinnig und bedrohlich und für Asuras Geschmack kam er ihr zu Nahe. Liebe machte also nicht nur glücklich, blind, sondern auch wahnsinnig, gefährlich und Angst einflößend.
„ICH HABE NICHTS WEITERGESAGT.“, als Asura diese Worte schrie zuckte Nero sichtlich zusammen, wie als ob sie ihn geschlagen hätte. Und irgendwie hatte sie das Gefühl das ganze Schloss müsste sie gehört haben.
„Wie auch immer. Wir reden später darüber, aber vergiss nicht meine Worte, ein Wort...“, er zeigte die Geste die verhieß das ihr Kopf rollen würde und verschwand von eine auf die andere Sekunde aus der Tür.
„Du bist spät.“, war die einzige Begrüßung die der König für seinen Sohn übrig hatte, als dieser seine Gemächer betrat.
Nero blieb direkt vor seinem Vater stehen, der ruhig auf seinem Lieblingssessel saß und seinen Sohn musterte. „Was geschieht jetzt?“, fragte Nero unsicher was er sagen sollte oder zu erwarten hatte.
Langsam erhob sich Neros Vater aus dem Sessel und bedeutete mit einer kleinen Geste, dass Nero im folgen sollte. Dieser tat wie geheißen. Er folgte seinem Vater einige Gänge entlang, bis sie sich im Verließ wiederfanden. Sie liefen einen düsteren Gang entlang der tiefer unter der Erde lag und mit sogar noch mit Fackeln ausgestattet war als die anderen. Dieser Gang war der älteste Teil des Schlosses und da es in den letzten Jahren kaum Gefangene gegeben hatte, die es Wert waren sie im Schloss zu verwahren, sah auch niemand einen Sinn das Verließ zu modernisieren.
Vor einer dunklen Zelle in der Nero eine kleine Gestalt erkennen konnte, blieben sie stehen. Zwei Wächter traten neben sie als Schutz und einer von ihnen Schloss mit einem rostigen Schlüssel die Tür auf und ging hinein. Der König folgte ihm und Nero tat es ihm gleich.
Ihm schlug das Herz bis zum Hals.
Der andere Wächter blieb vor der Tür stehen und bewachte sie damit niemand rein oder raus konnte, der es nicht sollte.
Die beiden Adeligen traten näher an das Mädchen heran. Nero konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber ihr Haar war von einem hellen Blond, das Elenas sein könnte.
Angstschweiß trat Nero auf die Stirn. Was war wenn sie es wirklich war? Sie gingen auf das schmutzige Mädchen zu. Auch die Haut ähnelte Elenas.
„Zeige dein Gesicht.“, verlangte der König und trug ein absolutes Pokerface zur Schau. Wobei Nero es sichtlich schwerer fiel die Fassung zu bewahren, auf die er jahrelang hingearbeitet hatte.
Als das Mädchen sich erhob durchfuhr es Nero eiskalt. Blondes, fast weißes Haar, ergoss sich über ihre Schultern. Helle Haut, fast wie durchsichtig. Zerlumpte Kleidung.
„Elena?“, hauchte er und verlor die Fassung. Rannte auf das Mädchen zu. Er musste ihr Gesicht sehen. Wissen ob sie es wahrhaftig war. Oder war es nur Einbildung das dieses kümmerliche Mädchen aussah, wie seine Elena? Oder träumte er sogar? Wurde er durch seine Liebe zu Elena vielleicht schon verrückt? Wenn er sich daran erinnerte wie er Asura gerade noch in seinem Zimmer, bedroht fast schon misshandelt hatte, wurde ihm speiübel. Was war nur in ihn gefahren?
Nun hob das Mädchen den Kopf. Die Haare fielen aus ihrem Gesicht und legten ihre feinen Gesichtszüge frei. Eine Fackel nicht weit von der Zelle entfernt, erhellte nun ihr Gesicht und gab ihrer blassen Haut einen rötlichen Ton. Wieder durchzuckte Nero ein eiskalter Schauer. Er war kurz davor zu sagen, sie ist es, bis sie im nächsten Moment ihre Augen öffnete und beim ersten Mal als Nero hinsah, meinte er tatsächlich Elenas blaue Augen zu sehen, doch beim hinschauen wusste er dass dies nicht Elena war. Verwirrung und Freude durchzuckten ihn.
„Nero.“, erwiderte sie in einem sarkastischen, bissigen Ton der nicht zu Elena passte. Aber er erinnerte ihn an etwas, nein jemanden, aber an wen? Er würde sich diesen Gedanken für später aufheben müssen, den im Moment musste er sich auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Nicht nur allein ihre Stimme und deren Ton zeugten davon dass sie auf keinen Fall Elena war, nein auch ihre Augen, sie waren nicht von dem klaren, hellen blau Ton. Sie waren blau, getränkt von einem starken grün. Und noch etwas war anders. Bei Elena hatte Nero stets die pulsierende Kraft gespürt schon bevor er sich sicher sein konnte was sie war und nach ihrem Kontrollverlust hatte er gespürt wie stark diese Kraft gegen ihre wackelige Selbstkontrolle ankämpfte. Bei Vampiren spürte man dies nur bei Kindern die ihre Kräfte zu kontrollieren erst erlernen mussten und so nicht selten Schaden anrichteten, wobei dieser meistens sich im kleinen Rahmen hielt. Bei Dämonen spürte man hingegen absolut nichts, dass war was sie so gefährlich machte. Man konnte ihre Kräfte und Fähigkeiten nur erahnen, aber im Gegensatz zu Vampiren nicht er spüren. Und genauso war es bei diesem Mädchen. Nero spürte keine pulsierende Energie die jeder Zeit kippen könnte, er spürte nichts. Sie war eine Dämonin und somit war es hundert prozentig ausgeschlossen dass sie Elena war.
Nero sah zu seinem Vater hinüber, auch er war darauf gekommen, dass sie nicht Elena sein konnte und wirkte fast enttäuscht, ihn schien die Sache auf eine ganz andere Weise zu belasten wie ihn. Wobei Nero seine Erheiterung nicht mehr verbergen konnte und einfach lächelte. Elena musste also noch leben, zumindest hoffte er das.
„Wer bist du?“, fragte der König in die Stille und sah das Mädchen mit festem Blick an.
Diese zog eine Grimasse. „Elena natürlich.“, sagte sie frech.
„Sag die Wahrheit oder du wirst es bereuen!“, sagte Nero beiläufig, klang dabei jedoch mehr als nur bedrohlich. „Du bist nicht Elena, leugne es nicht! Wer hat dich geschickt?“
Das Mädchen stieß ein verächtliches Schnauben aus. „Niemand hat mich geschickt.“
Sie hatte eine verblüffende Ähnlichkeit mit Elena, aber ihre Charakterzüge standen im Gegensatz. Elena war einfach nur liebenswürdig, konnte durch aus ihre Meinung sagen, war aber auch manchmal etwas schüchtern, wohin entgegen dieses Gör einfach nur eine zu große Klappe hatte.
Aber eines fiel Nero auf, derjenige der dieses Mädchen beauftragt hatte Elena zu spielen und somit eine Ablenkung zu schaffen, wusste nichts von der Beziehung zwischen ihnen oder er oder sie wollte es nicht wahrhaben, denn sonst wäre ihm diese Göre bestimmt schon um den Hals gefallen.
Aeron musste hinter diesen ganzen Sache stecken, Nero war sich sicher. Es trug seine Handschrift. „Hat Aeron dich geschickt?“
Die Göre fing an zu lachen, ein giftiges, künstliches Lachen, welches Elena nie über die Lippen gekommen wäre. „Nein, Nero, er hat keine Ahnung das ich hier bin um dem Machtstreit ein Ende zu bereiten.“
„Sag mir deinen wahren Namen!“, befahl Nero brummig, denn er hatte die Lügen satt. Denn wie wollte dieses einfache Dämonenmädchen einen ewig währenden Krieg zwischen zwei Reichen beenden?
Das Mädchen lächelte und sah dabei fast unschuldig aus. „Lillia.“
Nero konnte die Verwunderung nicht verbergen. Er wusste dass sie die Wahrheit sagte. „Wieso sagst du mir erst jetzt deinen Namen, nachdem ich dich schon des öfteren danach gefragt habe?“
„Vorher hast du nie nach meinem wahren Namen gefragt.“, antwortete sie frech und betonte ganz deutlich das Wort „wahren“.
Der König schnaubte. „Wachen befragt und wenn nötig foltert sie!“, sagte er, bevor er aus dem Verließ trat und seine Schritte im Gang widerhallten. Nero sah einen Moment Lillia an, suchte in ihrem Gesichtsausdruck nach Hintergedanken, für eine Flucht oder dergleichen, dann ging er ebenfalls. Es fiel ihm schwer ihren Anblick zu ertragen. Sie hatte so eine verdammte Ähnlichkeit mit Elena, dass es ihm fast die Tränen in die Augen trieb, aber Nero unterdrückte es. Er musste stark sein und durfte keine Schwäche zeigen.
Aber zumindest wusste er jetzt dass Elena vermutlich noch am Leben war. Ob das jetzt gut oder schlecht für ihn sein sollte, würde die Zukunft zeigen.
Es war ein stürmischer Morgen an dem Yasar in Sypin ankam, eine kleine Stadt die auf Neuankömmlinge wohl einen gewissen Reiz ausüben würde. Die Stadt wurde umringt von einem dunklen Wald, und wie ein Schutzwall umgab die Stadt eine Art Ring aus vereinzelten Ruinen. Meistens im Barockstil erbaut und schon seit Jahrhunderten leerstehend. Oft versteckten hier Kriminelle ihre Beute. Elena war zwar nicht direkt eine Kriminelle, aber Sypins Ruinen wären genauso Yasars erste Wahl gewesen, um sich vor Baselliks Armee zu verstecken. Ohne einen Laut schlich er nahe an einer Ruine vorbei, wo er von den Stadtbewohnern gehört hatte, dass sie vor kurzem bewohnt worden sein musste.
Yasar blieb vor der Tür stehen. Sie war nur angelehnt, leise stieß sie er sie auf und fand... nichts.Zumindest nichts auffälliges, auf den ersten Blick. Er lief durch den Raum und begutachtete die Regale die dort standen. In einem Regal Fach fehlte ein Buch und als er seinen Blick durch den Raum schweifen ließ, fiel ihm auf das der Teppich vor dem Kamin erst vor kurzem bewegt worden war, selbst wenn man versucht hatte ihn wieder so hinzulegen, wie er vorher gelegen hatte, konnte man an dem Staub auf dem Boden erkennen, dass er bewegt worden war.
Sie war hier. Elena musste hier gewesen sein. Yasar war sich zu hundert Prozent sicher. Aber er wusste, dass sie bereits weitergereist sein musste.
Nur wo war sie jetzt?
Wo könnte sie sein?
Der Meister hatte erwähnt, dass sie sich in Menderan kein bisschen auskannte und kein Geld für eine Karte haben dürfte. Also, musste der Zufall ihren Weg entschieden haben.
Yasar verließ das Haus und sah nachdenklich in den grauen Himmel. Sie wird abends aufgebrochen sein, weil da dass Risiko entdeckt zu werden geringer ist. Vielleicht ist sie einfach der untergehenden Sonne gefolgt, nach Norden. Versuchen konnte er es, schließlich war er ein dunkles Wesen, unsterblich bis in alle Ewigkeit und ohne Müdigkeit und Schmerzempfinden.
So machte er sich auf in Richtung Norden.
11. Kapitel Blutrausch
13.Mai
Ich hatte Salim schon ein paar Tage nicht mehr gesehen, was mir sehr zu schaffen machte. Ich vermisste sie unheimlich. Ich wartete jede Nacht an der alten Eiche, aber sie kam nicht. Vielleicht sollte ich Wut empfinden, aber das einzige was ich empfinde ist Sorge. Ich werde heute Nacht wieder auf sie warten und hoffe das sie kommt.
Es ist eine kalte Nacht, meine Glieder sind schon ganz steif, als sie tatsächlich auftaucht. Unvorstellbare Freude umfing mich und wir fielen uns in die Arme. Ich fragte sie, was in den letzten Nächten los gewesen sei und wieso sie nicht gekommen ist. Sie schwieg. Nach einigen Minuten wich Salim gekonnt vom Thema ab, in dem sie mich zärtlich auf den Mund geküsste.
Ich liebte Salim, dass stand außer Frage, aber irgendwas war anders in dieser Nacht. Trotz der Kälte war der Himmel klar und unendlich viele Sterne bevölkerten den Himmel. Salim sah mich ruhig an, aber sie schien verändert. Ihre Augenfarbe schien von einem hellem grau, irgendwie zu einem dunkelgrau geworden zu sein. Oder vielleicht bildete ich mir das auch nur ein, schließlich war es tiefste Nacht. Wir schwiegen. Sahen uns einfach an.
Die Welt schien wieder perfekt zu sein, seit sie da war, aber trotzdem war sie es nicht. Wir liefen ein Stück den kleinen Kieselsteinpfad entlang und betrachteten die Sterne die um die Wette strahlten.
Ich war es nicht gewohnt dass Salim so still war, deshalb fragte ich wieder, was mit ihr los sei. Wieder kam keine Antwort. Ich wollte sie nicht bedrängen, wenn sie es mir sagen wollte, würde sie es schon tun. Zumindest hoffte ich das.
Trotz allem war es eine schöne Nacht mit ihr.
Mit Salim an meiner Seite fühlte ich mich stark, wenn nicht sogar unbesiegbar.
Die ganze restliche Nacht saßen wir aneinander geschmiegt an der alten Eiche und betrachteten die Sterne. Sie sah irgendwie nachdenklich aus. Und was hätte ich gegeben, um zu wissen was sie gerade wohl dachte. Was ihr wohl solche Sorgen bereitete, aber sie würde es mir bestimmt irgendwann sagen. Denn ich war mir ziemlich sicher, dass sie wusste das sie mir vertrauen konnte, egal was war.
Es war tiefste Nacht, als Elena Heriks Tagebuch zu schlug. Sie hatte in letzter Zeit kaum darin gelesen, weil andere Dinge sie auf Trab gehalten hatten. Ihr war die Nachricht zu Ohren gekommen, dass sie eine Doppelgängerin hatte, die sich zur Zeit in den Verließen des Herrscherschloss von Basellik befand, da die Spezialeinheit der Armee, die für ihre Gefangennahme zu ständig war, sie festgenommen hatte. Auch war ihr zu Ohren gekommen, dass der König enttäuscht über die Verwechslung gewesen war und angeordnet hatte, die Spezialeinheit zu vergrößern und die Suche nach ihr fortzusetzen.
Das hieß konkret für Elena, häufiger Standorte wechseln und Spuren verwischen. Zweiteres viel ihr mittlerweile immer schwerer, denn nach jedem Blutrausch, war sie nicht mehr sie selbst. Nicht nur dass Elena nach jedem Töten Schuldgefühle plagten, dazu kam es dass sie eine Art Wahnsinn entwickelte. Jedes Lebewesen, welches sie beim Blut trinken störte, tötete sie grausam und blutig, ohne auch nur darüber nachzudenken. Aber es war egal, wie viel Elena tötete und trank sie wurde nie satt, dass Blut brannte in ihrer Kehle und sie bekam nur noch mehr Hunger. Manchmal streifte sie einfach nur durch die Wälder und ließ ihre blutleeren Opfer einfach liegen, in solchen Momenten dachte sie nie daran, dass man sie dadurch vielleicht irgendwie aufspüren könnte.
Auf jeden Fall war ihre Doppelgängerin in Basellik eine willkommene Ablenkung gewesen, denn so hatte man nicht nach ihr gesucht und sie konnte sich ausruhen und ganz gelassen in die nächste Stadt ziehen, wo sie sich in einer kleinen, dunklen, überdachten Gasse niederließ. Die Stadt war größer als Sypin und hier waren hellhäutige Menschen nicht ganz so ungewöhnlich wie es in der kleinen Stadt der Fall gewesen war. Hier schenkte man Elena kaum Beachtung was sie irgendwie erleichterte. Sie hasste es, wenn die Leute ihr so komisch nachsahen, da es ihr das Gefühl gab nicht dazu zu gehören. Dabei waren doch eigentlich Dämonen und Vampire auch nichts anderes als Menschen oder? Sie hatten genauso ihre Macken und Fehler, wie Menschen sie eben auch hatten, nur dass sie halt noch ein paar andere Fähigkeiten besaßen und was Vampire anbelangte, etwas speziellere Essgewohnheiten hatten.
Elena lief über den Marktplatz der Stadt in der sie nun für eine Weile leben würde. Diese nannte sich Cin. Hier würde sie sich ihr nächstes Opfer suchen. Vielleicht ein fetter Adeliger? Oder ein Straßenbettler der mit seinem Leben nichts mehr an zu fangen wusste? Beides klang verlockend.
Sie ließ ihren Blick über die Menge schweifen, bis ihr ein absolut unglaublich süßer Geruch in die Nase stieg. Pfannkuchen. Nicht weit von ihr stand ein Mann, der welche zu einem günstigen Preis anbot. Früher war es Elenas Leibgericht gewesen, aber jetzt wo sie zur Hälfte ein Vampir war, konnte sie nur noch selten feste Nahrung zu sich nehmen. Einmal hatte sich einen Apfel gefunden, aber schon kurz nachdem sie ihn gegessen hatte, musste sie sich erbrechen, seitdem trank sie nur noch Blut. Trotzdem fragte sich Elena, ob sie einen Pfannkuchen essen könnte. Sie schlich auf den Stand zu. Ganz unauffällig, sie wollte dem Verkäufer ja nicht gleich ins Auge stechen, deshalb hielt sie sich auch eher seitlich von ihm. Dazu achtete sich auch darauf dass sie kein Gesetzeshüter oder sonst jemand beobachtete. Dann machte sie zwei große Schritte auf den Stand zu, griff nach einem riesigen Pfannkuchen und rannte.
„Die Kleine, hat meinen Pfannkuchen geklaut! Haltet sie!“, schrie der Mann, als er sie bemerkte. Elena floh, denn sie hörte bereits wie Männer, vermutlich Gesetzeshüter hinter ihr herliefen. Wenn sie sie erwischten, wäre das vermutlich ihr Untergang. Selbst nach Menderan war es vorgedrungen, dass sie gesucht wurde. Und wenn sie sie fassten und erkannten würden sie sie vielleicht der Armee ausliefern und der König von Basellik würde bald höchstpersönlich ihr Henker sein. Wie konnte sie nur so dumm sein, anzunehmen sie würde nicht erwischt werden.
Elena rannte in Richtung Wald. Ihre Vampirfähigkeiten verliehen ihr eine Schnelligkeit, die ihr ein Vorteil gegenüber ihren Verfolgern verschaffte, dazu sah sie besser als ihre Verfolger, in dem dichten, dunklem Wald und stolperte nicht so oft wie sie, über Baumwurzeln, da auch ihr Gleichgewichtssinn nun schärfer war als vorher.
Sie rannte mal nach links, mal nach rechts, mal gerade aus und als ihr letzten Endes doch die Puste ausging, fand sie eine Art Fuchsbau und kroch hinein. Es stank modrig, aber sie konnte nicht weiterlaufen, sie brauchte Luft.
Elena hörte die Schritte der Männer, sie waren fast direkt neben ihr. Sie konnte sogar hören, wie sie keuchten. Und nun blieben sie ganz in ihrer Nähe stehen. Klar, sie sahen Elena nicht mehr und suchten nun alle Richtungen nach ihr ab und versuchten sie irgendwo zu erspähen. Dann trennten sie sich. Einer der Männer stand nun vor ihrem Unterschlupf. Was ist wenn er hineinging? Sie fand? Elena hörte nun seine langsame, gleichmäßiger, werdende Atmung. Als der junge Mann seinen Kopf hinein streckte, drückte sich Elena in die hinterste Mulde der kleinen Höhle und hoffte er würde gehen, denn es bestand nicht nur die Gefahr das er sie entdeckte. Hier in dem kleinen Bau herrschten schlechte Luftverhältnisse, dass hieß der Duft des Mannes war hier viel intensiver, als wie er es auf irgendeiner Lichtung gewesen wäre. Er kletterte nun vollständig in Höhle, auf sie zu.
„Bleib weg von mir!“, zischte Elena als eine Warnung. „Sonst werde ich dich töten.“
Der Mann lachte. „Wie soll eine Frau oder wohl eher ein schwaches, zierliches Mädchen, mich einen starken, ausgebildeten Gesetzeshüter töten?“, sagte er, arrogant und kam weiter auf sie zu. „Hör mal, komm her und vielleicht bekommst du nur eine Gefängnisstrafe.“
Elena schnaubte angeekelt von der Arroganz des Mannes. „Erstens.“, begann sie ruhig und versuchte sich weiter von dem Mann zu entfernen. „Ich bin stärker als ich aussehe und kann dich ohne mit der Wimper zu zucken in die ewigen Jagdgründe befördern. Zweitens, würde man mir so oder die Hand abhacken, also was habe ich zu verlieren?“
Der Mann kam näher, sein Duft wurde stärker und als er sie angriff, wehrte sie sich. Er flog mit dem Kopf gegen die Wand aus Erde und der Ausgang drohte einzustürzen. Der Mann bemerkte es, als er die Augen aufmachte. Er rieb sich den Kopf, schaute kurz zu Elena, bevor er versuchte zum Ausgang zu robben, der bereits bröckelte. Angst spiegelte sich in seinem Augen wieder. Er erkannte das Elena eben nicht so schwach war wie sie aussah, vielleicht erkannte er sie auch, als das gesuchte Mädchen aus Basellik, zu dem hatte er Angst in dem Bau begraben zu werden.
Elena musste hier raus. Sie schlug den Mann in den Bauch, mit unmenschlicher Stärke beförderte sie ihn ins Freie und folgte ihm so gleich. Der Bau stürzte sofort ein.
Der Mann stöhnte bei dem unsanften Aufprall auf den Waldboden. „Du bist unglaublich stark...Du bist kein Mensch nicht? Was bist du?“, fragte er verstört.
Sie lachte. „Ich bin weder Mensch, noch Dämon noch Vampir. Ich bin eine Halbvampirin und dein schlimmster Albtraum!“, irgendwie bereitete Elena es unglaubliches Vergnügen ihm Angst zu machen. Doch plötzlich rann Blut aus seinem Mundwinkel. Der Geruch des Blutes umschloss Elena und schien sie zu verwandeln. Von Elena, dem blonden, hübschen, zierlichen Mädchen, in ein grausames, kaltes, brutales Monster.
Ein merkwürdiges Lachen entfuhr ihrer Kerle. „Ich habe dich gewarnt, sprich deine letzten Gebete!“ schrie sie. Der Mann schrie ebenfalls, bis Elena im die Kehle genüsslich heraus biss. Sie spuckte sie auf den Waldboden und trank das Blut des Mannes, bis nichts mehr kam. Doch Nachschub kündigte sich bereits an, als die restlichen Gesetzeshüter sie fanden, sie hatten wohl eher ihren Kollegen gesucht, aber nun hatten sie auch sie gefunden. Elena stand mit dem Rücken zu ihnen.
„Da ist das blonde Mädchen!“, sagte einer der Männer und Elena spürte wie sie sie mit ihren Blicken durchbohren und näherkamen.
Elena stieß einen Zischlaut aus. „Dummköpfe, wollt ihr etwa meine nächste Mahlzeit werden?“, sie lachte amüsiert.
Die Blicke der Männer fielen auf ihren jungen Kollegen. Und Elena brauchte nicht zu ihnen hinzuschauen, um zu wissen was sich auf ihren Gesichtern abspiegelte, Schock, Ekel, Angst und Grauen. Schock, zu was das zierliche Mädchen fähig war, Ekel weil es jeden normalen Menschen zum Erbrechen gebracht hätte und Angst, dass sie selbst so enden würden. Und Grauen, dass jemand der aussah wie ein Mensch, sprach wie einer und sich bewegte wie einer, zu so etwas schrecklichem fähig sein konnte.
Sie hörte sie einen Schritt zurückweichen, doch da war es schon zu spät. Es waren zwei Männer und Elena packte den linken von ihnen. Der andere sah seinen Kollegen geschockt an, er wusste nicht was er tun sollte. Weglaufen oder versuchen seinen Kollegen zu retten. Aber offensichtlich hatte er sich für zweiteres entschieden, da er stehen blieb, leider stand er zu sehr unter Schock um seinem Kollegen eine große Hilfe sein zu können.
Währenddessen hatte Elena dem Gesetzeshüter einen Arm um den Hals gelegt und wisperte etwas, bevor sie ebenfalls seine Kehle heraus biss und auf den Waldboden spuckte, dann ließ sie den Mann zu Boden fallen.
„So, so du willst also auch sterben, nicht?“, fragte sie ruhig, klang dabei trotzdem, wie ein wildes Tier.
Er wimmerte, doch Elena kannte kein Erbarmen, wenn sie dem Blutrausch erst einmal verfallen war. Sie kam langsam näher, um ihr Opfer weiter zu quälen, vielleicht würde er versuchen zu fliehen, dies würde die ganze Sache wesentlich interessanter machen. Tatsächlich drehte er sich um, doch gerade als er zwei Schritte getan hatte packte Elena ihn am Kragen und hielt ihn vor sich hoch. Er war nicht viel älter als sie, vermutlich befand er sich sogar noch in der Ausbildung. Doch plötzlich drang ihre Menschlichkeit wieder in den Vordergrund. Sie ließ den Jungen Mann los. Er sah sie einen Moment mit großen Augen an. Dann rannte er, als wäre der Teufel höchstpersönlich hinter ihm her. Elena, wusste sie sollte ihm folgen, was war wenn er Verstärkung holte? Sie hatte zwar Vampirfähigkeiten, aber diese waren begrenzt. Doch, sie fühlte sich so unglaublich schwer und müde. Sie war es Leid ein Monster zu sein. Wäre ihr Vater doch bloß nicht gestorben, dann wäre ihr Leben normal geblieben und sie würde nicht gejagt werden und sie hätte nie die Erfahrung machen müssen, wie gefährlich und wahnsinnig einen der Blutrausch machen konnte.
Sie schleuderte eine Leiche gegen einen der umstehenden Bäume, dann sank sie an einem anderem zusammen. Man konnte nicht mehr drum herum reden, sie war ein Monster, wie sie es nur aus Albträumen und Märchen kannte. Sie würde es immer sein. Sie würde immer einsam sein. Vielleicht war es besser wenn der König oder Nero sie irgendwann erwischten und töten würden, dann konnte sie keinen Schaden mehr anrichten.
Sie fing an zu weinen und das Blut auf ihren Händen vermischte sich mit ihren Tränen, zu einem hellroten, wässrigen Rinnsal, der erst an ihrem Arm, dann an ihrem Bein herablief. Die Gesetzeshüter würden in einer größeren Gruppe zurückkommen und sie finden und letzten Endes würde sie in Basellik den Tod finden. Elena versuchte sich einzureden, dass es besser so war, dass es ihr Schicksal war, trotzdem empfand sie Angst und Trauer. Angst vor dem Tod. Und Trauer um ihr Leben, zumindest um den schönen Teil, die letzten Wochen sollte man daraus streichen. Sie hatte in den letzten Wochen so viele Menschen getötet, dass sie aufgehört hatte zu zählen. Sie hatte so vielen Menschen, ihre Väter, Mütter, Brüder, Schwestern, Tanten, Onkels oder Cousinen geraubt, dass sie es kaum fassen konnte. Und wofür das alles? Für dieses schreckliche Brennen in der Kehle, dass selbst durch das Blut dieser Menschen nicht aufgehört hatte, nicht mal für einen Augenblick. Sie grub ihre Fingernägel fest in ihre Arme.
Elena versank weiter in dem Strudel des Selbstmitleids, als jemand mit einer merkwürdig ruhigen Stimme zu ihr sprach. Im ersten Moment dachte sie bildete sie sich nur ein, da sie so wieso auf der Schwelle des Wahnsinns wandelte, aber dann hob sie ihren Blick und begegnete einem blassen Gesicht.
„Wer bist du?“, hauchte sie atemlos. Irgendwas an dem Mann vor ihr, war komisch. Elena spürte dass er kein Mensch war und kein Dämon und wenn er auch kein Vampir war, was war er dann?
„Du musst hier weg. Die Gesetzeshüter sind auf den Weg zu dir.“, sagte er und ignorierte ihre Frage einfach.
Sie sah in die dunklen Augen des Mannes. Sie waren tiefschwarz, genauso wie seine Haare und sein Mantel. Er war im gesamten also ziemlich merkwürdig.
„Wenn interessiert das? Ich habe nichts mehr zu verlieren!“, keifte Elena wild. Sie war einfach so wütend, am liebsten hätte sie den ganzen Wald zu Kleinholz verarbeitet.
„Natürlich hast du das.“, begegnete ihr der Mann tröstend. „Dein Leben hast du zu verlieren und vielleicht scheint es dir in diesem Moment nichts mehr wert zu sein, aber da irrst du dich. Außerdem liegst du trotz allem noch ein paar Menschen am Herzen.“, schloss der Mann mit seiner kleinen Rede.
Ungläubig starrte sie ihn an. Dieser Mann hatte vermutlich kaum eine Ahnung wer sie war oder was sie getan hatte. Sie war eine Mörderin, ein Monster und dafür hasste sie sich und kein anderer Mensch würde ein Monster lieben. Wenn ihr Onkel wüsste, was sie getan hatte, würde er sie ebenfalls hassen. Und Nero würde das Gleiche tun, er war zwar selbst ein Vampir, aber Vampire töteten nur Verbrecher oder tranken nur so viel Blut, dass es den Menschen nicht umbrachte. Und Elena hatte sicherlich hunderte aus reinem Blutrausch getötet, was unverzeihlich in ihren Augen war. Für Nero und sie gab es so oder so keine Zukunft mehr. Er musste sie töten. Also wem lag sie jetzt noch Herzen?
„Was willst du von mir? Weißt du überhaupt wer ich bin?“, rief sie.
Der Mann lächelte. „Du bist Elena Richards, zarte 16 Jahre alt und ein Halbwesen, gejagt von der Armee, einer Spezialeinheit Baselliks. Und du scheinst meinem Meister wichtig zu sein, denn er hat mich ausgesandt dich zu finden.“
Es war keine Frage woher er sie kannte, ihre Fahndung war in allen Ländern bekannt. Aber was oder wenn meinte er mit Meister. Als sie das fragte, überging er neuerlich ihre Frage und bat sie wieder mitzukommen. Und als sie fragte wohin sie gehen würden, ignorierte er sie wieder.
Schließlich verlor er die Geduld oder wusste irgendwie, dass die Gesetzeshüter in der Nähe waren und packte sie auf seine Schulter und rannte oder viel mehr schwebte mit ihr davon. Denn rennen konnte man das nicht nennen, denn er berührte kaum den Boden. Wenn man nicht genau hinsah, bemerkte man es nicht, aber er berührte nicht den Boden, dass versetzte Elena in Alarmbereitschaft.
Sie hämmerte auf seinen Rücken, damit er sie runter lassen würde, aber er schien es kaum war zu nehmen.
„Wer oder was bist du?“, keifte sie aufgeregt.
Wieder schwieg er, aber diesmal gab er nach einiger Zeit und ihren Nörgeleien auf. „Du kannst mich Yasar nennen. Mehr brauchst du nicht zu wissen. Ich bin nur ein Bote oder viel mehr ein Überbringer.“, erklärte er, mit dieser unnatürlich ruhigen Stimme.
„Ich bin doch kein Brief oder Paket! Was soll das Ganze?!“, fragte Elena und fühlte sich irgendwie veräppelt.
Yasar lachte, aber ansonsten schwieg er, egal wie viel Elena auch quengelte oder schrie.
Er ignorierte es einfach und währenddessen entfernten sie sich immer weiter von Cin.
Die Hochzeitsvorbereitungen waren im vollen Gange. Bald würden Nero und Asura vor dem Traualtar stehen und sich ewige Liebe schwören müssen, wo es keine gab und niemals geben würde, da war sich Nero absolut sicher. Er liebte Elena. Nun waren es nur noch zwei Monate bis Asura und er heiraten und die Nachfolge des Königs antreten würden. Dann würden sie gemeinsam über Basellik herrschen.
„Haben sie das verstanden, Prinz Nero?“, fragte ihn der strenge Lehrmeister. Seit knapp zehn Jahren wurde Nero schon von Lehrmeister Ningen unterrichtet. Er war ein guter Lehrer, aber Nero spuckten einfach zu viele andere Sachen im Kopf herum, als das er hätte sich konzentrieren können.
Nero nickte zur Bestätigung, aber Ningen gab sich damit, wie immer, nicht zufrieden. „Dann wiederholt es bitte noch einmal.“
Diese Szene spielte sich seit Wochen immer wieder ab. Nero sah seinen Lehrmeister einfach nur an, denn er hatte keine Ahnung worüber sie gerade gesprochen hatten.
„Nero.“, dem Ton seines Lehrmeisters nach würde gleich die Predigt kommen, die er mittlerweile jeden Tag hielt, bei dieser vergaß er sogar oft Neros Titel zu erwähnen, aber das machte ihm nichts. „Ich weiß dass du im Moment andere Sachen im Kopf hast, aber Bildung ist mehr als wichtig für einen zukünftigen König. Du musst dich ran halten. Oder willst du dass deine Frau einen dummen Mann an ihre Seite bekommt?“
Nero schüttelte leicht den Kopf. Manche Adeligen würden einen bürgerlichen für so eine Predigt schlagen, doch Nero mochte Ningens offene Art und seine klare Sicht, was die Realität betraf. Nur wurde ihm immer noch unbehaglich zu Mute, wenn er daran dachte, dass Asura bald seine Frau sein würde. Nicht das er sie nicht mochte, nur er liebte sie einfach nicht und sie besaß einige Eigenschaften, die ihm das Leben nicht unbedingt leichter machen würden. Da wäre ihre unglaubliche Neugier, sie musste einfach überall ihren Zinken reinstecken und musste immer bis auf den Grund bohren und einfach alles wissen. Zu dem war sie noch sehr kindisch und ein Plappermaul. Nero hatte immer noch Angst dass sie jemanden von Elena erzählen könnte, der es besser nicht wissen sollte.
„Ja, Lehrmeister.“, antwortete Nero automatisch als die Lehrstunde um war und er seine Predigt beendet hatte.
Nero stand auf und verließ den Raum. Denn restlichen Tag würde er frei haben, so fern niemand etwas von ihm verlangte. Doch gerade als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, hörte er schon jemand seinen Namen rufen.
„Prinz Nero!“, schrie eine Wache, während sie auf Nero zu kam. Nero konnte praktisch in seinem Gesicht lesen, dass etwas nicht stimmte.
„Was ist los?“, fragte Nero.
Die Wache gestikulierte wild mit den Händen, bevor er einen verständlichen Satz hinaus brachte. „Das Mädchen ist weg.“
Plötzlich gefror Neros Blut in seinen Adern und ein mulmiges Gefühl umfing ihn. Lillia war eine Dämonin. Sie sah harmlos und zierlich aus, aber sie war es vermutlich nicht, denn niemand konnte sagen wie viel Macht sie besaß. Welche Fähigkeiten sie beherrschte und was sie hier wollte.
Nero eilte zu den Gemächern seines Vaters, er musste mit ihm besprechen, was sie tun sollten. Vielleicht eine Suchaktion starten? Wobei Nero nur wenig Hoffnung hatte, sie zu finden. Dämonen, waren im Allgemeinen schlau und vor allem schnell. Sie konnte schon sonst wo sein.
Er bog um eine Ecke, als er fast mit seinem Vater zusammen stieß. „Die Dämonin ist verschwunden.“, brachte Nero völlig außer Atem hervor.
Der König nickte angespannt. „Sephatus, hat es mir eben gemeldet.“, Sephatus war so zu sagen der Chef der Kerkerwachen und normalerweise war ihm sein Job wichtiger als alles andere.
„Was tun wir jetzt? Meinst du sie ist noch hier?“, fragte Nero unsicher.
Sein Vater schüttelte nur den Kopf. „Nein, sie wird schon über alle Berge sein.“, einige Zeit schwiegen sie. „Aber ich habe so eine Vermutung.“, gestand der König.
Fragend sah Nero ihn an.
„Ich denke, dass sie weder ein Spion noch eine Art Angreifer war. Womöglich hat sie als eine Art Ablenkung fungiert.“
„Ablenkung?“, wiederholte Nero.
„Ja, vermutlich haben die Oberhäupter von Menderan etwas damit zu tun. Sie wollen deine kleine Freundin schützen. Und Lillia war dazu gut, ihnen Zeit zu verschaffen. Was bedeutet sie suchen sie, haben sie aber noch nicht gefunden.“
Nero dachte nach, was sein Vater gesagt hatte, klang logisch, es musste so sein. Elena war der Grund dafür, dass ein erneuter Krieg vor der Tür stand und alles nur weil Elena eine unglaublich gute Waffe abgeben würde. Sie war stark und vielleicht besaß sie sogar eine Gabe, ja sie wollten Elena, wahrscheinlich um jeden Preis.
„Also heißt das, du willst nichts gegen Lillia unternehmen?“, fragte Nero sicherheitshalber nach.
„Nein.“, sagte er und ging ohne ein weiteres Wort davon. Nero war sich nicht sicher ob diese Entscheidung richtig war, aber die Zukunft würde es schon zeigen.
12. Kapitel Der erste Tag mit Yasar
Mittlerweile war es Nacht geworden. Yasar hatte ein Feuer angezündet, denn die Nächte in Menderan waren oft kalt und rau und er wollte nicht riskieren, dass Elena sich Erfrierungen oder gar den Tod holte, denn das würde bedeuten, dass er versagt hatte und sein Meister ihn aus seinen Diensten nehmen konnte und das wollte Yasar keinesfalls riskieren, er wusste sonst ja nichts mit sich anzufangen.
Elena hatte er mit einem Zauber an sich gebunden, der dafür sorgte, dass sie sich nicht weiter als ein paar Meter von ihm entfernt aufhalten konnte. Bisher hatte sie ihn nicht bemerkt, weil er sie auf den Rücken getragen hatte, damit sie schneller vorankamen. Und am Abend war sie so müde gewesen, dass sie eingeschlafen war, bevor er überhaupt das Feuer entzündet hatte.
Jetzt wo sie da so ruhig lag, wirkte sie so unglaublich friedlich, fast kaum zu glauben, wie sehr sie sich auf dem Weg gewehrt, wenn Yasar ein Mensch gewesen wäre oder sonst ein Wesen, dessen Wunden nicht sofort heilten, hätte er bestimmt überall rote Schrammen.
Aber Meister Aeron sollte recht behalten, sie war vielleicht schön und wirkte absolut verletzlich, aber sie war gleichzeitig eine Waffe, die den Krieg entscheiden konnte. Und selbst wenn Yasar Kriege verabscheute musste er zu geben, dass Aeron wusste was er wollte. Sein Ziel war der Sieg über Basellik und Elena war das schnellste Mittel zum Zweck.
Vermutlich würde sein Meister ihr persönlich noch den Umgang mit dem Degen beibringen, damit sie auch im Nahkampf tödlich sein würde. Dann wäre sie wirklich eine ultimative Waffe. So bald die Sonne aufging würden sie und er weiter nach Gerid reisen, eine Stadt die weder riesig, noch winzig war. Sie würden in irgendeines dieser neu modernen Transportmittel einsteigen, dass sie direkt nach Eldian bringen würde, Menderans Hauptstadt und Sitz des Herrscherschlosses. Aber eine Frage galt es noch zu beantworten. Wie sollte Yasar es schaffen sie unbemerkt nach Eldian zu schaffen? Mit ihrer hellen Haut würde sie schon genug auffallen und dazu noch ihre fast weißen Haare. Das war es! Sie mussten ihre Haare färben. Am besten schwarz. Somit würde sie nicht gleich jeder verdächtigen die mittlerweile sehr bekannte geahndete Elena zu sein. Ein neues Gewand würde sie auch brauchen, ihr altes sah ziemlich zerschlissen aus.
Yasar beschloss das sie ein neues Gewand und Haarfärbemittel morgen auf den Weg nach Gerid besorgen würden. Und er hoffte inständig das Elena kein Mädchen war, dass einen Aufstand proben würde, weil man ihr die prächtige Mähne gegen ihren Willen färben wollte.
Starr sah er ins Feuer. Morgen würde ein anstrengender Tag werden. Aber Yasar liebte die Herausforderung, dass war auch der Grund weshalb Meister Aeron ihn eingestellt hatte.
Yasar war mutig, unglaublich schlau und empfand eigentlich nie Furcht.
18.Mai
Salim verhält sich komisch. Und es scheint immer schlimmer zu werden. Sie verbirgt etwas wichtiges vor mir und meine Geduld schwindet dahin. Es fällt mir schwer, sie nicht ständig danach zu fragen. Ich will es wissen. Ich muss es wissen! Es muss wirklich schlimm sein, wenn sie es mir nicht anvertraut. Irgendetwas hat sich zwischen uns verändert. Aber ich verstehe nicht was. Ich liebe sie nach wie vor. Ich würde immer noch für sie sterben.
Als der Morgen graute hielt ich es nicht mehr aus. Sie lang still in meinem Armen, aber an ihrer Atmung erkannte ich, dass sie nicht schlief.
„Bist du sicher, dass du mich noch liebst?“, fragte ich leise in die Stille hinein.
Plötzlich richtete sie sich auf. In ihren Augen standen zu aller erstmal Schock, dann Verzweiflung und dann Wut und irgendwie veränderte sich alles an ihr. Sie wirkte nicht mehr lieblich, eher bedrohlich. Tränen rannen ihre Wangen herunter. „Wie kannst du mich das fragen?!“, schrie sie heißer, voller Verzweiflung. „Was veranlasst dich zu dieser Frage?!“
Ich schluckte. So kannte ich sie nicht. Normal war sie die Ruhe selbst, so aufbrausend hatte ich sie bisher nicht erlebt. Ich hatte sie noch nie so außer sich gesehen, was mich wieder dazu brachte das etwas mit ihr nicht stimmte.
„Etwas stimmt nicht. Du und ich wissen das. Aber offensichtlich liebst du mich nicht so sehr das du es mir sagen willst.“
Ihre nächste Reaktion wirkte wie die von einem kleinen Kind. Bockig.
„Herik, hör zu. Ich liebe dich, verstanden? Ich würde für dich sterben. Trotzdem gibt es Dinge die ich dir nicht sagen kann, zumindest noch nicht jetzt. Und nur weil wir zusammen sind, heißt das doch nicht, dass ich nichts mehr für mich behalten kann, oder?“
Ich nickte. „Verstehe.“, dabei verstand ich es eben nicht. Natürlich verstand ich das es Dinge gab, die man lieber für sich behielt, aber ich hatte ihr Zeit gegeben um es mir zu sagen. In meinen Augen genug Zeit.
„Ich werde es dir schon noch sagen, nur bitte gib mir noch ein bisschen Zeit!“, bat sie, bevor sie endgültig aufstand und ging.
Plötzlich überfiel mich ein Gefühl von Verzweiflung. Irgendwas an ihr hatte sich gravierend verändert, aber ich verstand nicht was. Sie sah aus wie immer und roch auch so herrlich nach zarten, frischen Rosen. Und sie hatte gesagt, dass sie mich liebte. Also was stimmte nicht? Ihr Wutausbruch war merkwürdig, aber das vielleicht auch nur, weil ich sie so nicht kannte. Diese Regung noch nie an ihr gesehen hatte, sonst war sie immer gelassen gewesen, wo ich bereits hochgegangen war.
Irgendwas ging in ihr vor und ich beschloss sie weiter genau im Auge zu behalten. Denn wenn ihr Gefahr drohte, würde ich sie auf jeden Fall mit meinem Leben beschützen, komme was da wolle.
Wir waren füreinander bestimmt. In dieser Sache war ich mir so sicher, wie noch nie. Eines Tages würden wir friedlich auf unserem eigenem Anwesen leben, ohne zerstrittene Familien, mit ein paar Kindern, die wir gemeinsam liebevoll großziehen würden, bis der Tod uns scheiden würde.
Elena erwachte, als die Sonne aufging. Verschlafen blinzelte sie und erblickte ihn. Wie hieß er noch mal? Yasar, sagte ihr Gedächtnis. Als sie sich aufsetzte sah sie etwas auf seinem Schoß liegen. Sie erkannte es als Herik Edens Tagebuch.
„Sehr interessante Lektüre die du bei dir führst. Wo hast du die den her?“, fragte er wohl amüsiert über ihren verärgerten Gesichtsausdruck.
Mit einem Ruck stand Elena auf und wollte Yasar das Tagebuch abnehmen, denn es kam ihr falsch vor, dass er es las. Doch, er schaffte es locker, sogar im Sitzen, es von Elena weg zu halten, so dass sie es nicht zu fassen bekam, was Elena nur noch mehr erzürnte.
„Gib das Buch her!“, sagte sie warnend, doch er lachte sie weiter aus. „Ich trink dich blutleer, wenn du es nicht hergibst. Es ist meins!“
Yasar lachte immer noch. „Will mal sehen wie du mich blutleer trinkst.“, spottete er grinsend.
„Nur weil du irgendein komisches Wesen aus der Hölle bist, brauchst du nicht so überheblich sein!“, sagte Elena wütend.
„Mit dem Wesen aus der Hölle hast du gar nicht so unrecht...“, gestand er. „Aber man kein Blut trinken wo keines ist!“, sagte er und tat auf ober schlau.
Darauf wusste Elena keine Antwort. Wollte er sie jetzt verarschen? Hatte nicht jedes Wesen Blut? Oder brauchte nicht jedes Blut zum Leben? Entgeistert starrte sie Yasar an. Doch gerade als sie ihn dazu befragen wollte, wechselte er galant das Thema. „Weißt du eigentlich was für ein Schatz diese Lektüre ist? Oder weißt du nicht mal wer Eden überhaupt ist?“, fragte er.
Etwas verdutzt sah Elena in die schwarzen Augen Yasars. „Schatz? Sollte ich den...?“
„Herik Eden ist ein Held. Ein so großer, dass er heilig gesprochen wurde, Vampire und Dämonen verehren ihn gleichermaßen als großen Krieger, aber ich glaube um dir die Geschichte zu erzählen bin ich der Falsche.“, er machte eine kurze Pause. „Wenn du mehr über ihn erfahren willst, dann ließ sein Tagebuch dort dürfte alles drinstehen.“, Yasar gab Elena das Tagebuch zurück. „Pass gut darauf auf.“
„Okay.“, antwortete Elena, weil ihr nicht mehr dazu einfiel und packte das Tagebuch in ihre Tasche.
„Trotzdem würde mich interessieren, wo du es her hattest?“, sagte Yasar.
„In Sypin habe ich in einer alter Ruine genächtigt und dort habe ich es gefunden.“, gab sie die Kurzfassung.
„Wirklich erstaunlich.“, murmelte Yasar vor sich hin, dann wechselte er erneut das Thema. „Wir müssen aufbrechen und noch einige Dinge besorgen.“
„Wohin gehen wir? Und welche Dinge?“, fragte Elena unsicher.
„Du wirst es früh genug merken, glaub mir. Du brauchst etwas neues zum Anziehen, dein Gewand ist völlig verdreckt und zerschlissen und wir sollten deine Haarfarbe ändern.“
Mit großen Augen sah sie Yasar an. „Warum müssen wir meine Haarfarbe ändern? Sag doch wo wir hingehen, sonst weigere ich mich mit zu gehen!“
Yasar lachte wieder. „Du hast keine Wahl, Elena. Wenn du nicht freiwillig mitkommst und machst was ich sage, werde ich dich zwingen.“
Mit zusammengekniffenen Augen sah sie ihn an.
„Und versuche erst gar nicht zu fliehen!“, riet er ihr und ging voraus. Trotz einigem Widerstreben folgte sie ihm.Irgendwie fühlte sie sich wie ein Hund, der seinem Herrschen Folge leisten musste und wenn er es nicht tat, eine Strafe über sich ergehen lassen musste.
Wo brachte dieser Yasar sie nur hin? War er vertrauenswürdig? Oder wollte er sie nur ausliefern? Vielleicht brachte er sie zu Menderans Herrscherschloss? Sie betete inständig, dass er ihr Helfen und sich nicht als ihr Feind entpuppen würde. Denn gegen ihn hätte sie vermutlich keine Chance.
Sie fühlte sich so schwach in seiner Gegenwart. Klar, sie war ein Halbvampir, aber was konnte sie gegen ein Wesen ausrichten, von dem sie noch nicht einmal wusste was es war. Sie konnte spüren das Yasar stark war, nicht nur in körperlicher Hinsicht, seine Magie pulsierte durch seinen ganzen Körper.
Und was konnte sie? Sie war in körperlicher Hinsicht stärker als Menschen, aber mehr auch nicht und Blut trinken, brachte ihr diesmal auch nichts, den sie glaubte irgendwie tatsächlich das Yasar kein Blut besaß, den im gesamten schien er eine ziemlich unnatürliche Erscheinung zu sein.
Asura hasste es wirklich wenn jemand an ihr herum zupfte. Aber sie hatte vorher ja nicht wissen können, was für eine Farce es war, ein perfekt sitzendes Kleid an ihren Körper schneidern zu lassen, aber trotzdem noch so viel Platz zu lassen, dass sie aus dem Kleid heraussteigen konnte, ohne dass es zerriss. Dies war jetzt schon zweimal passiert, was bedeutete, dass die Schneider das Kleid erneut auf ihren Körper schneidern mussten und sie mit unzähligen Nadelstichen quälten. Asura hatte es schon immer gehasst, wenn man ihr Kleider schneiderte. Klar, sie waren schön und zauberhaft, aber die Prozedur, bis eines gefertigt war, dauerte ihr einfach zu lange und die Nadelstiche brannten, jedes Mal auf ihrer Haut. Ihr Hochzeitskleid war schlimmer als alles andere zu vor. Sie standen jetzt schon geschlagene vier Stunden im Ankleideraum. Und das Kleid war immer noch nicht fertig. Und Asura verlor langsam die Geduld.
Sie wollte natürlich nicht in einem Lumpen heiraten, aber musste den das Kleid wirklich so perfekt sein?
Asura würde das Kleid doch so wieso nur einen Tag tragen bevor es in den Abgründen ihres Kleiderschrankes landete. Außerdem heiratete sie nicht den Mann den sie wirklich liebte. Sondern Nero. Er sah gut aus, aber auch er liebte sie nicht. Wie sollte man so eine glückliche Ehe erwarten? Und irgendwann mussten sie ja auch Erben hervorbringen. Dieser Gedanke versetzte Asura jedes Mal einen Stich. Sie wollte nicht mit Nero schlafen müssen, denn dabei würde sie sich vorkommen, als ob sie Dian betrügen würde und ein Kind zu gebären...war eine Sache für sich.
Asura fühlte sich müde und schlapp, deshalb bat sie die Schneider eine Stunde Pause zu machen, damit sie sich eine Weile ausruhen konnte. Sofort als die Schneider aus dem Raum waren schmiss sich Asura auf ihr Bett. Hoffentlich war das Kleid bald fertig sonst würde sie wirklich in einem Leinensack heiraten.
Plötzlich ging die Tür auf. Asura hatte die Augen geschlossen und sah nicht wer eingetreten war. „Ich habe doch gesagt, eine Stunde Pause.“, maulte sie.
Als sie nichts hörte öffnete sie die Augen und sofort umfing sie eine Woge Glückseligkeit. „Dian!“, keuchte sie überrascht.
Er setzte ein charmantes Lächeln auf. „Das Kleid steht dir gut.“, er schloss die Tür hinter sich und ging auf Asuras Bett zu.
„Schade, dass wir nicht heiraten.“, antwortete sie traurig, fiel Dian aber sofort um den Hals, als er sich auf ihrem Bett niederließ.
Einen Moment lang küssten sie sich innig. Es war so schön ihn wieder zu sehen. Sie hatte das warme Gefühl, das sie empfand wenn er bei ihr war, wirklich vermisst. Dann kam ihr plötzlich ein Gedanke. Sie löste sich aus seinem Kuss. „Wie bist du hier reingekommen, ohne festgenommen zu werden?“, fragte sie besorgt.
Dian lächelte. „Es gibt Tunnel unter dem Schloss. Einer hat mich direkt in diesen Gang geführt. Und als ich deine Gegenwart hier gespürt habe, musste ich einfach zu dir kommen.“, er strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Erstaunt sah sie ihn an. „Wie bist du auf die Tunnel gestoßen?“
„Ich habe in der Bücherei, eine Karte gefunden, wo sie eingezeichnet waren. Ich nehme an, dass sie in Zeiten des Krieges als Fluchttunnel gedient haben.“
Sie nickte. „Dass heißt dann wohl das wir uns jetzt öfter unbemerkt sehen können.“, überlegte sie laut.
Er grinste. „Ja.“
Asura kuschelte sich an Dian. Sein Geruch umgab sie und sie fühlte sich so unglaublich geborgen.
13. Kapitel Der Flug
Es war ein harter steiniger Weg gewesen, bis sie zum nächsten kleinen Dorf kamen. Dort kaufte Yasar, für Elena Haarfärbemittel und ein schlichtes braunes Gewand, dass sie gleich überstreifte. Es war kein besonders luxuriöses Gewand, aber es war angenehm auf der Haut und gab ihr mehr Bewegungsfreiheit als ihre alten Kleider.
Als Yasar dann sagte, er würde ihre Haare schwarz färben, wäre Elena am liebsten auf einen Baum gesprungen, aber sie hatte keine andere Wahl. Bevor sie etwas sagen oder tun konnte, war Yasar bereits dabei ihr die Farbe auf den Kopf zu klatschen. Die Farbe hatte höllisch auf ihrer Kopfhaut gebrannt und gejuckt und sie hatte beinahe Angst gehabt, dass sie hinterher eine Glatze haben würde, aber so kam es nicht.
Als Elena in einer seichten Quelle ihre Haare ausspülte, kamen dunkle zum Vorschein. Sie sahen ganz anständig aus und standen in einem heftigen Kontrast zu ihrer blassen Haut, aber es war okay.
Als sie zu Yasar zurückgekehrt war, musterte er ihre neuen Haare. „Sieht doch gut aus.“, war seine knappe Antwort. Und Elena wusste nicht ob diese Bemerkung Ernst gemeint war.
Nach einer Weile brachen sie auf und Elena hatte immer noch keinen blassen Schimmer wohin sie gehen würden. Sie hatte aber aufgegeben danach zu fragen, weil sie wusste, dass er es ihr nicht sagen würde.
Der Weg war immer noch sehr holprig und ein ungestümer Wind herrschte durch den Wald und drohte einen Sturm an, was Elena irgendwie beunruhigte. Sie fand die Blitze wunderschön, allerdings nicht, wenn sie sich draußen aufhielt, vor allem in diesem dichten Wald. Der Himmel verdunkelte sich immer mehr und sie wurde zusehends immer unruhiger.
„Wir sind bald da. Ich denke, wir werden dort sein, bevor der Sturm losbricht.“, beschwichtigte sie Yasar immer wieder, aber es half nichts.
Elena legte einen Schritt zu, aber sie kam einfach nicht voran, mittlerweile brannten ihre Füße, den sie waren schon seit den frühen Morgenstunden auf den Beinen und Yasar hatte ihr kaum Zeit für eine Pause gegönnt.
Plötzlich hob sie etwas an. Yasar nahm sie huckepack und trug sie. Und wieder war er unglaublich schnell.
„So geht es schneller.“, hatte er gesagt und tatsächlich kamen sie schneller zu ihrem Ziel.
Yasar stolperte nie und auch sein Tempo blieb gleich. „Da vorne ist es.“
„Was meinst du?“, so sehr Elena sich auch anstrengte und die Augen zusammenkniff sie sah nichts. Erst nach einigen Metern konnte sie Häuser ausmachen. „Eine Stadt? Was wollen wir hier?“, fragte sie verwundert.
„Diese Stadt ist nur eine Station, die uns unserem Ziel näher bringen wird. Wir werden von Gerid aus, weiterfliegen.“, hatte er erklärt.
Elena begriff, dafür die neue Haarfarbe und das Gewand, damit man sie nicht erkannte. Aber irgendwas kam ihr komisch vor. Gerid, der Name der Stadt erinnerte sie an etwas, dass sie gelesen hatte, aber sie kam nicht darauf.
Yasar ließ sie runter, zerrte sie jedoch an der Hand nehmend, durch etliche Menschenmassen in der Stadt, bis zu einem Fahrkartenhändler. Triumphierend sah sie ihn an. Er musste dem Händler doch sagen wohin sie wollten. Gleich würde sie es erfahren. Doch es sollte anders kommen.
„Zweimal nach ...“, sagte Yasar zu dem Händler, aber als er das Ziel nannte, war Elena für diesen kurzen Moment wie taub. Sie hatte weder gehört was er gesagt hatte noch andere Geräusche. Es war still gewesen.
Als er und Elena sich vom dem Fahrkartenhändler entfernten konnte sie sich nicht mehr zurückhalten. „Du hast Magie benutzt damit ich nichts höre.“, sagte Elena sauer.
Er nickte nur. „Ja.“, dann sah er sich suchend um. „Wir müssen auf Gleis 7. Siehst du es irgendwo?“
„Yasar! Das ist nicht fair“, maulte sie.
„Schätzchen, das Leben ist nicht fair!“, sagte er gespielt melodramatisch. „Ah, dahinten!“, dann nahm er sie wieder an die Hand und zog sie mit sich.
Das Gefährt stand schon am Gleis 7 bereit und schien nur auf Yasar und Elena zu warten. Das Gefährt war riesig. In Basellik gab es ähnliche Transportmittel aber eher kleiner und in Basellik hießen sie auch anders. Yasar hatte Elena erklärt das man diese Dinger Flytrains nannte und sie eine Art fliegender Zug waren. In Basellik nannte man sie Airtrains, also Luftzüge. Elena war noch nie mit so einem Gefährt gereist und war deswegen ziemlich aufgeregt, denn sie konnte sich nicht vorstellen, dass es sicher war und sie nicht abstürzen würden.
Mit einem mulmigen Gefühl stiegen sie also in den Flytrain ein. Yasar lotste sie zu zwei Plätzen im vorderem Abteil.
Einige Zeit verging bevor eine Stimme aus einem Lautsprecher verkündete, dass sie gleich starten würden und alle die Gurte anzulegen hätten, damit die Sicherheit gewährleistet wäre. Elena tat wie geheißen, aber Yasar lümmelte sich weiter in den Sitz.
„Willst du nicht den Gurt anlegen?“, fragte Elena unsicher.
Er grinste nur. „Nein, mir passiert schon nichts. Mach dir nicht so viele Sorgen, Flytrains sind absolut sicher.“, er zwinkerte ihr zu.
Elena fühlte sich da nicht so sicher, sagte aber nichts mehr dazu und wartete nur darauf, dass sie sich in die Lüfte erheben würden.
Plötzlich tat es unter ihr einen Ruck. Erschrocken sah sie sich um.
„Die Flytrain hat sich aus ihrer Verankerung von den Gleisen gelöst. Gleich fliegen wir.“ erklärte Yasar und wirkte belustigt.
Elena traten Schweißperlen auf die Stirn, aber im nächsten Moment spürte sie schon, wie sie sich in die Lüfte aufmachten. Von ein auf den anderen Moment waren sie bestimmt hundert Meter in der Luft. Sie musste einen erschrockenen Aufschrei unterdrücken. Sie stiegen immer weiter nach oben.
Elena traute sich erst nicht aus dem kleinen Fenster zu sehen, dass man Luke nannte, wie ihr Yasar erläutert hatte. Aber als die dann raus sah, konnte sie ihr Staunen nicht verbergen. Sie flogen über den Wolken, trotzdem konnte sie die Erde unter ihr sehen und hatte ein wahnsinnig weiten Ausblick. Sie sah einige Dörfer, die aber winzig klein schienen und alles sah menschenleer aus, aber vermutlich konnte sie sie in dieser Höhe einfach nicht mehr sehen. Elena empfand wenn sie so nach draußen sah, ein Gefühl von Freiheit. Für einen Moment vergaß sie all ihre Probleme. Sie dachte nicht mehr daran, dass man sie jagte und töten wollte. Sie dachte nicht mehr daran, dass sie kein Mensch mehr war, sondern ein Halbvampir, weswegen sie alle tot sehen wollten. Und sie dachte tatsächlich auch nicht an Nero. Die ganze Zeit hatte sie ihn schrecklich vermisst, aber in diesem Augenblick, schien Elena trotz allem was passiert war, sich glücklich zu fühlen.
„Wie lange fliegen wir?“, fragte Elena Yasar ohne den Blick von dem Bild was sich vor ihrem Fenster ergab abzuwenden.
„Etwa 5 Stunden, schätze ich.“
Elena nickte gedankenverloren.
„Schöne Aussicht, nicht?“, fragte Yasar unvermittelt und sah selbst aus dem kleinem Fenster.
„Ja“, murmelte sie. „Mann fühlt sich frei, wenn man hinaussieht.“
„Vermisst du Basellik?“, fragte er gelassen.
Elena dachte über diese Frage nach. Vermisste sie Basellik? Sie kam zu dem Entschluss, dass ihre Antwort länger ausfiel, als ein Ja oder Nein. Es war weder ein direktes Ja oder Nein. Ja, weil dort ihr Onkel lebte und Nero. Als sie an ihn dachte durchzuckte sie ein unheimlicher Schmerz. Sie durfte ihn nicht lieben, dass stand fest. Und Nein, dass Land an sich vermisste sie nicht. Die Gesetzte und das Volk hassten sie und jeder wollte sie töten, wie konnte sie so ein Land vermissen. Aber Elena hatte nicht vor, das Yasar so genau zu erläutern. „Nein.“, sagte sie knapp.
Er akzeptierte ihre Antwort und stellte keine Fragen mehr diesbezüglich, was sie sehr an ihm schätzte. Er wusste wann es genug war und bohrte nicht weiter nach, wenn kein Bedarf bestand. Aber sie befand, dass es jetzt an der Zeit war ihm auch mal ein paar Fragen zu stellen, schließlich kannte sie ihn kaum. „Yasar, du bist weder Vampir, noch Dämon...“, begann sie selbstsicher, aber er unterbrach sie. „Ich bin ein dunkles Wesen.“
„Wird man dazu gemacht? Oder wird man so geboren?“, fragte Elena weiter neugierig.
„Eindeutig dazu gemacht.“, sagte er knapp. Ihm schien dieses Thema unruhig zu machen, aber er sah nicht so aus, als ob er ihr nicht weiter Fragen dazu beantworten würde. „Wie?“
„Durch Luzifers Hand höchstpersönlich. Einst war ich ein Mensch, aber als ich starb, machte er mich zu dem was ich heute bin.“, erklärte er und Elena wusste, dass sie nicht weiter auf den Grund eingehen sollte.
„Bist du...unsterblich?“, dieser Gedanke war Elena gekommen, weil Yasar leichtsinnig mit seinem Leben umging oder zumindest schien es ihr so.
„Wenn du es so nennen willst. Ja.“, gab er zurück.
Erstaunt sah sie ihn an. Unsterblichkeit. Ein großes Wort. Vampire wurden oft so beschrieben. Aber sie starben durch aus, durch Unfälle oder auch an Altersschwäche. Sie waren nur immun gegen Krankheiten wie zum Beispiel die Pest. Dies war auch der Grund weshalb sie oft über zweihundert Jahre alt wurden. „Also kannst du nicht sterben?“, fragte Elena nach.
„Doch durch eine Sache, aber du musst verstehen, dass ich dir diese Sache nicht mitteilen werde.“
Sie nickte. Natürlich verstand sie es. Wenn sie an seiner Stelle gewesen wäre, hätte sie es auch nicht getan. Sie vertraute ihm schließlich auch nicht voll und ganz, umgekehrt war es natürlich dasselbe.
Elena befand das sie fürs Erste genug Fragen gestellt hatte und konzentrierte sich wieder vollständig auf die bezaubernde Aussicht. Yasar tat das Gleiche.
Sie spürte wie ihre Augenlider immer schwerer wurden und letzten Endes zu fielen. Sie hatten noch gut vier Stunden Flug vor sich, also konnte sie doch die Zeit nutzen um sich auszuruhen. Und schon bald schlief sie ein.
Elena schlief und Yasar hätte am liebsten das Gleiche getan, aber er musste wachen, damit Elena nicht weglief oder erfuhr wo sie hin flogen, bevor sie nicht dort waren.
Nun lag sie friedlich schlummernd da und er schlich sich an ihre Tasche und zog das schwarze Tagebuch heraus. Er durfte nicht schlafen und die ganze Zeit wach zubleiben, ohne irgendwelche Unterhaltung, würde in vermutlich irgendwann so sehr langweilen dass er selbst einschlief. Und diese Aussicht machte ihn ebenfalls schläfrig. Lautlos ließ er sich auf seinen Sitz zurück gleiten und schlug dass Tagebuch auf der Seite auf, auf der er geendet hatte.
22.Mai
Alles scheint immer schlimmer zu werden. Salim wurde von Tag zu Tag seltsamer. Und nun ist sie verschwunden. Unsere Väter stehen im Hof und streiten um ihren Verbleib, während ich mich auf dem Dachboden verbarrikadiert habe. Ich will niemanden sehen, vor allem weil sie mir die Schuld geben. Sie denken dass ich sie irgendwo versteckt halte oder dass ich irgendetwas gemacht habe, was sie dazu veranlasst hat, wegzulaufen. Ihre Vorwürfe machen mich wütend. Am liebsten würde ich Salim suchen. Nur wo sollte ich anfangen? Ich habe keinen blassen Schimmer wo sie sein könnte. Sie ist seit zwei Tagen schon weg, sie könnte sonst wo sein. Vielleicht würde sie entführt von ihrem Vater könnte man schließlich viel Geld erpressen, aber ich zweifele daran. Es gibt keine Hinweise dafür.
Trotzdem habe ich vor sie heute suchen zu gehen. Ich habe bereits meine Sachen gepackt. Eine kleine schwarze Tasche mit Kleidung zum Wechseln, mit Essen und Trinken und natürlich Geld um mehr Lebensmittel kaufen zu können. Ich muss sie finden! Ich muss meine Unschuld beweisen!
Und wenn ich sie gefunden habe, werde ich sie heiraten, ein glückliches Leben mit ihr führen und dafür sorgen, dass sie mir niemand wegnimmt. Sie gehört zu mir, komme was da wolle. Ich werde für sie kämpfen. Egal wie lange es dauert ich werde sie finden!
Die anderen glauben bereits, dass sie tot ist, aber ich weiß das sie lebt. Ich spüre es. Es ist so als ob ich ihren Herzschlag spüren könnte. Sie lebt definitiv.
Heute Nacht werde ich mich auf die Suche machen.
Dann war der Eintrag zu Ende. Yasar kannte die Geschichte von Herik Eden, der in Menderan sowohl auch in Basellik als Held verehrt wurde. Aber im Prinzip war die Geschichte traurig und herzzerreißend. Er kannte sie besser, als jeder andere. Den Yasar lebte schon so lang, dass er sie miterlebt hatte. Herik war sein bester Freund gewesen, doch Yasar hatte nicht gewusst, dass dieses Tagebuch existierte. Es war interessant hinter die Kulissen der tragischen Geschichte seines besten Freundes schauen zu können und schon jetzt waren einige seiner Fragen beantwortet und er war sehr darauf erpicht das Tagebuch weiter zu lesen, doch fürs erste steckte er es in Elenas Tasche zurück.
Er sah auf die Uhr. Sie hatten noch gut drei Stunden Flug vor sich. Aber bald würden sie in Eldian landen und sein Auftrag wäre dann damit abgeschlossen, dass er Elena zu seinem Meister brachte.
14. Kapitel Der Prinz von Menderan
Elena erwachte, als die Lautsprecher Stimme bekannt gab, dass sie bald landen würden und jeder auf seinen Platz gehen und sich festschnallen sollte. Sie sah zu Yasar hinüber. Er wirkte wachsam und dass rief ein mulmiges Gefühl in Elena hervor. Was war wenn er sie auslieferte, an wen auch immer? Sie sah ihm fest in die Augen, aber sie waren undurchdringlich. Nichts, absolut nichts deutete auf seine wahren Absichten hin. Doch ihr Instinkt sagte ihr, sie solle wachsam bleiben und ihr Gefühl meinte, sie könnte ihm vertrauen. So oder so war es schon zu spät, wenn er ein Verräter war, dann hätte sie nicht in die Flytrain einsteigen sollen, aber nun waren sie fast an diesem unbekannten Ziel angekommen. Nun war es egal was sie wollte. Es war auch egal welches Ziel Yasar in Wahrheit hatte. Denn wenn sie sich jetzt weigern würde, würde er sie sicher mit Magie zwingen zu tun, was er wollte. Denn eins wusste Elena, Yasar war zielstrebig und stark und wenn er etwas wollte, dann bekam er es auch.
„Alles okay?“, fragte Yasar in das Schweigen hinein.
Sie nickte nur aus Angst ihre Stimme könnte ihr plötzliches Misstrauen verraten.
„Gut geschlafen?“,erkundigte er sich.
Wieder nickte sie nur leicht. Sie fühlte sich trotz der fast fünf Stunden Schlaf immer noch sehr ausgelaugt.
Plötzlich sank der Druck in der Flytrain und mit einem hastigen Ruck verlor sie an Höhe. Elena sah erschrocken aus dem Fenster, den Boden auf sich zu rasen.
„Wir landen.“, erklärte Yasar offensichtlich amüsiert über Elenas Gesichtsausdruck. Elena ignorierte ihn und sah weiter aus dem Fenster. Der Erdboden und alles was sich darauf befand nahm schnell wieder an Größe zu. Elena erkannte, dass sie in einer Stadt landen würden. Sie war größer und prächtiger, als alle die sie je zu Gesicht bekommen hatte. Die Gebäude waren im romanischen Stil erbaut und sahen einfach zauberhaft schön aus. Sie konnte kaum die Augen davon ablassen. Doch ein der Druck, der das Senken der Maschine verursachte, brachte Elena Magenschmerzen ein und sie fragte sich, ob es wo möglich auch eine Art schlechtes Omen sein konnte.
„Was wollen wir hier?“, sprach sie laut ihren Gedanken aus, wusste aber von vornherein dass sie keine vernünftige Antwort bekommen würde.
„Elena, vertraust du mir?“, fragte er plötzlich. Und diese Frage fühlte sich für Elena wie ein Schlag in die Magengrube an. Nicht weil sie verletzt war oder so, sie hatte nie erwartet, dass er denken würde, dass sie ihm voll und ganz vertraute.
„Ich weiß es nicht.“, gestand Elena ehrlich.
Yasar sah für einen kleinen Augenblick weg. Er wirkte schuldbewusst.
„Was...?“, da sah Yasar ihr plötzlich so intensiv in die Augen, dass es ihr die Sprache verschlug. Er sprach merkwürdig, irgendwie ruhig und hypnotisierend. „Elena.“, sagte er gedehnt ihren Namen. „Vertrau mir. Folge meinem Weg und kämpfe nicht gegen das Schicksal an, dass dich erwarten wird.“, seine nächsten Worte sprach er in einer Sprache die Elena nicht verstand aber sie war sich sicher, dass es die alte Sprache war, die zu der Zeit gesprochen worden war, als Basellik und Menderan noch ein Reich gewesen waren. In Elena schrillten alle Alarmglocken, doch in dem Moment wo sie sprechen wollte, wusste sie dass es zu spät war. Sie konnte sich nicht bewegen, nicht mal den Kiefer anspannen. Nichts. Sie versuchte ihren Arm zu heben, aber es funktionierte nicht. Keinen Zentimeter.
Elena wollte schreien, aber es klappte einfach nicht. Yasar hatte sie tatsächlich mit Magie gelähmt. Sie sahen sich in die Augen. Wieso war es ihr noch nie aufgefallen, wie faszinierend seine dunklen Augen waren?
„Hör zu. Ich habe dich mit einem Zauber belegt, damit du tust was ich verlange, denn ich denke du wirst es nicht freiwillig tun.“ sagte er leise. Ja, vermutlich würde er damit recht behalten. „Wir sind in Eldian, der Hauptstadt Menderans“
Elena versuchte die Augen zu weiten, aber es tat sich nichts. Sie wusste was dass bedeutete. Yasar würde sie tatsächlich ausliefern. Er würde sie schnurstracks zum Herrscherschloss Menderans führen und sie dem Prinzen übergeben und dann war es aus. Mit einem Ruck landete die Flytrain auf den dafür vorgesehenen Gleisen.
Yasar bat sie ihm zu folgen, was sie wohl gezwungen auch tat. Ihre Füße schienen sich von allein zu bewegen und sie hatte absolut keine Macht mehr über ihren eigenen Körper, egal wie sehr sie es versuchte, sie konnte sich aus Yasars Zauber nicht befreien.
Sie stiegen aus der Flytrain aus. Es war Mittag, die Sonne schien warm auf Elenas blasse Haut, aber sie fühlte nur Kälte. Sie hasste es abgrundtief, immer wieder verraten zu werden. Warum war sie nur immer so dumm und ging mit ihrem Vertrauen so leichtfertig um?
Yasar führte sie erst durch dunkle muffige Gassen, die nach gegehrten Bier stanken. Wenn Elena gekonnt hätte, hätte sie sich die Nase zu gehalten, aber sie konnte ja nicht mal den kleinen Finger bewegen, ohne das Yasar es befahl.
Elena war froh als sie aus der Braugasse raus waren, aber dann kam es noch dicker. Um so weiter sie in die Stadt westlich eindrangen, um so mehr Bettler begegneten ihnen, bis sie letzten Endes quer durch die Slums liefen. Hier standen an jeder Ecke Bettler, sogar oft auch verschmutzte Kinder. Elena empfand Mitleid mit ihnen, den sie wusste aus eigener Erfahrung wie es war, Hunger leiden zu müssen. Ihr Vater war zwar ein Adeliger gewesen, doch als er sich losgesagt hatte und in die Welt hinausgezogen war, ließ er mit dem Adel auch das Geld hinter sich und lebte von da ab in großer Bedürfnislosigkeit. Oft hatten sie kaum Geld um sich Brot zu kaufen oder auch nur irgendwelches Obst. Hin und wieder nahm ihr Vater Gelegenheitsjobs an, aber das Geld war immer knapp. Trotzdem hatte Elena die Reichen nie beneidet. Den es gab so viel Intrigen, Hass und Lästereien unter ihnen wie es hier wohl Hungernde gab. Selbst wenn Arme oft kein Geld für Essen oder Medizin hatten, gab es unter ihnen mehr Liebe oder zumindest Hilfsbereitschaft als es je bei den Reichen geben würde. Aber um eins beneidete Elena sie wirklich auch wenn sie sich etwas mies dabei vorkam. Diese Leute, die hier an fast jeder Straßenecken standen und Yasar um Geld baten, was er verwehrte, waren frei. Sie konnten tun und lassen was sie wollten. Sie mussten keine Angst haben, ausgeliefert zu werden und dann den Kopf abgeschlagen zu bekommen oder gehängt zu werden.
Sie bogen in eine kleine Seitenstraße ab, sie war eng und es drang kaum Licht herunter, dann kamen sie in einer andere Straße, die womöglich nahe der Hauptstraße lag, heraus. Zumindest sahen hier die Häuser weniger zerfallen aus und Bettler waren auch keine mehr zu sehen. Also mussten dies die Häuser der Mittelschicht sein, dachte Elena. Der Leute, die reich waren, weil sie dafür gearbeitet hatten. Händler, Handwerker, die im Laufe der Generationen Ersparnisse angesammelt hatten um einen einigermaßen sehenswerten Lebensstandard leben zu können. In der Regel waren sie freundlich und immer noch besser wie die meisten Adeligen, aber auch unter ihnen gab es schwarze Schafe. Sie hielten sich nicht lange in dieser Straße auf und bald darauf kamen sie die Gegend in der die höchstrangigen Adeligen wohnten. Die Häuser, oder viel mehr Villen waren prachtvoll. Die meisten hatten Gärten in denen Gärtner eifrig daran arbeiteten, Hecken zu stutzen oder Blumen oder sonstiges einzupflanzen. Was Elena auf jeden Fall sagen konnte war, dass diese Menschen alles tun würden, um ihren Protz zur Schau zu stellen und somit andere Adelige zu übertrumpfen. Vermutlich würden sie dafür über Leichen gehen.
Sie liefen eine Stunde durch die Straßen und wenn Elena mehr Zeit gehabt hätte, hätte sie sich bestimmt die Villen genauer ansehen, denn egal wie protzig das Ganze war, es war schon schön anzusehen, dass musste sie widerstrebend zu geben.
Als Elena gerade aus schaute, stockte ihr der Atem, am liebsten wäre sie stehen geblieben und wäre davongelaufen, aber Yasar hielt sie fest in seinem Bann. Das Herrscherschloss Menderans ragte vor ihr auf. Riesig und zauberhaft im romanischen Stil erbaut, rief es in ihr Ehrfurcht hervor. Es war riesiger und prunkvoller gebaut, als das von Basellik.
Der Zauber mit dem Yasar Elena belegt hatte, damit sie ihm gehorchte, war anstrengend und kräftezehrend, doch als das Schloss in Sicht kam, spürte er zum ersten mal in seinem Leben, wie sein Zauber zu bröckeln begann. Yasar verweilte schon eine lange Zeit auf Erden, aber das war ihm noch nicht untergekommen. Yasar war eins der stärksten dunklen Wesen, die es dieser Zeit gab, wie konnte es sein dass eine Halbvampirin drohte, seine Zauber brechen zu können. Er hatte schon unglaublich viele Wesen verzaubert, aber keiner hatte es je geschafft seinen Zauber zu brechen, er war zu stark. Aber gerade als Elena das Schloss gesehen hatte, wäre es fast so weit gewesen. Der Zauber hatte gebröckelt und wenn Yasar die Kontrolle verlor und der Zauber brach, hieß das zum einen dass es jemanden gab der ihn treffen konnte, was ihn irgendwie faszinierte und zum anderen hieß es das er große Probleme bekommen würde, wenn dies passierte bevor sie im Thronsaal seines Meister ankommen würden.
Durch den Zauber konnte Yasar auch Elenas Gedanken lesen. Oder zumindest einen verminderten Teil davon. Sie hatte sich über die Gegenden Gedanken gemacht, durch die sie gekommen waren und ihre jeweiligen Bewohner. Über solche Dinge machte Yasar sich schon lange keine Gedanken mehr. Trotzdem hatte er zu allem eine Meinung. Arme hießen für ihn nichtsnutzige Menschen, die nichts auf die Reihe brachten und keiner geregelten Arbeit nachgingen. Leute aus der Mittelschicht, waren meistens in Ordnung, aber leider gab es mehr Halunken, als Gute Menschen unter ihnen. Zu den Adeligen konnte er sagen, dass sie hinter ihrer reichgeschmückten Fassade, eiskalt und hinterhältig waren. Jeder betrog jeden. Sie waren meistens die schlimmsten Gauner. Für Yasar war einzig und allein sein Meister, der gütigste Mensch unter den Adeligen.
In der Nähe des Schlosses bog er seitlich ein, dann hob er eine Art Brett hoch und betrat den darunter versteckten Tunnel, der völlig im Dunkeln lag. Er spürte von Elena Angst herüber schwaben, doch sein Zauber schien noch zu halten. Jetzt durfte er bloß nicht nachlassen.
Der Tunnel war lang verlief aber die meiste Zeit gerade aus bis er im dunklen eine Biegung machte. Jeder der ins Schloss einbrechen wollte, würde versuchen diesen Weg zu nehmen, aber im dunklen sah er die Biegung nicht und ein Zauber sorgte dafür dass man kein Licht sei es Feuer oder Elektronik entzünden konnte. Falls ein Gauner, doch mal die Biegung fand würde er einigen Fallen begegnen die man nur mit höchster Magie ausschalten konnte und wenn man diese nicht kannte, dann starb man vermutlich hier unten. Doch Yasar kannte sie alle, den er hatte sie einst erschaffen.
Den Tunnel zu durch laufen beanspruchte viel Zeit, aber die hatten sie nicht. So drängte Yasar Elenas Körper zu Eile. Denn Yasar wusste nicht wie lang er den Zauber noch halten konnte, denn auch wenn er nicht bröckelte kostete er unstetig viel Kraft und Konzentration und nebenbei musste er ja auch noch die magischen Fallen ausschalten und wieder anschalten sobald sie an ihnen vorbei gegangen waren. Noch zwei lagen vor ihnen.
Also liefen sie weiter und nach etwa einer Stunde im Tunnel kamen sie an eine Treppe die hinauf zum Thronsaal führte. Mit Hilfe eines Gedankenrufes hatte Yasar seinen Meister bereits in Kenntnis gesetzt wo sie sich befanden und dass er sich bereit machen solle sie zu empfangen.
Yasar und Elena stiegen die kreideweißen Treppen hinauf. Die Treppe war hoch und lang, was ihn absolut nervte, aber er war nur für die Magie im Tunnel zuständig gewesen nicht für dessen Erbauung. Oben angekommen standen drückte Yasar gegen eine gewöhnlich aussehende Wand. Diese schob sich langsam auf und ließ Tageslicht in den dunklen Tunneln aufflackern, bevor sie hinaus in den Gang rannten und die Wand sich wieder zu schob. Dann gingen sie noch ein paar Meter, bis sie zu einer hohen roten Tür, die mit edlen Stuck verziert war kamen. Die Wachen vor der Tür verbeugten sich ehrfürchtig vor Yasar und ließen ihn an die Tür treten, an die er weder zu leise noch zu laut dreimal anklopfte, dann trat er einfach ein und schob Elena vor sich in den Raum. Ihre Angst verflog einen Moment als sie den Raum musterte. Die Wände und der Boden waren aus strahlend weißen Marmor. Die Wände waren schmucklos nur auf dem Boden lag ein roter Teppich, mit dem Wappen Menderans darauf.
Als Elena zu der Decke hinauf sah, musste er grinsen, denn sie schaute genauso wie er damals, als er die Glaskuppel, die die Decke ersetzte zum ersten Mal gesehen hatte. Man konnte den Himmel sehen, die Wolken die ihn bevölkerten und die Vögel die hoch oben flogen, wie kleine schwarze Punkte.
Doch prompt richtete Yasar seinen Blick wieder nach vorne. „Meister, hier ist sie! Elena.“, sagte er freudig.
Dann sah auch Elena nach vorne. Erst bröckelte der Bann nur, immer mehr und mehr, aber als sich sein Meister auch noch umdrehte und sie sein Gesicht sah, konnte er sie nicht mehr in Schach halten. Sie wurde leichenblass und gewann ihre Macht über ihren Körper zurück.
Elena spürte wie sie weiß wurde, als der Prinz sich zu ihr umdrehte. Wie konnte das sein? In ihrem Kopf spielte sich so viel auf einmal ab, dass sie schlagartig Kopfschmerzen bekam. Sie war so durcheinander, dass sie nicht einmal mehr mitbekam, dass sie ihren Körper wieder hatte. Erst als sie sprach ohne es gewollt zu haben, merkte sie es. „Aeron? Wie kann das...?“, ihre Worte verloren sich. Seine hellen, blonden Haare und seine grasgrünen Augen bewiesen es. Er war es. Aber wie konnte das sein? Er war doch ein Bote, oder? Wie konnte er hier sein? In Menderan vor dem Thron stehend mit der Krone des Prinzen auf dem Kopf. Elena verstand nichts mehr. Sie fühlte sich verraten und hintergangen. Am liebsten hätte sie sich auf dem Boden gekauert, aber dafür war jetzt keine Zeit. Sie musste weg. Und das schnell. Adrenalin durchströmte ihren Körper, dann rannte sie in Richtung Ausgang. Doch sie war kaum zwei Meter vorangekommen, als etwas sie umfing. Magie. Sie war kalt und labrig und hatte sie fest im Griff und zog sie zurück.
Sie schrie.
„Ich hatte gedacht, du hättest diesen Zwang Zauber bei ihr angewandt?“, fragte Aeron mit leichter Überraschung in der Stimme.
„Habe ich. Aber sie hat ihn gebrochen.“, erklärte Yasar missfällig und fühlte sich zum ersten Mal in seinem langen Leben wirklich schwach.
„Interessant.“, lautete Aerons kurze Antwort darauf, während er auf Elena zu ging, diese versuchte von ihm wegzukommen, aber sie schaffte es nicht sich erneut aus Yasars Magie zu befreien.
„Elena, habe keine Angst.“, bat Aeron sie, aber wie sollte sie den keine haben.
„Ihr seid ein Lügner und werdet mich ausliefern, wie sollte ich da keine Angst haben?“, sagte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch.
Aeron setzte ein freches Grinsen auf. „Wer sagt, dass ich dich ausliefern lassen werde?“, fragte er mit gespieltem Entsetzen.
Elena starrte ihn nur an. Was ging nur in ihm vor?
„Ich werde dich keineswegs ausliefern, dass schwöre ich auf die Ehre meines Thrones.“, gelobte er feierlich mit einer übertriebenen Geste, als er seine Hand auf sein Herz legte. „Nein, sagen wir ich habe das Gegenteil im Sinn.“
Elena hob fragend eine Augenbraue.
„Weißt du Elena, mir würde es nie in den Sinn kommen dich an Nero auszuliefern.“, Neros Namen sprach er mit einem komischen Unterton aus, was Elena nicht besonders gefiel, aber da sprach Aeron schon weiter, bevor sie so richtig darüber nachdenken konnte. „Ich will dich beschützen vor Baselliks übertriebenen Gesetzen.“, er verdrehte kurz die Augen.
Sie senkte den Blick, so als ob dort die Antworten auf ihre Fragen liegen würden. War das sein Ernst? Oder spielte er ein Spiel mit ihr, von dem sie nichts verstand? Vielleicht log er wieder, wie zuvor, zuzutrauen wäre es ihm. Fragen über Fragen stapelten sich in Elenas Kopf. „Warum?“, fragte sie plötzlich, da es eine der grundlegenden Fragen war.
Er lächelte sanft und kam näher zu ihr, dann berührte er sie sanft am Kinn. „Elena, ich habe dich damals schon belogen, weil ich dich schützen wollte. Nero ist dein Feind nicht ich.“, er sah ihr so zärtlich in die Augen, dass sie für einen Moment dahinschmolz, doch als sie Neros blaue Augen wieder vor Gesicht sah, wurde ihr klar, dass es falsch war ihm zu vertrauen. Sie zog ihren Kopf so weit es ging von ihm zurück, aber nützte kaum etwas. „Was soll das alles werden? Ich verstehe das nicht. Ich verstehe nichts. Was für ein Spiel, spielt ihr mit mir?“, platzte es wütend aus ihr heraus.
Aerons Gesichtsausdruck sah plötzlich todtraurig aus. „Elena? Ich weiß ich habe gelogen, aber nur um dich zu schützen, wie ich gerade erklärt habe. Wieso vertraust du mir nicht ein bisschen mehr? Es würde mir nie einfallen miese Spielchen mit dir zu treiben!“, sagte er und in seiner Stimme klang leichter Zorn, aber überwiegend Trauer mit.
„Weil mich alle hintergehen, seit ich ein verdammtes Halbwesen bin und mich alle am liebsten Tod sehen würden. Jeder will mich verraten oder töten oder beides. Ich kann nichts dafür was ich geworden bin, aber das scheint niemand zu verstehen!“, schrie sie außer sich.
„Elena.“, sagte er sanft und tröstend ihren Namen. „Ich weiß das du dazu nichts kannst. Und ich werde dich nicht hintergehen, ich verspreche es hoch und heilig.“, dann wirkte er nachdenklich. „Weißt du es gibt Dinge die du nicht weißt, die dir Nero nicht gesagt hat.“
Kein Laut war mehr im Raum zu hören. Es wuselten auch keiner Diener mehr herum. Nur Yasar, Aeron und sie waren noch im Raum und die Luft um sie herum wirkte erhitzt, ja fast gekocht. Man konnte die Anspannung regelrecht mit Händen greifen.
Aeron trat noch einen Schritt näher. „Ich nehme an du weißt nicht wer deine Mutter ist, nicht wahr?“, fragte er in die Stille.
Sie schüttelte nur den Kopf und hielt den Kopf gesenkt.
„Was weißt du über sie?“
„Nichts“, sagte Elena kleinlaut.
„Sagen wir es so, ich weiß so einiges über deine Mutter.“, Elena hob nur kurz den Kopf.
Er ließ sich Zeit bevor er weitersprach. „Deine Mutter ist ein Vampir und dein Vater ein Mensch, was dich zu einem Halbvampir gemacht hat. Sie floh, nachdem sie dich auf die Welt gebracht hatte, weil es sicherer für dich war. Schließlich warst du erst ein Mensch, also wollte sie dass du bei Menschen lebst. Aber deine vampirische Seite ist erwacht, dank Nero.“, erzählte er.
Scharf sah Elena ihn an. Woher wollte er all diese Dinge wissen?
„Sie hat es mir selbst erzählt. Deine Mutter meine ich.“, sagte er leise.
Elena sah ihn immer noch nicht an. Sie spürte wie ihr die Tränen aus den Augen kullerten. Sie fühlte sich völlig von Sinnen.
„Es ist die Wahrheit, Elena.“, wisperte er ganz nah an ihrem Ohr und wenn Elena eine Hand frei gehabt hätte, hätte sie ihn vermutlich geschlagen oder sonst was getan. Was erzählte er da nur für einen Unsinn? Glaubte er wirklich sie so täuschen zu können?
Er nahm ihren Kopf in beide Hände, damit sie ihn ansehen musste. „Merkst du es?“, fragte er ganz unvermittelt. „Der Wahnsinn, wie er in dir brodelt und dir jegliche Menschlichkeit raubt?“, er wischte ihr eine Träne von der Wange. „Bei normalen Vampiren hilft Menschenblut und nichts anderes, aber dich treibt es nur mehr in den Wahnsinn. Weißt du warum die Vampire Angst haben? Elena, sie haben Angst dass du sie tötest, weil dich Vampirblut stark macht. Stark genug das du sie alle töten könntest.“
Mit glasigen Augen sah sie ihn an. „Menschenblut treibt mich in den Wahnsinn?“, wiederholte sie ungläubig seine Worte und er nickte zur Bestätigung.
„Beiß mich.“, sagte Aeron ruhig. „Es wird dir helfen wieder klarer zu denken und du wirst deine Menschlichkeit nicht verlieren, zwar ist mein Dämonenblut nicht so gut wie das eines Vampires, aber es wird dir trotzdem helfen wieder klarer denken zu können..“
Erst war Elena entsetzt über den Gedanken ihn zu beißen, denn es kam ihr falsch vor, aber als er ihr den Hals offen darlegte und sie seine Halsschlagader praktisch pulsieren sah, gab sie den Widerstand auf. Die Halsschlagader schien sie quasi zu rufen und sie folgte diesem Ruf, ohne weiter nachzudenken und biss sie zu. Durchdrang seine Haut, die etwas fester, war als die der Menschen die sie bisher gebissen hatte, somit war es auch schwieriger an sein Blut zu kommen, aber letzten Endes strömte frisches, warmes Blut in ihren Mund und sie konnte es kaum fassen. Es schmeckte...besser, irgendwie sättigender als das von Menschen und das Brennen in ihrer Kehle wurde tatsächlich milder.
„Du kannst sie freigeben, Yasar.“, hauchte Aeron schwach. „Lass uns allein!“, befahl er verzögert.
Elena spürte wie der magische Druck auf ihrem Körper nachließ und fühlte sich plötzlich federleicht. Als ob sie schweben könnte. Aeron streichelte matt ihren Rücken. Es fühlte sich alles so gut, so als ob sie nur träumte. Aber sie glaubte nicht daran dass es ein Traum war, es war zu real. Und konnte sich ihr Kopf überhaupt so was tolles Ausdenken? Vermutlich nicht.
Elena hatte das Gefühl, dass Stunden vergangen waren, als Aeron sie sanft wegschob. Sie fühlte sich gesättigt und auf einmal fühlte sie sich unglaublich müde.
Dann sah sie Aerons bleiches Gesicht. Hatte sie ihm etwa zu viel Blut genommen? „War es zu viel?“, brachte sie mühsam hervor. „Du bist so...blass?“, stammelte sie, da sie sich kaum auf ihre Worte konzentrieren konnte und statt ihm in die Augen zu sehen, sah sie die Bisswunden an seinem Hals an.
„Nein, außerdem brauchtest du es. Dringend.“,krächzte er.
„Es war zu viel, tut mir Leid.“, entschuldigte sie sich bei ihm, aber er winkte nur locker ab. Schuldgefühle nisteten sich in ihr ein. Vielleicht hatten die Vampire doch damit Recht, dass sie sie töten wollten. Sie war wirklich ein Monster.
„Du solltest dich ausruhen.“, sagte er leise und klang dabei unglaublich müde. „Ich zeige dir dein Zimmer.“
Plötzlich gaben Elenas Beine nach und sie wäre beinahe auf den Boden gefallen, hätte Aeron sie nicht noch schnell an sich gezogen. Sie bettete ihren Kopf an seiner muskulösen Brust. Und atmete seinen Duft ein. Er roch gut. Irgendwie männlich, aber nicht unangenehm. Dann wurde alles um Elena herum schwarz.
„Sie schläft.“, sagte Aeron leise zu Yasar als er das Schlafzimmer verließ. „Sie braucht Ruhe.“, sagte er warnend und drückte Yasar ein schwarzes Buch in die Hand. „Das wolltest du doch oder?“
Yasar nickte. „Danke.“, dann ging er davon. Aeron starrte ihm hinter her, dann ging er wieder zu Elena und setzte sich an ihr Bett. Sie sah so friedlich aus, wenn sie schlief. Nur hoffentlich ging die Schwarze Farbe aus ihren Haare bald wieder raus, mit blonden Haaren sah sie einfach viel schöner aus.
Texte: Copyright by me
Tag der Veröffentlichung: 15.02.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich widme dieses Buch, allen die es lesen und hoffe über ehrliche Meinungen darüber.