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Leseprobe

Wenn ihr nun den Sohn des Menschen dahin auffahren sehet, wo er zuvor war? Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts. Die Worte, welche ich zu euch geredet habe, sind Geist und sind Leben;


2.Kor.2,14-16.



Da antwortete er und sprach zu mir und sagte: Dies ist das Wort Jahwes an Serubbabel: Nicht durch Macht und nicht durch Kraft, sondern durch meinen Geist, spricht Jahwe der Heerscharen.


Sach.4,6.



Gott aber sei Dank, der uns allezeit im Triumphzuge umherführt in Christo und den Geruch seiner Erkenntnis an jedem Orte durch uns offenbart! Denn wir sind Gott ein Wohlgeruch Christi in denen, die errettet werden, und in denen, die verloren gehen; den einen ein Geruch vom Tode zum Tode, den anderen aber ein Geruch vom Leben zum Leben. Und wer ist dazu tüchtig?


Joh.6,62.


Inhaltsübersicht

Dies ist lediglich eine Übersicht über die Themen dieses Buches, die Ihrer Orientierung dienen soll. Sie enthält keine Verweise und Sprungadressen. Das Aufrufen und Öffnen von Kapiteln erreichen Sie über das systemeigene Inhaltsverzeichnis.


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1. Vorwort

Vorwort

2. Zur Vorgeschichte

Einleitung

Gott

Satan

Jesus und der Mensch

Der Mensch in der Erlösung

Überleitung zur Auslegung

3. Einstieg in die Auslegung

Einführung

Die Worte des Johannes

Übergang zu den Offenbarungen

4. Christus

Die wunderbare Erscheinung

Einführung zu den Sieben Sendschreiben

Die SiebenSendschreiben

Die Struktur des Christus

5. Die Spiegelstrukturen

Benennungen

Christus in uns

Christus der Leib

Christus der Tempel

Diskussion

6. Die Praxis der Spiegelstrukturen

Christus in uns

Christus der Leib

Christus der Tempel

Zusammenfassung

Abschluß

7. Im Thronraum

Vor der Erlösung

Ursprung der Heilszeit

8. Die ersten sechs Siegel und die Zwischengesichte

Vorbemerkung

Die apokalyptischen Reiter

Wegmarken Gottes

Schlußbetrachtung

9. Die ersten sechs Posaunengerichte

Das Brechen des siebten Siegels

Die Posaunengerichte

10. Gottes Reich während der Entscheidungszeit

Erläuterungen

Der starke Engel

Das Büchlein

Das Ausmessen des Tempels

Die zwei Zeugen Jesu

Zwangsläufige Geschichte?

11. Das siebte Posaunengericht

Im Thronsaal

Das Weib und ihr 'männlicher' Sohn

Die Niederlage des Drachens

Übergang zum Zorngericht

12. Einblick in die Weltgeschichte

Einleitung

Das Tier aus dem Meer

Das Tier aus der Erde

Zwischenbetrachtung

Die dritte Möglichkeit

Geschichtliche Zusammenhänge

Der Untergang Babylons

Zusammenfassung

13. Die neue Situation

Vorschau

Die Erstlingsfrucht

Das ewige Evangelium

Das Ende menschlichen Selbstherrlichkeit

Läuterung

14. Der Abschluß des Zorngerichts

Wiederherstellung des Tempels

Die sieben Zornschalen

Zusammenschau

15. Das Ende der Selbstherrlichkeit

Das 1000jährige Reich

Der letzte Kampf

Das Ende der bisherigen Welt

Das Neue und Ewige

16. Abschluß

Der Einschub

Schluß des Rundbriefes

17. Anhang A

Der Siebenarmige Leuchter

18. Anhang B

Das Ablaufdiagramm

19. Anhang C

Ein Vorschlag

20. Anhang D

Hingabe

21. Anhang E

Struktur

22. Anhang F

Abschließende Gedanken

23. Anhang G

Literaturverzeichnis

24. Anhang H

Impressum

Nachtrag: Kontakte knüpfen


1. Vorwort

Vorwort

Gott macht Zukunft. Wie er sie gestalten will, hat er vor Jahrhunderten seinem Sohn Jesus offenbart. Und Jesus hat dies durch seinen Engel dem Johannes, seinem Lieblingsjünger, mitgeteilt.[1] Diese Mitteilung Gottes ist als 'Die Offenbarung des Johannes' im letzten Buch in unserer Bibel aufgezeichnet und wird allgemein als schwer oder gar nicht verständlich angesehen. Ich kann jedoch nicht annehmen, daß Gott uns eine Botschaft zukommen ließe, die wir nie verstehen werden. Ein solches Verhalten läßt sich nicht in Einklang bringen mit Gottes Liebe und der Rettung, die er uns in Jesus erweist.

Neben die Kritik der mangelnden Verständlichkeit tritt die unglückliche Neigung, die Offenbarung mit Tod und Verderben in Verbindung zu bringen. Wir können dies zum Beispiel bei Albrecht Dürer erkennen, der die vier apokalyptischen Reiter in seinem Holzschnitt von 1498 drastisch in diesem Sinne darstellt.[Bild] Bei einer Versbetrachtung müssen wir allerdings eine Verzerrung des Textes durch diese Darstellung feststellen.[2] Nur der zweite und vierte Reiter bieten Grundlagen für ein Schreckensbild. Der erste Reiter hingegen zieht mit einem Bogen als Sieger aus. Zielt er auf soziale Mißstände, Armut, Seuchen, die er besiegt? Ihm wird jedenfalls eine Krone zuerkannt. Die Fragen in Verbindung mit dem dritten Reiter sind wegen der Gegensätzlichkeit der Fakten - einerseits Teuerung und Hunger, andererseits geschützter Luxus, und beides unter der Waage der Gerechtigkeit - sicherlich noch drängender. Ein schlichtes Schreckensszenario ist jedoch angesichts dieser Textlage nicht gegeben. Und der gesamten Offenbarung ein solches überzustülpen, würde einem Vorurteil gleichkommen.

Innerhalb der Offenbarung können wir zwei Entwicklungslinien erkennen, deren Reifung sie bis zu ihrem Abschluß verfolgt: Zum einen die Entfaltung des Evangeliums und zum anderen die Überwindung Satans als des Widersachers Gottes. Das Evangelium erreicht in den zwei Zeugen Jesu ein erstes Ziel. Diese beiden Gläubigen sind völlig vom Wesen der Welt gelöst und lieben ihr natürliches Leben um Gottes willen nicht bis in den Tod. In den zwei Zeugen Jesu verschränkt sich die Entfaltung des Evangeliums mit der Ausgestaltung der Überwindung von Gottes Widersacher. Denn die Hingabe der zwei Zeugen an die vollständige Realisierung des Evangeliums an und in ihnen bewirkt zugleich die Ausweisung Satans aus dem Himmel.[3]

In dieser Verknüpfung zeigt sich ein Prinzip, das die Offenbarung in ihrer gesamten Erzählung erkennen läßt: Jeglicher Gewinn an Annahme des Evangeliums unter den Menschen erbringt für Satan einen Verlust an Einfluß und Stand vor Gott. Als das Evangelium die Fülle der Annahme unter den Menschen erreicht hat, was die Offenbarung gegen Ende ihrer Erzählung darstellt, wird Satan entmachtet und muß mit seinem Anhang in die Verbannung weichen. Damit endet auch die Geschichte der Erde samt ihren heutigen Bewohnern. Denn Gott schafft, nachdem er das Jüngste Gericht gehalten hat, einen Neuen Himmel und eine Neue Erde[4] als Wohnorte für die Seinen.

Die Zeit vor dem Auftreten der zwei Zeugen Jesu ist in der Offenbarung als Vorbereitungszeit anzusehen. Mit ihrem Erscheinen beginnt eine Entscheidungszeit, die mit der Wiederkunft Jesu abschließt.[5] Anschließend führt eine Zeit der Reifung und Festigung im Guten wie im Bösen auf das Ende.Und da ist noch manches Detail hinsichtlich der Vorgänge und Entwicklungen auszulegen und darzulegen, bis sich letztendlich ein zusammenhängender Ablauf wie auch ein homogenes Bild der Offenbarung herausschält. Unverständlich ist die Offenbarung aber keinesfalls.

Nach dem oben genannten Prinzip ist das Evangelium die Triebfeder der Erzählung der Offenbarung. Ihre Darstellung beginnt im Anschluß an das Erlösungswirken Jesu. Doch enthält die Offenbarung einen Abschnitt, der auf die Existenz von Gottes Heilsbeschluß und dessen Inhalt seit alters hinweist.[6] Ich stelle deshalb der Auslegung der Offenbarung eine Skizze der Geschichte von Satan und Menschen von ihrem Anfang bis in die Zeit der Offenbarung voran, wie ich sie aus dem Alten und Neuen Testament erkennen kann. Aus demselben Rahmen gewinne ich zudem eine kurze Darlegung vom Wesen und Handeln Gottes. Dabei werden auch jene Bemühungen Gottes deutlich, die in die Menschwerdung Jesu und seine Erlösungstat münden.

Der Text der Offenbarung zeigt, daß sie nicht nur von ihrer Position her sondern auch nach ihrem Inhalt den Abschluß des Neuen Testamentes darstellt. Sie bringt sowohl zusammenfassend die vollkommene Ausgestaltung von Gottes Heilshandeln in Christus als auch die Bereinigung der Schöpfung Gottes von aller Unbotmäßigkeit und Selbstherrlichkeit zum Ausdruck. Das hat bisher weder Beachtung gefunden noch die daraus folgende Wirkung unter den Gläubigen entfaltet. Allerdings wurde die Offenbarung m.E. bisher nicht in dieser Hinsicht ausgelegt und angenommen. Mit einer solchen Annahme würde sich jedoch eine Erweiterung in der Beurteilung von Inhalt und Aufgabe des Christentums verbinden.

Ein wesentlicher Faktor zum Verständnis der Offenbarung ist unsere Einschätzung der Stellung vor Gott. Sie wird vielfach von einem Schuldverhältnis gegenüber Gott gesehen. Die Reaktion darauf ist das ernste Bemühen um Erfüllung von Sitte und Gesetz, wodurch ein Gefühl des Fehlens vor Gott überwunden werden kann. Doch das erreicht und beseitigt die inneren Schwierigkeiten des Menschen nicht, weil seine Veranlagung bei diesem Bemühen die gleiche bleibt. Immer erneut aufbrechende Konflikte im Kleinen wie im Großen beweisen das.

Der eigentliche Schaden des Menschen ist in seiner Vereinzelung begründet, in die er durch das Selbst-so-sein-wie-Gott im Sündenfall geraten ist.[7] Gott bestätigt diese Position im Anschluß an den Fall mit den Worten: "Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner, …"[8] - 'wie unsereiner', darin liegt die Crux: Abgesehen von der Größe Gottes haben wir seine Eigenschaften bei dieser Wandlung erhalten. Doch leben wir sie nicht wie Gott in der Gemeinschaft der Dreieinigkeit sondern jeweils nur als 'einer'. Und damit verkehrt sich die Gottesliebe in Eigenliebe, wird aus seiner Weisheit das Selbstwissen um Gut und Böse, natürlich aufgrund der Eigenliebe im Sinne des Eigennutzes. Und aus der Souveränität Gottes, in der er in Liebe und Weisheit seine Schöpfung regiert, wird die Souveränität des Einzelnen, die er unter Selbstbehauptung gegenüber allen gleich veranlagten Mitmenschen durchzusetzen sucht. In einer solchen Verfassung befinden sich alle Menschen aufgrund ihrer natürlichen Geburt, auch jene, welche die oben beschriebenen Schuldgefühle vielleicht nie kennengelernt haben.[9] Gott hat uns zwar Sitte und Gesetz an die Hand gegeben, um in dieser latenten oder offenbaren Konkurrenzsituation überdauern zu können. Doch wie bereits angesprochen, weisen die immer wieder mehr oder minder umfangreich untereinander ausgetragenen Konflikte auf eine ständige untergründige Gefährdung der Menschen. Wir können uns auch nicht aus dieser Situation befreien - wir brauchen Erlösung.

Jesus hat uns diese Erlösung bereitet, indem er mit seinem Tod am Kreuz für unsere Schuld wegen des Sündenfalls bezahlt und uns den Weg zu Gott Vater wieder eröffnet hat.[10] Der Vater nimmt uns freudig wieder auf,[11] wenn wir uns vor ihm von unserer persönlichen Souveränität als der Erbsünde trennen und unsere Selbstherrlichkeit aufgeben. Er gliedert uns wieder in seine Gemeinschaft ein, indem er mit seinem Geist in Jesu Namen in uns Wohnung macht[12] - und zwar real und keinesfalls allegorisch.

Gott setzt diesen Vorgang in der Offenbarung voraus und erzählt uns, wie diese Innewohnung des Geistes Gottes in einer an den dreieinigen Gott hingegebenen Christenheit[13] zur Fülle gelangen kann. Und Gott deckt uns auf, welche Folgen die Fülle dieser erneuten Gemeinschaft des Menschen mit Gott für eine gottferne Welt und ihren Regenten, den Widersacher Gottes, hat. Nur die Voraussetzung der tatsächlichen Innewohnung des Geistes Gottes im Menschen läßt uns die Einzelheiten der einen Entwicklungslinie der Offenbarung, ihres Erzählstranges vom Heil, wahrhaft einsehen. Damit ist aber auch der Grund gelegt, die Herkunft der Einwirkungen und ihrer Dynamik zu erkennen sowie deren Folgen zu verstehen, die in ihrer zweiten Entwicklungslinie, in dem Erzählstrang der Selbstherrlichkeit, aktiv sind.

In dem zweiten Erzählstrang enthält die Offenbarung auch historische Ereignisse, die ich nach meiner Auffassung und meiner Kenntnis der gegebenen Historie auslege. Diese Auslegung sehe ich aber als zweitrangig an und bitte auch Sie, dasselbe zu tun. Die damit verbundenen Darstellungen haben keinesfalls das Gewicht, daraus Schlüsse für persönliches Verhalten zu ziehen. Allein die Darstellungen von Gottes Wirken in Christus mögen als Hilfe dienen, das eigene Leben in der Liebe Gottes zu gestalten, was in eine immer tiefere Lebens- und Liebesgemeinschaft mit Gott im Geist und dem Mitmenschen führt.[14]

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Endnoten 11

[1] Offb.1,1. [←]

[2] Offb.6,1-8. [←]

[3] Offb.11,7-12; 12,9-11. [←]

[4] Offb.20,10-21,1. [←]

[5] Offb.19,11-16. [←]

[6] Offb.4,5; vergl. Offb.5,6. [←]

[7] 1.Mo.3,5-7. [←]

[8] 1.Mo.3,22. [←]

[9] Röm.3,23. [←]

[10] Röm.5,10; Joh.14,6. [←]

[11] Luk.15,7.10. [←]

[12] Apg.2,1-4; Tit.3,4-6. [←]

[13] Mat.28,19. [←]

[14] Mat.22,37-39. [←]


 Die Apokalyptischen Reiter

 Holzschnitt von

 Albrecht Dürer, 1498

       [←T1]


2. Zur Vorgeschichte

Einleitung

In der Offenbarung des Johannes handeln vornehmlich drei Personen bzw. Personengruppen: Gott, Satan und die Menschen. In dieser Vorgeschichte möchte ich im Hinblick auf die Auslegung dieser Offenbarung einige Eigenarten und Verhaltensweisen von ihnen herausstellen, um das Verständnis von Offenbarung und Auslegung zu fördern.

Mit diesen Worten ist zugleich gesagt, daß diese Vorgeschichte lediglich Teilaspekte des jeweiligen Themas bietet und durch den Inhalt von Offenbarung und Auslegung beeinflußt ist. Ich belege jedoch die Darstellungen in der Vorgeschichte durch Bibelstellen aus dem Neuen und Alten Testament sowie durch Fakten aus der Kirchengeschichte, um so ihre generelle Gültigkeit zum Ausdruck zu bringen.

In der gesamten Arbeit, in Vorgeschichte und Auslegung, werden Ihnen die Begriffe 'Selbstherrlichkeit' und 'Hingabe' häufig begegnen. Es erscheint mir deshalb wichtig, diese beiden Begriffe noch vor allem anderem zu betrachten und in ihrer Bedeutung zu umreißen - sie gewissermaßen für diese Arbeit zu definieren.

Jeder der beiden Begriffe bringt eine Haltung zum Ausdruck, die in einem bestimmten geistigen und dem entsprechenden irdischen Bereich eingenommen wird. Er ist jeweils ein Oberbegriff, der weitere verwandte Verhaltensweisen und Aktivitäten logisch umschließt.

Die Selbstherrlichkeit herrscht im Bereich Satans. Satan ist ihr initialer Träger, weil er sich von Gott getrennt hat und danach strebt, Gott gleich zu sein. Er verbindet diese Haltung mit Selbstbehauptung und Abgrenzung. Damit verteidigt er seine Position vor Gott wie vor seinem Umfeld und bringt seinen Durchsetzungswillen in Aktion. Seit seinem Sündenfall ist der Mensch auch der Selbstherrlichkeit verfallen und verteidigt mit Durchsetzungswillen seine Position so wie gleicherweise durch Selbstbehauptung und Abgrenzung. Wird dieses Verhalten in der Gemeinschaft ausgeübt, herrscht aufgrund der Selbstbehauptung jedes Einzelnen Konkurrenz untereinander, in der jeder der Größte sein will. Dies Verhalten des Menschen ist oben bereits dahingehend erläutert, daß sich seine Liebe, die sich ehemals in seiner Gemeinschaft mit Gott als Gottesliebe offenbarte, sich im Abfall in Eigenliebe gewandelt hat. Das ist dann ebenfalls ein Antrieb für den Durchsetzungswillen, aufgrund dessen der Mensch hinsichtlich des 'selbst-wie-Gott-sein' um der Position und des Ansehens willen, der Größte zu sein, mit dem Nächsten in Konkurrenz steht.

Selbstverständlich haben wir gelernt, unsere Selbstbehauptung und unseren Durchsetzungswillen zu begrenzen, um zu überdauern. Es hat sich eine Art 'höherer Egoismus' entwickelt, der zum Teil verzichtet, um auf Dauer seine wichtigeren Interessen wahrnehmen zu können. Wir haben gelernt, Konkurrenz zur Förderung von Effektivität zu nutzen, um das Niveau zu heben. Wir haben gelernt, Ethik zu entwickeln und einzusetzen, um die Schwächeren zu schützen, die für das Funktionieren des Systems unentbehrlich sind. Wir haben aber auch gelernt, unseren erfolgreichen Einsatz für die Ethik zur Aufbesserung unseres Ansehens, unserer Position zu nutzen. Zumindest im westlichen System deutet der Einsatz von Konkurrenz unter Verwendung von Effektivitätssteigerung zur Gewinnmaximierung zunehmend jedoch auf Systemschwächen: Die Reichen werden reicher, die 'Weniger-Reichen' ärmer. Im Leben herrscht zunehmend Fried-, Ruhe- und Orientierungslosigkeit. Krieg ist immer noch die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Um Kriege zu vermeiden, hilft nicht Einsicht und Bescheidung sondern weitere Aufrüstung. In Notzeiten, je intensiver sie sind, bricht umso mehr das ethische Verhalten ein und kann von Selbstbehauptung und Durchsetzungswillen schließlich restlos überdeckt werden.

Dem gegenüber steht im Reich Gottes die Hingabe an einander. Die Liebe Gottes ist ihre Basis und ihr Treibmittel. Beide wohnen und wirken ursächlich in unserem dreieinigen Gott, der damit Hort und Urquell von Liebe und Hingabe ist, denn sein Wesen füllt sein Reich. So erwartet Jesus Christus von uns Menschen, daß wir Gott über alles mit all' unserem Vermögen lieben und den Nächsten mit derselben Intensität wie uns selbst. Das bedeutet eine völlige Hingabe des Menschen an Gott und den Nächsten in Christus.

Nur um diesen Zusammenhang geht es, wenn in diesem Buch von 'Hingabe' gesprochen wird. Es handelt sich nicht um eine Hingabe an eine Idee oder Ideologie, an ein Werk oder Organisation, an Menschen z.B. in sozialen Diensten, wenn es nicht in der Gemeinschaft mit Gott in Christus geschieht. - Was eingangs im Zusammenhang mit 'Selbstherrlichkeit' und 'Hingabe' geschrieben ist, zeigt Basisgedanken auf, von denen der Inhalt dieses Buches durchzogen ist und von denen ausgehend es verstanden werden kann.

In Jesu Augen ist jener in seinem Umfeld der Größte, der allen zu dienen vermag. Diese Erwartung ist jedoch nur erfüllbar, wenn das Wesen Gottes mit seiner Gottesliebe und Weisheit umfassend im Menschen wohnt und wirkt. In den obigen Aussagen dürfen deshalb keine Gebote, keine Forderungen gesehen werden. Sie sind ein Hinweis auf eine unumgängliche Notwendigkeit einer vollständigen Hingabe des Menschen an Gott im Geist. Denn darin erfolgt die Wandlung zum Menschen Gottes. Nur so gewinnt ein integres Gottesreich auf der Erde Gestalt und Bestand: Eine bewußte und gewollte Annahme, eine ständige und aufmerksame Pflege und eine angelegentliche Bitte um Erweiterung und Vertiefung dessen, was der Geist Gottes in uns hineinlegt. Hingabe ist und bleibt das einzig christliche Verhalten, um vollständig im Willen Gottes zu leben. Die Gnade Gottes kann sich nur auf dem Boden unserer Hingabe erfüllen.

Jesus spricht in diesem Zusammenhang im Gleichnis vom Weinstock und den Reben von 'ich in euch und ihr in mir'. Er beleuchtet darin die Gemeinschaft von Menschen mit unserem dreieinigen Gott im Geist, in die sich Menschen hingeben. Dieser Ausspruch Jesus offenbart aber auch eine Hingabe Gottes an den Menschen, in der eine Leitung des Menschen durch Gott in seiner weisen Einsicht und Voraussicht liebevoll eingeschlossen ist. Jesus hat in der Fülle der Hingabe an den Vater und den Heiligen Geist gelebt, sie bis zum Tod am Kreuz durchgetragen und damit Selbstherrlichkeit, Selbstbehauptung und Durchsetzungswillen, also das Wesen der Welt, überwunden. Der Vater im Himmel hat Jesus nach seinem Kreuzestod auferweckt und in den Himmel gerufen. Von dort sendet der Vater die Überwindung Jesu in der Ausgießung des Heiligen Geistes unter uns Menschen, damit sie uns zur Hingabe in die Gemeinschaft mit ihm im Geist befähigt, wenn wir dem Heiligen Geist Wohnung in uns bieten.

Diese Darlegungen sind Einsichten, die ich aus der Bibel gewinne. Ich habe bisher jedoch keine Bezüge zur Bibel angeführt, um diese Gedanken knapp und flüssig vorzustellen. Im Rahmen dieser Vorgeschichte will ich nachfolgend von den oben angeführten Herrschern der Bereiche und von deren Bewohnern, von Engeln und vornehmlich von den Menschen, berichten. Damit bringe ich einen Teilbericht vom Wirken Gottes, in welchem das abhängige Schicksal von Satan und von Menschen eingeschlossen ist. Dieser Bericht beginnt mit der Schöpfung und reicht bis zum Erlösungshandeln Gottes in Jesus Christus sowie dessen ersten Auswirkungen unter den Menschen.

Die Inhalte dieses Teilberichts dienen einesteils dem Verständnis des Anliegens Gottes, welches er uns in der Offenbarung mitteilen will. Andernteils sind die darin geschilderten Vorgänge die Vorbereitungen für die Abläufe in der Offenbarung. Die Inhalte der Vorgeschichte und jene in der Offenbarung zusammengesehen erweisen ein durchgängiges Wirken Gottes wie 'aus einem Guß'. - Im Verlauf dieser Darlegung werde ich dann alle oben angesprochenen Umstände und Verhalten im Zusammenhang mit den betreffenden geistigen und irdischen Personen erneut berühren und durch entsprechende Bibelstellen in den biblischen Zusammenhang stellen.

Die Quelle dieser Vorgeschichte ist deshalb die Bibel aber auch der Beginn der Kirchengeschichte. Hinsichtlich der Bibel erlaubt es die Vorgeschichte, zum Teil ein erweitertes Verständnis der Schrift zu gewinnen, als es traditionell gepflegt wird. Neue Perspektiven eröffnen sich, in deren Rahmen Gottes durchgängiges Handeln deutlicher aufgezeigt wird aber auch ein Wesen Gottes, das von unserem zum Teil sehr menschlichen Verständnis Gottes deutlich verschieden ist. Sein Wille, sein Vorgehen und seine Kraft, Menschen in Jesus Christus zu erlösen, wird dabei keinesfalls berührt. Doch ist seine Liebe in ungewohnter Weise frei von Ausnahmen, weshalb an manchen Stellen ein unerwartetes Verhalten Gottes offenbar wird.

Nach menschlichen Vorstellungen sowie nach der Logik und gewohntem menschlichen Verhalten geurteilt handelt Gott oft anders als erwartet. Aber Gott ist in seinem Wesen und dem daraus folgenden Handeln in mancher Hinsicht vom menschlichen sehr verschieden. Er handelt aus einer Liebe, die wir Menschen natürlicherweise nicht haben. Deshalb versuche ich, das Wesen Gottes auf der Basis der Schrift soweit herauszuarbeiten, daß uns eine Möglichkeit an die Hand gegeben ist, das teils nicht erwartete Verhalten Gottes auf der Basis seiner eigenen Voraussetzungen nachvollziehen zu können. Ich kann diese Absicht jedoch im Kapitel über Gott nicht ausreichend umsetzen, weil erst in späteren Kapiteln Gelegenheiten dafür ins Blickfeld kommen.

Diese Gedanken werde ich unter anderen im zweiten Kapitel bearbeiten, das ich unserem dreieinigen Gott widme: Gott Vater, Gott Sohn und Heiliger Geist. Unser Gott ist, - wenn auch selbst unwandelbar[1] - mit einem Zeitbezug behaftet.[2] Daraus folgt zumindest zweierlei: Gott wirkt innerhalb der Zeit, und das Bild von Gott ändert sich aufgrund des Fortschritts und der Ergebnisse seines Wirkens.

Satan wird im dritten Kapitel aus der Position des schlichten, Gott in allem störenden Teufels herausgerückt. Er wird zum einen als hochstehender Engelsfürst mit großem Aufgaben‑ und Herrschaftsbereich gesehen, zum anderen aber gerade darin als ein sehr einflußreicher, hartnäckiger Widersacher Gottes erkannt, der seine Selbstherrlichkeit gegenüber Gott verteidigt. Somit konnte nur Gott selbst im von der Jungfrau Maria geborenen Gottessohn Jesus den Widersacher Satan in der Welt als seinem zugewiesenen Herrschaftsbereich[3] erfolgreich entgegentreten und für die Menschen die Erlösung erreichen, d.h. die Löschung ihrer Sündenschuld wie auch die Lösung von der Bindung an die Welt durch die Wiederherstellung der ursprünglichen Gemeinschaft der Menschen mit dem liebenden dreieinigen Gott im Geist.

Für den Menschen bzw. die Menschheit werden zwei Abschnitte im vierten Kapitel bereitgestellt. Der erste skizziert seinen geschichtlichen Weg von der Schöpfung bis zur Erlösung. Dabei kommt Jesus, dem wir im Zusammenhang mit Gott bereits begegnen, in diesem Kapitel als unser Erlöser unter besonderer Hochachtung und Wertschätzung abermals vor. Der zweite Abschnitt handelt vom Menschen in seiner Auseinandersetzung mit der Erlösung, die Gott ihm durch Jesus schenkt.

Mit dieser Vorgeschichte wird auch eine Einsicht in den Erlösungswillen Gottes geboten, wie er geschichtlich nach und nach Gestalt gewinnt. Er reicht hier zunächst von der Schöpfung bis zu dem Zeitpunkt, an welchem nahtlos zur Betrachtung der Offenbarung des Johannes übergeleitet werden kann. Somit bietet dieses Buch insgesamt eine durchgehende Schilderung der Erlösung, wie Gott sie schrittweise von der Schöpfung bis zur Schaffung eines Neuen Himmels und einer Neuen Erde realisieren will.


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Endnoten 20

[1] Ps.90,2; Hebr.1,8; Offb.4,10. [←]

[2] Offb.1,8; 4,8. [←]

[3] Luk.4,5+6; Joh.12,31; 14,30; 16,11. [←]

Gott

Wie bereits angesprochen, wandelt sich unser Bild Gottes aufgrund von Gottes Wirken im Verlauf der Zeit und damit in der Geschichte, die uns die Bibel darstellt. In diesem Zeit-Rahmen unterscheide ich drei aufeinanderfolgende Hauptabschnitte: Die Zeit vor dem Sündenfall des Menschen, die Zeit ab dem Fall bis zur Erlösungstat Jesu und jene, in der wir Menschen aufgrund der Erlösungstat Jesu wieder Zugang zu Gott haben. Dabei versuche ich neben weiteren Aspekten herauszuarbeiten, daß Gott im Kern immer als der dreieinige Gott zu erkennen ist.

Gottes Bild vor dem Sündenfall

Im ersten Zeitabschnitt steht zu Anfang die Schöpfung. Gott ist der Schöpfer. Und es möge hier keine Diskussion über die Diskrepanz zwischen dem biblischen Schöpfungsbericht und den Vorstellungen der heutigen Wissenschaft entstehen. Denn ungeachtet einer nicht zu übersehenden Differenz darf nicht verkannt werden, daß auch der Denkansatz der Evolution im Grunde nicht ohne Schöpfungsakte auskommt: Die Wesen, die sich theoretisch jeweils in der Zwischenentwicklung zu einer letztlich erkennbaren stabilen Form einer jeweils höheren Entwicklungsstufe befinden, sind nicht lebensfähig. Für die Übergänge zu den nächst höheren stabilen Formen von Lebewesen bedarf es auch hier einer außerhalb der materiellen Gegebenheiten stehenden Institution mit vorausplanenden, vorab gestaltenden und schöpferischen Fähigkeiten - eben Gott als Schöpfer.[1]

Neben seiner Aktivität im Materiellen schafft Gott auch Lebewesen im geistigen Bereich. Letztere kommen zwar im Schöpfungsbericht nicht vor, sind aber im weiteren Verfolg des biblischen Berichtes zu finden.[2] Ich erwähne sie bereits hier, weil es zwei unterschiedliche Arten unter seinen immateriellen Geschöpfen gibt: jene, die in jeder Hinsicht unter Gottes Leitung stehen[3] und jene, die zu eigenen Entscheidungen fähig sind, und einen mehr oder minder großen Bereich dafür erhalten.[4] Unter Letzteren gibt es solche, welche die ihnen gesetzten Grenzen überschreiten und sich somit gegen Gott empören.[5] Zu ihnen gehört Satan und auch der Mensch im materiellen Bereich. Jedoch hat Gott in seiner Schöpfung genügend Raum für diese Vorkommnisse gelassen, und duldet sie zunächst, um Anarchie und Risse zu vermeiden.[6] Allerdings ist 'Zeit' der 'siamesische Zwilling' dieses Abfalls, und die Zeit ist es, in der Gott die Überwindung dieser Störung seiner widerspruchslosen Herrschaft in der ihm eigenen Weisheit zustande bringt.

Zu seiner Erscheinung kann die 'Mehrzahl' etwas aussagen, in welcher sich Gott bei seinem Wirken und Sprechen zeigt.[7] Das könnte u.a. mit aller Berechtigung als 'Pluralis Majestatis' gedeutet werden, insbesondere wenn wir den Blick auf die Dreieinigkeit ausblenden, wie sie im Neuen Testament offenbar wird. Wir können aber auch eine andere Sicht gewinnen. Denn mit der chinesischen Bilderschrift besteht eine gewichtige außerbiblische Quelle, in der das Schriftsymbol für den Geist Gottes - und zwar für jenen, der brütend über dem Urmeer schwebt - unter anderem drei Münder aufweist.[8] So nehme ich mit diesen beiden Sachverhalten als Zeugnis die dreieinige Offenbarung Gottes auch für die Zeit vor dem Sündenfall des Menschen an.

Gott ist in diesem Zeitabschnitt der einzige. Es gibt keine Götter neben ihm.[9] Seine Exklusivität und Größe hindert ihn aber nicht, mit seiner Schöpfung zu kommunizieren und Gemeinschaft zu pflegen, wie es zumindest bei seinen höchst entwickelten Geschöpfen, den Menschen, hier wie auch später biblisch festzustellen ist.[10] Er bleibt dabei der unbeeinflußbare Regent, der die Abläufe in seiner Schöpfung bestimmt und das Verhalten seiner Geschöpfe vorgibt.[11]

Gottes Bild in der Zeit zwischen dem Fall und der Erlösung

Dieser Zeitabschnitt beginnt mit dem Sündenfall des Menschen.[12] Dabei erweist sich Gott eindeutig als der Hüter seiner Regentschaft, indem er den souverän gewordenen Menschen aus seinem Friedensreich ausgliedert.[13] Aufgrund der Affinität zu Satan wird der Mensch umgehend in den Verwaltungsbereich Satans einbezogen,[14] über dessen Möglichkeiten und zeitliche Begrenzung wir noch ausführlich sprechen werden. Der Wechsel des Menschen in den Bereich Satans ändert jedoch nichts an der Verantwortung und Fürsorge Gottes für ihn. Er verhindert immer wieder, daß der Mensch für den Zugang Gottes taub wird. Die Sintflut und die Sprachverwirrung sind Beispiele dafür.[15] Schließlich sucht er Abram, den späteren Abraham, aus allen Menschen aus, um auf ihm das Volk Israel zu gründen.[16] Dieses wird nach manchen Erziehungsmaßnahmen Gottes der Schoß für unseren Erlöser Jesus Christus. Alle diese Maßnahmen Gottes gehören zu seinem Bestreben, die widerspruchsfreie Herrschaft zurückzugewinnen.[17]

Auch während dieser Zeit ist Gott nur in Ansätzen als der dreieinige Gott zu erkennen,[18] wie er sich uns letztendlich im Neuen Testament zeigt. Wir können Gott Vater in dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs erkennen, der die Umstände, vornehmlich die von Israel, lenkt,[19] und sich auch dem Menschen unter bestimmten Voraussetzungen persönlich offenbart.[20] Den Heiligen Geist erkennen wir im Geist Gottes, der Gottes Arm und Kraft bei der Lenkung der Geschicke auf der Erde und im Himmel ist.[21] Der vorgeburtliche Jesus scheint mir hingegen lediglich an entscheidenden Wegpunkten der Geschichte Israels aufzutreten: z.B. im Dornbusch vor Mose[22] und als Führer der himmlischen Heerscharen gegenüber Josua vor Jericho.[23] Auch die Auseinandersetzung mit Jakob wird m.E. vom vorgeburtlichen Jesus geführt.[24]

Das Wesen Gottes offenbart sich in dieser Zeit in der Hauptsache als am Gesetz orientiert, woraus ein striktes Ursache-Wirkung Verhalten entsteht. Davon gibt es jedoch Ausnahmen im Rahmen der Wunder, die er im Interesse und zur Förderung der ihm Zugehörigen geschehen läßt.[25] Bei manchen Vorgängen leuchtet jedoch bereits die Barmherzigkeit Gottes auf: der Engel Gottes bewahrt im Himmel den Hohepriester Josua vor den vom Standpunkt des Gesetzes nicht unberechtigten Anklagen Satans;[26] trotz aller Beschwerden über Israel verheißt Gott den Israeliten, daß er gnadenvoll ihre 'steinernen' Herzen gegen 'fleischerne' austauschen will.[27]

Gottes Bild in der Zeit der Erlösung

Nach der vorausgegangenen Fürsorge erweist Gott in dieser Zeit die Fülle seiner Liebe zum Menschen und seiner Schöpfung: In Jesus überwindet er die Gebundenheit der Menschen an ihre Selbstherrlichkeit, indem Gott sich durch Jesu Tod mit seiner gefallenen Schöpfung versöhnt[28] und durch den Heiligen Geist wieder Gemeinschaft mit ihm schenkt.[29] Die gesamte Schöpfung wartet auf das volle Offenbarwerden dieser Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch, deren Frieden sich dann auch auf sie ausweitet.[30] Damit ist ein Prozeß angedeutet, der mit Jesu Erlösungstat und der Ausgießung des Heiligen Geistes beginnt und sich in der Zunahme der Hingabe des Menschen an Gott im Heiligen Geist bis zur Vollendung fortsetzt. Schlußendlich verliert Satan durch diese Entwicklung seinen Platz im Himmel und muß auf die Erde ausweichen.[31] Gott gewinnt damit seine widerspruchsfreie Regentschaft im Himmel zurück.[32] Sein Gegenspieler kann jedoch noch beschränkt auf der Erde weiterwirken, bis er seine Unfähigkeit zu einer zukunftsfähigen eigenständigen Herrschaft endgültig offenbart und isoliert wird. Danach schafft Gott einen Neuen Himmel und eine Neue Erde.[33]

Mit dem Wirken Jesu auf der Erde und der Offenbarung des Evangeliums wird nun Gott in seiner Dreieinigkeit klar offenbar. Jede ihrer drei Personen: Gott Vater, Sohn Jesus und der Heilige Geist sind aufgrund ihres Auftretens und ihrer Aufgaben als unterschiedliche Persönlichkeiten in der Schrift anzutreffen.[34] Zudem berichtet uns die Bibel von ihrer Verbundenheit und ihrem gemeinsamen Willen.[35] Sie sagt uns jedoch nichts über die Art ihrer Interaktion. Wenn Johannes jedoch in seinem Brief schreibt, daß Gott Liebe ist,[36] so handeln die drei göttlichen Personen untereinander in völliger Gleichwertigkeit und Offenheit, in ständigem Dienst und dauernder Hingabe aneinander, mit liebevoller Zuvorkommenheit, in ständiger gegenseitiger Präsenz und im Austausch, sowie mit tiefer gegenseitiger Anteilnahme und Verbundenheit im selben Willen. Zusammengefaßt heißt das, unser dreieiniger Gott ist sowohl durch drei selbständig auftretende Personen, wie auch durch drei Personen in intensivem gemeinschaftlichen Austausch und genauso gut in einer gegenseitigen Durchdringung dieser drei Personen im selben Willen offenbar. Zudem ist unser dreieiniger Gott aber auch der Eine. Wir sprechen ihn in dieser Sicht als Gott an und sehen ihn in dieser Auffassung als den, in welchem alle göttlichen Eigenschaften und Seinsweisen zusammengefaßt sind. Er ist der Hort der Gottesliebe mit allen ihren Auswirkungen und Bezügen, ihr Garant und ihre Quelle für seine gesamte Schöpfung. So sie für Gott offen ist, hat sie daran Teil und lebt in ihr.

Die Schwierigkeit, als Mensch Verständnis für die wahre Eigenart Gottes zu gewinnen, liegt in unserer Zeitlichkeit begründet. Es wird uns somit nie in einheitlicher Sicht zugänglich sein, daß unser Gott als drei Personen in Selbständigkeit, in tiefer kommunikativer Verbundenheit und in einem vollständigen ineinander Aufgehen wie auch als der Eine zugleich existiert und agiert. Der Mensch als zeitliches Wesen kann sich diese Zustände nur nacheinander vorstellen. Einblick in die Gleichzeitigkeit von Gottes unterschiedlichen Wirklichkeiten können wir nur als biblische Wahrheit und als Erfahrung gewinnen, d.h. wahrnehmen, denn unterschiedliche Menschen können zur selben Zeit an verschiedenen Orten unterschiedliche Offenbarungen des dreieinigen Gottes hinsichtlich Person und Aktivität erleben. So verstößt diese Darstellung nicht gegen des erste Gebot. Sie ist so einseitig und unvollständig, daß sie keinesfalls als Bild Gottes angesehen werden darf. Sie soll lediglich helfen zu verstehen, inwiefern der Mensch nach dem Bilde Gottes geschaffen ist und dem Geist Gottes als irdenes Gefäß zur Wohnung dienen kann[37] - was ich aber erst weiter unten behandele.

So ist Gott zunächst immer der Eine, der Schöpfer, der souveräne Herrscher, der Garant der Ewigkeit. In ihm konzentriert sich unsere Anbetung, unser Lobpreis und unsere Hingabe. Die Schöpfung spricht ihm alle Heiligkeit, Macht und Ehre zu. Alle Weisheit, alle Kraft und aller Reichtum sind bei ihm zu finden.[38] Somit stehen auch alle seine Eigenschaften im Superlativ: der Höchste, der Allmächtige, der Herrlichste, der Schönste, der Ewige, aber auch der Schrecklichste, nämlich für seine Widersacher. Denn er ist auch der Erfolgreichste, und alle, die sich gegen ihn empören, weist er unweigerlich aus seinem Reich in eine Isolierung, in deren Gottesferne völlige Lieblosigkeit und ein 'Schutzlos-einander-ausgeliefert-sein' herrschen. Ich verfolge diesen Aspekt hier nicht weiter, weil ich ihn gegen Ende der Auslegung im Zusammenhang mit dem Feuersee eingehend behandele.

Hier möchte ich zunächst weiter von der Gottesliebe sprechen, für die Gott Hort und Ausgang ist. Wir müssen ein Verhalten und Handeln von ihm erwarten, das ausschließlich von Liebe bestimmt ist. Im Rahmen der Bibel wird aber auch von Rache und vom Zorn Gottes bzw. des Lammes gesprochen.[39] Die Antwort zu den sich dabei aufwerfenden Fragen liegt darin, daß sich diese Eigenschaften zwar als Möglichkeiten seiner Schöpfung erweisen aber nicht zu seinem Wesen gehören. Sie offenbaren sich wie auch Zeit als Folgen oder Gegenpole zu den verschiedenen Erscheinungen des Abfalls und der Selbstherrlichkeit gegenüber Gott. Wird der Abfall bzw. die Selbstherrlichkeit überwunden, so tritt unzweifelhaft allein die Liebe Gottes hervor.

Auch im Rahmen des Abfalls bleibt Gott der Liebende, und die Mittel seiner Regentschaft sind Angebot und Bitte. Macht und Einflußnahme auf der Basis von Gewalt oder Manipulation gehören keinesfalls zu Gottes Intentionen und Vorgehen sondern sind gegebenenfalls Projektionen des Menschen auf seine Person. Daß die damit verbundenen Vorstellungen außerhalb der Wahrheit liegen, offenbart sich spätestens am Ausbleiben der erwarteten Umstände. Die nachfolgende Frustreaktion drückt sich in etwa mit den Worten aus: 'Wenn es Gott gäbe, hätte er doch dies oder jenes tun oder verhindern müssen.' Gott greift aber nicht mit Machtmitteln in Verhältnisse oder Abläufe ein. Er enthält sich, auf diese Weise eine Person oder Gruppe zu bestimmten Handlungen oder Unterlassungen zu bewegen, weil sich damit Zwang verbindet, welcher mit seinem Wesen als Liebender unvereinbar ist.

Das Gesetz Gottes, das Mose mitgeteilt wird und zum Teil in den Zehn Geboten auch für uns Neutestamentler gewichtig ist, gewinnt seine Wirksamkeit ebenfalls nicht aus Machtausübungen Gottes sondern aus seiner Bedeutung: Seine Anwendung und Auswirkung in der Gesellschaft hilft den Menschen, in Wohlergehen und Sinnfälligkeit zu überleben. Deshalb verleihen die Menschen dem Gesetz Macht, die sie aus der Anwendung von Repressalien bei Fehlverhalten oder Verweigerung dem Gesetz gegenüber gewinnen. Dieses Vorgehen liegt jedoch nicht im Wirkungsbereich Gottes und seiner Liebe.

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Endnoten 21

[1] Leisenberg, (1) u. (2) a.a.O. Vorträge [←]

[2] Hes.28,15.17; Kol.1,16. [←]

[3] Hebr.1,13+14. [←]

[4] Dan.10,7-13.20+21. [←]

[5] Jud.1,6. [←]

[6] vergl. 2.Mo.23,29. [←]

[7] 1.Mo.1,26; 3,22. [←]

[8] Cang/Nelson, a.a.O. S. 49-51 [←]

[9] Jes.44,6. [←]

[10] 1.Mo.2,19; 17,1; 18,1ff; 2.Mo.3,1ff [←]

[11] Jes.6,3. [←]

[12] 1.Mo.3,1ff [←]

[13] 1.Mo.3,22-24. [←]

[14] 1.Mo.3,5. [←]

[15] 1.Mo.6,17ff; 11,5ff [←]

[16] 1.Mo.12,7; 13,14-17. [←]

[17] Offb.11,15-17. [←]

[18] 1.Mo.18.1+2. [←]

[19] 2.Mo.6,3; 5.Mo.30,20. [←]

[20] 2.Mo.33,18-23. [←]

[21] 4.Mo.11,25+26; Ri.6,34; 14,5+6; Sach.4,6. [←]

[22] 2.Mo.3,2ff [←]

[23] Jos.5,13ff [←]

[24] 1.Mo.32,23ff [←]

[25] 2.Mo.14,13ff [←]

[26] Sach.3,1ff [←]

[27] Hes.11,19. [←]

[28] 2.Kor.5,18. [←]

[29] 2.Kor.13,13. [←]

[30] Röm.8,19ff [←]

[31] Offb.12,7-10. [←]

[32] Offb.11,15ff [←]

[33] Offb.21,1. [←]

[34] Mat.5,16; Luk.3,21+22; Joh.14,26. [←]

[35] Joh.10,30; 14,16-18; Kol.1,19; 2,9; 1.Kor.2,10. [←]

[36] 1.Joh.4,8. 16; vergl. Rodrigues, a.a.O. S. 20ff [←]

[37] 2.Kor.4,7. [←]

[38] 1.Chr.29,10-13; Offb.4,8-11; 5,12-14. [←]

[39] Hebr.10,30; Mat.3,7; Röm.1,18; Offb.6,16. [←]

Satan

Satan ist in der frühen Zeit anhand der Schriften des Alten Testaments nicht klar erkennbar. Die Namen wechseln, sodaß wir die Person eher mit Hilfe eines Markers auffinden können, als daß wir sie mit der uns heute gewohnten Präzision anhand des Namens über den genannten Zeitraum erkennen könnten. Dieser Marker ist die Selbstherrlichkeit, eine Haltung, die wie bereits erläutert durch Handeln in Selbstüberhebung und Eigenmächtigkeit, aber auch in Übertretung der von Gott gesetzten Grenzen und Bemühung um Gleichstellung mit Gott gekennzeichnet ist. Wir können aber auch schon dann von Selbstherrlichkeit ausgehen, wenn wir es nur mit einem oder zweien der genannten Merkmale zu tun haben.

Dieser Marker führt uns vornehmlich zu zwei Bibelstellen, die allgemein als Beschreibung der Person und des Wesens von Satan akzeptiert werden: Aussagen der Propheten Jesaja[1] und Hesekiel[2]. Zunächst ist grundsätzlich festzuhalten, daß Satan ein geistiges Geschöpf Gottes ist. Von Hesekiel wird er mit dem Ausdruck ‚schirmender Kerub‘ als ein himmlisches Wesen beschrieben, das mit der Aufgabe zu schützen und zu bewahren betraut worden ist. Ihm wird umfangreiches Handeln nachgesagt, das Hesekiel in den merkantilen Bereich weist, was jedoch für den geistigen gleicherweise gelten muß. Das kennzeichnet ihn wie oben schon angesprochen als eines jener Wesen in der Schöpfung, die von Gott einen Bereich zugewiesen erhalten, in welchem sie nach eigenem Ermessen und eigenen Entscheidungen vorgehen dürfen.

So lange solche Wesen die Grenzen ihres Bereiches hinsichtlich des Raumes, der zugewiesenen Aufgaben und der Loyalität gegenüber ihrem Schöpfer nicht überschreiten, bleiben sie in Gottes Willen. Gott hat sie mit genau den Anlagen und Möglichkeiten geschaffen, um diesen Bereich für ihn zu bearbeiten, zu verwalten. Gehen sie jedoch mit ihrem Handeln über die vorgegebenen Grenzen hinaus, so kreieren sie Neues außerhalb der Schöpfung Gottes, was zwar möglich ist aber nur bestehen kann, wenn ein Umstand auf seiten Gottes ein Gegengewicht dazu bildet. Satan hat seine Grenzen überschritten, weil er sich aufgrund der Überbewertung seiner außerordentlichen Schönheit und seiner überragenden Weisheit den klaren Blick auf die Wahrheit verstellte. Gott bildete daraufhin als ergänzenden Umstand die Zeit, um seine Ordnung wiederherzustellen. Satans Hochmut, über Gottes Sterne hinaus zu streben, und seine Überheblichkeit, sich um Gleichheit mit Gott zu bemühen, wovon insbesondere Jesaja berichtet, rufen als Ergänzung das hervor, was wir den Zorn Gottes nennen.

Seine Stellung können wir an seinem Attribut 'Sohn der Morgenröte' dahingehend abschätzen, daß er als eines der frühesten und auch als eines der bedeutsamsten Geschöpfe Gottes anzusehen ist. Er soll als Beschirmer und Bewahrer einen großen Bereich verwalten. Das Neue Testament bezeichnet ihn als Fürst dieser Welt, soweit es um die Aussage Jesu geht,[3] und als Gott der Welt, wenn wir uns an der Aussage von Paulus orientieren.[4] Paulus spricht auch von zahlreichen, hierarchisch gegliederten Autoritäten und Helfern, die seiner Herrschaft unterstehen.[5] Die Offenbarung legt den Schluß nahe, ihm ein Drittel von Gottes geschaffenen Engeln als Gefolge zuzuschreiben.[6] Somit wird Satan als ein sehr hoch stehender Engel, wohl als Erzengel - wenn auch gefallen - anzusehen sein. In seiner Affinität zum Licht, was einerseits aus der Charakterisierung 'Sohn der Morgenröte' und weiterhin aus der Bezeichnung 'Morgenstern' abgelesen werden kann, muß er als geistiger Träger und als verwaltender Herrscher für den Bereich der Welt angesehen werden, worin Materielles als das vom Licht beschienene und gleicherweise Geistiges als das seiner Natur entsprechende umschlossen ist. Die Geschichte der Versuchung Jesu berichtet, daß Satan für sich in Anspruch nimmt, ihm sei Macht und Verfügung über alle Bereiche der Welt gegeben, ohne damit Jesu Widerspruch in dieser Hinsicht hervorzurufen.[7]

Die Frage der Überhebung und Empörung sowie die daraus folgende Entzweiung mit Gott ist mit manchem Gedanken verbunden, denn zunächst ist sein Verhalten als untadelig erfunden worden. Warum hat er in Überschätzung seiner außerordentlichen Befähigung wie auch Ausstattung von Gott seine Nüchternheit und Fähigkeit zur Bescheidung fahren lassen? Diese Frage werden wir nicht beantworten aber feststellen können, daß Gott in seiner Liebe ihn gewähren läßt. Doch arbeitet Gott daran, sein Reich von den Folgen zu befreien, die aus der Entscheidung Satans resultieren. Wir erhalten bereits im Alten Testament einen Hinweis auf die entscheidende Gegenbewegung Gottes in seinem Verhältnis zu Satan in der Bewahrung des Hohepriesters Josua:[8] Während Satan eine Gerechtigkeit aufrecht erhalten will, die sich aus der Erfüllung des Gesetzes herleitet, will Gott Barmherzigkeit walten lassen, wie sie aus seiner Liebe folgt. Satan ist als der schirmende Kerub geschaffen und eingesetzt, was sich zunächst auf die Verhältnisse im Rahmen von Tabu und Sitte bezog, und schließlich auf die als Gesetz festgeschriebenen Vorschriften überging.[9] Das Bemühen Gottes geht jedoch dahin, auf eine Gerechtigkeit im irdischen Bereich überzuleiten, die in keiner Weise von der Übereinstimmung mit vorgesetzten Richtlinien abhängt sondern allein davon, einzig und vollkommen vom Willen Gottes im Geist durchdrungen zu sein, was auch die Erfüllung des Gesetzes einschließt.[10] Das will Satan nicht teilen, denn damit läßt Gott das Wesen des Evangeliums durchscheinen und entmachtet Satan. Jener erkennt das sicherlich und stellt sich dem Trend zu dieser 'neuartigen Gerechtigkeit' entschieden entgegen.

Es scheinen jedoch Unstimmigkeiten hinsichtlich der zeitlichen Aufeinanderfolgen auf. Denn die Verführung des Menschen kurz nach seiner Erschaffung setzt bereits eine tiefe Entzweiung zwischen Gott und Satan voraus,[11] während in der Schrift eine allmähliche Entwicklung zu dieser Entzweiung festzustellen ist. Satans Auftritt im Rahmen der 'Gottessöhne' vor Gott, von dem das Buch Hiob als eine der ältesten Schriften der Bibel berichtet, ist eher als das aufmüpfige Verhalten eines Halbstarken zu sehen, der sich einer Erziehungsmaßnahme zu entziehen sucht.[12] Bei David erweist er sich bereits als Widersacher zum Volk Gottes und der Verführer, der David zur Volkszählung reizt.[13] Allerdings schwankt hier die Einschätzung Satans noch, denn parallel berichtet das zweite Buch Samuel von Gott als Veranlasser der Versuchung.[14] Erst in späterer Zeit nach dem Exil der Juden erfolgt die Auseinandersetzung mit dem Engel Gottes um den Hohepriester Josua mit der Wehr gegen Gottes Barmherzigkeit, und der endgültige Bruch offenbart sich in neutestamentlicher Zeit: Satan sucht Jesus, den Sohn Gottes, zu verführen und die Gemeinschaft der Dreieinigkeit zu zerstören;[15] Jesus bezeichnet Satan als einen Lügner von Anfang.[16] - Wir stehen jedoch bei den hier dargestellten Umständen als irdische Wesen vor denselben Schwierigkeiten, die Gegebenheiten im Jenseits mit unseren Möglichkeiten wahrhaftig einzuschätzen, wie wir sie schon oben angesichts des Wesens der Dreieinigkeit hatten. So müssen wir diese von der Logik entstandenen Fragestellungen außer Acht lassen und die Darstellung der Schrift in ihrer Vielfalt wie Vielschichtigkeit als Wahrheit annehmen.

In der Zeit des neuen Testamentes erhalten wir dann ein klares Bild, eindeutige Namen und zusammenhängende Abläufe, welche insbesondere den seit Alters prophezeiten aber damals nicht realisierten Sturz und die Isolierung des Widersachers beschreiben. Neutestamentlich sind wir in Satan mit dem unversöhnlichen Gegner Gottes konfrontiert, der einen ausgedehnten Bereich, die Welt, als seinen Herrschaftsbereich gegenüber Gott verteidigt. Er verliert jedoch in der Hierarchie der Schöpfung Gottes aufgrund von Gottes Wirken eine Position nach der anderen und damit an Autorität und an Einfluß vor Gott: Kann er in Zeiten des Alten Testamentes noch dem Engel Gottes entgegentreten, so ist ihm dieser Bereich nach Jesu Heilswirken auf der Erde verwehrt. Im Thronraum Gottes ist er nicht mehr zu finden,[17] sein Herrschaftsbereich ist auf den himmlischen Bereich der Luft begrenzt,[18] wenngleich er mit seiner Stimme als Verkläger der Christen noch vor Gott dringen kann.[19] Durch Glauben und Verhalten der zwei Zeugen Jesu verliert er auch diese Position und wird auf die Erde geworfen.[20] Sein Wirken hier gipfelt in einem erdumspannenden Krieg, was er als sein Versagen eingestehen muß und daraufhin auf 1000 Jahre gebunden wird.[21] Als er nach dieser Zeit der Bindung wieder die Freiheit erhält und in seine bisherige Position eingesetzt wird, zettelt er abermals einen totalen Krieg an, diesmal mit eindeutiger Stoßrichtung auf die Kinder Gottes auf der Erde. Ihnen kommt jedoch Gott zur Hilfe und verweist Satan abschließend wie endgültig in die Schranken, was für ihn und die mit ihm Verbundenen die Isolierung im so genannten Feuersee bedeutet.[22] Mit dieser Ausgrenzung Satans und seines Gefolges vor Gott entfällt auch das geistige Fundament und die Sachwaltung, welche Satan samt seinen Engeln für die Welt darstellt und leistet, worauf diese ihre heutige Erscheinung vor Gott verliert, und Gott einen Neuen Himmel und eine Neue Erde schafft.[23]

Liebt Gott Satan trotz allem? Sie mögen diese Frage als provokant oder unzulässig ansehen. Doch die Frage ist von großer Wichtigkeit, weil ihre Klärung die ungewöhnliche Eigenart der Gottesliebe aufzeigt und die natürliche Einschätzung von Liebe vom biblischen Glauben scheidet.[24] Jesus sagt, wir sollten unsere Feinde lieben[25] und die andere Wange hinhalten, wenn die eine von einem Schlag getroffen wurde. Wir sollen dem Bösen nicht mit Gewalt entgegentreten,[26] und auch nicht richten.[27] Jesus sagt das nicht von sich aus. Auch als Mensch bleibt Jesus Teil der Dreieinigkeit Gottes. "Ich und der Vater sind eins", betont Jesus.[28] - Hier offenbart sich zudem die Befähigung Jesu, als Mensch das Wesen der Welt überwinden zu können und die Erlösung der Menschen einzuleiten. Analog gesehen gründet sich hierin auch die Fähigkeit der wiedergeborenen Christen, das Wesen der Welt zu überwinden, nämlich in der völligen Hingabe an das Wesen Gottes im Heiligen Geist.[29] Doch zurück zum eigentlichen Thema: So kann auch Jesus behaupten: "Ich kann nichts von mir aus tun. So wie ich höre, richte ich, und mein Gericht ist gerecht, denn ich suche nicht meinen Willen sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat."[30] Jesus leitet seine Aussagen vom Wesen des Vaters ab. Gott Vater liebt seine Feinde, wehrt sich nicht mit gleichen Mitteln gegen das Böse und richtet nicht, d. h. er verurteilt nicht sondern beurteilt. An keiner Stelle ist in der Bibel vermerkt, es gäbe Ausnahmen für die Gottesliebe. Vielmehr betont Jakobus, daß aus derselben Quelle nicht zweierlei Sorten Wassers fließen können.[31]

Obwohl Gott unablässig auf die Isolierung Satans hinwirkt - was im Hinblick auf den Unfrieden, den Satan in Gottes Schöpfung bewirkt, ohne Frage zurecht geschieht -, liebt er Satan und bemüht sich um seine Umkehr: "Und alle zu erleuchten, welches die Verwaltung des Geheimnisses sei, das von den Zeitaltern her verborgen war in Gott, der alle Dinge geschaffen hat; auf dass jetzt den Fürstentümern und den Gewalten in den himmlischen Örtern durch die Versammlung kundgetan werde die gar mannigfaltige Weisheit Gottes, nach dem ewigen Vorsatz, den er gefasst hat in Christo Jesu, unserem Herrn."[32] Die Versammlung, also die Gemeinde, soll den Bewohnern der unsichtbaren Welt, die Gott vielleicht nicht mehr hören oder verstehen können, praktisch vorführen, welch ein Leben in Frieden und Vielfalt die Weisheit Gottes hervorzubringen vermag, wenn sie im Verein mit der Liebe Gottes zur Auswirkung kommt. Auf diese Weise stellt die Gemeinde die Wahrheit der Erlösung Jesu allen verständlich dar und wirbt als Botschafterin Gottes[33] auch bei Satan, dem Herrscher über die Fürstentümer und Gewalten in den himmlischen Örtern, für die Umkehr in das Reich Gottes durch erneute Hingabe an Gott. Eine solche Werbung um Satan ist nur verständlich, wenn Gott auch Satan liebt - allerdings mit der ihm eigenen Gottesliebe.[34]

Wichtig erscheint mir noch die Abschätzung, wann Satan in Rebellion gefallen ist. Es läßt sich sicherlich kein Zeitpunkt dafür ermitteln, denn mit Satans Verfehlung setzt überhaupt erst Zeit ein. Aber eine Klärung ist dahingehend möglich, ob die Verfehlung Satans vor oder nach Grundlegung der Welt stattfand. Hilfreich für diese Klärung ist das Verhalten und Wirken des Menschen. Denn wir wissen bereits vom Menschen, obwohl wir uns noch nicht im Einzelnen mit Wesen und Geschichte des Menschen befaßt haben, um seine schicksalhafte Bedeutung für Satan und dessen Position vor Gott.

Der Mensch könnte aber nicht handeln und wirken, wenn er nicht in einer dienlichen Umwelt leben würde. Gott hat also die Schöpfung auf den Menschen hin entwickelt, was auch heutige Wissenschaftler sagen. Sie vertreten mit Argumenten aus der Physik die Ansicht, unsere Umwelt sei in ihrer Entstehung und letztendlichen Ausgestaltung auf den Menschen ausgerichtet.[35] So muß davon ausgegangen werden, daß Satan bereits vor Grundlegung der Welt in Rebellion gefallen ist, und Gott die Schöpfung in der vorliegenden Form gestaltete, um ihn überwinden zu können.

Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, daß Gott Satan trotz seiner Verfehlung zum Herrschenden über die Schöpfung einsetzte. Ohne diese Maßnahme hätte es keine Verschränkung des Schicksals von Satan mit dem des Menschen gegeben. Aufgrund dieser Tatsache jedoch hat Gott - vermutlich als einziger - die Möglichkeit, Satan als einem der wohl höchsten Engelsfürsten erfolgreich entgegenzutreten. Denn somit konnte er in Jesus ein Mensch werden und das Evangeliums innerhalb des Herrschaftsbereiches von Satan einführen.[36] Das hat jene Auswirkungen, die zur Isolierung von Satan führen, wie es uns die Offenbarung des Johannes noch schildern wird.

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Endnoten 22

[1] Jes.14,11-15. [←]

[2] Hes.28,12-19. [←]

[3] Joh.14,30. [←]

[4] 2.Kor.4,4. [←]

[5] Eph.6,12; vergl. Luk.4,5+6; 11,18. [←]

[6] Offb.12,3+4. [←]

[7] Mat.4,8-10. [←]

[8] Sach.3,1-5. [←]

[9] vergl. Apg.7,53; Gal.3,19+20. [←]

[10] Röm 13,10. [←]

[11] 1.Mo.3,1ff [←]

[12] Hiob1,6-12;2,1-7. [←]

[13] 1.Chr.21,1. [←]

[14] 2.Sam.24,1-4. [←]

[15] Mat.4,9. [←]

[16] Joh.8,44. [←]

[17] Offb.4,2ff [←]

[18] Eph.1,20-2,3; 6,12. [←]

[19] Offb.12,10. [←]

[20] Offb.12,9-11. [←]

[21] Offb.20,1-3. [←]

[22] Offb.20,10. [←]

[23] Offb.21,1. [←]

[24] 1.Joh.4,8. [←]

[25] Mat.5,44. [←]

[26] Mat.5,39. [←]

[27] Luk.6,37. [←]

[28] Joh.10,30. [←]

[29] Gal.5,25. [←]

[30] Joh.5,30. [←]

[31] Jak.3,11+12. [←]

[32] Eph.3,9-11. [←]

[33] 2.Kor.5,20. [←]

[34] Luk.15,18-24; Röm.5,8; Joh.3,16; 1.Joh.4,8-10. [←]

[35] Schimmel, a.a.O. Vortrag; Anderl, a.a.O. S. 242ff [←]

[36] Mat.10,16; Joh.16,33. [←]

Die Menschen

Jesus und die Menschen

Der heute lebende Mensch ist von einem Vorgang geprägt, den die Bibel am Anfang schildert: Die Schlange, deren Auftritt wir aufgrund des obigen Markers an ihren Worten als eine Aktion von Satan erkennen, empfiehlt dem Menschen die Frucht vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Gott hatte dem Menschen unter Hinweis auf die Gefahr für sein Leben verboten, die Frucht dieses Baumes zu essen. Die Schlange jedoch pries ihnen die Frucht mit dem Hinweis an, sie würden nach ihrem Genuß wie Gott sein und selbst über 'Gut und Böse' entscheiden, nicht aber daran sterben. Die Menschen aßen daraufhin diese Frucht und erfuhren eine Wandlung in die Verfassung, welche die Schlange angekündigt hatte, ohne eines natürlichen Todes zu sterben.[1]

Die Menschen mußten als Folge jedoch die Zerrüttung ihrer Beziehung mit Gott feststellen und ein Verhalten bemerken, sich wie Gott als den Souverän zu sehen.[2] Letzteres führt für Menschen in Gemeinschaft dazu, daß jeder auf weitere Menschen mit derselben Veranlagung trifft. Folglich entsteht ein Spannungsverhältnis unter ihnen, in welchem jeder seine Souveränität durchsetzen will. Der andere wird als Konkurrent und Feind eingestuft, was jeder in Selbstherrlichkeit festlegt, weil er selbst bestimmen kann, was er für gut oder böse ansieht. In letzter Konsequenz ist eine Gesellschaft, in der die Mitglieder in jeder Hinsicht miteinander konkurrieren, nicht zukunftsfähig. Andererseits ist der Mensch nicht in der Lage, diese Grundhaltung abzuweisen. Er braucht Hilfe von außen, die ihn aus dieser Zwangslage befreit. Das hat Gott durch seinen Sohn Jesus zustande gebracht.[3]

Somit gibt es heute keinen Menschen ohne Jesus. Ich meine damit zunächst: Jeder Mensch ist heute von der Erlösung durch Jesus betroffen - gleich ob er sie anerkennt und unter Hingabe an Jesus annimmt, ob er sie ablehnt oder sich ihr gegenüber indifferent verhält. Denn Jesus hat die Unzugänglichkeit Gottes, die wegen des Sündenfalles alle Menschen betraf, für alle beseitigt,[4] weil Gott sich selbst in Jesu Heilstat mit den Menschen versöhnt hat.[5] Der Weg zu Gott ist aufgrund der Tilgung unserer Schuld durch Jesu Kreuzestod für jeden von uns wieder offen.[6] Er führt aber ausschließlich über Jesus, weshalb der Vater seinen Namen über alle Namen erhoben hat.[7] Ihm sei auch hier alle Ehre und Lobpreis.

Der Hinweis, es gibt keinen Menschen ohne Jesus, stimmt aber auch für jene, die den Entwicklungsweg des Menschen in seiner unerlösten Verfassung bis zur vollen Ausprägung seines natürlichen Wesens gegangen und in Gesellschaft nicht zukunftsfähig sind, wie das oben bereits angesprochen und begründet wurde. Die gesamte Menschheit würde sich bei fehlender Hingabe an Jesus selbst zerstören. Diese zerstörerische Veranlagung der Menschheit konnte sich jedoch anfangs ihres Schicksalsweges nicht auswirken, weil Gott sie zunächst in der Bindung von Familie und Clan leben ließ. Erst nach weiterer Entwicklung tritt der Mensch aus dieser Bindung heraus. Er gelangt in eine persönliche Eigenständigkeit, die zunehmend von Bevormundung und Bindung befreit ist. Damit käme auch seine Souveränität zusammen mit ihren Ansprüchen und deren negativen Auswirkungen zur vollen Geltung.

Doch bei diesem Übergang in die persönliche Eigenständigkeit hat Gott für den Menschen ebenfalls eine Sicherung des Fortbestandes seiner Gesellschaft bereit: Er stellt ihn unter die Aufsicht des Gesetzes, das einen Teil seiner Souveränität bindet und ihn teilweise zur Rücksichtnahme und zur Zusammenarbeit mit anderen bewegt. Das Gesetz hat solange Erfolg, bis eine arge Knappheit an Ressourcen und eine große psychische Belastung zusammentreffen, weil dann die Spannungen in der Konkurrenz das Bindungsvermögen vom Gesetz übersteigen. An irgendeiner Stelle bricht ein offener Konflikt aus, der sich anschließend wie ein Lauffeuer ausbreitet und der Menschheit die Existenz raubt.[8]

Wenn Gott, wie anfänglich beabsichtigt, eine Menschheit nach seinem Bilde schafft,[9] hätte das eine solche Gefährdung der Menschheit vermieden. In ihr begegnete jedes Mitglied dem anderen in Liebe und Zuwendung, sodaß die Menschen in liebevoller Solidarität zukunftsfähig miteinander leben würden. Doch es ist anders gekommen. Gott hat einen einzelnen Menschen geschaffen, aus dessen Substanz er einen Teil herausgenommen und daraus einen zweiten kreiert hat: Adam und Eva.[10] Jeder von ihnen ist Individualist und begegnet dem anderen nur in geringer Solidarität und Liebe. Wir erkennen das an Eva während der Verführung durch die Schlange. Sie hat ihre Entscheidung ohne Rücksprache mit Adam getroffen, obwohl er daneben stand.[11]

Der Anlaß für Gott, eine Änderung seiner Schöpfungsabsicht vorzunehmen, wird allerdings von außen an ihn herangetreten sein. Denn der Bereich, in den er diese Menschen setzen wollte, ist der Herrschaftsbereich Satans. Die Exklusivität des Gartens Eden ist lediglich eine beschränkte, weil Satan - hier in Gestalt einer Schlange - unbegrenzten Zutritt hat.[12] Und er wird es gewesen sein, der bei Gott ob dessen erster Schöpfungsabsicht intervenierte. Denn eine Menschheit, in der die Mitglieder in liebevoller Solidarität leben, wäre bedrohlich für ihn gewesen: Entweder hätten diese Menschen ihn dazu bewegt, über kurz oder lang sein rebellierendes Wesen abzulegen und sich Gott wieder zu unterstellen. Oder sie hätten ihn ob ihrer Vorzüglichkeit, bedingt durch ihre enge Gemeinschaft mit Gott, aus seiner Position verdrängt. Mit der Schaffung von Adam und Eva war Satan jedoch einverstanden, weil sie als Individualisten eine wesentlich höhere Neigung zur Souveränität hatten als zu einer liebevollen Solidarität.

Anders gesagt: Adam und Eva haben als Individualisten nur ein geringes Interesse am Baum des Lebens,[13] dessen Frucht bei ihnen die Wirkung haben würde, eine immer tiefere Lebens‑ und Liebesgemeinschaft mit Gott und untereinander einzugehen. Der Sinn steht ihnen eher nach jener bei Lebensgefahr verbotenen Frucht des anderen hervorgehobenen Baumes im Paradies, nach deren Genuß sie in die Lage kämen, wie Gott zu sein und selbst über Gut und Böse entscheiden zu können. Mit der Empfehlung der Schlange, die Frucht gefahrlos essen zu können, wird aus dieser Neigung eine Tat. Dabei einem Betrug der Schlange aufzusitzen,[14] können sie im Rahmen ihrer Kenntnisse und Erfahrungen nicht erkennen. Zudem müssen sie die vordergründige Korrektheit der Aussage der Schlange feststellen, weil sie nach dem Verzehr der Frucht nicht sofort tot umfallen sondern weiterleben. Sie bemerken auch eine Wandlung in ihrem Wesen, denn sie erfahren sich als nackt. Daß diese Blöße vom Verlust des 'göttlichen Kleides' kommt und auf ihren geistigen Tod deutet, erkennen sie jedoch erst in der Begegnung mit Gott: Es ist ihnen keine vertraute Gemeinschaft mehr mit ihm möglich.[15]

Adam und Eva sind wegen ihrer Unwissenheit zwar unschuldig in diese Lage geraten, haben sich aber mit dem Griff nach der verbotenen Frucht einer Bereichsübertretung vor Gott schuldig gemacht, und Gott hat sie zu Recht aus dem Paradies und seiner Gegenwart verwiesen. Ein weiterer und gleichwohl gewichtiger Beweggrund Gottes für ihre Ausweisung liegt in ihrer Wandlung, denn es kann in seinem Reich nur einen Souverän geben: Gott selbst, der allein 'Gut und Böse' bestimmt.

Ihre Einordnung erfolgt anschließend in den Herrschaftsbereich Satans, weil er als Engelsfürst mächtiger ist als sie. Außerdem stimmen sie mit der dort herrschenden Wesensart überein: Zum einen gehören sie jenen Geschöpfen an, die eigene Entscheidungen treffen, wie es auch Satan zu eigen ist. Zum anderen erweisen sie sich als solche, die mit dem Wunsch, selbst wie Gott zu sein, Gott nicht mehr als ihren Gott erkennen und seine väterliche Autorität und Leitung gleich wie Satan abweisen. Damit beginnt für sie und ihre Nachkommen unumkehrbar ein neuer Lebensweg fern von Gott auf einem verfluchten Acker in Konkurrenz zum Nächsten unter der lieblosen Autorität Satans.

An dieser Stelle der Betrachtung kommt der Mitmensch im allgemeinen mit der Frage: 'Warum hat Gott eine solche Entwicklung zugelassen oder gar mitgestaltet?' Und die für ihn höchst erstaunliche Antwort lautet: 'Aus Liebe!' Zur Erläuterung das Folgende: Gott liebt seine Geschöpfe, weil er die Liebe existentiell verkörpert.[16] In dieser Liebe kann er sich weder ihren Entscheidungen in den Weg stellen noch ihre Argumente und Forderungen übergehen. So läßt er Eva freie Hand, von der verbotenen Frucht zu essen und an Adam zum Verzehr weiterzugeben. Und er verschließt sich auch nicht den Argumenten und Forderungen Satans, lediglich solche Geschöpfe in seinem Verwaltungsbereich zu schaffen, in denen Satan keine Gefahr für seine Position sieht.

Nichtsdestoweniger ist Satan bei diesem Vorgang der Größe und Weisheit Gottes unterlegen. Jener Mensch, dessen Schaffung Satan in seinem Bereich zuläßt, wird trotz seiner Beschränkung und der mit ihm einhergehenden Selbstgefährdung zu dem Medium, mit dem Gott die Isolierung Satans erreicht. Und auch dieser Vorgang wird ohne lieblose Forderungen Gottes an die Menschen, ohne Befehl und Zwang von seiner Seite geschehen, weil er selbst in Jesus Mensch wird, um die entscheidende Auseinandersetzung mit Satan unter eigenem Einsatz durchzuführen und die Unumkehrbarkeit der Übernahme des Menschen durch Satan aufzuheben. Wenn der Mensch in der folgenden Zeit wesentlich zur Isolierung Satans beiträgt, so wird nicht er die dazu erforderliche Leistung aufbringen sondern Gottes Geist, so er im Menschen wohnen darf. Der Mensch muß lediglich seine der Sache dienliche Entscheidung beitragen. Die spätere Auslegung der Offenbarung belegt diese Aussagen mit Beispielen.

Wir befinden uns in unserer Betrachtung jedoch noch am Beginn des Schicksalsweges der Menschheit, an welchem Gott bereits offenbart, einen Plan für eine Errettung der Menschen zu haben,[17] womit die oben angeführte Unumkehrbarkeit des menschheitlichen Lebensweges unter Satans Autorität nur für den Menschen gilt nicht aber für Gott, wie ich es eben ausgeführt habe. Ich knüpfe an dieser Stelle an, um im Folgenden den Entwicklungsweg der Menschen zu skizzieren, wie ihn die Bibel schildert: Sie berichtet anfangs von der gesamten Menschheit und geht alsbald zum geschichtlichen Weg eines einzelnen Volkes über, auf dessen Verlauf und Höhepunkt das Auftreten Gottes als Mensch in Jesus Christus steht.

So begleitet und bewacht Gott in der ihm eigenen Liebe den Verlauf des geschichtlichen Weges der Menschen, ohne in seiner Liebe von ihrer sündigen Natur und Schuld beeinflußt zu sein. Und er greift zunächst ein, um Exzesse in der Entwicklung der Menschheit dahingehend zu verhindern, daß sie in eine Unzugänglichkeit für Gott geriete. Denn er will letztlich in einem Menschen Wohnung nehmen können. Somit müssen wir den Urheber und Betreiber von menschheitlichen Exzessen dieser Art in Satan erkennen. Aber Gott ist der Weisere und verhindert als erstes die emotionale Verirrung der Menschheit, indem er sie durch die Sintflut bis auf eine Familie mit Noah als ihrem Vorstand hinwegrafft.[18] Die nächste Gefahr für die Menschheit, auf eine Unzugänglichkeit für Gott hinzusteuern, ist ihre kollektive Anstrengung zur Selbstüberhebung, die sich im Turmbau zu Babel ausdrückt. Gott nimmt ihr jedoch durch die Sprachverwirrung die Schubkraft.[19] Mit diesen beiden Maßnahmen hat er erreicht, bei der Menschheit keine weiteren Entwicklungen in exzessives Verhalten in dieser Hinsicht befürchten zu müssen.

Damit gewinnt Gott die Freiheit, sich der Heranbildung eines Volkes als des Seinen widmen zu können, das ihm später die menschliche Grundlage für sein Erdenleben in Jesus bieten wird. Nachdem er Abram, den späteren Abraham, zum Erzvaters dieses Volkes auserwählt hat,[20] braucht es eine Zeit der familiären Entwicklung von Abraham über Isaak zu Jakob, bis aufgrund zahlreicher Nachkommen Jakobs die berechtigte Hoffnung auf das Entstehen eines Volkes aus dieser Familienlinie gegeben ist.[21]

Diese Erweiterung von Großfamilie zum Volk hat allerdings zur Folge, daß dessen Mitglieder aus der kollektiven Bindung von Familie und Clan heraustreten und sich zu selbstständigen Individuen entwickeln. Damit wären sie in verstärktem Maße ihrer menschlichen Eigengefährdung ausgeliefert, weshalb Gott das Volk zunächst in Sklavenposition unter der Aufsicht der Ägypter heranwachsen läßt. Erst als es zu einer Größe gedeiht, in der es sich unter Gottes Obhut erhalten und verteidigen kann, führt er es aus der ägyptischen Fron in die Freiheit und in das 'gelobte Land' als seine Heimat.[22] Am Anfang dieses Weges gibt er dem Volk das Gesetz, das ihm den Erhalt der menschlichen Gesellschaft und der Verbundenheit mit Gott in einem differenzierten Kult ermöglicht.[23]

Gott offenbart sich den Erzvätern seines Volkes und wird deshalb in dessen Glauben als der Gott Abrahams, Isaaks und Jakob benannt.[24] Alle Menschen, die durch Jesus in der Glaubenslinie seines Volkes stehen, glauben an Gott als diesen Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, den Gott Israels, der laut der Überlieferung dieses Volkes der Schöpfergott und der souveräne Herrscher wie auch Erhalter seiner Schöpfung ist.[25] Er offenbart sich schließlich mit dem irdischen Wirken Jesu als der dreieinige Gott, wie er in der christlichen Tradition gesehen wird.

Das Wesen seines Volkes ist das Erbe des Wesens der Erzväter. Unter diesen ist Jakob herausgehoben, weil Gott ihn in einen Kampf hineinzieht, in dessen Verlauf er ihm den neuen Namen Israel gibt, dessen Bedeutung Gott mit den Worten erläutert: "Du hast mit Gott und Menschen gekämpft und obsiegt."[26] Diese Charakterisierung ist wahrlich kein Kompliment, besagt sie doch: Jakob hat seine Eigenständigkeit gegenüber Gott und Mitmenschen durchgesetzt. Das bedeutet, daß er seine Souveränität vollständig ausgeprägt hat. Doch will Gott diesen Charakter Israels, denn er segnet ihn darin.[27] Wenn Paulus später erläutert, Gott hat seinen Sohn gesandt, als die Zeit vollendet war,[28] so wird diese Vollendung in der Zeit nicht eine Vollendung des Guten bedeutet haben. Dann hätte Jesus um der Erlösung willen nicht zu kommen brauchen. Diese Vollendung ist vielmehr die Vollendung des Erbes Israels. Und Jesus erhält in dieser Vollendung des Wesens des natürlichen Menschen die Gelegenheit, die darin enthaltene Souveränität und Selbstherrlichkeit des Menschen umfassend wie vollständig überwinden zu können.[29]

Wenn Gott in Jesus Mensch werden wollte, so wird er auch hier in seiner aus der Liebe geborenen Achtung Satan um sein Einverständnis ersucht haben, denn seine Menschwerdung geschieht im Herrschaftsbereich Satans. Dieser Vorgang ist nicht in der Bibel verzeichnet und somit meine eigene Vorstellung. Ich lege sie Ihnen aber als weitere Gelegenheit vor, um abermals auf die Eigenart der Gottesliebe hinzuweisen. Denn wir dürfen auch an dieser Stelle keinesfalls unseren Stolz auf Gott übertragen und diesen Gedanken, Gott habe bei Satan um Zustimmung nachgefragt, nicht mit Kopfschütteln kommentieren. "Gott ist nicht Mensch, dass er lüge."[30] Er ändert sein von Liebe geprägtes Verhalten auch Satan gegenüber nicht. Diese Andersartigkeit der Gottesliebe weist aber auch auf die Verantwortung des Menschen für den Fortgang der Erlösung, wie die Offenbarung des Johannes sie uns schildert. Denn nur dem Wesen Gottes völlig hingegebene Menschen bieten Gott aufgrund ihres Willens Gelegenheit, die Verhältnisse auf der Erde zu ändern. Gott bricht nicht wie ein 'Deus ex machina'[31] in Satans Bereich ein, um die Situation durch Einsatz 'seiner Allmacht' nach seinen Vorstellungen zu verändern.

Satan wird seine Zustimmung in dem Wahn gegeben haben - und auch diese Aussage ist eine Annahme von mir, die nicht in der Bibel verzeichnet ist -, die außerordentliche Gelegenheit geboten zu bekommen, die Dreieinigkeit aufbrechen zu können. Er ist als Geschöpf jedoch zu beschränkt, um den Ewigkeitscharakter der Gottesliebe wahrhaftig einschätzen zu können. Sie ist unerschütterlich, unüberwindbar, unerschöpflich, weshalb Jesus unbeeinflußt von allen Gegenmaßnahmen Satans seine Liebesstellung im dreieinigen Gott bewahrt hat: Er ist trotz der Eitelkeit, die seit seiner Menschwerdung auf ihn einwirkte, nicht der Verführung Satans zu höchster Macht und unantastbarem Ansehen und Glanz in der Welt gefolgt.[32] Er hat sich auch trotz des menschlichen Stolzes in ihm nicht dazu verleiten lassen, Gott zu versuchen.[33] Noch hat er sich unter der ungeheuren Ungerechtigkeit und Marter in seinen letzten Lebenstagen dazu hinreißen lassen, gegen alle Menschenverachtung unter Pochen auf Gerechtigkeit und Menschenrecht aufzubegehren und in seiner göttlichen Allmacht in seinem natürlichen Interesse zu handeln.[34]

Jesus hat unerschütterlich im natürlichen Menschen das Wesen der Gottesliebe in der geistigen Gemeinschaft des dreieinigen Gottes bis in den menschlichen Tod bewahrt. Er hat somit die

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Dieter Schian 2014-2018
Bildmaterialien: Dieter Schian 2014-2018
Cover: Vision C, Kerstin & Karl-Gerd Striepecke, mit einem Bild von Fotolia
Tag der Veröffentlichung: 27.10.2018
ISBN: 978-3-7438-8470-0

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