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1. Die Schneeinseln

Wenn sich Wind und Schatten im Kampf begegnen, zieht der Schatten meist den Kürzeren. Vereinen sie ihre Kräfte jedoch, entsteht etwas ganz Neues. Etwas sehr gefährliches, womit man es nicht gerne zu tun haben möchte. Der Blitz. Hell, gefährlich, tödlich. Gelehrte würden sich fragen, wie aus Wind und Schatten ein Blitz entstehen konnte, doch das passierte keineswegs als Naturschauspiel, sondern im Kampf zwischen Drachen und Wölfen. Auch Wasserdrachen waren daran beteiligt und überschwemmten mit ihrer gewaltigen Macht einen ganzen Teil von Reako und Waldegro. Dieser lag noch immer unter dem Meer, wie die Leute in den Dörfern munkelten. Andere sind überzeugt davon, dass ein gemeinsamer Teil beider Länder abbrach und weit auf das offene Meer hinaus trieb. Die Wahrheit wusste bis heute keiner. Nur das eine wussten sie...Es war beinahe unmöglich mit dem Schiff dorthin zu fahren, ohne von riesigen Wellen überschwemmt zu werden. Das einzige Lebenszeichen von überhaupt einem Überlebenden zeigte die selbsternannte Königin der Schneeinseln erst nach einigen Jahren in einem Brief an Darlins Prinz Anron. Dieser glaubte bis zu seiner letzten Lebenssekunde daran, dass er Unterstützung in einem Kampf gegen die umliegenden Länder von Darlin bekam, die angeblich Mitschuld an dem Sturz seines Landes trugen. Das taten sie nicht, aber er glaubte es trotzdem.

Was passierte also mit der Insel weit, weit weg von jeglichem Leben und Trubel? Nun, sie gefror zu Eis. Während die Länder Reako und Waldegro überflutet wurden, traf aus einem, der Überlebenden nicht erklärlichen Grund ein Blitz in der Nähe der Grauwälder ein und ließ einen der Wasserdrachen auf dem geteilten Stück Land landen. Nichts Besonderes, dachten einige erst, aber das war es. Auf dem offenen Meer war es eiskalt, da der Winter vor der Türe stand. Drachen, die sich den Jahreszeiten und Umgebungen anpassten, veränderten sich also mit. Dieser Drache wurde zum Schneedrachen. Den einzigen, den es auf der Welt gibt. Er hatte die Fähigkeit das ganze Land einzufrieren und durch die kalte Temperatur schmolz der Schnee nie weg. Das abgebrochene Stück Land teilte sich ebenfalls, da der Ozean zu starke Strömungen besaß. Es wurde eine Brücke erbaut, die beide Reiche verbinden sollte, besonders standfest war sie jedoch nicht. Dennoch, von dort an wurden die Schneeinseln geboren.

Königin Caelyria erklärte sich bereit über die Schneeinseln zu herrschen, warum werden wir bald erfahren. Sie ließ ein Schloss aus weißem Schnee erbauen, davon gab es auf den Inseln schließlich genug, und saß noch immer auf dem weißen Thron. Ihre Haare waren braun, aber in ihnen glitzerten vereinzelte Eiskristalle. Eine Krone trug sie nicht, dafür strahlte sie so viel Macht aus, wie niemand sonst auf den Schneeinseln. Ihre Augen waren unnatürlich hell, einst waren sie braun, sie gab dem Wetter die Schuld dafür. Caelyria trug passend zu ihrer blassen Haut ein Kleid, welches jeglichen Farbton verloren zu haben schien und eine Kette, die sie von ihren Eltern bekam, als sie noch ein Kind war.

Gerade stand die Königin an einem der Balkone, unter ihr einige Leute, die sie ihr Dorf nannte, und blickte zu ihnen hinab. ,,Hört her! Prinz Anron aus Darlin denkt, dass wir auf dem Weg sind, ihm Hilfe zu gewähren! Das ist natürlich kompletter Unsinn. Nie hat uns jemand hier weg geholfen, also warum sollten wir irgendwem sonst helfen?"

Es gab wenig Beifall für diesen Einstieg einer Rede. Das Volk war eben anders, als das von manch einem anderen Regenten. Zumal dieses gar nicht zu ihr gehörte.

,,Uqua hat einen Adler fliegen lassen, der es tatsächlich bis an das nächste Ufer geschafft hat!" Stolz deutete sie auf einen älteren Mann mit weiß-silbernem Bart und grauer Kleidung. Das einzig auffällige an ihm, war sein gelber Gürtel. Er war ein Waldegraner.

,,Ihr dankt mir immerzu, Caelyria...Ich habe nicht viel dazu beigetragen."

,,Oh, Ihr seid falsch bescheiden, Uqua. Ihr trainiertet einige Adler, die bei uns waren, damit sie weitere Strecken fliegen konnten. Einer hat es geschafft. Ich bin stolz auf Euch!"

Der ältere Herr winkte ab. ,,Es ist ein Wunder, dass die Adler noch leben...Wie Ihr seht, haben es nicht viele geschafft. Ich frage mich bis heute, wo sie wohl gelandet sind."

,,Nun gut. Wie ich eben sagte, haben wir es geschafft einen Prinzen auszutricksen!"

,,Spektakulär", erwiderte ein Junge trocken.

,,Ein wenig mehr Begeisterung täte deinem Wortschatz gut", fügte Caelyria grinsend hinzu.

,,Die Frage ist, was haben wir davon einen Prinzen auszutricksen?"

,,Ganz einfach, kommen wir nicht zu ihm, kommt er zu uns."

Damit entfachte sie ein aufgeregtes Gemurmel. ,,Nie hat es jemand bis zu den Schneeinseln geschafft."

,,Anron besitzt die Willensstärke, um es bis zu uns zu schaffen."

,,Ach, tut er das?", hakte Uqua prüfend nach. ,,Ihr kennt Ihn doch gar nicht."

,,Ihr auch nicht!" Die Königin richtete eine ihrer langen Haarsträhnen, bevor sie fortsetzte. ,,Der Prinz hat gar keine andere Wahl. Er schrieb, dass sein Land gestürzt wurde und er keine einzige überlebende Person mehr zu seinem Dorf zählen könnte."

,,Was will er dann von uns?"

,,Hilfe. Wie ich eben schon sagte, bekommt weder er die, noch irgendein anderes verfluchtes Land! Die einzigen, die Hilfe bekommen, sind wir." Sie lächelte vielsagend. ,,Wir kommen hier endlich runter von diesen Inseln!"

Uqua verschränkte seine müden Arme. ,,Und dann? Leben wir weiter wie bisher?"

,,Nichts wird, wie es mal war."

,,Eben. Ihr wisst genau, dass wir alle aus verschiedenen Ländern stammen...Angefangen bei Euch."

,,Es reicht!", bremste die Königin ihn ab. ,,Ich muss mir das nicht anhören. Glaubt Ihr nicht, dass ich auch nach Hause will? Wissen will, was mit meiner Familie ist, die sich einen Dreck für mich interessiert?"

,,Wenn sie noch leben", ergänzte Uqua langsam.

,,Ihr sagt es."

,,Wir werden uns aber wieder den Königen beugen müssen, die jetzt über die Länder herrschen...Das dürfte Euch klar sein?"

Caelyria zuckte leicht mit den Schultern. ,,Das können sie ja versuchen. Es wird Zeit für uns selbst Rache zu nehmen."

,,Die Leute, die jetzt dort herrschen, können aber vielleicht nichts dafür, was damals passierte", erinnerte der ältere Mann weise.

Die Königin seufzte. ,,Ihr wollt wohl immer recht haben, stimmt's?"

,,Nein, ich möchte immer die Wahrheit ins Gedächtnis rufen."

,,Ihr Waldegraner seid hoffentlich nicht alle so weise", erwiderte Caelyria trocken.

,,Nein, nur ich bin so." Er sah in die Ferne, wo er das Meer vermutete. ,,Ich frage mich sicherlich auch, ob meine Enkelin noch lebt...Oder gar meine Tochter."

,,Bei allem Respekt, aber die dürften es wohl beide nicht verdient haben..."

Uqua sagte nichts auf die abfälligen Bemerkungen der Königin. Er wusste es hatte keinen Sinn mit einer wie ihr zu streiten. Das hatte er sich schon oft gesagt und nun würde er sich daran halten.

,,Ihr könnt von Glück reden, wenn Ihr Waldegro überhaupt noch einmal wiederseht."

,,So alt bin ich nun auch wieder nicht", schmunzelte Uqua. ,,Aber in einem Punkt stimme ich Euch zu. Zeit haben wir alle nicht mehr viel, wenn wir hier nicht wegkommen..."

,,Was ist mit dem Schneedrache? Wir könnten doch damit fliegen...", meldete sich der Junge aus der Menge erneut.

,,Wir fliegen nicht auf einem Drachen, der die Inseln vereist hat. Wir fassen ihn auch nicht an!", mahnte Caelyria. ,,Er könnte uns selbst zu Eis verwandeln, wenn wir Pech haben...Davon haben wir ganz viel gehabt, also warum sollte sich das ändern?"

,,Eben, warum sollten wir mit Anron Glück haben?"

Der Königin fiel nichts weiter dazu ein. Es musste einfach klappen. Irgendetwas in ihrer Zeit als Regentin und wenn es nur das eine war.

2. Schatten

 Lydia versuchte den dichter werdenden Schnee von ihren Augen fern zu halten, um noch geradeaus schauen zu können. Sie erkannte mit Mühe und Not den jungen Choca, der reglos auf den Armen von Auge des Adlers lag. Nach wie vor fragte sie sich, wie jemand Verstorbenes für solch einen Schneesturm verantwortlich sein konnte. Dafür gäbe es nur eine Erklärung. Choca Bow war nach wie vor nicht tot. Die Königin von Nokard wusste nicht mehr, was sie glauben sollte. Inzwischen könnte Lydia alles glauben, was man ihr erzählte. Sie war bereits oft genug Augenzeugin von seltsamen Geschehnissen.

,,Lydia, wir verlieren meine Krieger", rief Valkan ihr zu, dabei konnte sie den Indianer noch sehr gut verstehen.

,,Wir dürfen sie aber nicht verlieren!"

,,Der Schneesturm wird dichter...Ich kann selbst dich kaum noch sehen!"

Die Königin sah hektisch umher. Er hatte Recht. Sie konnte ihn auch nicht mehr sehen. ,,Valkan?" Als sie keine Antwort mehr bekam, drehte sie sich nur noch schneller im Kreis. ,,Valkan?! Hallo?!" Der Schnee fegte über den Boden, wurde wie Wellen in die Lüfte gehoben und verfehlte die Königin nur ganz knapp. Erschrocken rannte Lydia davon, als sie erkannte, dass sich weitere Schneewellen auftaten. ,,Ich träume doch bloß...Es ist fast Sommer, es kann doch gar nicht schneien."

 

 

Nachdem die Königin von Waldegro mitbekam, dass ihr glorreicher Plan die Grenze nach Castero zu überqueren, um ihre Armee mit der von den Olfalas zu vereinen scheiterte, wollte sie sich selbst ein Bild von der Lage machen.

,,Das ist doch ein Witz! Kein Sommerschnee hält mich davon ab diese Grenze zu überqueren!", murmelte Lorna vor sich hin, während sie von ihren Leuten gefolgt das Schloss verließ. ,,Zudem Schnee im Sommer. Was für ein Unfug!"

,,Hoheit, ich mache keine Witze", versicherte Haidran seiner Königin.

,,Das werde ich mir selbst ansehen, danke."

,,Möglicherweise sagt Eure Wache die Wahrheit", setzte Maimee nachdenklich an, die inzwischen ein sonnengelbes Kleid, welches mit Rüschen versehen war, trug.

Lorna drehte sich zu der Königin von Castero um. ,,Die Farbe von Waldegro steht Euch hervorragend. Wenn das hier vorbei ist, solltet Ihr zu uns wechseln."

,,Ignoriert nicht meine Befürchtung, Lorna", mahnte Maimee.

,,Ich bin hier in Waldegro. Solange wir in meinem Regiergebiet sind, herrschen meine Regeln, Maimee Olfala."

Haidran wechselte einen Blick mit Akaylas Mutter, welche perplex stehenblieb.

,,Wie war das mit dem gemeinsamen Plan?"

,,Regt Euch nicht so auf...Kommt weiter." Lasdaran zog die Königin von Castero weiter.

Diese machte sich sofort los. ,,Ich kann alleine gehen, Ritter."

 

 

Nach einiger Zeit blieb Lorna stutzig auf der Stelle stehen. Unter ihren Füßen knirschte es und die Umgebung sah hinter einer bestimmten Stelle schneeweiß aus.

,,Was habe ich Euch gesagt?" Haidran deutete auf die Schneelandschaft vor ihnen.

,,Wie ist das möglich?", brachte Lorna hervor.

,,Wenn wir das nur wüssten..."

,,Hoffentlich geht es meiner Akayla gut", murmelte Maimee erschrocken, als sie den Schnee sah.

Waldegros Königin musterte sie von der Seite. ,,Der Prinzessin wird es schon nicht schlecht ergehen. Ich mache mir da ganz andere Sorgen."

,,Die wären?", hakte Maimee nach.

Die Königin mit den langen, braunen Haaren deutete in den Himmel. ,,Seht Ihr das?"

,,Den Nebel?"

,,Nein, Götter, den riesigen Schatten dort oben!", antwortete Lorna sofort.

Königin Maimee schüttelte den Kopf. ,,Nein."

,,Seht genauer hin!", befahl Lorna.

Akaylas Mutter gab nach und konzentrierte sich auf die nebelige Luft und die noch dichteren, weißen Wolken. Zunächst konnte sie nichts Besonderes feststellen, doch dann... ,,Da!"

Lornas Wachen platzierten sich vor ihrer Königin und hielt jeweils eine Hand auf ihren Waffen, sollten sie angegriffen werden.

,,Ein riesiger Schatten, Ihr hattet recht...", stammelte Maimee überrascht.

,,Ich möchte mal wissen, was in Eurem Land vor sich geht, während Ihr und Siaac nicht da seid", meinte Lorna. ,,So wie ich das sehe, scheinen sich dort Drachen einquartiert zu haben."

,,Wie bitte?! Es leben keine Drachen in Castero."

,,Und was war mit diesem schwarzen Rauchdrachen, als meine Leute Euch vor der Floghlai Mara gerettet hat? Der war nur zufällig da, oder wie?" Sie verschränkte die Arme. ,,Der Drache wird uns nicht angreifen."

,,Hoheit, wie könnt Ihr Euch da sicher sein?", fragte Lasdaran prompt.

,,Ist nur ein Gefühl."

,,Ich weiß nicht, wie es Euren Wachen geht, aber ich vertraue Gefühlen von Königinnen nicht besonders", sagte Maimee abschätzend.

,,Ihr seid selbst eine...Ich kann Euch den Grund verraten, was mich nachdenklich werden lässt." Sie sah Maimee in die Augen. ,,Die Drachen tauchen immer dann auf, wenn Königin Lydia in der Nähe ist. Seltsam, nicht wahr?"

Siaacs Ehefrau nickte zustimmend. ,,Lydia ist nicht hier, oder?"

,,Naja...", setzte Lorna an."

,,Lorna! Was verschweigt Ihr mir?!"

,,Ich dachte Ihr kanntet meinen Plan, als Ihr noch im Kerker gesessen habt!", fuhr Lorna sie an.

,,Euer Ritter wusste alles! Ich habe nur zugehört und mit dem Kopf genickt."

Lasdaran warf der Königin von Castero einen finsteren Blick zu. ,,Hoheit, was gedenkt Ihr nun zu tun, wenn ich fragen darf?"

Diese seufzte. ,,Wir müssen über die Grenze, um gegen Yagre und Thogra zu kämpfen, Lasdaran."

,,Das ist nicht Euer Ernst...", setzte Maimee an.

,,Doch, das ist mein Ernst!"

,,Was ist, wenn wir in den Schneesturm geraten?"

,,Bleiben wir hier stehen, können wir uns den Reako Geschwistern auch gleich auf einem Teller präsentieren. Somit könnten sie sich diesen Krieg sparen." Lorna wartete ab. ,,Ich gehe." Entschlossen setzte sie sich in Bewegung.

,,Eure Königin hat auch nicht mehr alle Diamanten an der Krone", stieß Maimee einen Ritter der Königswache an.

Haidran schmunzelte. ,,Sie trägt keine Diamanten an der Krone." Mit diesen Worten folgte er seiner Königin, gefolgt von den anderen Rittern.

,,Alles Irre", sagte Maimee zu sich selbst, bevor dann auch sie sich in Bewegung setzte.

 

 

Wieder und wieder hörte die Königin von Nokard ihren Namen.

,,Lydia."

Da war es schon wieder.Sie bildete sich das ein, davon war sie überzeugt. Zumindest bis sie sich umdrehte und vor Ydro stand. Verwundert stieß die Königin einen Schrei aus. Ihr verstorbener Berater rüttelte an ihren Schultern und sagte ununterbrochen ihren Namen, doch sie konnte nicht aufhören zu schreien.

,,Lydia!"

Plötzlich veränderte sich Ydros Aussehen und die Königin hielt Inne. ,,Anemro?!"

3. Vergeben und unvergessen

 ,,Habt Ihr auf jemand anderen gehofft? Valkan vielleicht?" Anemro erkannte die Königin vor sich durch den Schnee kaum, doch er wusste, dass er sie wütend gemacht hatte. Aus diesem Grund tat er so, als hätte er die Frage niemals gestellt. ,,Was macht Ihr so alleine in diesem Sturm, Lydia?"

,,Das ist nicht Euer Problem, Anemro."

,,Und ob es das ist. Ich kann Euch ja keine Minute alleine in der Natur lassen", antwortete Vasilias Berater besorgt. ,,Ihr solltet auch an Euer Kind denken."

Lydia griff mit der bloßen Hand in den Schnee, hob diesen auf und warf ihn nach Anemro.

Dieser wich überrascht zurück. ,,Das ist aber nicht sehr königlich."

,,Hört mir zu, Berater!", erwiderte Lydia zornig. ,,Ich denke an fast nichts anderes, als mein Kind, also bitte verschont mich mit Eurem Gerede!"

,,Wie Ihr wünscht, Hoheit."

,,Ich hoffe wirklich, dass Ihr Vasilias bald findet, damit Ihr ihm wieder auf die Nerven fallen könnt." Die Königin wischte sich den Schnee von den kalten Händen. ,,Ihr habt uns verlassen, um ihn zu suchen...Also warum seid Ihr immer noch hier?"

Anemro antwortete nicht.

,,Redet! Warum seid Ihr immer noch hier? Ihr wart derjenige, der wollte, dass sich unsere Leben wieder teilen."

,,Aber erst nachdem ich Vasilias gefunden habe...", wiedersprach Anemro.

,,Ihr gebt Euch keine Mühe ihn zu finden! Stattdessen lauft Ihr hier umher und meint mir Ratschläge geben zu müssen." Lydia unterbrach sich selbst.

,,Das ist es, was ich am besten kann. Ratschläge an andere geben." Vasilias Berater blickte in den Himmel, der langsam die Sonne wieder freigab. Die dichten Wolken verzogen sich, als wären sie nie dort gewesen. Nun sah Anemro die Königin an, auf deren Kleidung weiße Schneeflocken lagen.

Diese konnte ihm nicht in die Augen sehen.

,,Lydia...", setzte der Berater an.

,,Lasst gut sein, Anemro. Sucht König Vasilias und kehrt nach Logarda zurück, wo Ihr hingehört. Ihr habt genug für mein Land getan."

,,Da vorne ist sie!", rief eine Stimme hinter der Königin.

,,Ekatoa!" Lydia winkte dem Indianer erleichtert zu. ,,Geht es den anderen gut?"

,,Ja...Die Frage ist nur, ob es Euch auch gut geht?" Der Indianer mit dem roten Kopftuch blickte zu Anemro, mit dem er im Streit auseinanderging.

Die Königin von Nokard nickte. ,,Alles in Ordnung."

,,Manitu sei Dank, dir geht es gut!" Valkan erschien und hüpfte elegant über den rutschigen Schnee.

Lydia schloss den Indianer in die Arme. ,,Choca kann nicht für den Schnee verantwortlich gewesen sein. Dieser würde sonst noch nicht aufgehört haben", flüsterte sie.

,,Ich weiß."

,,Natürlich konnte er es gewesen sein. Dieser Junge war schließlich einer der Verfluchten!", erinnerte Anermo, der alles mitgehört hatte.

Lydia funkelte den Berater an. ,,Eben, war, also hört auf einem Toten etwas anzuhängen!"

,,Was macht das Bleichgesicht überhaupt noch in Waldegro?", fragte Ekatoa schließlich.

,,Er wollte eigentlich wieder gehen. Der Schnee hat ihm wohl den Verstand vernebelt", antwortete Lydia für Anemro.

Dieser nickte langsam. ,,Ich verschwinde sofort, keine Sorge, Rothaut."

,,Hier geht niemand irgendwohin!"

Alle drehten sich um.

,,Lorna?", platzte es aus Lydia.

Ihre Wachen stellten sich sofort vor ihre Königin. ,,Königin Lorna, zieht Euch zurück und wir verschonen Eure Ritter", mahnte Ser Chrysos brummend. Er wusste genau, wie die Königin vor ihm war und wie sie zu Nokard stand, sollte sie ihre Meinung nicht wieder geändert haben.

,,Ihr versteht das vollkommen falsch, Ser", sagte Lorna langsam.

,,Was ist an einem versuchten Mord an Königen falsch zu verstehen?!"

,,Lasst mich auch etwas sagen, andernfalls kommen wir hier nicht weiter." Königin Maimee trat vor.

Erstaunt sah Lydia sie an. ,,Ich dachte Lorna hat Euch eingesperrt? Euer Ehemann sagte mir ähnliches."

,,Das ist Schnee von gestern", winkte sie ab. ,,Lorna hat eingesehen, dass sie einen Fehler gemacht hat und möchte sich mit unseren Armeen vereinen."

,,Ich denke nicht, dass unsere Königin dies akzeptieren wird. Euer Hoheit ist eine großherzige Person, aber nicht zu Leuten, die ihr den Tod auf den Hals hetzten", versicherte Kipivo, der neben Chrysos stand.

,,Wir fürchten, dass die Reako Könige hinter der ganzen Sache steckten."

,,Gegen die Idee unsere Königin und Eure Tochter sich gegenseitig zu ermorden?", hakte Chrysos forsch nach.

Maimee schüttelte den Kopf. ,,Nein, diejenigen, die Anron diesen Plan gaben, alle Länder von innen heraus zu zerstören."

,,Was hätten sie denn davon?"

,,Denkt doch mal nach, Ritter. Sollten die beiden Anron manipuliert haben, damit er für sie mordet, fällt keine Schuld auf sie."

,,Das ist doch verrückt!"

,,Glaubt mir, die Reakaner haben nicht mehr alle Steine an ihren Burgmauern. Die Grauwälder sagen bereits alles", mischte sich nun Lorna wieder ein.

,,Ihr habt Angst", sagte Serpo, welcher eine Weile lang nur geschwiegen hatte. ,,Ihr habt Angst, dass unsere Armee und die der anderen Länder Eure vernichtet, wenn Ihr gegen sie rebelliert."

Lorna blickte zu Boden.

,,Natürlich hat sie Angst, sie ist auch nur ein Mensch", warf Maimee ein.

Serpo, Kipivo und Chrysos drehten sich zu ihrer Königin um. ,,Was sollen wir tun?"

,,Lasst mich bitte einen Moment mit ihr sprechen."

Lydias Wachen traten beiseite.

,,Lorna, ich bin froh, dass Ihr eingesehen habt, dass Euer Handeln ein Fehler war. Daher werde ich auf einen Angriff von meinem Land verzichten. Dennoch bedeutet das noch lange keinen Frieden zwischen uns beiden. Unsere Länder müssen nicht ausbaden, was Ihre Herrscher falsch machen."

Die Königin von Waldegro starrte Lydia irritiert an. ,,Was soll das bedeuten?"

,,Bleibt Nokard weiterhin fern, krümmt keinem meiner Leute ein Haar und Euch wird nichts geschehen. So wie ich es Euch bereits schon einmal gesagt habe."

,,Ich muss ihr zustimmen. Ihr sagtet selbst, Ihr seid nun unser Feind und..."

,,Ihr macht es nicht besser, Häuptling", fuhr Lorna den Häuptling an. ,,Lydia, was gedenkt Ihr zu tun in einer vollkommen falschen Himmelsrichtung, weit weg von Eurem Zuhause, wo noch nicht einmal Euer Volk auf Euch wartet?"

,,In einem seid ihr wirklich alle gleich...Andauernd werft ihr mir Nokards Schicksal vor den Kopf und kümmert euch nicht eine Sekunde um eure eigenen Reiche." Lydia wandte sich ab.

,,Hoheit, Ihr müsst nach Hause", warf Anemro ein, der noch immer nicht gegangen war.

,,Da ist niemand. Wir waren bereits dort...Außer einem Monster und einer aufgebrachten Indianerin haben wir dort nichts gefunden."

In dieser Sekunde flog etwas Gewaltiges über ihre Köpfe hinweg. Erschrocken strömte die Menge auseinander, lief aber nicht davon. Das Wesen kehrte zurück und landete in dem eben entstandenen Kreis.

,,Das war der Schatten, den ich gesehen habe!", schrie Lorna.

,,Ruhe!", befahl Lydia.

,,Euer Hoheit, ist das einer von Euren Drachen?"

Lydia musterte den Drachen vor sich. Er war weiß, wie der Schnee, seine Flügel waren leicht hellblau und wirkten gefroren, da sie an den Enden wie Eiszapfen aussahen. Der Drache besaß nahezu blaue Augen, wenn Drachen überhaupt eine Augenfarbe haben konnten. Um ihn herum schwebten Schneeflocken, welche dem einen oder anderen einen Kälteschauer über den Rücken laufen ließen. ,,Das ist ein Schneedrache, richtig, Anemro?"

,,Ähm, ja."

,,Wusste ich doch, dass Ihr das wisst. Ihr ändert Euch eben nie."

Der Schneedrache senkte den Kopf auf Lydias Augenhöhe.

,,Das ist doch verrückt! Ihr könnt nicht auf einem Drachen davon fliegen...Nicht schon wieder!"

,,Ihr müsst doch am besten wissen, dass die Drachen mich mögen", erwiderte Lydia halb grinsend. Sie strich dem Schneedrachen über die Schnauze. ,,Egal von wo du kommst, dich hat der Himmel geschickt." Sie wandte sich an ihre Wachen und die Layandra. ,,Damit finde ich mein Volk vielleicht schneller. Ihr könnt euch von Lorna nach Nokard transportieren lassen. Das ist sie euch schuldig."

,,Ich komme mit dir", sagte Valkan entschlossen.

,,Einverstanden. Alle anderen, passen bitte gut auf sich auf."

,,Sicher doch", antwortete Lorna.

,,Euch habe ich nicht gemeint." Damit kletterte Lydia, gefolgt von Valkan auf den Rücken des Schneedrachen und wartete ab, bis dieser abhob.

,,Also dann, wir bringen die Layandra, Nokarder und Anemro nach Hause", murmelte Lorna. ,,Haidran, kümmert Euch darum. Ich selbst habe schließlich noch genug andere Dinge zu tun, nicht wahr Maimee."

4. Uqua

 Uqua dachte nach der Rede der Königin noch eine ganze Weile nach, während er Arbeitern dabei zusah, wie sie die Wäsche von Caelyria im Wasser wuschen. Das taten sie wöchentlich, möglicherweise immer um dieselbe Uhrzeit und am selben Tag, wenn die Sonne im Norden stand. Doch nie konnten sie wirklich sagen, ob es sich dabei immer um dieselbe Uhrzeit handelte, da sie jegliches Zeitgefühl verloren, seitdem ihre Länder auf das offene Meer gespült wurden. Der ältere Mann half einer Waldegranerin namens Fesja dabei ein weißes Kleid aus dem Wasser zu fischen, einzig mit den bloßen Händen. Das Wasser war eiskalt, aber ihre Körper schienen sich schon daran gewöhnt zu haben in Kälte zu leben.

,,Danke, Uqua", sagte Fesja freundlich.

,,Nicht dafür. Du solltest dich nicht so lange im Wasser aufhalten, Kind."

,,Es geht schon." Sie knotete sich einen Zopf aus den blonden Haaren und nahm die restlichen Kleider auf ihren Arm. Beide Ärmel waren hochgekrempelt, als wären sie gerade in einer sehr warmen Gegend.

,,Wie du meinst." Uqua ließ die Dame ihre Arbeit machen, trat ein Stück näher an das Ufer und kniete sich hin. Vor ihm, konnte er nun sein Spiegelbild erkennen. Wie alt er doch geworden war. Nachdenklich tauchte Uqua seine linke Hand in das Meer. Augenblicklich verschwamm sein Spiegelbild. ,,Was denken wohl die anderen Länder? Kennen sie uns noch? Sind wir ihnen noch wichtig? Kommen wir je hier weg?", grübelte der ältere Mann. Er zog seine Hand aus dem Wasser, hielt die Handoberfläche jedoch noch über der Oberfläche. Es erinnerte ihn an seine Enkelin. Damals hatte er ihr an einem Fluss das Laufen beigebracht und sie stets aufgemuntert, wenn sie hingefallen war. Dann trat er immer wieder an das Wasser und winkte ihr lächelnd. Seine Enkelin strahlte ihn noch heute in Gedanken an. Doch waren es eben nur noch Erinnerungen. Auch in diesem Moment ertappte er sich dabei zu winken. Verwundet blickte er auf das Wasser unter sich. Hatte es sich gerade mit ihm bewegt? Es mussten seine Augen sein, die schlechter wurden. Enttäuscht stellte er sich aufrecht hin und verspürte ein Zucken unter sich. Auf dem Boden zeichneten sich schmale Risse, die zu zerbrechen drohten, je länger er darauf stand. Erschrocken eilte er von der Stelle, auf der er eben noch gestanden hatte und sah sich um.

,,Runter da!", rief Fesja einer anderen Arbeiterin zu.

,,Was geht hier vor sich?", fragte diese entsetzt, während sie den Boden nicht aus den Augen ließ.

,,Es scheint, als würde ein Teil der Insel abbrechen", stellte Fesja besorgt fest.

,,Das ist noch nie passiert! Die Temperaturen sind zu niedrig für sowas."

Uqua selbst sah, wie nun ein ganzer Brocken des Ufers abbrach und auf das Meer hinaus trieb. Unruhig erinnerte er sich an ein letztes Gespräch mit Caelyria. ,,Bitte nicht...", murmelte er und eilte davon.

Fesja half ihrer Freundin, nahm aber noch war, wie Uqua davon lief. ,,Sagt der Königin Bescheid!"

,,Habe ich vor!", antwortete dieser.

 

 

Ohne Rücksicht auf Verluste, stürmte Uqua in den Schneepalast, wo er die Königin vermutete. ,,Wo ist Caelyria?" Er wartete gar nicht erst eine Antwort der ernannten Wachen ohne Rüstungen ab, sondern eilte weiter zum Thronsaal. Seine Worte hatte er sich auf dem Weg bereits zusammengelegt. Er ging durch das Eingangstor in den Saal und rief: ,,Was habt Ihr Euch dabei nun wieder gedacht?" Überrascht stellte er fest, dass er mit niemandem sprach. Caelyria war nicht hier.

,,Sucht Ihr wen?"

Uqua drehte sich um und erkannte den Jungen aus der Menschenmenge. ,,Ja, die Königin. Hast du sie gesehen?"

Der Junge nickte. ,,Sie ist am Eishügel. Zumindest habe ich solch eine Nachricht mitbekommen."

,,Ich habe es geahnt...Weißt du, wann sie zurückkehrt?"

,,Ja, jetzt."

,,Caelyria." Uqua sah die Königin überrascht an, die soeben im Torbogen erschienen war.

,,Was wollt Ihr nun von mir?"

,,Euch warnen. Unten am Ufer in der Nähe der Brücke brechen Landteile ab", begann er zu erzählen.

Die Königin zuckte mit den Schultern. ,,Daran kann ich rein gar nichts tun."

,,Ihr denkt, dass es am Sonnenschein liegt? Wann hat dieser je auch nur einen Eiszapfen von den abgebrochenen Tannen geschmolzen?"

Caelyria antwortete nicht.

,,Eben, nie. Ich bitte Euch...Sagt mir, warum Ihr beim Eishügel wart."

,,Das geht Euch nichts an."

,,Doch. Es geht uns alle etwas an, wenn Ihr unsere Heimat zerstört."

Empört sog die Königin die Luft ein. ,,Was werft Ihr mir da vor?! Denkt nach, bevor Ihr redet!"

,,Caelyria...Habt Ihr dem Schneedrachen etwas angetan?"

,,Nein!"

,,Seid ehrlich. Die Schneeinseln schmelzen, wenn er fort ist, so fürchte ich. Drachen haben eine besondere Kraft, wie wir schon mehrfach feststellen durften", erwiderte Uqua eindringlich.

,,Ich kann ihm nichts getan haben, weil..."

,,Sagt, was ist passiert?", fragte er hartnäckig.

,,Also gut. Ich habe ihn fort geschickt, damit er Anron und den anderen Ländern drohen kann, was auf sie zukommen wird...Hätte ich gewusst, dass dadurch das Klima der Schneeinseln in Gefahr kommt." Sie musterte den älteren Mann. ,,Ihr hättet mich ruhig über Eure Sorge informieren können!"

,,Habe ich das nicht die letzten Wochen ständig?" Er seufzte. ,,Ihr hört mir nicht besonders gut zu, fürchte ich."

,,Das bedeutet, wir gehen alle im Meer unter...Wegen Euch?", fasste der Junge zusammen, der noch immer bei ihnen stand.

Caelyria wurde noch blasser um die Nase.

,,So ehren los wollte selbst ich nicht sterben, aber Ihr lasst mir gar keine andere Wahl. Nein, du lässt mir keine andere Wahl."

,,Bleib doch hier!", rief die Königin ihm nach, deren Ansehen soeben geringer wurde. ,,Meine Ehre schmilzt dahin, wie die Schneeinseln."

Uqua legte eine Hand auf Caelyrias Schulter. ,,Vorwürfe können das hier auch nicht mehr aufhalten. Jetzt müssen wir wirklich auf ein Wunder hoffen."

Sie sah ihn entschuldigend und dankbar zugleich an. ,,Es gibt keine..."

Fesja erreichte den Thronsaal und legte die Kleidung der Königin achtlos auf den Thron. ,,Ihr glaubt mir nie, was ich gesehen habe!", stieß sie hervor.

,,Was denn?"

,,Ich träume vielleicht, aber da Draußen...Da waren Schiffe."

Caelyria rieb sich die Schläfen. ,,Für einen Moment hatte ich Hoffnung."

,,Lasst die Frau doch ausreden", mahnte Uqua. ,,Wo hast du die Schiffe gesehen und wie sahen sie aus?"

,,Als ich vom Ufer der Brücke weglief, da waren sie. Groß und grau sahen sie aus der Ferne aus."

,,Konntest du irgendwelche Flaggen erkennen?"

Fesja schüttelte den Kopf. ,,Verzeiht, leider nicht."

,,Sehr gute Arbeit. Ich sehe mir das persönlich an." Uqua warf der Königin einen auffordernden Blick zu und beide eilten nach Draußen.

 

 

Am Eingang des Schlosses angekommen, trafen sie auf aufgewühlte Menschenmengen. ,,Das sind rote Flaggen", jubelte einer der Bewohner der Schneeinseln. ,,Ihr wisst, welches Land es bedeutet!"

Caelyria und Uqua wechselten einen Blick. Uquas Blick war voller Erleichterung, Caelyrias ließ sich nicht deuten.

,,Reako."

5. Zurück ins Leben

 Klappernd wurde eine Holzleiter über eine der Schiffs Reling geworfen und einige Männer kletterten daran herab. Einem wichtig aussehenden Mann, halfen sie dabei die Stufen zu erwischen und nicht abzurutschen. ,,Husch, ich sagte doch, dass ich keine Hilfe brauche!", fauchte er seine Wachen an.

Caelyria betrachtete den Mann mit dem purpurnen Umhang die ganze Zeit über. Sie hatte schon ewig keine andere Person mehr zu Gesicht bekommen außer die, die mit ihr hier gestrandet waren. Ab und an stellte sie sich fremde Könige vor, doch dieser hier übertraf alles. Er war älter, als sie erwartete, unfreundlich zu seinen Leuten und wirkte gestresst.

Der König von Reako klopfte sich den Umhang von dem Staub aus, entdeckte, dass er nicht mehr alleine war und breitete beide Arme aus. ,,Mein Name ist König Yagre. Ich bin der alleinige Herrscher über Reako und bin gekommen, um euch zu retten!" Er sah zu seinen Volksleuten aus den Grauwäldern. ,,Seht, ich wusste doch, dass hier noch Leben herrscht."

,,Nicht mehr lange", murmelte Fesja.

,,Wie bitte?!"

,,Die Schneeinseln zerbrechen und lösen sich in ihre Einzelteile auf." Die Frau verschränkte die Arme.

Yagre verschlug es die Sprache. ,,Na...Dann komme ich ja genau zur rechten Zeit." Er rieb sich die Hände.

,,Ihr seid also der König von Reako, ja? Euch habe ich mir anders vorgestellt."

,,Wie denn?", fragte Yagre amüsiert.

,,Keine Ahnung, weniger arrogant?"

,,Arrogant?, wiederholte er skeptisch.

Caelyria nickte. ,,Seit Jahren haben wir nichts von irgendeiner Person gehört, die uns hier runter holen will. Wie habt Ihr es also geschafft mit so vielen Schiffen das offene Meer zu überqueren, ohne von den Wellen verschlungen worden zu sein?"

,,Klingt beinahe so, als wolltet Ihr, dass es so gekommen wäre."

Die Königin funkelte ihn an.

,,Seid Ihr irgendwie wichtig, oder wieso stehen all diese Leute hier hinter Euch?", fragte Yagre grinsend.

,,Mein Name ist Caelyria und ich bin die Königin der Schneeinseln."

Der König von Reako ließ sein Grinsen verschwinden. ,,Eine Königin von dem abgebrochenen Land? Das ist ja niedlich. Hört zu, Caelyria ohne Nachnamen, ich habe keine Ahnung welches Spielchen ihr hier seit einer langen Zeit gespielt habt oder wie ihr noch leben könnt, aber Reako gehört nach wie vor zu meinem Herrschergebiet."

,,Nur weil ich Euch nicht meinen Nachnamen sage, heißt es nicht, dass ich keinen habe."

,,Seht Euch an. Ihr seid ein Kind mit Träumen. Möglicherweise wolltet Ihr immer schon mal Königin sein und so ohne Herrscher auf dem Thron ging das auch ohne dass Ihr aus einer Königsfamilie stammen müsst. Die Zeiten haben sich wieder geändert. Schließt Euch mir an und ich rette allen hier das Leben." Yagre nahm das Schweigen als Annahme an. ,,Sehr gut. Wie ich sehe, habt ihr eingesehen, dass es sich nicht lohnt mit einem richtigen König zu streiten."

,,Wieso richtiger König? Euren Namen habe ich noch nie zuvor gehört", erwiderte Caelyria abschätzend. ,,Zudem habt Ihr keine Ahnung aus welcher Familie ich stamme."

,,Sicherlich aus einer von Waldegro...Götter, das wäre eine noch größere Schande für mein Land. Als hätte Waldegro nicht schon genug unfähige Regenten gesehen." Der König merkte, dass ein älterer Mann ihn ansah. ,,Ist sie Eure Tochter?"

Uqua schüttelte den Kopf. ,,Nein und sie ist keine Waldegranerin."

,,Ich sehe schon. Ihr seid aber ein Waldegraner. Also Reakanerin?" Yagre grübelte. ,,Soll ich mich jetzt freuen?"

Caelyria trat vor den König. ,,Nehmt uns mit von der Inseln, bevor sie endgültig geschmolzen ist."

,,Majestät, ich fürchte Ihr solltet auf die Dame hören." Einer der Krieger der Grauwälder deutete auf das Schloss aus Schnee hinter ihnen. Es begann in sich zusammen zu fallen.

Caelyria drehte sich erschrocken um. ,,Mein Schloss!"

,,Ich sehe, Eure Entscheidung Euch mir zu unterwerfen und Eure alberne "Regentschaft" aufzugeben ist bereits gefallen." Yagre machte eine Handbewegung in Richtung der Schiffe.

,,Fein, wir kommen mit. Sobald wir aber in Reako angekommen sind..."

,,Werdet Ihr froh sein mal wieder Land betreten zu können", beendete er ihren Satz.

Uqua hielt die Königin zurück. ,,Lasst ihn fantasieren."

,,Sobald wir Reako erreicht haben, wird er mich richtig kennenlernen", sagte sie mit Hass in der Stimme, den Uqua noch nie zuvor bei ihr gehört hatte. ,,Und wir werden bei Gelegenheit Prinz Anron das Handwerk legen." Caelyria scheute die übrigen Dorfbewohner auf die Schiffe. An Bord angekommen, sprach sie Yagre erneut an. So einfach wollte sie sich nicht geschlagen geben. ,,Sagt, wie kommt Ihr an Schiffe mit lila Flaggen? Ich dachte immer, dass Reako rot sei?"

,,Das sollte nun wirklich nicht Eure Sorge sein." Er machte eine Kopfbewegung hinter sie an Land.

Dort standen noch immer fünf Willensstarkte Waldegraner, die sich weigerten an Bord zu gehen.

,,Was macht ihr da? Kommt sofort an Bord!", forderte Caelyria sie auf. ,,Fesja..."

,,Tut mir leid...Ich kann meine Loyalität als Waldegranerin nicht aufgeben. Ich werde mich niemandem unterwerfen, da sterbe ich lieber auf den Schneeinseln." Sie wandte sich zu den anderen vier um. ,,Sie denken genauso."

,,Was...Kommt an Bord, bitte!" Die Königin blickte Uqua panisch an. ,,Wenn sie nicht kommen, dann gehen sie unter!"

Uqua senkte den Kopf und schloss die Augen.

,,Ihr könnt das nicht einfach zulassen!" Wieder zog sie sich mit beiden Händen an die Reling, beugte sich weit herüber und rief: ,,Kommt an Bord, das ist ein Befehl!"

,,Ach Caelyria...Seht es ein. Eure Herrschaft ist zu Ende", beruhigte Yagre sie.

,,Und Eure hat gar nicht erst richtig angefangen!" Wütend packte Caelyria den König am Kragen. ,,Ich weiß zwar nicht, was für ein Irrer Ihr seid, aber ich sehe schon jetzt, dass Ihr sicherlich nicht für Frieden steht."

Yagres Wachen zogen ihre kurzen Schwerter, sowie ihre kleinen Pfeile und Bögen und richteten sie auf die Königin.

,,Ich habe keine Angst vor den Kriegern der Grauwälder. Schaut nicht so überrascht, denkt Ihr, dass ich so viel verpasst habe vor Eurer Herrschaft?" Sie stieß den König näher an die Reling. ,,Nur damit das noch klar ist, ist komme weder aus Reako, noch aus Waldegro."

Yagre sah wieder seine Schwester vor sich, die ihn vor einigen Tagen ebenso am Kragen gepackt hatte. ,,Macht keinen Unfug." Er erkannte plötzlich in ihren Augen etwas, das ihn an jemand anderes erinnerte und diese Person konnte er wahrlich genauso wenig leiden, wie Caelyria. ,,Wartet, Ihr kommt aus..."

Bevor er seinen Satz beenden konnte, stieß Caelyria den König über Bord. Dieser schaffte es nicht sich irgendwo festzuhalten und stürzte in das offene, tosende Meer.

,,Meine Leute werden nicht zurück gelassen, selbst wenn sie mich nicht als ihre Königin akzeptieren mögen", knurrte sie ihm nach. ,,Uqua, seid so gut und bringt mir die anderen an Bord."

Dieser stand wie versteinert auf der Stelle. Er konnte gar nicht glauben, dass sie so weit gegangen war.

,,Und ihr greift mich ja nicht an, sonst lernt ihr auch noch schwimmen", mahnte Caelyria die Krieger, die gar nicht mehr wussten, was sie nun zu tun hatten. ,,Auf geht's! Wir segeln zurück ins Leben!"

6. Königin Thogra

 Nach einem langen Fußweg zurück nach Castero, standen Siaac, Akayla und Dayne auf einem der Türme der Burg. Diese wirkte verlassener, als je zuvor. Womöglich lag es daran, dass der Wind lauter heulte oder Akaylas Schuldgefühle sie auffraßen. Wie konnte man sie nur so ausgenutzt haben?

,,Vater, ich habe Mist gebaut."

,,Das ist mir bewusst, mein Kind", antwortete Siaac wenig überrascht.

Akayla blieb stehen. ,,Nicht diesen Mist." Sie seufzte schwer. ,,Schlimmer."

,,Noch schlimmer, als sich Nokard zum Feind zu machen geht ja wohl kaum."

,,Das war ja wohl nicht meine Schuld", verteidigte sich die Prinzessin sofort. ,,Wir wurden ausgetrickst."

,,Da muss ich Euer Hoheit allerdings zustimmen", warf Dayne wissend ein. ,,Ich war schließlich dabei."

,,Erzählt mir doch, was ihr meint." Siaac wartete angespannt auf eine Antwort.

,,Naja...Du erinnerst dich doch, dass wir nicht die ganze Zeit zusammen waren...Und da bin ich bei verschiedenen Leuten gewesen", setzte Akayla an.

Ihr Vater sah verdutzt drein. ,,Akayla, was hast du getan?"

,,Ich bin in diesen Vertrag hinein gerutscht..."

,,Mit wem?!"

,,König Yagre", flüsterte sie.

,,Bitte was?!"

,,Majestät, beruhigt Euch." Dayne hielt den König zurück, bevor er noch auf seine Tochter losging. Er würde es gar nicht bemerken, wenn seine Wut an Überhand gewann.

,,Es war nicht gewollt...Er verlangte, dass ich ihn heirate, wenn er es schafft dich und Mutter zu befreien."

Siaac atmete tief durch und warf Dayne einen Blick zu der sagte, dass er ihn loslassen sollte. ,,Yagre hat uns aber nicht befreit."

,,Dennoch befürchte ich, dass er Wege finden wird, diese Hochzeit doch stattfinden zu lassen."

,,Mächtige Götter von Castero. Ein Vertrag mit König Yagre...Das ist totaler Wahnsinn!"

,,Sagt ihm was passiert, wenn Ihr den Vertrag nicht einhalten würdet", bat Dayne die Prinzessin. ,,Prinzessin, bitte..."

,,Es würde Krieg geben."

Dayne ging bereits in Verteidigungsposition vor Akayla, jedoch rührte sich Siaac nicht von der Stelle.

,,Bisher hat dieser Yagre nichts weiter von sich hören lassen, oder?"

,,Nein. Ich habe dennoch Sorge, dass er mit seinen Leuten eines Tages in unser Land einmarschiert und diese Hochzeit fordert. Dann könnten wir rein gar nichts tun, außer...Kämpfen", ergänzte sie sich.

Der König fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht. ,,Es hilft nichts, wir müssen das herausfinden." Er sah in die Ferne. ,,Das Wichtigste ist, dass wir unsere Armee verstärken. Nur wenn die Götter uns beistehen, gewinnen wir einen Kampf gegen die Reakaner. Ich will euch aber nichts vormachen. Ihr wisst selbst wie unbesiegbar sie sind."

,,Mit den Nokardern als Feinden brauchen Sie nicht rechnen, Majestät", erklärte Dayne. ,,Königin Lydia würde Castero nichts tun, zumal ihre Armee nicht existiert."

,,Sehr gutes Argument, Knappe. Hoffen wir, dass du in dem Punkt Recht behältst."

 

 

,,Mein Bruder hat wirklich nicht mehr alle Holzlatten am Schiff", fluchte Thogra, als sie am Hafen von Reako ankamen. Einige wenige Krieger hatten sich ihr angeschlossen, was ihr Bruder mit einem herzlichen Lachen nur noch verschlimmerte. Dennoch machte sich die Königin von Reako Sorgen. Falls es ihr Bruder nicht lebend zurück schaffte, verlor sie nicht nur einen großen Teil der Familie, sondern auch ein Familienmitglied. Ihre Art sich gegenseitig Morddrohungen an den Kopf zu werfen, wenn sie wieder aufeinandertreffen sollten, war nur ein kleines Detail, welches sie beunruhigte. Thogra selbst wusste, dass sie Yagre nie töten würde, aber galt das auch noch für ihn, jetzt wo er das Steuerrad in die Hand genommen und auf die Schneeinseln gesegelt war?

,,Hoheit?" Ein Krieger schnipste mit den Fingern und holte die Königin in die Realität zurück.

,,Was?"

,,Euer Vertrauter möchte mit Euch sprechen."

Thogra sah sich um. ,,Ach ja ich gehe sofort zu ihm." Sie warf dem Mann einen finsteren Blick zu, als sie diese Worte im Kopf wiederholte. Die Königin kletterte über die Reling von Bord an Land.

,,Hoheit, ich habe keine guten Nachrichten, fürchte ich."

,,Du glaubst gar nicht, wie sehr ich diesen Satz verabscheue, Esan." Die junge Frau mit den rötlichen Haaren setzte sich in Bewegung. Oft sprach es sich während eines Spaziergangs besser.

,,Euer Bruder hat alle Dorfbewohner töten lassen, wie Ihr wisst."

,,Ja, ich war dabei. Seltsam, ich habe gehofft, dass es ein Trick war...Dass sie noch leben."

Esan schüttelte den Kopf, sodass sein hellbraunes Haar hin und her wehte. ,,Kein Schein. Ich konnte nicht zulassen, dass wir mit ihm auf die fernen Inseln segeln, da ich um mein Leben und Euren gesunderen Verstand gehofft habe."

,,Den habe ich wohl."

,,Ihr erinnert Euch sicherlich noch an euren gemeinsamen Plan?", hakte der Händler nach.

Thogra nickte. ,,Klar. Wir wollten Reako zum einzigwahren Reich machen. Momentan sieht es eher so aus, als würden wir die einzigwahren Versager sein."

,,Unterschätzt Euer Land nicht. Ihr habt da jemanden vergessen, der nicht mit auf den Schiffen war."

Die Königin wurde hellhörig. ,,Der da wäre?"

,,Na Quirin...Ich meinte Ragran!"

,,Leise!", zischte Thogra. ,,Nur ich weiß, dass er Ragran ist. Sollte Yagre hier Spione haben, könnten die ihm diese Information heimlich zukommen lassen und dann käme er schneller wieder, als uns lieb ist. Zudem könnte er Quirin dann erst Recht umbringen lassen. Ich mache mir zwar Sorgen, aber er ist krank im Kopf..."

Esan sah die Königin an. ,,Wie Ihr wünscht...Was ich jedoch sagen wollte war, dass er Euch einen Brief zukommen ließ."

,,Einen Brief?" Neugierig starrte Thogra auf das Pergament, welches Esan aus seinem Umhang zog. ,,Ich habe es bei unserer Ankunft im Turm des Hafens entdeckt. Ehrlich gesagt habe ich sogar auf Antwort gehofft." Er reichte den Brief weiter.

,,Jetzt bin ich aber gespannt." Thogra faltete das Pergament auseinander und überflog die Zeilen. ,,Große Güte."

,,Was steht dort? Ihr seid plötzlich so blass um die Nase."

Die Königin reichte den Brief wortlos weiter.

,,Ich habe dem Schwächeren ein Ende gesetzt, an dem Ort, wo sich Licht und Schatten treffen. Warte auf den Ruf des kalten Windes von weit her, um rot und rot zu verstärken. Es scheint alles zu funktionieren, wenn man nur daran glaubt." Verwirrt sah Esan auf. ,,Verschlüsselt."

,,Begreifst du denn nicht?" Sie riss ihm das Pergament aus den Händen. ,,Quirin hat Anron getötet, er ist der Schwächere, da er keine Armee und kein Volk hat. Er tat es an einer der Grenzen, wo ein Baum weiß und der andere schwarz ist. Das ist mit Licht und Schatten gemeint. Er wartet nun auf eine Antwort von den fernen Inseln, weil er irgendetwas plant...Vielleicht unsere Armee zu erweitern."

,,Rot und rot, ergibt Sinn. Reako ist das rote Reich. Eventuell meint er damit Euch und Euren Bruder?"

Thogra zerriss den Brief. ,,Davon darf keiner erfahren..."

,,Euer Bruder...Hoheit!", rief Esan der Königin nach. ,,Wenn er auf die Leute der Inseln treffen sollte, dann könnte er in Gefahr sein."

,,Oder erst Recht außer Kontrolle geraten und Quirins Plan zerstören, den er aufgebaut hat. Dann kommt nämlich keine Verstärkung, geschweige denn ein kalter Wind." Sie ließ die Fetzen fallen. ,,Wir werden verlieren. Es gibt nur noch eine Möglichkeit unser Reich zu retten."

,,Die wäre?"

,,Wir freunden uns mit blau an."

Irritierter als ohnehin schon, sah Esan aus der Wäsche. ,,Nein...", dämmerte es ihm plötzlich.

Thogra nickte. ,,Doch. Wir und Nokard."

7. Das blaue Reich

 Es war ein langer Flug bis nach Nokard, doch Lydia wollte auf keinen Fall wieder umkehren. Lange genug lief sie vor der Tatsache fort, dass ihr Land zerbrochen war. Lange genug reiste sie herum um half, wo sie nur konnte. Jetzt musste sie an ihr Reich denken. Das blaue Reich.

,,Wir sind da", riss Valkan die Königin aus den Gedanken.

Lydia betrachtete die kargen Tannen und das große Brandmal, welches sich über eine weite Strecke des Waldes ausbreitete. In der Ferne erkannte sie bereits den Berg, auf dem das prächtige, helle Schloss von Nokard stand und erinnerte sich an den Tag zurück, als sie es mit einigen Wasserdrachen zurück eroberte. Nie hätte sie gedacht dieses Land mit einem Schneedrachen zu überfliegen, geschweige denn in einer Zeit wie dieser nach Hause zurück zu kehren. ,,Der lange Flug hat sich gelohnt."

Der Indianer hinter ihr zog sie am Ärmel. ,,Sieh mal da unten!"

Die Königin beugte sich leicht an dem Drachenrücken vorbei und kniff die Augen zusammen. ,,Menschen?" Verwundert merkte sie, dass auch Valkan ihrer Meinung zu sein schien. ,,Das ist nicht möglich...Oder?"

,,Wenn dein Volk so stark ist wie du, dann bestimmt."

,,Falls es überhaupt mein Volk ist", ergänzte Lydia. Sie gab dem Drachen ein Zeichen zu landen. Dieser gehorchte ihr sofort. Mit eleganten Flügelschwüngen und ausgestreckten Krallen, landete der Schneedrache auf dem trockenen Boden, welcher augenblicklich vereiste, als dieser darauf ankam. Weiterhin schwang der Drache die Flügel, bis dieser sie zusammenfaltete und auf den Boden legte. Er schien nach hinten zu schauen, während Lydia und Valkan abstiegen. ,,Danke", flüsterte sie dem Drachen zu.

,,Sicher, dass Ihr Euch bedanken müsst?"

,,Klar, die Drachen verstehen...", unterbrach Lydia sich selbst. ,,Valkan, wieso auf einmal so höflich, wir sind doch..."

,,Ich habe nichts gesagt", beteuerte der Häuptling und suchte nach der passenden Person, zur Stimme.

,,Der Indianer hat Recht. Ich war es."

Die Königin erstarrte. ,,Vasilias?!"

,,Erkennt Ihr mich schon nicht mehr?"

,,Wie habt Ihr es aus Reako geschafft?", hauchte Lydia perplex.

,,Durch die Tür." Vasilias winkte ab. ,,Ich wurde mehr oder weniger verbannt, aber das tut nichts zur Sache. Ich bin überrascht Euch hier anzutreffen."

,,Das kann ich von Euch ebenfalls behaupten...Was tut Ihr hier?"

Der König von Logarda lächelte nur und deutete auf die sich nähernde Menschenmenge.

Lydias Augen weiteten sich kurz, als sie diese erkannte. ,,Panna, Fred, Vinny...Vasilias, wo habt Ihr...?" Der Königin fehlten die Worte.

,,Guten Tag, Euer Hoheit. Wir haben Euch vermisst", versicherte die Arbeiterin strahlend.

,,Ich habe Euer gesamtes Dorf gefunden. Sie waren nicht weg, sie haben sich nur versteckt. Ihr erinnert Euch sicherlich noch an die Ruine von damals?"

,,Ja, klar."

,,Nun, dort waren einige, die anderen habe ich teilweise in Torpala aufgesammelt."

,,Torpala?! Was bei allen Meeren macht Ihr in Rosatras Reich?", fragte Lydia entsetzt.

,,Keine Ahnung, vielleicht uns ebenfalls verstecken. Mein Karlos war auch dort...Und einige andere Dinge..."

,,Torpala ist weit weg, es muss euch ewig Zeit gekostet haben hierher zu Fuß zu laufen", warf Valkan ein.

Vasilias schüttelte den Kopf. ,,Darüber muss ich wann anders mit Euch reden, Lydia."

,,Was ist mit meinem Stamm? Habt Ihr den auch gefunden?"

Der König nickte. ,,Nahe der Grenze zu Leydra. Sie waren weiter gekommen, als ich es erwartet hatte."

,,Und Euer eigenes Dorf?", hakte Lydia nach.

,,In Logarda aufgefunden. Alle wohlauf."

,,Ihr könnt gar nicht so schnell überall gewesen sein, zumal ich gar nicht so viele Menschen hier sehe, wie Ihr aufgezählt habt."

,,Lydia, es gab ein Problem..."

Sie seufzte. ,,Davon können wir wirklich nicht noch mehr gebrauchen."

,,Wo habt Ihr eigentlich meinen Berater gelassen?"

Lydias Blick verfinsterte sich einen Moment.

,,Sagt nicht, dass er tot ist." Vasilias schluckte.

,,Ist er nicht."

,,Götter, mein Herz. Ein Glück ist er am Leben." Er atmete tief durch. ,,Dennoch macht Ihr einen unglücklichen Eindruck, Lydia."

,,Wirklich? Nun, ich erzähle Euch alles, wenn wir im Schloss sind." Sie fing den Blick des Königs auf. ,,Es ist doch sicher vor Quirin und Wölfen?"

Vasilias nickte erneut.

,,Was macht Euch sicher?", hakte Lydia trotzdem nach.

,,Vertraut mir einfach."

Valkan nahm Lydias Hand und nickte. ,,Es wird Zeit zu reden."

 

 

Einige Minuten später öffnete Lydia das Eichenportal zum Schloss. Ein ungewohnt miefiger Geruch stieg ihr in die Nase. Sie versuchte diesen zu ignorieren und sich zu freuen zu Hause zu sein. Obwohl es ihr Zuhause war, kam sie sich ein wenig fremd vor. Nie wieder wollte sie so lange fort bleiben. Lydia hob ihr Kleid an, setzte einen Fuß auf die unterste Treppenstufe und ging hinauf. Die anderen folgten ihr. Oben angekommen sah sie umgestürzte Rüstungen, schief hängende Gemälde und Türen, die nur noch halb in ihrer Verankerung waren.

,,Wir haben noch einiges zu tun, um dieses Land wieder zum Leben zu erwecken."

,,Das schafft Ihr noch ein zweites Mal?", fragte Vasilias erstaunt.

,,So oft wie es nötig ist", erwiderte Lydia halbherzig. ,,Ich lasse mich nicht vom Thron stürzen. Heute nicht und auch niemals sonst. Entschuldigt mich bitte noch einen Augenblick, ich mache mich erst frisch." Sie sah die verschmutzten Menschen vor sich. ,,Das solltet ihr auch tun. Anschließend kommt ihr in den Thronsaal."

,,Hoheit, wir würden uns dann um die Küche kümmern", sagte Panna mit leichter Vorfreude in der Stimme.

,,Wie ihr möchtet...Hauptsache alle Nokarder und Layandra kommen wieder zurück in dieses Schloss." Sie blickte Vasilias vielsagend an. ,,Euer Dorf gehört nicht hierher und ich gehe davon aus, dass Ihr mir das sagen wollt. Auch Ihr könnt nach Hause gehen, sobald wir gesprochen haben...Es gibt noch eine Person, die dringend nach Euch sucht."

 

 

Frisch gebadet kehrte die Königin von Nokard in einem tiefblauen Kleid mit silbernen, funkelnden Steinen darauf zurück. Ihr dunkelbraunes Haar trug sie zur linken Seite, sowie einen blauen Haarreif. Nervös ging sie im Thronsaal auf und ab. Wie sollte sie es nur schaffen das Dorf diesmal wieder aufzubauen?

,,Hoheit?"

,,Vasilias, bitte tretet ein."

,,Die Kleidung Eures Vaters steht mir hervorragend, findet Ihr nicht?"

Lydia hörte einen leicht ironischen Unterton aus seinen Worten heraus, nickte aber zustimmend.

,,Ihr scheint genau seine Größe zu haben."

,,Ha, ein Zufall..." Vasilias schweifte ab, trat vor das Gemälde von ihrer Mutter und schwieg eine Weile. ,,Geht es Euch gut?"

Überrascht zog die Königin eine Augenbraue hoch. ,,Könnte gar nicht schlimmer sein, aber mein Volk leidet am meisten. Nein, nicht nur meines...Alle." Sie faltete ihre Hände. ,,Falls Ihr unser Kind meint, welches noch nicht mal auf der Welt ist...Es hat schon jetzt eine grauenhafte Zukunft vor sich."

,,Eine Schande", bestätigte Vasilias. ,,Ah, der Häuptling ist da. Nun erzählt mir endlich was passiert ist."

,,Ihr zuerst...Bevor Ihr es wieder vergesst."

,,Also gut, aber das wird Euch womöglich nicht gefallen...", setzte er zerknirscht an.

,,Ich bitte Euch, Vasilias. Legt schon los."

Der König schüttelte seine Arme und starrte in Lydias Richtung. ,,Seht mir in die Augen."

,,Wie bitte?", fragte Lydia.

,,Tut es einfach."

Unsicher kamen sowohl Lydia, als auch Valkan der Aufforderung nach.

,,Was seht ihr?"

,,Götter..." Die Königin schlug die Hände vor ihr Gesicht. ,,Eure Augen..."

,,Was ist vorgefallen?!" Valkan war einen Schritt näher getreten.

,,Der Blitzdrache hat mich und zwei Familien Eures Dorfes erwischt. Wir denken zumindest, dass er es war. Wir waren danach wie besessen den Mond anzustarren und konnten plötzlich Dinge sehen...Menschen sehen."

,,Deshalb wusstet Ihr, wo mein Dorf war?"

Vasilias senkte den Kopf und nickte. ,,Vinny hat einen seiner Freunde gesehen und den Ort wieder erkannt."

,,Kinder wurden auch noch verflucht?" Sie drehte sich zu Valkan, der sich wieder neben sie stellte.

,,Habt Ihr eine Ahnung, was passieren kann, Vasilias?!"

,,Choca ist doch auch verflucht und bekommt es in den Griff. Vielen Leuten geht es so."

,,Nein, Choca ist tot!"

Der König wurde blass im Gesicht. ,,Wie...?"

,,Ich erzähle Euch die Geschichte, Bleichgesicht. Ihr dürft mich aber nicht unterbrechen und hört mir bis zum Ende zu", sagte Valkan schließlich.

Vasilias nickte. ,,Einverstanden. Ich höre zu."

8. Sommer

 Lydia erwachte am folgenden Morgen sehr früh. Sie warf ihre hellblaue Decke nach hinten, schlüpfte mit beiden Beinen heraus und stand auf. Nach ihrem gestrigen Gespräch mit König Vasilias stand ihr noch immer die Sorge in den Knochen. Die Königin rieb sich den Nacken, während sie verschlafen auf eines der Fenster in ihrem Gemach zuging. Es war das Fenster, durch das einst Valkan herein gesprungen war, um sie vor Asimi zu retten. Ein Glück war sie wenigstens ihn los.

,,Worüber denkst du an einem so schönen Morgen nach?"

Sie drehte den Kopf in Richtung Bett, wo der Häuptling unter einer Decke vergraben lag. Manchmal vergaß sie, dass all das kein Traum, sondern die Realität war. ,,Das Übliche."

,,Dein Schloss bekommen wir wieder hin. Es ist heruntergekommen, aber nicht vollkommen zerstört."

Lydia antwortete nicht.

,,Geht es um das Dorf der Bleichgesichter? Auch das bekommen wir wieder hin."

Selbst auf diese Frage bekam er keine Antwort.

,,Was ist mit dir?"

,,Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Valkan", beruhigte ihn die Königin und wischte sich über ihre Augen. ,,Du hast recht...Wir bekommen das hin."

,,Es ist wegen Vasilias!", dämmerte es ihm. Sanfte Feder schwang sich aus dem Himmelbett. ,,Er wird nicht sterben. Fred, Panna und die anderen Betroffenen ebenso wenig."

,,Ist dir bewusst, was du da sagst? Ich muss alle beschützen, um sie vor dem Tod zu bewahren. Mehr noch, auch die, die sie durch ihre Augen sehen können!" Verzweifelt wandte sie sich wieder dem Fenster zu.

,,Es ist unmöglich alle zu beschützen, auch wenn du das nicht wahr haben möchtest." Er trat neben die Königin.

,,Stell dir nur vor Vasilias stirbt...Was soll ich tun, wie soll sein Reich enden?"

,,Noch lebt er und wir werden weiteres Vorgehen mit ihm besprechen. Darauf gebe ich dir mein Indianer Ehrenwort."

Lydia brachte in dieser Sekunde kein Lächeln zustande.

,,Sieh nur!" Valkan deutete neben ihr aus dem Fenster.

Auf den Bergen in der Ferne erschienen Drachen, die sich auf den Bergspitzen nieder ließen und ihre Hälse in die Luft streckten.

,,Die Erddrachen?"

Plötzlich begannen alle gleichzeitig Feuer zu speihen.

,,Es sind keine Erddrachen mehr, Lydia." Valkan lächelte. ,,Der Sommer ist da."

 

 

Am frühen Mittag trat Fred an den Tisch der Königin, die gerade zu Mittag aß. ,,Verzeiht Hoheit, König Vasilias bittet nach Euch."

,,Wieso kommt er nicht hierher?"

,,Er bat mich auf Knien..."

,,Wie bitte?" Lydia wischte sich mit einem Tuch über den Mund, faltete dieses zusammen und legte es auf den Tisch vor sich. ,,Entschuldige mich, Valkan." Die Königin trat aus dem Speisesaal. ,,Danke, Fred."

 

 

,,Ihr habt mich rufen lassen in meinem eigenen Schloss?"

Vasilias nickte, ging hinter der Königin entlang und verriegelte die Tür hinter ihr.

,,Was soll das werden, Vasilias?", fragte Lydia erstaunt.

,,Ich muss das tun...Versteht das nicht falsch", erwiderte der König von Logarda.

Sie drehte sich im Kreis, damit sie dem König in die Augen sehen konnte, doch dieser starrte regelrecht den Teppich neben der Türe an. ,,Was ist denn mit Euch passiert?"

Er stand zitternd an der Tür und klammerte die Klinke fest, als würde ein Monster hinter dieser lauern und nur darauf warten, dass er aus dem Zimmer trat.

,,Vasilias...Ihr macht mir Angst." Lydia versuchte näher an den König heran zu treten. ,,Lasst mich später wiederkommen, wenn es Euch besser geht."

Der König schlug gegen die Holztür, sodass die Königin erschrak.

,,Was bei allen Göttern soll der Unfug?! Lasst mich raus!" Lydia ergriff einen kleinen Teil des Eisens, wurde jedoch von Vasilias wieder zurück gedrängt. Ihr Puls stieg rasend schnell an. ,,Wenn Ihr mir etwas zu sagen habt redet endlich!"

Vasilias stand nur da und beschützte die Tür.

,,Ich rufe meine Wachen...", drohte die Königin prompt.

,,Nein! Ich sage es Euch." Langsam ließ er die Klinke los und wandte sich zur Königin. ,,Da gibt es etwas, dass Ihr Wissen solltet."

,,Ihr glaubt mir nicht, wie sehr ich diesen Satzanfang verabscheue, Majestät."

,,Euer Vater ist am Leben."

Lydias braune Augen weiteten sich. ,,Wie könnt Ihr es wagen über meine Familie zu scherzen?! Meine Eltern sind tot, meine Schwester ist tot...Und Jahre später kommt Ihr daher und meint mir zu sagen, dass mein Vater lebt?"

,,Es stimmt."

,,Es stimmt nicht! Ich war auf seiner Beerdigung, ich sitze seit Jahren auf dem Thron von Nokard. Warum? Weil es neben mir keinen Fuero mehr gibt!", konterte Lydia.

,,Wen auch immer Ihr beerdigt habt, war nicht Euer leiblicher Vater..."

,,Meine Mutter war keine unehrliche Frau!", schrie Lydia nahezu durch das Schloss, sodass man es bis zum Fuße des Hügels hätte hören können.

Vasilias schluckte. ,,War sie auch nicht, aber Euer leiblicher Vater ist trotzdem jemand anderes..."

,,Warum erzählt Ihr mir das jetzt?" Wieder liefen ihr Tränen über das blasse Gesicht. ,,Wollt Ihr riskieren, dass mein Kind einen Gehörsturz erleidet, weil ich so schreie?!"

,,Ihr braucht nicht schreien...", setzte der König an.

,,Ich kann es aber nicht kontrollieren!" Lydia atmete tief durch. ,,Redet...Wer ist es und weshalb rückt Ihr jetzt damit raus?"

Der König von Logarda warf sich auf das Bett, in welchem er übernachtete. ,,Da ich nicht wusste, in welch eine Gefahr mich der Blitzdrache gebracht hat. Es ist Euch bewusst, dass ich nicht mehr lange Leben werde, seitdem ich verflucht wurde?"

Lydia versuchte ihre Trauer ohne Erfolg zu ignorieren. ,,Ihr wisst nicht wie lange es dauert, bis Ihr wirklich..."

,,Ich dachte schon in Reako Euch nie wieder zu sehen. Das Leben ist kurz, jeder muss seinen Weg gehen. Bevor ich es mit in mein Grab nehme, sage ich es Euch." Wankend stellte er sich aufrecht hin, ließ seine Augen über den Boden zur Königin hinauf wandern. ,,Ich bin Euer Vater, Lydia."

Lydia sank, ohne es zu wollen und mit den Nerven am Ende, auf den großen Teppich.

,,Lydia? Götter von Logarda, Lydia!" Vasilias stolperte neben die Königin und zog diese an sich. ,,Wachen! Wachen!", brüllte er.

Augenblicklich rüttelte es an der Türe.

Vasilias nahm all seine Kraft zusammen und öffnete diese.

,,Was hat das zu bedeuten?", fragte Ser Chrysos, während er seine Königin auf dem Boden liegen sah.

,,Ich habe ihr nichts getan."

,,Das kann niemand bezeugen", merkte Kipivo sofort an.

Der König musterte die Ritter mit einem grimmigen Blick. ,,Glaubt ihr wirklich ich würde Lydia etwas antun?! Narren, helft ihr!"

Kipivo und Serpo trugen die Königin aus dem Zimmer. Auf dem Weg zu ihrem Gemach trafen sie auf den Häuptling der Layandra.

,,Was ist passiert?!"

Ser Chrysos machte ein ernstes Gesicht. ,,Wir wissen es nicht."

,,Wo habt ihr sie gefunden?"

,,Bei König Vasilias."

Valkan kochte vor Wut. ,,Wo ist dieses Bleichgesicht?!"

,,Ihr solltet ihn nicht zu vorschnell verurteilen, Ihr wisst nicht, was gewesen ist."

,,Genauso wenig, wie ihr auch", entgegnete der Indianer und eilte davon.

9. Thronfolge

 ,,Vasilias!", rief Valkan zornig durch die Flure des Schlosses.

Der besagte König eilte bereits aus seinem Gästezimmer hinaus zu den Treppen, wurde jedoch von dem Häuptling schnell eingeholt.

,,Stehen bleiben!" Sanfte Feder packte den König am Handgelenk und hielt ihn fest. ,,Was habt Ihr mit Lydia gemacht?"

,,Nichts...Ich schwöre es bei meinem Leben."

,,Denkt nicht, dass Euer Leben so viel wert wäre Euch nicht gleich hier runter zu stoßen." Kaum hatte Valkan diese Worte ausgesprochen, bereute er sie auch schon wieder. ,,Verzeihung."

Der König von Logarda hob entschuldigend die freie Hand. ,,Ich kann Euch verstehen, Ihr macht Euch Sorgen um die Königin. Bitte verurteilt mich nicht zu vorschnell."

,,Dann erzählt mir, was passiert ist", flehte Valkan und ließ die Hand des Königs los.

Vasilias atmete tief durch. ,,Da ich nicht mehr weiß, wie lange ich noch leben werde...Habe ich Lydia die Wahrheit erzählt."

,,Hätte mir denken können, dass Ihr wieder etwas verschwiegen habt. Warum findet Ihr nur einen solchen Gefallen daran?"

,,Lasst mich ausreden, Häuptling. Ich habe Lydia eine sehr wichtige Sache erzählt...Dass ich ihr leiblicher Vater bin", brachte Vasilias hervor.

,,Wie bitte?!", platzte es aus dem Indianer und gleichzeitig ertönte eine zweite Stimme, die dasselbe sagte.

Als sich die beiden umdrehten, erkannten sie Ekatoa.

,,Bitte erzählt es nicht rum." Vasilias fiel auf die Knie. ,,Ich weiß nicht mehr, was ich noch tun soll."

Ekatoa und Valkan wechselten vielsagende Blicke. ,,Wir warten bis Lydia wieder aufwacht und reden dann mit ihr über das weitere Vorgehen."

,,Nein! Sie hasst mich jetzt noch mehr als vorher..."

,,Ist das überhaupt noch möglich?", dachte der Indianer mit dem roten Kopftuch laut nach.

,,Was bedeutet das nun für Lydia?", hakte Valkan besorgt nach.

,,Eventuell ein Problem", erwiderte der König von Logarda kleinlaut.

,,Weshalb? Der Mann, der für ihren Vater gehalten wurde ist tot, genau wie ihre Mutter und Schwester..."

Vasilias zuckte mit den Schultern.

,,Noch mehr Lebende, von denen wir wissen sollten?"

,,Ich habe keine Ahnung...Ihre Mutter ist wirklich tot, genau wie ihr falscher Vater", murmelte der König.

,,Ich erinnere mich noch an die Geschichte. Lydia meinte, dass ihre Schwester dank Wylland verschwunden war und ihre Eltern sie gesucht haben. Terima Fuero, ihre Mutter, hatte ein Buch gesucht, richtig?", fasste Ekatoa zusammen.

,,So ist es. Zu dem Zeitpunkt war ihr Mann gestorben, als ihre Kutsche überfallen wurde und sie kam in mein Schloss. An dem Tag habe ich erst erfahren, dass Lydia meine Tochter und nicht die von Ginnon ist."

Valkan verschränkte seine Arme vor sich. ,,Jetzt wird mir klar, weshalb sie überhaupt etwas mit Wylland angefangen hatte und was Ihr damals mit Thronfolge meintet. Terima brauchte nicht nur einen König an ihrer Seite, sondern wollte sicherstellen, dass Lydia noch auf dem Thron von Nokard sitzen kann."

,,Kann sie das jetzt überhaupt noch?", fragte Ekatoa plötzlich.

,,Konnte sie auch, als Wylland gelebt hat. Wenn zwei Reiche vereint werden, hat das Kind immer das Recht über beide zu herrschen oder beide zu vereinen."

,,Lydia hat aber nie über Isarek geherrscht."

,,Da Wylland nicht ihr Vater war. Ginnon selbst war bereits König und ihre Mutter war eine einfache Angestellte, die Königin wurde, als sie Ginnon heiratete. Immer noch eine Schande, dass sie sterben musste. Es hätte nie so kompliziert werden müssen."

Ekatoa sog die Luft ein. ,,Verstehe ich das nun richtig...Lydia hat gar keinen Anspruch mehr auf den Thron von Nokard, da Ginnon nicht ihr Vater war, sondern...Ihr?"

Vasilias senkte den Kopf.

,,Lydia müsste auf dem Thron von Logarda sitzen?!", dämmerte es Valkan. ,,Was ist mit ihrer Schwester?"

,,Diese war Ginnons und Terimas leibliches Kind. Würde sie leben, würde sie auf diesem Thron sitzen."

,,Warum habt Ihr nie etwas gesagt?!"

,,Glaubt Ihr wirklich ich riskiere ihren Sturz, nachdem Ihre Mutter das Geheimnis mit ins Grab nahm? Was denkt Ihr, wie das Volk reagieren würde, hätten sie damals keinen Herrscher mehr auf dem Thron gehabt? Sie wären verloren und auch nur ein Reich ohne Regent", verteidigte sich Vasilias.

Valkan rückte sein blaues Kopftuch zurecht. ,,Ihr habt uns mehr Schwierigkeiten gebracht, als Isarek und Reako zusammen. Das ist Euch hoffentlich bewusst."

,,Wird davon jemand erfahren, wird euer Thron auf jeden Fall in Frage gestellt und euer Kind wird von anderen gestürzt, sollte es jemals da oben sitzen. Es hat keinen Anspruch auf den Thron, da Ihr kein König seid und Lydia keine Königin dieses Landes ist."

Sanfte Feder seufzte. ,,Das darf doch wohl nicht wahr sein."

,,Die Nokarder würden euch nicht stürzen oder denken, dass ihr sie an der Nase herumgeführt habt...", setzte Ekatoa an.

,,Da sei dir nicht so sicher...Lydia war lange fort. Wer weiß, wer ihr noch vertraut. Von mir mal ganz zu schweigen", erinnerte Valkan.

 

 

Am selben Abend noch, schreckte Lydia unter Decken verdeckt auf.

,,Hoheit, Ihr seid aufgewacht!", sagte Panna freudig. ,,Ich habe mir Sorgen gemacht."

,,Was ist passiert?"

,,Wüsste ich auch gerne. Eure Wachen haben Euch hierher gebracht. Aus irgendeinem Grund habt Ihr wohl das Bewusstsein verloren."

Die Königin schluckte und hielt sich ihre rechte Hand an die Stirn. ,,Götter...Ich weiß was passiert ist. Ich bete, dass es nur ein Traum war."

In dieser Sekunde trat Ser Chrysos in das Gemach der Königin. ,,Euer Hoheit." Er verbeugte sich. ,,Wir haben beunruhigende Neuigkeiten..."

,,Vasilias..."

,,Nichts mit dem König. Unter den Dorfbewohnern gibt es bereits Gerüchte, was passiert sein könnte, als Ihr bei dem König wart."

,,Gegen falsche Geschichten kann ich nichts tun", murmelte Lydia. ,,Was wird denn erzählt?"

,,Vasilias habe Euch töten oder gar Schaden zufügen wollen."

,,Hat er nicht. Helft mir aufzustehen, dann kläre ich das auf." Fest entschlossen warf sie die blauen Decken nach hinten und rutschte zur Bettkante.

,,Ich halte das für keine gute Idee. Ihr müsst Euch erst erholen. Geschichten können warten", meinte Chrysos wissend.

Lydia erhob sich. ,,Unsinn. Ich bekomme kein Auge zu, wenn mir solche Hintergedanken im Kopf herum schwirren. Ruft mein Volk zusammen, bitte."

Ser Chrysos verneigte sich erneut. ,,Wie Ihr wünscht, Hoheit."

,,Fühlt Ihr euch wirklich besser?", hakte Panna besorgt nach. ,,Euer Mann...Freund...Der Indianer hat nach Euch gefragt."

,,Valkan? Er muss sich Sorgen machen. Ich sollte erst zu ihm gehen, dafür muss Zeit sein."

Panna nickte. ,,Das solltet Ihr tun."

 

 

,,Hoheit!", hielt Serpo Lydia auf, die gerade den ersten Treppenabsatz erreichte.

,,Ja, Serpo?"

,,Vasilias ist verschwunden."

,,Seit wann genau?"

,,Noch nicht zu lange. Der Häuptling der Layandra hatte noch heute Nachmittag mit ihm gesprochen.

,,Götter ich hoffe er hat nichts Unbedachtes getan", dachte Lydia im nächsten Moment.

Der Ritter verbeugte sich hastig. ,,Wir starten ein Suchtrupp, wenn Ihr wünscht?"

Lydia nickte. ,,Sucht ihn und bringt mir meinen...Bringt ihn umgehend zu mir." Die Königin trat an das Geländer und sah darüber hinweg, das Treppenhaus hinab. Es schien, als würden leuchtende Gestalten in weiß zu ihr herauf sehen. Bekannte Gesichter, wie das von Ydro, Zoera und Eileen. Lydia schreckte zurück. ,,Hab ich meinen Vater schon wieder verloren und diesmal für immer?"

10. Die Jagd

 Akayla stocherte zornig eine Kartoffel zu Brei, die sich noch auf ihrem bronzenen Teller befand. Um sie herum war der Esstisch mit allerlei Speisen und Getränken gedeckt, sogar die uralten Vasen wurden wieder mit Blumen geschmückt. Es schien alles wie immer und doch fehlte ihr etwas, ihre Mutter.

,,Akayla, zerstör nicht weiter die Kartoffel. Dein Verhalten ist nicht königlich in den letzten Tagen."

,,Du klingst wie Mutter", hauchte sie traurig.

,,Es reicht, Akayla! Mir fehlt deine Mutter auch, aber ich habe seit Tagen keine Antwort aus Waldegro bekommen." Siaac schlug seine flache Hand auf den Tisch. ,,Glaubst du etwa ich würde mir keine Sorgen machen?!"

,,Das habe ich nie gesagt, Vater..."

,,Dann denk auch nicht eine Sekunde weiter daran!"

,,Warum bist du so unfair mir gegenüber? Ich habe nichts gesagt, sondern lasse meinen Zorn am Essen aus", wehrte sich seine Tochter und rückte ihren Stuhl nach hinten.

,,Deine Mutter wird wiederkommen und Lorna wird sie freigeben. Darauf vertraue ich."

Die Prinzessin schüttelte nur fassungslos den Kopf. ,,Du willst keinen Krieg, verstehe ich. Du willst keine weiteren Opfer, auch das verstehe ich. Nur dass du hier sitzt und isst, als wäre nie etwas passiert, verstehe ich nicht! Königin Lorna ist nicht einschätzbar, wenn sie wütend ist und ich bin es auch nicht."

Verwundert sah Siaac sie an.

,,Erinnerst du dich an unser Hausmotto?"

,,Genug davon. Ich werde mich auf eine neue Jagd vorbereiten, um den Kopf frei zu bekommen." Er winkte den Knappen zu sich, der die ganze Zeit über vor der offenen Türe Wache stand. ,,Dayne, bitte pass auf Akayla auf. Sie weiß momentan nicht was sie tut. Ich wäre dir dankbar, wenn du das fröhliche Mädchen wieder ans Tageslicht holst, was sie einst war."

,,Sehrwohl." Dayne verneigte sich kurz und warf dann einen Blick zu der Prinzessin.

,,Du läufst schon wieder weg?!" Akayla nahm ihren Becher in die Hand, trank einen Schluck und stellte ihn danach wieder auf ihren Platz. ,,Sieh mich nicht so an, Knappe. Niemand in dieser Burg wird sein wie er war, seitdem die Piraten uns angegriffen haben! Niemand!"

König Siaac wandte seinen Blick von Akayla ab und aß wortlos weiter.

Sie bemerkte, dass Dayne sie immer noch beobachtete. ,,Hör nicht auf meinen Vater...Du kannst ihn ohnehin nicht ausstehen..." Somit stürmte sie aus dem Speisesaal in ihr Zimmer und verriegelte die Tür. Wenn sie nicht für Castero handelte, würde es keiner tun oder erst dann wenn es bereits zu spät war.

 

 

Der folgende Morgen brach an. Die Sonne suchte sich ihren Weg über die grünen Wiesen von Castero und tauchte kleine Flüsse in glitzernde, blaue Gewässer. Einzig die Burg wirkte weiterhin trüb mit ihren dunklen Steinmauern und den Gräbern um ihre Mauern. Es war einer der seltensten Tage, an denen die Sonne länger als fünf Stunden am Stück scheinen sollte, worüber sich die Prinzessin an manch anderem Tag womöglich gefreut hätte. Sie wäre vor ihren Wachen geflüchtet, da ihre Mutter sie mit Königshäusern und Geschichten jagte, doch es war alles anders. Niemand jagte hinter ihr her und niemand interessierte sich dafür, was die Prinzessin gerade machte. Stattdessen versammelten sich etliche Dorfbewohner um König Siaac auf seinem edlen Pferd und seiner noch edleren Kleidung. Diese war in den Farben von Castero und dessen üblich strenges Muster.

Akayla beobachtete das Schauspiel von einem Burgfenster aus, von dem man sie nicht sehen konnte.

,,Der König möchte sich von Euch verabschieden, Prinzessin."

,,Ich möchte das aber nicht", antwortete sie mürrisch. ,,Siehst du Dayne? Er trägt sogar seine Krone wieder. Auf der Jagd trägt er die nie."

Der Knappe trat neben die Prinzessin und sah aus dem Fenster in den kleinen, belebten Innenhof hinab. ,,Ihr habt Recht."

Die Prinzessin von Castero drehte dem Fenster den Rücken zu. ,,Ich möchte das alles nicht mehr sehen."

,,Bitte nicht weinen, Prinzessin", sagte der Knappe sofort.

,,Was kümmert es dich, ob ich weine? Kaum sagt mein Vater dir, dass du ein Auge auf mich haben sollst, machst du es auch..."

,,Ich mache immer was Euer Majestät mir befehlt. Zugegeben es ist nicht immer angemessen, was ich von dem König denke, aber solange ich die Befehle ausführe, kann er mir nichts anhaben."

,,Du entschuldigst dich für deine Gedanken? Götter, Dayne. Ich verstehe die Leute nicht, die keine schlechten Gedanken von meinem Vater haben. Das gilt auch oft für meine Mutter. Alle die, die sich einreden nicht schlecht von ihnen zu denken sind die Bedauernswertesten."

Dayne setzte an etwas zu sagen, ließ es dann aber doch bleiben.

,,Tut mir leid, wegen gestern Abend. Ich wollte dich nicht Knappe nennen", fügte sie hinzu, bevor sie den Flur entlang ging.

Ohne Aufforderung folgte Dayne ihr. ,,Ist nicht weiter schlimm. Das habe ich auch nicht ernst genommen, Prinzessin."

,,Du lügst auch schon aus Angst mir gegenüber", stellte Akayla amüsiert fest und wusste nicht wieso sie plötzlich lächeln musste.

,,Verzeihung." Dayne blieb stehen.

Akayla, die ihm schon einige Schritte voraus war, wandte sich zu ihm um. ,,Ich muss etwas unternehmen, bevor mein Vater gestürzt wird."

Daynes Augen weiteten sich vor Schreck. ,,Wie meint Ihr das...?"

,,Genau, wie ich es sagte. Lorna plant sicherlich schon einen Krieg gegen uns, von Yagre und Thogra mal ganz zu schweigen."

,,Die Nachricht war doch aber eine Fälschung", erinnerte Dayne.

,,Mag sein, das bedeutet aber nicht, dass Lorna nicht irgendetwas im Hinterkopf hat. Sie hat schließlich meine Mutter eingesperrt und das werde ich ihr nie verzeihen." Die Prinzessin verschränkte ihre Finger vor sich.

,,Was gedenkt Ihr gegen mögliche Aufstände gegen das Reich zu tun?"

,,Du meinst, weil ich keine Königin bin?"

Der Knappe nickte stumm.

,,Zunächst muss ich zusehen, dass mein Vater nicht alle Kämpfer auf seiner Jagd draufgehen lässt. Danach sorge ich dafür, dass das Volk kämpfen lernt. Sie können sich nicht verteidigen und leben in ständiger Angst. Die Floghlai Mara hat mir wirklich die Augen geöffnet. Entweder du hast ein ganzes Reich, das kämpfen kann oder du hast nur eine Schwachstelle in deinem Land."

,,Lasst mich Euch helfen. Ich mag nicht der geborene Ritter sein, doch ich habe einiges von meinem Cousin Nate gelernt."

,,Hast du je für ihn gebetet?"

,,Wie meint Ihr das nun wieder?", hakte Dayne irritiert nach.

,,Seitdem er tot ist...Hast du gebetet, dass sein Geist Frieden findet?"

Daynes Herz begann einen Schlag auszusetzen. ,,Nein."

,,Dann bitte ich dich das zu tun. Meinetwegen folge mir im Anschluss in das Dorf."

Der Knappe schien erleichtert zu sein. ,,Werde ich machen, Prinzessin."

,,Eines noch. Lass dich nicht so grauenhaft behandeln oder erniedrigen von beiden meiner Eltern. Du bist nicht ihr Eigentum." Sie schaute ernst. ,,In deinem Alter, hätte ich das auch nicht getan."

,,Noch habt Ihr mein Alter von zwanzig nicht erreicht, Prinzessin."

Akayla legte den Kopf schief und setzte sich dann in Bewegung nach Draußen.

11. Von Berater zu Berater

 Anemro eilte voller Hoffnung auf die Tore des Schlosses mit den einladend orangenen Dächern zu. Dahinter würde Vasilias auf ihn warten und er würde wieder seine Rechte Hand sein, wie immer. Er sprang nahezu die Treppenstufen hinauf zum Eingangsportal, blieb dort aber stehen. Es war noch immer vollkommen zerstört und jeder der wollte, konnte ein und ausgehen. Unsicher setzte Anemro einen Fuß vor den anderen, während er das Schloss betrat.

,,Hallo?"

Keiner antwortete ihm.

,,König Vasilias?" Auch auf diese Frage bekam er keine Antwort. Mit wachsender Unruhe ging er weiter in die Eingangshalle hinein. Hier konnte niemand sein. Enttäuscht lehnte sich Anemro an eine der kalten Wände und rutschte daran zu Boden. Nachdenklich betrachtete er den Staub auf dem Boden, der sich durch den leichten Wind bewegte. Sein König war also noch immer nicht Zuhause, doch wo sollte er sonst noch sein? Anemro schloss die Augen und lauschte den Geräuschen der Natur. Ein Sonnenstrahl bahnte sich seinen Weg in die Eingangshalle und schien auf seinen Stiefel. Das erinnerte ihn an einen längst vergangenen Sommer in Logarda, wo er von dem König selbst zur Rechten Hand ernannt wurde. Damals war er so glücklich. Er konnte seine Mutter stolz machen. Sie war so glücklich, dass sie ihm noch den ganzen Tag lang nicht ohne eine Umarmung hatte gehen lassen wollen. Erst als Anemro einen Platz im Schloss angeboten bekam, bemerkte er, wie sehr es ihm fehlte Zuhause zu wohnen. Nach Wochen hatte er sich daran gewöhnt und stets seine Mutter im dorf besucht, aber jetzt, wo keiner seiner Eltern mehr lebte, der König verschwunden und Menschen die er mochte ihn hassten, fühlte sich Anemro allein wie nie.

Es dauerte eine Zeit, bis er von dem Boden aufstand und in das Sonnenlicht der Natur trat. Vor seinen Augen sah er hier noch immer das alte Logarda, frohe Dorfbewohner und einen zufriedenen König. Es hätte alles nie so weit kommen müssen, wäre Isarek nie gewesen. Er ließ seinen Blick schweifen, bis ihm etwas in den Augen brannte, das von der Sonne reflektiert wurde. Hastig eilte er die Treppe hinab, folgte dem schmalen Steinweg in Richtung Wald und lauschte. Sollte es sich um einen Feind handeln, würde er ihn hören. Mit klopfendem Herzen näherte er sich einer breiten Buche und sprang hervor. Er erschrak mehr vor dem Nichts, als vor seinem Schatten, den er auf den Baumstamm warf. Es schien niemand hier zu sein. Hatte sich Anemro in etwas verharrt, nur weil er nicht mehr alleine sein wollte oder hatte er einfach nur Angst um sein Leben?

Verunsichert ging er ein wenig weiter in den Wald hinein. Bei Sonnenschein war es wunderschön an diesem Ort. Die Pflanzen auf der Erde wirkten kräftig grün und die Steinbrocken links und rechts luden nahezu zum Picknick ein. An so etwas konnte Anemro gar nicht denken.

,,Ich dachte Euch endlich los zu sein."

Blitzschnell drehte sich Vasilias Berater um. ,,Quirin?!"

,,Ihr habt Euch meinen Namen gemerkt..."

,,Was wollt Ihr in Logarda?!"

,,Nur mal sehen, ob Ihr etwas mit dem Verschwinden meiner Adler zu tun habt."

,,Was für Adler?"

Ernst blickend trat Quirin auf Anemro zu und stieß ihn gegen den Baumstamm hinter ihm.

,,Von Berater zu Berater...Legt Euch nicht mit mir an." Fies grinsend blickte Quirin auf den überraschten Anemro hinab. ,,Die Königin der Schneeinseln wird mir zur Hilfe kommen und Ihr werdet sie nicht länger von mir fern halten...Also sagt mir endlich, wo ist sie?!"

Anemro starrte in weit aufgerissene Augen. ,,Ich schwöre Euch, ich habe keine Ahnung! Ich wusste nicht mal, dass es eine Königin auf den Schneeinseln noch gibt!"

,,Naiv zu lügen, wie dieser Anron auch", seufzte Quirin.

,,Ich lüge nicht!" Anemro trat zu, bevor sein Gegenüber ihn erneut angreifen würde und brachte ihn zu Fall.

,,Mir ist egal, was Ihr mit der Königin der Schneeinseln für grausamen Pläne schmiedet." Er stellte seinen Fuß auf Quirin ab. ,,Sagt mir lieber, was Ihr mit Vasilias angestellt habt!"

Quirin hustete einen Augenblick. ,,Mit diesem Aetoc habe ich nichts weiter zu tun." Er ergriff Anemros Fußgelenk.

,,Ich warne Euch, Quirin. Habt Ihr Vasilias nur ein Haar gekrümmt..."

,,Diesmal lüge ich nicht. Was sollte ich von diesem Vasilias überhaupt noch? Mal abgesehen davon, dass er noch lebt und ein Dorn in meinem Auge ist", ergänzte er sich selbst.

,,Verschwindet von hier!"

,,Geht nicht, Ihr steht mit Eurem abscheulichen Stiefel auf mir."

Anemro bewegte sich keinen Zentimeter.

,,Was sehe ich denn da? Ihr würdet mich am liebsten an Ort und Stelle umbringen, sehe ich das richtig?", fragte Quirin mit rauer Stimme.

,,Nur zu gerne."

,,Ihr könnt mich nicht umbringen, ich bin viel stärker, als Ihr." Kaum hatte er seinen Satz beendet, zog er kräftig an Anemros Knöchel.

Dieser landete perplex auf dem Waldboden und stieß sich den Kopf an der Buche.

,,Ihr hättet mich töten sollen, als es noch ging." Quirin beugte sich über Anemro. ,,Ihr werdet meine Pläne nicht verraten, sonst endet Ihr nicht nur wie Asimi, sondern auch wie Euer lächerlicher Abklatsch von Nachbarland." Zufrieden stieg Quirin über Vasilias Berater hinweg und verabschiedete sich mit den Worten: ,,Grüßt Anron von mir, wenn Ihr ihn auf der anderen Seite begegnet!"

,,Verflucht nochmal..." Anemro blieb zurück, mit beiden Händen am schmerzenden Kopf, bevor er das Gefühl hatte einfach einzuschlafen.

 

 

Lorna atmete erleichtert auf, als sie nach Tagen unbrauchbarer Reise endlich Castero erreichten.

Königin Maimee schien es sehr ähnlich zu ergehen, da sie zum ersten Mal seit langem wieder strahlte. ,,Ich muss sofort in die Burg. Ihr könnt mitkommen, damit wir über unsere gemeinsame Armee sprechen können."

Die Königin von Waldegro nickte zustimmend. ,,Sicher." Sie betrachtete den steinigen Boden und versuchte nicht zu fallen. ,,Hauptsache ist doch, dass der Schneesturm vorbei ist, den Haidran uns mitteilte."

,,Da stimme ich Euch zu, Kind."

,,Nennt mich nicht andauernd Kind, so jung bin ich nun auch nicht", wehrte sich Lorna.

,,Ihr seid unter dreißig, also darf ich das."

Genervt folgte Lorna der aufholenden Maimee. Diese kannte ihren Heimatboden, mit all seinen Ecken und Kanten natürlich in und auswendig. Waldegros Königin konnte man von Castero nicht großartig begeistern, doch solange es eine kampffähige Armee besaß, musste sie auch seine Wege ertragen.

Maimee erreichte als erste die dunkle Burg von Castero. Sie stand vor der Burgbrücke, legte den Kopf in den Nacken und rief: ,,Wer auch immer da oben auf der Mauer steht, mache sofort auf!"

Eine mittelgroße Gestalt erschien an der Burgmauer. ,,Wer verlangt Einlass?"

,,Königin Maimee du Taugenichts! Lass die Brücke herunter!"

Augenblicklich rannte Dayne die Stufen hinab, drehte einen Holzhebel und ließ somit die Brücke nach unten.

,,Dachte ich mir schon von Weitem, dass du wieder auf der Mauer stehst, Junge. Sollte mein Mann bei Verstand sein, würde er jemand anderes da oben hinsetzen." Sie musterte Dayne. ,,Das kann warten, ich habe es schließlich eilig."

Der Knappe wurde blass im Gesicht, als er sowohl Maimee, als auch Lorna und ihre Ritter erkannte. ,,Willkommen zurück, Euer Hoheit."

12. Abenddämmerung

 ,,Euer Hoheit, habt Ihr Hunger?", fragte Panna, als sie in die Schlossküche trat.

Lydia schüttelte den Kopf. ,,Nein. Ich habe gehofft, dass der Suchtrupp wieder zurückgekehrt ist, oder es ein Lebenszeichen von Vasilias gibt."

,,Verzeihung, Euer Hoheit. Leider habe ich keine Neuigkeiten darüber."

Die Königin senkte den Blick und nickte. ,,Das ist in Ordnung."

,,Sagt, habt Ihr mit dem Indianer gesprochen?"

,,Valkan scheint den Suchtrupp begleitet zu haben...Ekatoa ebenso. Ich habe keinen von ihnen angetroffen, seit meinem Besuch bei Vasilias."

,,Mein Mann und ich werden beten, dass sie alle gesund wiederkehren", versicherte Panna, während sie ihre Hände an ihrer Schürze abwischte.

,,Dafür danke ich euch. Ihr beiden seid wirklich sehr treu..." Lydia unterbrach sich selbst. ,,Was ist mit deiner Hand passiert, Panna?"

,,Das ist nichts weiter. Ich war ein wenig ungeschickt, als ich das Brot geschnitten habe."

Die Königin nahm die verletzte Hand ihrer Arbeiterin und betrachtete diese. ,,Lass die Wunde bitte umgehend versorgen. Ich weiß, uns fehlen Heiler, aber Ruhige Seele ist noch da."

,,Wie Ihr wünscht, Hoheit." Panna ging auf die Tür zu und lief geradewegs gegen einen Dorfbewohner aus Logarda. ,,Oh, verzeiht mir."

Der Mann mit den rötlichen Haaren störte sich nicht länger an der Arbeiterin, sondern hatte Lydia bereits genauestens ins Visier genommen.

Verwundert ging Lydia einen Schritt auf den Dorfbewohner zu, dessen Name sie nicht kannte. ,,Kann ich behilflich sein?"

,,Ihr...Ihr seid eine einzige Schande für dieses Land!", fuhr er sie energisch an.

,,Wie bitte?"

,,Tut nicht so scheinheilig! Ihr seid nicht die gute Königin, die Ihr vorgebt zu sein."

Entgeistert blickte Lydia in die funkelnden grün-blauen Augen.

,,Nur weil sich Nokard von Euch an der Nase herumführen lässt, werden wir das noch lange nicht und dafür sorge ich persönlich!"

,,Was bei allen Göttern ist denn los, dass Ihr es wagt mir zu drohen?!"

,,Ich weiß es."

Lydia schluckte mit unwohlem Gefühl. Hatte Vasilias es der ganzen Welt gesagt? ,,Wovon sprecht Ihr?"

,,Ihr wisst genau was ich meine."

,,Gebt Vasilias nicht die Schuld dafür, dass er ist, wie er ist. Eines steht fest, er ist und bleibt Euer König."

Der rothaarige Mann winkte zornig ab. ,,Ich bewundere Eure Ruhe in diesem Fall. Nicht mehr lang und ein Land könnte Euch vom Thron stürzen, von Euren Feinden mal abgesehen."

,,Mich wird niemand vom Thron stürzen und wenn Ihr das gerade plant, dann kann ich Euch genauso gut einsperren lassen!", donnerte Lydias Stimme durch die Küche.

,,Was ist das denn hier für ein Lärm?" Fred betrat, dicht gefolgt von drei weiteren Arbeitern die Küche.

Auch diese ignorierte der rothaarige Logarda. ,,Ihr könnt mich nicht einsperren, da Ihr kein Recht auf die Krone habt! Weder hier noch in Logarda! Unser Land will und braucht Euch nicht als Königin!" Er holte tief Luft.  ,,Wir brauchen auch Vasilias Aetoc nicht als König! Er verheimlicht uns mehr, als er zugeben will. Mal ehrlich...Wer reist schon mit seinem ganzen Volk, nur um ein anderes Königreich vor Feinden zu retten?" Abschätzend sah er an Lydia hinab. ,,Ich sehe so vieles von ihm an Euch, jetzt wo..."

,,Seit endlich still!", fuhr Lydia ihn an. ,,Fein, Ihr wisst die Wahrheit aus welchem Grund auch immer und wollt mir jetzt drohen...Wenn mich Logarda als so furchtbar ansieht, könnt ihr gerne eure Sachen packen und verschwinden! Lasst mich nur klarstellen, dass ich nie die Absicht hatte über Logarda zu herrschen."

,,Leere Worte. Ihr heiratet lieber einen Indianer und seid dann wirklich nichts weiter, als ein normaler Mensch..."

Die vier Arbeiter von Nokard stellten sich schützend vor ihre Königin. ,,Ihr habt die Königin gehört. Verschwindet!"

,,Das ist noch nicht vorbei", brummte der Logarder und verließ zornig die Küche.

Lydia atmete aufgebracht aus und fuhr sich durch die langen Haare.

,,Hoheit, geht es Euch gut?"

Die Königin blickte nacheinander in die besorgten Gesichter ihrer Mitarbeiter, behielt jedoch auch die Worte des Mannes im Hinterkopf. Sie war nicht ihre Königin. Sie war nicht Logardas gewollte Königin. Sie war machtlos.

,,Sollten wir Euch etwas in Euer Gemach bringen, wenn Ihr die Absicht habt dort zu essen?"

,,Nein danke, Fred. Ich brauche frische Luft. Entschuldigt mich."

Ratlos sah Fred der Königin nach. Er kannte sie lange genug, um zu wissen, dass etwas ernstes vorgefallen sein musste. Etwas sehr Ernstes.

 

 

Lydia eilte so schnell sie konnte nach Draußen in den Schlossgarten, wo die Abenddämmerung bereits eingesetzt hatte. Vereinzelt lag Schnee, da sich der Schneedrache hier in der Gegend aufhielt. Vom Sommer war keine Spur. Nur die Feuerdrachen erinnerten ab und an, dass es Zeit für warme Tage am See und frohe Feste war. Der Sommer stand ebenso für die Erntezeit, doch davon war Nokard meilenweit entfernt. Die Königin folgte dem Weg, der den Hügel hinab führte und konnte es nicht verhindern, die ein oder andere Träne zu verlieren. Jetzt würde ihr selbst ein Berater nicht mehr helfen können.  Was sie noch mehr beunruhigte, als die Situation der Thronfolge war, dass von Vasilias und dem Suchtrupp jegliche Spur fehlte. Das bereits ganze zwei Tage.

Da sich die Sonne den Bergspitzen näherte und langsam unterging, beschloss die Königin zurück ins Schloss zu gehen. Sie wollte sich gerade umdrehen, da hörte sie eine Stimme.

,,Königin Lydia? Seid das Ihr?"

Überrascht wandte sich Lydia um und wurde blass, als sie ihren Gegenüber erkannte. ,,Königin Thogra?"

,,Ihr kennt mich ja noch. Was macht Ihr so spät hier Draußen ohne Wachen? Habt Ihr keine Angst?" Die Königin des roten Reiches trat näher. ,,Ihr seht unglücklich aus."

,,Das scheint nur so", log Lydia. ,,Ihr selbst habt auch keine Wachen dabei?"

,,Einige Anhänger sind ein kleines Stück hinter mir, auf Befehl natürlich", erklärte Thogra. ,,Der Rest meines Volkes ist tot, wie Ihr wisst. Kaltherzig ermordet von meinem eigenen Bruder."

,,Was in aller Welt macht Ihr in Nokard?"

Thogra hob ihren roten Umhang und setzte sich in Bewegung.

Lydia tat es ihr gleich.

,,Ich musste Euch aufsuchen. Zugegeben, Yagre ist der Grund."

,,Euer Bruder? Was hat er angestellt und seit wann ist das von Nokards Interesse?"

,,Er ist übermütig geworden, Lydia."

Lydia schmunzelte. ,,Das ist nichts Neues."

,,Wirklich. Er segelt mit den Schiffen der Floghlai Mara und seinen eigenen über das offene Meer. Lasst mich so viel sagen...Er wird sicherlich keinen Frieden im Sinn haben."

,,Was genau ist Euer Problem?", hakte Lydia nach.

,,Er und ich haben uns gegeneinander aufgehetzt. Die letzten Krieger der Grauwälder haben ihre Seite gewählt. Reako ist ein gespaltenes Reich, fürchte ich. Sollte er wieder zurückkommen, wird er mich töten. Tut er das, ist es nur eine Frage der Zeit, bis er hier einwandert und Euch stürzt."

Die Königin blieb stehen. ,,Mich stürzen? Euch töten? Das klingt so unwahrscheinlich für jemanden wie Yagre."

Thogra stellte sich vor Lydia und sah sie ernst an. ,,Ich selbst habe keine große Armee, um Reako auf den Beinen zu halten. Aus diesem Grund bitte ich Euch Eure Armee mit meiner zu vereinen, um das rote Reich zu retten."

,,Weshalb sollte ich Euch helfen, nach allem...Ihr wisst, was ich meine. Zudem habe ich selbst keine Armee", erinnerte Lydia.

,,Weil ich Euch im Gegenzug helfen kann, Euer Land wieder aufzubauen und es zu verteidigen, sobald Yagre einmarschiert."

,,Noch steht das nicht fest."

,,Ich bitte Euch, Lydia. Vereinen wir uns, habt Ihr einen halben Feind weniger...Nun, wieso gehen wir nicht hinein, meine Leute haben Hunger mitgebracht?"

Lydia schluckte. Sie wusste, sobald Thogra die Türschwelle erst übertrat, bedeutete dies ein weiteres Risiko. Wenn im Schloss bereits gebrüllt wurde, dass Vasilias ihr Vater war, konnte das Ihr Ende sein. Doch einen Feind weniger konnte Nokard momentan gebrauchen, egal wie zerbrechlich die Lage war. Und das war sie wirklich.

13. Die Worte des Königs

 Fahnen von Castero tanzten im Wind, während Pferde und Volksleute der Familie Olfala hellwach zu später Stunde durch den Wald marschierten. Im vielversprechenden Sonnenschein, welcher die Schatten der Bäume auf den Waldboden warf, brachen König Siaac und sein Gefolge  zu einem weiteren Tag seiner Jagd an.

Die Casteraner erreichten nach einiger Zeit ihrer Durchforstung des Waldes, eine schmale Holzbrücke, die über eine kleinen Abhang führte. Sie war größtenteils mit Moos übersäht, wirkte dennoch stabil. Unter dieser Brücke lief kein Fluss entlang, stattdessen wuchsen dort prächtige Pflanzen in den verschiedensten Grüntönen. Ihnen schien der Wetterwechsel bekommen zu sein. Der Weg, welcher vor jener Brücke begann, führte auch hinter dieser weiter. Bisher verlief ihre Jagd wenig erfolgreich, da sie nur ein wolfähnliches Wesen entkommen lassen haben. Nie war einer seiner Jagdausflüge so erfolglos, wie dieser.

,,Schweigt!" Siaac drehte den Kopf langsam nach links, während er eine behandschuhte Hand hob. ,,Ich habe etwas gehört."

Augenblicklich wurde es still um den König. Wachen legten nervös Pfeile an ihre Bögen, spannten diese, nachdem sie ein Ziel festlegten und lauschten.

König Siaac zog vorsichtig an den Zügeln seines edlen Pferdes und brachte es dazu stehen zu bleiben. Er schwang sein linkes Bein über den Rücken des Tieres, hielt sich an dessen Hals fest und stieg ab. Mit dumpfen Geräusch, kam er auf dem Waldboden zum Stehen. Leicht ging er in die Knie, um die mögliche Beute zu sehen, die er nicht für besonders groß hielt und kniff die Augen zusammen. ,,Hab ich dich", murmelte er, als sich einige Blätter an tief hängenden Ästen von dichten Bäumen, bewegten. Es ging wieder los. Sein Herz klopfte bis zum Hals, als Akaylas Vater seinen Bogen spannte und in die Richtung der Äste hielt. Die Sonne schien ihm ins Gesicht und sorgte nur verstärkt dafür, dass ihm wärmer wurde, als ohnehin schon. ,,Du schaffst das Siaac", sagte er zu sich selbst. ,,Für Maimee." Nach einem letzten Atemzug ließ er beide Finger von der dünnen Schnur, die er spannte los und schoss. Schon in der nächsten Sekunde wurden die Äste auseinander gerissen und etwas stürmte auf den König zu. Er konnte kaum noch erkennen, was es war, da riss es ihn zu Boden.

Die Casteraner schossen ebenfalls wild umher, sodass unkontrolliert Pfeile durch die Luft flogen.

,,Helft Eurem König!" Siaac lag mit dem Rücken auf dem Boden und winkte hektisch seine Leute zu sich.

Zwei Männer ergriffen seine Hände und halfen ihm auf, während drei andere nach der Beute sahen.

,,Hab ich das Mistvieh wenigstens getroffen?", fluchte der König und fasste sich an den Kopf. ,,Wehe wenn nicht...Es hat mir die Krone vom Kopf gerissen." Zornig riss er einem Wachmann seine Krone aus der Hand, der ihm diese gerade aufgehoben hatte.

,,Getroffen habt Ihr Hoheit..." Die drei Casteraner, alle mit bräunlichen Haaren und heller Haut, wechselten schockierte Blicke.

,,Ihr seht nicht aus, als wäre das ein Erfolg gewesen", knurrte Siaac, als er ihre Blicke sah.

,,Konnte doch keiner ahnen, dass es mehrere Tiere waren, Majestät", ermutigte der Ritter, welcher Siaac soeben die Krone gereicht hatte.

,,Wenn es das wäre..."

,,Platz da", fauchte der König seine Wachen an, stiefelte über zahlreiche Blätter und verschaffte sich selbst einen Überlblick. ,,Götter im Himmel..." König Siaac hatte getroffen. Vor ihm auf dem Boden lag allerdings kein Tier, sondern eine Person.

,,Euer Majestät..."

,,Kein Wort zu niemanden, Amrog. Das gilt für euch alle!" Siaac atmete tief ein und aus. ,,Das hier ist nie passiert!"

,,Ja, Euer Majestät", antworteten die Casteraner im Chor.

,,Sehen wir zu, dass wir das beseitigen und suchen eine neue Beute. Ich will nicht ewig auf der Jagd bleiben..."

,,Haltet Ihr es nicht für klüger zurück zur Burg reiten? Die Heimreise wird uns bisher schon zwei Tage kosten", schlug Amrog vor.

Zur Antwort packte Siaac ihn am Kragen, zog ihn nahe vor sich und sagte mit tiefer Stimme: ,,Mach nie wieder einen albernen Vorschlag vor deinem König!"

Panisch nickte der Casteraner mit den hellblonden Haaren und blauen Augen. Seine Rüstung konnte ihn nicht vor allem schützen. Nicht vor den Worten seines Königs.

,,Steht da nicht so rum! Beseitigt das da!"

,,Majestät, wenn wir die Person hier vergraben, dann wird sie gefunden werden...Wenn nicht von Menschen, dann sicherlich von Tieren..."

,,Wen interessiert das?! Die wird doch ohnehin für Tod gehalten."

,,Nicht, nachdem sie von so vielen gesehen wurde. Majestät, wir müssen die tote Person mitnehmen", stimmte Amrog zu. ,,Es sei denn, Ihr wollt wirklich, dass es auffliegt."

,,Mir kann nichts passieren. Keiner von den Familienangehörigen kann mir etwas anhaben." Bebend vor Zorn und Verzweiflung stieg Siaac auf den Rücken seines Pferdes. ,,Entfernt das und schweigt."

 

 

Dayne war sichtlich erleichtert, als er die Prinzessin nach einer Weile an ihrem Lieblingsplatz vorfand.

Akayla hörte seine Schritte schon von weitem und drehte sich zu ihm um. ,,Dayne, was machst du hier? Ich bin hier immer, wenn ich nachdenken möchte."

,,Verzeiht mir, Prinzessin...Es ist wichtig."

Sie seufzte. ,,Was kann denn wichtiger sein, als mal eine Minute Ruhe?"

Der Knappe schluckte.

,,Ist etwas mit meinem Vater? Ist er zurück?"

Dayne schüttelte den Kopf, holte Luft und antwortete: ,,Jemand anderes ist zurück."

,,Wer?!"

,,Die Königin Mutter."

,,Maimee!", stieß Akayla überrascht hervor. Sie wollte bereits aufspringen, doch er hielt sie zurück. ,,Lass mich zu meiner Mutter, Dayne."

,,Ihr solltet wissen, dass sie nicht alleine gekommen ist."

Akayla hielt einen Moment den Atem an. ,,Wer ist mit ihr gekommen?"

,,Das wird Euch nicht gefallen...Es ist Königin Lorna."

Die Prinzessin ballte die Fäuste und sprang von dem Steinblock, auf welchem sie bis eben gesessen hatte. Dayne fing sie noch im Flug auf.

,,Was soll das, ich muss zu meiner Mutter!"

,,Ihr seht aus, als würdet Ihr Lorna mit bloßen Händen töten wollen, Prinzessin", antwortete der Knappe besorgt.

,,Wenn sie Glück hat, benutze ich ein Schwert dafür", erwiderte Akayla kühl. ,,Lorna ist nur hier, um mit mir über etwas zu verhandeln, das wette ich mit dir." Sie schlug sich mit einer Hand gegen die Stirn. ,,Oder mit meinem Vater...Der mal wieder auf die Jagd verschwinden musste."

Dayne stellte die Prinzessin auf dem Boden ab. ,,Die Wette habt Ihr schon verloren. Sie wollen ihre Armeen vereinen."

,,Wie bitte?!" Akayla riss sich los, rannte in Richtung Burg zurück, kletterte durch ihr Gemach hinein und stürmte durch die beleuchteten Flure.

 

 

Die Tür zum Thronsaal wurde aufgestoßen und die beiden Regentinnen somit in ihrer Unterhaltung unterbrochen.

,,Mutter!", brachte Akayla tonlos hervor. ,,Es ist wahr..."

Entsetzt starrte Maimee erst ihre Tochter an, danach zu Lorna, bevor sich ein Schweigen im Saal ausbreitete und die ganze Burg einhüllte.

14. Kontrolle

 ,,Esan, da bist du ja endlich." Thogra faltete die Hände vor sich und wartete, bis der junge Mann die Tür hinter sich geschlossen hatte.

Dieser verbeugte sich. ,,Euer Hoheit."

,,Sind die Pferde endlich untergekommen?"

,,Ja, Hoheit. Es scheint mir nur, dass der Stall hier zu wünschen übrig lässt...Es steht kein einziges Pferd mehr hier drinnen."

,,Wie bitte? Merkwürdig", murmelte Thogra. ,,Gibt es sonst noch irgendetwas, dass du herausgefunden hast?"

Esan nickte. ,,Der Zustand der Dorfbewohner hier ist mir nicht entgangen. Die einen wirken ruhig und nachdenklich, aber dann gibt es da noch andere, die sich finstere Blicke zuwerfen und über Königin Lydia sprechen."

,,Auch Königinnen können Leute nicht davon abhalten Märchen zu erzählen", erinnerte Thogra wissend.

,,Es klang nicht wirklich nach einem Märchen, Hoheit. Einer sagte etwas davon, dass Lydia kein Recht auf die Krone von Nokard hat..."

Die Königin des roten Reichs sah ihn verwundert an. ,,Das macht mich jetzt aber neugierig. Was genau hast du gehört?"

,,Nur das, was ich gerade gesagt habe, Hoheit. Ich versuche mehr herauszufinden, wenn Ihr wünscht?"

Thogra nickte sofort. ,,Und wie ich das wünsche."

Es klopfte an der Tür. Esan erstarrte, öffnete dann aber auf Befehl von seiner Königin.

,,Euer Hoheit, Königin Lydia lässt ausrichten, dass das Essen nun angerichtet ist."

,,Gut, richtet ihr aus, dass ich in Kürze da sein werde."

Fred verbeugte sich leicht und schloss dann die Tür hinter sich.

,,Esan, ich habe es mir anders überlegt. Setze jeden einzelnen meiner Männer auf das Dorf an. Wir müssen schnellstmöglich herausfinden, mit wem wir uns hier anfreunden."

Der Reakaner blickte sie einen Moment irritiert an, befolgte dann aber ihren Befehl. ,,Wie Ihr wünscht, Hoheit."

 

 

Die Königin des roten Reichs ging die Schlossflure entlang auf den Speisesaal zu. Sie trug inzwischen ein eindrucksvolles, rotes Kleid mit langen Ärmeln und einem Blattmuster darauf. Ihre Haare trug sie halb hochgesteckt, sodass sie genauestens an ihre Krone angepasst waren und silbern glitzernde Ohrringe.

,,Thogra, es freut mich Euch an meinem Tisch begrüßen zu dürfen. Setzt Euch doch bitte", nahm Lydia ihren ungebetenen Gast im Speisesaal in Empfang.

,,Danke für die Gastfreundschaft, Königin Lydia. Das Essen sieht fabelhaft aus." Thogra setzte sich der Königin von Nokard gegenüber. Fred und Panna rückten die Stühle an.

,,Ihr habt ein anderes Kleid an, wie ich sehe?", fragte Lydia und wusste selbst nicht weshalb sie einen solchen Unfug redete.

,,So ist es. Ihr scheint Gefallen an der roten Farbe von Reako zu finden, nicht?" Thogra hob ihren Trinkpokal hoch und trank.

Lydia hob ebenfalls ihren Trinkkelch. ,,Auf Euren Besuch." Sie setzte zum Trinken an, da stürmte die Türe auf und eine Stimme schrie: ,,Halt, nicht trinken!"

,,Was bei Reakos Grauwäldern ist denn in die gefahren, ein Festmahl der Königin zu unterbrechen?!", fauchte Thogra.

Erschrocken hatte Lydia ihren Trinkkelch aus der Hand rutschen und auf den Tisch fallen lassen. ,,Amarla, was gibt es für eine Erklärung für dein aufgebrachtes Verhalten?"

Eilig liefen Panna und Fred um den Tisch, um das Chaos zu beseitigen.

,,Verzeiht mir Euer Hoheit." Die Dorfbewohnerin von Nokard schenkte Thogra keine Sekunde Aufmerksamkeit. ,,Hoheit, jemand hat Euch etwas in Euren Wein getan", flüsterte sie.

,,Wer?", fragte Lydia ernst.

,,Der rothaarige Logarder."

,,Gibt es Geheimnisse, in die ihr mich nicht einweihen wollt?", erkundigte sich Thogra skeptisch.

Lydia schüttelte lächelnd den Kopf. ,,Entschuldigt mich bitte einen Augenblick." Nokards Königin erhob sich und nahm Amarla mit sich vor die Tür.

Thogra blieb allein zurück.

,,Soetwas wie gerade darf auf keinen Fall nochmal passieren, solange Thogra hier ist", mahnte Lydia im ernsten Tonfall. ,,Ich nehme mir diesen Narr später vor."

,,Was ist, wenn er Euch bis dahin wirklich getötet hat?"

,,Ohne meine Wachen kann ich nichts machen. Zudem kann ich ihm nicht mehr nachweisen, ob er mich wirklich vergiften wollte."

,,Hoheit, ich habe keine Ahnung was hier vor sich geht, aber der scheint es ernst zu meinen. Ich selbst habe ihn sagen hören, dass er Euch einen guten Beigeschmack im Wein zukommen ließ."

Lydia sah sich um, da Amarla lauter gesprochen hatte. ,,Bitte sprich etwas leiser. Wir wissen nie, wer mithört."

,,Was will Yagres Schwester überhaupt in Nokard? Findet Ihr das nicht seltsam, dass sie ohne ihn hier aufkreuzt?"

,,Lass das meine Sorge sein. Danke für die Rettung gerade, Amarla." Lydia lächelte.

,,Ich möchte nur, dass Ihr überlebt. Genauso hoffe ich, dass wir etwas vom Suchtrupp hören."

,,Verzeih, ich muss wirklich zurück zu meinem Gast", unterbrach die Königin Davids Ehefrau.

 

 

Ein wenig später kehrte Lydia in den Speisesaal zurück, wo sie ein heilloses Durcheinander vorfand. ,,Götter, was ist hier passiert?!" Sie sah einer ängstlichen Panna in die Augen, die sich hinter einem der Stühle versteckt hatte.

,,Rettet Euch, Hoheit..."

,,Steh auf, Panna." Lydia eilte auf ihre Mitarbeiterin zu, um ihr auf die Beine zu helfen. Wieder sah sie ihre Verletzung. ,,Warst du nicht bei Ruhige Seele dir die Wunde versorgen lassen?"

Pannas Hände begannen zu zittern.

,,Was ist hier passiert?!" Sie sah die Frau besorgt an. ,,Bitte sag doch etwas." Verzweifelt blickte sie wieder zu dem Durcheinander in ihrem Speisesaal. ,,Wo bei allen Göttern ist Thogra hin?"

Da Panna kein Wort zustande brachte, blieb Lydia keine andere Wahl als sich umzusehen. Mit klopfendem Herzen eilte sie aus dem Speisesaal durch die unteren Gänge des Schlosses und folgte einem immer lauter werdenden Lärm.

Lydia bog um eine Ecke und befand sich mitten in einem Zweikampf zwischen Fred und dem rothaarigen Logarder. ,,Halt! Aufhören auf der Stelle!", schrie sie die beiden an.

,,Hoheit...", setzte Pannas Ehemann an.

,,Zurück von ihm!", fuhr sie den Logarder an.

,,Ich wüsste nicht weshalb."

,,Zurück!" Lydia schnappte sich ein Schwert aus einer Halterung an der Wand und richtete es wütend auf den rothaarigen Mann. ,,Sofort!"

Dieser hob nun geschlagen beide Hände. ,,Ich wusste immer, dass dies Euer wahres Gesicht ist. Nur das geht in Euch vor. Krieg. Ihr seid nicht in der Lage dazu ein Land zu regieren, geschweige denn zwei."

,,Ihr nennt mich eine Kriegerin, während Ihr selbst anderen Schaden zufügt und Morde begehen wollt?! Dass Ihr Euch nicht schämt!"

,,Wollt Ihr mir auch noch einen Mord unterstellen?"

,,Es war knapp, aber Ihr wolltet mich tot sehen." Lydia schluckte. ,,Ihr wart das auch mit dem Chaos in meinem Speisesaal...Ihr habt Panna verletzt und jetzt etwas Thogra angestellt. Habe ich Recht?"

Sie bekam keine Antwort darauf.

,,Habe ich Recht?", brüllte sie laut.

,,Ihr werdet leiden dafür, was Ihr uns angetan habt und Euer lächerliches Dorf ebenfalls." Der Logarder versetzte Fred einen Tritt, bevor er mit zornigem Gesicht von der Bildfläche verschwand.

Lydia rannte dem Logarder hinterher. ,,Ihr verschwindet aus Nokard und zwar auf der Stelle!"

,,Ich dachte Ihr würdet Euch über meinen Besuch freuen?"

Lydia stand einer überraschten Thogra gegenüber. ,,Ich dachte während Eurer Abwesenheit hole ich den Vertrag, den ich aufgestellt habe."

,,Euch ist nichts passiert?", brachte die Königin zustande.

,,Was soll mir denn passiert sein?" Thogra senkte die Hand mit dem Vertrag wieder. ,,Was geht hier eigentlich vor sich?" Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf das Schwert in Lydias Hand.

,,Gar nichts...Ich habe nur gedacht, dass Euch jemand Schaden zugefügt haben könnte."

,,Ihr wusstet doch gar nicht, dass ich den Raum verlassen habe."

,,Als ich zurückkam, habe ich ein wortwörtliches Schlachtfeld von Essen vorgefunden."

,,Ihr braucht dringend mehr Kontrolle in Eurem Schloss. Ihr lasst Euren Leuten zu viel durchgehen", sagte Thogra streng. ,,Mal davon abgesehen habe ich noch keinen einzigen Ritter Eurer Garde gesehen."

,,Das kommt vor, das Schloss ist groß."

,,Erzählt mir keine Märchen, Lydia! Irgendetwas stimmt in diesem Schloss nicht und wenn Ihr mir nicht sagen wollt, was es ist, werde ich keine Sekunde zögern meine Wachmänner auf jeden verdächtigen in diesem Schloss loszulassen. Ihr wisst am besten, dass Reakaner gut töten können..."

Lydia brachte kaum ein Wort hervor. ,,Ihr könnt nicht wahllos mein Dorf ermorden!"

,,Wenn die Königin von Reako in Gefahr ist, können wir es doch. Ich habe meine Wachen um mich."

,,Was wollt Ihr mir damit sagen?"

,,Ich zweifle an Eurer Qualität als Königin, Lydia." Sie hob einen Arm. ,,Wachen, hier geht ein Feind durchs Schloss. Durchsucht alles und tötet alle, die euch verdächtig vorkommen!"

,,Das könnt Ihr nicht machen, ruft sie zurück!", forderte Lydia.

,,Ich wüsste nicht warum ich das tun sollte." Mit diesen Worten verschwand Thogra und brachte sich in Sicherheit.

15. Notwehr

 ,,Runter!" Lydia zog einen Nokarder gerade noch rechtzeitig in Deckung. Ein Pfeil bohrte sich keinen Zentimeter über ihnen in die Wand. ,,Das muss aufhören", sagte die Königin panisch. Sie versicherte sich, dass der Nokarder sicher aus der Schussfläche gelang, bevor sie weiter das Schloss nach Thogra absuchte. ,,Thogra, kommt raus und stoppt diesen Wahnsinn!" In diesem Moment fiel ihr eine Person ins Blickfeld, die ihr nur zu bekannt vorkam. ,,Nein...David" Lydia kniete sich neben den reglosen Körper von Zoeras Vater und beugte sich darüber. Tränen liefen ihr über das blasse Gesicht, während sie eine Hand auf die verletzte Stelle legte. ,,Wir bekommen das wieder hin, ich...bitte, bitte wach auf." Plötzlich merkte sie, dass jemand sie von dem leblosen David wegzerrte. Wütend drehte sich Lydia um und sah geradewegs in zwei bekannte, dunkle Augen. ,,Ekatoa?"

Der Indianer mit dem roten Kopftuch nahm sie erleichtert in den Arm. ,,Was geht hier vor sich?"

,,Thogra und ihre Wachmänner aus den Grauwäldern", begann Lydia knapp zu erzählen. ,,Du musst mir helfen, die bringen mir noch alle um!"

,,Die Königin aus dem roten Reich? Bring dich in Sicherheit", erwiderte Ekatoa entschlossen.

,,Wo ist Valkan?"

,,Bring dich in Sicherheit, Lydia", drängte der Indianer. ,,Na los!"

Die Königin ergriff schließlich die Flucht und versteckte sich letztendlich in der Schlossküche. Sie schob mehrere Kisten vor die Tür und hoffte, dass diese die verrückt gewordenen Reakaner aufhielten. Aufgebracht drehte sie den Kisten den Rücken zu und lehnte sich dagegen. Es konnte kein gutes Zeichen sein, dass Ekatoa ihr nicht sofort gesagt hatte, wo Valkan steckte. Wenn ihm nun doch etwas passiert war, was sollte Lydia dann tun? Verzweifelt rieb sie sich über die Augen.

,,Verstecken wir uns etwa?"

Erschrocken schlug Lydia ihre Augen wieder auf und stand einem grimmig aussehenden Mann gegenüber, der einen löchrigen Umhang trug und eine Narbe im Gesicht hatte. Sie wollte einen Schritt rückwärts machen, stieß dabei jedoch sofort gegen die Kisten. Sie konnte nicht glauben, dass sie diesen Reakaner übersehen hatte. ,,Was wollt Ihr von mir?"

,,Auf Befehl unserer Königin hin jeden prüfen, der verdächtig sein könnte." Er musterte die Königin vor sich. ,,Ihr seht verdächtig aus, wenn Ihr euch hier so einsperrt. Vielleicht lauft Ihr aber auch nur weg und lasst Euer Volk im Stich." Er überlegte. ,,Nein, wie ich sehe wollt Ihr Euer Kind beschützen..."

,,Es reicht!" Lydia brannten jegliche Sicherungen durch. Sie griff wahllos nach einem der Kochtöpfe, schlug damit in die Richtung ihres verwunderten Gegenübers und traf. Der Wachmann taumelte zu Boden. Lydias Herz setzte einen Schlag aus, bevor sie realisierte, was sie gerade getan hatte. Zu was für einem Unmenschen war sie geworden, nur um die zu beschützen, die ihr wichtig waren? Darüber blieb ihr nicht viel Zeit zum Nachdenken. Eilig schob sie die Kisten zurück und nahm die Waffe des Reakaners an sich. ,,Noch ein Wort gegen meine Familie und das nächste Mal trifft Euch kein Topf mehr", knurrte Lydia, bevor sie die Küche verließ.

 

 

In Castero versuchte Maimee noch immer vergeblich ihre Tochter von dem gemeinsamen Plan mit Lorna zu überzeugen. Seit Stunden stand sie vor der Tür ihres Gemaches und klopfte dagegen. ,,Akayla, lass doch bitte mit dir reden."

,,Es hätte jede andere Königin sein können, aber du suchst dir unbedingt Lorna aus! Hast du vergessen, was sie euch angetan hat?!"

,,Gegen Thogra hättest du sicherlich auch Einwände gehabt."

,,Hör mir auf mit Thogra! Die Reakaner haben keinen klaren Verstand mehr, wenn sie über sowas überhaupt noch verfügen!"

,,Bitte mach die Tür auf."

Akayla wartete noch einen Augenblick, gab dann aber doch nach. ,,Seit wann steht Lorna neben dir?!"

Die Königin von Waldegro hatte die ganze Zeit über geschwiegen, meldete sich nun aber doch zu Wort. ,,Akayla, ich weiß, dass du schlecht von mir denkst und das kann ich dir auch nicht übel nehmen." Lorna streckte vorsichtig einen Arm nach der Prinzessin aus, die sofort zurückwich.

,,Fasst mich nicht an!"

,,Wo ist dein Respekt gegenüber Königinnen geblieben, Kind?", mahnte Maimee schockiert.

,,Wo ist dein Respekt gegenüber deiner einzigen Tochter geblieben, Mutter?" Akayla verschränkte ihre Arme vor sich.

,,Wir brauchen eine Armee gegen Reako, das ist dir hoffentlich bewusst?"

,,Wieso können wir keine Armee mit Rosatra schließen? Von ihr können wir wenigstens nicht behaupten, dass sie uns in Kerker sperrt, oder gefälschte Botschaften schickt, um uns alle zu töten..."

,,Das war nicht meine Schuld!", unterbrach Lorna die Prinzessin. ,,Letzteres nicht."

,,Ich bitte Euch, verschwindet nach Waldegro zurück und denkt nicht mal daran eine Armee mit Castero zu bilden! Castero kann auch sehr gut ohne Euch kämpfen..."

Lorna schwieg.

Maimee trat vor ihre Tochter und stemmte ihre Hände in die Hüften. ,,Solange ich hier herrsche, befolgst du meine Regeln. Wir schließen die Armee mit Lorna und wenn es das Letzte ist, was ich in meinem Amt als Königin für das Land tue."

,,Und was ist mit deinem Ehemann, meinem Vater, dem König? Er herrscht genauso."

,,Nur die Götter wissen, wann er von der Jagd zurückkehrt." Maimee seufzte. ,,Ich sage das nicht gerne, aber er wird unfähiger zu regieren."

Akayla wünschte sich in dieser Sekunde nichts sehnlicher, als Dayne an Stelle der zwei Königinnen hier zu haben.

Das vertraute Geräusch eines Horns ertönte. Lorna und Maimee wechselten einen Blick.

,,Vater...", hauchte die Prinzessin und stürmte an den beiden vorbei aus ihrem Gemach.

 

 

Thogra hielt sich eine ganze Weile in Ihrem Zimmer versteckt, bis einer ihrer Wachen an die Tür klopfte.

,,Esan, Götter sei Dank gibt es Neuigkeiten. Wurde der Feind schon geschnappt?"

,,Nein, Hoheit, aber wir zählen bereits mehrere Tote Nokarder...Meint Ihr nicht es wäre an der Zeit das aufzuhalten?"

,,Was soll das denn bitte bedeuten? Willst du mir sagen, dass ich lüge?"

Esan schüttelte den Kopf. ,,Niemals. Wenn nur die Königin von Nokard keine Armee mehr besitzt, mit der sie Euch unterstützen kann, habt Ihr nichts von der langen Reise und es wird sich Euch niemand anschließen."

Die Königin des roten Reiches stützte sich auf einer kleinen Kommode ab, an der ein Spiegel angebracht war. Sie betrachtete sich darin und erschrak sichtlich. ,,Ich handel wie Yagre...", stellte Thogra fest. ,,Ruf die Wachmänner zurück, Esan."

,,Tut mir leid Hoheit, das könnt nur Ihr."

,,Dann werde ich das eben machen."

16. Amarla

 ,,Kann ich behilflich sein?", fragte Thogra verwirrt.

,,Ihr habt meinen Mann umbringen lassen...Den ehrlichsten Menschen, den es auf der Welt gegeben hat!" Amarla bebte, das Schwert in ihrer Hand somit auch.

,,Ich hatte keine Ahnung...", setzte die Königin sofort an, während sie zu Esan sah.

,,Reichte es nicht, dass meine Zoera unter euch Königinnen leiden musste?! Reichte es nicht, dass ich in der Kälte des Winters fast erfroren bin?!" Sie richtete die Klinge in Richtung Thogra. ,,Ihr setzt immer noch etwas drauf!"

Thogra hob ihre Hände neben ihren Kopf. ,,Es tut mir leid, was deiner Familie passiert ist, aber ich kannte Zoera gar nicht."

,,Natürlich kanntet Ihr sie nicht! Sie war auch nur eine von vielen auf der Liste der Unschuldigen, die unter dem Streit der Regenten leiden musste!"

Thogra wich aus, zog ihren Degen und stellte sich der wütenden Nokarderin. ,,Du willst nicht gegen mich kämpfen."

 ,,Ihr hattet sicher einen guten Lehrer", antwortete sie und schlug mit dem Schwert nach Thogra, ,,aber auch gute Kämpfer machen Fehler oder verlieren."

,,Da würde ich nicht drauf wetten an deiner Stelle", wehrte sie den Angriff erneut ab. Die Königin drehte sich blitzschnell ein Mal im Kreis, sodass Amarla sie nicht so einfach treffen konnte, ging in die Knie, stütze ihre Hände auf den Boden, verlagerte ihr Gewicht leicht nach hinten, hob die Beine an und trat zu.

Amarla wurde ruckartig von ihren Füßen gerissen und landete unsanft auf dem Steinboden.

Thogra stand währenddessen wieder auf und richtete ihren Degen auf sie. ,,Das war ja fast schon zu einfach."

,,Bis ich tot bin müsst Ihr Euch noch mehr anstrengen", hustete Amarla, griff mit beiden Händen nach dem Griff des Schwertes und holte erneut aus.

,,Ich will dich nicht umbringen müssen", stellte Thogra klar.

,,Hört endlich auf zu lügen!"

,,Hoheit, geht in Deckung!" Einer der Wachmänner war am Geländer der Treppe aufgetaucht, richtete seinen kleinen Bogen auf Amarla.

,,Nicht schießen!", rief Thogra, da taumelte der Wachmann bereits nach hinten und verschwand aus ihrem Blickfeld. Verwundert blickte sich die Königin um. Offenbar hatte wer anders schneller geschossen, als der Krieger aus den Grauwäldern. ,,Lydia?!"

,,Degen runter, Thogra!" Sie ging langsam auf die andere Königin zu.

,,Ihr wollt mich nicht ernsthaft umbringen?!"

,,Will ich auch nicht, daher Waffe weg!", wiederholte Lydia. ,,Amarla, geh bitte weg von hier."

,,Auf keinen Fall! Sie hat meinen Mann getötet!"

,,Ich habe niemanden getötet, das waren wenn meine Wachen...", wehrte Thogra ab.

Lydia stellte sich vor Amarla, ließ die Königin des roten Reiches aber nicht aus den Augen.

Diese senkte schnell ihren Degen.

,,Einer von denen hätte auch mich vorhin beinahe ermordet. Als wollten mich noch nicht genug Leute tot sehen", erwiderte Lydia.

,,Ich wollte gerade meine Wachmänner dazu auffordern die Suche zu stoppen..."

Esan trat wieder neben die Königin, der vorhin in Deckung gegangen war. ,,Das stimmt."

,,Worauf wartet Ihr dann noch?!"

Thogra drehte den Degen in ihrer Hand und hob diesen wieder hoch. ,,Vielleicht überlege ich mir das nochmal."

,,Euer Hoheit", mahnte Esan.

In diesem Moment griffen zwei Arme um Thogras Hals und zogen sie ein Stück nach hinten über.

,,Degen fallen lassen", knurrte die Person hinter ihr, während sie Esan mit einem Fuß auf den Boden beförderte.

Amarla klammerte sich an Lydias Oberarm und lugte dahinter hervor. ,,Wer ist das?"

,,Auge des Adlers", sagte Lydia erleichtert einen weiteren Layandra zu sehen.

Edolon wartete, bis Thogra ihre Waffe fallen ließ und stellte sie dann wieder aufrecht hin. ,,Da komme ich ja gerade rechtzeitig."

Drei weitere Reakaner erschienen am Treppengeländer und richteten die Bögen auf Thogras Feinde.

,,Nicht schießen!", schrie ihre Königin sofort. ,,Ich befehle euch die Suche nach Verdächtigen auf der Stelle einzustellen und keinen mehr zu ermorden!"

Ihre Wachmänner sahen sie verständnislos an, ließen dann aber ihre Waffen sinken und verschwanden, um den Befehl an alle weiter zu geben.

,,Die erste richtige Handlung die Ihr in Nokard durchgeführt habt", murmelte Lydia.

,,Lasst Eure Waffe auch sinken..."

,,Die gehört nicht mir."

Thogra lächelte halbherzig. ,,Natürlich ist sie nicht Euch."

,,Ihr könnt sie nicht am Leben lassen, sie ist ein Ungeheuer!", brachte Amarla hervor, als sie Thogras Blick auf sich bemerkte.

,,Amarla bitte, ich bin froh, dass sie dich nicht wirklich getötet hat."

,,Es wäre mir ein Leichtes gewesen", entgegnete Thogra spöttisch, während Edolon sie noch immer festhielt.

Amarla ging einen Schritt auf die Königin zu. ,,Seht Ihr, Hoheit?"

Lydia hielt sie zurück. ,,Keine weiteren Angriffe mehr!" Sie warf einen Blick zu Auge des Adlers. ,,Ist der Suchtrupp vollständig zurück, oder will mir endlich jemand sagen, wer es nicht überlebt hat?"

Edolon vergrub seine Finger in seinen Hemdärmeln. ,,Auge des Adlers weiß nicht, ob es ein totes Bleichgesicht gab."

,,Was ist mit Valkan, er ist einer von euch..."

Der Indianer antwortete nicht.

,,Ist er tot, Edolon? Rede endlich mit mir!"

,,Auch das weiß Auge des Adlers nicht. Unsere Krieger haben sich aufgeteilt, um den Mann namens Vasilias zu suchen. Ekatoa und ich waren gemeinsam unterwegs."

,,Ihr sucht diesen Aetoc?!", meldete sich Thogra zu Wort. ,,Kaum wird er von meinem Bruder verbannt, sucht er sich ein neues Land."

,,Verbannt?"

,,Yagre hat ihn aus Reako verbannt. Vollkommen richtig so, der scheint nicht gerade ein einfacher Fall zu sein. Meiner Meinung nach ist er auch ein unfähiger König."

Lydia hob, ohne es zu merken ihre Waffe wieder.

,,Was soll das werden?"

,,Lass die Waffe sinken, ich bin da", erklang eine Stimme an Lydias Ohr. Langsam wanderte ihr Blick zu dem Arm, der ihren runter drückte, um Thogra nicht doch noch abzuschießen.

Edolon nickte.

Lydia drehte sich um. Anstelle von Amarla stand dort nun jemand anderes, in einem blauen Hemd und einem ebenso blauen Kopftuch. ,,Götter sei Dank, Valkan." Die Königin schloss den Indianer überglücklich in die Arme.

,,Die Layandra können euch im Schloss wohl keinen Tag alleine lassen."

,,Rührend, aber ich werde hier immer noch festgehalten", erinnerte Thogra mürrisch.

,,Was macht diese Frau denn hier?", fragte Valkan und musterte Yagres Schwester.

,,Sie wollte uns helfen. Betonung auf wollte, inzwischen haben sich ihre Absichten wohl geändert."

,,Meine Absichten haben sich kein Stück geändert!", verteidigte sich Thogra. ,,Nokard braucht eine Armee, genau wie Reako, um gegen Yagre Stand zu halten."

Valkan und Edolon wechselten einen verwirrten Blick. ,,Werden wir bald angegriffen?"

,,Ihr wisst nicht zu was mein Bruder fähig ist, wenn er wütend ist."

,,Ich schätze, er ist nicht anders als Ihr", erwiderte Lydia trocken.

,,Ich brauche Eure Unterstützung und Ihr meine. Wacht auf, Lydia. Ich weiß nicht, wie lange es noch so bleibt, wie es jetzt ist."

,,Also gut. Für den Schutz von Nokard. Tanzt Ihr nur ein einziges Mal aus der Reihe, solltet Ihr mich mehr fürchten, als Euren Bruder."

17. Laute Gedanken

 Anemros Hände klammerten sich in das niedrige Gras, als er wieder zu Bewusstsein kam. Er hatte keine Ahnung, wie lange er hier schon gelegen hatte, geschweige denn wusste er, wo er war. Fluchend ließ er das Gras los und hielt eine Hand gegen seinen Kopf, der durch den Aufprall mit der Buche immer noch wehtat. Es dauerte eine Weile, bis sich seine Augen an das grelle Licht am Horizont gewöhnt hatten. Anemro horchte in die Geräusche der Natur, in der er sich befand. Dabei kehrten seine Erinnerungen langsam zurück. Er war in Logarda und hatte es Quirin zu verdanken, dass er hier lag. Quirin, der ihm seinen grausamen Plan erzählte, bevor er ihn vorübergehend ausschaltete. Anemro versuchte aufzustehen und nahm die Buche zur Hilfe. Langsam zog er sich daran auf die Beine, musste sich aber noch einen Moment daran festhalten, da diese sonst wieder nachgegeben hätten. Vasilias Berater atmete tief durch, ließ seinen Blick über den bewachsenen Boden schweifen, bis er sich dieser für einen Bruchteil einer Sekunde verdunkelte. Anemro fürchtete bereits wieder das Bewusstsein zu verlieren, doch der Grund für die plötzliche Dunkelheit kam von oben. Er schirmte seine Augen mit einer Hand und sah in den Himmel. Eine gewaltige Gestalt eines Drachen flog an ihm vorüber und sorgte für dunkle Wolken am Horizont. Durch seinen Körper zuckten Blitze, die sich in Anemros Augen wiederspiegelten. Leise trat er ein Stück um den Baumstamm herum, um sich zu verstecken. Was konnte der Blitzdrache von ihm wollen, oder hatte er ihn gesehen? Ein Rascheln ertönte in der Nähe von Anemro. Unruhig wandte er sich von dem Drachen ab und richtete er seine Augen auf die umstehenden Bäume. Dort trat eine riesige Pfote aus dem Gestrüpp. Mit weit aufgerissenen Augen, beobachtete Anemro wie sich die Pfote anhob, um einen Körper vorwärts zu bringen. Er schlug sich eine Hand vor den Mund, als er erkannte, was das für ein Wesen war. Es war mit dunkelgrauem Fell übersehen, wirkte vom Körper wie ein zu groß geratener Wolf, doch sein Kopf war anders. Er erinnerte ihn an einen Drachen. Das Wesen schimmerte rötlich, genau wie seine Augen, die den Blitzdrachen anfunkelten. Anemro schluckte und drückte sich gegen den Baumstamm. Er konnte nicht fassen, dass er solch einen Wolf mit einem drachenähnlichen Kopf in Wirklichkeit sehen würde. Konnte es wirklich sein, dass die Geschichten doch mehr Wahrheit beinhalteten, als er bisher dachte?

Der Blitzdrache schien gegen ihn zu kämpfen. Er drehte seinen langen Hals in die Richtung des Wolfes, schluf kräftig mit den Flügeln und öffnete sein Maul aus dem augenblicklich ein Blitz schoss. Anemro hielt sich die Ohren zu, als der Wolf anfing zu Jaulen. Ihm stieg ein seltsam verbrannter Geruch in die Nase. Panisch öffnete er wieder die Augen, die er eben vor Schreck geschlossen hatte und blickte geradewegs in eine rötliche Flamme, die den Baum vor sich einhüllte. Anemro ging rückwärts zurück. Er merkte, wie der Blitzdrache am Himmel weiterflog und hörte, wie sich der Wolf ihm wieder an die Fersen heftete. Erleichtert atmete er durch, bevor ihm etwas auffiel. Die beiden Wesen flogen geradewegs in Richtung Nokard...

 

 

Der König von Castero ritt mit seinem Gefolge in den Innenhof der Burg, wo er sofort in Empfang genommen wurde.

,,Euer Majestät", verneigte sich Dayne, der dem König von seinem Pferd half. ,,Schön Euch unversehrt wiederzusehen."

Siaac reichte dem Knappen die Zügel. ,,Bring mein Pferd in den Stall..."

Dayne nickte. ,,Wie war die Jagd?"

,,Die Schlechteste von allen", antwortete der König mürrisch.

,,Ihr habt Euch sicher großartig geschlagen, wie jedes Mal."

,,Woher kommt deine gute Laune, Knappe?"

Dayne zog das Pferd des Königs in den Stall und erkannte auf dem Weg dorthin die Prinzessin an einer der Türen, die in den Innenhof führten. Sie wirkte nicht besonders glücklich, Dayne konnte sich denken woran es lag, dennoch stand sie hier, um ihren Vater zu sehen.

König Siaac rückte die Krone auf seinem Kopf und starrte seine Tochter eine Weile ratlos an.

Hinter dieser erschien unerwartet eine weitere Person, die auf ihn zugerannt kam. ,,Liebling!"

,,Maimee, seit wann bist du wieder hier?" Er nahm die Hände seiner Frau und sah sie eine Weile erleichtert an, dass sie am Leben war.

,,Ich sollte dich lieber fragen, weshalb du wieder auf der Jagd warst." Sie seufzte. ,,Ich habe Besuch mitgebracht." Maimee drehte sich zur Tür, wo Akayla stand und Lorna inzwischen aufgetaucht war.

,,Was macht Ihr hier?!", fauchte Siaac die Königin von Waldegro an.

,,Wir haben eine Menge zu bereden", mahnte seine Frau ihn. ,,Komm, wir gehen hinein. Du hast sicher etwas von deiner Jagd mitgebracht, das können wir zubereiten lassen." Sie zog ihren Mann mit sich in die Burg.

Lorna senkte den Blick und folgte den beiden wortlos.

Niemand von ihnen schenkte der Prinzessin allzu viel Aufmerksamkeit. Diese sah den Regenten verständnislos hinterher. Sie hätte weinen können, wollte es aber lieber unterdrücken, da sie nicht alleine hier Draußen war.

Dayne raunte einem vorbeigehendem Stalljungen etwas zu. ,,Entschuldige, nimmst du das kurz für mich?"

Der kleine Junge nickte lächelnd. Er kannte Dayne und mochte ihn gerne.

,,Danke, du hast was gut bei mir." Der Knappe wandte sich wieder der Tür zu, an der Akayla stand. Aus irgendeinem Grund rannte er auf sie zu, als müsste er sie vor einem unbedachten Gedanken abhalten.

Akayla nahm die schnellen Schritte hinter sich wahr und drehte sich zu diesen um. Als sie Dayne erkannte, rannte sie ihm entgegen. Nach nur wenigen Sekunden trafen sich ihre Wege und Akayla fiel ihm um den Hals. Er war der einzige, der sie verstand und sie niemals ignorieren würde. Das wusste sie, sprach es aber nicht aus.

,,Prinzessin, geht es Euch gut?", fragte Dayne, während er sie noch im Arm hielt.

,,Dayne, es ist alles grausam...", murmelte sie in sein Hemd und konnte die Tränen nun nicht mehr zurückhalten.

Der Knappe fing beinahe selbst an zu weinen, als er Akayla so unglücklich sah. Schon eine ganze Weile hatte er das Gefühl, dass er auf sie aufpassen musste. Wie, konnte er sich selbst nicht erklären, er war schließlich nur ein Knappe. ,,Ich bin für Euch da, Prinzessin." Verwundert über sich selbst, dass er diese Worte laut ausgesprochen hatte, ließ er die Prinzessin los.

Diese sah ihn überrascht an, lächelte dann aber nach einer kurzen Zeit. Was hätte sie ihm gerade am liebsten alles gesagt, ihr gingen so viele Dinge durch den Kopf. ,,Danke, Dayne." Sie umarmte ihn ein weiteres Mal und wünschte sich ihn nie wieder loslassen zu müssen.

18. Dayne und Akayla

 Dayne nahm Akaylas Gesicht in seine Hände und strich mit den Daumen die Tränen von ihren Wangen. ,,Bitte weint nicht mehr, Prinzessin."

Akayla wollte ihn nicht ansehen, wenn sie so verheult aussah, konnte aber nicht anders als ihn dann doch anzusehen. Als sie die Tränen in seinen Augen erkannte, liefen ihr weitere über die Wange. ,,Weinst du etwa?", brachte sie hervor.

Der Knappe wischte sich mit seinem Ärmel über die Augen. ,,Nein."

Die Prinzessin von Castero lächelte und machte einen Schritt zurück.

Dayne ging dementsprechend einen Schritt vor.

Wieder machte Akayla einen Schritt nach hinten.

,,Was genau habt Ihr vor?", fragte Dayne und musste grinsen.

,,Zu den Dorfbewohnern gehen, sie weiter trainieren." Sie piekste den Knappen in die Seite. ,,Du holst mich nicht ein, ich werde schneller bei ihnen sein!" Kaum hatte sie ihren Satz beendet, lief Siaacs und Maimees Tochter quer durch den Innenhof durch eine der halbrunden Türbögen in das angrenzende Dorf.

,,Ihr habt mich ausgetrickst!", rief Dayne ihr lachend nach, bevor er ebenfalls losrannte.

Akaylas Herz raste, während sie sich konzentrierte nicht über ihr Kleid zu stolpern. Sie konnte sich nicht erklären, weshalb sie auf einmal so glücklich war. Der Wind wehte durch ihre blonden, lockigen Haare und mit einem Mal war die ganze Wut auf ihre Eltern, sowie auf Lorna ganz weit weg.

,,Die Prinzessin kommt!" Aufgeregt ließ die Frau die Schürze fallen, die sie gerade über einen Ast hatte zum trocknen aufhängen wollen.

Kaum hatte sich diese Nachricht unter den Casteranern verbreitet, öffneten sich sämtliche Haustüren und Fenster. Sie konnten es kaum erwarten wieder zu trainieren. Ihre Angst vor einem Krieg gegen eines der benachbarten Länder wuchs schließlich von Tag zu Tag immer mehr. Auf ihre Prinzessin konnten sie derzeit am meisten vertrauen. Akayla war für die Dorfbewohner da und war die Erste, die ihnen zeigte, wie man sich im Kampf zur Wehr setzte.

Akayla kam in der Menge von Casteranern zum Stehen. Außer Atem hob sie einen Ast auf, der auf dem Waldboden lag und hob ihn auf. ,,Casteraner! Ich bin zurückgekehrt, um...", setzte die Prinzessin gerade an, da hob sie jemand auf einen der erhöhten Baumstämme.

,,Ihr wollt doch gesehen werden, Prinzessin", meinte Dayne grinsend.

Akayla wandte sich mit neu gefasstem Mut der Menschenmenge zu. ,,Wir sind zurückgekehrt, um mit euch zu trainieren!" Sie warf einen kurzen Blick zu Dayne. ,,Hebt Eure Waffen und stellt euch alle nebeneinander auf."

Es waren Äste verschiedener Größen, die ihre Waffen darstellten. Akayla wollte sicher gehen, dass sie damit zunächst übten, bevor sie richtige Waffen in den Händen hielten. ,,Die Grundstellung ist alles. Die Waffe in euren Händen macht hinterher auch nur das, was ihr dieser befehlt zu tun." Sie strecke ihren Arm mit dem Ast in der Hand aus. ,,Macht mir alle nach." Sie hob den Ast über ihren Kopf, ging etwas in die Knie und hielt den anderen Arm dicht an sich.

,,Langsam, Prinzessin", sagte Dayne schmunzelnd. ,,Wie ich sehe, habt Ihr nicht bedacht, dass ihr nun eine viel größere Angriffsfläche habt."

Einige Casteraner lachten bei dem Anblick, als der Knappe die Haltung der Prinzessin nachstellte.

,,Zeig uns doch, wie es richtig geht", meinte Akayla gespielt beleidigt.

,,Mit dem größten Vergnügen." Er vollführte den umstehenden Dorfbewohnern all seine Kenntnisse, die sein Cousin Nate ihm gezeigt hatte. Stundenlang versuchten sie seine Übungen in die Tat umzusetzen. Kinder liefen durch den umliegenden Wald und stellten sich in ihrer ausgeweiteten Fantasie vor, sie seien echte Ritter der Burg. Akayla beobachtete sie lächelnd und sagte ihnen, dass sie sich diese eines Tages gut in der Garde von Castero vorstellen könnte.

Ein Junge, nicht viel älter als Dayne forderte ihn zu einem Duell heraus. ,,Wie steht es mit einem Zweikampf, Knappe?"

,,Ich würde ihn nicht ablehnen", antwortete er grinsend, hob seine Waffe und wehrte die Angriffe seines Gegenübers fleißig ab. ,,Mit wem habe ich es denn hier zu tun?"

,,Jenn", bekam er als Antwort, bevor sie den Übungskampf fortsetzten.

 

 

Nach einigen Stunden, tauchte die Sonne den Wald in einen orangenen Schein. Die Luft wurde etwas kühler und die meisten Casteraner waren müde geworden. Sie bedankten sich bei der Prinzessin und dem Knappen, bevor sie einzelnd in ihre Häuser zurückkehrten.

,,Das war ein erfolgreiches Training", lobte der Knappe schmunzelnd in die untergehende Sonne.

,,Ja. Weißt du noch, wie ich einst zu den Dorfleuten gesagt habe, dass ich Freunden von Feinden nicht mehr unterscheiden kann?"

Langsam nickte der Knappe.

,,Es gibt gerade nur einen Menschen auf der Welt, bei dem ich weiß, dass er mein Freund ist."

,,Nur einer ist aber doch wenig, Prinzessin."

,,Ich vertraue lieber einer Person, als hundert falschen...", erwiderte Akayla.

,,Wem...vertraut Ihr denn?"

,,Dir."

Dayne blieb stehen und verbeugte sich. ,,Ich weiß nicht, was ich sagen soll..." Dafür wusste er, was er denken sollte. Die Prinzessin war ihm wichtiger geworden, als das regierende Königspaar auf dem Thron. Schnell verwarf er diesen Gedanken. König Siaac und Königin Maimee hatten immer noch die meiste Macht über ihn.

,,Ein sprachloser Dayne, das kommt nicht häufig vor." Akayla lachte. Sie hatte es durchaus ernst gemeint. ,,Willst du nicht zurück in die Burg?"

Dayne wäre wirklich lieber Draußen geblieben, wo alles so ruhig und sicher schien und wo die Prinzessin lachen konnte. ,,Doch, doch..."

Akayla hielt an. ,,Danke, dass du mir heute geholfen hast. Jenn scheint dir bald überlegen zu sein, wenn du weiterhin gegen ihn antrittst."

,,Auf keinen Fall. Er muss noch einiges lernen, aber das soll nicht heißen, dass er es nicht eines Tages mal sein könnte."

,,Komm." Akayla streckte ihren Arm aus, nach dem Dayne erst greifen wollte, es sich dann aber doch anders überlegte.

,,Prinzessin...Ich fühle mich geehrt, dass Ihr mir vertraut..." Er sah in Richtung Burg. Mit einem Mal strahlte sie so viel Macht aus. Dayne erkannte die hellen Flaggen, die nach der Jagd wieder an ihren Plätzen der Burgmauern hingen und leicht vom Wind in Bewegung gebracht wurden. Was würde König Siaac mit ihm anstellen, wenn herauskam, dass er die Prinzessin gerne hatte? Sicherlich nichts Gutes.

,,Aber du zweifelst an irgendetwas", stellte sie mit besorgtem Unterton fest.

,,Ich bin ein Knappe, also darf ich Eure Hand nicht halten..."

Akayla merkte, dass er über seine eigene Aussage nicht besonders glücklich zu sein schien. ,,Dann geh neben mir her."

Dayne nickte und folgte dem Weg zurück in den Innenhof des Schlosses. Kurz vor dem Türbogen hielt er die Prinzessin dann doch nochmal zurück. ,,Hört Ihr das auch?"

,,Nein, was denn?"

Er deutete in die Sonne. ,,Ich glaube das da ist der Grund dafür..."

Akayla folgte seinem Blick. ,,Was...Was ist das?"

,,Sieht irgendwie aus, wie der Erddrache von damals. Das kann nicht sein, die Piraten haben ihn doch zerstört..."

,,Er ist wunderschön", staunte die Prinzessin.

,,Mir macht es Sorge, dass hier ein weiterer Drache einfach so auftaucht, Euch nicht?"

,,Wenn er nie fort war, dann nicht."

19. Wasser und Schnee

 Es war Nacht geworden in Nokard. Nach langer Zeit konnte sie endlich wieder ein wenig beruhigter einschlafen, da sie nicht mehr um den Suchtrupp sorgen musste. Nur noch um einen. Um Vasilias. Dieser Gedanke hielt sie lange genug wach, um eine plötzliche Kälte wahrzunehmen. ,,Valkan?"

Der Indianer drehte sich auf die rechte Seite und blickte Lydia verschlafen an. ,,Ja?"

,,Ich weiß nicht, ob ich es mir nur einbilde, aber ist dir plötzlich auch so unglaublich kalt?"

Sanfte Feder war sofort hellwach. ,,Kalt?" Er griff nach Lydias Händen. ,,Manitu, du frierst wirklich." Schnell zog er seine Decke von sich und legte sie über die Königin. Erst jetzt stellte er fest, dass es tatsächlich ungewohnt kalt im Gemach geworden war. Valkan setzte sich aufrecht hin. ,,Hier stimmt etwas nicht..."

Lydia zog die blauen Decken bis unter ihr Kinn und nickte. ,,Ich sollte nach den Nokardern sehen, vielleicht ist ihnen auch zu kalt und sie frieren."

,,Wir gehen", berichtigte Valkan sie.

Die Königin nickte. ,,Einverstanden."

Beide eilten aus dem Gemach der Königin auf den Korridor, wo ihnen ein eisiger Wind entgegenkam.

Der Indianer setzte eine verwunderte Miene auf. ,,Es ist doch Sommer." Er ging ein Stück voraus, bis er merkte, dass Lydia ihm nicht mehr folgte.

Eines der Fenster, durch welches mattes Mondlicht schien, hatte ihre Aufmerksamkeit gewonnen. ,,Valkan...Es schneit."

Als der Indianer mit dem blauen Kopftuch neben sie trat, sah er die leichten Schneeflocken vom Himmel rieseln. Die gesamte Umgebung um das Schloss herum wirkte bereits verschneit, dabei hatte den ganzen Tag die Sonne geschienen.

,,Sieh mal da, die Feuerdrachen." Lydia deutete aus dem Fenster. In der Ferne flogen die besagten Drachen unruhig im Kreis und spiehen kleine Funken. ,,Wir müssen sofort runter."

Weiter kam die Königin nicht, denn in der nächsten Sekunde begannen die Wände, sowie der Boden zu beben. Die beiden gerieten beinahe aus dem Gleichgewicht. ,,Götter, was war das denn jetzt schon wieder?", fluchte Lydia. Das Beben ließ nach.

,,Keine Ahnung", antwortete Valkan. Kaum hatte er seinen Satz beendet, gab es ein erneutes Beben, welches das ganze Schloss erzittern ließ. Der Indianer versuchte sich an der Wand festzuhalten, während Lydia sich bereits längst auf die Knie niedergelassen hatte.

,,Es hört nicht auf!", sagte die Königin panisch. Allmählich fielen Gemälde von den Wänden und landeten auf dem Boden. Die Fensterscheiben schienen bald endgültig zu zerbrechen und die Fackeln aus ihrer Halterung zu rutschen. ,,Valkan, halt die Fackeln auf!", rief sie über den Lärm hinweg.

Sanfte Feder ging wackelig zu einer der Fackeln und fing sie gerade noch rechtzeitig auf, bevor sie den Teppich berühren konnte. ,,Ich kann nicht alle aufhalten."

,,Was?" Lydia konnte Valkan kaum noch verstehen, geschweige denn sehen, da feiner Staub von der Decke rieselte. Sie hob eine Hand, um ihre Augen abzuschirmen. Wieder nahm sie nur undeutliche Worte des Indianers wahr. Erneut versuchte die Königin etwas zu erkennen. Diesmal brauchte Lydia keine Erklärung für das, was sie sah. ,,Feuer...Feuer!", schrie Lydia und wollte aufstehen.

Valkan stolperte zu ihr, kniete sich neben sie und versuchte die Königin vor dem Rauch zu schützen, der sich im schmalen Flur ausbreitete. ,,Lydia, bleib sitzen", hielt er sie zurück, als Lydia erneut versuchte aufzustehen.

,,Ich werde nicht sterben, Valkan. Nicht heute." Wankend ging sie zu dem Fenster und zerrte an dem Griff.

,,Der Wasserdrache ist jetzt sicherlich auch ein Feuerdrachen, er wird uns nicht helfen können", erinnerte Valkan hustend.

,,Nein, einen gibt es noch und den wird es auch immer geben." Somit lehnte sich Lydia etwas aus dem Fenster und schrie in die Nacht hinaus um Hilfe, in der Hoffnung, dass der Wasserdrache sie auch diesmal hören würde.

 

 

Caelyria stand am Bug des Schiffes, die sie von Yagre ergattert hatte und betrachtete das schmaler werdende Gewässer um sie herum.

,,Wir haben das offene Meer schon verlassen, Hoheit", merkte Uqua an.

,,Das sehe ich auch...", murmelte die Königin der Schneeinseln mürrisch. ,,Er muss hier aber irgendwo sein."

,,Ihr solltet nicht einem Schneedrachen nachfliegen, wisst Ihr?"

,,Wir können unmöglich einen Drachen dieser Größe verloren haben!", fauchte Caelyria ihn an.

,,Was erwartet Ihr, Ihr habt ihn vor langer Zeit weggeschickt und nun segeln wir mit den Schiffen zurück ins Leben. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass wir noch eines haben werden, wenn wir diesem Fluss folgen."

,,Ihr irrt Euch. Ich habe ihn gefunden, Hoheit!", verkündete Fesja stolz und deutete weit nach oben in den Nachthimmel.

Caelyria sah in die besagte Richtung, einen Hügel hinauf, auf dem ein riesiges Schloss thronte. Auf dessen Dach saß ein Drache, der im Mondlicht schimmerte. ,,Das muss er sein!"

,,Euer Hoheit, ich möchte nicht ungemütlich werden, aber wir treiben immer näher in die Strömung heran."

,,Was für eine Strömung?!" Sie begute sich leicht über den Bug und starrte in des Gewässer. Dieses fing plötzlich an sich in ihre Richtung zu bewegen, geradewegs in den Himmel. Caelyria schrie auf. ,,Steht da nicht so rum, tut etwas dagegen!"

Die neuen Steuermänner rissen die Ruder nach links und versuchten somit dem Wellengang auszuweichen.

,,Das ist nur ein Fluss, eine Strömung ist hier normal", versuchte Fesja sie zu beruhigen.

Caelyria stieß wurde vom Bug des Schiffes weggerissen, fiel rückwärts zu Boden und kam mit einem Pruzelbaum rückwärts zum Liegen. ,,Normal, ja?!", knurrte die Königin der Schneeinseln, während sie zum Mast kroch und sich daran festhielt. Sie hob ihren Kopf und funkelte den Steuermann an. ,,Macht was!"

In diesem Moment erhob sich eine Gestalt aus dem Wasser, die das Wasser hätte selbst sein können, so klar schien sie. Das Wesen flog in die Luft, gefolgt von einem riesigen Welle aus Wasser, geradewegs zum Schloss hinauf. Mit angehaltenem Atem beobachteten die Bewohner der Schneeinseln das Schauspiel.

Fesja kämpfte sich bis zu der Königin vor. ,,Da oben ist noch ein anderes Licht."

Caelyria neigte den Kopf und nickte. ,,Feuer."

,,Wenn da Menschen drinnen sind!", erwiderte die Frau panisch.

,,Die werden wir wohl nicht mehr erleben."

,,Sagt das nicht...Ich hoffe der Drache kann ihnen noch helfen."

,,Hoheit, das Schiff kippt!", rief der Steuermann nervös.

,,Er hilft ihnen und ist unser Untergang", knurrte Caelyria und klammerte sich blitzschnell wieder an den Mast, während sie merkte, wie sich das Schiff allmählich immer weiter nach rechts bewegte. ,,Alle nach Backbord!", befehlte die Königin.

Die Bewohner der Schneeinseln eilten auf die linke Seite des Schiffes, welches die Backbord Seite nahezu über ihren Köpfen zu haben schien. Vergeblich hielten sich alle irgendwo fest, während das Schiff endgültig umdrehte.

20. Die Verfluchten

 Als Schneedrache den Wasserdrachen bemerkte, der sich beinahe auf seiner Höhe befand, machte er einen Schritt nach links, senkte dabei den Kopf und spie Eis in dessen Richtung. Der Wasserdrache wich aus, konnte jedoch nicht verhindern, dass die Welle getroffen wurde. Augenblicklich gefror diese vollständig zu einer Eiswand. Anstatt erneut anzugreifen, ging der Schneedrache vom Schlossdach in den Sturzflug, den Berg hinab, zu dem umgedrehten Schiff. Er ergriff das Schiff mit Leichtigkeit und hob es aus dem Wasser, während er dem Himmel entgegen flog. Mehrere Liter Wasser liefen an den Relingen herunter zurück in den Fluss und sorgten dort für einen hohen Wellengang.

Caelyria erkannte, dass sich der dunkle Schatten des Schiffes nicht mehr über ihr befand, nahm ihre letzte Kraft zusammen und schwamm zurück an die Oberfläche. Hustend wischte sie sich über ihr Gesicht, um wieder ihre Augen öffnen zu können.

,,Nehmt meine Hand!", rief Uqua ihr zu.

Sie wandte den Kopf in die Richtung des älteren Waldegraners, warf sich ein wenig zur Seite und griff nach der Hand. Diese zog sie so schnell es in dem Wellengang möglich war an das Ufer. ,,Ich danke Euch...", brachte Caelyria zustande.

,,Dankt mir erst, wenn es keinen Toten gegeben hat", murmelte Uqua und tauchte ab, um nach weiteren ihrer Leute zu suchen.

 

 

Da das Wasser des Wasserdrachen den brennenden Teil des Schlosses nicht erreichte, saßen Valkan und Lydia noch immer in der Falle. Keiner von den beiden rechnete mehr damit, dass es hier noch einen Ausweg geben würde. Valkan sah auf, als er den orange wirkenden Schimmer immer undeutlicher erkannte. Plötzlich erkannte er, dass jemand auf dem Boden kniete und konzentriert die Flammen anstarrte. Verwundert stellte Sanfte Feder fest, dass diese immer kleiner wurden, bis sie schließlich vollständig erloschen.

,,Kommt hier herüber!"

Valkan stand auf. ,,Wie habt Ihr das gemacht?"

Lydia bemerkte, dass sich niemand mehr verzweifelt an sie klammerte und sah nun ebenfalls auf. ,,Wo ist das Feuer hin?" Mit weit aufgerissenen Augen blickte sie zwischen dem Boden und dem Logarder vor sich hin und her.

,,Bitte, ich habe gerne geholfen."

,,Lügner! Ihr wolltet mich tot sehen...", setzte die Königin an.

,,Lydia, er hat uns diesmal wirklich geholfen", unterbrach Valkan sie.

,,Geholfen? Er?"

,,Wenn Euch jemand umbringt, dann ist das ganz sicher kein einfaches Feuer", erwiderte der rotaahrige Logarder.

,,Droht Ihr mir etwa schon wieder, selbst nachdem Ihr uns das Leben gerettet habt?" Lydia funkelte den Mann vor sich böse an.

,,Das tue ich mit jedem einzelnen Wort, welches ich Euch gegenüber ausspreche." Er verschränkte die Arme und grinste fies. ,,Ihr gehört nicht hierher und als Königin sehe ich euch ohnehin nicht."

,,Selbst Ayden hier wäre ein besserer König, als Ihr es seid", meldete sich ein kleinerer Logarder neben ihnen zu Wort.

,,So heißt Ihr also", sagte Lydia ohne den anderen zu beachten. ,,Ich kann mich ebenfalls nur wiederholen. Verschwindet aus Nokard mit all denen, die der Meinung sind gegen mich arbeiten zu müssen und kehrt nie wieder zurück, Ayden."

,,Dies ist also der Dank für Euer Leben...Wirklich enttäuschend."

,,Ihr seid wirklich enttäuschend." Lydia ging einen Schritt vor.

Ayden kniff die Augen zusammen, starrte auf den Boden, der sich augenblicklich bebte und die Königin beinahe aus dem Gleichgewicht brachte.

Lydia wich zurück. ,,Ihr seid ein Zauberer?!"

,,Nein, ich bin kein Zauberer."

,,Ihr könnt Feuer in den Boden verschwinden lassen und diesen auch zum erzittern bringen. Wie wollt Ihr Bleichgesicht das sonst nennen?", hakte Valkan sofort nach.

,,Es ist kein Segen der Götter über diese Fähigkeit zu verfügen. Es ist ein Fluch."

Lydia stellte sich neben Valkan. ,,Ihr seid einer der Verfluchten? Wann hattet Ihr daran gedacht es uns zu sagen?!"

,,Nie!" Ayden musterte die Königin und den Indianer. ,,Man würde uns nur dafür verstoßen...Außerdem sehe ich jedes Mal die Angst in den Augen der Menschen, sobald ich Ihnen dieses Geheimnis anvertraut habe."

,,Ich habe immer gedacht, dass die Verfluchten nur Dinge sehen können, die jemand anderem passieren."

,,Nicht zu vergessen dieselben Schicksale, die diesen Menschen wiederfahren", ergänzte Sanfte Feder leise.

,,Glaubt ihr wirklich, dass man uns nur deswegen fürchtet? Ihr habt wirklich keine Ahnung, aber das wundert mich tatsächlich nicht."

Lydia meldete sich erneut zu Wort. ,,Das mag ja sein, können wir aber auch nicht, schließlich wird uns nie die ganze Wahrheit erzählt!"

,,Dann sage ich euch beiden nur das Eine...Verfluchte verfügen über Fähigkeiten, die übermenschlich scheinen. Dafür wurden sie bis vor gar nicht allzu langer Zeit verfolgt. Wir sehen in unseren Träumen nicht nur durch die Augen von Menschen, sondern auch von denen der bekannten Wolfsdrachen aus den Geschichten."

,,Warum erzählt ausgerechnet Ihr uns jetzt die ganze Wahrheit?"

,,Jeder Tag könnte mein letzter auf der Erde sein."

,,Durch wessen Augen könnt Ihr sehen?"

,,Valkan", mahnte Lydia. Sie wollte nicht, dass Ayden ihm womöglich Dank dieser Frage noch etwas antat.

Der Logarder lachte auf. ,,Das wüsstet ihr wohl gerne." Er wurde wieder ernst. ,,Ich verrate euch, was ich sehe, des Nachts in meinen Träumen. Mal endlose Dunkelheit, mal eine verlassene Umgebung. Nur in den letzten Träumen war die Gefahr von oben und sie kommt immer näher in dieses Land..."

,,Genug! Ihr erlaubt Euch einen Scherz mit den falschen Leuten", knurrte Lydia. ,,Die Gefahr seid eindeutig Ihr, dafür brauche ich keine Träume!" Sie war sich bewusst, dass es ein schreckliches Schicksal war, ein Verfluchter zu sein, dennoch konnte sie sich bei Ayden nicht zurückhalten. Dazu verhielt er sich zu grausam.

,,Lass ihn reden." Valkan versuchte Lydia zurück zu halten.

,,Ich kümmere mich jetzt um mein Dorf, wenn Ihr gestattet."

,,Ihr macht einen großen Fehler nicht auf mich zu hören, Lydia!", rief der Logarder ihr nach.

Der Indianer mit dem blauen Kopftuch folgte ihr stumm.

,,Die werden schon sehen, was sie davon haben."

 

 

,,Fesja, ein Glück du hast überlebt", sagte Caelyria, als sie die Frau wenige Meter neben sich erkannte.

,,Hoheit...Ich glaube das haben wir ihm zu verdanken." Sie blickte zu dem Schneedrachen hinauf, der das Schiff an Land der anderen Uferseite absetzte.

Die Königin der Schneeinseln nickte, bevor sie sich umsah. ,,Bei allen Göttern..."

,,Ist etwas nicht in Ordnung, Hoheit?"

,,Siehst du denn nicht wo wir hier sind?"

,,Tut mir leid, ich habe keine Ahnung", antwortete Fesja kleinlaut.

Caelyria legte ihre Hände auf die Schultern der Frau vor sich, die ebenso patschnass und verängstigt aussah, wie sie selbst. ,,Erkennst du es wirklich nicht?"

,,Ist es vielleicht Reako oder Waldegro?", fragte sie hoffnungsvoll.

,,Nichts davon." Caelyria beobachtete den Wasserdrachen, der nun auf sie zuflog.

Fesja klammerte sich an den Arm der Königin.

,,Hab keine Angst. Die Drachen tun nichts, wenn man ihnen nichts tut."

Jetzt dämmerte es Fesja. ,,Es ist Eure Heimat!"

,,Nokard."

21. Die Wand aus Eis

Die Königin von Nokard stürmte die Treppen hinab, dicht gefolgt von Valkan und fand aufgebrachte Dorfbewohner und Indianer vor. ,,Das Feuer ist gelöscht! Bitte beruhigt euch wieder!"

Alle schienen in ihrer Bewegung zu verharren. ,,Kein Feuer mehr?"

,,Nein, die Gefahr ist vorüber!", verkündete Lydia zur sichtlichen Erleichterung der Völker und des Stammes.

,,Ich muss Euch leider sagen, dass Ihr Euch getäuscht habt." Ser Chrysos und die Königsgarde traten in die Eingangshalle. ,,Euer Hoheit, wir haben unten am Fluss mehrere Schiffe gesichtet."

,,Das hat uns gerade noch gefehlt. Was sind es für..."

Thogra betrat die Eingangshalle, noch bevor Lydia ihren Satz beenden konnte und unterbrach sie: ,,Hat sich das Feuer gelegt? Ich bin sofort aus meinem Gemach, als ich davon gehört habe..."

Lydia wandte sich an die Königin von Reako. ,,Wenn Ihr erst so spät davon gehört habt, wäre ich möglicherweise schon tot! Das Feuer ist gelöscht, mehr bracht Ihr nicht wissen." Sie sah zu Ser Chrysos hinauf. ,,Was sind es für Schiffe?"

,,Das wird Euch nicht gefallen. Es sind welche von Reako und der Floghlai Mara."

,,Floghlai Mara? Die Piraten wurden vollständig beseitigt und Ihr erzählt mir nun, dass ihre Schiffe hier vorfahren?"

,,Yagre...", murmelte Thogra leise.

,,Wie bitte?", fragte Lydia sofort, um sicher zu sein sich nicht verhört zu haben.

,,Mein Bruder hat sich die Schiffe zu seinen gemacht. Er kann doch noch gar nicht wieder hier sein...Er kann nicht leben." Unruhig verschränkte Thogra ihre Finger und versuchte sich nicht zu versprechen und Lydia zu offenbaren, was sie alles wusste.

,,Ich weiß nicht, was Ihr mir jetzt wieder verheimlicht, aber Euer Bruder lebt. Ganz offensichtlich haben wir gar keine Zeit mehr um uns auf einen Kampf vorzubereiten, da er bereits mit versammelter Mannschaft von Kriegern am Fluss ist!" Nervös wandte sie sich erneut an ihre Ritter. ,,Habt Ihr sehen können wie viele Schiffe es waren?"

,,Leider nicht, eines der Schiffe schien von dem Schneedrachen weggeflogen zu werden", antwortete Chrysos beunruhigt.

,,Die Gefahr kommt aus der Luft", schoss es Lydia in den Kopf. Sie drehte ihren Kopf zu Valkan. Er schien dasselbe zu denken, wie sie. ,,Chrysos, sorgt dafür, dass wir alle Pfeile und Bögen die wir haben auf unsere Wachen verteilen und dann schickt alle rauf an die Fenster."

,,Sehrwohl."

,,Kipivo, ich brauche dich, um Feuer zu besorgen. Wir müssen uns zur Wehr setzen."

,,Verzeiht, aber wie soll ich an so vielen Orten gleichzeitig Feuer zünden?", fragte Kipivo zögernd.

Lydia überlegte fieberhaft. ,,Ruft Ayden."

Die Garde von Nokard hinterfragte diesen Befhel nicht, ihrer Königin entgingen jedoch nicht ihre zweifelhaften Blicke.

,,Vertraut mir einfach."

Auch die restlichen Ritter verschwanden, um ihren Befehl auszuführen.

,,Was bei allen Kriegern der Grauwäldern habt Ihr vor?!"

,,Thogra, ich brauche Eure Krieger als Bogenschützen."

,,Verratet Ihr mir vielleicht mal, was Ihr plant?" Thogras Stimme wurde höher.

,,Euer Bruder lässt sich von einem Schiff, welches von dem Schneedrachen geflogen wird in Richtung dieses Schlosses fliegen, um uns von oben her anzugreifen. Ich lasse ihn bestimmt nicht damit durchkommen."

,,Yagre wäre niemals klug genug dafür, auf solch eine Idee...", unterbrach sich Thogra selbst. Ihr viel ein, dass Yagre die Schneeinseln angesteuert hatte. Wenn er dort jemand mächtiges gefunden hatte, der auch noch schlau war ihm bei Angriffen zu helfen, konnte Lydias Idee nicht ganz abwägig sein.

Lydia merkte, dass die Königin des roten Reiches schwieg. ,,Ihr selbst habt gesagt, dass wir unsere verfügbaren Kämpfer zusammentun müssen. Habe ich Eure Hilfe nur dieses eine Mal?"

Thogra nickte und verschwand, um ihre Krieger zu benachrichtigen.

Erleichtert fing Lydia Valkans Blick auf.

,,Ich verstehe nicht, wehsalb der Schneedrache ausgerechnet einem Bleichgesicht wie Yagre helfen sollte."

,,Ich auch nicht, aber er hat uns auch geholfen. Valkan, ich mache mir solche Sorgen. Es soll kein weiterer Logarder, Nokarder oder Layandra sterben, nur wegen dem roten Reich."

Der Indianer nahm ihre Hand. ,,Das wird nicht passieren. Wir bekämpfen das Feuer mit dem Feuer."

,,Lydia, Sanfte Feder!", rief Ekatoas vertraute Stimme aus der Richtung des Eichenportals.

Die beiden blickten in seine Richtung.

,,Es gibt da etwas, was ihr euch ansehen solltet", setzte er fort.

,,Wir sehen uns das sofort an", versicherte die Königin und zog den Indianer mit dem blauen Kopftuch mit sich.

 

 

Kaum hatten sie das Schloss verlassen, erkannten sie, was Ekatoa meinte. Vor ihnen erstreckte sich wie aus dem Nichts, eine gewaltige Wand aus Eis in den Himmel.

,,Wo kommt die her?", fragte Lydia mir weit geöffneten Augen, in denen sich das Mondlicht wiederspiegelte.

,,Wissen wir nicht, aber wir vermuten, dass der Schneedrache nicht unschuldig daran ist", erklärte Edolon ihr.

Lydia blickte in den Himmel, in der sie den Schneedrachen auftauchen sah.

,,Yagre ist direkt über uns!"

,,Lydia, wir müssen von hier verschwinden", raunte Valkan.

,,Nein." Sie erkannte Umrisse von Flammen an den obersten Schlossfenstern. ,,Ich laufe nicht vor Yagre weg, geschweige denn lasse ich die Garde alles alleine machen. Yagre wird bezahlen dafür, was er gerade tut!" Sie versuchte den Wachen an den Fenstern das Startsignal zu geben, indem sie erst ihren linken Arm hob und dann nach vorne wieder sinken ließ.

Augenblicklich schossen brennende Pfeile in Richtung des Schneedrachen.

,,Lydia du musst das stoppen!"

,,Nenn mir nur einen guten Grund weshalb ich das tun sollte", erwiderte sie wütend.

,,Der Drache trägt kein Schiff mit sich!", sagte Valkan.

Lydia sah erneut zu dem Schneedrachen hinauf, der nun vom Mondlicht beleuchtet wurde. ,,Aufhören!", schrie sie nach oben zu ihrer Garde und Thogras Kriegern. Nichts geschah, die nächsten Pfeile wurden gespannt und kurz darauf abgeschossen. ,,Hört auf!", rief sie immer wieder in der Hoffnung, es würde gehört werden.

Ein heller Lichtblitz durchfuhr plötzlich die Eiswand und sorgte für noch mehr Unruhe. Valkan stellte sich schütend vor Lydia und zog sein Messer hervor. Auch die anderen Indianer zückten ihre Waffen.

,,Götter, ein Blitzdrache", hauchte die Königin beinahe tonlos. ,,Alle zurück ins Schloss, schnell!"

Valkan deutete ihr an leise zu sein. ,,Lydia, nicht bewegen."

Mit klopfendem Herzen folgte sie seinem Blick und konnte nicht verhindern zurück zu schrecken, als sie erkannte, dass an einer Stelle die Eiswand rötlich aufglühte und eine riesige Gestalt zum Vorschein kam. Lydia klammerte sich an Valkans Arm fest und betete in Gedanken, dass weder ihre, noch Thogras Wachen auf die Idee kamen das Monster anzugreifen. ,,Ich nehme alles zurück. Yagre wäre mir doch lieber gewesen."

22. Endstation

 Dayne war nervöser, als je zuvor, als er die Aufgabe erhielt Akaylas Eltern einen Brief zu überbringen. Für Gewöhnlich war es nichts Besonderes, doch das Siegel war keines derer, welches er monatlich zu Gesicht bekam. Das beunruhigte ihn noch mehr. Schweren Herzens betrat er den Thronsaal. ,,Euer Hoheit, das ist eben für Euch eingetroffen."

,,Danke, Dayne." Maimee faltete das Pergament außeinander und überflog die Zeilen. Augenblicklich wurde ihr Gesicht blass um die Nase und sie sank langsam zurück auf ihren Thron.

,,Ist etwas Ernstes vorgefallen?", fragte Siaac erschrocken, der Maimee die ganze Zeit über nicht aus den Augen gelassen hatte.

Wortlos reichte seine Ehefrau ihm den Brief herüber.

Siaac glühte, als er diesen las.

,,Wollt ihr mich nicht einweihen?", hakte Lorna verwundert nach, als sie das Ehepaar ansah.

,,Ihr könnt den Brief lesen." Siaac reichte das Pergament weiter. ,,Es ist jedoch alles eine Lüge, was darin steht."

Maimee neigte ihren Kopf zu ihrem Mann, während dieser sich wieder zurück in den Thron fallen ließ. ,,Wie kommst du darauf, dass es eine Lüge ist?!"

,,Ich bitte dich, Liebling. Glaubst du etwa diesen leeren Worten?" Siaacs Stimme bebte.

,,Man beschuldigt dich des Mordes!"

,,Das habe ich selbst gelesen." Der König klammerte sich an die Lehnen seines Throns.

,,Warum sitzt du dann so entspannt, anstatt etwas zu unternehmen?!"

,,Weil ich mir keiner Schuld bewusst bin", erwiderte er leise.

Akaylas Mutter stand auf und riss der schockierten Lorna den Brief aus der Hand. ,,König Siaac, ein Mörder von einer Königin! Denkst du nicht, dass unser Volk dich stürzt, wenn sie davon erfahren?!"

,,Unser Volk hat weitaus größere Probleme, wenn ich das mal anmerken dürfte", verteidigte sich der König.

,,Die Casteraner sind keine Mörder", warf Lorna ein, um den Streit zu beenden.

,,Richtig, aber sie sind bald mausetot, wenn der Verfasser wahr macht, was dort geschrieben steht!"

,,Ich dachte es sei bloß eine Lüge?" Maimee verschränkte die Arme vor sich und blickte ihren Mann ernst an.

Dieser starrte aus dem Fenster schwieg.

,,Es ist also wahr..." Maimee ging ein paar Schritte seitwärts, den Thronsaal hinauf. ,,Wie um alles in der Welt hast du es geschafft Königin Rosatra zu ermorden?!" Sie ließ ihre Arme sinken und ballte ihre Hände zu Fäusten. ,,Weshalb hast du sie überhaupt getötet?"

,,Verflucht nochmal." Der König von Castero erhob sich ebenfalls. ,,Es war ein verdammter Unfall! Niemand sollte je davon erfahren!"

,,Ihr habt doch nicht wirklich geglaubt, einen Königsmord verbergen zu können?", mischte sich Lorna erneut ein.

,,Hätte ich sonst so gehandelt?! Rosatras gesamte Familie sollte tot sein, wenn man sich an Wyllands Herrschaft und die der Skilyra Brüder erinnert." Drohend trat er auf die Königin von Waldegro zu. ,,Ich hatte ja keine Ahnung, dass in Torpala noch Lebende sind."

Lorna sah ihn grimmig an. ,,Es scheint wohl so, als würde es noch mehr Lebende geben, als Ihr Euch zu hoffen gewagt habt."

,,Hätte irgendeiner dieser Narren doch nur alle getötet. Jeden einzelnen dieser Torpaler."

,,Wart Ihr je in Torpala?"

König Siaac schüttelte den Kopf. ,,Das brauche ich auch gar nicht, um zu wissen, was für Leute dort gelebt haben mussten. Rosatra Ropaldra war das lebende Beispiel dafür. Könige repräsentieren ihr Land, so auch sie."

,,Ich bin mir sicher, dass derjenige, der diesen Brief hier verfasst hat eine wichtige Position in Torpala hat. Habt Ihr das Siegel gesehen?"

,,Menschen kann man töten, Siegel nicht", antwortete Siaac prompt. ,,Jeder kann das Siegel genommen haben und uns gedroht haben. Wir sollten das nicht zu ernst nehmen."

,,Uns wurde mit Krieg gedroht!", fuhr Maimee ihn an.

,,Nicht, wenn wir zu dieser Verhandlung gehen."

,,Ich werde zu keiner Verhandlung gehen. Wir wissen nicht einmal, ob diese Person wirklich so wichtig ist..."

Der König lächelte halbherzig. ,,Jetzt haben dich meine Worte nachdenklich gemacht, ja?"

Lorna überflog erneut die Zeilen. ,,Wer ist dieser Menkraos eigentlich?"

,,Wir können nur hoffen, dass er nicht Rosatras Bruder oder gar Vater ist...Andernfalls verfügt er über mehr Macht, als wir es wissen."

,,Die Torpaler sind tot!", donnerte Siaacs Stimme durch den Thronsaal. ,,Ich habe die Letzte dieser Leute ermordet!" Er wandte sich erneut an seine Frau. ,,Sieh es ein. Die Ropaldras sind alle tot."

Maimee bedeutete ihm leiser zu sein. ,,Bald weiß ganz Castero von deinem Missgeschick auf der Jagd."

,,Nur meine treuen Wachen wissen es, weil sie es mit eigenen Augen gesehen haben."

,,Dann frage ich mich, wie diese Information an diesen Menkraos gelangt ist."

Lorna stellte sich neben Maimee. ,,Eure Frau hat Recht."

,,Wollt ihr mir sagen, ich hätte einen Verräter unter meinen Wachen?!", knurrte Siaac.

,,Ausschließen würde ich es nicht", murmelte Akaylas Mutter.

,,Ich kann sie wohl kaum alle ermorden lassen, nur weil es sein könnte, dass ein Ropaldra überlebt hat!" Er dachte einen Moment nach. ,,Nein, das werde ich nicht tun."

,,Dann also doch die Verhandlung?"

Siaac nickte. ,,Ich reite persönlich hin."

,,Sollte das eine Falle sein, haben wir wertvolle Zeit verschwendet. Yagre könnte uns schon näher sein, als wir glauben."

,,Ich bin mir darüber bewusst. Dennoch kann ich es als König nicht verantworten, wenn jemand meinem Land droht."

Dayne, der die ganze Zeit über wie Luft behandelt wurde, verschwand augenblicklich aus dem Thronsaal, als der König ihn erblickte.

,,Bei allen Meeren, dieser Knappe hat alles gehört! Seit wann stand er da?!"

,,Beruhige dich, Liebling."

,,Mich würde es nicht einmal wundern, wenn er der Verräter wäre." Siaac ballte die Fäuste. ,,Wachen!"

Zwei Ritter, die vor den Türen des Thronsaals gestanden hatten, traten in den Türrahmen.

,,Schnappt euch diesen Knappen und werft ihn in den Kerker!"

,,Serhwohl, Euer Majestät."

,,Das kannst du nicht machen", warf Maimee sofort ein. ,,Er war nicht mit dir auf der Jagd und du weißt, wie viel er Akayla bedeutet..."

,,Klingt beinahe so, als würdest du ihn inzwischen mögen. Ich werde ihn nicht umbringen." Mehr zu sich, als zu den anderen fügte er hinzu: ,,Noch nicht."

 

 

Dayne rannte durch die Schlossflure, als würde Siaac ihn verfolgen. Erst in dem Korridor mit dem Geheimgang, blieb er stehen und atmete tief durch. Er stütze die Hände auf seine Knie und sah zu Boden. Dann vernahm er Schritte und das bekannte Klappern von Rüstungen. Panisch hob er den Kopf. Sein Herz setzte einen Schlag aus, als er die Ritter in dem kleinen Spiegel an der Wand vor sich erkannte. Blitzschnell drehte er sich um.

,,Endstation, Knappe."

Ohne eine Sekunde zu zögern, nahm Dayne die Beine in die Hand und floh.

,,Stehen bleiben!", riefen ihm die Ritter nach.

,,Ich denke gar nicht dran!" Eilig stürmte er um die nächste Ecke, strich mit den Händen immer wieder über die Steinwände und war sich ziemlich sicher, dass Siaac ihn nun einen Grund hatte ihn loszuwerden. Außer Atem lehnte er sich gegen ein Regal an der Wand und betete, dass die Wachen den anderen Korridor wählen würden.

,,Du gehst links herum und ich rechts!", vernahm er die Stimmen. Er konnte diesen Ritter nicht umbringen, nur weil er ihn zu hundert Prozent hier finden würde. Doch Siaac ausgeliefert werden, wollte er auch nicht. Panisch hörte er, wie die Schritte näher kamen, schnappte sich eine Fackel aus der Halterung und hielt den Atem an. ,,Nicht heute...", schrie er und schlug zu. Kaum sah er die Person zu Boden fallen, weitete er seine Augen und ließ die Fackel fallen. ,,Oh nein...Götter..." Er fiel auf die Knie, nahm das Gesicht der Person in die Hände und klopfte leicht gegen an das Gesicht. ,,Prinzessin..."

23. Gebrochen und Hilflos

 In genau diesem Moment packte ein Ritter nach Daynes Arm und zerrte ihn von Akayla weg. ,,Ihr habt Nerven die Prinzessin zu erschlagen."

,,Eigentlich war der Schlag für Euch gedacht", funkelte er ihn an.

,,Einen Ritter und eine Prinzessin zu verletzen, das wird Euer Majestät nicht gefallen."

,,Ich hatte nur vor eine Wache zu erledigen, habe es nicht geschafft." Kaum hatte Dayne den Satz beendet, kamen sie zurück in den Flur mit der Weggabelung, wo der zweite Ritter auf dem Boden lag. Verwundert wollte Dayne sich losreißen, wurde aber festgehalten.

,,Dafür wirst du bezahlen, Knappe", knurrte der Ritter der Königsgarde und zog ihn zurück in den Thronsaal.

,,Aber Akayla...!"

,,Mund halten jetzt!"

Dayne wehrte sich mit all seiner Kraft gegen den Griff des Ritters, war jedoch nicht im geringsten so stark wie er.

Siaac erwartete seine Wachen mit Dayne im Schlepptau bereits ungeduldig und trommelte auf seinen Thron. ,,Knappe, so sieht man sich wieder."

,,Majestät, bitte lasst mich doch erklären..."

,,Ich denke du hast für lange Zeit genug gesprochen!" Der König trat zu den beiden vor. ,,Weglaufen kannst du zwar, aber entkommen tust du mir nicht."

,,Majestät, er hat Lotan und die Prinzessin niedergeschlagen."

,,Ich verhöre mich wohl!" Siaac lief rot an vor Wut. ,,Erst bist du ein Verräter, dann erschlägst du meine Garde und dann auch noch meine Tochter?!"

,,Majestät...", stammelte Dayne kleinlaut. Warum konnte er nicht sagen, was er sagen wollte? Immer war die Angst zu groß davor.

,,Liebling, jag ihm doch nicht so eine Angst ein", mahnte Maimee. ,,Er ist auch nur ein Kind."

Siaac packte Dayne am Kragen und hob ihn daran ein Stück hoch. ,,Hör mir zu, Knappe. Das war das letzte Mal, dass du meiner Tochter über den Weg gelaufen bist. Ich werde dich nicht mehr in ihre Nähe lassen!"

,,Findet Ihr das nicht zu übertrieben?", hakte Lorna skeptisch nach.

,,Ihr solltet Euch da wohl am wenigsten einmischen. Eigentlich sollte ich Euch auch in den Kerker werfen lassen, für all das, was Ihr meiner Frau angetan habt." Er widmete sich wieder dem zitternden Dayne zu. ,,Sehe ich dich auch nur noch ein einziges Mal bei ihr, dann solltest du dir wünschen ich wäre König Wylland gewesen."

Dayne kniff die Augen zusammen und konnte es nicht verhindern, dass ihm einige Tränen über das blasse Gesicht liefen.

,,Siaac, jetzt lass ihn runter!" Langsam wurde Maimee ungeduldig. ,,Du kannst ihm nicht verbieten Akayla zu sehen, das weißt du auch."

,,Auf wessen Seite stehst du eigentlich?", brummte Siaac und ließ Dayne auf den Boden.

Dieser sank in die Knie und schlug die Arme um seine Beine.

,,Setzt ihn doch woanders ein, damit er Eurer Tochter nicht ständig über den Weg läuft", schlug Lorna vorsichtig vor.

,,Jemanden wie ihn kann ich nicht mal als Wache einsetzen. Seht ihn euch an, er ist ein gebrochener, hilfloser und erbärmlicher kleiner Junge. Das sogar mit zwanzig..."

Dayne hörte die Worte in seinem Kopf hallen. Es stimmte, was der König sagte und er hasste sich oft genug selbst dafür nicht stark zu sein. Für Akayla aber würde er alles tun, was er konnte, selbst wenn es nicht ausreichte, um Siaac zufrieden zu stellen.

,,Was machen wir jetzt mit ihm?", fragte der Ritter unruhig.

,,Erstmal in den Kerker, ich überlege mir in Ruhe etwas für ihn."

,,Sehrwohl." Die Wache packte Dayne unter den Armen, hob ihn problemlos hoch und trug ihn aus dem Thronsaal.

,,Du machst einen Fehler, Liebling..."

,,Solange er keine Gefahr für unsere Thronfolge darstellt, ist mir das herzlich egal." Siaac wandte sich den Königinnen zu.

,,Ich muss zu Akayla, sehen wie es ihr geht", sagte Maimee, hob ihr Kleid leicht hoch und eilte aus dem Thronsaal.

Zwischen Siaac und Lorna herrschte Stille, bis auch sie wortlos den Saal verließ.

 

 

Hinter dem Wolfsdrachen mit dem grauen Fell und dem rötlich schimmernden Licht um ihn herum, erschien plötzlich ein zweiter Wolfsdrache. Dieser war von orangenem Licht umgeben und hatte dunkelbraunes Fell. Knurrend sprang er den anderen Wolf an, um zu verhindern, dass er auf die Menschenmasse losging.

,,Was passiert hier?"

Valkan ging rückwärts in Richtung Schloss und schob Lydia dabei langsam hinter sich zum Eingangsportal. ,,Ich weiß es nicht, aber der orangene Wolf scheint uns helfen zu wollen."

Lydia war erleichtert, dass keiner von Lornas Wachen auf die Wölfe schoss. Dennoch ließ ihr der Blitzdrache keine Ruhe, der sich dem Schneedrachen und dem Wasserdrachen näherte. Zu allem Überfluss erkannte Lydia jetzt die Feuerdrachen über ihnen, die den Blitzdrachen angreifen wollten. ,,Valkan...Valkan!", flüsterte die Königin und zog an dessen Ärmel.

Dieser hatte bereits erkannt, was sie meinte, hob sie hoch und stürmte ins Schloss und verriegelte das Portal.

,,Du kannst die anderen nicht mit den Monstern alleine lassen!", rief Lydia panisch.

,,Werde ich auch nicht. Lauf in unser Schlafzimmer, da bist du sicher."

,,Und was machst du?!"

,,Ich gehe wieder raus...", erklärte der Indianer knapp. ,,Bitte vertrau mir. Wir schaffen das."

,,Als Königin dieses Landes kann ich das nicht verantworten", hatte sie sagen wollen, doch da viel ihr wieder ein, dass dies gar nicht ihr Königreich war.

Valkan wartete, bis Lydia die Treppe hinauf verschwunden war und stürmte wieder vor das Eingangsportal.

Dort begann die Eiswand zu schmelzen, da die Feuerdrachen diese entzündeten. Die Wölfe kämpften noch immer auf dem verschneiten Boden und die Drachen umkreisten das Schloss.

,,Schießt!"

Pfeile schossen von der Seite auf die Wölfe. Die Indianer wandten sich in genau diese um und erstarrten, als eine Menschenmenge vor ihnen den Hang hinauf kam. Alle waren von oben bis unten durchnässt, wirkten aber keinesfalls verängstigt. Ganz vorne stand eine junge Frau mit braunen Haaren, die das Kommando zum Angriff erneut erteilte.

,,Hört auf!", versuchte Ekatoa sie zu stoppen.

,,Wir versuchen euch das Leben zu retten!", merkte Caelyria an.

Die Wölfe wichen den Pfeilen aus, anderen dagegen nicht. Beide stürmten den Hügel hinunter und Ekatoa war sich ziemlich sicher, dass sie ihren Kampf noch lange nicht beendet hatten.

,,Was wollt ihr Bleichgesichter hier?", fragte Valkan sie.

,,Yagre schickt euch, Ihr wollt uns selbst umbringen!", rief Schneeseele panisch.

,,Dieser Nichtsnutz soll uns geschickt haben?!" Caelyria lachte. ,,Der kann froh sein, dass ich ihn über Bord gehen lassen habe."

,,Soll das heißen...", setzte Valkan an.

,,Ja, Yagre ist tot. Ich bin verwundert hier so viele Rothäute zu sehen. Was ist aus meiner Heimat geworden?!" Die Königin der Schneeinseln trat vor.

,,Ihr kommt nicht von hier", brummte Ekatoa sofort.

,,Ich bin mir sicher, Ihr seid derjenige, der nicht von hier kommt." Sie verschränkte ihre Arme. ,,Wir sind nicht wirklich den weiten Weg von den Schneeinseln gereist, um uns von euch aus meiner Heimat vertreiben zu lassen."

,,Von den Schneeinseln?!"

,,Wiederholt Ihr jetzt alles, was ich sage?" Caelyria musterte Ekatoa mürrisch. ,,Tretet zur Seite, meine Leute wollen sich aufwärmen."

,,Was ist überhaupt mit euch passiert?"

,,Das verehrter Indianer, geht Euch gar nichts an." Sie winkte die Waldegraner und Reakaner ins Schloss und ließ den irritierten Layandra Stamm zurück.

24. Augenlichter

 Kaum hatte Caelyria mit ihrem Gefolge das Schloss von Nokard passiert, fand sie eine nahezu leere Eingangshalle vor. Sie blickte sich nach einer möglichen Gefahr um, auch wenn ihr diese nach dem Schiffsunglück sichtlich egal sein konnte. ,,Wir holen uns mein Zuhause zurück."

,,Das sehe ich anders." Merltin trat plötzlich in voller Größe vor Caelyria und ballte leicht seine Fäuste.

Die Königin lachte. ,,Kleiner, geh zurück zu deinen Eltern. Die machen sich bestimmt Sorgen, wenn du bei der Gefahr hier drinnen umherläufst."

Merltin machte keine Anstalten sich zu bewegen.

,,Hast du mich nicht gehört? Das hier ist kein Spielplatz."

Vinny stürmte die Stufen hinab, als er seinen Freund vor der fremden Königin stehen sah. ,,Merltin, ich habe dich überall gesucht."

,,Sogar dein Freund macht sich Sorgen." Caelyria trat bedrohlich einen Schritt näher und blickte auf den Jungen hinab.

,,Verschwindet."

,,Entschuldige?", wiederholte Caelyria lachend. ,,Weißt du eigentlich wen du vor dir hast?"

,,Nein und es ist mir auch egal." Merltins Augen füllten sich mit violettem Leuchten und funkelten die Königin der Schneeinseln grimmig an.

Caelyria machte einen Schritt rücktwärts und stieß dabei gegen Fesja.

,,Niemand redet so mit meinem Freund!" Vinny griff nach Merltins Arm und zog ihn von der Königin weg, nicht ohne sie ebenfalls mit einem violetten Leuchten zu erschrecken.

,,Hoheit, es sind nur Kinder", beruhigte Fesja sie.

,,Oh nein, das sind nicht nur Kinder. Hast du nicht ihre Augen gesehen?"

Uqua trat neben die beiden Frauen. ,,Wir alle haben es gesehen, Caelyria. Es sind trotzdem noch junge Wesen."

,,Ich brauche jetzt keinen Rat", funkelte sie den älteren Waldegraner an und ging zielstrebig durch die unteren Gänge des Schlosses.

 

 

Akayla lag in ihrem großen Bett, unter mehreren Decken zugedeckt, während Maimee neben ihr saß und sie besorgt ansah. ,,Meine arme Tochter."

,,Sie wird wieder gesund, Hoheit", versicherte ein Heiler ihr sofort.

,,Das weiß ich, aber es tut mir leid sie so zu sehen." Maimee seufzte. ,,Ich glaube einfach nicht, dass sie jemand wie der Knappe erschlagen haben soll."

Durch die Prinzessin ging ein kurzes Zucken und sie schlug ihre grün-blauen Augen auf.

,,Akayla, Liebes." Ihre Mutter lächelte erleichtert und nahm ihre Hand in ihre eigene.

,,Wo ist Dayne?"

,,Du machst dir jetzt keine Sorgen um ihn. Dein Vater kommt noch zur Vernunft."

Die Prinzessin setzte sich augenblicklich aufrecht hin. ,,Was meinst du damit, er kommt zur Vernunft?" Sie hielt sich eine Hand an ihre Stirn. ,,Mein Kopf..."

,,Siehst du, Akayla. Ruh dich noch aus. Du hast einen ordentlichen Schlag abbekommen", erwiderte Maimee streng.

,,Das ist nicht wichtig. Ich weiß genau was passiert ist, bevor mich die Dunkelheit verschlungen hat!"

Der Heiler hinter der Königin konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

,,Also sag schon, Mutter."

Die Königin von Castero sah ihre Tochter an. ,,Dein Vater hat ihn in den Kerker werfen lassen."

,,Was?!"

,,Nicht nur, weil er dich zusammengeschlagen haben könnte, sondern auch wegen Verrat am Königshaus Olfala."

Sprachlos starrte sie ihre Mutter an. Dayne im Kerker war so ziemlich das Schlimmste, was man ihr hätte sagen können.

,,Ihr solltet Eurer Tochter Zeit zum Genesen geben, Hoheit", sagte der Heiler mit seinem grauen Gewand und räusperte sich.

Maimee nickte stumm.

,,Holt Dayne auf der Stelle da raus, oder ich mach es persönlich!"

,,Akayla, du weißt du kannst da nichts gegen tun. Siaac ist König und du..."

,,Nur Prinzessin!" Wütend warf sie ein Kissen durch ihr Gemach. ,,All das wird mir sicher egal sein, sollte er ihm auch nur ein Haar krümmen."

Ihre Mutter wurde zornig. ,,Wie redest du denn über deinen Vater? Er hat dir nichts getan."

,,Tut er Dayne was an, tut er mir auch was an", murmelte Akayla leise und legte sich wieder hin.

,,Mach nichts Unüberlegtes, Liebes." Maimee ließ ihre Hand los und erhob sich. ,,Ich versuche mein Glück bei deinem Vater, aber versprechen kann ich dir nichts." Sie richtete ihr langes Kleid, wartete bis der Heiler ihr die Tür öffnete und verließ dann den Raum.

 

 

Ekatoa drückte beide Arme durch und stemmte sich gegen den Kopf des Wolfsdrachen mit den orangenen Augen. ,,Auge des Adlers, geh und bring dich endlich in Sicherheit!"

,,Nein." Edolon war wie fixiert auf den Wolf vor seinem Stammesbruder.

,,Hast du den Verstand verloren?", brachte Ekatoa hervor.

Valkan zog Edolon am Arm. ,,Wenn Auge des Adlers schon nicht auf seinen Bruder hören mag, dann wenigstens auf seinen Häuptling."

,,Lass mich los", wehrte der Indianer ab und starrte den Wolf an. ,,Siehst du denn nicht, dass er dir nichts tun will?"

Fassungslos blickte Ekatoa den Wolf an. ,,Nicht ganz."

,,Lass sein Gesicht los. Vertrau mir."

,,Gut..." Der Indianer mit dem roten Kopftuch ließ los.

Tatsächlich tat ihm der Wolfsdrachen nichts. Er senkte seinen großen Kopf und sah zu Edolon hinüber.  ,,Woher wusstest du, dass er mir nichts tun wird?"

,,Ich sehe es ihm an."

,,Ach ja? Was seht Ihr denn in den Augen des Monsters mit den roten Augen?", knurrte ein Krieger der Grauwälder, der hinter ihm erschienen war. ,,Wenn wir nicht schießen dürfen, können wir uns nicht verteidigen."

,,Ihr sollt ihm nicht weh tun..." Edolon machte einen Schritt auf das Wesen zu, welches ihn noch immer ansah.

,,Hat Euer Stamm jetzt den Verstand verloren?", raunte der Krieger Valkan zu.

Auge des Adlers hatte ihn trotzdem gehört. ,,Verletzt ihr meinen Sohn werde ich bei Manitu schwören euch zurück zu verletzen." Er wandte sich zu den verdutzt blickenden Indianern um. ,,Choca ist nicht tot. Er lebt weiter genau hier." Er strich über die Schnauze des Wolfes, der ihn nicht davon abhielt.

,,Mein Beileid für den Verlust des Kindes, aber das ist nun wirklich weit her geholt."

,,Denkt nach. Bevor mein Sohn gestorben ist leuchteten seine Augen orange. In seinen Träumen hat er durch Wolfsaugen. Die Augen dieses Wolfes sind orange."

,,Dann kann er durch diese Augen gesehen haben, auch wenn das verrückt klingt...Aber er ist nicht dieser Wolf", wehrte der Reakaner weiterhin ab.

,,Ihr hattet nie Kinder. Ihr wisst nicht, wie das ist. Das hier ist mein Sohn." Edolon blickte mit Tränen in den Augen über den Wolfsdrachen hinweg in den Himmel und sah Choca, wie er durch den Schlosshof mit seinem Holzpferd hüpfte. ,,Weil ihr nicht durch seine Augen sehen könnt."

25. Eisregen

 ,,Langsam bekomme ich das Gefühl, dass die Wolfsdrachen uns gar nichts anhaben wollen", brummte Ekatoa, während er die Drachen über sich im Auge behielt.

Diese lieferten sich eine Verfolgungsjagd über ihren Köpfen. Der Feuerdrache verbog seinen Hals, flog eine scharfe Kurve, flog in die Richtung, aus die er gekommen war zurück und krachte mitten durch die Wand aus Eis.

,,Geht in Deckung!", rief Valkan seinem Stamm zu.

Die Eiswand zersprang in Millionen kleiner Stücke, die auf die Erde nieder fielen und im hellen Mondlicht aussahen, wie kleine Diamanten.

,,Eisregen", hauchte Ekatoa beeindruckt, nachdem er sich in Sicherheit gebracht hatte.

 

 

Vinny hatte Merltin inzwischen die Treppen hinauf in Sicherheit gebracht und rannte geradewegs in die Königin hinein. ,,Entschuldigung, Hoheit."

Lydia zuckte kurz erschrocken zusammen, erkannte dann aber die beiden Kinder sofort. ,,Ist schon in Ordnung, Vinny." Sie sah, dass Merltin ihr nicht in die Augen guckte, sondern fest konzentriert den Boden fixierte. ,,Ist etwas passiert? Was habt ihr gesehen?"

Keiner der beiden antwortete.

,,Merltin, ich bitte dich. Hat einer der riesigen Wölfe jemanden umgebracht?" Mit ungutem Gefühl neigte sie ihren Kopf. ,,Vinny? Merltin?" Noch immer bekam sie keine Antwort. ,,Hört zu, ihr müsst...Götter im Himmel, eure Augen!" Die Königin wich zurück, als sie das violette Leuchten erkannte. Sie folgte ihren Blicken nach einer Schreckenssekunde auf den Teppich unter ihnen. Eines der Schlossfenster warf Mondlicht durch die zerbrochene Scheibe und tauchte den Fußboden in ein trübes Grau. In diesem Moment dämmerte es Lydia. Sie blickte erneut zu den beiden Kindern, packte sie an ihren Armen und zerrte sie von dem Fenster weg. Die Königin zog die beiden zu den Treppen und hoffte, dass sie von alleine wieder irgendeine Reaktion von sich geben würden. ,,Merltin, Vinny, ihr müsst aufwachen", flüsterte Lydia nahezu panisch.

,,Was macht Ihr da?", ertönte Thogras Stimme, die soeben am Fuße der Treppe erschienen war.

Langsam drehte Lydia ihren Kopf zu ihr um. ,,Nichts."

,,Ich bitte Euch. Könnt ihr Nokarder auch noch etwas anderes, als gut lügen?"

Zornig kniff die Königin des blauen Reiches ihre Augen zusammen. ,,Ich wüsste nicht, dass ich Euch irgendeine Erklärung schuldig wäre. Wessen Bruder ist denn auf dem Vormarsch in mein Schloss?"

,,Yagre ist nicht mehr mein Bruder! Er will mich tot sehen, begegnen wir uns je wieder."

,,Er wird immer Euer Bruder bleiben, Thogra", setzte Lydia fort. ,,Ich kann nur hoffen, dass er nicht bereits noch mehr unschuldige Menschen kaltblütig ermordet hat." Kaum hatte sie diesen Satz beendet, erschien eine Menschenmenge hinter der Königin von Reako, die sie genau beobachteten. ,,Ähm, Thogra..."

Fragend drehte sich diese um und stolperte gegen das Geländer. ,,Gütiger..."

Caelyria musterte die junge Frau mit dem rötlichen Haar vor ihr, welche sie ebenso genau betrachtete.

,,Ihr seht aber nicht aus, wie die Armee meines Bruders."

,,Welcher Bruder?"

,,König Yagre." Thogra verstummte, als sie einen der Reakaner erkannte. ,,Was macht einer der Männer meines Bruders bei euch?"

Caelyria lachte auf. ,,Dieser Nichtsnutz hat auch noch Geschwister? Das ich nicht lache." Die Königin der Schneeinseln trat einen Schritt vor. ,,Ihr solltet Euch glücklich schätzen, dass ich Euch nicht auch an Ort und Stelle umbringen lasse."

Thogra weitete ihre Augen. ,,Ihr habt..."

,,Wer seid Ihr überhaupt, dass Ihr einfach in mein Schloss eindringt?", meldete sich Lydia zu Wort.

,,Das ist mein Zuhause, nicht Eures!", stellte Caelyria sicher.

,,Ach wirklich? Das wüsste ich aber."

,,Ich sage die Wahrheit! Man hat mich durch die halbe Welt geschleift, bis ich auf den Schneeinseln verkommen bin, mit meinem ganzen Volk aus Reakanern und Casteranern. Wie fühlt es sich wohl an die einzige Nokarderin zu sein?"

Lydia musterte die selbsternannte Königin eingehend. ,,Ich bin die Königin dieses Landes."

,,Nein, ich bin die Königin dieses Landes. Ihr habt kein Recht hier zu sein. Meine Familie saß seit Jahren auf dem Thron und ursprünglich sollte ich dort auch sitzen, hätte man mich nicht hintergangen!", fuhr Caelyria sie an.

,,Ich bitte Euch, was fällt Euch ein?! Meine Familie ist tot..." Lydia wusste selbst, dass ihr Vater noch lebte und hasste es wieder lügen zu müssen, um Nokard zu beschützen.

,,Mein Vater, war König Ginnon. Ich wette Euer Vater war bloß ein Landstreicher und Ihr habt Euch auf den Thron gesetzt, weil ihr diesen Wylland geheiratet habt. Hätte ich Euch nie zugetraut, Ihr seht jung aus."

,,Wylland ist tot und ich habe niemanden geheiratet...Moment mal." Lydia sah eine Weile in Caelyrias Augen. ,,Wie heißt Ihr überhaupt?"

,,Dalmara Caelyria Fuero", bekam sie als Antwort. ,,Und wer bei den Göttern seid Ihr?"

,,Dalmara?" Lydia riss ihre Augen auf. ,,Wir dachten du bist tot..."

Caelyria stiegen plötzlich Tränen in die Augen. ,,Lydia?"

Diese nickte und wurde kurze Zeit später in die Arme geschlossen.

,,Ich bin nicht tot und das war ich auch nie..."

 

 

Akayla hielt es in ihrem Bett keine Minute mehr aus. Sie wollte unbedingt zu Dayne, nachdem ihre Mutter ihr mitteilte, dass er im Kerker saß.

,,Alles in Ordnung, Prinzessin?", fragte der Heiler besorgt.

Verwundert hielt sie eine Hand an ihre Wange. ,,Ich weiß nicht, was das war, Quantron." Die Prinzessin sah langsam auf. Es hat sich angefühlt, als hätte...Als hätte mich jemand geschlagen."

,,Das ist vollkommen unmöglich. Verzeiht meinen Ton, aber Ihr seht doch nur mich in diesem Raum und ich stehe einige Meter von Euch entfernt."

Akayla nickte langsam. ,,Vielleicht war es nur Einbildung."

Der Heiler setzte ein Lächeln auf. ,,Sicher war es das. Ihr müsst euch ausruhen."

Widerwillig legte sie sich zurück in ihre Kissen und blickte an die Decke. Wieder durchfuhr sie ein unangenehmes Gefühl, diesmal an ihrer linken Wange. Sie schloss die Augen und versuchte die Schmerzen zu ignorieren, doch es hörte nicht auf. ,,Das reicht." Akayla öffnete ihre grünlichen Augen, schwang sich aus dem Bett und stand auf.

,,Wo wollt Ihr hin?"

,,Klarstellen, ob ich Recht habe mit meiner Vermutung...", murmelte Akayle und wurde langsam unruhig.

,,Welche Vermutung? Bleibt bitte liegen, es ist nur von Vorteil für Eure Genesung." Quantron wirkte verzweifelt, da die Prinzessin keine Anstalten machte auf ihn zu hören. ,,Wartet..."

Akayla hielt vor der Tür Inne.

,,Was passiert, wenn sich Eure Vermutung bestätigt?"

Sie wandte sich zu ihrem Heiler um. ,,Dann dürft Ihr hoffen und beten, dass dieses Schloss noch steht, wenn ich mit meinem Wutausbruch fertig bin." Vielsagend blickend verließ sie ihr Gemach und ging hinaus auf den Flur. Ihre Schritte wurden immer schneller, je mehr sie sich von ihrem Zimmer entfernte.

Das Einzige, was Quantron jetzt noch hörte, war ein lauter Schrei, der ganz klar und deutlich einen Namen, aus tiefer Wut rief. Den Namen des Königs von Castero.

26. Falsches Lächeln

 Caelyria vergrub ihr Gesicht an der Kleidung ihrer Schwester und stellte jetzt erst etwas fest. ,,Lydia, seit wann erwartest du ein Kind?"

,,Schon eine Weile", antwortete diese lächelnd.

,,Wer ist der Vater? Du musst mir alles erzählen."

Thogra griff während ihres Gesprächs unbemerkt nach einem kleinen Messer, welches Uqua an seiner Gürtelschnalle trug, holte ein wenig aus und visierte Caelyria genau.

Lydia atmete ruhiger im Arm ihrer Schwester, vernahm das merkwürdige Geräusch von Metall, welches aus seiner Fassung gezogen wurde, öffnete blitzschnell die Augen und löste sich aus der Umarmung. ,,Was macht Ihr da?!"

Die Königin von Reako packte mit einem Arm um Caelyrias Hals und hielt das Messer davor.

Diese packte so fest sie konnte um den Arm, der sich um ihre Kehle geschlungen hatte und rann nach Luft.

,,Eure Schwester hat meinen Bruder ermordet. Den Göttern sei Dank, dass sie noch lebt, dann kann ich mich persönlich dafür rächen", antwortete Thogra zornig. ,,Keinen Schritt näher!" Wütend hielt sie das Messer näher an Caelyrias Hals.

Die umstehenden Reakaner und Waldegraner wichen erschrocken zurück.

,,Lasst sie sofort los!", schrie Lydia sie an.

,,Ich denke gar nicht dran."

,,Ihr habt die Königin gehört", meldete sich Vinny zu Wort, der aus seiner Starre aufgetaut zu sein schien.

,,Kinder wollen mich aufhalten? Ihr zwei seid verflucht." Thogra blickte abwechselnd in Merltins und in Vinnys Augen. ,,Ja, denkt ihr wirklich, dass ich eure Augenfarbe gerade normal finde?"

Lydia weitete ihre Augen kurz, wendete ihren Blick aber keine Sekunde von ihrer Schwester. ,,Lasst meine Schwester los, Thogra! Ich sage es nicht nochmal."

,,Sonst was?"

,,Sonst seit ihr an Caelyrias Stelle."

Erschrocken lockerte Thogra den Griff um Dalmaras Hals, als jemand sein Kurzschwert vor ihre Kehle hielt und ließ das Messer fallen.

Dalmara stolperte in Lydias Arme zurück und schluchzte, während diese nach der Person Ausschau hielt, die ihrer Schwester soeben geholfen hatte.

Hinter ihr tauchte ein junger Mann mit braunem Haar auf.

,,Anemro, bist das wirklich du?", fragte sie unsicher. Ihr Gegenüber wirkte selbst nicht, als wäre er im besten Zustand, mit den zerzausten Haaren, verschmutzer Kleidung und dem leeren Blick.

,,Loslassen, Berater!", brachte Thogra hervor und zerrte an Anemros Arm.

,,Ich bin die Rechte Hand von König Vasilias und Ihr habt mir rein gar nichts zu befehlen", erwiderte er abschätzig. ,,Hoheit, wo finde ich Eure Kerkerschlüssel?"

,,Ser Chrysos hat sie bei sich. Er kämpft Draußen mit den anderen", brachte Lydia hervor, überrascht darüber, dass Anemro sie nicht bei ihrem Namen ansprach.

,,Der Kampf ist vorbei, Ihr seid in Sicherheit."

,,Ihr habt uns gerettet?", mischte sich Dalmara ein und wischte ihre Tränen aus den Augenwinkeln.

Anemro sah Lydia die ganze Zeit über an.

Diese nickte leicht. ,,Schafft Sie mir aus den Augen."

Vasilias Rechte Hand zerrte die strampelnde Thogra von der Bildfläche, die Stufen hinab in den Kerker und verschwand.

,,Lydia, wieso hat er..."

,,Später. Komm, ich glaube wir haben eine Menge zu besprechen."

 

 

,,Vater!", schrie Akayla durch die Flure. ,,Siaac Olfala, komm aus dem Loch gekrochen, aus dem du dich feige..."

,,Hört auf zu schreien, Prinzessin." Lorna hielt Akayla den Mund zu, bis sie sich wieder abregte. ,,Euer Vater hat nichts getan."

Die Prinzessin löste sich aus ihrem Griff. ,,Woher wollt Ihr das wissen?! Ihr spürt nicht, was ich spüre!", fauchte sie.

,,Das mag sein, aber Ihr schreit die ganze Burg zusammen und weckt noch unnötig den König", antwortete Lorna ruhig.

,,Mein Vater schläft?"

,,Ja."

,,Aber wie kann das sein?", hauchte Akayla leise.

,,Ich weiß nicht, was Ihr meint, aber hört mir zu." Die Königin von Waldegro beugte sich zu ihr runter. ,,König Siaac und ich haben lange über einen Plan gesprochen, wie wir unsere beiden Länder gegen Prinz Anron schützen können."

,,Was ist mit Yagre?"

Lorna seufzte. ,,Um den machen wir uns Gedanken, wenn der Feind des Zentrums zerstört wurde."

,,Ihr lügt doch. Ich habe einen Vertrag unterzeichnet diesen aufgeblasenen Möchtegern Herrscher aus dem Süden zu heiraten und Ihr macht rein gar nichts? Habt Ihr eine Ahnung, zu was dieser Mensch fähig ist?"

,,Natürlich weiß ich das, ich habe es doch selbst oft genug erfahren. Haltet Ihr es für eine gute Idee Euren Vater deswegen schon wieder auf die Nerven zu fallen?"

Akayla sah in Lornas Augen und setzte ein gespieltes Lächeln auf. ,,Aber natürlich nicht."

,,Ihr solltet Euch ausruhen", schlug die Königin mit dem pastellgelben Kleid vor.

,,Eine wunderbare Idee, Hoheit", trällerte die Prinzessin.

Mit einem Schlag wurde die Königin ernst. ,,Ihr nehmt mich auf den Arm?"

,,Und Ihr habt Euch eine neue Feindin geschaffen", erwiderte Akayla und lies ihr Lächeln verschwinden.

,,Wieso sollte ich denn Angst vor Euch haben? Ihr seid eine Prinzessin. Der einzig lebende Prinz, den Ihr heiraten könntet, wäre Prinz Anron und ich denke er wird tot sein, lange bevor Ihr auf dem Thron sitzt. Außerdem arbeiten Castero und Waldegro zusammen gegen gemeinsame Feinde."

,,Noch", flüsterte Akayla vielsagend lächelnd, drehte sich um und ging Lorna aus dem Weg.

Diese ballte eine Faust und blieb im Flur zurück.

 

 

,,Edolon, ich finde nicht, dass es eine gute Idee ist, wenn du bei diesem Wolfsdrachen bleibst", murmelte Valkan.

,,Er ist mein Sohn, wie oft denn noch?"

,,Choca ist tot, wann siehst du das endlich ein?" Der Indianer mit dem blauen Kopftuch ging nervös durch den Schnee. ,,Sobald wir im Schloss sind, möchte ich, dass du dich um unsere Brüder und Schwestern kümmerst. Ich komme nach, sobald ich sicher gehen kann, dass es Lydia und dem Kind gut geht."

Mit einem ungewohnt schwerem Kloß im Hals nickte Auge des Alders. ,,Mache ich."

Valkan kam eine größere Menschenmenge aus dem Treppenhaus entgegen, von denen ihm einige Augen bekannt vorkamen.

,,Ihr seid ein Häuptling, richtig?"

Valkan wandte sich dem Mann zu, dem die raue Stimme gehörte. ,,Ihr liegt richtig."

,,Ich bin Uqua, kein Mensch mit hohem Rang, wie Ihr."

,,Einen hohen Rang habe ich auch nicht."

,,Ihr seid Häuptling. Das ist mehr, als sich ein gewöhnlicher Dorfbewohner erträumen kann."

,,Ich bin nur wegen dem Stamm Häuptling, nicht, weil ich hineingeboren wurde", stellte Valkan sicher.

,,Eine weise Rothaut noch dazu." Uqua lächelte leicht.

Valkan fing den Blick des älteren Mannes auf. ,,Ihr seid mit dieser Königin gekommen. Wer zum Manitu ist diese Frau?"

,,Wie wir soeben festgestellt haben, die Schwester der Königin von Nokard." Uqua verbeugte sich leicht und verschwand dann gemeinsam mit Fesja und den übrigen Bewohnern der Schneeinseln.

Eilig stürmte Valkan die Treppen hinauf, um nach Lydia zu suchen. Sollte diese Frau wirklich ihre Schwester sein, konnte er nicht versprechen ihr keine ewige Feindschaft zu schwören.

27. Gesetze

 Nach einem ausführlichen Gespräch mit Dalmara, wandte sich Lydia an eine ihrer Mitarbeiterinnen. ,,Bitte stellt sicher, dass meine Schwester und das restliche Volk der Schneeinseln warme Kleider bekommen und Bäder zur Verfügung gestellt werden." Sie rieb eine Hand in der anderen. ,,Solange wir nicht wissen, wie lange sich die Drachen bekämpfen wollen und der Schneedrache unser Land einfriert, sollten wir die Felle wieder auspacken."

Die junge Frau zog ihren Rock etwas zu beiden Seiten von sich und machte einen Knicks. ,,Sehrwohl, Hoheit."

Lydia neigte leicht ihren Kopf zur Einverständnis. ,,Dalmara, du solltest dich ausruhen, nicht das Gemälde unserer Eltern ansehen." Sie trat neben ihre Schwester.

,,Wieso nicht? Ich habe sie ewig nicht gesehen."

,,Ich weiß." Die Königin von Nokard legte ihr eine Hand auf die rechte Schulter. ,,Es läuft nicht davon. Du kannst es dir morgen in Ruhe ansehen, wenn wieder etwas Ruhe ins Schloss gekehrt ist."

,,Noch immer unfassbar, dass ich lebend zurückgekehrt bin und dich hier wiedersehe." Caelyria lächelte. ,,Nun, ich möchte dir auch etwas versprechen."

,,Was denn?"

,,Wenn ich auf dem Thron sitze, dann wirst du das Schloss bekommen, über welches ich einst herrschen sollte, solange Mutter und Vater noch Könige waren."

Lydias Blick verfinsterte sich ein wenig.

,,Verzeihung, du denkst sicher, dass ich dir jetzt dein Land wegnehme?"

,,Nein..."

,,Wunderbar."

,,Aber tust du es?", hakte Lydia skeptisch nach. ,,Sieh mich an, ich erwarte ein Kind, sitze seit Jahren auf diesem Thron und könnte Valkan heiraten. Die Thronfolge unseres Hauses wäre gesichert."

,,Ich kann auch heiraten. Viel älter als du bin ich nicht und zudem schätze ich, dass es schwerer sein wird einen Indianerhäuptling zu heiraten, als einen Mann ohne Titel."

Die Königin von Nokard drehte genervt ihren Kopf zur Seite. ,,Du weißt man darf nur Prinzen heiraten, oder eben Könige und davon gibt es wahrlich nicht mehr viele."

,,Ist dem so?"

,,Natürlich, das ist Gesetz."

Dalmara lachte auf, bevor sie wieder ernst wurde. ,,All die Jahre auf den Schneeinseln haben wir ohne Gesetze gelebt. Keinen Herrscher hat es interessiert, ob wir am leben sind, oder nicht. Jetzt interessieren wir uns nicht mehr für sie."

Verständnislos blickend betrachtete Lydia ihre Schwester. ,,Du bist gar nicht anders, als Mutter. Ihr waren Gesetze immer egal."

,,Das musst gerade du sagen. Du bist deinem Vater ähnlicher, als du denkst."

,,Was?"

,,Gute Nacht, Schwesterchen." Dalmara schmunzelte, hob ihr Kleid an und stolzierte aus dem Thronsaal mit einem Lächeln auf dem Gesicht.

Finster blickte Lydia ihrer Schwester nach und ging sofort zum Türbogen, wo ein Ritter vor stand. ,,Serpo, ich versichere mich, ob Thogra im Kerker ist und Ihr tut mir den Gefallen und behaltet meine Schwester im Auge."

,,Zu Befehl, Euer Hoheit."

 

 

Hastig stieg Lydia die Stufen in die Eingangshalle hinab, die überraschend ruhig war. Es hatte sich also tatsächlich wieder beruhigt im Schloss. Sie schluckte kurz und lief in Richtung Steintreppen hinab in den Keller. Dort allerdings war sie nicht ganz so alleine, wie sie es sich bis zu diesem Punkt gedacht hätte. Sie schreckte zurück, als sie erkannte, wer auf der Treppe lag. ,,Anemro, was machst du da?"

,,Es tut mir so leid." Er wischte sich mit einem Ärmel über die Stirn. ,,Sie ist stärker gewesen."

,,Thogra ist die schwächste Königin, die ich kenne. Wie konnte sie entkommen?"

,,Ich bin der, der schwach ist."

Verwirrt sah sie auf Vasilias Rechte Hand hinab. ,,Wo bist du all die Zeit gewesen? Wer hat dich verletzt?"

Dieser neigte den Kopf zur Seite und schloss die Augen schließlich.

,,Anemro?" Lydia klopfte mit ihrem Handrücken an das Gesicht des Beraters. ,,Anemro!" Trotz seines Verhaltens stiegen ihr Tränen in die Augen. Sie blickte in den leeren Korridor und schrie: ,,Wachen! Wachen!"

So schnell ihre Rüstungen sie trugen, eilte die Garde von Nokard zu ihrer Königin. ,,Euer Hoheit, Ihr habt gerufen?"

,,Thogra ist entkommen. Schnappt sie euch und bringt sie mir auf der Stelle!"

,,Wie Ihr wünscht." Ser Chrysos und die beiden Ritter, die ihm gefolgt waren, verneigten sich, bevor sie davon stürmten, um den Befehl auszuführen.

,,Lydia, geht es dir gut?"

,,Ekatoa, ich..." Die Königin hielt plötzlich Inne, als sie Valkan hinter dem Indianer mit dem roten Kopftuch erkannte.

Dieser starrte regelrecht auf Anemro, der in ihrem Arm lag.

,,Du verstehst das jetzt falsch, Valkan."

Sanfte Feder trat vor, packte Anemro am Kragen und warf ihn über seine Schulter. ,,Es gibt nichts falsch zu verstehen."

Ekatoa hob skeptisch eine Augenbraue und sah seinem Häuptling nach, der Vasilias Berater in das Krankenzimmer brachte.

Lydia vergrub ihr Gesicht in ihren Händen, was dem Indianer nicht entging.

,,Weine nicht, wegen Sanfte Feder. Er ist kein eifersüchtiger Mensch."

,,Ist er das nicht? Valkan dachte sogar, dass wir beide etwas anfangen könnten", erwiderte Lydia sofort.

,,Du bist wie meine Schwester, nur eben ein Bleichgesicht." Der Indianer mit dem roten Kopftuch setzte ein Lächeln auf. ,,Ekatoa lässt seine Schwester nicht im Stich."

,,Ich danke dir, Bruder."

,,Lydia?" Ekatoa setzte ein besorgtes Gesicht auf. ,,Stimmt was nicht mit dem Baby?"

,,Dem Kind geht es gut", brachte diese Zustande, während sie sich ihren Bauch hielt.

,,Bist du sicher?"

,,Ja, verflucht!", fuhr Lydia ihn an.

,,Wann sollte Euer Kind auf die Welt kommen?"

,,Nicht bevor der nächste Winter naht! Was wird das?"

Ekatoa griff unter ihre Arme und Beine, hob sie hoch und sagte: ,,Dem kann ich nicht ganz Glauben schenken. Ich bringe dich zu einem Heiler."

Die Königin kniff ihre Augen zusammen und hielt sich an dem Indianer fest.

 

 

In Castero stürmte die Prinzessin durch die Flure, um Lorna so schnell es ging zu entkommen. Alles, was sie jetzt wollte war Sicherheit, dass es Dayne gut ging. Durch einen ihrer Geheimgänge huschte sie bis ins Erdgeschoss und schlich sich an einer Wache vorbei. Sie bog um eine Ecke und bereute diese Entscheidung sofort. Akayla hielt sich vor Schreck den Mund zu, um nicht zu schreien, wegen dem, was sie gerade gesehen hatte. Das konnte nicht sein. Nervös fuhr sie sich durch ihr blondes Haar und strich es zurück. Es konnte nicht sein, dass Rosatra Torpala hier war. Es konnte nicht sein, dass sie tot war und noch viel schlimmer, ihr Vater davor stand und mit einer Wache sprach. Die Prinzessin war schnell überzeugt davon, dass diese Neuigkeit nicht für ihre Augen bestimmt war. So schnell sie gekommen war, stürmte sie wieder davon, direkt in die Arme von Lorna.

,,Wo wolltest du denn hin?"

,,Nirgendwo! Lasst mich los!"

,,Ich denke da unten hast du gar nichts zu suchen, oder?", fragte die Königin von Waldegro skeptisch.

Akayla gab ihr keine Antwort.

,,Ich habe also Recht." Lorna war es diesmal, die lächelte. ,,Dann bringe ich Euch zu Eurem Vater."

,,Nein!"

,,Wenn Ihr Euch nicht wehrt, haben wir auch keine Probleme."

,,Ihr seid in unserer Burg, hier herrschen unsere Regeln!"

Lorna schüttelte den Kopf und zog Akayla hinter sich her. ,,Nicht mehr lange, versprochen."

28. Lügen

 Lorna zerrte die Prinzessin zu ihrem Erstaunen nicht die Treppen zum Keller hinab, sondern hinauf in den Schlafsaal ihres Vaters. Plötzlich dämmerte es Akayla. Die Königin hatte gar keine Ahnung, dass Siaac im Keller war, um dort geheime Gespräche zu führen. Jetzt durfte sie sich nur ihre Erleichterung nicht anmerken lassen, ihren Vater hier ganz bestimmt nicht vorzufinden. ,,Sagt mal Ihr habt vielleicht Nerven den König seines kostbaren Schlafes zu berauben. Habt Ihr etwa schon vergessen, wie wütend er werden kann?"

,,Natürlich nicht, aber seine Wut hat er schnell vergessen, wenn ich ihm dafür seine Tochter bringe, die in der Burg herumschnüffelt."

,,Ich wohne hier!", erwiderte Akayla zornig.

,,Das ist mir ebenfalls bewusst", versicherte die Königin von Waldegro mürrisch. ,,Wir sind fast da." Um eine letzte Ecke einer Steinmauer bog sie ein, ohne die Prinzessin auch nur eine Sekunde loszulassen.

,,Warten wir ab, was er zu sagen hat."

Lorna klopfte mit ihrer freien Hand an die hölzerne Tür und wartete ab.

,,Ich sagte Euch, er schläft in Ruhe."

,,Still", zischte Lorna.

,,Kann es sein, dass Ihr Euch nie geändert habt? Dass Ihr trotz Angst alle Länder gegen sich aufzuhetzen ein Ekel seid?"

Bernsteinbraune Augen funkelten die Prinzessin nun an. ,,Ich bin kein Ekel. Eines Tages werdet Ihr verstehen, dass ich das alles nur auf mich nehme, um auf dieser Welt zu überleben. Wenn Ihr Eure grünen Augen mal aufhaltet, werdet Ihr merken, dass jeder so ist."

,,Ihr denkt also mein Vater sei auch so?!"

,,Jeder", wiederholte Lorna ernst und klopfte erneut an die Tür. ,,Wie fest kann der alte Mann denn schlafen?"

,,Ich denke mal nicht fest genug", erklang eine grimmig klingende Stimme hinter ihnen.

,,Euer Hoheit...Ihr schlaft gar nicht?", fragt die verdutzte Lorna nun.

,,So wie es aussieht nicht." Er musterte die Königin und seine Tochter. ,,Was hat das hier zu bedeuten?"

Akayla konnte sich ein leichtes Lächeln nicht verkneifen. Das geschah der Waldegranerin mehr als Recht.

Siaac trat einen Schritt vor, zerrte an Lornas Hand und befreite seine Tochter aus deren Handgriff. ,,Hat es Euch die Sprache verschlagen?" Er schüttelte verständnislos seinen Kopf. ,,Was treibst du eigentlich noch so spät auf den Fluren?"

Seine Tochter gab ebenfalls keine Antwort und ihr Lächeln war nach dieser Frage verschwunden.

,,Es redet also keiner von euch beiden, obwohl ihr vor meinem Gemach steht?" Köchelnd vor Wut strich er über seine Zeigefinger, die in seiner Faust an oberster Stelle waren. ,,Ihr könnt froh sein, dass ich euch nicht beide in den Kerker werfen lasse."

Akayla weitete ihre Augen. Mit einem Mal fiel ihr wieder ein, weshalb sie ursprünglich nach Siaac gesucht hatte. ,,Du kannst nicht alle deine Probleme aus der Welt schaffen, indem du jeden, der dich wütend macht in den Kerker wirfst!"

,,Euch werfe ich auch nicht in den Kerker."

,,Uns nicht, aber du willst es. Und was ist mit Dayne?!"

Der König winkte ab. ,,Um den wird sich gekümmert. Er bekommt zu Essen und zu Trinken, versprochen."

Diesmal war es die Prinzessin, die lauter wurde. ,,Das ist eine Lüge! Dayne wird nicht gut behandelt da unten und du denkst ich würde das nicht merken?! Ich spüre es."

Skeptisch meldete sich nun Lorna wieder zu Wort: ,,Du spürst es? Sicher, dass er dir nicht einfach nur fehlt?"

Akayla schüttelte ihren Kopf. ,,Das ist anders...Vater, du hast mir jetzt dein Wort gegeben, dass ihm nichts zustößt. Halte dich auch daran, sonst wird sich unser Hausmotto schneller ändern, als dir lieb ist."

Ihr Vater seufzte schwer. ,,Ich weiß du bist sauer auf mich, Akayla. In diesem Fall habe ich dir aber die Wahrheit gesagt. Dayne wird nicht schlecht behandelt."

,,Du solltest deinem Vater glauben", flüsterte Lorna.

,,Eure Deckung in allen Ehren, aber wir beide sprechen uns noch, wegen dieses Vorfalls."

Lorna senkte ihren Kopf. ,,Gute Nacht, Majestät."

,,Du gehst jetzt auch in dein Bett, Akayla."

,,Aber sie..."

,,Gute Nacht." Somit verschwand er in seinem Gemach und knallte die Tür hinter sich zu.

Noch immer stand die Prinzessin vor seiner Tür und wurde das Gefühl nicht los, dass ihr Vater nicht die Wahrheit sagte. Warum sonst würde sie sich so grausam fühlen? Unglücklich lehnte sie sich an die Wand neben dem Gemach des Königs und rutschte daran zu Boden. Dort angekommen zog sie ihre Beine an, legte ihren Kopf darauf und begann leise vor sich hin zu weinen.

 

 

Ekatoa hatte Lydia auf ein weiches Bett gelegt und einen Heiler rufen lassen. ,,Ich sage dir, das neue Bleichgesicht kommt heute noch auf die Welt."

,,Euer Hoheit, es ist soweit", antwortete nun auch der Heiler zustimmend.

,,Wo ist Valkan?", brachte diese hervor.

,,Wir wissen es nicht."

,,Ihr habt noch gar nicht gesucht!" Lydia hielt sich ihren Bauch und fuhr den Heiler erneut an. ,,Bringt mir den Vater meines Kindes...bitte!"

Der Heiler schüttelte den Kopf. ,,Ich kann Euch in diesem Zustand nicht alleine lassen."

,,Ich gehe", warf Ekatoa schnell ein. ,,Solange passt das auf dich auf." Er löste ein Armband von seinen kräftigen Armen und legte es Lydia in ihre zittrige Hand. ,,Gib auf keinen Fall auf." Er lächelte, bevor er verschwand, um Sanfte Feder zu suchen.

,,Wenn Valkan nicht kommt...verzeihe ich ihm das niemals." Lydia legte sich zurück in die Kissen und wusste selbst nicht weiter. Sie hatte sich die Geburt ihres Kindes nicht so vorgestellt.

,,Ihr schafft das auch ohne andere, Hoheit. Ihr seid stark", versicherte der Heiler ihr beruhigend. ,,Ja, durch das Leben geht man alleine...selbst wenn man jemanden an seiner Seite hat."

Lydia schluckte bei seinen Worten und wandte ihren Kopf ab. Jedoch konnte sie sich nicht eingestehen, dass er damit Unrecht haben könnte. Ihr Vater war verschwunden und ihr Mann eifersüchtig auf und davon. Hoffentlich würde man ihn rechtzeitig finden.

 

 

Der Indianer mit dem roten Kopftuch rannte geradewegs an Dalmara vorbei, die auf Erkundungstour im Schloss ging. Als sie ihn erkannte, hob sie ihre Hand und winkte ihn zu sich. ,,Ekatoa, richtig?"

,,Ich habe keine Zeit, verzeiht."

,,Was?" Perplex machte sie einen Schritt beiseite.

,,Lydia bekommt ihr Kind!", rief er, während er die Treppen hinunter stürmte.

Caelyria sog erstaunt und erfreut die Luft ein und machte sich ohne zu zögern auf die Suche nach ihrer Schwester.

29. Blitze

 Der Indianer mit dem blauen Kopftuch hatte Anemro in eines der Gemächer im unteren Teil des Schlosses gebracht. Seit mehreren Minuten wusch er Tücher in kaltem Wasser, welcher er gegen die auf dem Kopf des Beraters austauschte. Seine Gedanken waren die ganze Zeit über bei dem Moment, als er Lydia und Anemro dort auf dem Boden hatte liegen sehen.

Der Berater kniff seine Augen fest zusammen, bevor er diese blinzelnd öffnete. Langsam richtete er sich auf dem Bett auf und hielt sich den Kopf. Als nach und nach sein Augenlicht zurückkehrte und er den grimmig aussehenden Indianer erkannte, wunderte er sich. ,,Warum helft Ihr mir?"

Valkan schwieg, kümmerte sich allerdings weiterhin um die Tücher.

,,Nicht zu reden, ist auch keine Lösung", brachte Anemro mit rauer Stimme hervor.

,,In Eurem Fall, wäre es weiser nicht zu reden." Sanfte Feder wandte seinen Kopf zu Vasilias Berater. ,,Es sei denn, Ihr wollt nochmal zusammenbrechen."

,,So schlimm ist es dann auch nicht."

,,Gut, nächstes Mal werde ich Euch also liegen lassen", versicherte Valkan mit einem leichten Nicken.

,,Warum hasst Ihr mich so sehr? Ich versuche doch nur meinen Freunden zu helfen."

,,Ist dem tatsächlich so?"

,,Ja!", versicherte Anemro. Er richtete sich weiter auf, bis er aufrecht saß.

,,Ihr meint wohl eher Lydia zu helfen", murmelte Valkan brummend.

Der Berater verdrehte seine Augen. ,,Wer sagt, dass ich etwas von Eurer Frau will?"

Wieder schwieg Valkan. Was bildete sich dieser Logarder eigentlich ein, wer er war?

,,Nur Ihr", stellte Anemro sicher. ,,Das ist eine Lüge. Ihr kennt mich doch gar nicht..."

,,Ich brauche Euch dafür nicht zu kennen!"

Ein lautes Knallen ließ die beiden ihren Streit unterbrechen.

Valkan stürmte zum Fenster und riss den Vorhang zur Seite. ,,Bei Manitu..." Er erkannte einen grellen, bläulich-grünen Blitz, der sich über den gesamten Horizont erstreckte. Langsam kniff der die Augen zusammen, um durch das blendende Licht besser sehen zu können. Die Drachen, welche sich die ganze Zeit über bekämpft hatten, waren wie ausgewechselt. Sie ließen sich in Frieden und gleiteten mit ausgebreiteten Flügeln durch die kühle Winterluft.

,,Was geht da vor sich?", wollte Anemro wissen.

,,Ich werde nachsehen." Valkan ließ den Vorhang los, der den Raum sofort wieder in fast vollständige Dunkelheit tauchte. Der Indianerhäuptling rannte durch die Flure, um zur Eingangshalle zu gelangen. Gerade bog er um eine Ecke, da stieß er mit Ekatoa zusammen.

,,Da bist du ja!", sagte dieser außer Atem.

,,Nicht jetzt bitte."

,,Und ob." Ekatoa hielt beide Arme um seinen Häuptling und zog ihn mit sich. ,,Dein Kind kommt gerade auf die Welt und du willst mir sagen, dass du etwas besseres zu tun hast?"

Valkans Augen weiteten sich vor Erstaunen, bevor sein Gesicht durch die rötlich-braune Haut etwas blass wurde. ,,Ich muss zu Lydia!"

,,Sage ich doch. Komm jetzt."

 

 

Wenige Minuten später betraten die beiden Layandra Lydias Gemach. Dort wurden sie bereits erwartet und vom Heiler in Empfang genommen.

,,Gratulation, Häuptling. Ihr seid Vater von Zwillingen geworden."

Valkans dunkle Augen fanden die vertrauten Lydias, welche ihn einen Moment ernsthaft traurig, aber dann immer erleichterter ansahen. Er eilte zu ihrem Bett und umarmte sie fest. ,,Geht es dir gut?"

Dalmara hielt ein Kind, eingewickelt in mehrere hellblaue Decken vor sich und lächelte dies glücklich an. ,,Eine so wunderschöne Tochter habt ihr. Wenn sie erst einmal ihre Augen öffnet, dann wird sie Lydias Augen haben. Ich weiß es einfach."

Ekatoa nahm dem Heiler das zweite Kind ab, welches in eine dunkelblaue Decke gewickelt war und lächelte nun ebenfalls. ,,Dann habt ihr euren Sohn noch nicht gesehen." Seine großen Hände strichen sanft über den kleinen Kopf des Kindes, welches seine Ärmchen nach ihm ausstreckte. ,,Na da ist aber jemand froh auf der Welt zu sein." Der Junge bekam kaum den Stoff seines langen Ärmels gepackt, versuchte es aber weiter. ,,Ja, du verstehst mich", flüsterte Ekatoa strahlend und brachte das Kind zu seinen Eltern.

,,Die Hauptsache ist, dass beide gesund sind", sagte Lydia überglücklich und drückte ihre Tochter an sich, bevor sie mit Freudentränen in den Augen zu Valkan und ihrem Sohn sah.

Dieser nickte lächelnd. ,,Wir brachen noch Namen für die beiden."

Die Königin schüttelte ihren Kopf. ,,Wir nennen sie Valdia und Lykan." Nacheinander betrachtete sie ihre Kinder, während ihr Blick anschließend auf den des Heilers traf.

Dieser hatte den Vorhang angehoben und aus dem Fenster gesehen. ,,Das solltet Ihr Euch ansehen, Hoheit." Er schob den Sichtschutz vollständig beseite, sodass die Blitze zu sehen waren.

Lydias Blick wurde augenblicklich ernst.

,,Die habe ich vorhin gehört", murmelte Valkan. ,,Ich dachte, es sei jemandem etwas passiert."

Die Königin von Nokard hatte ihm gar nicht zugehört, sondern starrte die blau-grünen Blitze an. ,,Was hat das zu bedeuten?"

In diesem Moment öffnete sich die Tür und Anemro humpelte ins Zimmer. ,,Ich glaube das da draußen hat nichts mit den Drachen zu tun."

Erstaunt wandte Lydia ihren Blick zu ihm. ,,Du bist wach, wie beruhigend." Sie lächelte ein wenig.

,,Sondern?", warf Valkan rasch ein.

Anemro blickte erst zu Lydia, dann zu Valkan und schließlich blieb sein Blick auf den Zwillingen ruhen. ,,Mit euren Kindern."

30. Taubheit

 ,,Unsere Kinder haben damit nichts zu tun", knurrte Valkan. ,,Wie kommt Ihr überhaupt darauf solche Behauptungen aufzustellen?"

Anemro zuckte mit einer Schulter. ,,Wie komme ich wohl darauf? Eure Frau fliegt auf Wasserdrachen oder Schneedrachen durch die Welt und jetzt wundere ich mich weshalb eure Kinder genauso sein könnten wie sie?"

,,Dass die Drachen mit den Zwillingen in Verbindung stehen könnten, schließe ich auch nicht aus, Hoheit." Nachdenklich sah der Heiler seine Königin an.

,,Lasst meine Kinder aus dem Spiel." Der Häuptling wurde zorniger.

Ekatoa seufzte. ,,Es bringt nichts sich zu streiten. Die Kleinen Bleichgesichter müssen schlafen."

Lydia nickte und reichte vorsichtig ihre Tochter Valdia an Valkan weiter. ,,Wir alle brauchen Schlaf."

,,Ich lasse Euch alleine, Hoheit und werde morgen wieder nach Euch sehen", sagte der Heiler, verbeugte sich mit gefalteten Händen und ging gemeinsam mit Dalmara nach draußen.

,,Ihr geht jetzt auch, sonst lernt Ihr mich kennen." Valkan schob Anemro mit einem Arm aus dem Gemach auf den Flur und knallte die hölzerne Tür hinter sich zu.

Valdia fing auf seinem Arm sofort an zu weinen, als der Knall durchs ganze Zimmer hallte.

Lydia eilte zur Tür und nahm ihm das Mädchen ab. ,,Ganz ruhig mein Schatz, es ist nur dein rücksichtsloser Vater."

Derweil legte Ekatoa Lykan in seine kleine Wiege. Er war überrascht darüber, wie ruhig der Junge im Vergleich zu seiner Schwester blieb. ,,Warum schreit er nicht?"

Valkan trat neben das kleine Bett und kniete sich hin. ,,Vielleicht kommt er nach mir und kann mit Krach besser umgehen."

Der Indianer mit dem roten Kopftuch blickte in die großen Augen des Babys. ,,Nein, da stimmt etwas nicht." Er drehte ganz behutsam das kleine Köpfchen und flüsterte in sein Ohr: ,,Lykan, kannst du mal lachen?"

Keine Reaktion des Kindes. Weiterhin unbeeindruckt sahen seine Augen zwischen den Erwachsenen hin und her.

,,Als ob mein Sohn schon weiß was das ist."

,,Er hat sogar schon seine Augen geöffnet. Ist doch ungewöhnlich für ein Neugeborenes Kind." Er dachte kurz nach. Häuptling, klatscht in die Hände so laut es geht. Lydia, halte deiner Tochter die Ohren zu", sagte Ekatoa.

,,Wozu soll das gut sein?" Lydia ging ein Stück zurück.

,,Mach es einfach, Sanfte Feder."

Valkan nickte, holte weit aus und klatschte laut in seine Hände. Selbst die anderen Erwachsenen fanden es zu laut, das konnte er deutlich sehen.

,,Siehst du, dein Sohn reagiert immer noch nicht", stellte Ekatoa fest. ,,Ich bedaure es aussprechen zu müssen, aber glaubst du nicht auch langsam, dass Lykan nichts hören..."

,,Unsinn! Mein Sohn ist nicht taub!" Schnell hob er Lykan in seinen Arm und war den Tränen nahe.

Der Indianer wandte sich an Lydia. ,,Ihr solltet den Heiler zurückrufen."

Lydia starrte Ekatoa mit weit geöffneten Augen an und drückte ihre Tochter an sich. ,,Das ist nicht möglich..."

,,Ich würde nicht ausschließen, dass deine Tochter auch etwas hat, was wir nicht sehen. Lasst den Heiler die beiden untersuchen."

Die Königin von Nokard nickte aufgewühlt.

,,Ich hole ihn", warf Ekatoa nach einem kurzen Schweigen ein und rannte raus.

,,Was ist, wenn er wirklich nichts hört?" Besorgt trat Lydia neben Valkan und lehnte ihren Kopf an seine Schulter.

,,Dann sollten wir das Beste draus machen ihm ein schönes Leben zu bieten."

 

 

Akayla war vor dem Gemach ihres Vaters eingeschlafen, wachte von einem Sonnenstrahl auf, der ihre Nase kitzelte und sie zum Niesen brachte. Sie richtete sich auf und rieb sich den Nacken. ,,Nie wieder schlafe ich auf dem Boden." Brummend ging sie durch den Flur.

Vor dem Thronsaal blieb sie jedoch stehen und belauschte ein Gespräch zwischen Lorna und ihrer Mutter.

,,Wisst Ihr, dass Eure Tochter spürt wie sich ein Mensch, den sie gerne hat fühlt?"

,,Wie meint Ihr das?", ertönte die skeptische Stimme ihrer Mutter.

,,Gestern Nacht habe ich sie auf dem Flur erwischt und zu Siaac geschleppt. Dort hat sie geschwafelt Dayne würde verletzt werden." Lorna ging mit ihrem langen gelben Kleid auf und ab. ,,Euer Mann behauptet das Gegenteil. Ich denke nicht, dass er lügt. Ich glaube aber auch nicht, dass die Prinzessin lügt."

Maimee lachte auf. ,,Ihr tut plötzlich so, als würdet Ihr unsere Freundin sein. Denkt Ihr nicht, dass ich nicht weiß was in meinem Schloss vorgeht?"

Lorna stockte. ,,Also...Wissen Sie was mit Dayne ist?"

,,Natürlich weiß ich das." Maimee ließ sich auf ihrem Thron nieder. ,,Denkt Ihr ich warte bis mein geheimnisvoller Mann sich um den Knappen kümmert, der meine Tochter verletzt hat? Ich bin Casteranerin."

,,Bedeutet was?"

,,Unberechenbar", antwortete Maimee prompt. ,,Meine Wache kümmert sich um den Knappen, solange keiner hinsieht."

Akayla weitete ihre Augen.

,,Bedeutet das, Ihre Tochter kann wirklich spüren was mit Dayne passiert?", hakte Lorna perplex nach.

,,Wer glaubt den an so einen Unfug?"

Die Königin von Waldegro schien überrascht zu sein. ,,Warum tut Ihr das?"

,,Mir wird man keine Schuld zuschieben. Ich bin ein herzlicher, fürsorglicher Mensch. Ihr selbst seid auch ein hinterlistiges Monster, also tut nicht so bedrückt."

Die Prinzessin schluckte, spürte ein weiteres Ziehen an ihrem Gesicht und rannte kurzerhand in den Kerker. Es war ihr egal, ob Wachen sie sahen.

,,Prinzessin, wartet!" Einer der Ritter versperrte ihr den Weg.

,,Lasst mich durch!", fauchte sie zornig.

,,Anordnung von ganz oben."

Akayla griff um das Handgelenk des Ritters, kniff ihre Augen zusammen und rutschte zwischen seinen Beinen hindurch. Sofort stand sie auf und lief weiter. ,,Dayne!", schrie sie, während die Steinwände ihre Stimme überall ertönen ließen. ,,Dayne, sag was!"

,,Akayla." Plötzlich erschien an einer Gittertür neben ihr ein zerbrechlich aussehender Dayne.

,,Ich hole dich hier raus." Sie rüttelte hastig an der Tür, während der Knappe seine Hände über ihre legte und sie traurig ansah. Akayla erkannte sofort wie blau und lila sein Gesicht war.

,,Nichts da", knurrte Siaac. ,,Was machst du hier unten?"

,,Glaub mir doch, ihm wird wehgetan!"

Der König schüttelte seinen Kopf. ,,Der Kleine hält den Druck im Kerker nicht aus und verletzt sich selber. Ein Ritter hat es mir heute Morgen gesagt." Er deutete den Rittern an sie zurück nach oben zu bringen.

,,Glaubst du dem das auch noch?! Nicht anfassen", knurrte die Prinzessin und stieß an die Uniform des Ritters. ,,Das wirst du bereuen, Vater!"

31. Identität

 Caelyria tat in der Nacht kein Auge zu. Seitdem die beiden Kinder ihrer Schwester auf der Welt waren, hatte sich eindeutig etwas verändert. Das Verhalten des Wasserdrachen und des Erddrachen. Sie konnte es sicht nicht erklären, doch diese schüchterten sie ein wenig ein. Auch der Kampf zwischen den Wölfen mit den Drachenköpfen ging ihr nicht aus dem Kopf. Warum kam es dazu? Um vier Uhr morgens gab sie es schließlich auf Schlafen zu wollen. Sehr früh verschloss Caelyria die Tür ihres Zimmers und schlich in ihrem weiß-blauen Kleid durch die dunklen Flure, während sie sich über ihr Gesicht fuhr.

,,Euer Hoheit", flüsterte eine ihr unvertraute Stimme, gerade als sie die Treppe hinabgehen wollte.

,,Wer ist da?" Caelyrias Blick wurde ängstlich.

,,Kommt in die Bibliothek und stellt sicher, dass Euch keiner folgt."

Verwirrt suchte sie nach der Person, der diese Stimme gehörte, doch fand niemanden. Es half nichts, um ihre Frage beantwortet zu bekommen, musste sie in die Bibliothek des Schlosses gehen. Unbemerkt schlich sie sich durch die Tür und fand sich zwischen denen ihr bekannten Holzregalen mit all den Büchern und Schriften wieder. ,,Es hat sich kaum verändert."

,,Hoheit." In diesem Moment trat eine Person hinter einem der Regale hervor, zog die Kapuze aus dem Gesicht und gab es frei.

,,Götter habt Ihr mich erschreckt", murrte die Königin der Schneeinseln. ,,Wer seid Ihr?"

,,Erkennt Ihr mich nicht? Ich habe euch einen Brief zukommen lassen, dass wir beide unsere Länder vereinen müssen, um gegen unsere Feinde vorzugehen."

,,Ihr seid Prinz Anron?", staunte Caelyria. Sie hatte den Prinzen nie zuvor gesehen und war überrascht, dass er älter wirkte.

Der Mann ihr gegenüber nickte. ,,Verratet mich bitte nicht, Eure Schwester ist nicht gut auf mich zu sprechen."

,,Lydia? Wieso das?"

,,Das ist jetzt unwichtig, wichtiger ist, dass die Feinde vor meiner Haustür in Darlin lauern und ich keine Armee habe."

,,Genau das habt Ihr mir geschrieben." Sie nickte langsam.

,,Ich hätte nie gedacht, dass es mein Adler bis zu Euch rüber schafft und Ihr nun hier vor mir steht." Er griff nach ihrer Hand. ,,Bitte helft mir gegen die Casteraner. Sie sind ein übles Volk und planen mich gemeinsam mit allen umliegenden Ländern, wie Torpala, Leydra und Reako zu überrollen." Der Mann seufzte.

,,Wieso sollte ich Euch helfen? Schon seit der Ankunft Eures Briefes bin ich dagegen. Wir haben jahrelang auf den Schneeinseln festgesessen und niemand hat uns geholfen." Kurz musste sie leise lachen. ,,Mit Ausnahme dieses Reakaners. Er wollte auch, dass wir unsere Gruppen verbünden."

,,König Yagre etwa?"

Caelyria nickte. ,,Er war töricht auf unsere Insel zu kommen, denn jetzt ist Yagre tot."

Ihr Gegenüber schien darüber erfreut zu sein, versuchte dies jedoch so gut es geht zu verstecken. ,,Mein Bedauern, mit Euch macht man keine Späße."

,,Natürlich nicht", antwortete sie gereizt. ,,Also, Anron, redet. Ich bin nicht überzeugt davon jemandem zu helfen, der mir im Gegenzug nichts geben kann."

,,Das kann ich aber."

,,Was wäre das?", lachte Caelyria neugierig.

,,Mich. Ihr und ich werden heiraten und können über Nokard regieren."

Die Schneekönigin wurde ein wenig blasser, als sie ohnehin schon war.

,,Ich weiß, dass Ihr diejenige seid, der dieser Thron zusteht. Eure Familiengeschichte ist mir bewusst. Es gibt weit und breit keinen König oder Prinzen mehr, den Ihr heiraten könntet, um auf dem Thron zu sitzen. Ich bin Eure letzte Hoffnung."

,,Es gibt wirklich niemanden mehr?"

,,Mit Yagre habt Ihr den letzten umgebracht. Also, denkt über mein Angebot nach. Wir könnten dieses Land regieren, meines wieder aufbauen und unsere Feinde vernichten. Sobald wir das geschafft haben, gehören uns auch Castero und einige andere Länder."

Caelyria dachte nach. ,,Ich denke es wird das Sicherste sein, wenn wir unsere Länder beschützen wollen. Nokard ist nicht stark genug um anzugreifen, Lydia würde uns in den Ruin treiben."

Ihr Gegenüber zog sich einen schwarzen Handschuh von der Hand und schüttelte diese. ,,Ihr erweist mir große Ehre, Königin Caelyria."

,,Ihr mir auch, Prinz Anron." Sie lächelte. ,,Darauf, dass unsere Blutlinien nicht aussterben."

 

 

Dayne hockte immer noch im Kerker von Castero und wusste nicht mehr weiter. Wie sollte er dem König je beweisen, dass er unschuldig war? Wütend schlug er an eine der kalten und nassen Wände. Hier würde er jeden Tag auf seinen Tod warten oder was auch immer die Könige mit ihm anstellen wollten. Womöglich waren ihre Feinde schneller und griffen vorher noch die Burg an. Doch was würde dann aus der Prinzessin? ,,Akayla...", murmelte er traurig und lehnte seinen Kopf an die Wand.

,,Nimm den Schlüssel, Knappe", flüsterte ihm eine Stimme zu.

Verwundert blickte Dayne zu der Gittertür. Dort lag zwischen zwei Steinen tatsächlich ein silbrig rostiger Schlüssel. Sofort warf er sich auf den Boden, steckte ihn ins Schloss und drehte ihn mit zittrigen Händen mehrmals um, bis die Tür aufsprang. ,,Wer war das?", dachte Dayne verwirrt und gleichzeitig erleichtert raus zu sein. Weit und breit war keine andere Wache zu sehen. Er nahm die Chance, die ihm gegeben wurde und stürmte aus dem Kerker nach oben.

 

 

Fast zeitgleich stürmten die Wachen mit gezogenen Schwertern in den Thronsaal, wo Maimee, Siaac und Lorna zu verhandeln schienen.

,,Rettet die Könige!", riefen sie.

,,Halt!", brüllte Siaac und sprang von seinem Thron auf, sodass sein Umahng wehte. ,,Was hat das zu bedeuten?!"

,,Eure Majestät, wir sind sofort gekommen, als wir hörten, dass Ihr angegriffen werdet."

,,Wir werden nicht angegriffen!", faucht Maimee augenblicklich und wechselte einen schnellen Blick mit ihrem Ehemann.

,,Wer hat euch den Auftrag gegeben?"

,,Ein Ritter der Garde, ich habe sofort alle anderen geholt", antwortete der Größte von ihnen.

,,Arles, ich will wissen wer!", brummte Siaac.

Der Ritter räusperte sich. ,,Es war Leanis."

,,Du Narr!"

,,Liebling, rege dich nicht so auf", versuchte seine Frau ihn zu beruhigen. ,,Er hat sich vielleicht nur verhört."

Die Königin von Waldegro war jedes Mal wieder überrascht, wie gut Maimee die besorgte Mutter und Regentin spielen konnte.

,,Verhört?! Leanis ist seit zwei Jahren tot! Jemand hat seine Identität angenommen."

Nun schluckte auch Lorna. ,,Wieso weiß Eure eigene Garde nicht, wer von ihnen lebt und wer nicht?"

Maimee lachte. ,,Es sind nur Ritter und nach jeder Schlacht werden es weniger."

,,Lasst mich durch!" König Olfala drückte sich zwischen den Wachen hindurch. ,,Wir haben einen Eindringling in der Burg. Was steht ihr da so rum? Bringt mir den falschen Ritter!" Seine Stimme donnerte durchs gesamte Gebäude und hallte in jedem Raum wieder. ,,Möglichst lebendig, ich werde ihn persönlich zur Strecke bringen." Seine Augen verengten sich. ,,Und sucht meine Tochter."

32. Flucht aus Castero

 Dayne rannte so schnell er konnte durch die Flure der alten Burg, kroch in einen Geheimgang, den Akayla ihm einst gezeigt hatte und atmete tief ein und aus. Wer auch immer ihm das Leben gerettet hatte, war entweder ziemlich mutig, oder komplett verrückt geworden. Niemand stellte sich gegen seine Regenten. Als er schwere, schnelle Schritte von Ritterrüstungen hörte, kroch er eilig weiter durch den Geheimgang und landete in Akaylas Zimmer.

Diese stand im fertigen grünlichen Umhang, dazu passendem Kleid mit verschnörkeltem Muster und einem weiteren dunklen Umhang in ihren Händen am Fenster und sah hinaus.

,,Prinzessin?", fragte Dayne vorsichtig.

Erschrocken fuhr sie zusammen, drehte sich um und weitete ihre Augen. ,,Dayne, du hast es geschafft." Erleichtert lief sie auf ihn zu und fiel ihm um den Hals.

,,Ich bin so froh Euch zu sehen." Er hob sie ein wenig hoch und drehte sich im Kreis. ,,Wisst Ihr, wer mich gerettet hat?"

,,Später. Wir müssen sofort von hier verschwinden, Dayne. Die Wachen meines Vaters sind in der Nähe." Sie reichte ihm den duneklgrünen Umhang und öffnete ihr Fenster.

,,Was genau habt Ihr vor?"

,,Das war die einzige Möglichkeit dich lebendig wieder zu bekommen." Wie sie es einst tat, um nachts davon zu schleichen, kletterte die Prinzessin über ihre Fensterbank nach Draußen und hielt sich an einem Baumstamm fest.

Dayne gab es auf zu fragen, warf sich den Umhang über und folgte ihr.

Akayla sprang runter und landete elegant auf dem Gras. ,,Wir müssen zu den Pferden. Jemand wartet dort auf uns."

Der Knappe folgte ihr schnell quer über den Innenhof zu den Ställen.

,,Da drüben ist die Prinzessin und dahinter?"

,,Sicher der falsche Ritter!", stieß einer von ihnen Arles an."

,,Lauft schneller, Prinzessin", murmelte Dayne besorgt, griff nach ihrer Hand und rannte schneller, um sie hinter sich herzuziehen.

Die Königsgarde hielt mit ihnen beinahe Schritt und schien schneller zu werden.

Dayne erkannte drei gesattelte Pferde, als er durch die Stalltür stürmte und rutschte beinahe auf dem Stroh aus.

Akayla fing ihn ein wenig auf, er stellte sich neben ein dunkelbraunes Pferd, hob die Prinzessin drauf und schwang sich auf das daneben.

,,Reiten wir", die vermummte Person vor ihnen schwang die Zügel und ließ das weiße Pferd regelrecht über den Steinboden fliegen.

Die Ritter fluchten, als sie im Stall ankamen.

,,Wie konnte das passieren?!", fachte Arles. ,,Die Prinzessin steckt da mit drinnen, jede Wette." Er drehte sich zu den anderen Wachen. ,,Zurück zum König, sofort!"

 

 

Der Reiter an vorderster Stelle führte den kleinen Trupp an, der sich auf den Pferden von der Burg wegbewegte. Die drei Pferde galoppierten durch den Wald. Dayne wusste, dass es in diese Richtung nur tiefer in den Wald hinein ging und fragte sich immer mehr, wer die Person ganz vorne war.

,,Seid ihr beide eigentlich wahnsinnig oder so?", rief er über den leichten Wind hinweg.

Akayla drehte ihren Kopf kurz zu ihm. ,,Ein bisschen vielleicht."

,,Wo reiten wir hin?", wollte der Knappe wissen.

,,Nokard", bekam er als Antwort.

,,Was? Wieso das denn? Das ist total weit weg und mit den Wachen im Nacken werden wir da nie lebend ankommen."

Die Person ganz vorne drehte sich kurz zu ihm um, sodass er das Gesicht erkannte.

,,Oh Burgen von Castero! Ihr seid König Vasilias!"

,,Ich weiß selber, wer ich bin", ertönte die raue Stimme des Königs.

,,Was macht Ihr in Castero?"

,,Na was wohl? Euer Leben retten und vielleicht auch noch das vieler anderer."

Dayne klammerte sich an die Zügel seines Pferdes und fürchtete noch immer gelegentlich runterzufallen.

,,Keine Angst Dayne, wir schaffen den Weg nach Nokard", beruhigte Akayla.

,,Euer Reich, Eure Leute...", setzte der Knappe mulmig an.

,,Noch gehören sie alle meinen Eltern und stehen unter ihrer Obhut. Wir müssen beten, dass sie einen Angriff überleben unter dieser Regentschaft. Ich weiß wir haben sie vorbereitet zu kämpfen und ich fühle mich schuldig sie im Stich zu lassen." Sie wich einem Baum aus. ,,Wir haben aber keine andere Wahl. Ich wollte dich lebend wieder."

,,Ihr riskiert Euer Leben nur wegen mir?" Darauf bekam er keine Antwort mehr und musste sich mit den Informationen, die ihm gegeben wurden, zufrieden geben.

 

 

Caelyria lief gedankenversunken durchs Schloss und dachte an Prinz Anron. Sie wusste eigentlich gar nichts von ihm und sollte ihn nun einfach so heiraten. Wäre es nicht für das Wohl des blauen Reiches, würde die Königin wohl sicherlich abgelehnt haben. Gerade bog sie in einen anderen Korridor, da hörte sie Stimmen von zwei kleinen Kindern, die sich aufgeregt unterhielten. Sie blieb kurzentschlossen stehen und lauschte ihren Worten.

,,Vinny, ich kann dich hier nicht alleine lassen." Merltin blickte besorgt auf seinen Freund, dessen Augen leuchteten.

Caelyria weitete ihre Augen und fragte sich was das sollte.

Vinny hielt das Handgelenk des anderen Jungen fest. ,,Ich kann es sehen, etwas beunruhigendes ist passiert."

,,Du weißt es ist gefährlich diese Visionen zuzulassen."

,,Aber die Bilder werden undeutlicher je länger ich hinsehe...Der Wald verschwindet langsam", murmelte Vinny und schluckte.

,,Durch wessen Augen kannst du bloß gerade sehen?" Ängstlich umarmte er den Jungen vor sich fest, dessen Augen aufhörten zu leuchten.

Dieser erwiderte die Umarmung nun. ,,Ich glaube ich habe König Vasilias und eine Prinzessin gesehen..."

,,Wie bitte? Die beiden sind unmöglich zusammen unterwegs. König Aetoc ist seit mehreren Tagen schon verschwunden." Merltin löste die Umarmung und legte die kleinen Hände auf die Schultern seines Freundes. ,,Sollten wir Königin Lydia davon erzählen? Sie weiß, was wir sind."

,,Wieso sollten wir? Sie hat mit ihren Kindern genug zu tun. Sollte dieser Reisende, mit denen die Prinzessin und Vasilias unterwegs ist sterben, gehst du mit drauf." Tränen stiegen in seine Augen. ,,Ich will meinen einzigen Freund nicht verlieren."

Die Königin hatte genug gehört, drehte sich um und ging in die Richtung, aus der sie gekommen war davon. ,,Irgendetwas stimmt doch in diesem Schloss ganz und gar nicht", sagte sie zu sich selbst. ,,Was hat Lydia bloß mit meinem Land angestellt?" Unruhig ging sie um eine weitere Ecke und stieß fast mit ihrer Schwester zusammen. ,,Lydia."

,,Dalmara", lächelte sie müde.

,,Ich bin auf dem Weg zu dir gewesen", log sie. ,,Wie geht es deinen Zwillingen?"

,,Nicht gut. Der Heiler hat herausgefunden, dass Lykan wirklich nichts hört und zu allem Überfluss kann Valdia nichts sehen. Was mache ich nur?" Ihre Schwester brach in Tränen aus.

,,Ich weiß es nicht, aber wir finden eine Lösung." Dalmara nahm ihre Schwester in den Arm und starrte an die Wand neben sich. ,,Versprochen."

33. Sprung in die Leere

 ,,Es geht dir nicht gut, Schwesterherz. Leg dich bitte wieder ins Bett", sagte Dalmara besorgt und löste sich aus der Umarmung.

,,Ich kann jetzt nicht schlafen. Meinen Kindern geht es nicht gut." Sie fuhr sich mit einer Hand über ihr Gesicht und blickte ihre Schwester verzweifelt an.

,,Du kannst den Zwillingen ihre verlorenen Fähigkeiten nicht wiedergeben, indem du wach bleibst. Ruh dich aus."

,,Nein, das geht jetzt nicht." Lydia beugte sich etwas vor und hielt ihren Bauch fest.

,,Ganz ruhig." Caelyria legte ihre Hände auf die Schultern ihrer Schwester und beruhigte sie. ,,Ich kümmere mich um die Kleinen, wenn du möchtest."

,,Ja", bekam sie zur Antwort. ,,Wie verhalten sich unsere Problemgäste?"

Caelyria seufzte. ,,Relativ ruhig. Sie haben dir und Valkan doch aber das Leben gerettet." Sie stützte ihre Schwester zurück in ihr Gemach. ,,Mach dir keine Sorgen, es wird alles wieder gut. Du brauchst jetzt aber wirklich Ruhe."

,,Einverstanden."

,,Soll ich den Heiler rufen?", fragte Caelyria besorgt.

,,Nein, ich möchte alleine sein." Lydia setzte sich auf ihr Bett und deckte sich zu.

,,In Ordnung. Bis später." Ihre Schwester nahm beide Kinder auf ihren Arm und verließ mit ihnen das Gemach.

Kaum waren die drei verschwunden, warf die Königin von Nokard die blaue Decke zurück, stand auf und ging zum geöffneten Fenster. Lydia sah mit versteinertem Blick hinaus und legte ihre warmen Hände auf den kalten Stein, aus dem die Fensterbank bestand. Einerseits fühlte sie Unbehagen in ihrem Herzen, andererseits plagten sie Sorgen und wenig Schlaf. In ihrem Kopf kreisten die Gedanken ihre Runden. Die Königin machte sich Vorwürfe wegen dem Zustand ihrer Kinder und niemand konnte ihr dabei helfen dieses Gefühl loszuwerden, davon war sie überzeugt. Kurz schloss sie ihre Augen, atmete tief durch und hob ihr rechtes Bein, während sie sich am Rahmen des Fensters festhielt und sich daran hinaufzog. Lydia hielt sich gut fest, stellte ihren linken Fuß neben den rechten und drehte sich mit dem Rücken zum Abgrund. Schnell griff sie mit ihren Fingern um die Verzierung des Schlosses, stieg auf das geöffnete Fenster und zog sich weiter hoch. Der Wind tobte durch ihr Kleid und ließ ihre Haare in ihr Gesicht wehen. Augenblicklich begannen ihre Beine zu zittern und sie sah kurz nach unten. ,,Oh Götter." Blitzschnell drehte sie ihren Kopf zum Himmel, atmete tief durch und wartete bis sie sich beruhigt hatte. Danach kletterte Lydia immer weiter rauf.

 

 

Caelyria trug die Zwillinge den Flur entlang und traf unterwegs auf Valkan. ,,Wo ist Lydia?"

,,Dir auch einen guten Tag", erwiderte Caelyria trocken. ,,Würdest du mir eines abnehmen, bitte?"

Edolon, der neben Valkan auftauchte nahm ihr ein Baby ab.

,,Danke." Sie pustete eine Strähne aus ihrer Stirn. ,,Lydia hatte Bauchschmerzen und hat sich hingelegt. Ihr solltet sie in Ruhe lassen."

Valkan ignorierte die Worte der Königin und ging in das Gemach seiner Freundin. ,,Lügnerin! Sie ist nicht hier."

,,Wie?" Verwirrt drehte sich Caelyria um und eilte mit Kind auf dem Arm zu ihm. ,,Oh Schreck.. Wo ist sie?!"

,,Bist du sicher, dass sie hier drinnen war?"

,,Ja! Ja, ich habe sie doch vor drei Minuten erst reingebracht.." Aufgebracht blickte sie sich um, bis ihr Blick am geöffneten Fenster hängen blieb. ,,Nein, nein, nein.." Schnell ging sie dort hin und warf einen Blick runter. ,,Götter, sie ist nicht gesprungen", atmete sie erleichtert auf.

,,Gesprungen?! Bist du wahnsinnig?" Valkan blieb neben ihr stehen und seufzte. ,,Sie würde nie springen."

,,Der einzige Ausweg ist das Fenster, wo soll sie sonst sein?", fragte Dalmara aufgebracht.

Edolon stellte sich neben Valkan und lehnte sich raus. Er ließ seinen Blick die Schlosswände entlang schweifen, bis er fündig wurde.

,,Wo kann sie sein?", wiederholte Caelyria.

,,Woher soll ich das wissen?", brummte Valkan.

,,Hört auf zu streiten!" Edolon stieß den Häuptling in seine Seite und deutete nach oben. ,,Sieht aus wie ein Mensch."

Valkan folgte seinem Blick und erstarrte vor Schreck. ,,Verdammt, das ist sie!"

,,Meine Schwester klettert aufs Dach?!", quietsche Caelyria panisch und wurde von Valkan zurückgeschoben.

,,Wir klettern hoch, aber nicht von hier aus. Wir müssen sie aufhalten." Schnell rannte er aus dem Gemach rauf in den Turm.

Auge des Adlers drückte ihr das Mädchen in den Arm und eilte dem Häuptling nach.

 

 

Valkan trat mit dem Fuß eine der Holztüren des Schlosses auf, die in den Turm führten und öffnete eines der Fenster. ,,Es hilft nichts, wir müssen da raus." Ohne nachzudenken sprang er auf die Fensterbank und kletterte umständlich um das geöffnete Fenster.

Edolon folgte ihm dicht auf den Fersen. ,,Kannst du sie sehen?"

,,Nein, wir sind auf der falschen Seite. Wir müssen über das ganze Dach zur anderen Seite rüber."

 

 

In der Zwischenzeit krallte sich Lydia an die Dachrinne des Schlosses, schwang ihr linkes Bein seitlich hoch und zog sich rauf. Auf allen Vieren krabbelte sie vorwärts und hielt sich so gut es ging fest. Je höher sie kletterte, desto mehr stiegen ihr die Tränen in die Augen. Plötzlich legte sich ein Schalter in ihr um und sie realisierte wo sie sich gerade befand. Ängstlich hielt sie sich am Dach fest und drehte sich auf die Seite. ,,Hilfe!", schrie sie quer über das Gebäude. Panisch versuchte sie voran zu kommen und an die nächstbeste Turmspitze zu erreichen. Sie streckte ihren Arm nach der Spitze aus, legte diesen darum und rutschte kurzzeitig mit ihren Füßen ab. Sie kniff die Augen zusammen, nahm all ihre Kraft zusammen und zog sich auf das Turmdach.

,,Lydia!"

Die Königin zuckte bei ihrem Namen zusammen und drehte ihren Kopf in diese Richtung. ,,Valkan."

Der Indianer balancierte über das bläuliche Dach direkt in ihre Richtung.

,,Kein Schritt näher!", rief sie.

Valkan und Edolon blieben stehen.

,,Kommt ihr mir zu nahe, lasse ich los!"

,,Lydia, wir haben zwei Kinder! Du hast ein Königreich, Familie und auch mich. Ich möchte unsere Hochzeit erleben und nicht auf deiner Beerdigung stehen!"

Unbemerkt schlich sich Edolon an Valkan vorbei, während dieser Augenkontakt zu Lydia hielt.

,,Ich bin Schuld, wie es unseren Kleinen geht!" Lydia kauerte sich zusammen und legte eine Hand auf ihr Herz. ,,Lasst mich einfach springen."

,,Lydia, wir können dich nicht springen lassen!", rief Valkan verzweifelt und wusste sich nicht zu helfen.

,,Er hat Recht." Edolon erschien neben der Königin und packte nach ihrem Handgelenk.

,,Loslassen!" Lydia befreite sich hektisch aus seinem Griff und sah Auge des Adlers an, der sich festhalten wollte, jedoch mit den Füßen abrutschte, da sich eine Ziegel löste.

Lydias Augen weiteten sich, als sie sah wie Edolon rückwärts in die Tiefe stürzte und aus ihrem Blickfeld verschwand.

,,Edolon!", brüllte Valkan erschrocken und ging weiter vorwärts zu Lydia, welche gerade abgelenkt war.

,,Ich hab ihn umgebracht..", stammelte die Königin unter Schock.

Valkan zog sich zu dem Turmdach und zog Lydia in seine Arme, die ihr Gesicht an ihm vergrub und zu weinen begann.

,,Es wird alles gut", flüsterte er ernst, obwohl er selbst wusste, dass es nicht stimmte.

34. Endloser Schlaf

 Entsetzen brach unter den Indianern aus, als sie ihren Stammesbruder auf dem Erdboden vorfanden. Schnell machte diese Nachricht die Runde, sodass der Kreis um den verstorbenen Edolon immer größer wurde.

,,Aus dem Weg!" Ekatoa schob sich zwischen der Menschenmenge hindurch und erstarrte beim Anblick seines Bruders. Seine Gedanken überschlugen sich regelrecht. Er wusste er konnte ihn hier nicht liegen lassen. Für eine gefühlte halbe Ewigkeit vernahm der Indianer mit dem roten Kopftuch bloß die weinenden Mitglieder seines Stammes. Erst als ihn ein kleiner Junge anrempelte kam er wieder zu Verstand. ,,Ihr solltet das hier nicht sehen besonders nicht die Kinder. Bringt mir ein großes Laken von drinnen, damit wir unseren Bruder noch heute Abend nach unserem Ritual bestatten und in den Himmel schicken können." Der sonst so stark wirkende Indianer wirkte in diesem Moment sehr verletzlich, während er in die Knie ging und nur wenige Minuten später ein Laken über Edolon werfen konnte.

 

 

In der Zwischenzeit hatte Valkan Lydia in Sicherheit gebracht. Die Königin von Nokard saß zusammengekauert auf ihrem Bett. Ihre Augen waren bereits geschwollen, da sie ununterbrochen weinte und ihre Nerven vollkommen am Ende waren. Sie fühlte sich müde und wollte schlafen, doch sie war sich darüber im klaren, dass sie jetzt nicht schlafen konnte.

Caelyria betrachtete ihre Schwester besorgt. ,,Was machen wir nur mit ihr?" Sie wandte sich dabei an Valkan, der neben Lydia auf dem Bett saß und auf den Boden starrte.

,,Ich weiß es nicht. Ich sage das wirklich ungern, aber in diesem Fall bin sogar ich ratlos." Er wippte unruhig mit seinen Füßen auf und ab. ,,Lydia...", setzte er vorsichtig an, brach dann seinen Satz aber ab.

,,Was willst du mir jetzt sagen? Ich weiß, dass ich einen Menschen getötet habe", brachte diese hervor und rieb sich durch ihre verweinten Augen.

,,Genau das hast du nicht getan! Hör mir zu, Edolon hat versucht dich vor einem riesen Fehler zu bewahren."

,,Und jetzt ist er deswegen tot! Ihr hättet mich sterben lassen sollen nicht ihn!" Die Königin sprang zornig auf und stürmte in Richtung der Tür zu ihrem Gemach. ,,Es ist besser wenn ihr beiden jetzt geht", sagte sie und atmete dabei tief durch.

,,Damit wir dein Ebenbild morgen früh vom Boden kehren können?! Kommt gar nicht in Frage, Schwesterherz." Dalmara wurde ebenso ungeduldig wie Valkan. ,,Dein Freund möchte dir nur helfen. Wie soll er das tun, wenn du dir nicht helfen lassen willst?" Mit hochgezogener Augenbraue griff sie nach Lydias Handgelenk. ,,Zumal du zwei Kinder auf die Welt gebracht hast. Wie sollen die aufwachsen ohne dich? Bist du wirklich so veranwortungslos?"

Lydias Miene verfinsterte sich. ,,Du hast doch gar keine Ahnung wie es ist ich zu sein. Du fühlst diese Schmerzen gar nicht! Ich halte das alles nicht mehr aus. Auf Ratschläge kann ich gut verzichten." Sie machte sich los und stürmte aus dem Gemach.

,,Valkan, ich sage es nur ungern aber wenn sie die anderen in diesem Zustand sehen denke ich nicht, dass sie sich Sorgen machen werden. Nicht alle..."

Der Indianer mit dem blauen Kopftuch nickte. ,,Wir können nicht noch mehr Chaos gebrauchen." Er sammelte sich einen Moment. ,,Ich muss zum Stamm. Tu mir den Gefallen und schau nach unseren Kindern." Mit diesen Worten verließ auch er das Gemach, welches längst nicht mehr einladend und warm, sondern kalt und finster wirkte.

 

 

Caelyria marschierte Valkans Wunsch nachkommend durch die Flure des Schlosses von Nokard, um nach Valdia und Lykan zu sehen. Dabei sah sie erneut auf den jungen Vinny. Diesmal nahm sie sich vor ihn anzusprechen, um herauszufinden was wirklich hinter seinen leuchtenden Augen steckte. Er würde ihr mit Sicherheit nicht alles anvertrauen, doch um den Thron an sich zu reißen brauchte sie Kontrolle. Aus diesem Grund hielt sie in ihrer Bewegung Inne. ,,Du bist Vinny, richtig?"

Der Junge sah verwundert zu ihr auf. ,,Ja."

,,Hab keine Angst vor mir. Weißt du wer ich bin?", fragte sie vorsichtig.

,,Die Schwester von Königin Lydia."

Wenig begeistert nickte sie, setzte dann jedoch schnell wieder ein Lächeln auf. ,,Recht hast du. Was machst du denn hier so alleine im Schloss?"

,,Ich bin nicht...", setzte Vinny an, unterbrach sich dann allerdings selbst, als vor seinen Augen das Schloss verschwamm und König Aetoc wieder erschien.

Caelyria erstarrte, als die Augen des Jungen vor ihr zu leuchten anfingen. ,,Vinny?" Behutsam rüttelte sie an seinem Arm, bekam jedoch keine Antwort. ,,Was bei allen Göttern im Himmel geht hier eigentlich vor?"

,,Vinny!" Merltin erschien neben Dalmara und baute sich schütend vor diesem auf.

,,Ich tue deinem Freund doch nichts", versicherte die Königin sofort.

,,Wer soll Ihnen das glauben? Ich kenne Euch nicht und Vinny auch nicht."

,,Ihm geht es nicht gut. Sollen wir ihn zu einem Heiler schicken?", fragte sie so freundlich sie es noch Zustande bringen konnte.

,,Nein! Es geht ihm gut. Ich passe auf ihn auf." Besorgt drehte sich Merltin zu Vinny um dessen Augen wieder seine normale Farbe angenommen hatten. ,,Alles in Ordnung?"

Vinny schüttelte seinen Kopf. Vollkommen unfähig zu antworten war dies die einzige Reaktion die er momentan von sich geben konnte.

,,Was...was hast du gesehen?" Merltin konnte nicht länger auf die ihm fremde Königin Rücksicht nehmen. Sie würde nicht verstehen was er von Vinny wissen wollte. Zumindest hoffte er das.

,,Dasselbe wie neulich. Diesmal konnte ich mein...sein Gesicht aber sehen."

,,Wessen Gesicht?"

,,Der Person durch dessen Augen..."

,,Sprich nicht weiter! Komm", unterbrach Merltin ihn augenblicklich und machte sich hastig mit Vinny davon.

Verblüfft sah Caelyria den beiden nach. Für sie stand fest, sie musste Prinz Anron wiedersehen. ,,Wird Zeit, dass ich mir zurückhole was mir zusteht."

 

 

Lydia flüchtete sich in einen der Waschräume des Schlosses und blieb vor einem der Spiegel stehen. Sie stützte ihre Hände rechts und links auf der Waschschale ab und betrachtete ihr heruntergekommenes Spiegelbild. Wie konnte sie den anderen je wieder unter die Augen treten nach allem was passiert war? Wütend holte sie aus, um den Spiegel zu zertrümmern, sprang dann allerdings einen Satz zurück als dort Edolons Gestalt neben ihr erschien. Mit klopfendem Herzen drehte sie sich zur Seite. Dort stand der Indianer, den sie soeben noch für tot erklärt hatte. Oder war er bloß Einbildung wie Eileen? Lydia wollte Schreien, aber ihr verschlug dieser Anblick vollkommen die Sprache. Als neben Edolon das Ebenbild ihres Vaters auftauchte wusste sie genau, dass sie träumte. Wieso konnte sie nicht endlich aufwachen? Hastig griff sie nach dem nächstbesten Gegenstand und warf ihn in die Richtung der beiden Erscheinungen vor ihr. Beide verblassten daraufhin, während das einzige Geräusch im Raum die fallende Holzbürste auf Steinboden war. Die Königin fuhr sich nervös durch ihr dunkelbraunes Haar. Obwohl die beiden verschwunden waren, fühlte es sich noch immer so an als wäre sie im endlosen Schlaf. Tränen liefen über ihr Gesicht. Sie ging in die Hocke und legte sich ihre Hände an die Stirn. Würde sie aus diesem Albtraum je wieder aufwachen?

35. Siegessicher

 Akayla, Vasilias und Dayne ritten an einem kleinen Fluss in der Nähe einer karg bewälderten Gegend entlang. Die Prinzessin wusste nicht genau wo sie waren, doch sie vertraute dem König. Immerhin hatte er Dayne befreit und dafür war sie ihm sehr dankbar. ,,Wo denkt Ihr sind wir?"

,,Ich bin mir sicher wir sind im Land der Rothäuter."

,,Leydra?", meldete sich der Knappe zu Wort, während sein Pferd dicht hinter dem des Königs trabte.

Vasilias drehte seinen Kopf, welchen er unter seinem Umhang versteckte zu ihm und nickte. ,,Die Temperaturen hier sind unerträglich kalt, jetzt wo der Winter bald wieder vollständig einkehrt. Ihr in Castero kennt diesen Winter der nördlichen Regionen nicht. Es ist viel kälter und schwerer an Feuerholz zu kommen."

,,Winter ist Winter. Es ist überall gleich kalt", erwiderte Dayne knapp und sah sich nach der Prinzessin um. ,,Wenn wir schon so nah an Nokard sind darf ich fragen weshalb Ihr uns zur Königin bringt? Lydia ist möglicherweise nicht gut auf uns zu sprechen."

,,Denkst du das, Knappe?"

Dayne zuckte mit seiner Schulter und nickte leicht.

,,Nennt Ihn nicht so. Nur mein Vater würde ihn so nennen", meldete sich Akayla zu Wort und pustete sich eine lockige Strähne aus ihrer Stirn.

,,Ihr solltet mir einfach dankbar sein, dass ich euch gerettet habe. Mehr braucht ihr noch nicht zu wissen." Nach diesen Worten schwieg König Vasilias und starrte stumm geradeaus.

Akayla und Dayne wechselten einen flüchtigen Blick und seufzten kurz enttäuscht darüber zu wissen, dass er Recht damit hatte.

,,König Siaac konnte mich noch nie leiden."

,,Das konnte er noch viel weniger, seit du seine Tochter angegriffen haben und Pläne gegen ihn geschmiedet haben sollst", erwiderte Vasilias kühl.

,,Davon entspricht nichts der Wahrheit. Ihr müsstet es wissen, schließlich habt Ihr mich aus dem Kerker befreit." Dayne beugte zog die Zügel seines Pferdes Richtung Wasser, damit dies daraus trinken konnte. Sein Blick fiel auf sein Spiegelbild, welches sich über dem des Pferdes im Wasser abzeichnete. ,,Ich sehe nicht mal vertrauenswürdig aus, nachdem ich so lang da unten war."

Der König des grünen Reiches lachte. ,,Du könntest eine Dusche vertragen das stimmt. Es gibt hier draußen allerdings niemanden den dich dein Aussehen scheren sollte."

,,Wir reiten doch aber zu Lydia."

,,Bis wir dort ankommen müssen wir noch an vielen Flüssen vorbei. Du kannst dich später immer noch baden." Vasilias schüttelte belustigt seinen Kopf, wurde dann aber schnell wieder ernst. ,,Vorausgesetzt wir sind bis Nokard nicht verhungert. Ich sehe wahrlich was die Indianer meinten, als Isarek ihnen das Land zerstört haben sollte."

,,Eine wahre Wüstenlandschaft. Nichts gegen die Geschichten, die ich damals gehört habe", meldete sich nun Akayla zu Wort.

,,Momentan haben wir wirklich andere Sorgen. Euer Vater ist nicht mehr ganz bei Sinnen und die Königin von Waldegro ist ihm dabei auch keine große Hilfe."

Daynes Pferd hob seinen Kopf und war bereit weiter zu reiten. Dieser nahm das Zeichen wahr und nickte nach links. ,,Wir sollten weiter solange die Pferde es noch mitmachen. Wir finden eine Lösung, selbst wenn mir keine einfällt. König Siaac und Königin Maimee sind mir eine Nummer zu groß und wollen mich vermutlich inzwischen beide tot sehen."

,,Sag doch soetwas nicht!", stieß die Prinzessin entsetzt aus. ,,Bevor dich jemand umbringt, müssen sie meinen Teil an der Herrschaft von Castero erstmal beenden und das wird solange ich lebe nicht möglich sein. Ich werde die zukünftige Königin des Landes."

,,Euren Mut in Ehren, Prinzessin, aber ich bin der Letzte der euch tot sehen will", murrte Dayne.

Akayla sah ihn verwundert an. ,,Meine Eltern würden mich nie ermorden, nur im alleine weiterherrschen zu können."

,,Würdet Ihr sie denn ermorden, um Castero zu retten?", fragte Vasilias knapp, sein Blick fest geradeaus gerichtet. Darauf bekam er keine Antwort. Er konnte nicht alle Herrscher gut genug einschätzen, doch bei Akayla war er sich trotz ihrer Art unbehaglich sicher, dass sie alles für das Reich tun würde. Kostete es was es wolle.

 

 

Spät am Abend schlich Dalmara Caelyria Fuero durch die Flure der Schlosse zur Bibliothek. Sie hoffte dort auf Anron zu treffen. Als sie die schwere, hölzerne Tür aufgedrückt hatte, fand sie sich in einem dunklen Raum wieder. Hier war niemand. Stille und Schweigen im ganzen Raum ließen ihr einen Schauer über den Rücken laufen. Enttäuscht drehte sie sich um, da stand plötzlich eine dunkle Gestalt vor ihr. ,,Anron!", stieß sie erschrocken hervor. ,,Müsst Ihr euch so anschleichen?"

,,Verzeihung, das war gewiss nicht meine Absicht", versicherte die Gestalt und zog sich seine Kapuze aus dem Gesicht. ,,Habt Ihr mich gesucht?"

Caelyria nickte ernst. ,,Irgendetwas stimmt in diesem Schloss nicht. Ich will herausfinden was es ist."

Nachdenklich verschloss Anron die Tür hinter sich, damit sie keiner hören konnte. ,,Eine Menge stimmt nicht in diesem Schloss. Angefangen damit, dass Ihr nicht auf dem Thron sitzt."

,,Das meine ich nicht." Die Königin der Schneeinseln verschränkte ihre Arme vor sich. ,,Vorhin lief ein Junge an mir vorbei. Als ich mit ihm gesprochen habe, begannen seine Augen lila zu leuchten und er war wie...besessen! Selbst sein kleiner Freund weiß was vor sich geht. Ich habe das Gefühl alle wissen was vor sich geht, nur ich nicht."

,,Beruhigt Euch", sagte der Prinz ruhig.

,,Kann ich nicht! Das hier ist mein Zuhause und meine Schwester hat während meiner Abwesenheit nichts besseres geschafft, als Monster in dieses Schloss zu lassen!", fauchte sie zornig. ,,Wieso regt Ihr Euch eigentlich nicht auf?"

Anron seufzte tückisch grinsend. ,,Ich weiß was hier vor sich geht. Es scheint als hättet Ihr verfluchte Menschen in Eurem Zuhause. Ihr wisst diese Krankheit ist übertragbar auf andere Familien und könnte ganze Dörfer auslöschen?"

Mit verfinsterter Miene ballte Caelyria ihre Fäuste. ,,Verfluchte? Aus den Geschichten bevor die Schneeinseln entstanden?" Empört ging sie zwischen den Bücherregalen auf und ab. ,,Warum sagt mir Lydia davon nichts? Eines dieser Kinder hat auch noch gesagt sie wüsste was sie seien."

,,Sie ist die Königin und will ihr Land beschützen."

,,Nein." Caelyria schüttelte energisch ihren Kopf. ,,Ich bin die wahre Königin dieses Landes. Nicht von irgendwelchen Schneeinseln, die bereits im Meer versunken sind."

,,Was gedenkt Ihr jetzt zu tun?", setzte Anron vorsichtig an.

,,Wir müssen wie vereinbart heiraten. So schnell wie möglich."

Anron nickte verstehend und siegessicher zugleich. ,,Wartet meinen Brief ab. Ich werde Euch morgen Mittag einen zukommen lassen."

,,Einverstanden."

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 31.12.2016

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