Sabine Herzig
Tot verkauft´s sich besser
Kurzgeschichten
Band 5
Covergestaltung: Dotte Norkauer
Inhalt
Tot verkauft´s sich besser
Wer ist hier blind?
Kleiner Sprachfehler mit Auswirkung
Mordanschlag
Frisörtermin
Lebendig begraben
Die Herausforderung
Wir trauern um ein großes Nachwuchstalent der modernen Malerei
I.D.E.E.
Isa Dora Eber-Esche
*25.02.1986 +02.03.2016
Die Trauerfeier findet im engsten Familienkreis statt.
Anstelle freundlich zugedachter Blumen und Kränze bitten wir zu einem Nachlassverkauf ihrer Bilder. Der Erlös soll für wohltätige Zwecke gespendet werden.
Wieder eine junge Künstlerin früh verstorben! Das ist tragisch! Keine dreißig Jahre ist sie alt geworden, die Ärmste. Mit Dreizig fängt das Leben gerade mal an. Maya sieht nachdenklich von der Todesanzeige auf. Es steht nicht dabei, wofür gespendet wird. Aber wohltätig ist in jedem Fall eine gute Sache. Die Adresse und das Zeitfenster, wo und wann die Bilder der Künstlerin zum Verkauf ausgestellt sind, seht ebenfalls in der Anzeige: Freitag bis Sonntag. Die Beerdigung findet erst am Montag statt.
Freitag Nachmittag, in einem alten Hinterhaus, wimmelt es von Leuten, die sich bereitwillig für farbig bunte Kunstwerke zu interessieren scheinen.
„Wissen Sie, was dieses hier darstellen soll?“ fragt eine junge Mutter mit Kinderwagen. „Tut mir leid. Ich bin nur für die Abwicklung des Verkaufs zuständig“, erwidert eine junge Frau. „Leider kann man die Verstorbene dazu nicht mehr befragen. Aber wenn Sie meine Meinung dazu hören wollen, kann ich ihnen versichern, dass das egal ist. Ein Bild muß gefallen! Gefällt es Ihnen denn? Peppig ist es in jedem Fall. Ein echter Hingucker, wenn Sie über weiße Wände verfügen.“ Und sogleich wechselt das Bild seinen Besitzer. Ähnlich geht es am Samstag und am Sonntag zu. Der Gesamterlös am Sonntag Abend lässt sich sehen.
Sie packt ihre Sachen, eine Geschäftsreise steht an. In Köln wird nächste Woche „Clara Ost-Ullmann“, bekannt unter CL.O.U. versterben und die Woche drauf scheidet in Freiburg Bianca Inez Lahn-Diego, B.I.L.D, aus dem Leben. Alles gefeierte, junge, talentierte Nachwuchsmalerinnen der Moderne. Bedauerlich, dass diese Talente zu Lebzeiten keinen Erfolg für sich verbuchen konnten. Große Meister werden erst Post Mortem in den VIP Kreis aufgenommen: Van Gogh und viele andere wären verhungert, hätten sie nicht zwischenzeitig an Ohr oder Bild geknabbert.
Maya schließt den Deckel des Reisekoffers. Oben auf liegt eine Liste mit weiteren Favoriten: ST.AR (Stephanie Art...), DI.VA (Diana Vales...), RU.HM (Ruth H...-Meyer), PI.N.SEL (Pia Nadine Sel...), G.OLD (Gesa Old...). Die Namen sind noch nicht ganz ausgereift, aber ansonsten ist Maya mit ihrer Arbeit sehr zufrieden.
Carla ist überglücklich. Gerade hat sie ihr altes Auto für 2500 Euro verkauft. Nun, alt war es wirklich nicht: gut erhalten, wenig Kilometer auf dem Tacho. Sie ist mit dem erworbenen Geldbetrag mehr als zufrieden, denn sie braucht ab heute kein Auto mehr. Vom Herumstehen wird kein Wagen besser, und die Preise auf dem Markt fallen. So hat sie ein kleines Sümmchen, dass sie gleich auf der Bank, auf ihr Konto einzahlen möchte.
Hinter ihr in der Schlange steht ein junger Mann, dessen Gesicht durch eine übergroße Sonnenbrille verdeckt wird. Eine Blindenbinde am rechten Oberarm, sowie ein weißer Blindenstock erklären dieses. Als Carla an der Reihe ist, macht der Kassierer Mittagspause und verweist die Kunden an den Geldautomaten. Na super, denkt Carla. Hoffentlich nimmt der Automat eine so große Summe Bargeld entgegen. Sie steckt gerade ihre EC Karte in den Automaten, als sie von hinten angerempelt wird. „Oh! Verzeihung, das habe ich nicht ertastet, dass jemand vor mir steht“, beteuert der Blinde, der eben hinter ihr in der Schlange gestanden hat. „Ist doch kein Problem. Nichts passiert“, grient Carla ihn an, bis ihr bewußt wird, dass er doch nichts sehen kann. Komisch, was will er denn dann am Automaten? Jetzt nur nicht ablenken lassen. Tipp die richtige Nummer ein, ermahnt sie sich. Schön langsam. Die Tastaturen an allen Terminals sind „ausgenudelt“ und da passiert es schnell, dass ein Zahlendreher zu Stande kommt. Das ist ihr schon öfter passiert und dann ist nach dem dritten Versuch die Karte futsch. Das soll ihr heute nicht passieren, wo sie die große Summe dabei hat. Sie legt die Scheine ein und tippt ihren Pinn ordentlich mit bedachter Langsamkeit auf dem Zahlenfeld ein. Geschafft! Sie nimmt gleich noch einen Kontoauszug mit und dann geht sie glücklich nach Hause.
Am nächsten Tag verbringt sie ihre Mittagspause im Bistro, schräg gegenüber ihrer Arbeitsstelle. Dort gibt es nette Imbisse zu vertretbaren Preisen, und da sich das Bistro im Studentenviertel befindet, wird es stets von jungen Leuten ihres Alters besucht. Carla fühlt sich dort einfach wohl, es ist familiär und ungezwungen. Alle per du und locker drauf. Das baut sie auf, bevor sie an ihre Arbeitsstelle, in das muffige Büro eines Buchhalters zurückkehren
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 05.03.2016
ISBN: 978-3-7396-4139-3
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