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Kleine Männchen und Blumen entstanden auf dem Block. Jedoch fehlte das Wichtigste: Medizin, Medizin und noch mal Medizin.
Kennt ihr das? Man sitzt in einer Menge von mehr oder weniger gelangweilten Medizinstudenten, die darauf hofften eines Tages berühmte Ärzte zu werden, jedoch von dem Kram was der Dozent, ein paar Meter weiter unten, von sich gibt, nur noch genervt sind.
Naja, vielleicht kennt es nicht jeder von euch, da ja nicht die gesamte Menschheit vor hat zu studieren. Aber das übertriebene Gähnen geht doch frühestens in der Grundschule schon los, und die hat ja wohl hoffentlich jeder besucht.
Ich sollte eigentlich auch Zahlen und Wörter auf schreiben, da ich eh schon etwas hinterher hinke. Doch bei dieser Schnarchnase da vorne, fällt einem nun wirklich nicht mehr ein, als Strichmännchen und irgendwelchen quadratische Formen.

Langsam glitt mein Kugelschreiber aus meinen Fingern und eine ungeheuere Schwere überkam meine Augen. „ Nicht einschlafen, Gemma“, warnte ich mich selber und rieb mir die Augen.
Ein paar Sitze neben mir saß meine beste Freundin Isabel, und warf mir schon viel sagende Blicke zu. Ich lächelte einmal und schaute auf die Uhr. Der Zeiger ließ sich gemütlich Zeit und ich sank auf meinem Stuhl hinunter.
Obwohl ich den riesigen Vorleseraum schon mindestens 50-mal gesehen hatte, ließ ich meinen Blick schweifen. Bei dem Vortrag von Mr. Solis, unserem Chemiedozenten, wirkte sogar ein Lüftungsschacht halbwegs interessant.
Ich wanderte weiter zu den Leuten, die auf den Sitzen herum lungerten. Eigentlich waren es dieselben Leute wie immer. Die Mädchen hatten die Haare meistens zu einem Zopf gebunden und betrachteten sich skeptisch im Spiegel, und die Jungs starrten ins Leere oder die Brüste der Mädchen an.
Ich schüttelte den Kopf. Männer waren auch solche notgeilen Idioten. Eine war aber am schlimmsten. Megan Field.
Sie saß ganz vorne und schminkte sich bestimmt zum fünften Mal ihre Augen. An ihr klebten alle sabbernden Blicke der Jungs. Doch diese Person, mit Modelmaßen und blonde, langen Haaren, wollte nur ihren Spaß haben. Sie war ein, wie sagt man auf gut Deutsch, ein Flittchen? Oh ja, das war das richtige Wort.
Ich wandte mich angewidert von dieser Kuh ab und konzentrierte mich wieder auf meine Kindergartenzeichnungen.

Nach gefühlten 10 Stunden erlöste uns Mr. Solis, mit den beliebten Worten: „ Bis zum nächsten Mal und fleißig büffeln.“ Als ob das irgendjemand ernsthaft tat.
Ich band mir meine schulterlangen, schwarzen Haare zusammen und strich die übrig gebliebenen hinter die Ohren.
„ Gemma“, ertönte schon die müde Stimme meiner besten Freundin. Ich sah auf und schaute in das grinsende Gesicht von Isabel Meyer.
Ach ja, meine beste Freundin. Selbst ein lahmer Vortrag wie dieser kann sie nicht herunter ziehen. Sie kann noch so müde sein, Isabel grinst sich die schlechte Laune einfach weg. Und dafür liebte ich sie. Ich kannte keinen Menschen, der eine positivere Ausstrahlung besaß, wie diese Frau.
„ Wollen wir noch einen Kaffe trinken gehen, oder so?“
Ich stöhnte. Wie gerne würde ich jetzt Koffein zu mir nehmen. Dieses Zeig verdient einfach einen Ritterschlag. Doch mal wieder drängte die Zeit.

„ Isi, du weist das wir gleich arbeiten müssen“, erklärte ich ihr, während wir den Saal verließen und uns einen Weg durch die wild durch einander redenden Studenten bahnten, „ und davor würde ich gerne noch etwas schlafen.“
Isabel verdrehte die Augen. „ Mensch, schlafen kannst du, wenn du tot bist. Komm schon.“
Da war sie wieder. Ihr drängelnder Unterton. Doch diesmal würde sie mich nicht klein kriegen. Immerhin schlief ich schon fast hier auf dem Flur ein.
Drohend hob ich den Finger. „ Isabel, ich will schlafen. Wir sehen uns doch nachher noch. Und du solltest dich auch etwas hin legen. Ansonsten macht dein Körper schlapp.“
Isabel verzog die Lippen zu einem Strich. „ Jetzt lass hier bloß nicht die Ärztin raus hängen.“ Manchmal konnte sie echt wie ein kleines Mädchen sein. Ich schüttelte lachend mit dem Kopf.
„ Du kleine Nervensäge. Nimm doch Adam mit.“
Isabel rümpfte die Nase. „ Nein, der muss jetzt schon arbeiten. Deshalb konnte er auch gerade nicht bei der Vorlesung sein.“
Ich ließ den Blick sinken. Adam Brooks war Isabels Freund. Die beiden waren seit gut einem Jahr zusammen, jedoch kriselte es momentan. Beide arbeiteten abends. Isabel mit mir als Kellnerin in einer Campuskneipe und Adam bei seinem Vater in der Autowerkstatt. Sie sahen sich praktisch nur in der Uni und da auch nur sehr wenig, da sie viel zu viele verschiedene Kurse hatten. Das ist auch einer der Gründe warum ich keine feste Beziehung hatte. Der Stress und die Verpflichtung sich ständig sehen zu müssen, waren mir einfach zu blöd.
Aber was soll ich sagen. Es gab aber leider noch einen größeren Grund, warum ich seit fast drei Jahren Single war. Mich.
Gut, ich war jetzt nicht hässlich, ich war durchschnitt. Klein, normale Figur und ein liebliches Gesicht mit braunen Augen und gebräunter Haut. Normal halt. Und das trug auch dazu bei, dass mir nicht so viel Beachtung geschenkt wird. Ich war jetzt kein Außenseiter, falls ihr das dachtet. Nein, ich war einfach da und lebte vor mich hin. Leider zu sehr, dass Jungs in meinem Leben keinen Platz fanden.

Isabel verabschiedete sich von mir vor meinem Zimmer und ich schloss die Tür auf. Meine Mitbewohnerin Claire war noch nicht da und das war auch ganz gut so. Nicht das ich sie nicht mochte, aber wir hatten uns nicht viel zu sagen und ich war froh noch ein bisschen Ruhe zu haben.
Ich schmiss meine Tasche in eine Ecke und schaltete meinen Wecker auf halb zehn. Dann hieß es nämlich Gemma, die Kellnerin. Naja, was tut man nicht alles um sein Studium zu finanzieren. Ich öffnete meine Haare, zog meine Hose aus und kuschelte mich in meine Decke. Kurz darauf war ich eingeschlafen und bekam so auch nicht mit wie Claire das Zimmer betrat und das Licht ausschaltete. Man, das ich das immer vergessen musste.

(Erzählt von Luke):

„ Sehen wir uns wieder?“
Nein, schon wieder dieser Satz. Wie ich ihn hasste.
Die junge Frau umschloss meine Schultern und flüsterte ihn in mein Ohr. Stumm zog ich mir mein Hemd über und stand auf. Das blonde Mädchen hob die Augenbrauen. „ Ist das jetzt ein Ja oder ein Nein?“
Ich seufzte genervt. „ Eher ein Nein, tut mir leid. Aber du wusstest wie ich drauf bin. Kein Mädchen für mehr als eine Nacht.“ Bei dem letzten Satz zog ich meine Hose hoch und machte mich an meine Schuhe.
Das Mädchen, was übrigens Cherry hieß, verdrehte die Augen. „ Schön, nur haben wir es am Tag getrieben und ich dachte da wäre mehr zwischen uns.“ Sie verschrenkte die Arme und sah mich erwartungsvoll an.
„ Tja“, sagte ich und beugte mich zu ihr hin, „ so kann man sich täuschen. Bis dann.“ Und so gab ich ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange und machte mich aus dem Staub.
Auf dem Flur hörte ich noch, wie Cherry wütend ein Kissen gegen die Tür schmiss und ein „ Penner“, ertönte. Irgendwie tat sie mir leid, aber der Sex war es wert.

Ich fummelte an meinen Haaren herum, bis sie wieder gerade lagen und verließ das Wohngebäude.
Ach, die Uni. Hier gab es die schönsten Frauen. Ich hatte viele, sehr viele gehabt. Und es machte mir von Tag zu Tag mehr Spaß. So was wie Liebe gab es bei mir nicht. Das einzige was ich liebte war ein kühles Bier am Abend und eine schöne Frau am Morgen.
Hey, so bin ich halt. Luke Sanders, der Playboy. Ich wusste dass ich einer war und verspürte auch keinen Drang dieses Wort zu verleugnen. Das Leben war für mich eine einzige Party und das war auch gut so. Naja, ich studierte noch nebenbei. Aber das würde ich schon irgendwie hin kriegen. Okay, ich hatte durch Cherry wieder eine Vorlesung verpasst, aber das war es Wert.
Nur eine hatte ich noch nicht bekommen: Megan Field.
Bei dem Gedanken wurde mir heiß. Diese Frau war heiß. Sie fehlte noch in meinem Bett, aber sie war nicht leicht zu kriegen. Ich hatte zwar keine Probleme sie an zu machen und sie war auch bereit mit jedem ins Bett zu gehen. Doch sie ließ mich zappeln, aus welchem Grund auch immer.
„ Ich krieg dich schon noch, Megan“, dachte ich mir und betrat verführerisch grinsend die Kneipe.

Ich rieb mir über die verschwitzte Stirn und schnaufte. Warum muss um diese Zeit hier im „ Campusfly“ nur so viel los sein? Kaum das die Türen sich öffnen, war die Bude gerappelt voll mit biersüchtigen Studenten. Das die auch immer so viel saufen müssen!
Ich hob mich da schon wieder gewaltig ab, denn ich hasste Alkohol und noch mehr die Leute, die davon zu viel inhaliert hatten.

„ Gemma“, rief mir Isabel gehetzt entgegen und schmiss mir ein Tuch zu. Kaum hatte ich es gefangen, schon kapierte ich. Irgendeiner von diesen nervigen Idioten am Tresen, hatte sein Bier verschüttet und nun schwamm der halbe Treseninhalt.
Etwas verärgert lief ich rüber und fing sofort an zu wischen, ohne den Übeltäter ins Gesicht zu schauen. „ Herzlichen dank. Du hast ganze Arbeit geleistet. Wie wäre es mal mit ein bisschen weniger saufen, Kumpel“, meckerte ich einfach so drauf los. Ich hörte ein etwas angeheitertes Lachen. „ Und wie wäre es bei dir mit ein bisschen mehr Freundlichkeit gegenüber Gästen?“
Wütend pustete ich mit eine Strähne aus dem Gesicht, die sich aus meinem Pferdeschwanz gelockert hatte, und sah auf…direkt in das schiefe Lächeln von dem Menschen, den ich am meisten verabscheute.
„ Luke“, grummelte ich und wandte mich wieder dem Wischen zu. Lukes falsches Lächeln verschwand abrupt. „ Glaub mir. Mein Abend wird auch nicht unbedingt besser, wenn ich dich sehe, Gemma.“ Ich schnaubte verächtlich und schüttelte mit dem Kopf. „ Na, dann geh doch einfach.“ Luke seufzte übertrieben, was mich dazu verleitete auf zu sehen. „ Würde ich ja gerne, aber ich bin hier mit Adam. Heute ist sein einziger freier Abend.“
Schockiert weiteten sich meine Augen. „ Adam ist hier?“, schoss es aus mir heraus. Luke schaute panisch hinter sich und zischte. „ Shhh…Isabel soll das nicht wissen.“
Mein Schock wurde dadurch nur noch größer. „ Bist du noch ganz dicht? Natürlich sag ich es ihr. Sie denkt ihr Freund muss arbeiten, dabei vergnügt er sich in irgendeiner dunklen Ecke in der Kneipe, wo Isabel auch noch arbeitet!“
Luke verdrehte genervt die Augen. „ Könntest du jetzt endlich mal die Klappe halten! Er wollte sie überraschen, mein Gott!“ „ Oh“, entfuhr es mir spontan, „ achso.“ Beschämt fing ich wieder an zu wischen.
„ Gott, du bist echt der schlimmste Mensch den ich kenne“, schimpfte Luke und stand auf. Empört schmiss ich ihm den Lappen in den Nacken. „ Schau dich mal lieber selber an!“ Luke zupfte sich angewidert den Lappen von den Klamotten und warf mir einen zornigen Blick zu. Triumphierend über diese Aktion verschränkte ich die Arme. „ Na los, geh schon. Du musst doch bestimmt irgendein Blondchen vögeln.“ Luke hob die Augenbrauen und grinste schleimig, während er zur Tür lief. „ Neidisch?“
Darauf sagte ich gar nichts. Stattdessen rümpfte ich mit der Nase und drehte mich weg. Luke stöhnte nur angenervt und verließ die Kneipe.
Außer mir knallte ich den Lappen in die Spühle. Und schon wieder hatte es der Kerl geschafft, mich zur Weißglut zu treiben. Wie er mich anwiderte!

Ich hatte Luke vor gut einem Jahr kennen gelernt, als Isabel mir Adam vorgestellt hatte. Luke war Adams bester Kumpel. Nur leider komplett anders, als Adam. Er war der totale Macho und trieb es mit jedem Mädchen hier auf dem Campus. Durch meine aufbrausende und zurück haltende Art, hatte Luke einen Groll gegen mich erhoben. Aber das war mir so egal. Er sollte mich einfach in Ruhe lassen und dann war alles in Ordnung. Nur leider war das nur Wunschdenken, denn sobald Isabel und Adam mich trafen, war auch Luke in der Nähe. Komischerweise kamen die beiden bestens mit ihm klar. Zum Glück traf ich nicht Lukes Frauengeschmack. Sonst würde er mich auch noch pausenlos anbaggern und versuchen mich mit seinem angeblich so unwiderstehlichen Charme um den Finger zu wickeln. Das war wirklich das Einzige wovor ich gerettet war.

Ich räumte gerade die leeren Biergläser vom Tresen, als ich schon Adam und Isabel erblickte, die sich wild knutschten. Bei den beiden war man sich wirklich nie sicher, wie der Beziehungsstand war. Kaum machte Adam seiner Freundin eine Freude, und darin war er wirklich gut, war alles vergessen. Ich seufzte und machte mich auf den Weg zur Umkleide. Endlich Feierabend! Zum Glück war Luke nicht mehr aufgetaucht.
Ich kämmte mein Haar durch und ließ es offen über meine Schultern fallen. Dann zog ich mir meine Jeansjacke über mein schwarzes Top und machte mich auf den Weg zum Wohnheim. In ein paar Stunden hieß es schließlich wieder Vorlesung bei Mr. Solis. Oh man, diese Woche war fast ausschließlich mit seinem Gelaber verplant, wobei die Hälfte der Leute fast ins Koma fielen.

(Erzählt von Luke):

Wie konnte man nur so eine Zicke sein?
Ich trat meine Zigarette aus und lehnte mich lässig gegen die Hauswand. Sie hatte absolut keinen Grund arrogant zu sein. Sie sah langeilig aus, und das war sie auch.
„ Tzz“, machte ich und schüttelte Gemma aus meinen Gedanken. Schließlich würde gleich Lucy kommen. Oh man, mit Abstand einer der heißesten Blondinen der Uni. Doch an Megan kam sie nicht ran. Oh nein, jetzt bloß nicht an Megan denken. Sonst würde ich noch wahnsinnig werden. Diese Frau machte mich verrückt.
Ich hörte Schritte und rechnete fest mit Lucy. Ich setzte mein charmantestes Lächeln auf und trat von der Wand weg. Doch die Person, die dann um die Ecke kam, brachte mich nun wirklich nicht in Wallungen.
„ Gemma“, stöhnte ich und fiel zurück gegen die Wand. Die Schwarzhaarige hatte die Arme verschränkt und lief fröstelnd an ihm vorbei. „ Was? Mit deinem nächsten Opfer gerechnet?“
Ich sah zu ihr. „ Eigentlich schon. Du hast meine Stimmung gerade so was von in den Keller sinken lassen.“
Gemma öffnete unbeeindruckt von mir die Tür und wollte hinein gehen, doch ich war schneller und hielt den Arm vor ihr. „ Was haben wir denn jetzt so vor?“
Gemma sah mich nicht mal an, sondern starrte fast platzend vor Wut, in den Flur vor sich. „ Verarsch mich nicht und lass mich durch. Sonst passiert gleich ein Unglück!“ „ Was, küsst du mich? Ich weis doch, wie scharf ich dich mache!“ Über mich selber lachend nahm ich die Hand weg und Gemma eilte in den Flur. Ich rief ihr noch siegessicher hinterher. „ Eins zu Null für mich, Shaw!“ Von Gemma kam nur ein erhobender Mittelfinger und mein Grinsen wurde noch breiter.

(Erzählt von Gemma)

Angeekelt, wütend, hasserfüllt. Diese drei Adjektive beschrieben meine Gefühle gerade am besten.
„ Wie kann man nur so ein Widerling sein!“, rief ich in mein leeres Zimmer hinein, als ich die Tür hinter mir zu knallte. Ich schaute kurz zu Claires Bett, um sicher zu gehen, dass sie nicht drin lag und wahrscheinlich gleich den Psychologen holen würde. Doch sie war zum Glück nicht da.

Ich kramte mein Nachtzeug hervor und versuchte mich ab zu regen. Doch das gelang mir nicht sehr gut, denn vor Wut riss ich das ganze Brett aus dem Schrank, welches polternd zu Boden fiel. „ Scheiße!“, entfuhr es mir und mein Kopf lief rot an. Ich sah aus, als hätte ich einen schlimmen Sonnenbrand.
Völlig außer mir trat ich gegen das Brett und ließ mich dann auf erschöpft auf mein Bett fallen.
Wie lange sollte das noch so weiter gehen? Ich hatte schon oft genug mit Isabel über Luke gesprochen. Darüber das ich es in seiner Nähe keine Minute aushielt. Doch sie flehte mich immer wieder an es zu versuche, da er Adams bester Freund war, und sie wollte ihn nicht verletzten. Gott, solangsam überkam mich der leise verdacht, dass Isabel von ihrem Adam total besessen war.
Naja, ihr wisst ja dass es meistens so ist, dass derjenige an den man denkt im nächsten Moment auftaucht. „ Wenn man vom Teufel spricht“, heißt es ja so schön. Schon klopfte es an der Tür und ich hörte Isabel zaghaft rufen. „ Gem, bist du noch wach?“
Ich antwortete gar nicht erst, sondern schlurfte direkt zur Tür. „ Gerade noch so“, murmelte ich, als ich sie öffnete. „ Naja, Hauptsache wach“, trällerte Isabel und hüpfte hinein.
Leicht angenervt um diese Zeit von einem hüpfenden Etwas gestört zu werden, verdrehte ich die Augen und schloss die Tür. „ Isi, warum hast du eigentlich immer so eine Scheiß gute Laune, wenn ich total müde bin?“
Isabel betrachtete mit fragender Mine das Klamottendurcheinander auf dem Boden und zuckte mit den Schultern. Dann begannen ihre Augen zu glänzen, als sie sich neben mich auf meine dunkelrote Bettwäsche fallen ließ, die mir meine Großmutter vor meinem Umzug zur Uni geschenkt hatte.
„ Ach, Gemma. Adam ist so ein Schatz.“ Ich grummelte irgendwas von „ Tatsächlich?“ und kuschelte mich in mein Kissen. Isabel redete einfach weiter. „ Ja, er hat mich vorhin überrascht.“
Ungläubig schaute ich auf. „ Isi, ich war doch dabei.“
„ Ach ja, stimmt“, grinste Isabel, „ dann weist du ja was ich meine.“
„ Tzz“, kam von mir und ich setzte mich auf, „ ich hatte leider nicht so viel Spaß, weil der werte Herr Sanders auch da war.“
Isabel bekam große Augen. „Luke war da? Hast du mit ihm gesprochen?“
„ Oh ja, er ist immer noch der notgeilste Trottel den ich kenne.“
Isabel versuchte mich mal wieder zu besänftigen. Unglaublich das ihr Lukes Verhalten nichts ausmachte. „ Gem, so ist er halt. Das ist seine Lebenseinstellung. Ansonsten ist er doch ganz okay.“
Ich schnaubte und fiel wieder in meine Kissen. „ Isi, bitte. Ich habe jetzt keine Lust über diesen Idioten zu reden. Lass es einfach gut sein, okay?“
Meine beste Freundin atmete nur traurig aus und legte sich neben mich. „ Es wäre aber schön, wenn wir alle vier miteinander auskommen würden.“, flüsterte sie noch in die Stille. Ich tat so, als ob ich schon schliefe und schloss die Augen.

Der Hörsaal war schon gut gefüllt, als Isabel und ich ankamen.
„ Wow“, wunderte ich mich, „ was sind das alles für Menschen?“ Isabel lachte kurz auf. „ Also, ich denke das sind Studenten.“ Sarkastisch lächelnd lief sie voraus.
„ So viele kommen doch selten zur Vorlesung von Mr. Solis“, stellte ich immer noch schockiert fest.
Wir beide suchten uns einen Platz weiter oben. Leider waren nur noch zwei Plätze neben Megan frei. Diese verdrehte genervt die Augen und schenkte uns ihren arrogantesten Blick.
„ Na toll, warum bin ich nicht im Bett geblieben“, meckerte ich und ließ mich seufzend neben die Blondine fallen. Anscheinend hatte ich das etwas zu laut ausgesprochen, denn Megan wandte sich mir zu. „ Keine schlechte Idee, Shaw. Dann wäre mir der Anblick deiner grässlichen Klamotten erspart geblieben.“
Schon leicht gereizt überhörte ich das. Ich verstand zwar nicht was an einer schwarzen Röhrenjeans und einer geblümten Seidenbluse verkehrt war, aber das war halt Megan. Blond und Blöd. Normalerweise war ich gegen solche Vorurteile, doch bei ihr traf das leider absolut zu. Mir war es immer wieder ein Rätsel, wie diese Frau das Studium bestehen wollte.

Im Laufe der Vorlesung wurde mir bewusst, warum so viele Leute hier waren. Mr. Solis würde uns heute für die Projektwoche in Gruppen aufteilen.
Das Thema waren die Chemikalien in den Medikamenten. Okay, hört sich einfach an und auch eher wie eine Klassenarbeit in der 9. Klasse. Aber leider mussten wir an Medikamenten arbeiten, selber welche herstellen und die Herstellung auf einer Ausstellung der Uni den Besuchern erklären. Jede Gruppe würde fünf Medikamente bekommen.
Ich betete bestimmt zum zehnten Mal, dass ich mit Isabel in eine Gruppe kam. Denn sonst hatte ich mit fast niemanden hier zu tun. Ein amüsiertes Lachen ließ mich zusammen zucken. Es kam von der Reihe hinter mir. Als ich mich umblickte erkannte ich Luke, der lässig in seinem Stuhl saß…oder eher lag.
„ Ist das kleine Fräulein am beten, dass es nicht mir irgendwelchen coolen Leuten in eine Gruppe kommt“, säuselte er in Kleinkindersprache und beugte sich nach vorne.
Da er sein weißes Hemd übertrieben weit aufgeknöpft hatte, hatte ich freien Blick auf seine Brust. Ich ließ angewidert den Blick senken machte ihn dezent darauf aufmerksam. „ Das geht dich nichts an. Und außerdem kommt Freuzügigkeit bei Mr. Solis nicht gut an.“
Er schaute erst etwas verwirrt an sich herunter, fing dann aber an zu grinsen und lehnte sich zurück. „ Ach, komm schon, Shaw. Das gefällt dir doch.“ Darauf hatte ich nun wirklich kein Bock und drehte mich wieder um.
„ Du hast gar keinen Grund so aufmüpfig zu sein“, meldete sich nun auch Megan zu Wort, „ an deiner Stelle, wäre ich froh über ein klein wenig Aufmerksamkeit.“ Ich lächelte schmierig und sah zu ihr. „ Lieber wenig Aufmerksamkeit, als wenig Hirn.“ Megan verzog nur verärgert das Gesicht und wandte sich ab. Ich grinste währenddessen in mich hinein, denn ich war mir sicher dass sie meine Aussage gerade überhaupt nicht kapiert hatte.

Schließlich verteilte Mr. Solis endlich die Gruppen. Jeder saß angespannt auf seinem Platz und starrte Mr. Solis an. Hier und da hört man ein erfreutes Jubel oder ein erleichtertes Seufzen. Aber auch mal ein enttäuschtes Grummeln.
Nach ein paar Minuten waren Isabel, Luke, Megan und ich immer noch übrig. Mr. Solis blieb vor uns stehen und betrachte nachdenklich seine Liste. „ Tja“, sagte er durch seinen Bart hindurch, „ wie es aussieht sind Sie vier noch übrig.“
Ich befürchtete das Schlimmste und schaute panisch zu Isabel, die sich schon krampfhaft an meinem Arm fest krallte, so dass ich dachte sie würde ihn mir jede Sekunde abreißen.
Megan schüttelte ängstlich mit dem Kopf und wagte es nicht Mr. Solis an zu sehen. Nur Luke saß grinsend auf seinem Stuhl und gierte nach Megan. Wenn das eintreffen würde, was wir alle vermuteten, wäre er jeden Tag mit Megan zusammen. Und das war ja schließlich das, was er am meisten wollte.
Mr. Solis sah auf und sprach den Satz aus, der sich in meinen Ohren anhörte, als wäre er aus weiter Entfernung ausgesprochen worden. „ Ihr vier bildet dann zusammen die letzte Gruppe.“
Ich fiel ins Bodenlose. Nun würde ich jeden Tag Luke und Megan um mich haben. Konnte der Tag jetzt noch schlimmer werden?


„ Gemma!“
Ich grummelte in mein Kissen. Es klang stark nach verbotenen Flüchen. Draußen ging das drängelnde Klopfen weiter.
„ Gemma, mach endlich auf! Davon geht doch die Welt nicht unter!“
Wütend schlug ich einmal mit der Faust in mein Kissen, wo gleich ein paar Federn heraus flogen.
Diese landeten auf meinem Kopf und ich stöhnte noch mehr. Was hatte ich dem Boss da oben im Himmel nur getan?

Nun ertönte eine zweite Stimme an der Tür.
„ Gemma, bitte…Isabel macht sich Sorgen.“
Na klasse, nun hatte meine beste Freundin auch noch Verstärkung von ihrem Lover geholt.
Es half ja alles nichts. Die beiden konnten ja nichts dafür.
Also schlurfte ich zur Tür und ließ Isabel und Adam hinein.
„ Claire, mach einen Abgang“, befahl Isabel, als sie Claire bemerkte, die auf ihrem Bett hockte und mich schon die ganze Zeit angestarrt hatte.
Diese ließ sich das nicht zwei Mal sagen und verschwand.

Ich stellte mich ans Fenster und ließ meine Stirn gegen die kühle Scheibe fallen. Isabel trat neben mich und legte ihre Hand auf meine Schulter.
„Gem, so schlimm wird es schon nicht werden.“
„ Oh doch“, grummelte ich, „ ich überlebe keinen einzigen Tag mit diesem Schwachmaten und der Hirnlosen Barbie.“
„ Hey, Luke ist immer noch mein bester Freund“, meldete sich Adam empört zu Wort.
Ich drehte mich um und verschränkte wütend die Arme.
„ Schatz“, sagte Isabel zuckersüß, „ lass uns mal lieber alleine. Es ist nicht gut, wenn einer dabei ist, der zur feindlichen Partei gehört.“
Adam lächelte leicht und küsste Isabel auf die Stirn. Ich zog eine Schnute und drehte mich wieder zur Scheibe um.

„ Süße“, begann Isabel erneut, als Adam weg war, „ denk mal nicht an Luke, sondern an das Projekt. Das ist wichtig. Willst du dir deine Noten durch so etwas kaputt machen lassen?“
Ich geriet ins Grübeln. Irgendwie hatte sie Recht.
„ Weist du, Isi“, sagte ich entschlossen, „ Luke ist mir so was von egal. Ich mache meine Arbeit und fertig.“
„ Das ist meine Süße“, strahlte Isabel und hielt mir ihre flache Hand hin, „ wir packen das.“
Ich musste lachen und klatschte ein.
Das würde mein Projekt werden. Daran konnte auch kein Luke und keine Megan was ändern.

Am Abend sollte die Besprechung vom Projekt der einzelnen Gruppen statt finden. Isabel, Luke, Megan und ich trafen uns in der Bibliothek.
„ Ich habe hier die Liste von Mr. Solis bekommen“, begann ich und hob einen grünen Zettel hoch, „ dort stehen unsere Medikamente und unseren Aufgaben drauf.
„ Tzz“, ertönte von Luke, der wie immer auf seinem Stuhl mehr lag als saß, „ das ist ja wie im Kindergarten.“
Ich stöhnte genervt.
„ Hast du ein Problem, Schlaumeier?“
„ Ja, habe ich. Sind wie hier in der Uni und in der Grundschule?“, meckerte Luke verärgert.
„ Luke, bitte“, versuchte ihn Isabel zu beruhigen.
Doch ich war schon wieder auf 180. Der Kerl konnte nicht einmal vernünftig mit mir reden. Es war nicht zu fassen.
„ Gut, dann mach es doch besser“, wütete ich und stand auf. Ich pfefferte ihm den Zettel vor die Nase und schnappte mir meine Tasche.
„ Gemma, wir haben doch vorhin was ab gemacht“, erinnerte mich Isabel an unser Gespräch.
„ Tut mir leid, Isi…aber ich krieg das Kotzen, wenn ich diese Person da noch länger sehen muss.“
Den letzten Satz warf ich voller Verachtung in Richtung Luke und rauschte davon.
„ Man, die ist so Psycho, ey“, lachte Megan und schielte zu Luke, der mir aber nur hinter her sah. Sein Gesichtsausdruck schien Verwirrtheit an zu zeigen.

(Erzählt von Luke)

Ich starrte Gemma hinter her. Puren Hass hatte ich in ihren Augen gesehen. Ich hätte nie gedacht, dass sie mich so verabscheute. Natürlich mochte ich sie nicht, aber das schockierte selbst mich.
Ich wollte hier bleiben, doch etwas drängte mich nach Gemma zu sehen um heraus zu finden, ob es ihr gut geht.
„ Wo willst du denn hin“, fragte mich Megan, als ich auf stand. Oh man, wenn ich sie schon sah, wie sie das saß mit ihrer tief ausgeschnittenen Bluse und engen Jeans, wurde ich ganz geil.
Doch aus irgendeinem Grund war mir dieses Projekt wichtig. Schließlich wollte ich ein erfolgreicher Chirurg werden.
Also beschloss ich den Streit zu kitten und Gemma auf zu suchen. Auch wenn ich eigentlich mehr Lust hatte, mit Megan zu flirten. Aber was soll’s.
Ich ging nicht auf Megans Frage ein und eilte aus der Bibliothek.
„ Was ist denn jetzt los?“, hörte ich noch Isabel verwirrt fragen.

Ich fand Gemma draußen auf einer Bank sitzen. Sie hatte ihr Buch auf geschlagen und war in einen Text vertieft. Irgendwie sah sie ganz süß aus, wenn sie sich konzentriert. Oh Gott, Luke…was denkst du hier gerade. Du hasste sie.
Ich schüttelte diesen Gedanken aus meinem Kopf und stellte mich vor Gemma.
„ Hey“, sagte ich desinteressiert.
Sie reagiert nicht. Stattdessen rümpfte sie nur mit der Nase und strengte sich noch mehr an.
Ich verdrehte die Augen und hielt ihr den grünen Zettel vor die Nase. Endlich sah sie auf.
„ Was soll das?“
Ich legte ihr den Zettel auf das Buch, vergrub die Hände in den Hosentaschen und kniff die Augen zusammen. Diesen Satz würde ich mir nie verzeihen.
„ Es tut mir leid.“


(Erzählt von Gemma)

Ich glaubt mich verhört zu haben. Hat der Typ sich gerade bei mir entschuldigt?
Mit skeptischer Mine sah ich auf.
„ Hast du gerade den Satz ausgesprochen, von dem ich dachte, dass er nicht in deinem Wortschatz besteht?“
Luke seufzte und ließ sich neben mir auf die Bank fallen.
„ Ja, leider. Mir ist das Projekt, ob du es glaubst oder nicht, wichtig. Und ich werde mich deswegen auch zusammen reißen.“
Ich starrte ihn an, als wäre er ein Außerirdischer. Das gab es einfach nicht. Ich hatte noch nie erlebt, dass Luke Sanders ein normales Wort mit mir sprach.
Erstaunt und völlig sprachlos suchte ich nach den richtigen Worten.
„ Das heißt, dass ich nicht mehr das Kotzen kriege, wenn du den Mund aufmachst?“
Luke presste die Lippen zusammen und stand auf.
„ Ich hoffe nicht“, murmelte er, zog mich grob am Arm hoch und schleifte mich mit, „ dann können wir nämlich endlich weiter machen.“
Sofort verschwand mein Erstaunen und verwandelte sich in Wut.
„ Hey, Penner. Ich kann auch alleine laufen, danke.“
Luke stöhnte verärgert auf.
„ Ohhh, du kleines…“
Doch weiter kam er nicht, denn er brach ab und fuhr sich durch die Haare.
„ Okay“, begann er ruhiger und drehte sich zu mir um, „ wir sollten uns zusammen reißen. Wenigstens so lange bis das Projekt vorbei ist, einverstanden?“
Ich überlegte kurz. Frieden schließen mit dem Idioten? Dafür würde ich mich selber in die Hölle schicken, das stand fest.
Etwa angewidert schüttelte ich seine Hand, die er mir hin hielt.
„ Gut, dann wäre das ja geklärt“, grummelte er und lief voraus.
„ Denk bloß nicht, dass ich dich jetzt mag, Sanders“, rief ich ihm warnend hinter her.
Luke drehte sich grinsend um und antwortete mir rückwärtsgehend: „ Wenn du wüsstest was ich den ganzen Tag denke, würdest du laufend vor mir weg rennen.“
Er lachte mal wieder über seinen eigenen Witz und schlenderte in seinem gewohnt lässigen Gang, der mir jedes Mal die Haare zu Berge stehen ließ, zurück ins Gebäude.
Ich verdrehte die Augen, schaute einmal kurz zum Himmel und seufzte: „ Was habe ich nur verbrochen?“

(Erzählt von Luke)

Am Abend wollte ich endlich mal wieder Ruhe, von dieser Lernbesessenen Gemma Shaw haben und besuchte Adam in seiner Werkstatt.
„ Hey, was geht ab“, begrüßte er mich und gab mir einen Faustschlag. Er war fast komplett mit Öl beschmiert. Dieser Kerl hängte sich wirklich in seine Arbeit rein.
Ich lächelte kurz über diesen Anblick und lehnte mich gegen die Wand.
„ Man, Gemma macht mich fertig“, stöhnte ich.
Adam machte sich daran seine Geräte sauber zu wischen und verdrehte die Augen.
„ Schon wieder die kleine Shaw? Man, wie lange soll das noch so weiter gehen?“
„ Ich habe keine Ahnung“, antwortete ich genervt, „ jetzt muss ich auch noch jeden Tag mit ihr zusammen arbeiten.“
„ Sorry, Kumpel“, sagte Adam mitleidig, „ willst du zur Aufmunterung ein Bier?“
„ Klar, alles wo Alkohol drin ist, ist mir jetzt lieb“, scherzte ich und nahm die Flasche entgegen.
Adam lehnte sich neben mich an die Wand und stieß mit mir an.
„ Heute ist was seltsames passiert?“, erwähnte ich nach einer Weile.
Adam legte die Stirn in Falten und sah zu mir.
„ Ich habe mit Gemma frieden geschlossen“, fuhr ich fort. Als ich das so aussprach kam es mir total verrückt vor.
„ Wie bitte?“, prustete Adam los, „ was ist denn bei dir schief gelaufen? Ich dachte du hasst sie.“
„ Tu ich auch“, entgegnete ich, „ aber ich habe in dem Moment auch nur an mein Projekt gedacht.“
Adam sah mich weiterhin an, als sei ich von allen guten Geistern verlassen.
„ Das wundert mich auch. Für dich zählten bis jetzt doch nur die Frauen an der Uni.“
„ Das ist ja auch noch so“, konterte ich weiter, „ aber wenn ich Chirurg werden will, muss ich auch was dafür tun.“
„ Seit wann diese Einstellung?“, wunderte sich Adam, bevor er einen Schluck aus seiner Flasche nahm.
„ Ich weis es nicht“, sagte ich verwirrt, „ seit ich in der Gruppe bin, ist es so.“
„ Aha“, grinste Adam, „ ich glaube das hat mit was ganz anderem zu tun.“
„ Und was, bitte?“, fragte ich nach.
Adam nahm erst noch einen Schluck, bevor er weiter sprach.
„ Gemma.“
Ich starrte ihn an, als hätte er mir gerade gesagt, dass der Eifelturm in China stand.
„ Was soll das denn bedeuten?“
„ Du magst es mit ihr zusammen zu arbeiten“, erklärte Adam.
„ Du spinnst doch. Wir machen uns gegenseitig fertig.“
„ Da hast du es. Was sich neckt das liebt sich.“
„ Tzz“, kam nur empört von mir, „ du solltest dich mal hören. Du redest irre.“
„ Und was ist dann ansonsten so toll an der Gruppe?“, fragte Adam sarkastisch.
„ Das kann ich dir sagen, mein Freund“, antwortete ich überzeugt, „ Megan.“
„ Megan?“, wiederholte Adam ungläubig.
„ Genau“, stimmte ich zu, „ ich bin ihr so nah, wie nie zuvor.“
„ Aha, und warum hast du sie nicht schon längst flach gelegt?“, fragte Adam.
„ Das braucht Zeit. Megan ist nicht irgendeine Frau“, erklärte ich und lief durch hin und her.
„ Ich glaube eher, dass dich etwas daran hindert“ grübelte Adam
„ Und was?“
„ Das kannst du mir am besten sagen.“
Ich stöhnte laut auf und legte den Kopf in den Nacken.
„ Schon wieder Gemma, oder was?“
Adam fing an zu grinsen. Ich starrte ihn, immer noch genervt über das Thema Gemma, an.
„ Was ist?“
„ Ich habe nichts von Gemma gesagt. Das kam jetzt von dir?“
Verzweifelt suchte ich nach Worten, fand aber keine. Stattdessen stellte ich die Flasche ab und setzt zum Gehen an.
„ Ich geh mal besser. Selbst hier ist man von dieser Mistkuh namens Gemma nicht sicher.“
Adam sah mir nur kopfschüttelnd hinter her.

(Erzählt von Gemma)

Ich saß in Gedanken versunken auf meiner Fensterbank und schrieb an den Aufgaben für das Projekt. Am Abend hatten wir beschlossen, eher gesagt Isabel und ich, dass ich die Leitung übernehmen sollte. Luke hatte nur gleichgültig geschnaubt und Megan hatte sowieso nichts mit bekommen, da sie mit ihren Fingernägeln beschäftigt war.
Nun lag es an mir die Aufgaben auf zu teilen.
Ich hatte meinen I-Pod in den Ohren und hörte bestimmt schon zum zehnten Mal „ Daylight“ von Matt and Kim.
Es war seit Tagen schon mein Lieblingslied. Das war das Einzige wo ich bei entspannen konnte. Zum Glück musste ich heute nicht in der Bar arbeiten und hatte genug Zeit.
Ich seufzte gelangweilt und sah von meinem Block auf. Draußen liefen vereinzelt Paare herum, die die Hände nicht voneinander lassen konnten.
Ich schüttelte mit dem Kopf und schloss die Augen. Die Musik floss durch mich hindurch und beruhigte mich. Es war einfach ein Lied, wobei man sich einfach wohl fühlen musste. Einen Menschen konnte ich dadurch besonders vergessen. Ich glaube ihr wisst, wen ich meine.
Obwohl ich es ziemlich süß von ihm fand, als er sich heute entschuldigt hatte. Es war mir so vor gekommen, als ob es ihm ein wenig peinlich war. Aber das war ja auch klar. Entschuldigungen waren unter seinem Niveau.
Ich musste lachen über so viel Arroganz.

Plötzlich horchte ich auf. Schnell drehte ich meinen I-Pod leise und nahm die Stöpsel aus den Ohren. Ich hörte mein Lieblingslied von draußen. Das konnte doch nicht sein.
Vorsichtig lehnte ich mich nach vorne und schaute hinab. Vor Schreck weiteten sich meine Augen.
Unten auf einer Bank saß Luke und hörte „ Daylight“. Er hörte mein Lieblingslied…auf voller Lautstärke.
Wie hypnotisiert kletterte ich von der Fensterbank und lief Richtung Tür. Dieses Lied zog mich an. Und es zog mich zum dem Mann, den ich verabscheute.
Doch wir hatten war gemeinsam. Und das machte mir Angst.


(Erzählt von Luke)

Mit geschlossenen Augen saß ich auf der Bank vor dem Wohnhaus und lauschte meinem Lieblingslied.
Ja, das klingt jetzt vielleicht nicht nach mir, aber ich versuchte mich zu entspannen und an nichts zu denken. Das Gespräch mit Adam hatte mich komplett durch einander gebracht.
Natürlich empfand ich nichts für Gemma. Sie ging mir auf die Nerven und das Friedensangebot war reine Höflichkeit.
Aus dem Grund verstand ich Adams Vorwürfe auch gar nicht.
Ich seufzte genervt und drehte „Daylight“ noch ein wenig mehr auf. Es interessierte mich nicht im Geringsten, ob ich jemanden damit störte oder nicht.

Ein Räuspern erklang neben mir und ich öffnete erschrocken die Augen. Ich erblickte Gemma, die ein wenig fröstelnd neben mir stand und mich anstarrte.
„ Gott, Shaw“, stöhnte ich, „ vor dir ist man ja nirgends sicher.“
Die Angesprochene verdrehte die Augen und fixierte danach meinen CD-Player.
„ Du hörst gerade mein Lied. Warum?“, fragte sie trocken.
Ich glaubte mich verhört zu haben. Wollte sie mich hier so spät am Abend veralbern. Darauf hatte ich überhaupt keine Lust.
„ Was soll das denn“, fragte ich ein wenig verärgert, „ hast du das Lied gekauft, oder was?“
Gemma reagierte gar nicht erst auf meine Aussage. Stattdessen spazierte sie stur auf meinen CD-Player zu und schaltete ihn aus.
„ Spinnst du“, donnerte ich und sprang von meiner Bank auf.
„ Du verdienst es nicht so ein wunderschönes Lied zu hören“, erklärte Gemma ihr Handeln und schlurfte dann an mir vorbei.
„ Du hast sie wirklich nicht mehr alle, Shaw“, meckerte ich weiter. Ich hatte es hier tatsächlich mit einer Irren zu tun. Meiner Meinung nach.
„ Lass es einfach, okay?“, befahl sie fast flüsternd, „ du weis nicht was das Lied mir bedeutet.“
„ Ach ja?“, fragte ich nach. Irgendwie veränderte sich mein wütender Ton in ein Interesse, was ich nicht verstand.
„ Dann erkläre es mir doch“, forderte ich und verschränkte die Arme. Erwartungsvoll sah ich sie an. Doch Gemma schien meinen Blicken aus zu weichen. Stattdessen schlang sie ihre Arme noch enger um ihren Körper und war den Tränen nahe.
Nun war ich total verwirrt. Die Frau stand tatsächlich vor mir und war fast am heulen. Was ging hier gerade ab?
„ Du würdest es so wieso nicht verstehen“, hauchte sie.
Schließlich wanderte mein Blick an ihr herunter und ich bemerkte, dass sie nichts weiter trug, als eine Boxershorts und ein Top. Ich trat näher an sie heran.
„ Du holst dir hier den Tod, Gemma“, sagte ich nun ein wenig mitfühlend.
„ Ist doch egal“, kam nur von ihr als Antwort, „ lass einfach das Lied aus.“
Nach dem Satz wurde ich wieder wütend und ich ging wieder ein paar Schritte zurück.
„ Ich lass mir doch von dir nichts vor schreiben, Shaw.“
Unglaublich das ich gerade fast Mitgefühl für diese Frau hatte.
„ Siegst du“, sagte sie nun etwas lauter, aber immer noch ohne mich an zu sehen, „ deshalb würdest du mich nicht verstehen.“
Ohne das ich was erwidern konnte, lief sie zitternd zurück ins Wohnhaus.
Ich sah ihr eine Weile hinter her. Was war das gerade gewesen? So traurig und gedankenverloren hatte ich Gemma Shaw noch nie gesehen. Mein Blick wanderte zum CD-Player. Das Lied war noch nicht zu Ende gewesen. Doch ich beschloss, aus welchem Grund auch immer, ihn aus zu lassen.

(Erzählt von Gemma)

Ich wischte mir die paar Tränen weg, die mir auf meinem Bett aus meinen Augen gelaufen waren.
Warum hatte ich nur so emotional reagiert? Aber ich wollte nicht, dass er mein Lied hörte. Nicht so ein Mensch. Okay, er wusste nicht warum das Lied mir so viel bedeutete. Vielleicht dachte er, genau wie ihr wahrscheinlich auch, dass ich verrückt sein. Aber dem war nicht so.
Zu dem Lied gab es eine Geschichte, die niemand wusste außer Isabel.
Und sonst würde es auch keiner erfahren. Schon gar nicht Luke Sanders.
Doch irgendwie tat es mir leid, dass ich ihn vorhin so verwirrt hatte stehen lassen. Aber was er dachte, konnte mir auch egal sein.
Wir hatten nichts gemeinsam außer dem Projekt. Und das sollte auch so bleiben.

„ Gemma? Schläfst du?“
Isabel rüttelte ein paar Mal an mir und ich schreckte auf. Wir saßen mit unserer Gruppe zusammen. Nur Megan fehlte. Warum auch immer.
„ Entschuldige“, gähnte ich, „ ich hab nicht viel geschlafen diese Nacht.“
„ Das sehe ich“, grinste Isabel, „ ist sonst alles in Ordnung?“
Ich sah zu Luke, der auf seinem Block herum kritzelte und nickte kurz.
„ Klar, alles bestens.“
Als Luke auf sah, wandte ich schleunigst meinen Blick ab. Ich wusste aber, dass nun Lukes Augen auf mir ruhten. Irgendwann wurde es mir zu bunt.
„ Sag mal, habe ich ein Kotelett im Gesicht hängen, oder was“, zickte ich, worauf hin Isabel ein Lachen unterdrückte.
Luke hob abwehrend die Hände.
„ Boah, Sorry. Ich dachte nur dass da noch ein paar Tränen von gestern Abend an deiner Wange klebten. Hast mich ja gut voll geheult.“
Meine Augen weiteten sich vor Schreck. Ich wusste nicht, ob ich über diese Aussage verärgert oder empört sein sollte. Ich hatte mich doch nicht ausgeheult. Das war ja wohl das Letzte.
„ Was?“, kam als Kommentar von Isabel, was die dröhnende Stille unterbrach.
Anstatt darauf zu antworten sprang ich von meinem Stuhl auf, schnellte auf Luke zu und klatschte ihm eine.
„ Au, verdammt“, brüllte dieser und hielt sich die Wange.
„ Du bist echt der widerlichste Mensch den ich kenne. Macht dir das Spaß mich zu quälen. Ich verabscheue dich, Luke Sanders!“
Rot vor Wut schnappte ich meine Tasche und raste mal wieder aus der Bibliothek.
Ich hörte wie ein Stuhl zurück geschoben wurde und, wahrscheinlich, Isabel mir folgte.
Ich vergaß alles was ich in der Nacht über Luke gedacht hatte.
Jetzt war ich mir sicher, dass er nie meine Geschichte hören würde.
Einmal Arschloch, immer Arschloch!

(Erzählt von Luke)

Zum Glück war Megan nicht da gewesen. Das wäre peinlich geworden. Gemma Shaw hatte mir eben eine geknallt. Ich war fassungslos. Diese Frau spinnte doch total.
Aber war meine Aussage wirklich so gut gewesen?
Schließlich hatte ich Gemma gestern von einer ganz anderen Seite kennen gelernt. Und das war schon ziemlich beeindruckend gewesen. Jedoch konnte ich es nicht lassen und spielte weiterhin den Arsch. Aber so war ich halt.
Doch Gemmas Gefühle so Preis zu geben, war schon mehr als hart gewesen. Selbst für mich.

Nachdem ich eine Weile in der Bibliothek vor mich hin überlegt hatte, beschloss ich Mr.Solis auf zu suchen. Er sollte mich aus der Gruppe nehmen. Ich könnte ja auch was Eigenes machen.
Das war mir tausendmal lieber, als mich ständig mit Gemma in die Wolle zu kriegen.
Entschlossen verschwand ich aus der Bibliothek und ließ meinen Arbeitszettel zurück.
Höflichkeitshalber hatte ich noch eine Nachricht für die Anderen da gelassen:

Leute,
Ich bin raus aus der Sache. Macht euer eigenes Ding.
Gemma, tut mir leid was ich sagte.
Bye, Luke


(Erzählt von Luke)

Mir kam der Weg von der Bibliothek bis zum Dozentenzimmer länger vor als sonst. Mir ging Gemmas Gesichtsausdruck einfach nicht aus dem Kopf. So viel Hass und Enttäuschung hatte er noch nie in den Augen eines Menschen gesehen.
Ich wusste zwar, dass sie mich nicht mochte. Aber das Wort Verabscheuung war schon eine Überlegung wert.
Unser Friedensbeschluss war damit wohl auch Geschichte. Keine Ahnung ob mir das jetzt gefallen sollte, oder nicht.
Ich würde mich einfach von Gemma fern halten, dann wäre dieser Krieg endlich vorbei. Außerdem hatte ich keine Lust mehr auf dieses Gekeife von Gemma.

Gerade als ich an die Tür von Mr.Solis klopfen wollte, rannte mir jemand mit voller Wucht in die Seite.
Ich keuchte und taumelte zur Seite. Leicht irritiert schaute ich zu Boden und erkannte Megan, die sich die Hand rieb.
„ Megan?“, fragte ich und half ihr hoch.
„ Sorry, hab dich nicht gesehen“, flötete sie in ihrer gewohnt piepsigen Stimme.
Ich malte mir in Gedanken aus, dass sie wohl mit ihrem Handspiegel beschäftigt gewesen sein muss und unterdrückte ein Kichern bei dieser Vorstellung.
„ Macht doch nichts“, lächelte ich und trat näher. Ich setzte meinen charmanten Gesichtsausdruck auf.
So eine kleine Ablenkung wäre zurzeit ja auch nicht schlecht. Vor allem, wenn diese Ablenkung Megan Field hieß.
Megan legte den Kopf schief und fuhr mit dem Finger an mir herunter.
„ Ich glaube ich weis, wie ich das wieder gut mache“, hauchte sie verführerisch.
Ich zog sie an der Hüfte an mich heran.
„ Na, da bin ich aber mal gespannt.“

(Erzählt von Gemma)

Bei der Treppe holte mich Isabel endlich ein und drehte mich an der Hand zu sich herum.
„ Ich halte das so langsam nicht mehr aus“, meckerte sie sofort los.
„ Was meinst du wie es mir geht“, erwiderte ich trocken und drehte mich wieder, um die Treppe herunter zu laufen. Doch Isabel folgte mir hartnäckig.
„ Gem, wie lange soll das noch so weiter gehen zwischen euch? Das gefährdet das ganze Projekt.“
„ Tzz, ach wirklich?“, fragte ich sarkastisch.
„ Gemma, hör auf mich an zu zicken. Ich habe dir nichts getan.“
Sie betonte das Ich gewollt deutlich.
Am Fuße der Treppe blieb ich stehen und drehte mich wieder um.
„ Du hast Recht, entschuldige“, stöhnte ich und fuhr mir durch meine langen schwarzen Haare.
„ Überleg doch mal“, begann Isabel behutsam, „ wenn das so weiter geht, können wir alle vier einpacken und das Projekt fällt ins Wasser. Luke ist einfach so. Könnt ihr euch nicht wenigstens für diese Zeit zusammen reißen. Vergiss nicht, dass ich auch in der Gruppe bin. Wenn wir es wegen euch vermasseln, hänge ich mit drin. Bitte, Gemma.“
Ich schaute zu Boden und presste die Lippen zusammen. Im Grunde hatte sie Recht. Ich zog sie mit hinein. Und das wollte ich wirklich nicht.
„ Sprich mit ihm“, schlug Isabel vor.
Da begann ich zu lachen.
„ Ach, Isi. Weist du wie oft ich schon mit dem Kerl gesprochen habe? Das bringt nichts.“
„ Gem, tu nicht so. Ich weis, dass du es auch willst“, drängelte Isabel weiter.
„ Na, gut“, seufzte ich, „ du hast mal wieder gewonnen. Aber nur für dich und das Projekt.“
„ Danke“ strahlte Isabel und fiel mir um den Hals.
„ Ich treffe mich jetzt mit Adam“, fuhr sie fort, als sie mich wieder los ließ, „ ruf mich nachher an und berichte, okay.“
„ Mach ich. Viel Spaß, Süße. Und grüß Adam“, sagte ich mit einem gezwungenen Lächeln und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.

Ich stand in meinem Zimmer vorm Spiegel und betrachtete mich. Ich hatte nicht den blassesten Schimmer, warum ich mich so aufgebrezelt hatte. Wirklich, ich hatte keine Ahnung.
Wie selbstverständlich hatte ich meine beste Jeans und eine blaue Bluse heraus gesucht. Dazu hatte ich mich dezent geschminkt.
( Gemma: http://images.starpulse.com/pictures/2009/07/27/previews/Mila%20Kunis-ALO-078598.jpg)
Ich wusste nicht, wen ich damit beeindrucken wollte. Natürlich könnte ich es schön reden mit so was wie „ Wer weis, wen man unterwegs trifft“. Aber ich hatte eher den Verdacht, dass ich mein peinliches Outfit von gestern Abend bei Luke wieder gut machen wollte.
Selbstverständlich war es mir egal, was er von mir dachte. Aber das würde ein wichtiges Gespräch werden, und ich wollte nicht wie der letzte Penner aussehen, wenn ich beim ihm auftauchen würde.
Schließlich wandte ich mich von meinem Spiegelbild ab und machte mich auf den Weg, mich mit dem Menschen zu vertragen, der mir das Leben zur Hölle machte.

Unterwegs hielt ich noch bei der Bibliothek an, da ich dort meinen Block vergessen hatte.
Eilig wischte ich den Block vom Tisch. Da bemerkte ich einen Zettel auf der Mitte des Tisches.
„ Das ist doch der Arbeitszettel von Luke“, sagte ich zu mir selber und nahm den Zettel.
Nachdem ich die Nachricht darauf gelesen hatte, sank meine Hand langsam nach unten.
Nicht nur das er sich bei mir entschuldigt hatte, er hatte auch die Gruppe verlassen.
Es gab noch Hoffung für Luke Sanders. Vielleicht hatte er es endlich eingesehen, dass es so nicht laufen konnte. Zwar bezweifelte ich das, doch ich schob es beiseite.
Ein kleines Lächeln huschte über meine Lippen und ich war noch nie so entschlossen gewesen, mich mit Luke zu versöhnen.
Mein Lächeln wurde breiter und ich eilte mit samt dem Zettel aus der Bibliothek.

„ Luke, wir müssen reden“, begann ich gleich, als ich die Tür herein stürzte.
Doch mein Lächeln gefror und ich erstarrte, als ich sah dass Luke und Megan erschrocken auseinander sprangen.
„ Man, Gemma. Kannst du nicht anklopfen“, zickte Megan los. Luke jedoch starrte mich nur an.
Ich sah an seinem nackten Oberkörper herunter und schluckte.
„ Du holst dir noch den Tod, Luke.“
Er verstand, dass er mir dasselbe gestern Abend gesagt hatte und starrte mich weiter an.
„ Gemma, verschwinde“, meckerte Megan weiter und zog sie die Decke noch weiter über ihre Brust.
„ Glaub mir, ich sehe keine Grunde länger hier zu bleiben“, erwiderte ich und knallte Luke seinen Zettel an die Brust.
„ Wie dumm konnte ich sein“, flüsterte ich, sodass nur Luke es hören konnte.
Dann rauschte ich davon.

(Erzählt von Luke)

Zornig knallte sie mir meinen Zettel gegen die Brust und zischte mir etwas ins Ohr, was mich verwirrte, und rauschte davon.
Was hatte Gemma überhaupt hier gewollt?
„ Gott sei dank ist die weg“, hörte ich Megan hinter mir sagen. Dann spürte ich ihre Hände, die sich um meine Hüfte schlangen und ihre Küsse auf meinem Rücken.
„ Na, komm. Lass uns weiter Spaß haben“, säuselte sie.
Doch mir war die Lust vergangen. Ob ihr es nun glaubt oder nicht. Lieber wollte ich das mit Gemma klären. Gott weis wieso.

Deshalb befreite ich mich aus Megans Griff und stürmte aus dem Zimmer.
Gemma war schon beinahe am anderen Ende des Flures.
„ Warte mal!“, rief ich, während ich fast über meine eigene Hose stolperte. Zu meiner Verwunderung blieb sie stehen, drehte sich aber nicht um.
„ Das ist peinlich dass du das sehen musstest“, sagte ich, als ich sie einholte.
„ Mehr fällt dir nicht ein, oder was?“, fragte Gemma entgeistert, immer noch ohne mich an zu sehen.
„ Naja“, stammelte ich, „ ich muss mich dafür ja wohl nicht rechtfertigen was ich getan habe.“
„ Nein“, erwiderte sie nun einen Ton leiser, „ du kannst machen was du willst. Ich bin nur so wütend, weil ich dachte, dass du dich geändert hättest.“
Ich war irritiert. „ Wie kommst du denn darauf?“
Immer noch zeigte sie mir nur ihren Rücken. Zu meinem Erstaunen sah das was sie an hatte, gar nicht mal schlecht aus. Sollte sie öfters tragen. Ach du meine Güte, was dachte ich da nur. Hör auf, Luke.

„ Das frage ich mich auch“, antwortet Gemma schließlich und setzte zum weiter gehen an.
„ Hey“, rief ich, packte sie am Handgelenk und drehte sie zu mir um. Prompt knallte sie gegen meine nackte Brust. Ja, ich hatte es nicht mehr geschafft mir ein Hemd an zu ziehen.
Ungewollt bekam ich den Duft ihrer Haare in die Nase. Für eine dämliche Kuh roch sie verdammt gut.
„ Spinnst du“, donnerte sie los und entriss sich meiner Hand.
„ Du meinst sicherlich den Zettel, oder?“, fragte ich drauf los.
Sie nickte kurz und schaute weg. „ Wenn du deinen Lebensstil nicht änderst, dann schreib nicht solche Nachrichten. Das könnte falsche Hoffnungen hervor rufen“, sagte sie, sodass ich sie kaum verstehen konnte.
„ Sprich mal lauter“, platzte es aus mir heraus, „ ich versteh dein Gepiepse nicht.“
Wütend sah sie mich an. „ Genau das meine ich, Arschloch.“
Dann lief sie rückwärtsgehend von mir weg.
„ Ich glaube es ist das Beste, wenn du wirklich aus der Gruppe verschwindest“, rief sie.
„ Das erste Vernünftige was ich seit langem von dir gehört habe“, erwiderte ich.
Gemma verdrehte nur die Augen und drehte sich um. Nur um direkt gegen eine schwere Glastür zu knallen.
Ich musste mir ein Lachen verkneifen, als sie zu Boden ging.
„ Du bist so ein Blindfisch, Shaw“, lachte ich.
Doch als ich sah, dass sie sich nicht mehr rührte, verschwand mein Grinsen.
„ Gemma?“, rief ich besorgt.
Als keine Antwort kam, eilte ich zu ihr. Ich kniete mich hin und schaute sie an. Nichts rührte sich.
„ Scheiße“, fluchte ich und hob Gemma auf meine Arme um sie ins Krankenzimmer zu bringen. Wahrscheinlich war sie durch den Schock ohnmächtig geworden. Ich hoffte nur, dass sie keine Gehirnerschütterung davon getragen hatte. Meine plötzliche Sorge um Gemma überwältigte mich.
Ich vergaß sogar Megan, die wahrscheinlich immer noch in meinem Bett lag und auf mich wartete. Doch im Moment gab es wichtigeres als Sex. Wow, hatte ich das gerade wirklich gedacht?

(Erzählt von Gemma)

Ich fühlte mich, als ob mich ein Zehnertonner überrollt hätte. Alles um mich herum war verschwommen, als ich die Augen öffnete. Nach einiger Zeit erkannte ich Luke, der neben mir saß und mich anstarrte.
„ Du lebst ja noch, Shaw“, grinste er. In dem Moment hätte ich ihm am liebsten gegen die Wand geschmissen. „ Was machst du denn hier? Amüsierst du dich über den Trottel Gemma?“, meckerte ich, während ich die Beule an meinem Kopf ertastete.
„ Nein“, widersprach Luke, „ ich dachte du wolltest vielleicht deinen Retter sehen, wenn du auf wachst.“ Er lehnte sich, wie der größte Held auf Erden, auf seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme.
„ Das warst du?“, fragte ich ungläubig.
„ Richtiiiig“, grinste er und hob den Daumen nach oben, als wäre ich ein Kleinkind.
„ Jetzt tu mal nicht so, als hättest du den Welthunger besiegt“, ätzte ich.
„ Du bist einfach unglaublich. Dir kann man es nicht Recht machen“, stöhnte Luke und stand auf.
„ Hätte ich dich da bloß liegen gelassen.“
Ich überlegte kurz. Im Grunde hatte er mir ja wirklich geholfen. Und ich war ihm auch dankbar. Nur die Art wie er sich jetzt dafür selber lobte, erzeugte in mir Übelkeit.
„ Danke“, sagte ich dann schließlich leise.
„ Wie bitte? Ich habe dich nicht verstanden“, sagte Luke mit einem selbstgefälligen Grinsen und beugte sich über mich.
„ Hast du wohl und jetzt verzieh dich!“, brüllte ich in sein Ohr, sodass er zusammen zuckte.
„ Na schön“, gab er nach und hob abwährend die Hände, „ wie du willst. Dann werde ich mich jetzt mal aus der Gruppe abmelden.“
Oh Gott, das hatte ich ja total vergessen. Wenn er aus der Gruppe verschwand waren wir einer weniger, und dass käme nicht so gut. Andererseits müsste ich diesen Holzkopf dann nicht jeden Tag sehen. Das Nachdenken machte mich beinahe wieder ohnmächtig und verschlimmerte meine Kopfschmerzen bis ins Unerträgliche.
„ Mach doch was du willst“, sagte ich dann gleichgültig und schloss die Augen.
„ Gut“, kam von Luke. Es klang aber eher ein bisschen unsicher, „ auf wiedersehen.“
Oh, himmlische Ruhe.

(Erzählt von Isabel)

Ich schaute schon zum zehnten Mal auf meine Handy. Doch von Gemma kam immer noch keine Antwort. So langsam machte ich mir Sorgen.
„ Alles okay, Baby?“, fragte mich Adam, der sich mit zwei Drinks wieder neben mir an die Bar setzte.
„ Ach, ich mache mir nur Sorgen um Gemma. Sie wollte mit Luke reden“, erklärte ich mein besorgtes Gesicht.
„ Sie meldet sich schon. Ich glaube nicht, dass Luke sie aufgefressen hat, oder so“, versuchte er mich zu beruhigen.
Ich lächelte kurz und lehnte mich an seine Schulter. „ Ich bin so froh, dass du da bist. Die ganze Sache mit Gemma und Luke macht mich fertig.“
Adam strich mir behutsam über die Schulter und drückte mir einen Kuss auf die Haare.
„ Die kriegen sich schon ein. Schließlich ist euer Projekt wichtig. Vor allem Gemma müsste das wissen.“
„ Ja, schon. Deshalb verstehe ich auch nicht, warum sie Luke nicht einfach ignoriert.“
„ Naja, ich habe ja auch schon mit Luke darüber gesprochen….aber er fand meine Theorie ja eher lachhaft“, erklärte Adam schulterzuckend.
Ich sah zu ihm auf.
„ Wie meinst du das? Welche Theorie?“
Adam überlegte kurz, entschloss sich dann aber mir seine Theorie zu verraten.
„ Na gut, aber erzähl Gemma nichts davon. Ich kenne dich ja.“
„ Ja ja“, wandte ich ab und schaute ihn erwartungsvoll an, „ jetzt sag schon.“
„ Ich glaube, dass die beiden Gefühle füreinander haben, es sich aber nicht eingestehen können.“
Ich sah ihn an, wie ein kaputtes Auto.
„ Das ist nicht dein Ernst.“
Adam nickte nur. Da begann ich herzhaft zu lachen.
„ Luke und Gemma“, keuchte ich zwischen meinem Lachanfall, „ Gefühle füreinander…oh, man…das ist echt gut, Baby.“
„ Okay, Isi..beruhig dich mal wieder“, flüsterte Adam, da einige Leute uns schon anstarrten.
Ich kam wieder zu mir.
„ Okay, Sorry. Aber das war echt witzig.“
„ Wieso glaubt mir das eigentlich keiner?“, fragte Adam empört.
Ich drückte ihm einen zärtlichen Kuss auf die Lippen.
„ Weil es einfach unmöglich ist. Luke und Gemma…das wird niemals passieren. Glaub mir.“


Erzählt von Gemma)

Müde schleppte ich mich die Treppe hinunter. Dieser Aufprall hatte mir doch ganz schön zu gesetzt.
Und nun stand auch noch das Treffen mit der Gruppe an. Ob Luke schon bei Mr. Solis war? Mir war es ganz Recht, dass er aussteigen wollte. Denn selbst wenn er mal was Nettes tut, fühlt er sich gleich wie der King.

Ich seufzte laut und hievte mich die letzten Stufen hinunter. Mir war inzwischen klar, dass dieser Mann mich noch ins Graben bringen würde.
Deprimiert über dieser Erkenntnis schloss ich die Augen und ließ mich gegen eine Wand sinken. Ich hatte wirklich keine Lust zu diesem Treffen zu gehen. Aber ich musste, schon allein weil ich Isi nicht angerufen hatte. Und diese sprang nun wahrscheinlich im Quadrat.

Entschlossen dass ich nicht länger quengelig sein wollte, richtete ich mich auf und drehte mich mit Schwung um die Ecke in den Flur.
Prompt knallte ich gegen einen muskulösen Körper und landete, nun schon zum zweiten Mal, auf meinem Hintern.
„ Das kann doch nicht wahr sein!“, donnerte ich los und fuchtelte wild um mich, als lauter Blätter auf mich nieder rieselten.
„ Entschuldige“, erklang es sanft von oben und ein junger, charmant aussehender, Mann kniete sich zu mir herunter, „ ich habe dich nicht gesehen.“
„ Ähh“, kam es sprachlos von mir. Der Typ sah einfach unverschämt gut aus. „ Du konntest mich ja auch nicht sehen. Von daher ist alles okay“, brachte ich dann doch zu stande und meine Bekanntschaft lächelte.
„ Dann bin ich ja beruhigt“, sagte er erleichtert und reichte mir seine Hand, damit ich mich hoch ziehen konnte.
Sofort war ich auf seiner Augenhöhe und diese waren wirklich faszinierend schön. Seine Haare waren hellbraun und lagen ordentlich gekämmt auf seinem Kopf. Seine Haut war so glatt, dass man darauf ausrutschen konnte. Wieso hatte ich ihn hier noch nie gesehen?

„ Ich bin übrigens Tyler“, stellte er sich mir immer noch lächelnd vor.
„ I-Ich…Gemma“, stammelte ich und wurde knallrot. Wie hatte sich das denn angehört? Als könnte ich unsere Sprach nicht und würde in einer Höhle leben.
Tyler begann zu lachen. „ Okay…du Gemma, ich Tyler.“
Beschämt fing ich an zu lachen und entschuldigte mich.
„ Macht doch nichts“, winkte Tyler ab, „ studierst du hier?“
„ Ja“, nickte ich sofort breit grinsend, „ Medizin.“
Kurz danach hätte ich mir gegen die Stirn schlagen können. Gott, Gemma. Natürlich studierst du Medizin, was denn sonst?
Tyler nickte und unterdrückte ein Kichern. „ Du bist witzig, weist du das?“
Mal wieder lief ich rot an. Mein Gott, was war nur mit mir los? Hoffentlich hatte ich mich nicht verknallt. Nein, Gemma. Das durfte dir nicht passieren…oder doch?

„ Was machst du hier?“, versuchte ich von meiner Peinlichkeit ab zu lenken.
Tyler schien ganz angetan von sich zu erzählen, denn er lächelte erfreut. Oder war es wegen mir? Ich konnte nicht ab streiten, dass mir dieser Gedanke gefiel.
„ Ich bin der Sohn des Rektors“, erzählte Tyler selbstbewusst, aber nicht eingebildet. Das gefiel mir.
Meine Augen weiteten sich und mir klappte unvermeidlich die Kinnlade hinunter.
„ Echt? Ich wusste gar nicht, dass der Rektor einen Sohn hat.“
„ Das glaube ich, dass er davon nichts erzählt hat“, erwiderte Tyler, ein wenig enttäuscht, „ ich bin hier um bei dem Projekt zu helfen. Mein Vater hat mich um Unterstützung gebeten, da ich letztes Jahr mein Studium beendet habe. Naja, und wenn jemand Hilfe bei seiner Arbeit braucht, bin ich da.“
Tyler breitet die Arme aus und strahlte mich an. Ohne Zweifel war ich dem Typen jetzt schon verfallen. Ich konnte meine Augen einfach nicht ab wenden.
Ich nickte und versuchte dabei so cool wie möglich aus zu sehen.
„ Das ist ja interessant. Ich bin zufällig am verzweifeln mit meiner Gruppe.“
Sofort biss ich mir auf die Lippe. Er musste das wahrscheinlich für eine nicht gerade gelungene Anmache halten. Doch Tyler lachte nur und vergrub seine Hände in seinen Hosentaschen. Irgendwie fand ich das niedlich und meine rote Farbe kam zurück.

Eine Weile schwiegen wir, bis Tyler plötzlich eine Idee kam und die Stille unterbrach.
„ Hey!“
Erschrocken zuckte ich zusammen und wachte aus meinen Träumen auf, wo ich schon mit Tyler Hand in Hand durch den Park liefen. Du meine Güte, ich war erschrocken über meine kitschigen Gedanken.
„ Ich schmeiß heute Abend eine Party, damit ich die Leute hier ein wenig kennen lerne“, fuhr Tyler fort, „ komm doch auch. Ich würde mich freuen.“ Hoffnungsvoll sah er mich an.
Wie in Trance nickte ich und sagte damit zu.
„ Klasse“, freute sich Tyler und wandte seinen Blick zu Boden, „ und helfe ich dir deinen Papierkram wieder in die Tasche zu packen.“
Das Papierchaos am Boden hatte ich total vergessen. Schon hatte Tyler sich herunter gekniet und schob die Blätter zusammen. Ich konnte ihn nur an starren. Das war doch wirklich nicht zu fassen. Augenblicklich waren meine Schmerzen wie weg geblasen. Vom Sturz und innerlich.

(Erzählt von Luke)

Als ich die Bibliothek betrat, waren schon alle am Tisch versammelt.
Megan lächelte mich verführerisch an, als sie mich sah. Ich riss mich zusammen und versuchte sie nicht zu beachten. Unglaublich dass sie nicht wütend auf mich war, da ich sie in meinem Zimmer sitzen gelassen hatte. Tja, die Dummheit überwiegt halt bei ihr.

„ Was geht ab, Leute“, begrüßte ich die Runde und blieb an Gemmas giftigen und gleichzeitig verwirrten Blick hängen. Ein amüsiertes Lächeln von meiner Seite aus, ließ sich nicht vermeiden.
„ Was machst du denn hier?“, kam sofort von ihr, bevor ich mich überhaupt setzten konnte, „ ich dachte du wolltest aussteigen.“
„ Tja, Shaw. Ich kann halt nicht ohne dich“, gab ich von mir und fing an mit meinem Stuhl zu kippeln.
Gemma zog eine Schnute. „ Ich hoffe du kippst um und brichst dir sämtliche Knochen.“
„ So wie du heute, oder was?“, lachte ich, „ wenigstens weis ich, wie man durch eine Tür geht.“

Gemma war kurz davor auf mich los zu gehen. Doch plötzlich knallten zwei Hände auf die Tischplatte und alles erstarrte.
Isabel war auf gesprungen und schaute uns wütend an.
„ Ich habe so die Schnauze voll“, meckerte sie, „ wegen eurem kindischen Verhalten kriegen wir nichts zu Stande und vermasseln unsere Note!“
„ Isi“, versuchte Gemma sie zu beruhigen, doch Isabel brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen.
„ Nein, Gemma. Das muss mal gesagt werden. Wenn er nicht geht“, drohte sie und zeigte auf mich, „ dann geh ich. Ich kann überall besser arbeiten, als hier!“
Ohne das einer was einwenden konnte, war sie davon gerauscht.

Gemma starrte ihr erschrocken hinter her. Im Moment musste sehr viel in ihr vor gehen. Zum Beispiel wen sie die Schuld für das gerade geben sollte.
Ihr Kopf drehte sich langsam zu mir um und ihre Augen funkelten. Oder war es eher ein Glitzern kurz vorm weinen? Doch Zeit zum Überlegen hatte ich nicht.
„ Na, bist du zufrieden?“, zischte sie leise. Mir fiel in dem Moment keine passende Antwort, also zuckte ich nur mit den Schultern.
Gemma schüttelte verärgert mit dem Kopf und eilte Isabel hinter her.
„ Man, warum müssen eigentlich alle weg rennen,“ beschwerte sich Megan, „ so kommen wir doch zu nichts.“
Ich verdrehte die Augen. Wenn sie nur nicht so blöd im Kopf wäre. Seufzend fuhr ich mir durch meine Haare und schloss die Augen.

(Erzählt von Gemma)

Nachdem ich Isi nicht mehr einholen konnte, ließ ich mich erschöpft auf eine Bank fallen.
Ich streckte meine Nase in die Sonne und dachte an Tyler. Er ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Sofort musste ich wieder lächeln. Solche Männer müsste es häufiger geben. Doch leider waren solche Exemplare wie Luke in der Mehrzahl.
„ Warum sehe ich dich eigentlich jeden Tag?“, ertönte eine genervte Stimme von oben. Ich schaute auf und erblickte Luke, der mit verschränkten Armen vor mir stand.
„ Dann geh doch einfach“, erwiderte ich und wandte meinen Blick ab.
„ Tzz, ich lass mir doch von dir nichts befehlen, Shaw.“
Traurig wegen Isi und voller Temperament wegen Tyler, brach es aus mir heraus, was ich nie verstanden hatte.
„ Warum bist du so, Luke. Kein Mensch wird als Mistkerl geboren!“
Luke lachte. „ Anscheinend schon.“
„ Ernsthaft, Luke“, bat ich und senkte meine Stimme.
Luke sah mich eine Weile an, seufzte dann und setzte sich neben mich.
„ Ich weis nicht warum ich dir das erzähle. Meine Vergangenheit geht dich nichts an. Aber ich tu es, damit du mich in Ruhe lässt und damit wir endlich an unserem Projekt arbeiten können.“
Ich nickte einverstanden. „ Okay, dann raus damit.“


(Erzählt von Isabel)

Ich saß mit einer Flasche Bier neben Adam und hatte meine Beine über seinen Schoß ausgestreckt. Meine Wangen waren vor Wut rot angelaufen und meine Haare hingen überall aus meinem Zopf heraus, da ich den ganzen Weg bis zur Werkstatt gerannt war um einen klaren Kopf zu kriegen.

Adam streichelte über meine Knie und sah mich mitfühlend an.
„ Da sowieso schon alle zu Mr. Kummerkasten, so mein zweiter Vorname, “ dabei zeigte er auf sich“, kommen, habe ich kein Problem mir deine Sorgen auch an zu hören, mein Schatz. Leg los.“

Das „ Leg los“ von ihm war ein fataler Fehler, denn das war mein Stichwort meinen ganzen aufgestauten Frust heraus zu lassen. Und das geschah mit viel Handgefuchtel und fliegenden Bierspritzern aus meiner Flasche.

„ Du glaubst gar nicht, wie mich das fertig macht! Gemma und Luke bringen sich bei jeder Besprechung fast um, Megan kann nur da sitzen und hübsch aussehen und ich sitz dazwischen und tue so, als ginge mir das alles am Arsch vorbei. Aber ich sage dir, das geht es ganz und gar nicht! Innerlich könnte ich die Wände hoch gehen. Ich bin mir sicher, dass wir bis zum Ablauf der Zeit nichts zu Stande bringen, und das ist ganz bestimmt nicht meine Schuld. Und wenn sich bald nichts ändert, dann können die von mir aus Strichmännchen als ihre Arbeit abgeben. Das ist mir so egal!“
Adam hielt plötzlich meinen Arm fest und nahm mir die Bierflasche ab, deren Inhalt schon das halbe Sofa bedeckte.
„ Süße, jetzt halt mal kurz die Luft an, okay?“
Seinen blauen Augen konnte ich natürlich nicht widerstehen und ich hielt meinen Mund.

Ich seufzte, richtete mich auf und schlang meine Arme um Adams Oberkörper. Dieser fuhr mit seiner Hand meine Schulter hinunter und küsste mich auf die Stirn. Das beruhigte mich schon etwas.
„ Maus“, begann er mitfühlen, „ ich glaube, dass du Gemma und Luke etwas Zeit geben musst. Ich habe so ein Gefühl, dass sich das schon sehr bald von alleine regeln wird.“
„ Ach ja?“, kam von mir skeptisch, „ Adam, du glaubst ja auch dass die beiden heimlich ineinander verliebt sind.“
„ Verliebt habe ich nie gesagt“, verteidigt Adam sich und zog die Augenbrauen hoch.
Ich schwieg eine Weile.
„ Aber trotzdem hast du Recht“, sagte ich schließlich, „ ich sollte mich da einfach raus halten und mich wie immer verhalten.“
„ Genau“, stimmte Adam zu, „ aber es ist gut, dass du deinen Frust endlich mal raus gelassen hast. Vielleicht merken die beiden jetzt mal, was sie mit ihren ewigen Zickerein anstellen.“
Ich lächelte dankbar und schloss die Augen.
„ Ich liebe dich, weist du das eigentlich?“
„ Natürlich“, flüsterte Adam und drückte mich fester an sich.

(Erzählt von Luke)

Ich lehnte mich zurück und schaute in die Luft.
„ Ich warte“, drängte mich Gemma, die mit verschränkten Armen neben mir saß und mich beäugte.
„ Ist ja schon gut“, seufzte ich, „ aber hör auf mich so an zu glotzen. Du brauchst hier keine große Tragödie ala Hollywood zu erwarten.“
Gemma zuckte nur mit den Schultern und schaute mich weiterhin erwartungsvoll an.
Ich räusperte mich und überlegte wo ich anfangen sollte. Ich hatte wirklich keinen Plan warum ich ihr das erzählte.

Damit sie mich nicht mehr nervt? Kann sein.
Damit sie mich nicht mehr als männliche Schlampe und Frauenverachter beschimpft?Wahrscheinlich.
Weil ich ihr vertraute und die Geschichte sonst noch niemanden außer Adam erzählt hatte? Eher nicht.

„ Valerie“, sagte ich trocken.
„ Valerie?“, wiederholte Gemma mit gerunzelter Stirn. Ich nickte.
„ Was soll mir das jetzt sagen?“
„ Wenn du das jetzt hören willst, halt die Klappe“, stöhnte ich genervt.
Gemma hob abwehrend die Hände und schloss mit einem imaginären Schlüssel ihren Mund ab. Über diese kleine Geste musste ich tatsächlich lächeln.
„ Valerie Monroe und ich waren vor meiner Studienzeit zwei Jahre zusammen“, fuhr ich fort, „ Ich hielt sie für meine große Liebe und das war sie auch. Sie war eine Schönheit, wie man sie selten findet. Sie hätte jeden haben können, aber sie nahm mich.“

Gemma unterbrach mich mit einem Lacher.
„ Also die weibliche Version von dir.“
Ich sah sie zornig und zugleich bittend an, woraufhin sie sich wieder zurück lehnte und geradeaus starrte.
„ Auf jeden Fall waren wir glücklich. Meine Eltern mochte sie, meine Freunde mochten sie und ich war der glücklichste Mensch auf der Welt…wie das eben so ist, wenn man verliebt ist.
Als unsere gemeinsame Zeit an der Highschool zu Ende ging, wollten wir unsere Zukunft planen. Valerie versprach mir die Welt. Wir wollten zusammen studieren, in den Semesterferien uns die Welt ansehen und zusammen ziehen.
Im Grunde hatte ich die Frau fürs Leben gefunden. So verrückt sich das jetzt anhört…aber sie war perfekt. Schön, intelligent, witzig und liebenswert.
Doch als es kurz vor dem Studienbeginn war, zerbrach meine heile Welt.“

Ich hielt inne und schluckte.
Mein Blick schwenkte zu Gemma, die sich nun mir zu gewandt hatte und aus irgendeinem Grund interessiert aussah.
Ihre grünen Augen machten mir Mut weiter zu erzählen und ihren schwarzen Haaren wurden vom Wind immer wieder von ihrem violetten Rollkragenpulli hoch gewirbelt.
Was redete ich denn da bloß. Junge, die Frau trägt einen Rollkragenpulli. Sie konnte überhaupt nicht anziehend auf mich wirken.
Schnell wandte ich meinen Blick ab.
„ Was war dann?“, fragte Gemma mit überzeugter Mine, „ ist eure Liebe zerbrochen, weil sie dich betrogen hat?“
Melodramatisch hielt sich sie ihre Hand auf die Brust und sah mich dann unverständlich an.
„ Also bitte. Das ist doch normal und nichts Beeindruckendes weswegen ich dich nun anders sehen sollte.“

Ich sah sie eindringlich an und Wut zeichnete sich in meinen Augen ab.
„ Nein, Gemma. Valerie ist gestorben.“
Gemmas amüsiertes Lächeln verschwand und ihre Augen weiteten sich.
„ Was?“
Ich versuchte ruhig zu bleiben, doch innerlich bebte ich vor Wut auf Gemmas Leichtigkeit der Situation und Trauer wegen meiner Vergangenheit.
Ich versuchte so ruhig wie möglich fort zu fahren.
„ Eines Morgens wollten wir in die Stadt um noch Sachen für unsere Wohnung zu kaufen. Ich übersah eine rote Ampel und fuhr über eine Kreuzung. Valerie wollte mich noch warnen, doch es war zu spät. Ein anderes Auto konnte nicht mehr bremsen und fuhr in die Beifahrerseite, wo Valerie saß. Sie starb noch an der Unfallstelle.“
So gut ich konnte versuchte ich meine Tränen zurück zu halten. Schließlich war das letzte was ich wollte, ein großes Geheule vor Ms. Gefühllos.

Gemma schlug sich die Hand vor den Mund und suchte nach Worten.
Eine ganze Weile herrschte Schweigen.
„ Luke“, brachte Gemma schließlich hauchend hervor, „ das habe ich nicht gewusst, es tut mir so leid.“
„ Natürlich“, entgegnete ich, „ man sollte auch erst mal nachdenken bevor man sich lustig macht.“
„ Luke, ich habe es doch nicht gewusst“, beschwerte sich Gemma, die Tränen in den Augen hatte.
„ Und soll ich dir noch was sagen“, sagte ich mit zittriger Stimme, „ seitdem habe ich mir geschworen mich nie wieder so zu verlieben und mich in eine feste Beziehung zu begeben. Es endet eh nur böse.“

Gemma schwieg, während eine Träne leise ihre Wange herunter kullerte.
Ich betrachtete sie und plötzlich spürte ich Gemmas Arme, die sich um meine Schultern legten und ihren Kopf, der sich auf eine meiner Schultern legte.
Unglaublich, diese Frau umarmte mich einfach. Also ob ich ihr Mitleid brauchte. Doch auf eine gewisse Weise tat es auch gut und in mir erwärmte sich alles.

Nun geschah es und meine Tränen ließen sich nicht mehr aufhalten. Schnell löste ich mich von Gemma und stand auf.
„ Ich weis nicht warum ich das gerade getan habe“, entschuldigte sich Gemma keuchend, „ ich hatte nur so ein Gefühl, dass du das gebrauchen kannst. Und jetzt weis ich auch warum dir Daylight so viel bedeutet. Dadurch fühlst du dich besser.“
„ Es war Valeries Lieblingslied“, verbesserte ich sie, während ich so tat, als würde ich nicht weinen. Was war nur mit mir los?
„ Weist du was“, flüsterte ich abweisend, „ du weist gar nichts über mich, Gemma. Gar nichts. Warum habe ich dir das bloß erzählt?“

Mit diesen Worten ließ ich sie auf der Bank zurück und eilte zum Wohngebäude.
Ich spürte genau, dass sie mir hinter her sah. Ihr Gesicht war voller Tränen gewesen. Genau wie meins jetzt war. Sie hatte mich umarmt, obwohl sie mich hasste. Im Grunde war sie ein guter Mensch, was ich natürlich niemals zugeben würde.

Bei meinem Zimmer angekommen sank ich die Tür herunter und vergrub meine Hände in meinen Armen. Ich hatte mich geirrt. Valerie ließ mich nicht los. Sie würde mich nie los lassen. Doch mir wurde immer mehr bewusst, dass ich den falschen Weg genommen hatte, sie zu verarbeiten.


(Erzählt von Gemma)

Ich saß stumm auf der Bank. Mein Blick war starr geradeaus gerichtet. Alles was ich wahr nahm, waren die bunten Blätter die von den Bäumen fielen. Es wurde Herbst.
Ich begann ein wenig zu zittern, was mich in dem Moment aber nicht störte.

Auf einmal war alles anders.
Ich hatte Luke umarmt und bereute es nicht. Wie konnte ich ihn auf einmal in einem völlig anderen Licht sehen?

Seine Geschichte hatte mich zu Tränen gerührt, obwohl ich diesen Menschen verabscheute. Normalerweise war mir bei ihm jeder Schmerz Recht.
Doch nun war ich völlig mit den Nerven am Ende und saß auf einer Bank im abgelegensten Teil der Uni und weinte.
Luke wusste nicht, dass ich fast das Gleiche durch gemacht hatte.
Mir flogen so viele Fragen durch den Kopf, dass mir schlecht wurde.
Sollte ich ihm meine Geschichte auch erzählen? Konnte ich ihn nun leiden oder nicht? Würde er sich jetzt mir gegenüber anders verhalten? War ich nur so traurig, weil ich auch so was erlebt habe?

Auf einmal spürte ich eine Person, die sich neben mich setze und meinen Arm streifte.
„ Gem, was ist passiert?“
Ich schaute in Isabels besorgte Augen. Ich ließ eine Erklärung aus und sank stattdessen weinend in ihre Arme. Isabel drückte mich an sich und fragte völlig verwundert: „Was ist denn los mit dir?“
Ich antwortete nicht. Diese Frage war einfach zu allgemein.

(Erzählt von Luke)

Nachdem ich akzeptiert hatte, dass ich diese Nacht wohl nicht mehr schlafen konnte, hatte ich mich auf den Weg zu Adam gemacht. Wenn mich einer verstehen konnte, dann er. Das Gespräch mit Gemma hatte mich durcheinander gebracht. War ich nun wütend, traurig oder dankbar, dass ich ihr alles erzählt hatte?

Adam hielt mir eine Flasche Bier vor die Nase, die ich dankend annahm.
„ Du weist einfach was ein Mann braucht, wenn er verzweifelt ist“, seufzte ich und nahm einen kräftigen Schluck.

Adam ließ sich mir gegenüber auf das Sofa fallen und richtete seine Aufmerksamkeit auf mich.
„ Also“, begann er, „ was ist los mit dir, dass du mich nachts um zwei aus dem Bett klingeln musst?“
Ich überlegte kurz, wie ich anfangen sollte. Ich entschied mich für die kurze Variante.
„ Ich hab Gemma von Valerie erzählt.“
Adams Augen weiteten sich. „ Alles?“
„ Alles“, wiederholte ich nickend.
Nun erlebte ich meinen besten Kumpel zu ersten Mal sprachlos. Darüber musste ich tatsächlich ein wenig lächeln.

„ Wieso?“, war das Einzige, was Adam heraus brachte, „ du wolltest es doch nie jemanden erzählen.“
Ich zuckte mit den Schultern und nahm noch einen Schluck. Das Bier war wirklich schrecklich, aber es half irgendwie.
„ Ich weis es nicht“, sagte ich ernst“, ich weis es wirklich nicht. Sie hatte mich so genervt und ich wollte sie endlich mal zum Schweigen bringen. Und als ich dann erst mal angefangen hatte, konnte ich nicht mehr aufhören.“

„ Wow“, kam von Adam, „ und was hat Gemma dazu gesagt?“
Ich knallte die Flasche auf den Tisch und stand auf, um durch den Raum zu laufen.
„ Sie hat geweint und mich umarmt.“
Adam begann zu lachen, was mich ein wenig irritierte.
„ Sie hat was? Gott, sie würde sich eher die Haare ab rasieren, als dich an zu fassen.“

Ich lehnte mich gegen die Wand und fuhr mich über die Haare.
„ Das ist es ja, Adam. Mit dieser Reaktion hatte ich nicht gerechnet. Du meine Güte, ich habe diese Frau gehasst, bis zu diesem Tag. Und nun war sie die Einzige, die mich verstanden hat und ich mach sie dumm an.“
„ Du hast sie dumm angemacht?“, fragte Adam nach, nachdem er sich beruhigt hatte.
„ Gott, ja“, sagte ich verzweifelt und lief auf und ab, „ weil ich nicht wahr haben wollte, dass ich ihr vertrauen kann. Und nun bin ich deswegen durcheinander und wegen Valerie. Denn das Gespräch hat echt einiges wieder hoch gebracht.“
Adam sah mich nur verständnislos an. Schließlich blieb ich vor ihm stehen und sah ihn eindringlich an.
„ Adam, was ist los mit mir?“
Der Angesprochene stand auf und klopfte mir auf die Schulter.
„ Ist die Frage nicht ziemlich allgemein?“


(Erzählt von Gemma)

Mr. Solis einschläfernde Stimme war mir wirklich keine große Hilfe.
Ich saß in der Vorlesung auf meinem gewohnten Platz neben Isabel und lauschte mehr oder weniger Mr. Solis Geschwafel über das Projekt.
Nebenbei erschreckend in die Gedanken, dass ziemlich lange keine Gruppenbesprechung mehr hatten und unser Projekt so gut wie bei Null stand.

Doch die Sache mit Luke beschäftigte mich mehr.
Ich konnte nicht verstehen, warum mich das alles nicht los ließ. Eigentlich konnte es mir doch egal sein. Der Typ hatte mich die letzten Monate herzlich wenig interessiert.

Isabel berührte plötzlich meinen Arm und schaute mich ganz aufgeregt an.
„ Was ziehst du heute Abend an?“, flüsterte sie hektisch.
Ich starrte sie verwirrt an und hatte keinen Plan wo von sie sprach.
„ Was meinst du?“
„ Na, Tylers Party“, erklärte sie mir hibbelig.
Oh man, das hatte ich ja total vergessen.
Tyler.

Wie konnte ich ihn nur vergessen?
So jemanden darf man nicht vergessen. Ich wurde rot und grinste innerlich.
Bevor ich antworten konnte, wusste Isabel schon bescheid.
„ Alles klar, wir gehen nachher shoppen.“
Ich musste einfach lächeln. Bei der Frau gab’s einfach keine schlechte Laune, und genau das tat mir im Moment nur gut. Und wenn es um Klamotten ging, war Isabel sowieso nicht mehr zu halten.

Dankbar über die Ablenkung drückte ich ihr einen Kuss auf die Wange, worauf hin sie nur kichernd mit dem Kopf schüttelte.
Mir war völlig entgangen, dass Luke die ganze Zeit über gefehlt hatte.

Am Nachmittag stand ich mitten auf dem Marktplatz und schaute an den Lippen kauend um mich.
Heute war es merkwürdiger weise und für diese Jahreszeit eher untypisch ziemlich warm. Von daher trug ich ein einfaches braunes Kleid zu Römersandalen. Meine Haare waren mir seit einigen Tagen eh egal, weshalb ich sie einfach offen ließ.

Während ich dort nun auf Isabel wartete, schlich sich immer wieder Luke in meine Gedanken.
Konnte man das nicht irgendwie abstellen?
Es sollte mich eigentlich gar nicht beschäftigen. Es durfte mich nicht beschäftigen. Das Letzte was ich brauchte, war der Gedanke, dass Luke mir wichtig sein könnte.
Aber das war einfach nur verrückt.

Bevor ich länger darüber nachdenken konnte, sah ich Isabels wildes Gefuchtel. Sie stand mit Adam vor der Eisdiele und winkte mir breit grinsend zu.
Ich betete innerlich, dass nicht gleich die ganze Stadt wusste wie ich hieß. Doch der liebe Gott meinte es offenbar nicht gut mit mir.
„ Geeemaaa….hier sind wir!“
Schrill hallte ihr Ruf über den gesamten Marktplatz und vereinzelte Passanten sahen sie verwundert um.
Ich tat so, als wäre nicht ich gemeint und schlenderte so unauffällig wie möglich zu den beiden rüber.

„ Vielen dank das du so dezent auf dich aufmerksam gemacht hat“, lächelte ich beschämt, als ich ankam.
Adam dachte offenbar das Gleiche wie ich, denn er nickte mir zu und verdrehte die Augen.
Ich verkniff mir ein Lachen und drückte stattdessen meine beste Freundin.
„ Du hast also deinen Freund dazu verdonnert mit Mädels shoppen zu gehen?“
Isabel sah mich empört an.
„ Was denkst du von mir?“
Lachend hackte sie sich bei mir unter und verteidigte sich.
„ Seine Entscheidung mit zu kommen, war völlig freiwillig. Außerdem brauchte ich doch einen großen starken Mann der mir die Tüten schleppt.“
Jetzt musste ich lachen und sah mitleidig zu Adam, der seine Freundin dafür in die Seite kniff.
Isabel quiekte auf und zog mich dann mit.

„ Ich wollte einfach mal Zeit mit meiner Freundin verbringen“, erklärte Adam, während wir den ersten Klamottenladen betraten, „ dass ihr ein Shoppingattentat auf mich vor hattest, hat sie mir nicht verraten.“
Adam vergrub gespielt beleidigt seine Hände in den Hosentaschen.
Isabel löste sich von mir und sprang Adam von hinten auf den Rücken. Diese schrie erschrocken auf.
„ Das war kein Attentat auf dich sondern auf Gemma“, keuchte Isabel außer Atem, während Adam sie durch den Laden trug.
Das dabei alle Blicke auf ihnen ruhten, war den beiden total egal.
Isabel schnappte sich im vorbei gehen einen Hut von einem Regal und setzte ihn Adam auf.
„ Steht dir“, grinste Isabel verliebt, als Adam vor einem Spiegel stehen blieb.
„ Oh, vielen dank“, schnöselte Adam.

Ich beobachtete die beiden und lächelte. Was die beiden hatten war einfach perfekt. Ich war mir sicher, dass Adam Isabel von ganzem Herzen liebte und darüber war ich sehr glücklich.
Nur der Anblick der beiden, versetzte mir auch einen leichten Stich, denn mir fehlte etwas. Und das wurde mir in dem Moment bewusst.
Mir fehlte etwas, was Adam und Isabel reichlich hatten.
Liebe.

Adam hatte Isabel inzwischen von seinem Rücken verfrachtet und machte einen auf Modeexperten, als ich zu ihnen trat.
Er hielt mir spontan ein schwarzes Cocktailkleid hin und säuselte.
„ Also das ist ja wohl das perfekte kleine Schwarze. Es betont deine Augen wunderbar, Schätzchen.“
Isabel und ich prusteten los. Er hatte die Rolle einfach perfekt drauf.
Ich nahm ihm das Kleid ab und wuschelte ihm durch das Haar.
„ Hast du noch mehr solche Modetipps?“
„ Aber klar“, winkte Adam feminin ab, „ nimm mich mit zu Douglas und ich mach aus dir einen Star, Süße.“

Jetzt war der Punkt angekommen, wo Isabel und ich nicht mehr konnten. Wir zogen mittlerweile die ganze Aufmerksamkeit auf uns.
„ Gott, Adam. Ich frag mich echt warum du nicht schwul bist“, lachte ich.
Adam kam wieder in seinen normalen Körper zurück und ließ sich von Isabel küssen.
„ Du hättest echt Schauspieler werden können, Baby.“

Ich ließ die beiden weiter laufen und schaute das Kleid an, das Adam mir gegeben hatte.
Auf einmal war ich wirklich froh, dass er mit gekommen war. Nicht nur wegen seiner kleinen Theatervorstellung, sondern weil das Kleid einfach umwerfend war.
Es war schlicht und mit einer Schleife an der Schulter verziert.
Und schon hatte ich mich entschieden. Danke, Adam.

Isabel rief von der Jeansabteilung zu mir rüber.
„ Gleich noch Lust auf einen Kaffee?“
Ich zeigte einen erhobenen Daumen und sicherte mir das Kleid.
Tylers Party konnte kommen.

Plötzlich blieb ich mitten im Gang stehen.
Drüben bei Isabel und Adam hatte sich noch jemand dazu gesellt.
Luke.
Meine Augen weiteten sich vor Schreck. So unauffällig wie möglich versuchte ich Isabel ein Zeichen zu geben, dass ich verschwinden wollte.
Isabel verengte unverständlich die Augen.
Schließlich reichte es mir und ich zeigte erst auf Luke und dann zur Tür.
Isabel verstand endlich und lenkte Luke ab.

Schleunigst bezahlte ich das Kleid und machte mich aus dem Staub.
Ich wollte ihn nicht sehen und schon gar nicht mit ihm reden. Er würde mich nur weiter verwirren.
Meine gute Laune hatte er sowieso schon zerstört.


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Tag der Veröffentlichung: 11.10.2010

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