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Prolog

 

So strahlend blaue Augen! Ein derart intensives himmelblau, das ist wirklich selten. Sie hat bisher nur davon gehört, niemals jedoch hat sie so eine eindrucksvolle Augenfarbe in natura gesehen. Wie oft kommt das wohl vor? Solche Leute fallen sofort auf, denn dieses blau ist mit nichts Anderem zu vergleichen. Ein wahrhaftiger Anziehungsmagnet für jeden Mann, ganz bestimmt.

 

Sie erinnert sich an den „Eisengel“. Vor ein paar Jahren berichteten die Zeitungen davon. Eine junge Frau aus den USA hat ihre Nebenbuhlerin heimtückisch umgebracht. Der Prozeß wurde weltweit verfolgt. Es waren die unsagbar blauen Augen, der die Mörderin den Namen „Eisengel“ verdankt. Kalte Augen. In der Zeitung sah die Frau ganz sympathisch aus. Sie war dunkelblond oder hellbraun, eine Mischung, die in einander übergeht, weil dessen Farbabstufung nahezu unbemerkt bleibt. Eigentlich recht hübsch, hätte sie nur nicht dieses furchtbar schlechte Image aufgrund ihrer abscheulichen Gräueltat.

 

Plötzlich wird sie unsicher. Was soll sie machen? Geht ihre Fantasie mit ihr durch, weil sie ein solches blau bei einer anderen Frau gesehen hat, die sie bislang nur mit braunen Augen kennt? Warum kann sie den Verdacht nicht loswerden, dass diese etwas zu verbergen hat? Liest sie zu viel in der Klatschpresse? Sollte sie die Person zur Rede stellen? Sie ist völlig ratlos und weiß niemanden, dem sie sich anvertrauen möchte. Freunde oder eine eigene Familie hat sie leider nicht und ihre Eltern leben weit weg. Der Kontakt ist nicht so doll.

 

Kapitel 1

 

Eleonore Wagner wird heute 50 Jahre alt. Ein Tag, den sie schon lange herbeigesehnt hat, denn in ihrem gesellschaftlichen Umfeld bedeutet dieses, ein großes Fest zu feiern und alle wichtigen Personen um sich zu wissen. Ihr Mann ist schließlich ein erfolgreicher und geschätzter Staranwalt und der einziger Sohn tritt gerade in seine Fußstapfen. Sie platzt vor Stolz, wenn sie nur daran denkt. 50 Jahre, ein halbes Jahrhundert und 28 Jahre glücklich verheiratet mit einem Mann, der geschlagene 11 Jahre älter ist. Man sieht es ihm an, aber das nimmt sie gerne in Kauf, dafür hat er materiell immer bestens für sie und den Sohn gesorgt. Wer kann das von ihren Freundinnen schon sagen?

 

Belinda ist dreimal geschieden und hat es in ihren drei Ehen nicht einmal zu einem Kind gebracht. Es war sicher die richtige Entscheidung, sie zur Patentante von Leon Siegfried zu machen.

 

Martinique hat es auf vier Kinder gebracht, aber glücklich ist sie damit nicht geworden. Sie waren beste Freundinnen aus Grundschulzeiten, danach hat sich so einiges geändert. Vier Kinder von zwei verschiedenen Männern, die sie niemals geheiratet hat. Vielleicht war das gut so, denn damit hat Martinique wenigstens die Scheidungskosten gespart. Ihre Lebensgefährten taugten nichts. Das findet zumindest Eleonore.

 

Die letzte aus ihrer damaligen Mädchenclique ist Bettina. Die hat es zur Inhaberin einer passablen Edelboutique gebracht. Geschmackvoll und teuer kassiert sie die Köllner Oberschicht ab. Sie sieht immer noch blendend aus für ihr Alter, so dass sie darauf vertrauen kann, stets einen neuen Geliebten zu finden, wenn der alte uninteressant wird.

 

Eleonore freut sich riesig über ein Wiedersehen am heutigen Tag. Sie freut sich darauf ihnen zu zeigen, wie gut es ihr geht, welch gute Wahl sie mit Siegfried getroffen hat, der ihr alles bieten kann, worauf sie essentiell Wert legt. Ja, heute ist ihr großer Tag und sie wird sich feiern lassen, als ob sie die Frau Staranwältin persönlich wäre, die erfolgreich im Beruf steht.

 

Eleonore kann sich unendlich glücklich schätzen, dass Siegfried sie damals geheiratet hat. Haben doch ihre Freundinnen anfänglich schlechte Witze gemacht, als sie Siegfried das erste Mal vorstellte. „Was willst du denn mit der halben Glatze?“ Das waren die zynischen Worte Martiniques. „Willst du wirklich einen Mann heiraten, der über zehn Jahre älter ist?“ Das fragte eine betroffene Bettina. Belinda war die einzige, die sich mit ihren Kommentaren zurückhielt, auch deswegen hat Eleonore sie später zur Patentante von Leon gemacht.

 

Es ist 10.30Uhr. Der Partyservice rückt bereits an, um im Garten alles vorzubereiten. Die Feier startet pünktlich um 13.00Uhr. Es ist auf alle Fälle von Vorteil im Frühsommer Geburtstag zu haben, da kann der parkähnliche Garten genutzt werden und alle Gäste dürfen diese Schönheit bewundern und genießen. Sie wird sich allmählich ins Haus begeben und für die Feier zurechtmachen. Sie muss heute umwerfend gut aussehen. Das braucht seine Zeit.

 

Kapitel 2

 

Leon steht am Bahnhof und wartet, dass Karlas Zug einfährt. Pünktlich entspringt ihm eine frisch gebräunte, gut gelaunte Karla.

 

„Schön dich zu sehen, Karla.“

„Ich freue mich ebenfalls. Auf die Feier bin ich gespannt, da es sich nun einmal nicht vermeiden lässt.“

„Du kennst doch meine Mutter und ihr Getue. Tischdame ist ganz wichtig, selbst wenn es nur ein Gartenfest ist.“

„Ich weiß. Zum Glück sind wir ein eingespieltes Team. Seit wieviel Jahren machen wir diesen Zirkus schon mit?“

„Oh, da muss ich nachrechnen. Seit wir uns in der Oberstufe näher kennengelernt haben? Eine Ewigkeit würde ich sagen.“

 

Leons Stimme wird ernst.

 

„Wir müssen vorsichtig bei unseren Unterhaltungen sein. Der ganze Gerichtssaal wird unter den Gästen vertreten sein. Du weißt, was du zu sagen hast, falls dich jemand fragt, während ich nicht in deiner Nähe bin?“

„Sei unbesorgt. Ich kann hervorragend mit Worten umgehen. Ich habe Literatur studiert.“

„Ja, aber ein Anwalt dreht dir das Wort im Munde herum und schon bekommt deine Aussage eine ganz neue Bedeutung.“

„Ich passe auf. Vertrau mir.“

 

Sie steigen in Leons kleinen Sportflitzer und fahren los. Eine knappe Stunde Fahrt liegt vor ihnen, wenn der Verkehrsfunk keine Staus meldet.

 

„Hast du dich gut auf dem Weingut eingelebt?“

„Es ist hervorragend. Ich hätte das eher wissen müssen, dann hätte ich einen Winzer geheiratet und mir würde ein Weinberg gehören.“

„Kauf dir einen.“

„Zu spät. Das hätte ich vielleicht statt eines Studiums machen können. Dann wäre ich dort hineingewachsen und vielleicht geblieben. Aber jetzt? So einfach ist das übrigens nicht. Ich hatte bisher keinerlei Ahnung von Weinbau und Weinherstellung. Wie sollte ich da ein Unternehmen führen können?“

„Du wirst einfach Teilhaberin, ganz so, wie du es bei Peter mit dem Pharmaunternehmen gemacht hast.“

„Ja, nur das die Weinbauern etwas anders denken, als moderne Unternehmer. Tradition, die Liebe zur Natur und den Weinbergen, der Geschmack am Wein und die Hingabe zur Traube sind irrsinnig wichtig. Vom Reifen übers Pflücken bis hin zur Kelter. Diese Leute widmen ihr Leben der Traube. Das kannst du nicht mit einer Pharmafirma vergleichen. Es ist etwas familiäres. Die Traube gehört dort zur Familie, wie in anderen Familien der Hund oder die Katze. Selbst die Angestellten gehen im hegen und pflegen der Rebe auf. Niemand arbeitet nach Stempeluhr, sondern bis die tägliche Arbeit erledigt ist. Das kann sehr unterschiedlich sein.“

„Das hört sich arbeitsintensiv an.“

„In gewisser Weise ist es das auch.“

„Welche Sorte hast du meiner Mutter heute mitgebracht?“

„Einen Riesling. Meine Lieblingstraube. Ein wirklich vorzüglicher Wein. Eleonore wird ihn lieben.“

 

Als sie am Hause der Wagners ankommen, finden sie keinen Parkplatz. Duzende Lieferwagen vom Partyservice versperren mit offenen Klappen und Türen die Einfahrt und den Hof. Es wimmelt von weiß gekleideten Bediensteten, die kistenweise Essen anliefern und dieses zu einem Buffet aufbauen. Leons Mutter steht mittendrin und erteilt Anweisungen.

 

„Komm, wir begrüßen erst einmal meinen Vater. Bei meiner Mutter können wir jetzt nur stören“, erfasst Leon

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 19.03.2017
ISBN: 978-3-7438-0377-0

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