Prolog
Er zwinkerte ihr zu, dann sprang er auf und streifte seine Schuhe ab. „ Was hast du vor?“ frage Kathy verwundert. Julian antwortete nicht, streifte stattdessen T-Shirt und Hose ab, bis er letztendlich in Boxershorts vor Kathy stand. Sie schaffte es nicht ihren Blick abzuwenden und starrte ihn mit offenem Mund an. Er hatte eine gut gebräunte Haut und war am ganzen Körper leicht bemuskelt. Genauso wie sie es mochte. Von richtigen Bodybuildern hatte sie noch nie etwas gehalten. Er schenkte ihr ein breites Lächeln, nahm Anlauf, sprang vom Steg und tauchte mit einer gekonnten Arschbombe ins Wasser ein. Schützend hob Kathy sich die Arme vors Gesicht, als eine Fontäne aus der Stelle, in der Julian eingetaucht war, hinaufschoss. Trotzdem war sie von oben bis unten klatschnass und warf Julian einen klagenden Blick zu. Da bemerkte Kathy, dass ihr weißes Top jetzt durchsichtig geworden war und man ihren schwarzen BH nur zu deutlich erkennen konnte. Julian schwamm zurück zum Steg und hiefte sich aus dem Wasser. „ Nass geworden? Hab gar nicht bemerkt, dass es geregnet hat.“ Noch bevor Kathy sich eine passende Antwort überlegen konnte, hatte Julian seine Arme um ihre Taille geschlungen und sie hochgehoben. „Nein, lass mich runter! … Julian…“ weiter kam sie nicht, denn Julian hatte sie schon ins kalte Wasser geworfen. Sekunden vergingen, doch sie tauchte nicht wieder auf. „Kathy? Kathy!“ Julian nahm erneut Anlauf und sprang in den See. Dieses Mal mit einem eleganten Spicker. Unter Wasser packten auf einmal zwei Arme von hinten. Julian drehte sich schnell herum und sah in Kathys grinsendes Gesicht. Zusammen tauchten sie wieder auf. „Ha, ich hab dich erschreckt.“ lachte sie. Doch Julian war nicht zu Lachen zumute. „ Das war überhaupt nicht komisch.“ konterte er. „Oh doch. Du hättest dein Gesicht sehen sollen. Außerdem geschiehts‘ dich recht… mich einfach so mit Kleidung ins Wasser zu werfen.“ Julian setzte sich wieder auf den Steg und zuckte die Schultern. „ Du solltest deine Kleidung vielleicht ausziehen..."
Kapitel 1
Abschied
Das trübe Licht, das durch Kathys Zimmerfenster viel, riss sie aus ihrem traumlosen Schlaf. Müde und verschlafen setzte sie sich in ihrem Bett auf und warf einen Blick auf den Wecker. Es war Samstag und schon elf Uhr. Kathy hatte sich schon darauf eingestellt, dass es vermutlich der schlimmste Tag in ihrem Leben werden würde. Ihr Vater würde zusammen mit seiner Freundin Lisa nach Wales ziehen, um seinen Job behalten zu können. Ihre liebe, durchgeknallte Großmutter würde deshalb ins Altersheim geschickt werden und sie … tja, sie würde zu ihrer Mutter nach Cornwall ziehen. Für Kathy war es eine verwirrende Situation, denn sie hatte ihre Mutter nicht mehr gesehen seit sie vier Jahre alt war. Um es genauer auszudrücken, es sind zwölf Jahre vergangen seitdem sie ihre Mutter das letzte Mal gesehen hatte. Denn dann verliebte diese sich in einen berühmten Turnierreiter und verließ ihren Mann und ihre Tochter, um mit ihm ein neues Leben anzufangen. Kathy redete nicht viel mit ihrem Vater darüber. Alles was sie über ihre Mutter wusste war folgendes. Sie hieß Anne, müsste um die vierzig Jahre alt sein, wohnte mit ihrem neuen Ehemann Phil auf einem großen Pferdehof in Cornwall und die beiden hatten drei Adoptivkinder. Sie vermutete, dass Phil zeugungsunfähig war. Deshalb die Adoptivkinder. Und jetzt würde Kathy selbst zu dieser Familie gehören. Schlecht gelaunt stieg sie die Treppe hinunter und setzte sich in die Küche um zu frühstücken. Ihr Vater würde erst am Nachmittag nach Hause kommen, um ihre Großmutter ins Altersheim zu bringen. Dann würde er sie zum Flughafen bringen und nächste Woche selbst nach Wales fliegen. Kathy wollte am liebsten anfangen loszuheulen, wenn sie daran dachte, dass sie bald nicht mehr in London sein würde, weit weg von ihrer Großmutter, weit weg von ihrer besten Freundin Tess und weit weg von ihrem Vater. Sie sollte bei Fremden wohnen und auf eine neue Schule gehen. Warum wollte ihre Mutter plötzlich nach all den Jahren, dass Kathy bei ihr wohnte? Soweit sie wusste, war die Sache mit der Erziehungsberechtigung schon geklärt. Im Bad brauchte sie heute viel länger als sonst. Sie fühlte sich träge und hatte keine Lust, dieses Haus für immer verlassen zu müssen. In einer Sache war sie sich sicher. Sie würde Cornwall längst nicht so mögen wie London. Hier war sie geboren und hier lebte sie- bis jetzt.
„Na Maus, bist du fertig?“, hörte sie am Nachmittag ihrem Vater von unten rufen. „Ja Dad, bin gleich da!“ rief sie und schnappte sich einen Koffer. Er war ziemlich schwer und Kathy hatte fast 5 große Koffer vollgestopft. In ihnen waren alle ihre geliebten Kleiderstücke. Ihre Lieblingsbeschäftigung war shoppen. Noch ein Grund warum Kathy Angst hatte zu diesen Pferdefreaks zu ziehen. Denn die würden bestimmt nicht am Wochenende mit ihr in die Stadt fahren um shoppen zu gehen, sondern für irgendwelche blöden Turniere trainieren. Als alle Koffer im Auto verladen waren, und ihre Großmutter bereit war, fuhren sie los. Das Altersheim war eine halbe Stunde entfernt und sah schon von weitem ziemlich hübsch aus. Es waren mehrere große Gebäude und nebenan ein Park in dem die Alten spazieren gehen konnten. Alle stiegen aus um sich von Oma Kathleen zu verabschieden. Kathy stiegen Tränen in die Augen, als sie ihre Großmutter fest an sich drückte und ihr einen Kuss auf die Wange gab. Sie wusste, dass es Kathleen hier nicht sehr gefallen würde, doch sie hatten keine andere Wahl gehabt. Sie würde ihre Großmutter schrecklich vermissen. „ Komm mich besuchen Kind. Wir sehen uns spätestens an Weihnachten, da feiern wir alle zusammen in Wales bei deinem Vater. Und bitte Kathy pass auf dich auf, ja. Und Finger weg von Jungs verstanden?“ Kathy nickte stumm und setzte sich wieder ins Auto. Tränen liefen über ihre Wangen und trotzdem schaffte sie es sich ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Ihre Großmutter war schon immer skeptisch gewesen was Jungs anging. Automatisch musste Kathy an Marc denken. Lisa, die Freundin ihres Vater, drückte sie fest an sich. „Peter begleitet Kathleen noch hinein und trägt ihr die Koffer aufs Zimmer, dann können wir weiter.“ Kathy fühlte sich durch Lisas Worte nicht erleichtert sondern noch viel schlimmer. Als nächstes würde sie abgesetzt werden. Die Fahrt zum Flughafen dauerte wegen übermäßigem Stau fast eine Stunde und Kathy war in der Zwischenzeit eingeschlafen.
„Kathy,… Kathy wach auf, wir sind da.“ Ihr Vater rüttelte ihr sachte die Schultern. Müde öffnete sie die Augen und hätte sie am liebsten wieder geschlossen, als sie einen Blick auf die vielen Flugzeuge und die Landebahn warf. Doch stattdessen erhob sie sich und trottete hinter ihrem Vater ins Gebäude. Der Abschied war kurz, da sie spät dran waren und das Flugzeug nicht auf sich warten ließ. Sie drückte Peter und Lisa ganz fest und es gab für jeden einen Abschiedskuss. Dann folgte sie der Stewardess zum Flugzeug. Den ganzen Flug über hatte sie geschlafen um ihren Kummer zu betäuben.
Kapitel 2
Die neue Familie
Erst als die Maschine landete erwachte sie und fühlte sich ausgeschlafen, oder besser gesagt hellwach. Ihre Mutter würde sie vom Flughafen abholen. Sie wusste nicht wie ihre Mutter aussah, doch ihr Vater hatte Anne ein Bild von ihr geschickt, damit sie Kathy besser finden konnte. Es dauerte ganze zehn Minuten bis eine große, schlanke Frau auf sie zukam. Sie hatte dunkelblonde Haare und strahlend blaue Augen- genau wie Kathy. „Hey, bist du Katharina?“ sagte die Frau und lächelte sie unsicher an. „ Ja, aber alle nennen mich Kathy.“ Antwortete sie und lächelte zurück. „ Ja, das weiß ich… ich habe dich früher immer so genannt.“ erklärte die schöne Frau und ihr Lächeln wurde noch breiter. „ Aha,“ das war alles was Kathy herausbekam. Die Situation war so komisch, dass sie am liebsten laut losgelacht hätte. „Würde es dir was ausmachen, wenn ich dich in die Arme nehmen würde?“ Kathy schüttelte den Kopf und umarmte zum ersten Mal, seit sie sich erinnern konnte, ihre Mutter. Schweigend liefen sie nebeneinander her, bis sie Annes roten Smart erreichten. Die Fahrt dauerte nicht lange und die beiden schwiegen bis Anne anfing von ihrer Familie zu erzählen. „Phil ist ein ganz netter, ich glaube du wirst ihn mögen. Wir haben drei Adoptivkinder, Julian, Mandy und Leo. Julian ist siebzehn, Mandy sechszehn und Leo zehn. Ich glaube du wirst dich prima mit Mandy verstehen. Sie ist in deinem Alter und sie hat sich riesig gefreut, als sie hörte, dass du zu uns kommen würdest.“ Kathy viel auf, dass Anne sehr gesprächig war. Sie selbst sagte fast nichts und nickte nur ab und zu. Anne erzählte ihr von dem Hof und den Pferden. „ Ja, Pferdefreaks!“ dachte Kathy. Als nächstes kamen sie an einer kleinen Stadt vorbei, oder wie Kathy es bezeichnen würde DORF. Hier würde sie zur Schule gehen. Immerhin gab es hier ein paar Einkaufsläden und einen Bäcker. Nach einer Landstraße bog man links in einen Waldweg ein und um die nächste Ecke lag der Hof. Er war wirklich riesig und hatte viele Weiden. Anne hatte gesagt, sie hätten 60 Pferde. Davon waren nur 10 Turnierpferde. Der Rest waren Zuchtpferde und es gab noch ein Paar Ponys. Anne hielt mitten im Hof und als Kathy ausstieg kroch ihr der Stallgeruch in die Nase. Der Geruch von Heu und Stroh war ungewohnt und als sie an der Miste vorbeiliefen, hätte Katy fast gekotzt. Das Wohnhaus war ziemlich hübsch und in einem Hellgrün angestrichen. „ Ähm, Kathy? Wunder dich nicht über Julians verhalten. Es ist etwas schwierig, naja … ich habe das Gefühl, dass es ihn nicht so sehr wie Mandy freut, dass du kommst.“ Kathy versuchte den Klos, der in ihrem Hals gewachsen war herunterzuschlucken, was ihr jedoch nicht gelang. Sie hatte also auch noch einen Adoptivbruder, der sie nicht leiden konnte. Na ganz toll. Im Haus sah Kathy zuerst die schicke Inneneinrichtung. Reich waren sie also auch noch. Ein altmodischer Kamin wahrscheinlich aus Marmor zierte das Wohnzimmer. Auf dem schwarzen Ledersofa in der Ecke saß ein zierliches Mädchen. Ihre kurzen hellbraunen Haare hatte sie zu einem Zopf zusammengebunden. Als sie Kathy erblicke sprang sie auf, kam lächelnd auf sie zu und umarmte sie stürmisch. „Hey Kathy, willkommen in der Familie, ich bin froh, dass du gekommen bist.“… Mandy plapperte wie ein Wasserfall, doch Kathy hörte ihr nicht weiter zu. Sie war zu sehr damit beschäftigt, das nächte Familienmitglied zu betrachten, das gerade die Treppen heruntergerannt kam. „ Hey Kathy, ich bin Leo. Schön, dass du da bist. Mom… du, also Lenni hat gerade angerufen und gefragt ob ich mit zum See schwimmen gehen will.“ Jetzt sah Anne verärgert aus. „Leo, ich hab dir gesagt, dass du heute nirgendwo wegsollst, weil Kathy gekommen ist.“ Leo machte ein ganz unglückliches Gesicht und Kathy kam sich sofort schuldig vor. „ Ach lasst ihn ruhig gehen, dafür ist auch morgen noch Zeit.“ schlug sie vor und Leo schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. „Na gut , aber zum Abendessen bist du wieder daheim.“ rief Anna Leo hinterher, der bereits zur Haustür verschwunden war. Mandy packte Kathy am Arm und zerrte sie die Treppen hinauf „ Komm, ich zeig dir dein Zimmer.. es ist gegenüber von meinem.“ Zum ersten Mal an diesem Tag fühlte Kathy sich wohl und das lag einzig und allein an Mandy. Die beiden Mädchen stiegen die Treppen hinauf und Mandy zeigte Kathy den ganzen Stock. Nur ein Zimmer blieb verschlossen. „Was ist das für ein Zimmer?“ wollte Kathy wissen und deutete mit dem Finger auf die Tür. „ Oh, das ist das Zimmer von Julian .. aber das betreten wir lieber nicht“. Kathy antwortete nicht darauf, nahm sich aber vor, Mandy ein anderes Mal über Julian auszufragen. Nachdem Mandy ihr geholfen hatte ihren Koffer auszuräumen, und ihre Sachen in den Schrank zu räumen, rief Anne zum Abendessen. Phil war nach Hause gekommen und begrüßte Kathy herzlich in der Familie. Auch Leo war nach Hause gekommen und hatte seinen Freund Lenni mitgebracht. Dieser wollte heute bei Leo übernachten. Alle waren da, außer einem. Julian. Kathy hatte sich schon damit abgefunden, dass sie ihn vorerst wahrscheinlich nicht zu Gesicht bekommen würde. Und letztendlich war es ihr auch egal. Beim Essen erzählte Mandy Kathy von der Schule und dass es in der Nähe vom Hof einen See gab und sie auch mal zusammen hin reiten könnten. Kathy lehnte die Idee mit dem Reiten ab, sie erzählte, dass sie noch die auf einem Pferd gesessen sei. „Ach was, das macht doch nichts. Dann nimmst du eben Winni Pooh, der kleine Racker ist ein ganz lieber und vor Ponys wirst du doch keine Angst haben oder?!“ Nach kurzem überlegen willigte Kathy schließlich ein und Mandy schlug vor ihr am nächsten Tag das kleine Pony vorzustellen. Am Abend legte sich Kathy früh schlafen. Der Tag war anstrengend gewesen, aber sie war froh darüber in diese nette Familie gekommen zu sein.
Sie träumte ziemlich unruhig und erwachte mitten in der Nacht. Als sie zur Tür blickte und jemanden im Türrahmen lehnen sah, stieß sie einen leisen Schreckenslaut aus. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie die Person an. Sie war groß und schlank. Ein Junge. Ein Einbrecher? Was sollte sie tun? Gerade als sie noch einmal Luft holen wollte um einen lauten Schrei auszustoßen, legte der Junge sich den Zeigefinger auf die Lippen. „ Pssssscht! Nicht so laut.. Entschuldigung dass ich dich erschreckt habe. Deine Tür stand offen und da hab ich mir mal einen Blick hinein erlaubt.“ flüsterte er und betrat langsam das Zimmer. Kathy sah jetzt, dass er nur eine Boxershorts trug. „ Ich bin Julian, du musst Katharina sein.“ Flüsterte er weiter und setzte sich auf die Bettkante. Kathy setze sich auf und brauchte eine Weile um sich zu fassen. „ Ähhm … Kathy.“ stammelte sie und spürte, dass sie rot wurde. Gott sei Dank war es dunkel und er konnte es nicht sehen. „ Okay, Kathy. Ich lass dich mal weiterschlafen. Wir sehen uns dann morgen.“ hauchte er und erhob sich. Kathy wollte die Hand nach ihm ausstecken und ihn aufhalten aber stattdessen sank sie zurück in ihr Kissen und wartete, bis Julian das Zimmer verließ. Sie merkte, dass sich ihr Herzschlag verschnellert hatte und ihr Atmen stoßweiße kam. Wieso hatte sie ihn eigentlich zurückhalten wollen? Als sie keine Antwort fand, beschloss sie die Frage zu verwerfen. Dann schloss sie die Augen und schlief erneut ein.
Kapitel 3
Ausritt mit Julian
Am nächsten Morgen erwachte sie schon um sechs Uhr. Die Erinnerungen an die letzte Nacht, brachten ihr Gänsehaut auf die Arme. Julian schien doch ganz nett zu sein, oder?! Warum also diese Warnung von ihrer Mutter am Vortag? Kathy verstand rein gar nichts mehr. Mit brummendem Schädel machte sie ihr Bett, schnappte sich ihren Hygienebeutel und schlenderte ins Bad. Als sie ihr Spielgelbild sah, erschrak sie. Sie sah einfach schrecklich aus. Kathy beschloss zu duschen. Danach putze sie sich die Zähne und kämmte ihre Haare schnell durch. Sie waren noch leicht feucht, aber das störte sie nicht. Plötzlich musste sie an wieder an Julian denken und beschloss etwas Wimperntusche und Lipgloss aufzutragen. Langsam schlich sie die Treppe hinunter und schaute sich im Wohnzimmer um. Niemand war da. Auf einmal kam sie sich albern vor, sich wegen ihrem Adoptivbruder hübsch zu machen und wischte sich den Gloss von den Lippen. Sie wusste ja nicht einmal ob er eine Freundin hatte. Sie lief in die Küche. Auch dort war niemand, dafür entdeckte sie einen Zettel neben der Spüle. „ Für Kathy. Wir sind weggefahren, um ein neues Pferd zu holen, wird nicht lange dauern, sind am Nachmittag wieder da. Wenn du was brauchst, wende dich an Julian. Anne“ Kathy beschloss zurück in ihr Zimmer zu gehen und ihre Jacke zu hohlen. Dann verließ sie das Haus, um draußen etwas spazieren zu gehen. Draußen atmete sie die kühle Morgenluft ein und streckte ihr Gesicht der Sonne entgegen. Auf dem Hof war es still. Sie lauschte dem Gezwitscher der Vögel und dem Schnauben der Pferde. Plötzlich entdeckte sie hinter der Ecke eines Backsteinhäuschens eine längliche Schnauze. Dann Hundegebell. Sie zuckte zusammen, als auf einmal ein großer Labrador auf zu zugeschossen kam. Schreiend stürzte sie davon. Die hatte panische Angst vor riesigen Kötern. Sie sah einen Haufen Strohballen und kletterte panisch an ihm hinauf. Dann ertönte ein schriller Pfiff und der Hund bellte auf. Als Kathy sich umdrehte sah sie Julian lachend auf einer Bank vor den Weiden sitzen. Er streichelte den großen Hund, der zu ihm gekommen war und sah sie belustigt an. „ Was schaust du denn so blöd?! Dieser Köter hätte mich fast aufgefressen und du amüsierst dich noch dabei!“ schrie sie ihn an und kletterte den Heuberg hinunter. Julian brach in schallendes Gelächter aus. „ Jetzt beruhig dich doch mal. Lassy tut niemandem was. Die ist ne ganz Liebe.“ Erklärte Julian und winkte Kathy zu sich. Langsam kam sie auf ihn zu, behielt den Hund aber im Auge. „ Setz dich.“ bot Julian ihr an. Sachte ließ sie sich auf den Platz neben ihn nieder und schaute ihn genauer an. Seine Augen waren braun, genau wie seine Haare. Und sein Lächeln war einfach nur göttlich. „Du kannst Lassy ruhig streicheln, sie tut dir nichts.“ Sagte Julian und sah Kathy erwartungsvoll an. Ihre zitternde Hand glitt über das schwarze Fell der Hündin und ihre Angst verflog. „Gehört sie dir?“ Julian nickte und streichelte seine Hündin. „Ja, sie gehört mir.“ Eine ganze Weile saßen sie so da und sagten kein Wort. „ Hättest du Lust mit mir Ausreiten zu gehen?“ fragte Julian und erhob sich von der Bank. „Ich weiß nicht, ich kann nicht reiten.“ Erklärte Kathy. „Macht nichts … du nimmst Winnih Pooh, ich helfe dir ihn zu richten und ich nehme Pegasus.“ Zusammen liefen sie zum Ponystall und Julian zeigte Kathy Winnih Pooh. Er war ein süßes schokobraunes Pony Julian erklärte wie man das Pferd putzte und sattelte. Dann richtete er sich schnell Pegasus, einen großen Schimmel und dann ritten sie los. „ Wo reiten wir denn hin?“ wollte Kathy wissen. „Zum See, er ist nicht weit entfernt, aber es ist sehr schön dort“ „Ach so. Gehst du eigentlich auch auf die Schule im Dorf?“ Julian nickte und streichelte Pegasus den Hals. Kathy erfuhr sehr viel über Julian. Als er sechs Jahre alt war starben seine leiblichen Eltern bei einem Autounfall. Da sich keine weiteren Familienmitglieder dazu bereiterklärt hatten ihn zu adoptieren, kam er in ein Waisenhaus. Dort wohnte er ein Jahr lang bis Anne und Phil entschlossen hatten ihn zu adoptieren. Er erzählte Kathy dass er es immer gut bei den beiden gehabt hatte und wie Anne ihm das Reiten beigebracht hatte. Pegasus hatte er zu seinem 14. Geburtstag bekommen. Er war damals noch ein Fohlen und Julian hatte ihn selbst eingeritten. Der See war wunderschön und glitzerte in der Sonne. Julian sattelte die Pferde ab und band sie an Bäumen an, damit sie grasen konnten. Dann setzte er sich auf den Rand eines Uferstegs und Kathy setzte sich neben ihn. „Gefällt es dir hier bei uns?“ flüsterte Julian und heftete seinen Blick aufs Wasser. „ Mein erster Eindruck war gut. Mal sehen wie es sich weiter entwickelt mit der Schule.“ Julian lächelte. „Ich könnte dich morgens immer mit in die Schule nehmen wenn du möchtest, ich habe einen Roller. Es wäre einfacher für dich, dann musst du nicht mit dem Rad fahren. Anne und Phil sind noch nicht dazu gekommen dir einen Roller zu kaufen.“ Kathy wunderte sich, warum Julian flüsterte. Doch trotzdem machte sie es ihm nach und antwortete mit leiser Stimme. „Wow. Sie wollten mir einen eigenen Roller kaufen …? Julians Blick wanderte vom See zu Kathy hinüber und blieb an ihren Augen haften. „Ja, das wollen sie. Weißt du, wir hatten nie wirklich Geldsorgen.“ Er zwinkerte ihr zu, dann sprang er auf und streifte seine Schuhe ab. „ Was hast du vor?“ frage Kathy verwundert. Julian antwortete nicht, streifte stattdessen T-Shirt und Hose ab, bis er letztendlich in Boxershorts vor Kathy stand. Sie schaffte es nicht ihren Blick abzuwenden und starrte ihn mit offenem Mund an. Er hatte eine gut gebräunte Haut und war am ganzen Körper leicht bemuskelt. Genauso wie sie es mochte. Von richtigen Bodybuildern hatte sie noch nie etwas gehalten. Er schenkte ihr ein breites Lächeln, nahm Anlauf, sprang vom Steg und tauchte mit einer gekonnten Arschbombe ins Wasser ein. Schützend hob Kathy sich die Arme vors Gesicht, als eine Fontäne aus der Stelle, in der Julian eingetaucht war, hinaufschoss. Trotzdem war sie von oben bis unten klatschnass und warf Julian einen klagenden Blick zu. Da bemerkte Kathy, dass ihr weißes Top jetzt durchsichtig geworden war und man ihren schwarzen BH nur zu deutlich erkennen konnte. Julian schwamm zurück zum Steg und hiefte sich aus dem Wasser. „ Nass geworden? Hab gar nicht bemerkt, dass es geregnet hat.“ Noch bevor Kathy sich eine passende Antwort überlegen konnte, hatte Julian seine Arme um ihre Taille geschlungen und sie hochgehoben. „Nein, lass mich runter! … Julian…“ weiter kam sie nicht, denn Julian hatte sie schon ins kalte Wasser geworfen. Sekunden vergingen, doch sie tauchte nicht wieder auf. „Kathy? Kathy!“ Julian nahm erneut Anlauf und sprang in den See. Dieses Mal mit einem eleganten Spicker. Unter Wasser packten auf einmal zwei Arme von hinten. Julian drehte sich schnell herum und sah in Kathys grinsendes Gesicht. Zusammen tauchten sie wieder auf. „Ha, ich hab dich erschreckt.“ lachte sie. Doch Julian war nicht zu Lachen zumute. „ Das war überhaupt nicht komisch.“ konterte er. „Oh doch. Du hättest dein Gesicht sehen sollen. Außerdem geschiehts‘ dich recht… mich einfach so mit Kleidung ins Wasser zu werfen.“ Julian setzte sich wieder auf den Steg und zuckte die Schultern. „ Du solltest deine Kleidung vielleicht ausziehen und irgendwo aufhängen.“ Als er Kathys skeptischen Blick bemerkte fügte er noch schnell hinzu: „Nicht dass du krank wirst oder so. Ich guck auch nicht. Versprochen.“ Schließlich fing Kathy an sich bis auf die Unterwäsche auszuziehen und hängte Socken, Top und Jeans auf Äste eines naheliegenden Baumes. Auf dem Rückweg sah sie, dass Julian sein Versprechen nicht gehalten hatte und sie unverschämt betrachtete. Und eigentlich war es ihr gleichgültig. Es war nicht viel anders als in einem Bikini und außerdem wusste sie, dass sie eine ziemlich gute Figur hatte. „ Hast du eigentlich einen Freund?“ fragte er wie aus der Pistole geschossen. Sie überlegte einen Moment und entschied sich ihm die Wahrheit zu sagen.„ Ich hatte einen. Aber das ist jetzt Vergangenheit.“ Der Gedanke an Marc machte sie ganz traurig und sie wollte ihn gerade wieder verwerfen, doch Julian ließ nicht locker. „ Was heißt Vergangenheit? Was ist passiert? Hast du Schluss gemacht?“ verärgert drehte Kathy ihm den Rücken zu. „ Ich hab keine Lust darüber zu reden. Vielleicht ein ander Mal, okay?“ Doch Julian kannte keine Grenze „ Also hat er Schluss gemacht? Das hätte ich nicht gedacht.“ Wütend drehte sich sie wieder zu ihm herum. „ Du bist so ein Arsch! Lass mich einfach in Ruhe!“ Dann stapfte sie zurück zum Baum, zog ihre immer noch feuchten Kleider über und lief zu Winni Pooh. Sie wollte einfach nur nach Hause.
Schweigend ritten sie nebeneinander durch den Wald. Kathy heftete ihren Blick stur auf Winni Poohs Hals. „Sei nicht sauer, bitte. Ich weiß es geht mich nichts an. Ich war eben neugierig.“ Nun blickte sie auf und sah zu ihm herüber. Aus irgendeinem Grund konnte sie nicht lange sauer auf ihn sein. „Schon ok.“Wenige Sekunden später ertönte ein Pfiff. „Rocky! Bleib sofort stehen.“, ertönte die Stimme eines Jungen, der von oben die Böschung heruntergerannt kam. Er versuchte einen schwarzen Border-Collie einzufangen, der auf Lassy, Julian Hündin, zugerannt kam. „Oh, hi Jul. Du bist es… hab mich schon gewundert, warum Rocky auf einmal weggerannt ist. Er hat Lassy gewittert.“ Kathy sah sich den Jungen genauer an. Er war groß und schlank und hatte aschblondes Haar. Er schien sie erst sie jetzt bemerkt zu haben. „ Und wer ist die Schönheit neben dir?“ fragte er und lief ihnen entgegen. „ Dani, das ist Kathy. Meine… neue Mitbewohnerin. Kathy, das ist Dani, ein Freund von mir.“ Klärte Julian die Beiden auf. „ Wir sollten wieder daheim sein, bevor die anderen kommen. Dani du kannst gerne mitkommen, wenn du willst“. Auf dem Rückweg unterhielt Dani sich die ganze Zeit mit Kathy. Er fragte sie nach ihren Hobbys, ihrer alten Heimat und wie es ihr auf dem Hof gefiele. Eigentlich mochte Kathy keine aufdringlichen Menschen, doch Dani war ihr sympatisch und sie erhoffte sich aus ihm einen guten Freund. Ihr viel es schwer sich auf Dani zu konzentrieren, weil sie Julians Blick in ihren Rücken spürte. „Kathy? Kathy, hörst du mir überhaupt zu?“ Dani musste fast schreien um sie aus ihren Gedanken zu reisen. „Nein, Entschuldigung. Ich war abgelenkt“ Dani setzte seine Erzählung fort und Kathy versuchte sich darauf zu konzentrieren was er sagte. Doch ein Blick zu Julian, der ein ganzes Stück hinter ihnen ritt genügte, um Kathy aus der Konzentration zu bringen. Warum ritt er nicht neben ihr und Dani? War er vielleicht sauer auf sie, weil sie sich nur mit Dani unterhielt oder wollte er ihr die Chance geben Dani in Ruhe kennen zu lernen.„Jungs sind so kompliziert.“ Dachte die und streichelte Winni den Hals. Als sie den Hof erreichten, half Julian Kathy nicht beim Absatteln, sondern verzog sich, gleich nachdem er Pegasus auf die Weide gestellt hatte, in sein Zimmer. Kathy blieb mit Dani allein zurück und unterhielt sich noch eine Weile mit ihm. „Hast du eigentlich einen Freund?“ Dani kratzte sich am Hinterkopf und versuchte die Frage so beiläufig wie möglich klingen zu lassen. „Nein, und ich bin im Moment nicht an Jungs interessiert.“ antwortete Kathy schlagfertig. Ihr wurde die Sache langsam unangenehm und sie wünschte sich mit ihrer Freundin Tess reden zu können „Bist du lesbisch?“ fragte Dani dann und Kathy prustete los. „Um Gottes Willen, nein. Ich meinte, dass ich Momentan keine Lust auf eine Beziehung habe.“ Klärte sie ihn auf und flüchtete ins Haus. Dani kam ihr hinterher und als Kathy sich auf das Sofa plumsen ließ, lief er hoch zu Julian. Als er jedoch nach wenigen Minuten wütend die Treppe herunter gestapft kam, wunderte Kathy sich über sein Verhalten. Sie schlich die Treppe hinauf und klopfte sachte an Julians Zimmertür an. Als keine Antwort kam öffnete sie die Tür und trat ins Zimmer. Julian saß mit dem Rücken zu ihr auf einem Lederstuhl. „Ich habe dich nicht hereingebeten.“ Ertönte seine raue Stimme und Kathy liefen Schauer über den Rücken. Warum war er auf einmal so feindselig? „Letzte Nacht habe ich dich auch nicht in mein Zimmer gebeten und du standest trotzdem vor meiner Tür!“ entgegnete sie und verschränkte die Arme vor der Brust. Als Julian keine Antwort gab setzte sie sich auf seine Bettkante und starrte ihn an. Er drehte den Stuhl in ihre Richtung und sah ihr in die Augen. „Lass mich bitte eine Weile in Ruhe, kapiert?“ Seine Forderung kam so barsch, dass Kathy sofort aufsprang, das Zimmer verließ und die Tür hinter sich zuknallte. Diesem Junge war echt nicht mehr zu helfen. Schnell verzog sie sich in ihr Zimmer, schloss die Tür ab und legte sich in ihr Bett.
„Katharina? Kathy! Mach die Tür auf, wir sind wieder da“ schrie Mandy durch die Tür hindurch und klopfte laut an. Kathy erwachte durch den Lärm und schloss die Tür auf. „O Kathy ! Sag mal hast du geweint?!“ fragte Mandy besorgt und schob Kathy zurück ins Zimmer. Als wäre sie eine zerbrechliche Porzellanpuppe, setzte Mandy sie zurück aufs Bett. „Was ist denn passiert?“ fragte sie und legte ihr eine Hand auf die Wange. „Ach, ist nicht so schlimm.. ich hatte nur Heimweh.“ Log sie und schloss die Augen. „Aber bitte erzähl es niemandem, okay?“ bat sie Mandy, denn sie hatte keine Lust, dass Julian erfuhr, dass sie wegen ihm geweint hatte.
Kapitel 4
Gespräch mit Anne
Den Nachmittag verbrachte sie auf ihrem Zimmer, manchmal kam Mandy vorbei, um nach ihr zu sehen. Aber dann beschloss sie, dass es total bescheuert war, sich den ganzen Tag im Zimmer zu verkriechen. Sie wohnte jetzt hier, und sie konnte nicht bis in alle Ewigkeit in diesem Raum eingeschlossen sein. Entschlossen ging sie ins Bad und wusch sich so lange das Gesicht, bis sie wieder normal aussah. Als ihre Augen abgeschwollen waren, ging sie nach draußen, um nach Winnih Pooh zu sehen. Der lag bequem in seiner großen Offenstallbox und knabberte genüsslich an ein Paar Strohhalmen. Kathy musste lächeln, als sie seinen unbeschwerten Blick sah und öffnete die Boxentür. Sie setzte sich neben ihn und zupfte ihm das Stroh aus der Mähne. Morgen würde der erste Schultag hier für sie sein. Sie würde die Neue sein, die von Allen angestarrt werden würde. Sie stieß einen Seufzer aus und erhob sich. Dann gab sie Winnie einen Abschiedskuss auf die Schnauze und lief zum Reitplatz um ihrer Mutter beim reiten zuzuschauen. „Hey Mom.“ Begrüßte sie ihre Mutter, als hätte sie nie etwas anderes getan. Anne schien sich über die Begrüßung zu freuen und schenkte ihrer Tochter ein strahlendes Lächeln. „Na Kathy, bist du gekommen, um mir beim reiten zuzuschauen?“ Kathy nickte und setzte sich auf die Bank neben dem Reitplatz. Nach einer Weile fragte sie: „ Haben diese Kreise die du mit dem Pferd machst einen Namen?“ Anne lächelte. „ Ja, dieses Manöver nennt man Spin. Es sind mehrere Umdrehungen die das Pferd so schnell wie möglich machen soll, dabei soll das innere Hinterbein ruhig stehen bleiben und als Drehachse dienen. Außerdem soll das nachlaufende Vorderbein das vorlaufende überkreuzen. Wenn der Hals des Pferdes dabei tief bleibt ist das natürlich ideal.“ Kathy staunte, obwohl sie nicht einmal die Hälfte verstanden hatte. „Aber im Fernsehen machen die immer ganz andere Sachen, und die Seile die zum Pferdekopf führen sin ganz anders.“ Sagte Kathy und war deutlich verwirrt. „Das stimmt schon. Aber das, was du gesehen hast, war der englische Reitstiel. Wir reiten Western. So ähnlich wie die Cowboys früher. Zumindest von den Pferden und der Ausrüstung her... die Reitweise hat sich stark verändert.“ Erklärte Anne und stieg ab. „Wow. Das ist ja cool. Würdest du mir das auch beibringen?“. Früher hatte sie Pferde doof gefunden, aber jetzt hatte sie richtig Lust, selbst einmal so gut zu reiten wie ihre Mutter. „Klar doch. Aber bis du den Spin machen kannst, wird es eine Weile dauern. Erst musst du das Pferd auch sicher im Galopp reiten können und vor allem lenken. Aber das werden wir schon hinbekommen.“ Um halb Sieben gab es Abendessen. Und unglücklicherweise viel das Thema auf die Schule. „ Na Kathy schon aufgeregt wegen der Schule?“ fragte Phil, der in seinen Nudeln herumstocherte. „Ein bisschen schon.“ Anne schlug sich mit der Hand auf die Stirn. „Oh, wie willst du überhaupt in die Schule kommen? Wir sin gar nicht dazu gekommen dir einen Roller zu kaufen !“ Anna ärgerte sich über sich selbst. Mit diesem Thema hatte sie bei Kathy einen wunden Punkt getroffen. Erst am morgen hatte Julian ihr angeboten sie mitzunehmen, doch der sah die Sache jetzt sicherlich ganz anders. „Ähm, ich weiß nicht genau. Ich könnte doch mit Mandy fahren, oder?“ „Ja klar !“ rief diese ganz begeistert und Kathy spürte Julians Blick auf ihr ruhen. Die ganze Zeit über hatte er kein Wort gesagt. Doch jetzt konnte Kathy seine Blicke nur zu deutlich spüren. Sie waren eine Mischung aus Frustration, Verwunderung und Bedauern. Oder bildete sie es sich nur ein? Bedauerte er es, dass sie lieber mit Mandy fuhr als mit ihm?! Warum wunderte er sich überhaupt darüber? Mit Kopfschmerzen schlich sie nach dem Abendessen die Treppe hinauf. Nachdem sie sich bettfertig gemacht hatte, legte sie sich müde ins Bett und wartete auf den Schlaf.
Kapitel 5
Erster Schultag
Julians Wecker schrillte so laut, dass Kathy es sogar bis in ihr Zimmer hörte, das am anderen Ende des Ganges lag. Obwohl sie sich mit dem Anziehen beeilte, war das Bad schon besetzt, als sie gerade hineinwollte. Sie beschloss zu Mandy ins Zimmer zu gehen. Diese stand vor ihrem Zimmerspiegel und war dabei sich zu schminken. „Hey Kathy. Ist das Bad besetzt?“ begrüßte diese ihre Schwester und setzte noch etwas Wimperntusche auf. „Ja, habt ihr noch ein zweites?“ Mandy lachte. „Wir haben fünf im ganzen Haus. Geh doch in meins. Es liegt hinter der Tür, die neben meinem Kleiderschrank steht“. Verdutzt ging Kathy zu Mandys Kleiderschrank und öffnete die Tür daneben. Und dahinter lag tatsächlich ein riesiges Bad. „Ähm Mandy wie viel Zeit haben wir noch?“ Mandy warf einen Blick auf die Uhr. „ Noch eine Stunde, bis wir losfahren müssen.“ Kathy war erleichtert. Sie hatte noch genug Zeit, um zu duschen. Obwohl sie sich Zeit ließ, hatte sie immer noch eine viertel Stunde Zeit, nachdem sie sich die Haare geföhnt hatte! Sie beschloss etwas Wimperntusche aufzutragen. Sie war ein ziemlich natürlicher Mensch, obwohl sie nicht auf dem Land aufgewachsen war. Sie hatte eine ziemlich reine Haut und deshalb war Make-up bei ihr noch nie ein Thema gewesen.
Kathy prustete los als sie Mandys Roller sah. Er war Pink! Genau wie Mandys Bad. Ihre Schwester war eine echte Barbie. „Hey, ich steh nicht auf Barbiepuppen, ich finde Pink nur cool, verstanden?!“ Mandy versuchte sich zu wehren, doch für Kathy wurde es immer lustiger. Als sie dann noch die pinke Röhrenjeans sah, die Mandy trug, konnte sie gar nicht mehr aufhören zu lachen. Doch als Mandy drohte ohne sie loszufahren, zwang sie sich ihr Lachen unter Kontrolle zu bringen und stieg zu Mandy auf den Barbieroller. Die Schule war kleiner, als die, die sie in London besucht hatte. Eine Kleinstadtschule eben. Als Mandy ihren Roller geparkt hatte, fielen Kathy sofort die neugierigen Blicke, der Schüler auf. Sie sah Julian der mit ein Paar Kumpels an einer Tischtennisplatte gelehnt. Unter ihnen war auch Dani, der kurz die Hand hob und lächelte. Kathy winkte zurück und folgte Mandy zum Sekretariat. Dort musste sie noch einige Formulare ausfüllen und schon konnte sie zur ersten Stunde. Sie war nicht in der gleichen Klasse wie Mandy und das verunsicherte sie. Als sie das Klassenzimmer betrat und Dani erblickte viel ihr ein Stein vom Herzen. Immerhin kannte sie schon jemanden. „Hey!“ begrüßten sie sich gleichzeitig. „Ist der Platz neben dir frei?“ Dani nickte und Kathy ließ sich erleichtert neben ihn nieder. „Müsstest du nicht mit Julian in einer Klasse sein?“ fragte sie dann und rechnete noch einmal nach. „Ja eigentlich schon, aber ich musste die Klasse wiederhohlen.“ Als eine kleine pummelige Frau das Zimmer betrat, verstummten sie. „Guten Morgen … ich sehe wir haben eine neue Mitschülerin. Würdest du dich der Klasse vorstellen?“ Kathy schoss das Blut ins Gesicht. Sie erhob sich von ihrem Platz und schaute in die Klasse. „Ähm … Hi, ich bin Kathy,16 Jahre alt, komme aus London und wohne jetzt hier.“ Die Vorstellung war ziemlich kurz und sie setzte sich danach wieder auf ihren Platz. „Schön, dann lasst uns mit dem Unterricht beginnen!“
„Mandy, es war schrecklich ! Ich musste mich vor der Klasse vorstellen … und im Unterricht hat sie mich die ganze Zeit aufgerufen. Ich konnte zwar alle Fragen richtig beantworten, aber jetzt halten mich bestimmt alle für eine Streberin. Dabei hasse ich Mathe und ich hasse diese Frau Mitch!“ Mandy schaute sie mitleidig an. „Ja, Frau Mitch ist wirklich ein Monster. Aber Englisch bei Mr. Cooper müsste doch gut gewesen sein, oder?“ Kathy überlegte kurz. „ Ja, es war okay. Er hat mich immerhin nicht dazu gezwungen mich vorzustellen.“ Die beiden saßen auf einer Bank im Schulhof und wurden von fast allen Schülern angestarrt. „Warum gucken die denn so blöd?“ Mandy musste grinsen. „Jetzt sag bloß du hast dich noch nie im Spiegel gesehen! Du siehst nicht übel aus. Deswegen gucken die so!“ sagte sie so langsam und deutlich, dass es wahrscheinlich an einen schwer behinderten Menschen gerichtet war. Kathy schaute skeptisch zurück und erblickte hinter Mandy Julian. Der war gute zwanzig Meter entfernt und schob ein blondes Mädchen von sich, das sich zuvor an ihm festgeklammert hatte. „Was ist denn da los?“ fragte sie ihre Schwester. Diese drehte sich nur kurz um, um einen Blick zu erhaschen. „Ach so … das ist die echte Miss Barbie! Laura … Julians Freun… ich meine Ex- Freundin. Sie hatte mit ihm Schluss gemacht, wollte ihn dann aber wieder zurück. Sie bekam ihn auch zurück. Und heute habe ich Gerüchte gehört, dass Jul mit ihr Schluss gemacht hat. Keine Ahnung warum. Ich misch mich da auch nicht ein.“ Kathy brauchte eine Weile, um das zu verdauen. Er war also mit dieser Laura zusammen oder zusammen gewesen. Und heute hatte er Schluss gemacht. „Kathy? Alles in Ordnung? Du siehst richtig blass aus!“ Mandy legte ihr eine Hand auf die Wange. „Alles in Ordnung, mir fehlt nichts.“ Log sie und versuchte so unbeschwert wie möglich zu klingen. „Mach mir nichts vor Kathy. Ich weiß, dass etwas nicht mit dir stimmt. Erzähl schon .. ich sage nichts weiter. Ich kann schweigen wie ein Grab“. Kathy seufzte und erzählte Mandy die Geschichte vom See. „… ja und dann hat er gesagt ich solle aus seinem Zimmer gehen… dann habe ich ihm noch was zugeschrien und seitdem hab ich nicht mehr mit ihm gesprochen.“ Mandy schluckte und schaute Kathy mit geweiteten Augen an. „ Ähm, ich weiß ehrlich gesagt nicht was ich dazu sagen soll. Eigentlich ist er was Mädchen betrifft nicht so neugierig und aufdringlich. Vielleicht wollte er einfach seine neue Schwester besser kennenlernen.“ Kathy fand diese Erklärung ganz logisch und gleichzeitig kam sie sich lächerlich vor, weil sie gedacht hatte Julian könnte sich für sie interessieren.
Kapitel 6
Schlappe Anmache
Die ein Uhr läutete die Schulglocke und verkündete damit das Ende des Schultages. Erleichtert lief Kathy zum Parkplatz, wo sie sich mit Mandy treffen wollte. Doch Mandy war noch nicht da und deshalb beschloss Kathy sich auf die Bank neben den Roller zu setzten und auf sie zu warten. Nach zehn Minuten war Mandy immer noch nicht aufgetaucht und die meisten Schüler hatten das Schulgelände schon verlassen. Kathy holte ihr Geschichtsbuch aus dem Rucksack und blätterte die Seiten durch, ohne darin zu lesen. Weitere Minuten vergingen, und Kathy hatte die Nase voll vom Warten. Sie beschloss ein wenig ums Schulgebäude zu laufen, um die Zeit zu vertrödeln. Hinter den Kunsträumen entdeckte sie eine Böschung die sie hinabstieg. Unten war ein breiter Bach. Kathy setzte sich auf einen Stein und schloss die Augen. „Hey, du … du bist neu hier oder?“ Kathy zuckte zusammen und drehte sich um. Hinter ihr stand ein braungebrannter Junge mit blonden Haaren. Er sah sportlich aus und hatte beeindruckende Muskeln. „Ja, ich bin Kathy.“ Antwortete sie und reichte ihm die Hand. Er drückte sie fest und betrachtete sie von oben bis unten. So als würde er einen Gegenstand anschauen um seinen Wert abzuschätzen. Kathy war sein Blick unangenehm und sie zog die Hand wieder zurück. „Kathy … mhhhh. Hübsch bist du ja.“ Kathys Herz begann zu rasen. Und das nicht weil sie gerührt war, sondern weil ein Angstgefühl in ihr hochstieg. „Äh danke. Ich muss jetzt gehen. Also bis dann.“ Gerade als sie an ihm vorbeihuschen wollte erfasste er ihr Handgelenk und zog sie zurück. Sein Griff war so stark, dass Kathy vor Schmerz aufschrie. „Jetzt hab dich nicht so. Lass uns ein wenig Spaß haben! Du und ich… wir wären ein perfektes Paar“ „ Ich will aber nicht ! Lass mich in Ruhe“, schrie Kathy . Der Junge zog sie zu sich heran und drückte seine Lippen hart auf ihre. Sie hatte keine Chance sich zu wehren, er war zu stark. Auf einmal wurde sie aus seinem Griff befreit. „ Sie hat gesagt du sollst sie in Ruhe lassen, verstanden ?!“ hörte sie dann Julians Stimme. In ihrem Kopf schwirrte es und sie versuchte die Augen zu öffnen. Als sie es dann geschafft hatte, sah sie, wie Julian zwischen ihr und dem Jungen stand. „ Ach hast du etwa schon Besitzanspruch auf die Kleine?“ antwortete dieser und machte einen Schritt auf Julian zu. „ Das geht dich gar nichts an und jetzt verschwinde.“ Der Junge drehte sich schnell um und lief weg. Kathy konnte sich nicht rühren. Wie eine Statue stand sie da und starrte dem Jungen hinterher. Julian kam langsam auf sie zu. „ Ist alles okay bei dir?“ er legte ihr eine Hand auf die Schulter und umarmte sie. Mit ihm zusammen lief sie die Böschung hinauf zu den Rollern. Als Mandy die beiden erblickte rannte sie aufgebracht auf sie zu. „Was ist passiert, was ist mit ihr?“ Julian schüttelte den Kopf. „ Ihr fehlt nichts. Ich erzähl dir später was passiert ist.“ Dann bestand er darauf, dass Kathy zu ihm auf den Roller stieg. Auf dem Hof angekommen liefen die drei sofort in Julians Zimmer und setzten sich aufs Bett. „Jul, was ist passiert?“. Mandy konnte vor Aufregung nicht mehr still sitzen und sah ihn erwartungsvoll an. „Ich weiß es nicht genau. Ich bin aus dem Schulgebäude gelaufen und habe jemanden schreien gehört. Ich bin dem Geräusch gefolgt, dann habe ich unten an der Böschung Bryan gesehen, wie er Kathy festhielt, sie gegen einen Baum presste und sie versuchte zu küssen. Ich bin sofort zu ihr gerannt und habe ihm klargemacht dass Kathy nichts von ihm will.“ Mandy schluckte mit weit aufgerissenen Augen. „Kathy! Du hast Bryan geküsst? Ist nicht wahr … und wie hat es sich angefühlt?“. Kathy sah sie verständnislos an „ Wie es sich angefühlt hat von diesem Ekelpaket gegen meinen Willen geküsst worden zu sein?“ Sie sah wie Julian bei den letzten Worten seinen Kiefer anspannte und fest auf die Zähne biss. „ Bryan ist ein aufgeblasenes Arschloch und denkt er kann jede haben die er will. Er und Laura wären ein gutes Paar.“ Kathy klappte die Kinnlade herunter, doch sie traute sich nicht ihn über Laura auszufragen. Damit war das Gespräch beendet und sie beschlossen das Thema nicht mehr aufzugreifen. Beim Mittagessen schwiegen sie die meiste Zeit und danach schlenderte Kathy in den Stall um Winni-Pooh einen Besuch abzustatten. Schließlich beschloss sie ihre Hausaufgaben mitzunehmen und sie ihn Winnnis Box zu erledigen. Sie hatte das kleine schokobraune Pony in ihr Herz geschlossen und in seiner Nähe fühlte sie sich geborgen und sicher.
Kapitel 7
Telefonat mit Tess
„Warte. Versuchst du mich zu verarschen? Der schärfste Typ der Schule will dich küssen und dein Adoptivbruder hat dazwischengefunkt? Wow.“ Kathy hätte am liebsten in den Telefonhörer geschrien. Warum wollte Tess nicht kapieren, dass dieser Bryan ein richtiges Arschloch war, obwohl der gut aussah? Mandy hatte genau die gleiche Macke. Wahrscheinlich träumte jedes Mädchen, das ihn kannte nachts von ihm. „Er ist ein Depp, Tess. Ich kann ihn nicht mögen. Und die Sache mit Julian … ich weiß nicht. Er ist komisch. Ich halte seine ständigen Stimmungsschwankungen nicht länger aus.“ Schnauben aus der anderen Telefonleitung. „ Meiner Meinung nach bist du diejenige die einen Knall hat. Zwei Typen streiten sich um dich und du willst keinen von beiden! Mein Gott, was würde ich geben an deiner Stelle zu sein. So schlecht scheint es in Cornwall doch gar nicht zu sein.“ Dann folgte ein lächerliches kichern. Kathy hielt einen Moment inne. „ Tess, ich vermisse dich schrecklich.“ Sie hörte Tess seufzen. „Ich ich doch auch Kathy. Ich kann es kaum abwarten bis zu den Herbstferien. Dauert zwar nur eine Woche, aber die kann ich dann bei dir verbringen.“ Kathy stiegen Tränen in die Augen. „ Ja. Nicht mehr lange. Und mit meinem eigenen Telefon kann ich dich dann jeden Abend bis dahin anrufen.“ Allein der Gedanke daran, nicht mit Tess zu reden machte sie ganz traurig. „ Hast du eigentlich außer Mandy und Dani schon neue Freunde gefunden?“ Da viel Kathy sofort Winni Pooh ein. Sie erzählte Tess alles über das liebenswürdige Pnny. „ Du scheinst ja ein richtiges Landei geworden zu sein und außerdem… vielen Dank, dass du mich mit einem Gaul vergleichst!“ Kathy wusste, dass Tess nicht ernsthaft beleidigt war. Sie war ihre beste Freundin und daran würde sich nie etwas ändern. „ Ich bin kein Landei, verstanden? Im Herzen bin und bleib ich ein Stadtmensch.“ Kichern am anderen Ende der Leitung. „ Naja, abwarten. Die Umgebung kann Menschen sehr beeinflussen. Apropos Stadt … ich hab gestern Marc in der Stadt getroffen.“ Kathy biss sich fest auf die Zähne und schluckte erst einmal. „ Aha. Hat er was gesagt?“ Unentschlossenes Schweigen von Tess. „ Tess, bitte!“ Sie hörte Tess einmal tief Luft holen. „ Er hat gefragt wie es dir geht, ob du schon weggezogen wärst und wenn ja, wie es dir in Cornwall gefalle.“ Gespannt wartete Kathy auf die Fortsetzung. „ Ich hab ihm gesagt, dass ich glaube, dass es dir gut geht, aber dass ich noch nicht Zeit hatte mit dir zu telefonieren. Das war’s.“ Kathy brachte nur ein lahmes „Mhm…“, zustande. „Oh, schon halb acht. Ich muss dringend noch mit Chipsi raus. Wir telefonieren morgen weiter, ok?“ Kathy nickte, obwohl sie wusste, dass Tess es nicht sehen konnte. „Gute Nacht, Tess.“ „Gute Nacht, Landei.“
Sie legte den Telefonhörer beiseite und beschloss selbst auch noch einen kleinen Abendspaziergang durch den Hof zu machen. Die kleine Backsteinhütte im hinteren Teil des Hofes hatte sie schon immer interessiert. Kathy wusste nicht wozu die hübsche Hütte diente und wollte sie deswegen etwas genauer unter die Lupe nehmen. Die Türe war aus schwerem, dunklem Holz und hatte schöne Verzierungen eingeritzt. In der Nähe des Türgriffes waren Inizialien eingeritzt worden. M+D Achselzuckend betrat Kathy die Hütte. Die Luft war abgestanden. Wahrscheinlich war einige Zeit vergangen, seit jemand sie betreten hatte. An den Wänden hingen viele selbstgemachte Portraits, welche alle grüne Landschaften zeigten.In der Mitte des Raumes stand ein Bett, das unbenutzt aussah und daneben befand sich ein kleines Nachtschränkchen. Von ihrer Oma hatte Kathy gelernt, dass Menschen ihre Geheimnisse meistens an ruhigen Plätzen in irgendwelchen Schränkchen aufbewahrten. Kathy öffnete es vorsichtig. Es war leer, bis auf ein einziges eingerahmtes Bild. Das Foto zeigte Julian, Mandy und Dani auf demselben Steg, auf dem sie mit Julian war… aber auf dem Bild sahen sie ungefähr zwei Jahre jünger aus. Kathy betrachtete ihre Gesichter. Sie waren so glücklich und sie schienen eine Menge Spaß zu haben… und plötzlich sah Kathy das Interessanteste an dem Bild. Julian stand in der Mitte von Mandy und Dani. Und sie sah, dass die zwei ausstehenden die Finger miteinander verschränkt hatte. Dani und Mandy? Kathy musste grinsen und beschloss Mandy zu fragen, was genau damals zwischen den beiden gewesen ist.
Kapitel 8
Angst? – Ich doch nicht!
Leider gab es sonst nichts Interessantes in der kleinen Blockhütte zu entdecken und die Sonne war schon fast untergegangen. Der ganze Hof leuchtete schwach in der Abendröte und Kathy musste zugeben, dass sie in der Stadt noch nie einen so schönen Sonnenuntergang erlebt hatte. Sie musste sich sogar eingestehen, dass sogar der Misthaufen in dem romantischen Licht das gewisse Etwas ausstrahlte. Kathy erschrak kurz, als die Idylle von Lassys lautem Gebell zerstört wurde. Die schwarze Labradorhündin begrüßte sie schwanzwedelnd und Kathy strich ihr die Hände durch das Fell. „Braves Mädchen. Du schaffst es immer wieder mich zu erschrecken.“, kicherte sie und drückte der Hündin einen Kuss auf den Kopf. „Ich wollte damals auch immer einen Hund, weißt du. Aber Daddy hat mir nie einen gekauft. Später hatte ich dann Angst vor ihnen und damit war das Thema erledigt. Aber ein so süßes Mädchen wie dich kann man nur lieb haben, stimmts?“
„Stimmt vollkommen.“, antwortete ihr Julian, der wie aus dem Nichts aufgetaucht war. Kathy hätte wissen müssen, dass er in der Nähe war. Lassy folgte ihm auf Schritt und Tritt.
„Ich wollte grade noch mit ihr Spazieren gehen. Kommst du mit?“, und ohne eine Antwort abzuwarten drehte er sich um, pfiff nach seinem Hund und lief schon einmal los. Kathy überlegte sich einfach in die entgegengesetzte Richtung zum Haus zu gehen… entschied sich dann aber ihm zu folgen. Julian ging Richtung Wald. Er befand sich noch auf ihrem Grundstück. Er war nicht sehr lang, dafür breit und dahinter befanden sich ein Paar Felder.
„Und wie war bei dir der Schultag?“, fragte er ganz nebenbei. „Och, bis auf den Abgang ganz in Ordnung.“, log sie und musste ungewollt grinsen. „Ja, Bryan ist nicht gerade ein charmanter Typ.“, sagte Julian und strich sich mit der Hand durchs Haar. „Ach, und du schon, oder wie?“, konterte Kathy spielerisch. „Das neulich tut mir Leid… wie ich mich in meinem Zimmer verhalten habe. Ich weiß selbst nicht was mit mir los war. Ich glaube es lag an Dani.“, entschuldigte er sich und schaute dabei in die Ferne. „Dani? Was ist mit ihm?“, hakte Kathy nach. Julian seufzte kurz. „Dani war schon immer mein bester Freund. Er war häufig bei uns zu Hause und zusammen mit Mandy hatten wir eine Menge Spaß. Eines Tages wurden Mandy und Dani ein Paar. Es machte mir nichts aus, denn an unserer Freundschaft hatte sich soweit nichts geändert. Aber dann stritten sie sich immer öfter und schließlich beendete Dani die Beziehung. Er kam erst einmal eine Weile nicht zu uns, damit sich die Situation beruhigen konnte. Mandy war am Boden zerstört und weinte nächtelang. Ich war zwischen den Beiden hin und hergerissen und irgendwann beschloss ich mich da rauszuhalten. Ich liebte meine Schwester und es fiel mit schwer sie leiden zu sehen… andererseits hatte sie es sich selbst eingebrockt.“ Julian schluckte und sah Kathy dann an. Doch sie verstand noch immer nicht, was die Geschichte mit ihr zu tun hatte. Julian bemerkte ihren fragenden Gesichtsausdruck. „Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube Mandy hängt noch immer ein bisschen an ihm. Und umgekehrt genauso, auch wenn Dani es nicht zugeben will. Um über Mandy hinwegzukommen, schnappt er sich so gut wie jedes Mädchen. Das ist zumindest meine Antwort auf sein Verhalten. Und an diesem Tag war er außerordentlich nett zu dir… aber das hast du wohl selbst gemerkt. Und ich dachte daran, dass wenn du auf ihn reinfällst, sich die ganze Leidensgeschichte mit dir wiederholen könnte. Nur dass es dann noch komplizierter geworden wäre, weil Mandy bestimmt auch nicht von dir und Dani begeistert gewesen wäre. Außerdem bist du jetzt auch meine Schwester und ich will dich beschützen.“, erklärte Julian und holte tief Luft. Seine Worte versetzten Kathy einen Stich. Schwester? Das war sie also für ihn. Warum verletzten seine Worte sie nur so sehr? Kathy hatte immer gedacht sie würde noch an Marc hängen… warum um alles in der Welt machte sie sich dann so viele Gedanken über Julian? „Und warum ist Dani dann zuvor wütend aus deinem Zimmer gerannt?“, fragte sie. Julian senkte seinen Blick. „ Ich erklärte ihm meine Ansicht, aber er meinte es ginge mir gar nicht darum meine Schwestern zu beschützen.“ Gespannt wartete Kathy ab. „Sondern?“ „Sondern dass ich selbst auf dich stehen würde und deshalb nicht wollte, dass er sich an dich ranmacht.“, beendete er seinen Satz. Sie waren am Ende des Grundstücks angelangt. „Drehen wir um.“, entschied er und pfiff erneut nach Lassy, welche schon weiter vorgerannt war, um Kaninchen auf dem Feld zu jagen. Die letzten Sonnenstrahlen wärmten die Felder, ehe es dich schlagartig verfinsterte. „Ganz schön dunkel, im Gegensatz zu Vorher.“, kommentierte Kathy die Dunkelheit und Julian lachte. „Wieso hast du etwa Angst? Wir haben doch einen furchteinflößenden Kampfhund dabei, der es schafft kleine Mädchen auf Strohballen zu verjagen.“, witzelte er und pikste sie in die Seite. „Hey, erstens: ich hatte wirklich panische Angst, okay?“, vesuchte sie sich zu verteidigen und boxte ihn in die Schulter. „Zweitens: hab ich keine Angst im Dunkeln und drittens: kleine Mädchen?!“, zitierte sie ihn funkelte ihn böse von unten an. „Na gut, ganz so klein bist du auch wieder nicht.“, gab er zu. „Aber Angst haben solltest du vielleicht.“, warnte er sie mit gespielt böser Stimme. „Vor dir? Das ich nicht lache…“, prustete Kathy und kaum hatte sie es ausgesprochen packte Julian sie um die Taille, hob sie hoch, legte sie in der gekonnten Entführungsstellung über die Schulter und rannte los. „Spinnst du? Lass mich runter!“, kreischte Kathy aufgebracht und Julian warf sich mit ihr auf den Waldboden. Unbequem landete er auf ihr, hielt ihre Hände fest und drückte sie gegen den Boden. „Und, noch immer keine Angst?“, flüsterte er und sein Gesicht war nur Zentimeter von ihrem entfernt. Kathy erschauerte, nicht vor Angst, nicht vor Kälte, sondern vor Erregung. „Ein wenig.“, log sie und grinste ihn frech an. Sie sahen sich eine Weile in die Augen und atmeten schwer ein und aus. „Ist dir kalt?“, fragte Julian, der ihr zittern bemerkt hatte und strich ihr über die Arme. Dies ließ Kathy nur noch mehr erschauern. „Nein.“, sagte sie ehrlich und legte ihm ihre warme Hand zum Beweis auf die Wange. Sie verharrten in dieser Stellung und ihre Gesichter kamen sich ein wenig näher. Als sich ihre Nasenspitzen berührten sprang Lassy bellend von hinten gegen Julian. Dieser wurde kurz nach vorne gestoßen und prallte mit seiner Stirn direkt gegen Kathys. „Au!“, stöhnten beide auf. Der magische Moment war vorbei- ohne Kuss. „Verdammt, was hat sie denn?“, fragte Julian und hielt sich die Strin. „Ich glaube“, sagte Kathy, „sie hat mich vorher schreien hören, als die mich hochgehoben hast und ist dann zu uns gerannt, um nach dem Rechten zu sehen.“ Julian streichelte seine Hündin. „Braves Mädchen, aber das wäre wirklich nicht nötig gewesen.“, erklärte er Lassy und erhob sich vom Boden. Zusammen liefen sie den Weg nach Hause. Vor der Haustüre hielt Julian kurz inne. „Das was Dani zu mir gesagt hat, wegen dem, dass ich nur selbst an dir interessiert wäre…“ Kathy schaute ihn überrascht an. „ Also ähm… ich hoffe du weißt, dass das Schwachsinn ist. Du bist schließlich meine Schwester.“, sagte er gedehnt und lief dann ohne eine Antwort abzuwarten ins Haus. Beim Abendessen wunderte Kathy sich, warum er nicht zum Essen nach unten gekommen war. Die Sache mit Julian schien immer komplizierter zu werden.
Kapitel 9
Wer nicht fliegt, der fällt
Die darauffolgende Woche hatte Kathy starkes Heimweh. Sie vermisste Tess so sehr, obwohl sie fast jeden Tag miteinander telefonierten und sich auf den neuesten Stand der Dinge brachten. Trotzdem war es nicht das Selbe. Heute hatte Kathy sich stark zusammenreisen müssen, um nicht in Tränen auszubrechen. Nichts lief so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Das Verhältnis zu Julian war irgendwie angespannt, obwohl er mit „du bist meine Schwester“ deutlich festgelegt hatte. In der Schule konnte Kathy sich nicht wirklich konzentrieren, was sich auf ihre Noten auswirkte. Den einzigen Rückhalt gaben ihr das kleine Pony Winni und ihre Adoptivschwester Mandy, die ihr mittlerweile genauso wichtig geworden war wie Tess. Mit ihrer Mutter, Leo und Phil verstand sie sich prächtig. Die letzten Tage hatte sie damit verbracht, mit Phil in den Baumarkt zu fahren, um Farbe für ihr Zimmer zu kaufen, Leo zu einem seiner Fußballspiele zu begleiten und ihn dort anzufeuern und selbstverständlich damit, sich von ihrer Mutter das Reiten beibringen zu lassen. In ihrer ersten Reitstunde ritt sie Winni, denn auf den Rücken eines großen Pferdes zu sitzen, traute Kathy sich noch nicht zu. Kathy ließ sich von Anne erklären, dass Winni Pooh ein sieben Jähriges Connemara-Pony war und diese Rasse meistens als Schimmel gekennzeichnet ist. Da stach Winni mit seinem Schokobraun schon ordentlich heraus. Außerdem erfuhr Kathy, dass Winni mit seinen 1.44m sogar zu einem der größeren Ponys gehörte und bis jetzt nicht viel Western geritten worden ist. „Ich glaube nicht, dass Winni das richtige Pferd für das Westernreiten ist. Connemara-Ponys haben ein unglaublich hohes Springvermögen, da hast du Glück, dass Phil ein Englischreiter ist. Wenn du willst kann ich ihn fragen ob er dir später einmal Springunterricht geben will.“, schlug sie Kathy vor und diese nickte begeistert. „Aber erst müssen wir noch an deiner Basis arbeiten. Fang damit an, dass du deine Hände mehr aufstellst und deinen Schenkel etwas weiter nach Hinten nimmst.“ Kathy hatte die ganze Stunde über ein Lächeln auf dem Gesicht. Gestern hatte ihre Mutter sie nur ohne Sattel herumgeführt, damit sie sich auf ganz auf den Gang und den Takt konzentrieren konnte. Reiten fühlte sich für Kathy an wie fliegen. Sie breitete ihre Arme aus und ließ sich von dem starken Pony tragen. Heute saß sie im Sattel und hatte Zügel in der Hand. Diese Stunde verbrachten sie damit Kathys Sitz auf Vordermann zu bringen und am Ende war Anne sichtlich begeistert von Kathys schneller Lernfähigkeit und einfach überglücklich.
Eine weitere Woche verging, ohne dass sich viel verändert hatte. In der Schule ging es allerdings wieder aufwärts. Außerdem hatte Kathy einen schwarzen Roller bekommen und hatte ihr Zimmer zusammen mit der ganzen Familie in ein liebliches Flieder gestrichen. Der kleine Leo war am fleißigsten. Er hatte seine neue große Schwester, die ihn beim Fußball unterstütze, sehr ins Herz geschlossen und wollte nun auch etwas für sie tun. Dani kam auch vorbei und half beim Streichen. Dadurch konnte Kathy das Verhalten von Dani und Mandy analysieren. Ab und zu warfen sie sich kurze Blicke zu, aber sie redeten selten miteinander. Lustig wurde es, als Julian einen gemeinen Witz über Dani gemacht hatte, denn dann begann eine Farbschlacht. Jeder war darin verwickelt. Sie schmierten sich gegenseitig die Pinsel ins Gesicht, sprangen umher und am Ende sah das Zimmer aus wie ein Schlachtfeld. Zum Glück waren keine Möbel mehr darin und der Laminat war mit einer Plane abgedeckt. Eine Wand, die sie noch nicht gestrichen hatten, war voll mit Fliederfarbenen Streifen und Flecken. Phil bot Kathy an, sie auszubessern, indem er noch einmal darüberstrich, aber Kathy wollte die Wand so behalten, wie sie war. Sie würde sich jetzt immer an diesen Tag, an dem sie ihr Zimmer gemeinsam strichen, erinnern.
Jeden Tag nach der Schule ritt Kathy auf Winni und nach einigen Wochen konnte sie einigermaßen sicher galoppieren und hatte ihr Pferd unter Kontrolle. Nach der Reitstunde ging sie manchmal mit Mandy ausreiten oder im See schwimmen. Und als der Tag gekommen war, dass sie ihre erste Springstunde bei Phil bekam war sie ganz schön aufgeregt. „Also Kathy. Du hast Glück, dass wir so ein gemischter Haufen sind. So ein Gestüt, wie unseres wirst du nirgendwo sonst finden. Ich züchte für mich erstklassige Springpferde. Mit 10 davon gehe ich auf Turniere. Um mehr zu trainieren habe ich wenig Zeit, obwohl mit Julian schon viele abnimmt. Manchmal reitet auch deine Mutter meine Pferde, aber sie hat sich dem Westernreiten verschrieben und geht ihre Wege. Sie ist im Besitz von 5 Westernpferden. Mandy hat einige Araber, mit denen sie entweder springt oder auf Distanzritte geht. Leo reitet ab und zu ein paar Ponys, aber die sind nur für den Niedlichkeitseffekt hier und Leo spielt sowieso lieber Fußball. Für den Verkauf züchten wir ausschließlich Spring- und Dressurpferde. Sie haben Alle gute Blutlinien und deshalb läuft das Geschäft fantastisch. Das Arbeitspferd Rick ist nur zu unserem Vergnügen hier. Im Winter spannen wir ihn vor die Kutsche oder wir stellen uns auf Ski und lassen uns von ihm ziehen. Julian reitet die Verkaufspferde, damit sie gut für den Kunden laufen… und ja, ich glaube, das war eine kurze Zusammenfassung von allen Pferden hier.“, sagte Phil und lächelte. Kathy wusste nicht, was sie darauf antworten sollte, also nickte sie nur stumm. „Und du hast dich also mir angeschlossen!“, schlussfolgerte Phil mit einem triumphierenden Lächeln. „Naja, ich weiß noch nicht, ob das Springen das Richtige für mich ist, aber ich möchte es ausprobieren.“, erklärte Kathy ihm und begann Winni warm zu reiten. In dieser Stunde zeigte Phil ihr den leichten Sitz im Galopp und sie machten Stangenarbeit. Kathy saugte die ganzen Informationen auf, wie ein Staubsauger und Winni schien hochmotiviert. Am Ende baute Phil ein niedriges Stangenkreuz auf und forderte Kathy auf, es zu überspringen. Ruhig galoppierte Kathy an und steuerte geschickt auf das Hindernis zu. Vor dem Sprung versuchte sie die Galoppsprünge mitzuzählen, so wie Phil es mit ihr geübt hatte, ging dann in den leichten Sitz und ließ Winni abspringen… so schnell wie er in der Luft war, war er auch wieder auf dem Boden- ohne Kathy. Sie lag nämlich längs im Sand. Schnell erhob sie sich. „Alles in Ordnung?“, fragte Phil besorgt. „Ja schon in Ordnung. Ich weiß auch schon wo das Problem lag.“, sagte sie selbstsicher, schnappte sich Winni und stieg wieder auf. „Ich hatte nicht gedacht dass er so steil springt, sondern eher weit. Das hat mich nach Hinten gezogen.“ Phil sah sie erstaunt an. „Wow, du verhältst dich richtig professionell Kathy. Du bist sofort wieder aufgestiegen und hast den Fehler bei dir gesucht und nicht beim Pferd… und ihn auch noch gefunden! Ich muss zugeben, ich bin völlig Platt.“, stotterte Phil verwirrt. Er war sich sicher, dass wenn Kathy schon so früh, so viel Begriff, bestimmt eine sensationelle Reiterin werden würde. Kathy lächelte. Sie war froh über Phils Kompliment und dadurch noch motivierter es nochmal zu versuchen. „So mein kleiner, versuchen wir es!“, flüsterte sie Winni zu und sah wie er aufmerksam die Ohren spitzte. Sie galoppierte ihn erneut an und ritt ihn auf das Stangenkreuz an. Diesmal Sprang er wieder ohne Probleme. Kathy war auf Winnis Sprung gefasst und lehnte sich richtig nach vorne. Zusammen landeten sie auf der anderen Seite des Sprungs. Sie parierte ihn durch und streichelte sein Fell. „Danke Phil. Das hat wirklich Spaß gemacht. Können wir morgen hier wieder ansetzten?“, fragte sie hoffnungsvoll und Phil willigte sofort ein. Beim Abendessen erzählte sie ihrer Familie von ihrem ersten Sprung und sie bemerkte, dass Julian ihr sehr aufmerksam zuhörte und sie dabei betrachtete.
Seine Blicke wanderten über ihr ganzes Gesicht. Von den Augen hinweg über die kleine spitze Nase bis hin zu ihren Lippen, wo sie hängen bleiben. Wie es wohl wäre sie zu küssen. Sie waren voll und geschmeidig und in seiner Phantasie schmeckten sie nach Erdbeeren. Was wohl passiert wäre, wenn Lassy vor ein paar Wochen nicht gestört hätte? Hätte er sie geküsst? Hätte er das überhaupt gewollt? Wieso verdammt nochmal dachte er überhaupt darüber nach, wie es wäre sie zu küssen? Sie war seine Schwester!
Kapitel 10
Wenn der Ex anruft
Plötzlich merkte Kathy, dass sich etwas in seinem Blick änderte. Er wurde wütend. Hatte sie etwas Falsches gesagt? Ohne ein Wort zu verlieren, erhob er sich vom Tisch und lief schnell die Treppe hinauf in sein Zimmer.
Als auch sie fertig gegessen hatte ging sie hinauf und ließ sich erschöpft auf ihr neues Bett fallen. Gedankenverloren starrte sie an die fliederfarbene Zimmerdecke und nach einer Weile waren ihre Augenlieder zu schwer geworden, um die Augen offen zu halten. Gerade als sie einschlafen war, schreckte sie wieder hoch. Ihr Handy klingelte. Schnell schnappte sie sich ihr Handy und schaute auf den Display. „MARC RUFT AN.“ Vor Schreck glitt ihr Handy auf den Boden und ließ einen dumpfen Schlag ertönen. Es hatte den Aufprall überlebt und klingelte noch immer weiter. Sie entschied sich abzunehmen. „Hallo?“, fragte sie vorsichtig und konnte das Zittern in ihrer Stimme nicht verbergen. „Hey Kathy, hier ist Marc.“ Danach folgte eine unangenehme Stille. „Ich weiß.“, sagte Kathy und ihr Herz schlug so schnell und so laut, dass sie dachte, er müsste es durch den Hörer hinweg hören. „Und hast du dich schon eingelebt?“, fragte er in einem möglichst sachlichem Ton. „Ja, alles ist fantastisch hier.“, schwärmte Kathy. Sie wusste das es nicht ganz der Wahrheit entsprach, aber sie wollte, dass er weiß, dass sie ohne ihn sehr glücklich war und ihn nicht mehr nötig hatte. „Das… das ist schön.“, sagte Marc und Kathy merkte, dass es ihn nicht wirklich interessierte. „Also Marc,“ seinen Namen knurrte sie zwischen zusammengepressten Zähnen hervor „… was willst du?“, fragte sie in einem kalten Ton. Sie hatte es geschafft sich zusammenzureißen und ihm nicht wieder nachzugeben. „Kathy, du weißt dass mir die Sache mit Clara wirklich leid tut. Wir waren betrunken… also zumindest ich. Ich wollte das doch gar nicht und außerdem kann ich mich kaum noch an etwas erinnern.“, sagte er. „Ach, du kannst dich nicht erinnern?! Dafür, dass du nichts mehr weißt, hast du die Story aber ganz schön detailliert an deine Kumpels ausplaudern können!“, schnauzte sie ihn an und kochte vor Wut. „Kathy, ich liebe dich!“, versuchte Marc sie noch einmal milde zu Stimmen. „Nein das tust du nicht, sonst hättest du mir nicht so wehtun können. Und ich liebe dich auch nicht mehr, also lass mich in Ruhe.“, zischte sie und legte auf. Was glaubte er eigentlich, wer er war? Sie würde ihm nie verzeihen. Bis vor Kurzem hatte sie geglaubt, ihn immer noch zu lieben, aber seitdem sie hier in Cornwall war, hatte sich einiges an Kathy verändert. Sie war stärker und selbstsicherer geworden. Sie brauchte Marc nicht.
Die Bodendielen vor ihrer Zimmertüre knarrten. Stand jemand vor ihrer Tür und hatte ihr zugehört? Schnell tapste sie auf Zehenspitzen zu Tür und riss sie auf. Doch niemand war zu sehen. Wahrscheinlich hatte sie es sich nur eingebildet.
Kapitel 11
Partyalarm
Schon bald waren die letzten Sommertage vorüber. Kathy hatte die warme Jahreszeit genossen und sie voll ausgenutzt. Der Steg am See war zu ihrem Lieblingsplatz geworden und sie hatte viele Tage damit verbracht mit Mandy, Dani und Julian zum Shoppen oder Eis essen in die Stadt zu fahren. Die vier waren ein eingeschweißtes Team und die anfänglichen Strapazen waren Vergangenheit geworden. Kathy dachte nicht mehr so viel über Julian nach und begann sich damit abzufinden, dass da nichts lief. Sie hatte sich das alles nur eingebildet, um über Marc hinwegzukommen. Und für ihn war sie nur eine Schwester. Trotzdem half er ihr gerne bei ihrer Arbeit mit Winni-Pooh und gab ihr gute Tipps. Kathy war zu einem richtigen Pferdemensch geworden und konnte nicht genug vom Reiten haben. Auch heute arbeitete sie wieder hart an ihren Reitkünsten. Winni war nicht so durchlässig wie sonst und ging etwas gegen das Gebiss. Kathy entschloss sich deshalb ihm erst einmal viel Zügel zu geben und ihn dann entspannt vorwärts- abwärts zu reiten. Danach nahm sie langsam die Zügel wieder etwas auf und Winni ließ sich problemlos versammeln. Auch Phil war sehr zufrieden mit Kathys Fortschritten und ließ sie nun schon auf A Höhe springen. „Ich habe Wini noch nie so in Form gesehen. Es sieht so aus, als würde er sich nur für dich so anstrengen.“, sagte Phil und Kathy fiel ihrem Pony dankbar über den Hals. Nach der Reitstunde half Kathy Lukas, dem Stallburschen, beim Heufüttern und ließ sich erschöpft zum Abendessen in den Stuhl plumpsen. „Na, du siehst ja ganz schön geschafft aus!“, bemerkte Leo und stopfte sich eine Gabel Nudeln in den Mund. „Ja, aber ich glaube die Anstrengung lohnt sich. Ich denke Winni könnte auf Turnieren richtig gut abschneiden.“, überlegte Kathy und schaufelte sich einen Berg von Salat auf den Teller. „Warum probieren wir es dann nicht aus?“, schlug Julian vor und blickte fragend zu Anne.
„Ein Turnier? Ich denke zwar, dass Kathy es schaffen könnte, aber in der Nähe findet leider keines statt.“, sagte Anne. „Dann organisieren wir eben auf unserem Hof eines!“, rief Phil, der gerade in die Küche gelaufen war, um sich ein Glas zu holen. „Das ist eine super Idee!“, quietschte Mandy aufgeregt und klatschte in die Hände. „Wir wollen nichts überstürzen!“, dämpfte Anne Mandys Enthusiasmus. „Ein Turnier zu organisieren bedeutet eine Menge Arbeit. Das wird kein Zuckerschlecken und es kann nur funktionieren, wenn wir alle zusammenarbeiten.“, erklärte Anne und schaute in die Runde. Kathy konnte ihr Glück kaum fassen. Julian schien sich genauso zu freuen. „Dann wäre das geklärt. Wir fangen Morgen mit der Planung an.“, sagte er und fügte noch hinzu:„ Und noch etwas- Morgen Abend steigt bei Dani eine Party und wir drei sind natürlich eingeladen.“ Mandy und Kathy sahen sich an. „Hat sonst noch jemand eine Überraschung für uns parat?“, scherzte Mandy. „Komm Kathy, du musst mich gleich beraten, was ich Morgen anziehen soll!“ Und schon waren die Mädchen in Madys Zimmer verschwunden.
„Was meinst du?“, grübelte Mandy, „das royal blaue trägerlose oder doch das kurze fliederfarbene?“ Dabei drehte sie sich mehrmals um ihre eigene Achse, während sie die Kleider abwechselnd vor den Körper hielt und sich im Spiegel betrachtete. „Mir gefällt das fliederfarbene besser.“, sagte Kathy und stützte ihren Kopf mit den Händen ab. „ Ja, aber meine welches steht mit besser? Ich finde das blaue passt besser zu mir, oder?“ Kathy runzelte die Stirn. „Sorry. Aber ich hab da keine Ahnung. Zieh einfach das an, in welchem du dich wohler fühlst.“ Mandy lächelte und zeigte mit dem Finger auf das blaue Kleid. „Meine Entscheidung ist getroffen. Was ziehst du an?“ Kathy schaute überrascht auf. Eine gute Frage. „Ich habe nicht so vieles Schickes Zeug mitgenommen, als ich zu euch gezogen bin. Nur Jeans und Tops…ich meine, schließlich wusste ich, dass ich auf einen Pferdehof kommen würde. Wozu braucht man da schon ein kurzes sexy Kleid im Koffer?“
„Nun ja. Jetzt siehst du wozu man hier Kleider braucht! Nicht alles dreht sich hier um Pferde.“, sagte Mandy, „aber du kannst das fliederfarbene Kleid haben, wenn du willst!“ Sofort schnappte sich Kathy das Kleid und fiel Mandy um den Hals. „Danke Mandy, du bist die Beste!“ Einen Blick auf die Uhr zeigte, dass es bereits nach zehn Uhr war und Kathy war totmüde.
Sie lief in ihr Zimmer und warf sich aufs Bett. Sie starrte auf das Kleid und musste an den Abend denken, an dem sie zuletzt ein Kleid getragen hatte:
„Schatz du siehst zum Anbeißen aus“, knurrte Marc an ihrem Ohr, als sie eng umschlungen am Schulball tanzten. Kathy musste lächeln… sie liebte ihn so sehr. „Du auch.“, gab sie sein Kompliment zurück und drückte sich fester an ihn. Ihr Blick traf den von Tess, die mit John tanzte. Glücklich lächelten sie sich an und Tess zwinkerte Kathy zu. „Klo?“, forme Tess mit ihren Lippen und Kathy verstand sofort. „Ich muss mal kurz auf die Toilette. Bin gleich wieder da“, sagte sie zu Marc und gab ihm einen kurzen Kuss auf den Mund. Tess war schon auf sie zugekommen und schnappte ihre Hand. Zusammen erkämpften sie sich den Weg durch die Menschenmenge und liefen zu den Damentoiletten. Sie liefen nicht rein, sondern nach draußen, wo Tess ihre Zigarette anzündete. „Von wegen Klo. Ich dachte du hast mit dem Rauchen aufgehört!“, klagte Kathy und sah ihre Freundin ernst an. „Hab ich auch. Aber ich bin zu aufgeregt.“ antwortete Tess und atmete tief durch. „ Ihr wollt ES heute echt tun? Bist du dir immer noch sicher, dass du das auch willst?“, fragte Kathy deutlich besorgt. „Ja schon. Nein. Ah ich weiß auch nicht. So kurz vorher bekomme ich ganz schön Schiss.“, gestand Tess ihr. „ Es wird alles gut.“, versuchte Kathy ihr Mut zu machen. „Und du und Marc? Ich meine ihr seid schon so lange zusammen und du lässt ihn ja echt zappeln.“ Kathy seufzte. „Ja ich weiß, aber ich glaube ich bin noch nicht so weit. Er drängt mich geradezu mit ihm Sex zu haben, aber wenn er mich liebt wird er warten, bis auch ich mir sicher bin und es will.“, sagte Kathy überzeugt und Tess lachte auf. „Das meinst du jetzt nicht ernst. Wo hast du denn den Scheiß her? Männer sind Männer… und Männer wollen Sex.“, sagte Tess und drückte ihre Zigarette aus. „Marc ist aber nicht so glaub mir.“ Tess blickte in die Ferne und zuckte die Schultern. Dann riss sie die Augen auf und fixierte einen Punkt drüben auf dem Fußballfeld. „Ja du hast Recht. Marc ist nicht so. Er ist noch VIEL schlimmer!!“, rief sie und lief los. Kathy rannte ihr hinterher und versuchte die Situation zu verstehen. Dann sah sie Marc auf dem Fußballfeld. Mit Tina! Die auf dem Minitor saß und sich von ihm vögeln ließ. Tess kam von hinten angerannt und schmiss sich auf ihn. „Du Dreckskerl! Wie kannst du nur?“ Kathy blieb schwer atmend stehen und blickte von Tina zu Marc und wieder zurück. Ihr Freund hatte sie gerade betrogen! Sie war so verletzt, dass sie ihn nur mit voller Abscheu anstarren konnte. „Schau mich nicht so an, als wäre ich schuld daran Kathy! Du wolltest nicht, das hast du jetzt davon!“, beschuldigte er sie und knöpfte seine Hose zu. Tess gab ihm einen harten Tritt mit dem Fuß. „Spinnst du? Du hast Kathy gar nicht verdient du mieses Arschloch!“, damit drehte sie sich um und packte Kathy am Arm. Zusammen liefen sie zurück, zu dem Platz, wo sie zuvor gesessen hatten und Tess nahm Kathy in die Arme. „Das tut mir so leid Kathy!“ Doch Kathy konnte immer noch nicht verstehen, was da gerade geschehen war. Ihr liefen die Tränen übers Gesicht und Tess wischte sie weg. „Er ist es nicht wert, Süße.“, tröstete sie Kathy und drückte sie fest an sich. Es war aus zwischen ihr und Marc. Sie wusste nicht was sie jetzt machen sollte. Sie fühlte sich verraten und gleichzeitig so leer, als hätte sie einen Alptraum und würde jeden Moment erwachen. Doch das war echt und langsam spürte sie Trauer, Hass und Verzweiflung in sich hochsteigen. Warum hatte er das getan? Liebte er sie nicht? Wäre das alles nicht passiert wenn sie mit ihm geschlafen hätte? Was sollte sie jetzt tun?
Vorsichtig legte sie Mandys Kleid beiseite und versuchte nicht mehr an die Vergangenheit zu denken. Bald waren Herbstferien und Tess würde sie besuchen kommen. Kathy hatte wieder etwas, worauf sie sich freuen konnte.
-Fortsetzung folgt…
Texte: alle Urheberrechte liegen bei mir
Tag der Veröffentlichung: 17.06.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Dieses Buch widme ich meiner besten Freundin- weil ich ohne sie nicht kann und ohne sie nie zum Reiten gekommen wäre.
Danke Janina für alles. Ich liebe dich!