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Ohne jede Gefühlsregung zog ich mir meinen roten Seidenmantel über. Mein schwarzes, lockiges Haar fiel an meinen Schultern hinab. Die Existenz des Mannes hinter mir nahm ich gar nicht mehr wahr. Ich hatte meine Aufgabe erfüllt, nun nur noch ein wenig Honig ums Maul schmieren, dann würde ich die nächste Phase meines Plans beginnen können. Der Zigarettenqualm der den Raum erfüllte widerte mich an. Ich hasste diesen Geruch, doch würde ich nichts sagen. Denn ich wollte seine Gunst nicht verlieren. Doch dieser Qualm...er brachte die Erinnerungen zurück...jene schmerzhaften Momente, die mich in meine jetzige Situation brachten...
Und wie so schon oft, verlor ich mich in meiner Vergangenheit....


Es war ein ganz normaler Tag. Oder auch nicht. Heute war mein Geburtstag. Ich war so glücklich, da mein Vater heute ausnahmsweise Zuhause war. Selten war dies der Fall. Meine Mutter war bei meiner Geburt gestorben, er war das Einzige was ich noch hatte. Doch leider war es eine Seltenheit ihn anzutreffen. Ich nahm es ihm nicht übel, er arbeitete hart, damit ich ein gutes Leben haben konnte.
Lächelnd lief ich die alten Holztreppen unseres Hauses hinab. Meine Schritte waren federnd. Mein 16. Geburtstag sollte unvergesslich werden. Und das wurde er auch, doch konnte ich nicht ahnen in welcher Art.
„Philyia.“, hörte ich eine tiefe Männerstimme hinter mir sagen. Ich drehte mich um.
„Vater!“, rief ich erfreut und rannte die Treppe wieder hoch. Er war ja schon da! Freudig umarmte ich ihn und gab ihm einen Kuss auf seine Wange.
„Mein Kind. Ich kann gar nicht glauben, dass du schon so groß bist. Alles gute zum Geburtstag, mein Schatz.“
„Danke, Vater!“
Ich umarmte ihn fest. Es war schon mehrere Wochen her, seitdem ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. In seinem kurzen Vollbart waren schon einige graue Haare zu erkennen. Die Krähenfüße in seinem Gesicht waren größer geworden, doch passte es zu ihm. Sein Aussehen verstrahlte Wärme, Freundlichkeit. Er war ein guter Mensch. Zusammen liefen wir raus vor das Haus. Es war umgeben von einem Wald, abgelegen. Wunderschön. Hier hatte man seine Ruhe. Wir machten einen kleinen Spaziergang durch den Wald. Vögel zwitscherten, Insekten summten. Angenehme Kühle wurde von dem Wald ausgestrahlt. Ein kleiner Bach plätscherte neben uns.
Wir redeten über belanglose Dinge und entschieden uns nach einer kleinen Ewigkeit zurück zu unserem Haus zu gehen.
Nach dem Mittagessen fuhren wir zusammen in die Stadt, er kaufte mir Geschenke. Kleider, Schuhe, ein wunderschönes blaues Haarband, was mein bronzenes Haar zur Geltung brachte. Gegen Abend kamen wir Zuhause an und dann sollte es geschehen. Zuerst wirkte alles ganz normal, das Einzige was mich irritierte, war der schwarze Jaguar der vor unserem Haus parkte. Es passte nicht in die Szenerie und ließ mir ein sehr ungutes Gefühl in der Magengrube aufsteigen. Als wir an dem Auto vorbei gingen, war es zu meiner Verwunderung leer. Mein Vater bedeutete mir, ihm zu folgen. Sie warteten in unserem Wohnzimmer. Es waren fünf Männer in schwarzen, teuren Anzügen. Armani würde ich meinen. Mein Vater war mit einem Mal leichenblass. Schweißperlen sammelten sich auf seiner Stirn. Ich verstand nicht. „Ah, Julius. Willkommen Zuhause, wir haben auf dich gewartet.“
Die Stimme des Mannes der Sprach war rauchig. Er saß in unserem einzigen Sessel. Zwei Männer standen dich neben ihm. Die anderen beiden im Raum verteilt.
„Salvatore...was tust du hier?“
„Ich? Ich wollte nur einen alten Freund besuchen.“
Er hatte einen italienischen Akzent. Er wirkte nicht direkt groß, er war eher ein Mittelding. Die Kerle um ihn herum jedoch, waren im wahrsten Sinne des Wortes Schränke.
„Oh, ist das etwa deine Tochter? Die kleine Philyia?“
„Ja. Schatz? Gehst du bitte hoch in dein Zimmer? Ich müsste mich mal in aller Ruhe mit meinem alten Freund Salvatore unterhalten.“
Ich sah meinen Vater für einen Moment an. Es war ihm Ernst.
„In Ordnung. Gute Nacht. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Abend. Bis morgen, Vater.“
Ich lächelte und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Dann lief ich die Treppe in mein Zimmer hinauf. Als ich alleine in dem Raum war, kam das ungute Gefühl wieder auf. Warum hatte Vater so nervös gewirkt? Es war als hätte er Todesangst empfunden. Ich hatte Angst. Fürchtete mich. Nach 10 Minuten hielt ich es nicht mehr aus. Leise öffnete ich meine Tür, zog meine Schuhe aus und schlich wieder herunter. Vorsichtig lugte ich um die Ecke. Der Mann saß immer noch in dem Sessel. Mein Vater stand noch immer. Das Einzige was sich verändert hatte, war das nun die Zwei die nur im Raum rumgestanden hatten, hinter ihm waren. Er war eingekreist. Sie unterhielten sich.
„Salvatore, bitte! Ich beschaffe dir das Geld! Gib mir bitte einfach nur noch ein wenig mehr Zeit.“
„Ich habe dir lange genug Zeit gegeben. Sie ist abgelaufen.“
„Bitte.“
„Du wirst dafür bezahlen müssen, mein Freund. Und wenn du es nicht kannst, muss es deine Tochter eben.“
„Salvatore, bitte. Meine Tochter hat heute Geburtstag. Halte sie da raus. Sie weiß nichts davon. Bitte.“
Er antwortete nicht. Das Einzige was sich veränderte, war sein Gesichtsausdruck. Er wurde zu einem hämischen Grinsen.
„Du wirst zahlen.“
Eine Bewegung. Eine einzige. Er richtete seinen Arm auf, eine Waffe in seiner Hand. Meine Augen wurden groß. Es gab keinen wirklichen Knall. Man sah nur wie er abdrückte und wenige Sekunden später sackte mein Vater wie eine leblose Puppe in sich zusammen. Tränen der Wut und des Schmerzes traten in meine Augen. Ich rannte die Treppe hoch, in mein Zimmer. Versteckte mich in meinem Schrank. Weinte. Es konnte nicht wahr sein! Nicht mein Vater. Nein!
Ich hörte wie meine Zimmertür geöffnet wurde. Ich erstarrte. Verstummte. Wollten sie mich jetzt etwa auch töten? An meinem Geburtstag? Die Schranktür wurde geöffnet. Mit großen Augen starrte ich hinauf. Dort stand er. Der Mörder meines Vaters.
„Hallo, Bella Philyia. Was tust du denn hier alleine in dem Schrank, weinend? Gibt es einen Anlass dafür?“
Ich antwortete nicht. Dieser Mann...am liebsten würde ich ihn mit meinen bloßen Händen erwürgen. Er zog mich einfach hoch, schleuderte mich auf mein Bett.
„Ich habe gehört, dass du heute Geburtstag hast. Ich möchte dir ein kleines Geschenk geben.“
Er sah mich an. Seine dunklen Augen blitzten auf und ich verspürte nichts außer Angst. Angst und Wut. Er schien es zu merken.
„Du hast es gesehen, nicht wahr Bella Philyia?“
Ein widerliches Grinsen auf seinem Gesicht.
„Wieso haben Sie das getan? Wieso?“
„Weil er seine Schulden nicht beglichen hat. Ganz leicht. Mit mir sollte man sich lieber nicht anlegen.“
„Wer sind Sie?“
Ich zitterte am ganzen Körper, sah ihm aber trotzdem fest in die Augen. Er beugte sich leicht zu mir hinab.
„Ich bin der Albtraum jedes Mannes, begehrt von jeder Frau. Man nennt mich Salvatore Giamatti und glaub mir, diesen Namen wirst du nie vergessen.“
Dann riss er mein Kleid auf, ich begann zu schreien und mich zu währen. Schlug um mich, doch er drückte mich mit Leichtigkeit hinab. Mir wurde schlecht. Seine Hände wanderten über meine blasse Haut, während er sich meiner Sachen entledigte. Nein! Das würde er nicht tun, doch dann tat er es. Zwanghaft drang er in mich ein, ich schrie noch viel lauter. Heiße Tränen rannen an meinen Wangen hinab, ich spürte wie mir die Galle hochkam. Ich kratze, biss, trat, schlug und dennoch wollte er nicht aufhören. Er machte weiter, immer weiter. Ich spürte ihn überall, seinen heißen Atem an meinem Hals, sein Geruch erfüllte die Luft.
Nach einer halben Ewigkeit war es vorbei. Er lachte und steckte sich eine Zigarette an. Der Rauch widerte mich fast so sehr an, wie er selbst. Ich fühlte mich so dreckig, beschmutzt.
„So, ich denke damit wäre die Schuld deines Vaters beglichen. Jungs, sie gehört euch.“, meinte er mit seinem italienischem Akzent und verschwand aus dem Raum. Gerade als ich dachte das der Albtraum vorbei wäre, begann er von Neuem. Nur noch viel schlimmer. Und ja, den Namen dieses Mannes würde ich nie vergessen...


„Oh, Stella. Die Zeit mit dir war wieder ein Hochgenuss.“, ertönte die Stimme des Mannes hinter mir. Ich setzte ein falsches Lächeln auf und drehte mich um.
„Vielen Dank, Alberto. Doch mit dir kann ich nicht mithalten. Ich würde mich freuen, wenn du mich weiterempfehlen würdest...“
Ich kniete mich aufs Bett und krabbelte auf allen Vieren auf ihn zu. Mein Blick verführerisch. Langsam senkten sich meine Lippen auf seinen Hals.
„Ja, ich wäre dir sehr...sehr dankbar...und würde dies auch angemessen zur Geltung bringen.“
Meine Stimme war ein einziger Hauch und erzielte ihre gewünschte Wirkung als ich sah, wie sich seine Nackenhaare aufstellten.
„Ich werde mein Bestes geben. Glaub mir.“
Er wollte mich küssen, doch ich rutschte nach hinten, mit einem Grinsen in meinem Gesicht.
„Deine Zeit ist um, mein Süßer. Aber glaub mir ich werde dich belohnen, wenn du das nächste Mal kommst.“
Er grinste und begann sich anzuziehen. Er drückte mir das Geld in die Hand.
„Hier und das ist Extra. Ich werde Monique sagen, dass du ab jetzt meine Favoritin bist. Kauf dir was schönes davon.“
Er zwinkerte mir zu und verschwand. Ich begann mein Geld zu zählen. Er hatte mir Fünfhundert Extra gegeben. Davon konnte ich mir neue Garderobe kaufen. Ich lief zu meinem Schrank und verstaute das Geld in meinem kleinen Tresor. Dann begann ich mich anzuziehen. Wenige Minuten später kam Monique herein.
„Hallo, meine Hübsche.“, grinste die Rothaarige mich an.
„Monique.“, grinste ich zurück.
Sie lehnte lässig an der Tür, ihre Arme locker verschränkt.
„Alberto sah sehr glücklich aus. Du bist schon wieder im Rang gestiegen.“
Sie zwinkerte mir zu.
„Der Dritte diese Woche. Du bist mein kleines Goldmädchen.“
Monique kam auf mich zugelaufen und half mir mein Kleid zuzubinden. Sie war die Leiterin des...wie konnte ich es nennen? Bordell? Nicht wirklich. Ich selbst sah mich eher als Mätresse...obwohl selbst diese Huren waren. Ich suchte mir meine Freier selbst aus, entschied mich nur für die mit hohem Rang. Ich brauchte sie. Brauchte sie um meinem Ziel näher zu kommen.
„Alberto steht sehr hoch in der Gunst von Giamatti. Er ist einer seiner Berater.“
„Wirklich? Das hatte ich nicht gewusst.“
Ich wusste das er angesehen war, aber nicht das er in der Gunst meines Nemesis stand.
„Albertos Frau war letztens hier und hatte einen kleinen Plausch mit mir. Sie erzählte mir davon, dass demnächst ein sehr wichtiges Ereignis stattfinden wird. Die höchsten Tiere ihrer Familia werden da sein. Aber auch viele Lustdamen. Jede wartet auf eine Chance, jemand höheren zu bekommen. Du könntest dort auch hingehen,jedoch bräuchtest du eine Begleitung. Alberto muss seine Frau Emilia mitnehmen, auch wenn sie lieber mit ihrem Lustknaben gehen würde. Doch brauchst nur noch einen Freier, dann steht deine große Chance bevor...“
„Wirst du hingehen?“
„Natürlich. Paulo nimmt mich mit. Er fragte mich heute, nachdem wir es...sehr eingängig diskutiert hatten.“
Sie zwinkerte mir zu. Ich verlor mich in meinen Gedanken. Wer könnte mich mitnehmen? Die Meisten meiner Kunden waren verheiratet. Und die die es nicht waren, waren nicht wichtig genug. Was sollte ich tun?
„Grüble nicht so viel, davon bekommt man Falten. Es wird sich schon noch eine Gelegenheit ergeben. Es sind noch fast zwei Wochen Zeit.“
Ich nickte. Trotzdem drängte die Zeit. Dies war meine Gelegenheit. Die Chance auf die ich schon so lange gewartet hatte.
„Du hast heute keine Freier mehr, oder?“
„Nein, wieso?“
„Nun ja, ich dachte mir das wir beide ein wenig shoppen gehen könnten. Ich kenne eine Ecke in der sehr interessante Leute mit ihren Frauen einkaufen gehen.“, grinste sie als ich mich zu ihr umdrehte. Ich nickte. Schnell steckte ich mein schwarzgefärbtes Haar hoch und frischte mein Make-Up auf. Dann liefen zu ihrem Auto und fuhren los.


Gelangweilt saß ich da und wartete auf meine kleine Schwester, die sich in der Umkleidekabine befand. Ich Anthony Garcia, war von ihr dazu genötigt wurden mit ihr Sachen kaufen zu gehen. Zum Glück war ich nicht der Einzige der litt. Mein bester Freund Jerry war ebenfalls hier. Man hatte einfach keine Chance gegen die kleine Blondine. Seufzend sah er auf sein Handy. Sie war da jetzt schon mindestens 10 Minuten drin. Mein Nacken war steif und ich könnte einschlafen. Just in dem Moment als ich das dachte, öffnete sich der Vorhang und sie kam heraus. Sie trug ein pinkes Vintage Kleid.
„Und? Wie sehe ich aus?“
„Wundervoll!“, begann Jerry sofort.
„Pink ist nicht deine Farbe. Probiere lieber ein blaues an.“
„Du hast Recht, Bruderherz. Aber der Schnitt ist doch fantastisch, oder?“
„Natürlich. Beeile dich aber bitte. Lange können wir nicht mehr sitzen.“
„Dazu zwingt euch doch auch keiner. Ihr könnt euch doch umschauen gehen.“
Damit verschwand sie wieder in der Kabine und wir standen auf.
„Lass uns in den Abteil da drüben gehen.“, meinte er und zog mich mit sich. Was hatten denn alle nur, dass sie mich immer dabei haben mussten?
Wir liefen in eine Frauenabteilung. Natürlich. Er war zurzeit Single und suchte nach etwas. Auch ich begann mich umzusehen, nicht wirklich interessiert, aber dennoch. Ich hatte Langeweile. Sofort fielen mir zwei Frauen ins Auge. Ich stupste Jerry an. Beide waren groß und sehr schlank. Die Eine hatte dunkelrotes, hüftlanges Haar. Die Andere schwarzes was sie hochgesteckt hatte. Jerry bekam große Augen.
„Die Eine kenne ich. Das ist Monique. Sie hat einen wirklich fantastischen...Laden. Aber die Andere ist mir unbekannt. Sieht ganz schön gut aus.“
Er fuhr sich durch die Haare. Ich konnte ihm nur Recht geben. Die Schwarzhaarige sah wunderschön aus. Sie trug ein schwarzes Minikleid, was ihre langen leicht gebräunten Beine zur Geltung brachte. Sie standen vor Abendkleidern.
„Ich glaube ich gehe mal Hallo sagen. Kommst du mit?“
„Lieber nicht.“, murrte ich und lief ein Stückchen weiter. Mir war aufgefallen, das die Schwarzhaarige weiterlief, während der Rotschopf vor dem einen Kleid stand. Jerry lief zu ihr.
Die Schwarzhaarige lief zu einem Kleid, was wahrlich umwerfend war. Es war von einem dunklen Türkis. Figurbetont, lang und fast rückenfrei. Sie legte ihren Kopf schief und stand einige Minuten lang davor. Dann kam Jerry wieder zu mir gelaufen und lenkte mich ab.
„Tony, ich weiß jetzt wer sie ist. Monique hat es mir gesagt. Ihr Name ist Stella Romano und sie ist 21 Jahre alt. Sie arbeitet für sie. Monique hat mir ihre Karte gegeben und macht einen Termin aus. Sie entscheidet dann, wie es weitergeht. Ich kann nicht glauben, dass Moni so ein Mädchen in ihrem Geschäft hatte...“, brabbelte er drauf los. Stella also. Stella Romano, ein Name der es wert war gemerkt zu werden. Irgendwie hatte ich das Gefühl, das dies nicht das letzte Mal gewesen sein würde, das ich sie sah.

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Tag der Veröffentlichung: 22.05.2011

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