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1. Die Kälte des Winters

Kälte, Eis und Schnee breiteten sich über die sonst so bunten Wälder von Nokard, wie eine große, weiße Bettdecke aus. Die Dorfbewohner hatten sich bereits in ihre Hütten zurückgezogen, da ihnen die eisige Luft nach dem langen, warmen Sommer nicht besonders willkommen war.

In diesem Jahr war sogar der Herbst nicht kühl gewesen, sodass viele Pflanzen und Bäume nicht richtig wachsen konnten. Es fehlte ihnen an brennbaren Material zum Wärmen der kargen Räume, die sie ihr Zuhause nannten. Schon seit der ersten Schneeflocke war ihnen bewusst, dass der Winter im Dorf Einzug hielt und dass sie frieren werden. Und der Winter kam und sie froren. Der einzige Ausweg aus dieser eisigen Kälte des Winters war die Königin. Einzig diese junge Frau war durch ihre Position in der Lage ihnen auszuhelfen. An diesem Glauben hielten die Bewohner ganz fest. Sie hatte sie schon einmal bewahrt und würde es wieder tun. Dies würde niemand in Nokard jemals in Frage stellen.

 

 

Je mehr Dorfbewohner vor ihrem Thron standen und um Decken baten, desto mehr wurde die Königin beunruhigter. Sie wollte um alles in der Welt ihr Volk beschützen, nachdem sie es einst vor einem bösartigen König befreite. Das hatte sie ihnen versprochen. Im Sommer klappte größtenteils alles, was sich die Regentin vornahm sehr gut. Neue Hütten wurden gebaut, jede Familie in Nokard hatte zu Essen und zu Trinken, die Stimmung war ausgelassen fast so als hätte es den Herrscher vor ihr nie gegeben. Nachdem ihr Vorgänger so ziemlich alles durch Krieg zerstörte und sich nicht um sein Reich kümmerte, baute sie alles wieder auf. Die Königin wurde für ihre großen Taten gefeiert, besonders, weil sie immer an das Gute glaubte und die Welt durch ihre eigenen Augen sah. Doch dann kam ein viel zu warmer Sommer gefolgt von einer schlechten Ernte die unruhige Stimmung über ihr Dorf brachte. Von dort an fiel es ihr schwer die Guten Dinge zu sehen. Die Lage schien eine Weile lang aussichtslos.

 

 

,,Verzeihen Sie, Eure Hoheit. Ich möchte Sie um ein wenig Feuerholz für meine Familie bitten. Wir haben bereits vier Tage kein warmes Wasser zum Waschen oder zum Tee kochen nutzen können. Meine Frau macht sich große Sorgen um unser Kind. Sie denkt sogar, dass sie den Winter nicht überlebt, weil die Temperaturen so niedrig sind", berichtete einer der Dorfbewohner, der dieselben Probleme hatte, wie alle anderen aus ihrem Volk. Die Königin seufzte bevor sie antwortete: ,,Ich weiß David. Es tut mir wirklich Leid dich enttäuschen zu müssen, aber ich habe bereits jeden vorhandenen Holzbalken im Schloss an andere Menschen verteilt. Vielleicht fragt ihr Symon mal, ihm habe ich zuletzt ein wenig gegeben." Der dürre Mann mit den strubbeligen, blonden Haaren verbeugte sich tief. ,,Ich verstehe, Euer Hoheit. Ich werde ihn umgehend fragen. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Meine Familie ist sehr froh darüber Sie auf dem Thron sitzen zu sehen und über Ihren Schutz des Reiches." Er zog sich seinen grauen, löchrigen Mantel dichter um sich selbst, da er nun wieder in die Kälte musste. Die Königin erhob sich von dem edlen Eichenholzthron und wandte sich an ihren Berater, ein großer Mann mit silbernem Haar und edler Kleidung, wie nur sie selbst es sich leisten könnte.

,,Was soll ich nur tun? Mein Volk friert, während ich in diesem aufgewärmten Schloss sitze und sie alle wieder fort schicke."

,,Nicht doch, es ist nicht Ihre Schuld, Lydia. Jedes Jahr hätte die Ernte zerstört werden können. Es hat eben dieses Jahr das Glück der Götter gefehlt", beruhigte er sie.

,,Nein Ydro. Das Volk leidet nicht wegen dem Unglück. Es leidet, weil ich ihnen nicht helfe und dies nicht kann." Bedrückt hob sie ihr langes, dunkelblaues Kleid ein wenig und schritt durch den Thronsaal, an dessen Wände viele Gemälde aller bisherigen Regenten von Nokard hingen. ,,Ich wünsche mir oft, dass ich nicht alleine regieren müsste."

Ihr Berater deutete in einer präsentierenden Handbewegung auf ein Reihe von Gemälden direkt vor ihr. ,,Sie alle haben vor Ihnen alleine regiert, Euer Hoheit. Außerdem sind Sie nicht alleine, sondern haben noch mich."

,,Wie Recht Ihr habt. Dennoch war jeder König und jede Königin verheiratet und besaß Familie. Mit Ausnahme von Wylland natürlich, aber ihm hätte niemand eine Königin zumuten können." Sie blieb vor einem vergoldeten Rahmen stehen und lächelte sanft. ,,Nur meine Mutter hielt es mit ihm aus. Einen einzigen Tag und dann war sie tot...Kein Wunder, dass sie nicht mit ihm auf einem Porträt zu sehen ist." Ihr Blick verfinsterte sich beim Gedanken an die Vergangenheit. 

,,Auch andere sind nicht auf Ehegemälden zu sehen. Ist Ihnen das jemals aufgefallen, Lydia?", fragte Ydro.
,,Selbstverständlich. Ausschließlich in den Schriften der Bibliothek stehen alle Ehen aufgezeichnet, wenn ich Sie daran erinnern dürfte, Ydro." Lydias Mine entspannte sich wieder. ,,Schon als Kind wollte ich immer so werden wie meine Mutter. Eine gute Königin und eine Familie gründen eben, müssen Sie wissen. Momentan sehe ich dafür jedoch keine Zukunft."

Ydro legte nachdenklich eine Hand an sein Kinn. ,,Sagt Ihnen kein König aus den fernen Völkern zu? Wie wäre es mit Asimi aus Isarek? Seine Familie hat einen erstklassigen Ruf im Norden."

Die Königin sah nun auf den roten Teppichboden, der sich durch den ganzen Saal erstreckte und dachte dabei ebenfalls nach. ,,Ich kenne Asimi kaum, wieso sollte ich ihm vertrauen oder gar heiraten wollen?"

Einer der Ritter der Königin trat mit schweren Schritten und klappernder Rüstung in den Thronsaal.

,,Euer Hoheit, ein weiterer Dorfbewohner bittet um Audienz." Wieder seufzte Lydia. ,,Bittet ihn herein, Ser Chrysos", und an Ydro gewandt sagte sie, ,,Ich muss wieder jemanden enttäuschen."

 

 

Als die Dämmerung einsetzte war Lydia am Ende ihrer Nerven. Sie saß inzwischen vor ihrem goldverziertem Spiegel und bürstete sich das dunkle Haar. Lange betrachtete sie gedankenverloren ihr Spiegebild, bis ein Klopfen ertönte.

,,Euer Hoheit, darf ich eintreten?"

Die Königin lächelte, da sie die Stimme sofort erkannte. ,,Immer herein", antwortete sie.

Die schwarze Eichentüre öffnete sich und die kleine Gestalt ihrer Zofe erschien im Zimmer.

,,Guten Abend, Eileen. Wo hast du dich nur aufgehalten?", fragte Lydia mit einem Blick in den Spiegel.

,,Verzeihen Sie meinen Auftritt...Ich war soeben im Dorf an der Postschenke", erklärte Eileen, während sie sich das Haar glatt strich.

,,An der Postschenke? Gibt es etwa Neuigkeiten von denen ich bisher nichts weiß?"

Ihre Zofe nahm ihr wortlos die Haarbürste aus der Hand und begann ihr Haar zu kämmen. ,,Eileen ich weiß doch, wenn hier etwas nicht stimmt. Willst du es mir sagen, oder soll ich es selbst herausfinden?", hakte sie nach.

,,Ich werde es Ihnen sagen. Für morgen hat sich hoher Besuch angekündigt. Ein sehr wichtiger Besuch."

,,Um wen handelt es sich?"
Die Zofe wirkte nervös. ,,Um einen König namens Asimi, Euer Hoheit." Lydia lachte kurz. ,,Was ist denn daran so fürchterlich geheimnissvoll? Hat er vor Nokard auszurauben oder gar dem Erdboden gleich zu machen?"

Eileen schüttelte den Kopf. ,,Nein, nichts davon hörte ich. Er hat versichert, dass er Feuerholz mitrbingen würde."

,,Das klingt ja fabelhaft! Er würde uns damit einen großen Gefallen tun. Wieso bist du dennoch so nervös?"

Eileen legte die Bürste auf die Fläche vor dem Spiegel ab. ,,Ich hörte bereits Geschichten über Asimi, die Euch nicht gefallen würden, wenn Ihr sie hören würdet."

Lydia machte ein überraschtes Gesicht. ,,So? Die kannst du mir gerne ein anderes Mal erzählen, Eileen. Ich sehe, dass du Angst davor hast darüber zu sprechen."

,,Verzeihen Sie. Meinesgleichen werden für Lügen sofort umgebracht wissen Sie?"

Lydia hielt sich eine Hand vor den Mund. ,,Das soll bei mir nicht passieren. Ich bin mir sicher, dass du stets die Wahrheit sagst, weil ich dich kenne." Die Königin rückte den Stuhl nach hinten und legte beide Hände auf die Schultern ihrer Zofe. ,,Vielen Dank, dass du mir davon berichtet hast. Eines Tages werde ich mir auch deine Geschichten Anhören, versprochen. Asimi wartet nun sicher auf Antwort. Ich sollte ihn nicht warten lassen. Schreib ihm, dass ich ihn mit Freuden erwarten werde."

Eileen verbeugte sich tief unter den Händen der Königin.

,,Sehr wohl, Majestät." Mit diesen Worten eilte sie mit leichten Schritten durch das Gemach der Königin und verschwand.

Lydia zog sich ihr Nachthemd an, setzte sich auf das riesige Himmelbett in dem sie jede Nacht schlief und ließ sich in die Kissen fallen. Alle Kissen zierten die verschiedensten Blautöne und das verschnörkelte "L" ihres Vornamens. Selbst wenn ihr Bett gemütlich warm war, schlief sie die letzten Tage sehr schlecht ein. Lydia dachte oft an die zurückgewiesenen Dorfbewohner mit ihren traurigen Gesichtern. Obwohl sie alle wegschickte, lobten sie in ihren Abschiedssätzen ihre Königin und ihre großen Taten. Sie fühlte sich jedoch nicht angesprochen dadurch. Die einzige Rettung aus dieser Situation würde der König aus dem östlichen Reich sein. Was mag er allerdings schreckliches getan haben, dass Eileen Geschichten über ihn hörte? Mit diesem Gedanken schlief die Königin ein, als der Mondschein bereits durch ihr Fenster schien.

2. König Asimi

 Am nächsten Morgen wurde die Königin durch das lautstarke Rufen ihrer Zofe geweckt.

,,Euer Hoheit! Euer Hoheit! Schnell! Stehen Sie auf und ziehen Sie sich an. Der König hat sich bereits gemeldet. Er ist nur noch wenige Meilen von hier entfernt."

Sofort saß Lydia aufrecht im Bett. ,,Bin schon wach, Eileen. Ich sehe schon, du hast meine Kleider mitgebracht."

Die Zofe legte die langen Gewänder der Königin über eine der Sessellehnen vor dem Kamin, dessen Polster ebenfalls in blau schimmerten. ,,Heute sollten Sie ein hellblaues Kleid mit einem Hauch von Beige tragen, oder sagt Ihnen doch eher das Violette mit dem silbernen Muster zu? Nein Sie wollen bestimmt etwas ganz anderes tragen..."

,,Eileen, ich finde mich schon zurecht, danke."

Ihre Zofe verbeugte sich. ,,Verzeiht mir, bitte." Eileen ging ein Stück zurück.

,,Es gibt nichts zu verzeihen. Komm hier her", entgegnete Lydia beruhigend. ,,Ich denke, dass ich tatsächlich das Hellblaue anziehen werde."

Die kurzhaarige Dienerin nickte kurz. ,,Gut. Warten Sie, ich helfe Ihnen hinein."

 

 

Einige Zeit später erwarteten einige Ritter, Eileen und die Königin persönlich die Ankunft des Königs. Lydia lud sogar ihr Dorf ein, um Asimi zu empfangen. Dies stand eher Abseits von der Königsgarde und kauerte sich aufgrund der Kälte dichter zusammen. Nur leichte Schneeflocken rieselten auf den Boden und ein leichter Wind wehte ihnen durch die Haare. Ihre Stimmung wirkte angespannt.

,,Euer Hoheit!", brüllte jemand aus der Ferne, der auf dem Turm Ausschau hielt. ,,Sie kommen!"

Neugierig hob Lydia die Hand, um damit ihr Gesicht vor den Flocken abzuschirmen. Sie lauschte und hörte nun auch das Trompeten, welches den König ankündigte. Die Kutsche näherte sich zusammen mit mehreren Fußsoldaten, die diese beschützen sollten und kam einige Meter vor ihnen zum Stehen. Ein großer, eleganter Mann sprang von der Kutsche und öffnete die Türe, aus der nun ein etwas kleinerer Mann mit Krone ausstieg.

,,Meine Damen und Herren, König Asimi aus dem Osten, Reich Isarek!", kündigte der größere Mann mit den weißen Haaren und dem grünen Umhang an. Offenbar war dies dessen Berater, so wie Ydro Lydias war.

,,Hier werde ich gleich herzlich empfangen, wie ich sehe", stellte der König fest. Er hatte ebenfalls dunkles Haar, einen dunkelgrünen Umhang und trug braune Handschuhe.

Das Volk von Nokard knickste und verbeugte sich.

,,Euer Majestät, herzlich Willkommen in Nokard. Hoffentlich hatten Sie eine gute Reise. Dies ist Königin Lydia, Herrscherin über dieses Land und das Dorf, welches ihr zu Eurer Linken sehen könnt", grüßte Ydro, während er vortrat.

,,Vielen Dank. Es ist mir eine Ehre sie alle kennenzulernen", sagte Asimi glücklich. ,,Ich möchte euch nicht länger als nötig Draußen halten, es ist zu kalt. Aus diesem Grund habe ich euch auch Decken und Feuerholz mitgebracht!"

Nun trat Lydia vor und näherte sich zum ersten Mal dem König, über den sie gestern noch gesprochen hatte. ,,Willkommen auch von meiner Seite. Ich danke Ihnen, dass Sie so zuvorkommend sind. Ich nehme an es gibt eine Bedingung oder gar einen Haken an der Großzügigkeit?"

Asimi nahm ihre rechte Hand, hob diese hoch und verbeugte sich leicht. ,,Aber nicht doch, Lydia. Einzig die Großzügigkeit führt mich her."

Die Königin hob sketpisch eine Augenbraue. ,,Na dann begleitet mich doch ein wenig durch den Schlossgarten. Wir könnten dort ungestört reden. Ich denke Sie haben mir noch etwas anderes zu sagen, ansonsten hätten Sie nicht den weiten Weg auf sich genommen."

,,Es wird mir eine Ehre sein. Wachen, ladet die Sachen ab und tragt sie ins Dorf hinunter. Passt mir ja auf, dass keinem Dorfbewohner ein Haar gekrümmt wird, sonst werdet ihr es bitter bereuen."

Etwas in seiner Stimme machte Lydia unsicher. Niemand rechnete damit, dass seine Ritter ihren Leuten irgendetwas antun würden. Sie wollte keine schnellen Vorurteile schließen und geleitete den König nun in den vereisten Schlossgarten. Dort befanden sich überall große Mamorstatuen von Herrschern, Hecken mit Blumen wurden vom Schnee verdeckt und die schmalen Bänke waren ebenfalls inzwischen vollständig vereist. Dennoch sah man die groben Umrisse des Gartens gut, sodass sie die Orientierung nicht verlieren konnten.

,,Wenn ich anmerken dürfte, das ist ein ausgezeichneter Garten. Ich bin mir sicher, dass er zu anderen Jahreszeiten noch gemütlicher aussieht", meinte Asimi mit rauer Stimme.

,,So ist es. Nun, wenn es Euch nichts ausmacht würde ich gerne über Ihre plötzliche Ankunft reden." Lydia verschränkte die Hände ineinander, da sie keine Handschuhe trug, um sich etwas zu wärmen. Zudem hatte sie auf diese Weise ihre Nervosität unter Kontrolle.

,,Bei dem Anblick Ihres Schlosses hätte ich es beinahe vergessen. Also, wo fange ich nur an? Vor Kurzem hörte ich von meinem Berater Quirin, dass Sie eine bedauerlich schlechte Ernte dieses Jahr hatten. Aus diesem Grund dachte ich mir, dass ich doch als mehr oder weniger Nachbar meine Hilfe anbieten könnte." Er blickte noch immer zum weiß-grauem Schloss hinauf.

,,Das ist nett gemeint, verstehen Sie mich nicht falsch. Allerdings ist ihr Nachbarland doch genauso von der schlechten Ernte betroffen gewesen, wenn ich mich nicht irre?"

Asimi räusperte sich. ,,Nun, wir haben eben Ware aus Leydra einfahren lassen. Mich hat es bedauerlicherweise das Leben von drei tapferen Rittern gekostet. Nur einen konnte ich lebend wiederbekommen und der hat mir auch die Ware geliefert."

,,Leydra? Das ist doch hunderte von Meilen weit weg. Lebt dort nicht ein kleiner Stamm von rötlich-braunen Männern und Frauen?"

Der König sagte nichts. Einst hatte sie von ihrer Mutter über den Stamm aus Leydra gehört. Er hatte keinen König und keine Königin, nur einen Häuptling. Selbst sie wusste nicht, ob diese Leute mit einem König eines anderen Landes ihrer Ernte teilte. Es lag auf der Hand, dass er etwas verheimlichte, nur wollte sie nicht riskieren, dass er seine Gaben für Nokard wieder mitnahm. Ihr Volk könnte einen Feind in dieser Situation allein ihretwegen verschuldet nicht gebrauchen.  ,,Zumindest teilen Sie mit uns, Asimi", meinte Lydia.

,,Gerne", bekam sie als Antwort. ,,Sie haben aber Recht, dass ich eigentlich noch aus einem anderen Grund hier bin."

Nun wurde Lydia hellhörig. ,,Der wäre?"

,,Ich bin auf der Suche nach einer Ehefrau, die an meiner Seite herrscht. Stellen Sie sich das doch nur einmal vor. Wir beide könnten unsere Reiche miteinander vereinen, um wieder zu erlangen, was Wylland zerstörte und verabscheute: Frieden."

,,Heiraten? Nunja...Ehrlich gesagt hat mein Berater ebenfalls diese Idee gehabt." Sie machte eine Pause. ,,Wir befinden uns doch gar nicht im Krieg, also Frieden herrscht hier bereits."

Asimi lachte. ,,Ihr Berater sprach die Hochzeit mit einem König an? Exzellent! Wir lernen uns kennen und finden heraus, ob wir heiraten können." Er verbeugte sich erneut und lächelte. ,,Sicher befinden wir uns nicht im Krieg, aber sollten wir nicht heiraten...Oh seht nur, eine Dienerin", unterbrach Asimi sich selbst.

Lydia ärgerte sich, dass Panna in dieser Sekunde kam, wo er ihr offensichtlich drohen wollte. Sie versuchte dennoch sich nichts anmerken zu lassen.

,,Euer Hoheit, Euer Majestät. Wenn Sie möchten steht das Essen nun auf dem Tisch." Die kleine Frau, die in der Schlossküche arbeitete machte eine einladende Armbewegung in Richtung Schloss.

,,Vielen Dank, Panna. Wir kommen sofort." Lydia bemerkte den Blick des Königs auf sich und wandte sich ihm wieder zu. ,,Wollen wir?", fragte sie vorsichtig mit einem gespielten Lächeln auf dem Gesicht.

,,Sicher, gerne." Asimi begleitete sie durch die breiten Schlossgänge in den nicht weit entfernten Speisesaal, welcher bereits mit köstlichen Gerichten gedeckt wurde. ,,Etwas Wein, Euer Hoheit?", fragte Panna freundlich.

,,Immer gerne, danke", antwortete Asimi, nachdem er gegenüber von Lydia Platz genommen hatte. ,,Ihr Küchenpersonal ist sehr freundlich. Ich wünschte meines wäre so."

Skeptisch hielt die Königin ihren Becher hoch, damit Fred, Pannas Ehemann, ihr etwas einschenken konnte. Innerlich war sie sich sicher, dass sie den Grund dafür kannte, dass ihm sein Personal nicht gehorchte. ,,Sie haben kein freundliches Personal?"

Asimi schüttelte den Kopf, während er einen Schluck trank. ,,Nein, nur unfähige Köche, die es nicht besser hinbekommen mich zu behandeln wie einen König. Sie werden in Ihrem Reich besser behandelt als ich, Lydia."

,,Etwas Rinderbraten?", fragte Panna erneut.

,,Das sieht köstlich aus. Gerne nehme ich ein Stück." Er hob seinen Teller dem Fleisch entgegen. Momentan zeigte er jedoch keine Anzeichen dafür, dass er niedergestellte Personen schlecht behandelte. Womöglich bildete sie sich das alles nur ein und Asimi hatte wirklich keine guten Arbeiter. Jetzt dachte sie selbst schon solche fürchterlichen Gedanken. Sie trank einen Schluck Wein, um die Gedanken zu vertreiben.

,,Lassen Sie es sich schmecken", sagte Lydia anschließend.

,,Das werde ich." Asimi begann zu essen und erwiderte ihre Aussage nickend. ,,Sie ebenfalls."

 

 

Nach einem ausgiebigen Festmahl begab sich der König in seine Gemächer, welche Eileen gemeinsam mit fünf weiteren Arbeitern einrichtete. Insgesamt schien der König zufrieden zu sein. Lydia war erleichtert, dass ihr Dorf nun nicht mehr fror. Diese Nacht würde sie sicher gut schlafen können. Es kam jedoch anders. Sie wurde durch ein kräftiges Rütteln aus dem Tiefschlaf gerissen, gerade nachdem sie gemütlich eingeschlafen war und öffnete blitzschnell ihre Augen.

3. Geheime Gespräche

 ,,Euer Hoheit!", flüsterte eine Stimme immer wieder. Als die Augen der Königin sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte sie die Gestalt ihrer Zofe.

,,Eileen, was hat das zu bedeuten?" Unruhig setzte sie sich im Bett auf.

,,Verzeihung, dass ich Sie wecke, aber ich habe einen toten Menschen gesehen!", sagte sie panischm während sie versuchte ihre Stimme gesenkt zu halten.

,,Eine Leiche hier im Schloss?", fragte Lydia aufgebracht. ,,Ganz sicher?"

,,Ja! Bitte kommen Sie mit mir. Ich habe solche Angst." Die Angst stand Eileen ins Gesicht geschrieben, als Lydia ihre Nachttischkerze anzündete, die kleine Halterung in die Hand nahm und ihre Zofe aus dem Zimmer begleitete. Die kurzhaarige junge Frau deutete mit zittriger Hand durch den langen Flur, der zu dieser Tageszeit nur schwach durch Fackeln an den Wänden beleuchtet wurde.

,,Wo hast du die Person denn gesehen?"

Eileen klammerte sich an ihre Königin und flüsterte: ,,Kurz vor den Gemächern des Königs Asimi..."

,,Asimi?", wiederholte Lydia. Ihre Zofe nickte stumm. So langsam bekam es nun auch die Königin mit der Angst zu tun. Wenn sich der Mord als wahr herausstellte und im Dorf rumsprach, würde das Vertrauen der Dorfbewohner in die Herrscherin verloren gehen, gleich nachdem sie es gerade wieder gewonnen hatte.

Eileen hielt Lydia plötzlich zurück. ,,Dort hinter der Ecke unter dem Gemälde von Lady Cannon habe ich sie gesehen."

,,Ich gehe voraus. Du kannst hier warten. Du musst das nicht nochmal ansehen." Lydia hielt die Kerze in der Halterung vor sich selbst, um das Gemälde zu beleuchten. Mit rasendem Herzen senkte sie den Blick in Richtung Boden. Erschrocken atmete sie einmal ein und aus. Nichts war zu sehen. Leise schlich sie zurück zu Eileen, doch dort wo sie ihre Zofe vermutete, war sie nicht mehr. ,,Eileen? Bist du noch da?" Beunruhigt leuchtete sie den ganzen Flur vor sich entlang. All das kam ihr ziemlich gespenstisch vor. Lydia beschloss sich noch ein wenig vor den Gemächern des Königs umzusehen, bevor sie ins Bett zurückkehrte. Ihr nächtlicher Ausflug schien sich bezahlt zu machen.

,,Reden Sie doch nicht so laut Quirin! Ich habe Ihnen doch gesagt, dass sie vorsichtig und leise hier sein sollen oder wollen Sie, dass wir auffliegen?!", donnerte Asimis Stimme den Gang entlang.

Die Königin lehnte den Kopf an die Türe, um zu lauschen.

,,Nein...Hoheit...Euer Ehren", stammelte der Berater.

,,Gut, dann haben wir uns ja endlich verstanden. So etwas wie in Leydra können wir uns nicht nochmal erlauben. Hier muss alles glatt laufen, ansonsten enttäuschen wir ihn nur wieder. Du weißt, wie er das findet." Asimi stiefelte lautstark durch das Gästezimmer.

Lydia hörte, dass sich seine Schritte der Tür näherten. Augenblicklich pustete sie die Kerze aus und versteckte sich hinter einer Ritterrüstung neben der Tür.

Die Tür wurde geöffnet und Quirin trat hinaus.

,,Gute Nacht, Euer Majestät", sagte er und verbeugte sich. Asimi knallte wortlos die Tür zu.

Lydia wusste nicht, ob sie Quirin vertrauen konnte, da er Asimis Berater war, daher blieb sie reglos in ihrem Versteck. Quirin ging ein kleines Stück den Gang entlang, drehte sich dann aber doch nochmal kurz um. Die Königin musste sich an der Wand hinunter rutschen lassen, damit sie nicht ins Kerzenlicht geriet. Glücklicherweise hatte er sie wohl nicht gesehen. Erleichtert atmete sie aus, stand wieder auf und schlich langsam zurück zu ihrem Gemach.

 

 

Nach dieser aufregenden Nacht, hatte Lydia kaum geschlafen. Von ihrer Zofe fehlte nach wie vor jede Spur, weshalb sich die Königin bereits Sorgen machte. Sie suchte sich irgendeines der Kleider aus, zog es sich über und eilte in den Thronsaal. Dort traf sie ausschließlich auf Ydro, ihren Berater. Dieser bemerkte die Unrhuhe der Königin sofort.

,,Guten Morgen, Lydia. Ist etwas nicht in Ordnung? Sie sehen ganz blass aus."

,,Ydro, ich hatte eine grauenvolle Nacht. Haben Sie vielleicht Eileen gesehen? Sie ist mir abhandengekommen", antwortete sie.

,,Ich denke nicht, dass sie hier im Thronsaal ist. Tut mir leid, aber auch ich habe sie nicht gesehen." Ihr Berater öffnete eines der Fenster, um frische Luft reinzulassen. ,,Eventuell brauchen Sie frische Luft?"

,,Sehr zuvorkommend, Ydro. Ich wäre nur beruhigter, wenn ich Eileen finden würde." Lydia suchte vergeblich alle Winkel des Saales ab.

,,Euer Hoheit, König Asimi trifft in wenigen Minuten zum Frühstück ein", kündigte ein Ritter an.

,,Danke, Ser Chrysos." Die Königin fuhr sich nervös durchs Haar. ,,Letzte Nacht da..."

,,Was ist letzte Nacht passiert?", fragte Ydro nach. ,,Haben Sie dort Eileen zuletzt gesehen?"

,,Kann ich Ihnen nicht sagen, fürchte ich. Nicht jetzt. Der König ist fast da. Tun Sie mir den Gefallen und suchen Eileen für mich weiter", bat Lydia. Eilig verließ sie den Thronsaal und machte sich auf den Weg in den Speisesaal.

Dort saß bereits der König und trank aus einem Becher. ,,Ah, guten Morgen Lydia!", grüßte er freundlicher denn je. Der Königin entgingen jedoch nicht die finsteren Blicke von Panna und Fred, die ihm gerade das Essen servierten. Wussten sie etwa schon etwas von letzter Nacht oder hatte sich gar Eileen bei ihnen gemeldet?

,,Guten Morgen, Asimi. Ich wünsche guten Appetit", entgegnete sie ruhig und ließ sich auf dem Stuhl nieder.

,,Vielen Dank." Asimi stopfte sich erneut voll, während in Lydia die Unruhe wuchs, je länger sie ihre Arbeiter beobachtete. Dem König sollte das allerdings nicht auffallen, weshalb sie so häufig es ging etwas trank und sich hinter ihrem Becher verschanzte.

In diesem Moment schritt ein Ritter der Königsgarde herein. ,,Euer Hoheit, Euer Majestät! Wir haben Eileen gefunden", berichtet Ser Chrysos.

Sofort sprang Lydia auf. Noch nie war sie so erleichtert gewesen. ,,Geht es ihr gut?"

,,Ihr habt Eure Zofe verloren?", fragte Asimi mit leichter Skepsis in seiner Stimme. ,,Euer Personal wird doch meinem nicht wohl immer ähnlicher und erlaubt sich einfach abzuhauen?"

Lydia ignorierte den Kommentar des Königs und eilte zu Ser Chrysos. ,,Wo ist sie?"

,,Folgen Sie mir bitte, Euer Hoheit." Die raue Stimme des Ritters, jagte ihr heute einen Schauer über den Rücken. Wieso wollte er ihr nicht einfach sagen, wo Eileen ist?

Sie folgte ihm mit schnellen Schritten vorbei an der Bibliothek und den Gemächern der Arbeiter zu dem großen Treppenhaus, wo sich auch die Eingangshalle befand.

Chrysos verbeugte sich und deutete mit der Hand in Richtung Eingang. ,,Dort."

Lydia hob ihr rotes Kleid, um schneller an der Marmortreppe zu sein. Dort angekommen, entfuhr ihr ein Schrei. ,,Nein! Warum? Warum?" Sie fiel auf die Knie und wandte den Kopf zu ihrem Ritter. ,,Wann habt ihr sie so gefunden?" Tränen schossen in ihre sonst so fröhlichen Augen, während sie Eileens Körper anhob.

,,Vor wenigen Minuten, Euer Hoheit."

,,Habt ihr jemanden gesehen, der sie so zugerichtet hat?", hakte sie aufgebracht nach. Die Welt um sie herum drehte sich für den Bruchteil einer Sekunde. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen.

Chrysos schüttelte den Kopf, sodass seine Rüstung klapperte. ,,Nein, bedauerlicherweise nicht." Betroffen senkte er seinen Blick zu Boden.

,,Wie kann ein Mord in meinem Schloss passieren, während ich nichts mitbekomme?!", schallte ihre Stimme durch die Eingangshalle. ,,Wer war das? Wie ist das passiert?" Immer mehr Tränen liefen über ihre Wangen.

,,Euer Hoheit, wir haben bereits die Heiler gerufen", versicherte der Ritter.

,,Ich will wissen, wer das war!" Wütend und traurig über den Verlust ihrer Zofe erhob sich die Königin, wich aber nicht von ihrer Seite.

Asimi näherte sich dem Geschehen und hielt sich eine Hand vor die Augen. ,,Uh ein Mord am frühen Morgen! Das ist ja schrecklich...Wie konnte es nur dazu kommen?"

Lydia wünschte Asimi zum Mond, so viel Wut empfand sie gerade für ihn. Sie konnte zwar nicht beweisen, dass er es war, ausschließen wollte sie es aber auch nicht. ,,Keine Ahnung", antwortete sie trocken.

,,Sie brauchen nicht zu sehr zu trauern. Arbeiter kommen und gehen. Es wird neue geben. Wir könnten sie dennoch begraben, wie sie es verdient", ergänzte der König sich.

,,Das werden wir, nachdem wir wissen, woran sie gestorben ist", donnerte Lydia, legte den reglosen Körper vor sich hin und entfernte sich die Treppen nach oben in die Heilzimmer. Die Heiler machten sich gerade auf den Weg, um Eileen von unten abzuholen, als sie auf die Königin trafen.

,,Euer Hoheit, wollt Ihr etwa hier die ganze Zeit warten? Es kann dauern, bis wir etwas wissen", sagte ein Heiler langsam.

,,Ja, Damian. Ich werde hier warten und wenn es sein muss auch mehrere Tage." Lydia setzte sich auf einen der Hocker und legte die Hände an ihr glühendes Gesicht. Sie musste sich jetzt im Klaren darüber sein, was eben passiert ist und versuchen herauszufinden wer der Mörder von Eileen war. Sie konnte nur hoffen, dass es nichts mit gestern Abend zu tun hatte, jedoch verlor sie nach wenigen Stunden jegliche Hoffnung daran.

4. Unbekannt und Ungesehen

 Nach einiger Zeit erst regte sich wieder etwas im Schloss.

,,Vorsichtig, Euer Hoheit. Gehen Sie lieber ein Stück zur Seite, damit wir Eileen ablegen können", forderte Damian auf, der gemeinsam mit zwei weiteren Heilern in den Raum zurückgekehrt war. Diese trugen unter Tüchern versteckt, den leblosen Körper von Lydias Zofe.

,,Versprechen Sie mir, dass sie etwas finden." Die Königin war außer sich und wusste sich nicht anders zu helfen, als diese Bitte zu stellen.

Die Heiler verbeugten sich tief. ,,Sehr wohl, Euer Hoheit." Kaum hatten sie diesen Satz ausgesprochen, erschien König Asimi im Türrahmen.

,,Mein Beileid, Euer Hoheit. Sie hatten es eben doch sehr eilig...Ich war bereits in Sorge, dass Ihnen meine Worte nicht gefielen. Womöglich habe ich gesprochen, ohne nachzudenken. Verzeiht mir bitte."

Lydia funkelte den König böse an. ,,Verschwindet aus diesem Krankenzimmer!" Inzwischen war ihr egal was der König von ihr dachte. Sie war sich sicher, dass dieser nur Unheil über ihr Reich bringen würde, da die jüngsten Ereignisse dies deutlich bestätigten.

,,Warum plötzlich dieser strenge Tonfall, Lydia? Wollten wir uns nicht wegen einer Hochzeit beraten, bevor ihre Arbeiterin verstarb?"

,,Es wird keine Hochzeit geben, Asimi. Ich verlange, dass Sie mein Schloss umgehend verlassen", entgegnete sie.

,,Verlassen? Was habe ich denn nun angestellt? Das müssen Sie mir jetzt aber erklären." Asimi verschränkte die Arme und setzte ein gespieltes, unschuldiges Gesicht auf.

,,Sie wissen sehr wohl, weshalb ich das verlange! Sie waren es doch..."

,,Halt! Sprecht nicht weiter, Lydia", rief Ydro in dieser Sekunde. Sie hätte ihm dankbar sein müssen, da er Schlimmeres verhinderte. Irgendwie hatte sie die Kontrolle über sich verloren, so sicher war sich die Königin, der König würde hinter dem Mord stecken.

,,Sie unterbrechen Ihre Königin?", warf Asimi ihm vor.

,,Das war vielleicht dumm von mir, aber ich bin mir sicher, Euer Hoheit wird mir das eines Tages verzeihen", antwortete Ydro schroff. Er streckte einen Arm vor sich aus und deutete Lydia an, seine Hand zu nehmen.

,,Folgen Sie mir nach draußen. Sie sollten sich hier wirklich nicht aufhalten, in Ihrem Zustand."

Zornig ging Lydia an Asimi vorbei ohne ihn eine Sekunde aus den Augen zu lassen. ,,Danke, Ydro", brachte die Königin leise hervor, als sie das Krankenzimmer verließen.

 

Der Berater schloss die Türen hinter sich und wandte sich wieder voll und ganz der Königin zu. ,,Ihr müsst besser aufpassen wen ihr ohne Beweise beschuldigt. Das eben hätte ins Auge gehen können. Denkt daran, dass der König Euch geholfen hat."

,,Hat er das? Ich frage mich langsam wirklich was Eileen für Geschichten über ihn kannte."

,,Geschichten?", fragte Ydro überrascht. ,,Jetzt bin ich aber neugierig."

Lydia winkte ab. ,,Ich kenne sie nicht. Eileen starb, bevor sie mir auch nur eine erzählen konnte. Jedoch hat sie sich gestern Abend sehr seltsam verhalten und so auch Panna und Fred heute Morgen."

,,Was war denn nun gestern Nacht? Wenn Sie mir davon erzählen könnten, könnte ich Ihnen bestimmt helfen", schlug er vor.

,,Ist gut, aber nicht hier." Lydia sah sich um. ,,In diesem Schloss ist es nicht mehr sicher, wenn schon meine Arbeiter umgebracht werden. Ihnen soll das nicht auch noch passieren." Sie ging voraus und ihr Berater folgte ihr, wo auch immer sie hinging.

Nun steuerte die Königin die Bibliothek an. ,,Hier hinein. Bestimmt wird uns hier niemand so schnell finden."

Lydia durchquerte mit Ydro viele Reihen von vollen Bücherregalen, die mit etlichen Büchern und Pergamenten gefüllt waren. Selbst sie konnte sich zwischen ihnen sehr leicht verirren, doch glücklicherweise arbeiteten dort Gelehrte, die ihr im Notfall immer den Weg zeigten.

Sie blieb stehen und wandte sich zu ihrem Berater. ,,Hören Sie mir zu. Gestern Nacht riss mich Eileen wegen einer Leiche aus dem Schlaf. Sie war sich sicher eine gesehen zu haben. Als ich ihr folgte, um diese zu sehen, war aber keiner an der besagten Stelle. Ich wollte mich wieder zu ihr umdrehen, aber dann war sie auch schon verschwunden."

Ydro runzelte die Stirn. ,,Das klingt ja merkwürdig. Wo waren Sie denn unterwegs, wenn ich fragen dürfte?"

,,Nahe der Gemächer von Asimi. Beunruhigend war, dass ich kurz darauf ein Gespräch mit angehört habe...Ich weiß nicht genau worum es ging, aber der König verheimlicht uns etwas."

,,Wie kommen Sie darauf?" Ydro senkte seine Stimme, als ein Gelehrter an ihnen vorbeitrat und sich kurz verbeugte.

,,Der König hat mir bereits gedroht, dass irgendetwas passiert, wenn ich ihn nicht heirate. Er wollte sich eigentlich erst kennenlernen, bloß so seltsam wie er sich verhält kann ich das nicht in die Tat umsetzen. Wissen Sie, dass er mir sagte er habe das Feuerholz aus Leydra?", setzte die Königin fort.

,,Es fällt mir schwer zu glauben. Das ist doch der Ort, wo die Männer und Frauen mit der rot-braunen Haut wohnen! Wieso sollten sie Asimi etwas verkaufen oder gar schenken? Sie verachten Könige und Königinnen." Der Berater zauste sich durchs graue Haar. ,,Merkwürdige Geschichte."

,,Ich bin mir darüber im Klaren. Allerdings glaube ich nicht, dass sie ihm das Feuerholz freiwillig gegeben haben."

Ydro sog erschrocken die Luft ein. ,,Sie meinen es ist gestohlen worden?"

Lydia nickte. ,,Das müssten wir herausfinden. Falls es nicht so sein sollte, dann wüsste ich auch, dass wir ihm vertrauen könnten. So habe ich allerdings keinerlei Anlass dazu. Die jüngsten Ereignisse bringen mich ganz durcheinander."

,,Das habe ich eben gemerkt, Euer Hoheit. Wie gehen wir vor? Leydra ist hunderte von Meilen weit von Nokard entfernt. Wie soll jemand bis dorthin reisen und das auch noch bei dem Wetter?", erkundigte sich Ydro unsicher.

,,Das weiß ich auch noch nicht so genau. Was ich allerdings weiß ist Panna und Fred muss ein Besuch abgestattet werden. Die beiden haben den König heute Morgen etwas zu skeptisch betrachtet, wenn Ihr mich fragt. Sie wissen bestimmt irgendetwas."

,,Ich folge Ihnen auf Schritt und Tritt, Euer Hoheit", versicherte ihr Berater.

Die Königin lächelte kurz. ,,Das weiß ich sehr zu schätzen. Kommt."

 

 

Wenige Minuten später, trafen Ydro und Lydia in der Schlossküche ein. Panna, Fred und einige andere waren wie gewohnt bei der Arbeit. Fred wusch gerade über einem Eimer mehrere Kartoffeln für das Mittagessen, als er die beiden erkannte. Augenblicklich ließ er die Kartoffel in das Wasser fallen, stand auf und verbeugte sich. ,,Euer Hoheit, was führt Sie her?"

,,Mich interessiert, ob du etwas über König Asimi gehört hast was vielleicht nicht den freundlichen Geschichten entspricht", sagte Lydia langsam.

,,Ach der König...Ja, über ihn habe ich tatsächlich so einiges gehört. Warten Sie, ich rufe eben meine Frau herbei." Er stolperte durch die Küche und zerrte seine Frau vor die Königin. ,,Euer Hoheit, ich habe Sie gar nicht kommen hören", entschuldigte sich Panna.

,,Macht nichts, meine Gute. Erzählt mir alles, was ihr über Asimi gehört habt."

Das Ehepaar lehnte sich gegen eine der Arbeitsplatten. Fred wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn, während er berichtete: ,,König Asimi soll ein falsches Spiel in vielen Königslanden gespielt haben. Er hat dabei immer die Strategie, eine Königin zur Frau zu nehmen und danach ihr ganzes Dorf an sich zu reißen. Wie genau er das anstellt, wissen wir nicht."

,,Eines steht aber fest. Keine Königin mit der er verheiratet war lebt heute noch. Auch nach der Hochzeit zählten viele Länder mehrere Tote", ergänzte Panna traurig.

,,Von wem habt ihr diese Information?", fragte die Königin ernst. ,,Es ist wichtig, dass ihr ehrlich zu mir seid."

,,Sehr wohl. Wir hörten es von Eileen gestern Abend, die wusste es von einem Reisenden, der wohl hier im Dorf gewesen war." Fred blickte zwischen Ydro und der Königin hin und her.

,,Ein Reisender? Wieso weiß ich davon schon wieder nichts? Nun gut, danke für diese Informationen." Lydia verließ die Küche wieder und eilte mit ihrem Berater in den Thronsaal.

,,Es ist offensichtlich, Ydro! Eileen war sicherlich an der Postschenke im Dorf, aber nie kam sie so zerzaust zurück. Irgendetwas stimmt da nicht."

,,Sie denken, dass sie dem Reisenden gelauscht hatte, während er über Asimi sprach?", fasste er zusammen.

,,Das denke ich nicht nur, es ist offensichtlich. Niemand in diesem Schloss oder im Dorf, hätte auch nur einen Gedanken daran verschwendet schlecht über einen fremden König zu sprechen. Fragt sich jetzt nur wer dieser Reisende ist." Lydia ging im Thronsaal auf und ab.

,,Im Dorf sollten Sie eventuell eine Antwort darauf finden und wie Panna sagte, es sei unschuldiges Blut vergossen worden...Ihr Dorf könnte in Gefahr sein", meinte Ydro knapp.

,,Sie haben bestimmt Recht. Ich muss sofort zu ihnen. Beten hilft mir auf dem Weg hinab hoffentlich noch etwas."

5. Die Dorfbewohner von Nokard

Die Königin machte sich durch die dichten Bäume auf den Weg in das Dorf, welches sich ein ganzes Stück bergabwärts befand. Sie hatte es so eilig, dass sie ab und an auf der Schneefläche ausrutschte und stürzte. Doch besonders zu stören, schien es Lydia nicht, da sie immer wieder aufstand und weiterlief. Ihre Hände färbten sich bereits durch die Kälte blau, jedes Mal als sie stürzte und diese dabei mit Schnee in Berührung kamen. Als die Königin endlich das Ende des Berges erreichte und somit auch die ersten Hütten des Dorfes in Sicht kamen, hielt sie einen kurzen Moment Inne. Es wirkte alles friedlich, so wie sie es sich wünschte. Hastig stapfte sie durch den tiefen Schnee auf die Hütten zu, blieb vor einer davon stehen, hob die Hand und klopfte an.
,,Herein!", rief eine Stimme von Drinnen, welche durch die Wände gedämpft wurde.
Lydia drückte die Klinke herunter und trat in die kleine Holzwohnung ein.
,,Oh, Euer Hoheit, mit Ihnen haben wir heute nicht gerechnet." Der Mann erhob sich beim Anblick der Königin.
,,Ich weiß, David. Ich wollte bloß sehen, ob hier alles in Ordnung ist?" Die Königin sah zu dem kleinen Kamin im Raum in dem ein Feuer brannte. Wenigstens hatte der König sein Wort in diesem Punkt gehalten.
,,Ja uns geht es sehr gut. Meine Frau ist dem König und auch Ihnen sehr dankbar, dass wir nun nicht mehr frieren müssen. Unser Kind wird den Winter wohl doch überleben", antwortete der Mann glücklich.
,,Das freut mich sehr zu hören."
,,Aus diesem Grund seid Ihr aber nicht hier, nehme ich an?"
Lydia schüttelte den Kopf. ,,Es gab heute Vormittag ein unangenehmes Ereignis im Schloss. Eileen hat euch nicht zufällig etwas von einem Reisenden erzählt oder?"
,,Eileen? Ist etwas mit ihr?", fragte David besorgt.
Sie legte die Hände übereinander, nickte und sagte: ,,Sie wurde umgebracht. Die Heiler versuchen herauszufinden woran sie starb."
David sank auf seinen Hocker zurück. ,,Mein Beileid, Hoheit. Das klingt fürchterlich!" Sein Gesicht wurde blass. ,,Ich muss Sie dennoch enttäuschen, von Eileen haben wir seit Tagen nichts gehört."
,,Kann es denn sein, dass ein Reisender einfach hier umherspatziert und keiner außer ihr etwas mitbekommt?", knurrte die Königin gereizt. ,,Entschuldige mich, ich wollte dir keine Angst einjagen."
,,Ich habe keine Angst, Hoheit. Ich verstehe Ihren Zorn vollkommen. Wir halten die Augen nach einem Reisenden offen, wenn Sie wünschen."
,,Es würde sehr weiterhelfen. Danke. Auf Wiedersehen, David." Lydia wandte sich der Tür zu, drehte sich dann jedoch noch einmal um. ,,Ach und noch etwas. Bitte erzähle keinem davon was im Schloss passiert ist. Ich möchte nicht, dass das Dorf verunsichert wird. Das würde uns allen nicht gut tun", bat sie.
,,Wie Sie wünschen, Lydia." Der Mann verbeugte sich, hielt der Königin die Türe auf und begleitete sie hinaus. Draußen stieg ihr wieder die Kälte in die Knochen und ihr Atem bildete eine kleine Nebelwolke. Sie war genauso schlau wie bei ihrer Ankunft. Lydia dachte nach, ob es Sinn machte noch jemand anderes zu fragen, da hörte sie plötzlich sich nähernde schwere Schritte und das vertraute Klappern von Rüstungen. Sie konnte nicht riskieren von den Wachen des Königs gesehen zu werden und versteckte sich blitzschnell hinter Davids Hütte.
,,Der König ist komplett verrückt, wenn du mich fragst", brummte einer seiner Ritter.
,,Da sagst du was Xander. Ich hätte niemals gedacht, dass er zu so etwas fähig ist! Obwohl...Die Aktionen, die er bereits in Leydra und Plandra durchführte hätten mich eines besseren belehren  müssen. Keinen Tag länger möchte ich ein Teil seiner Königsgarde sein."
Lydia klappte der Mund auf. Hatten die beiden Ritter wohl soeben eine Geschichte aufgeschnappt? Wenn das stimmte konnte der Reisende nicht weit sein. Sie wollte sofort aus ihrem Versteck stürmen, um der Sache nachzugehen, aber dann merkte sie, dass man sie sehen würde. Auch wenn die Ritter etwas gegen ihren König zu haben schienen standen beide immer noch in seinem Dienst und mussten ihm stets die Wahrheit sagen. Die Königin beschloss sich hinter der Hütte entlang an der Garde vorbeizuschleichen. Glück für sie, dass die Hütten nicht zu weit auseinander gebaut wurden. Sie lugte um die hintere Wand und als die Luft rein war machte sie einen großen Satz hinter die Nachbarshütte. Dabei stieß Lydia versehentlich mit ihrer Hand einige Fässer um, die dort nicht ganz sichtbar gelagert wurden. Die junge Königin fluchte vor sich hin und hielt sich die verletzte Hand.
,,Hast du das gehört, Ecklard?"
Der kleinere der beiden Ritter griff zum Griff seines Schwertes. ,,Ich bin nicht taub. Komm, lass uns mal nachsehen! Nicht das uns einer der Dorfbewohner belauscht hat."
,,Die werden immer frecher. Meine Meinung zählt nicht, doch Asimi sollte sie auf der Stelle ausschalten und nicht erst warten", grölte Xander."
Lydia rutschte rückwärts über den Schnee, schloss die Augen und überlegte sich eine gute Ausrede hierfür.
,,Euer Hoheit, kommen Sie schnell mit."
,,Symon", platzte es aus der Königin. Erleichtert sah sie den Dorfbewohner an.
Dieser half ihr auf die Beine und zog sie dann aus dem Blickfeld welches die Ritter gleich zu sehen bekommen würden. ,,Ich bitte um Verzeihung, meine Katze ist mir wohl entwischt", stammelte Symon, während die beiden Ritter aus der Königsgarde vor ihm erschienen.
,,Sag ich ja, die sind verrückt. Hast du irgendetwas mitgehört, Bengel?", knurrte Xander wütend.
Symon hob ängstlich beide Hände vor sich, als dieser sein Schwert zog. ,,Nein, habe ich nicht. Ich suche meine Katze. Habt Ihr sie gesehen?"
,,Der sagt dir bestimmt nicht, dass er was gehört hat, wenn es so wäre. Dorfbewohner haben nur Angst um ihr lächerliches Leben."
,,Ecklard sei endlich still. Ich weiß was ich tue. Wir lassen ihn am Leben. Lange wird er davon ohnehin nichts mehr haben." Er näherte sich dem schwarzhaarigen Mann in zusammengekauerter Haltung. ,,Ich hoffe für dich, dass du schweigst. Andernfalls finde ich es heraus und lasse ich mein Schwert hier tanzen. Eins sage ich dir: dazu wurde es praktisch geschmiedet." Xander und Ecklard zogen sich zurück.
Symon atmete erleichtert aus und rieb sich die zittrigen Hände. Er wollte ganz bestimmt nicht sterben. Schon gar nicht heute. Als die Stimmen der Ritter außer Reichweite waren, drehte er sich um und sah hinter die Hauswand nach seiner Königin. ,,Alles in Ordnung bei Ihnen?"
,,Ja, du hast mir das Leben gerettet! Ich danke dir so sehr", antwortete Lydia ernst. ,,Geht es dir auch gut?"
,,Die beiden haben mir kein Haar gekrümmt, auch wenn es ziemlich eng für mich aussah, Hoheit."
,,Die sollten sich schämen mein Dorf zu bedrohen! Symon du hast gehört was sie gesagt haben, richtig?"
Er nickte. ,,In der Tat. Ich denke aber nicht, dass es von Bedeutung für mich ist...Ich könnte ja lügen."
Lydia ergriff mit der heilen Hand seinen Oberarm. ,,Unsinn zum Teufel damit. Zum Teufel mit Asimi und seinen Wachen! Hast du nicht gehört, dass ihr alle in Gefahr seid? Ich muss zurück ins Schloss und meine Garde hierher senden, damit sie euch beschützt."
,,Aber Euer Hoheit, die Königsgarde gehört zu Eurem Schutz nicht zu unserem."
,,Wer mein Dorf angreift, greift auch meinen Schutz an", erwiderte Lydia prompt. ,,Mach dir keine zu großen Sorgen und geh den Rittern des Königs aus dem Weg. Ich kann nicht noch einen Toten gebrauchen."
Symon machte ein erstauntes Gesicht, wagte aber nicht nachzufragen. ,,Jawohl."
,,Bis demnächst", verabschiedete sie sich von ihm und stürmte an den Hütten vorbei den Berg hinauf in ihr Schloss.


An der großen Tür der Eingangshalle wurde sie bereits von König Asimi erwartet. Außer Atem und erschrocken stand sie nun vor ihm.
,,Haben wir einen kleinen Ausflug gemacht, Lydia?", fragte er.
,,Ich musste mal an die Luft. Ydro hatte es mir geraten."
,,Sicher. Ihr hättet Euch auch weiter mit mir unterhalten können. Ich war sehr gespannt, was Ihr mir noch alles zu sagen hattet", setzte Asimi an, während er die Königin musterte.
,,Ich hatte Ihnen nichts weiter zu sagen. Ihr wisst doch, dass ich unter Zorn stand und keine Kontrolle über mich hatte.
,,So ist es. Allerdings hatte ich den Eindruck Ihr würdet mir drohen wollen."
Lydia hielt Inne. ,,Unfug, nichts dergleichen wollte ich." Sie wollte ihm am liebsten an den Kopf werfen, was er bereits alles getan und gedroht hatte, besann sich aber eines Besseren. ,,Wollen Sie mich ein Stück begleiten?", fragte sie stattdessen höflich und setzte ein gespieltes Lächeln auf.
,,Aber gerne doch. Bis zum Essen ist es ja noch Zeit. Außerdem bin ich mir sicher, Ihr wollt die Erste sein, die von den Heilern die neuesten Informationen hören möchte." Asimi setzte ein kleines Lächeln auf, was der Königin ganz und gar nicht gefiel. Momentan hatte sie keine andere Wahl, als ihn auf einen Spaziergang zu begleiten.

6. Die Heiler

Eine ganze Weile ging die Königin neben dem sehr gesprächigen König her und hörte ihm eigentlich gar nicht richtig zu. Ihre Gedanken waren noch immer bei Eileen und den Rittern der Königsgarde. In diesem Moment hörte man aus der Ferne eine Stimme rufen: ,,Euer Hoheit!"

,,Haben Sie das eben auch gehört, Asimi?", erkundigte sich Lydia neugierig.

,,Euer Hoheit, wir wissen nun Bescheid!"

Asimi räusperte sich lautstark. ,,Ich habe nichts gehört. Sind Sie sich da auch sicher, Lydia?"

Die Königin winkte ab. ,,Sicher bin ich sicher. Gehen Sie mir aus dem Weg", forderte sie, als der König sich ihr in voller Größe in den Weg stellte.

,,Ich kann Sie in Ihrem Zustand nicht einfach weglaufen lassen. Lydia Sie hören Stimmen, die nicht da sind." Asimi klang so überzeugend, dass sie ihm fast geglaubt hätte, aber eben nur fast.

,,Lassen Sie mich durch Asimi. Das war keine Bitte." Sie klammerte sich an den grünlichen Umhang des Königs, zog daran und schubste ihn beiseite, sodass er gegen einen Baum stolperte. Es schien ihn gar nicht zu stören, denn er fluchte nicht.

,,Damian, bist du das?", rief die Königin hoffnungsvoll. Jetzt würde sie gleich erfahren, was mit Eileen passierte. Lydia versuchte die Richtung seiner Stimme durch den leichten Winternebel ausfindig zu machen. ,,Damian?", rief sie erneut, als sie nichts mehr hörte. Mit steigernder Unruhe lief sie den Weg zurück zur Eingangstür. Asimi konnte nicht Recht behalten, sie hatte sich die Stimme des Heilers nicht eingebildet. Wenige Meter vor der Türe kam ihr endlich der Heiler entgegengelaufen. Er hatte es eilig, genau wie sie.

,,Hoheit, ich weiß nun...", seine Stimme brach ab und er stürzte nach vorne, bäuchlings in den Schnee.

Lydias Augen weiteten sich einen Moment. ,,Damian?!", schrie die Königin, als sie schlitternd neben ihrem Heiler ankam. ,,Sag doch was..." Panisch drehte sie den Jungen auf den Rücken und entdeckte dabei etwas an seinem Hals. Eine Pfeilspitze hatte den jungen Heiler erwischt. Die Königin unterdrückte ihre Wut und Trauer, zog den Pfeil aus Damians Hals und versuchte den Blickkontakt zu seiner Verletzung zu meiden.

,,Nicht schon wieder", knurrte Lydia und sah sich um. ,,Komm raus du Feigling und zeig dich!" Sie legte Damian in den kalten Schnee zurück, als er kein Lebenszeichen zeigte und erhob sich umständlich. Sie trat den Stoff ihres langen Kleides von ihren Beinen. ,,Ich weiß, dass du dich noch hier versteckst! Na los, zeig dich!", rief sie wütend. ,,Töte mich!"

Nun erschien Ydro in der Eingangstür. ,,Lydia, Lydia, was machen Sie denn da?" Er stellte sich schützend vor seine Königin, weil er die Situation nicht einschätzen konnte. ,,Wieso sehen Sie sich hier so um? Ist hier ein Feind?"

,,Sehen Sie doch, Ydro."

Sein Blick wanderte in den Schnee. ,,Oh Götter", platzte es aus dem Berater. ,,Damian...Wie konnte das nur passieren?!"

,,Keine Ahnung! Ein Pfeil hat ihn getroffen, als er mir gerade sagen wollte was mit Eileen geschehen ist." Lydia stieg die Röte in das blasse Gesicht.

,,Dann suchen Sie schnell einen der anderen Heiler auf. Sie werden sich sicherlich gegenseitig informiert haben!"

,,Das werde ich!" Lydia stürmte, während sie sprach zurück in das riesige Gebäude die Treppen hinauf bis in das Krankenzimmer. Mit zitternden Händen öffnete sie die Tür und war überrascht, was sie nun sah. ,,König Asimi? Wie können Sie vor mir hier sein und wo sind meine Heiler?" Sie sah sich verwundert um. Der Vorfall hatte sie so sehr abgelenkt, dass sie dem König keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt hatte. Womöglich war er seit ein paar Minuten im Raum der Heiler.

,,Ihre Heiler sind gerade hinaus, um Sie zu suchen. Ich wollte beiden eigentlich nur etwas unter die Arme greifen, aber offenbar hatten sie meine Hilfe nicht nötig."

,,Sie wollten meinen Heilern helfen? Ach das tut jetzt nichts zu Sache", die Königin sammelte sich. ,,Moment, Asimi, Sie lügen mich dreist an! Wenn meine Heiler gerade runter wären, wäre ich ihnen entgegengekommen." Sie stemmte die Arme in die Hüften.

,,Ich und lügen? Nein, nein, nein. Ich sage stets die Wahrheit. Ihr Schloss ist riesig, nein, gigantisch da kann man sich schon mal verpassen."

,,Haben die beiden Ihnen etwas gesagt?", hakte Lydia nach.

,,Gar nichts. Ihre letzten Worte waren, dass sie dringend nach ihrer Königin suchen müssen." Asimi setzte erneut an diesem Tag sein unschuldiges Gesicht auf. Jetzt blieb sein Blick auf ihrer Hand heften. ,,Sagen Sie mal, Lydia, haben Sie sich verletzt?" Er nahm ihre verletzte Hand und betrachtete diese eingehend.

,,Nein. Ja...Das ist allerdings nicht weiter schlimm, wirklich. Keine Sorge...Ich muss jetzt meine Heiler finden." Eifrig befreite sie ihre Hand und eilte aus dem Zimmer.

 

Nie war sie an einem Tag so viel gerannt und so sehr in Sorge um ihr Dorf und die Mitarbeiter. Insgeheim hoffte sie, dass sie träumte. Auch diese Hoffnung platzte, als die Ritter Xander und Ecklard vor ihr erschienen. ,,Halt! Ihr kommt mit uns. Befehl des Königs!" Die beiden türmten sich vor ihr auf und blockierten ihren Ausgang.

,,Sie können mich nicht in meinem eigenen Schloss zu etwas zwingen!", entfuhr es ihr.

,,Können wir doch", entgegnete Xander knurrend. Seine Stimme gefiel ihr überhaupt nicht, da sie so angsteinflößend wirkte. ,,Mitkommen jetzt." Die Ritter ergriffen die Königin und zerrten diese mit in den Thronsaal.

Dort angekommen wartete bereits Asimi auf die Ankömmlinge. Wieder konnte sich Lydia nicht erklären, was der König hier eigentlich für ein Spiel spielte. War er nicht vorhin noch im Krankenzimmer? Vermutlich hatte sie sich den Kopf an einem der Fässer gestoßen und hallizinierte.

,,Lydia, was soll ich sagen. Sie haben eine Verletzung von der keiner weiß, woher sie stammt und nun haben wir einen weiteren Toten- Das könnte ein schlechtes Licht auf Sie werfen", erklärte Asimi mit strengem Unterton.

,,Was denn für ein Licht? Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich meine eigenen Leute umbringe?! Was für eine Unverschämtheit!"

,,Das ist doch wohl offensichtlich", widersprach der König zuversichtlich.

,,Was offensichtlich ist, ist, dass Sie mir eine falsche Schuld unter die Krone schieben wollen, um von sich selbst abzulenken! Sie sind der Mörder meiner Arbeiter", fauchte die Königin zornig.

,,Wachen, ergreift diese Mörderin!", befahl Asimi tonlos. Augenblicklich schnappte eine berüstete Hand von links und eine von rechts nach den Armen der Königin.

,,Sie sind der Mörder! Lassen Sie mich sofort in Frieden!" Die Wachen zerrten die zappelnde Lydia weg vom König.

,,Ihr Heiler Damian wird davon auch nicht wieder lebendig, genauso wenig wie Eileen", stellte Asimi klar.

,,Woher wissen Sie von Damian?! Vorhin haben Sie oben in den Heilräumen nichts davon gesagt!", wehrte sich Lydia weiter gegen die Vorwürfe und die Ritter. Es passte kein Puzzleteil mehr zum anderen. Ihr Kopf dröhnte vor lauter Gedanken.

,,Unsinn, natürlich wusste ich es da bereits. Vielleicht steht Ihr unter Einfluss einer Droge?" Der König schwang sein grünes Gewandt zurück und setzte sich mit finsterer Miene auf den Thron, welcher ihm nicht gehörte. ,,Wachen, führt die Dame bitte in ihr Gemach. Dort kann sie in Ruhe ihre Strafe absitzen bis wir weitere Details ihrer Mordserie rausfinden konnten."

,,Welche Strafe?! Runter von meinem Thron, sofort! Ich bin keine Mörderin! Wo ist mein Berater Ydro? Ich habe ein Recht darauf mit ihm zu reden!", schrie Lydia durch den Thronsaal.

,,Ach richtig, Ihren Berater haben wir in den Kerker geworfen oder sollte ich besser Komplize sagen? Ihr Dorf wird mir dankbar sein, dass ich sie vor Euch gerettet habe." Er wedelte mit der linken Hand in Richtung Ausgang. ,,Schafft sie mir aus den Augen."

Die Königsgarde kam seinem Befehl nach. Völlig machtlos wurde Lydia den ganzen Weg in ihr Zimmer gezerrt, von Rittern, die zwei Köpfe größer waren als sie. Dort angekommen öffnete Ecklard die Tür, stieß sie hinein und donnerte diese dann geräuschvoll zu. Mit Sicherheit hallten die Geräusche im ganzen Schloss.

Die Königin stolperte und landete rückwärts auf ihrem Teppich. So schnell wie möglich sprang sie wieder auf die Füße, rannte zur Tür und hämmerte dagegen. ,,Lasst mich raus!" Niemand reagierte. ,,Lasst mich raus! Asimi!" Tränen liefen ihr über das Gesicht. Unkontrolliert hämmerte sie weiter und blendete die Schmerzen in den Händen aus. ,,Ihr habt die Falsche eingesperrt!"

Unerwartet öffnete sich die Tür wieder und Xander trat mit erhobenem Schwert ein. Sofort wich die erschrockene Lydia einige Schritte zurück. ,,Krone her, Mylady."

,,Ich denke gar nicht daran!", erwiderte Lydia, holte aus und schlug den Ritter mitten ins Gesicht.

,,Autsch! Arg...Ecklard, halt sie auf!", fluchte er. Leider war der zweite Ritter auch noch im Flur und empfing Lydia mit offenen Armen. ,,Wohin wollt Ihr? Ihr glaubt nicht wirklich hier einfach so rausspazieren zu können?", sagte er belustigt.

,,Loslassen!"

,,Die nehme dann ich", meinte Xander und nahm der Königin die Krone vom Kopf.

,,Gebt mir meine Krone wieder...Was ist mit meinen Heilern? Was führt Asimi im Schilde?" Ohne Zusammenhang stellte sie eine Frage nach der anderen, ohne eine Antwort zu erhalten.

,,Die brauchen Sie nicht mehr kümmern. Sie sind jetzt an einem besseren Ort." Die beiden trugen Lydia wieder in ihr Gemach und verriegelten die Tür hinter ihr. ,,Jetzt hat es sich wohl ausregiert", meinte Ecklard fies grinsend und präsentierte seine grauenhafte Lache.

Lydia warf sich verzweifelt auf ihr Himmelbett, nahm die Kissen herunter und warf allesamt gegen die Tür. Natürlich trafen sie auf diese Weise keinen und taten auch niemandem weh, doch sie wollte dass sie den Rittern Schmerzen zufügten. Ihnen und dem falschen König Asimi.

7. Vertrauen

 Der folgende Morgen brachte Lydia nicht mehr Freude als der vorherige. Wie eine Gefangene saß sie in ihrem Gemach und konnte nur zusehen, wie alles den Bach runter ging. Mit ihrem Ärmel wischte sie sich über die tränendurchnässten, grünen Augen und wusste nichts mehr mit sich anzufangen. War das nun ihre Zukunft? Eingesperrt im eigenen Zimmer, ein verlorenes Volk, welches dem König Glauben schenken mochte - obwohl, das konnte sie von hier aus nicht beurteilen. Symon wusste genau, dass die Königin gestern im Dorf war. Auch David wusste es. Beide würden sich in Gefahr bringen, würden sie es den Rittern sagen. Vor allem Symon, denn er täuschte vor, seine Katze zu jagen. Lydia fragte sich zudem was aus Ydro wurde. Asimi hatte ihn wohl in den Kerker gesperrt, wie er selbst sagte. Ihr Blick ruhte jetzt auf den Kissen, die überall auf dem Boden verstreut lagen. Wieder wurde sie traurig, dachte an die letzten Stunden und begann bitterlich zu weinen. Erneut trocknete sie ihre Augen mit den Ärmeln und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Von hier aus gab es keinen Ausweg. Ihr Gemach lag mehrere Meter weit oben in einem der höheren Stockwerke. Aus dem Fenster könnte sie nur den Abhang sehen und das nicht einmal in Richtung des Dorfes. Geknickt rutschte Lydia von dem Himmelbett und ging zu den Fenstern. Vorsichtig öffnete sie eines davon. Innerhalb weniger Sekunden breitete sich die Kälte in dem Zimmer aus. Mit gesenktem Blick holte sie sich eine Decke von ihrem Bett, nahm wieder darauf Platz und wickelte sich in dieser ein, während ihre Gedanken sie weit weg trugen.


Ein Knacken riss die Königin wenige Minuten später aus ihren Gedanken. ,,Bitte nicht die Wachen", dachte sie insgeheim. Es waren nicht die Ritter. Nichts an der Tür regte sich. Irritiert wandte sie ihr Gesicht wieder dem Fenster zu und musste nun einen Schrei unterdrücken. Dort schloss sich gerade eine Hand um das innere Fenstersims. Kurz darauf noch eine zweite.

,,H-Hallo?", flüsterte Lydia ängstlich.

In dieser Sekunde zog sich eine ganze Gestalt hinauf, kniete nun kurz auf der Fensterbank und starrte direkt in die Augen der Königin.

,,Wer seid ihr?!", schrie Lydia schon etwas lauter. ,,Ich kann auch ohne Schwert kämpfen! Ich habe Sie gewarnt..."

,,Psst! Nicht so laut!" Der junge Mann landete mit einem Satz direkt auf Lydias Fußboden und bedeutete ihr leise zu sein.

Die Königin musterte den überraschenden Besuch. Er hatte schulterlanges, schwarzes Haar, trug Fransenkleidung und dunkelbraune Stiefel. Um seinen Kopf hatte er ein dunkelblaues Tuch gebunden, an dem eine Feder befestigt war. Das Wichtigste an ihm fiel ihr erst jetzt auf. Der junge Mann hatte eine rötlich-braune Hautfarbe.

,,Wie kommt Ihr hier rauf?", brachte Lydia hervor.

,,Durch die Hilfe der Tannen vor Ihrem Fenster. Ihr seht verängstigt aus...Ach ich habe mich auch noch gar nicht vorgestellt." Er winkelte den rechten Arm vor sich an, streckte zwei Finger in Himmelsrichtung Westen und sprach: ,,Mich nennt man Valkan, aber im Stamm heiße ich nur Sanfte Feder."

,,Ihr seid ein...ein Indianer?"

,,Hao", antwortete er und streckte den Arm erneut aus.

,,Das ist ja Wahnsinn!"

,,Psst", mahnte Valkan wieder. ,,Ich bin weit her gekommen, um dem König das Handwerk zu legen. Seine Spur führte in dieses Schloss."

,,Etwa ganz alleine?", entfuhr es ihr.

,,Nein. Einige Krieger des Stammes sind mir gefolgt. Wir ritten weit durch die Länder von Leydra bis Plandra und nun sogar bis nach Nokard. Ich nahm nicht an hier jemanden zu treffen. Ich sollte jediglich nach Waffen für den Stamm suchen." Der Indianer drehte den Kopf von links nach rechts. ,,Was ist das hier für ein Raum?"

,,Mein Schlafgemach. Ich wurde hier allerdings eingesperrt...Kaum zu glauben, dass Sie wirklich hier sind. Sie sind vielleicht meine Rettung." Lydia warf die Decke zurück auf das Bett. Sie stellte den Grund zurück weshalb der Indianer wirklich hier war.

,,Ihr wurdet eingesperrt? Von wem?"

,,Asimis Wachen. Das er sich das überhaupt traut in meinem eigenen Schloss", antwortete die Königin.

Valkan sah sie aus seinen braunen Augen an. ,,Ihr seid eine Königin? Die Königin von...Nokard?" Er machte keine Anstalt sich zu verbeugen, wurde aber auch nicht unfreundlich jetzt wo er wusste wen er vor sich hatte. Stattdessen blieb sein Gesicht ernst.

Lydia wusste, dass die Indianer keine Königinnen verhehrten und auch nichts von ihnen hielten. Dennoch war sie unsicher und fragte: ,,Ihr werdet mir nichts tun, oder?"

Er schüttelte den Kopf. ,,Valkan wird Ihnen nichts tun. Sie wurden vom König eingesperrt, den die Krieger meines Stammes schon lange verfolgen." Mit einem Mal klang seine Stimme beinahe besorgt. ,,Hat er Ihnen etwas getan?"

,,Asimi hat mir die Krone nehmen lassen, meinen Berater eingesperrt und mehr Unglück als Glück über mein Dorf gebracht." Lydia sah überrascht auf die Hand des Indianers, die sich nach ihr ausstreckte. Zögernd nahm sie diese in ihre blasse, kalte Hand. Valkan schien gar nicht zu frieren.

,,Dieser Bandit! Genau das hat er bereits in anderen Ländern getan. Immer bevor wir ihn angreifen konnten, war er spurlos verschwunden. Einer der Krieger spürte seine Fährte erst nach Tagen auf, daher hingen wir tagelang hinterher. Der König hatte immer einen Vorsprung." Er blickte in ihre Augen. ,,Kann ich euch vertrauen, dass Ihr uns nicht an den König verratet?"

Lydia nickte. ,,Wie könnte ich das tun? Er hat mir so viel genommen...", sagte sie erneut.

,,Was hat er der Königin von Nokard noch entrissen?", fragte Valkan ernst.

,,Einige Menschenleben und den Frieden des Landes." Sie blickte erneut aus dem Fenster, spürte aber noch den Blick des Indianers auf sich ruhen.

,,Zerstörter Frieden? Das hat er auch in Leydra geschafft. Er tötete unseren Häuptling, Starker Bär und wir mussten uns alle in Sicherheit bringen. Kein einfaches Vorhaben in einem Zeltdorf."

,,Wie habt Ihr den Weg nach Nokard überlebt? Ich hörte viele Geschichten, die selten Lebende beinhalteten, als sie eine Reise dieser Länge antraten."

Valkan umschloss nun mit seinen beiden Händen die ihre. ,,Wir Layandra sind ein tapferer Stamm. Wenn wir uns ein Ziel gesetzt haben schaffen wir es auch. Die Pferde und wir konnten zwischendurch Rast halten, während der König seine Pläne ausführte."

,,Das klingt dennoch anstrengend."

Er nickte bestätigend. ,,Lange habe ich versucht herauszufinden wie Asimi vorgeht, habe allerdings nicht sehr gute Arbeit leisten können. Er verbarg sich oft in einem Palast oder in einer Burg. Gegen seine Männer kommen wir nicht an. Uns fehlen die Waffen", erklärte er.

,,Deswegen wolltet Ihr hier welche suchen." Lydia verstand nun, weshalb Valkan so auf die Waffen aus war.

,,Durch das Eingangstor wäre Valkan zu sehr aufgefallen. Ein offenes Fenster war der einzige Weg. Es ist nirgendwo sicher in einem Schloss. Einst wurde ein Layandra in Plandra ermordet, als er unauffällig durch den Eingang schleichen wollte. Der Pfeil traf ihn aus dem Nichts." Bedrückt sah er zu Boden, wo er immer noch kniete.

,,Ein Pfeil? Mein Heiler Damian wurde auch von einem Pfeil getroffen. Er starb vor meinen Augen, als er mir etwas Wichtiges sagen wollte. Graunehaft." Schaudernd erinnerte sie sich daran zurück.

Der Indianer sprang elegant auf, legte die Decke um Lydia und sagte: ,,Dann haben wir ja bereits einen Teil seiner Strategie herausgefunden. Alle, die etwas wissen, werden von Pfeilen erschossen. Wenn sich die Layandra Waffen besorgen wollen, können sie nicht vorsichtig genug sein."

,,Das ist Wahnsinn! Ihr könnt hier nicht bleiben und nach Waffen suchen. Wie wollt Ihr gegen Pfeile aus dem Nichts kämpfen?" Sie zog die Decke wieder enger um sich.

,,Darauf hat Valkan jetzt noch keine Antwort. Er weiß nur, dass er sie sehr bald hier raus befreien wird. Das ist ein Versprechen." Wieder winkelte er einen Arm vor sich an und sah irgendwo in den Raum, als würde er einen Schwur leisten.

Das beruhigte Lydia ein wenig. Sie war nicht mit den Bräuchen der Layandra vertraut, doch sie waren derzeit ihre einzige Hoffnung. ,,Vielen Dank, aber wird das nicht sehr gefährlich? Ihr könnt nicht durch den Eingang reinspazieren und die Wachen umlegen. Der König wird sofort davon erfahren. Nicht dass euch ähnliches wiederfährt, wie eurem Krieger."

Valkan ging zurück zum Fenster, schwang sich auf die Fensterbank und meinte abschließend: ,,Ich werde mir etwas einfallen lassen. Solange müsst Ihr Euch gedulden und hier warten. Wir sehen uns wieder." Somit verschwand er aus ihrem Blickfeld. Aus Angst er sei die Mauern hinuntergestürzt, lief Lydia zum Fenster und sah hinaus. Hinabfallender Schnee von der Tanne dicht vor ihrem Fenster wies sie darauf hin, dass er ein einmaliger Kletterer war. Seufzend schloss die Königin das Fenster wieder und versuchte die Zeit abzusitzen. Allmählich bekam sie Hunger und hoffte daher, dass Asimi ihr wenigstens nicht auch noch das Essen nahm.

8. Neumond

 Die Tür wurde geöffnet, kaum dass sie den Gedanken zu Ende gedacht hatte.

,,Das Essen, Mylady", knurrte Xander unfreundlich und donnerte das Tablett auf den Teppich.

,,Wenigstens habt Ihr die Höflichkeit noch nicht vollständig verloren, ansonsten würdet Ihr mich nicht Mylady nennen." Leicht schadenfroh lächelte die Königin vor sich hin ohne den Ritter anzusehen.

,,Amüsiert Ihr Euch etwa über mich?" Xander griff nach ihrem Hals und blickte ihr grimmig in die Augen. Wieder kroch die Angst in ihr hoch.

,,Selbst wenn, Ihr habt es nicht anders verdient. Bald schon werdet ihr alle aus diesem Schloss verschwinden", entgegnete Lydia und zog an den starken Handgelenken des Ritters.

Noch einen Augenblick verharrte er in dieser Position ohne sich abwimmeln zu lassen. ,,Das glaube ich kaum. Diejenigen, die am Ende verschwunden sein werden, werdet Ihr sein." Achtlos gab er sie wieder frei. ,,Angenehmen Tag noch", sagte er lachend und knallte erneut die Tür hinter sich zu.

Lydia sammelte das verstreute Essen von dem Boden auf und legte es unordentlich auf den kleinen Teller. Über die Mahlzeit war sie froh, auch wenn der Ritter ihr versuchte diese zu ruinieren, indem er alles auf die Erde warf. Die Königin stellte das Tablett auf den kleinen Tisch zwischen den Sesseln, nahm auf einem davon Platz und aß. Dabei dachte sie die ganze Zeit daran, was aus Panna, Fred und den Küchenarbeitern wurde. Das Essen schien außnahmslos von ihren Arbeitern zu stammen, das schmeckte sie sofort heraus. Vielleicht ging es zumindest ihnen gut. So verbrachte die Königin den ganzen Tag auf ihrem Sessel mit dem blauen Polster und versuchte an etwas Schönes zu denken, wie sie es einst gekonnt hatte. Unter diesen Umständen fiel ihr das allerdings sehr schwer, weshalb sie sich einfach wieder schlafen legte und die Ereignisse passieren lassen musste.

 

 

Die Tage zogen an ihr vorbei ohne dass sie etwas von dem König, ihren Abreitern oder dem Indianer hörte. Allmählich machte sich Lydia Sorgen, dass sie vergessen wurde. Von zwei Menschen hätte sie sich das gewünscht und zwar von Xander und Ecklard, die täglich das Essen reinwarfen und ihr drohten. Lydia fragte stets nach dem Dorf, doch wie so oft antwortete ihr keiner.

Nun wartete sie wieder auf ihre Mahlzeit, die täglich um dieselbe Uhrzeit kam. Erwartungsvoll betrachtete sie die Türklinke und hielt bereits ihre Haarbürste in der Hand. Nachdem Ecklard sie gestern beinahe aufgespießt hätte, wollte sie ihm heute mit irgendetwas wehtun oder sich zumindest zur Wehr setzen. Die Zeit verstrich. Lydia hörte Schritte, sah wie jemand die Türklinke runterdrückte und machte sich bereit für einen Angriff. Sie kam sich ziemlich lächerlich vor einen Ritter mit einer Haarbürste anzugreifen, jedoch war dies neben den Kissen ihre einzige Waffe.

,,Das Essen", donnerte Xander erneut. Sie wechselten sich ständig ab und kamen mit gezogenen Schwertern, als könnte Lydia ihnen gefährlich werden. Beim Anblick der Königin musste der Ritter lachen. ,,Sie wollen mich doch nicht etwa damit umbringen, oder?" Er lehnte sich aus dem Türrahmen. ,,Hey Ecklard, schau mal her. Die Kleine hier will mich mit der Haarbrüste töten."

Noch bevor Ecklard das Gemach betrat, holte Lydia zornig aus und warf die Bürste auf Xander. Diese prallte klirrend an seiner Rüstung ab, schien aber ein Schallen im Helm zu verursachen. Er griff sich an den Kopf und wankte ein wenig hin und her. ,,Das werden Sie noch bereuen!", fauchte Ecklard und zerrte Xander aus dem Zimmer. Wieder knallte die Tür zu. Diesmal musste sich Lydia dennoch ein Lachen verkneifen, da sie einen Volltreffer erzielte. Sie würde es wieder tun sollte sie jemand aufspießen wollen.

 

 

Noch am selben Abend rieselte der Schnee wieder vom Himmel. Lydia wollte gerade wieder ihr Fenster schließen, welches sie täglich öffnete für den Fall Valkan würde zurückkehren, da erschien er tatsächlich wieder auf ihrer Fensterbank.

,,Verzeiht, dass Ihr so lange nichts mehr von mir gehört habt", sagte er mit seiner sanften Stimme und sprang in ihr Gemach.

,,Ich war krank vor Sorge, Valkan." Die Königin rieb sich unbewusst die verletzte Hand von neulich.

,,Euch ist auch nichts passiert?", erkundigte sich der Indianer.

Die Königin schüttelte den Kopf. ,,Nichts, obwohl die Ritter mich nur zu gerne aufspießen würden."

Er nahm ihre Hände. ,,Was ist mit dieser Hand?"

,,Die Verletzung habe ich schon lange. Meine eigene Schuld und nicht weiter schlimm", versicherte sie. Selbst wenn sie Valkan kaum kannte vertraute sie ihm bereits seit dem ersten Besuch. Er hatte irgendetwas Gutes an sich.

,,Könnt ihr klettern?"

,,Klettern? Das ist nicht Euer Ernst...Das ist komplett verrückt", flüsterte sie erschrocken. Keine zehn Pferde würden sie aus dem Fenster steigen lassen. Da könnte sie auch gleich die Tür nehmen und diese Weise des sterbens bevorzugen.

,,Valkan macht keine Scherze", meinte der Indianer ernst. ,,Mein Stamm rastet hier in der Nähe und wir haben nur diese eine Nacht, um Sie hier raus zu befreien."

,,Was meinen Sie damit, nur diese eine Nacht?"

,,Dies ist die finsterste Nacht des Monats. In dieser ist der Mond am kleinsten und wir können nicht so leicht von den Wachen gesehen werden. Auch von Pfeilen getroffen zu werden ist unwahrscheinlicher. Wir Layandra sind gut darin im Dunklen unterwegs zu sein. Ihr könnt doch auch reiten, oder?" Erwartungsvoll sah er sie an.

,,Ja das kann ich...Der Rettungsversuch scheitert nur schon beim Klettern."

Valkan ließ eine ihrer Hände los und führte sie an der anderen zum Fenster. ,,Ich werde Ihnen helfen...wie ist Ihr Name eigentlich?"

,,Lydia Fuego. Viele nennen mich aber nur Lydia", antwortete sie.

,,Gut, Lydia. Ich werde Ihnen behilflich sein. Zunächst klettere ich auf die Tanne, dann werden Sie sich auf die Fensterbank setzen und Ihre Arme ausstrecken. Danach werde ich Sie von der besagten Fensterbank holen. Kurzzeitig habt Ihr das Gefühl ein Stück zu fallen, aber ich werde Euch nicht abstürzen lassen. Zum Schluss steigen wir den restlichen Baumstamm hinab. Soweit klar?" Er schien es Ernst zu meinen.

Bevor sie hier vereinsamte ging sie lieber mit ihm. ,,Sagt mir, dass ich meinen Verstand verloren habe, mich auf solch einen Plan einzulassen", flüsterte Lydia ängstlich.

,,Dafür ist später Zeit. Kommt." Schon sprang er an die Tanne und wartete auf die Köngin.

Zögernd hob Lydia ihr Kleid, um leichter ein Bein über das Fenstersims zu schwingen. Als sie dies schaffte, zog sie das andere Bein nach. Nun hatte sie freie Sicht in die Tiefe. Einen Augenblick lang wurde ihr schwindelig von dem Anblick.

,,Ihr müsst meine Hände nehmen!", erinnerte Valkan jetzt.

,,Leichter gesagt, als getan...Wie haltet Ihr Euch denn dann fest?!", wunderte sie sich.

,,Die Nokarderin sollte weniger fragen, sondern mehr handeln."

Lydia sah, dass er ihr die Arme entgegenstreckte und rutschte noch ein Stück vor, bis sie direkt am Rande der Fensterbank saß. Auch sie streckte nun beide Arme aus, stieß sich mit den Schuhen von der Schlossmauer ab und fiel. Schon in der nächsten Sekunde spürte sie, dass der Indianer sie wirklich gefangen hatte und dieser nun kopfüber an der Tanne hing. Lydia selbst stand etwas unsicher auf einem der dicken Äste, während sie sich noch immer an ihm festhielt.

,,Haltet Euch nun an dem Baumstamm fest. Valkan kommt sofort zur Hilfe." Mit diesen Worten ließ sie die Hände des Indianers los. Dieser machte einen Salto an der Tanne entlang hinab und landete einen Ast unter ihr. Die Königin klammerte sich weiterhin am Baumstamm fest. Diesen wollte sie gar nicht mehr loslassen.

,,Gut, was jetzt?", fragte Lydia. Plötzlich bemerkte sie, dass jemand ihre Hüften umschlung.

,,Einfach loslassen", hörte sie den Indiander sagen. ,,Ich kann Sie den Rest tragen." Gesagt, getan.

Lydia kam sich vor, wie ein Mehlsack beim Transport so wie sie über Valkan hing. An einigen Stellen rutschte er etwas von der Rinde ab, dennoch schaffte er es wirklich sie auf diese Weise hinunterzutragen. Heilfroh kamen beide unten an.

,,Ihr habt es wirklich geschafft!" Lydia fielen etliche Steine vom Herzen als sie in die Luft zu ihren Fenstern hinaufsah.

,,Valkan hält sein Versprechen", meinte der Indianer und deutete in die Tannenreihen hinein. ,,Die Pferde warten wenige Meter von hier entfernt. Sobald wir sie erreicht haben, reiten Sie immer mir nach. Keinesfalls anhalten...das wäre zu gefährlich."

Lydia nickte und verstand. ,,Wir können los."

So rannten sie durch die Tannen, durch den Schnee und hofften unentdeckt zu bleiben.

9. Die Garde des Königs

 Die beiden Ritter bemerkten die Flucht der Königin erst am folgenden Morgen. ,,Ecklard, die Kleine ist weg!"

,,Das sollte uns doch auf keinen Fall passieren! Na fabehlaft und wer sagt es jetzt Asimi?"

,,Wir beide, komm", zerrte er ihn mit sich.

Sehr zornig war dementsprechend auch der König, als er davon erfuhr. ,,Was soll das bedeuten, verschwunden?!", donnerte die Stimme Asimis durch den Thronsaal.

,,Die Königin ist uns abhanden gekommen", stammelte der sonst so grimmige Xander.

,,Ihr meint mir also sagen zu müssen, dass ihr eine unfähige Königin nicht einmal in ihrem eigenen Zimmer im vierten Stockwerk einsperren könnt?" Der König legte sich eine Hand an die Stirn und rutschte ein wenig im Thron hinab. ,,Ihr raubt mir den letzten Nerv."

,,Euer Majestät, wir..."

,,Was wir...ihr? Wie konnte sie entkommen?!", fauchte er wütend und drückte die Armlehnen des Throns so feste, dass seine Finger rot anliefen.

Seine beiden Wachen zuckten mit den Schultern, während sie einen Blick wechselten.

,,Wenn ihr schon nicht wisst wie sie entkommen ist, dann sucht sie gefälligst! Das Letzte was ich jetzt brauche ist eine Person die meine Pläne durchkreuzt.

Xander und Ecklard verbeugten sich. ,,Sofort, Euer Majestät."

,,Nehmt euch Verstärkung! Sieben Ritter sind unten im Dorf und halten dort die Stellung. Sie werden euch bei der Suche behilflich sein müssen", ergänzte Asimi, als die beiden Wachen auf dem Weg nach Draußen waren. Er ging zu einem der Fenster und sah hinaus. ,,Letzte Nacht hat es auch noch geschneit...Ihre Spuren könnten verschwunden sein. Hinterhältig dieses Mädchen. Ich muss sofort das Dorf auf meine Seite ziehen. Keinen Tag länger darf ich mehr warten." Er wandte sich an seinen Berater, der die ganze Zeit über stillschweigend in einer Ecke gewartet hatte. ,,Quirin, bereiten Sie alles für eine große Versammlung vor."

,,Jawohl, Majestät", antwortete sein Berater und zog sich ebenfalls zurück.

,,Ihr drei bleibt bei mir...Irgendwer muss mich hier oben beschützen", sagte er den drei übrigen Rittern. ,,Ach und schafft mir die Königsgarde von Nokard aus den Augen. Die schleichen mir seit Wochen auf den Fersen herum."

 

 

Es dauerte nur wenige Stunden, da hatte sich das ganze Volk von Nokard im Schlossgarten versammelt, wie es der König anordnete. Einige wehrten und weigerten sich der Versammlung beizutreten. Sie wollten ihre Königin sehen, nicht den fremden König von Isarek.

Asimi stellte sich auf eine Erhöhung, die Quirin ihm brachte. ,,Ruhe! Ich habe euch allen etwas mitzuteilen! Ruhe!", brüllte er, während er mit seinen Händen wedelte.

Die Dorfbewohner sahen ihn abschätzend an. Es schienen sich wohl wieder Geschichten herumgesprochen zu haben, von denen der König nichts wusste.

,,Wo ist Lydia?", rief Symon aus der Menge. Er stand neben David, seiner Frau und dessen Tochter.

,,Genau darüber wollte ich mit euch reden. Wie es aussieht ist eure Königin eine Verräterin. Ich habe herausgefunden, dass sie selbst für jeden einzelnen Mord im Schloss verantwortlich ist."

Unruhe breitete sich aus.

,,Das kann nicht sein! Lydia würde soetwas niemals tun!", schrie eine Frau aus der Menge.

,,Ihr könnt mir später in Ruhe danken. Ich habe sogar ihren Komplizen erwischt und eingesperrt." Er wandte sich mit einem siegreichen Grinsen an seine Wachen. ,,Holt diesen Verräter zu mir nach vorne, damit ich den armen Leuten zeigen kann was mit Verrätern passiert."

Die Ritter entfernten sich und schleppten Ydro, den sie für diesen Anlass aus dem Kerker geholt hatten, zum König. ,,Das ist er, merkt es euch! Ihr dürft ihm nicht vertrauen! Ab sofort habe ich hier nun das sagen. Das seid ihr mir schuldig."

Die Dorfbewohner sogen schockiert den Atem ein.

,,Jetzt ist es aber genug der Märchen, Asimi!" Symon trat vor und wurde vom König in Augenschein genommen.

,,Was hat das nun wieder zu bedeuten?", fragte dieser grimmig.

,,Lydia hat niemanden umgebracht. Eileen war ihre beste Arbeiterin und treueste Freundin. Königin Lydia mag alle ihrer Arbeiter. Sie hat ein großes Herz!"

Asimi grinste dennoch vor sich hin. ,,Ach und aus diesem Grund habe ich sie mit einer Wunde an der Hand erwischt, nachdem sie ihren Heiler Damon tötete?"

,,Er hieß Damian, Majestät", verbesserte Quirin.

,,Von mir aus Damian. Fakt ist er ist tot wegen ihr!"

Nun hielt Symon nichts mehr im Gedränge der Dorfbewohner. ,,Lüge! Ich selbst kann bezeugen wie Lydia zu dieser Verletzung kam!"

,,Wie meinst du das, Junge?", hakte Asimi erstaunt nach.

,,Lydia war im Dorf, um mir einen Besuch abzustatten. Auch bei den anderen wollte sie vorbeischauen. Sie wollte sehen, ob es uns gut geht und ob Eure Wachen uns in Frieden lassen. Dabei wurde sie nur leider von Euren Wachen überrascht und stürzte. Ich selbst habe vorgetäuscht eine Katze zu suchen."

Der König hatte ihm aufmerksam zugehört. ,,Du gibst also vor versammelter Mannschaft zu, dass du meine Garde angelogen hast?"

Symon wurde blass. ,,Selbst wenn, ich tat es bloß um die Königin zu beschützen. Ihr seid kein rechter König", erwiderte er trocken.

,,Interessant, sprich ruhig weiter. Noch irgendetwas zum bereuen oder soll ich dich gleich umbringen?"

Nun stellte sich David schützend vor seinen Freund. ,,Halt! Ich kann es auch bezeugen!"

,,Das wird ja immer besser", seufzte Asimi genervt. ,,Wie lautet deine Version?"

,,Lydia war zuvor bei mir gewesen. Es stimmt, dass sie sich nach unserem Rechten erkundigte. Allerdings gibt es da noch etwas anderes, was sie wissen wollte", begann David.

,,Und das wäre?"

,,Sag es ihm nicht, Liebling", meldete sich seine Frau besorgt zu Wort.

Er legte einen Arm um sie. ,,Doch, Amarla. Lydia suchte den Mörder ihrer Zofe und einen Unbekannten, der im Dorf gewisse Dinge erzählen soll."

Asimi wurde hellhörig. ,,Dinge? Was denn für Dinge?"

,,Geschichten...Geschichten über Ihre Art und Weise zu Herrschen", beendete er seinen Teil der Diskussion.

,,Was sind das denn so für Geschichten?", fragte der König räuspernd.

,,Das wissen Sie genau und daher bringen Sie auch alle um, die von diesen Geschichten gehört haben. Gebt zu, dass Ihr die Heiler und Eileen getötet habt und die Götter werden Eure Strafe mild ausfallen lassen."

Der König lachte schallend. ,,Unsinn, alles Unsinn! Wie ulkig, dass du als Dorfbewohner mir sagen willst was ich getan haben soll, nur weil ein Fremder das sagte...Moment mal, wenn ihr doch nun alle von den Geschichten gehört habt, würde ich euch doch alle sofort töten. Tue ich das?"

,,Noch nicht", ergänzte Symon.

,,Ich nehme an das hast du auch wieder irgendwo gehört?"

Symon grinste. ,,Und wie ich das habe. Nicht von dem Fremden, sondern von Eurer Königsgarde selbst!"

Asimi klappte beinahe die Kinnlade runter. Dazu viel ihm momentan gar nichts mehr ein. ,,Meine...Meine Königsgarde?!"

,,Oh ja. Ihre Lieblingsritter Xander und Ecklard!" Er stemmte die Hände in die Hüften und wartete die Reaktion des Königs ab.

,,Das ist ein Scherz! Wieso sollte ich dir glauben?"

,,Wieso sollten wir Euch glauben?", entgegnete das Dorf im Chor.

Das war zu viel für den König. Er musste sich Respekt verschaffen, den er binnen Sekunden verloren hatte. Aufgebracht ließ er seinen Blick schweifen. Dieser blieb auf einer Person heften. Sein Gesicht wurde ernst, bevor er brummte: ,,Tötet diesen Ydro!"

Die drei Ritter in der silbernen Rüstung gehorchten, während die Dorfbewohner aufschrien, sich abwandten und Eltern ihren Kindern die Augen zuhielten.

Wutentbrannt jagte Asimi seine übrigen Ritter über den verschneiten Rasen ins Schloss zurück. ,,Sucht diese Verräter von Königsgarde! Ich hoffe bloß für euch, dass ihr drei mir wenigstens nichts Schlechtes hinter dem Rücken wollt sonst endet ihr wie dieser Nokarder", mahnte er.

Die drei Ritter seiner Garde eilten durch den Schnee zu ihren Pferden und machten sich auf die Suche.

 

 

Zurück blieb ein verstörtes Dorf. Unsicher sahen die Ersten wieder auf den leeren Fleck, wo der König bis eben seine Schreckensrede hielt. Sie sahen auch den toten Ydro im Schnee, knieten sich hin und schwiegen.

Zwei von ihnen flüsterten sich dennoch etwas zu. ,,Du kannst froh sein, dass der dich nicht getötet hat, Symon", sagte David entsetzt und fuhr sich durch das blonde Haar.

,,Dasselbe gilt auch für dich, mein Freund."

,,Liebling, Zoera muss hier weg. Sie ist nicht alt genug für sowas", erinnerte Davids Frau ihn.

,,Ich kümmere mich darum, Amarla. Kommt alle mit mir! Wir gehen zurück ins Dorf runter. Diesem König brauchen wir keine weitere Aufmerksamkeit schenken!" David ging mit gemischten Gefühlen seiner Familie voraus und alle folgten ihm. Sie mussten nun alle zusammenhalten, aber darin waren sie ohnehin unschlagbar.

10. Der Stamm der Layandra

 Lydia und Valkan ritten nach der Rettungsaktion gemeinsam mit den Kriegern seines Stammes zu ihrem Lager. Dies befand sich einige Stunden weit entfernt des Schlosses, damit die Wachen es nicht fanden. Was die Königin und die Indianer aber nicht wussten war, dass bereits mehrere Ritter von König Asimi auf der Suche nach ihnen waren.

Momentan hatte Lydia allerdings ganz andere Sorgen, da sie inmitten von Layandra Indianern stand und das im Zelt des Häuptlings höchst persönlich.

,,Das ist die Frau von denen du mir erzählt hast, Sanfte Feder?", fragte er und sah zwischen Lydia und Valkan hin und her.

,,So ist es. Sie wird Lydia genannt und ist die rechtmäßige Königin von Nokard."

Die Königin musterte noch immer den Häuptling vor sich. Er hatte wahrscheinlich das längste schwarze Haar von allen aus dem Stamm. Er trug sehr viel Federschmuck auf dem Kopf, unterschied sich aber ansonsten nicht von den Leuten seines Stammes. Auch sie trugen alle Fransenkleidung und farbige Kopftücher mit Federn. Besonders auffallend war, dass er recht jung zu sein schien, mindestens zwei Jahre älter als sie selbst.

,,Du weißt doch, was wir von Königinnen und Königen halten, Sanfte Feder! Der König von Isarek hat meinen Vater, euren Häuptling getötet, falls ihr das schon vergessen haben solltet." Die Stimme des Häuptlings wurde zorniger. Er schien nicht die Ruhe der anderen Indianer in sich zu tragen.

,,Sicher weiß ich das. Lydia ist nicht so wie Asimi, wenn Ihr das denkt, Starker Kojote", erwiderte Valkan prompt.

,,Wo sind denn die Beweise dafür?"

,,Bitte, Häuptling...Starker Kojote", begann Lydia. ,,Ich weiß auch, dass Ihr nicht gerade ein Freund von Regenten seid und ich bedauere Ihren Verlust, aber Asimi muss runter von meinem Thron."

,,Hört an, wie diese Frau spricht. Ihr Thron, ihr Königreich! Herrscher denken immer, dass ihnen alles gehört, nur weil sie in eine adelige Familie hineingeboren werden. Andere, niedere Personen werden niemals so ein Leben haben können wie Könige. Davon können sie immer bloß träumen."

,,Nicht jeder ist für den Thron geeignet. Asimi ist das beste Beispiel selbst wenn er nicht aus einer niedergestellten Familie kommt", entgegnete Lydia. ,,Außerdem worin unterscheidet sich ein Häuptling von einem König?" Sie ging langsam auf den Häuptling zu, der sie eindringlich ansah.

,,Was wollen Sie von mir, Frau?", brachte Starker Kojote hervor.

,,Ihr habt mich aus dem Schloss gerettet, was sollte ich von Euch wollen? Ich wusste bis vor einiger Zeit nicht einmal, dass Ihr mit dem Stamm in Nokard seid."

Der Häuptling verschränkte die Arme. ,,Meine Idee Sie zu retten war es nicht."

,,Es war meine Idee", meldete sich Valkan wieder zu Wort. ,,Nachdem ich wusste, dass Ihr in Eurem eigenen Schloss eingesperrt wurdet..."

,,Sei doch nicht so übertrieben freundlich zu ihr. Sie ist auch nur ein Mensch, Sanfte Feder! Außerdem herrscht sie nicht über uns", unterbrach der Häuptling ihn.

,,Ich weiß doch, Starker Kojote...Da ich sie aber nicht richtig kenne, sage ich eben nicht direkt "du" zu ihr."

,,Das reicht, ihr beiden müsst euch nicht wegen mir streiten. Hört mir bitte zu, ich danke euch vielmals für Eure Hilfe. Dafür möchte ich mich erkenntlich zeigen." Lydia legte die Hände ineinander und sah den Häuptling aufhorchen.

,,Wir sind nicht durch Gold bestechlich falls du das versuchst, Frau."

,,Kein Gold. Kein Ruhm. Ich hörte ihr braucht Waffen."

Überrascht sah der Häuptling zu Valkan. ,,Was hast du ihr noch alles erzählt, Sanfte Feder?"

Die Königin hob die Hände. ,,Nichts, bloß das. Ich bitte Sie, ich kann Sie und die Layandra hier nicht angreifen und dies will ich auch nicht tun. Meine Königsgarde ist im Schloss und das Dorf umgeben von Wachen eines geisteskranken Königs."

,,Geisteskrank ist er wahrhaftig dieser Asimi. Wir versuchen schon lange seine Strategie herasuzufinden und auch den Grund, wieso er so viele Königreiche an sich reißen will. Besonders unseren Boden, wo wir doch in Leydra keine Könige haben."

,,Er wollte euer gutes Essen und von der guten Ernte profitieren, um anderen Reichen den freundlichen König vorgaukeln zu können, um sie dann um ihre Herrscher zu nehmen und auszuschalten...nehme ich an", sagte Lydia, als sie alle anstarrten. ,,Wenn ich eins und eins zusammenzähle würde das ja wohl passen", ergänzte sie.

,,Was weiß die Frau namens Lydia noch?", fragte der Häuptling.

,,Wir haben schon festgestellt, dass Leute, die von Asimis Vorhaben wissen durch Pfeile getötet werden. Sowohl ihre, als auch unsere", meinte Valkan knapp.

,,Und wir wissen, dass es einen Fremden im Dorf gibt, der Geschichten über den König erzählt. Vielleicht sind sie wahr, vielleicht nicht. Nach seinen Handlungen schon und wenn es schlechte Geschichten sind, dann sowieso." Lydia blickte in die Flammen, die das Tipi beleuchteten. ,,Ich muss mein Dorf da rausholen, verstehen Sie? Ich habe es vor nicht allzu langer Zeit vor einem bösen König befreit, das habe ich aber nicht getan, um es jetzt wieder an so einen Irren zu verlieren."

,,Schwierig, schwierig. König Wylland war der Name, richtig?"

Lydia nickte. ,,Er zerstörte alles was ihm in den Weg kam. Asimi will offensichtlich Macht über mehrere Reiche haben, aber wieso will er sie dann auch gleichzeitig ausschalten?", dachte sie laut nach.

,,Ich verstehe diese Könige sowieso alle nicht", knurrte Starker Kojote und ballte die Fäuste. ,,Bilden sich alle ein sie wären etwas Besseres und könnten alles haben...Jeden ungestraft töten und Meinungsfreiheit verbieten."

,,Häuptling, kommen wir zurück zu den Waffen. Wenn wir Asimi töten wollen können wir nicht darauf verzichten. Zum ersten Mal haben wir eine Königin, die uns diese Chance bieten könnte", erinnerte Valkan ihn.

,,Richtig. Die Frau namens Lydia hat nur keinen Zutritt mehr in ihr Schloss ohne dass sie auch getötet wird."

,,Dann habe ich ja nichts zu verlieren, Häuptling", meinte sie knapp.

,,Ich mag ihre Art dennoch. Starker Kojote vertraut dieser Frau. Wie sollen wir vorgehen?" Er hob seinen Kopf an und nickte ihr zu.

Lydia lächelte zum ersten Mal seit langer Zeit wieder. Nun würde sie ihre eigene Armee gegen den König erheben und ihm das Handwerk legen. Der Stamm der Layandra kam ihr wie gerufen. Jetzt mussten sie nur noch unbemerkt ins Schloss hinein ohne umgebracht zu werden. Für diesen Plan musste sie jedoch ein sehr hohes Risiko noch vor Einbruch in ihr eigenes Heim eingehen: Ein kurzer Besuch im Dorf, wo Asimis Wachen verteilt waren.

Diese Idee besprach sie mit dem höhsten Rat des Stammes selbst, Valkan eingeschlossen. Auch sie waren einverstanden.

 

 

Der Plan musste bloß noch mit dem übrigen Stamm geteilt werden. Dazu wurde ein großer Kreis im Schnee zwischen den Tipis gebildet, sodass Lydia einen Eindruck bekam, wie viele sie überhaupt waren. Offenbar reiste der Stamm nur gemeinsam von Land zu Land und ließ keinen zurück.

Der Häuptling trat in das Innere des Kreises. ,,Wir lassen Frauen und Kinder unter Aufsicht der fünf besten Krieger zurück. Die Frau namens Lydia wird uns begleiten. Starker Kojote wird mit zehn von uns in das Dorf von Nokard aufbrechen, um die Bewohner um Hilfe zu bitten. Nur diese kommen ungestraft ins Schloss hinein und werden nicht alle sofort erkannt. Während unserer Abwesenheit, verhaltet ihr euch möglichst ruhig, keine großen Feuer entfachen, kein Fangen spielen vor den Tipis, andernfalls werden wir eventuell doch aus der Ferne gesehen. Man kann nie vorsichtig genug sein, wenn es um das eigene Leben geht." Er ging im Kreis umher und sah sie alle nacheinander an. ,,Wir werden einige der Pferde mitnehmen, die restlichen bleiben hier. Versorgt sie gut so wie immer. Meine Krieger und ich brechen noch heute Nacht auf."

Lydia hatte mit einem Mal Respekt vor dem Häuptling. Er schien ihr von der Weise zu regieren sehr ähnlich zu sein ohne es zu wissen. Sie vetraute darauf, dass er wusste was er tat.

11. Xander und Ecklard

 Xander und Ecklard ritten nun bereits eine Stunde durch den Schnee, dicht gefolgt von ihren ritterlichen Mitsuchern.

,,Habt ihr schon etwas entdeckt, Ser?", fragte einer von ihnen.

,,Noch nicht, deshalb müssen wir uns erst Recht ranhalten. Asimi wird uns persönlich umbringen, wenn wir ihm die Königin nicht bringen. Horland, sucht ihr mit Zolro und Ecklard den Süden des Waldes ab. Ich selbst werde mit Pywal und Ranzord in Richtung Norden reiten. Die anderen teilen sich nach Westen und Osten auf", orderte Xander an. Er zog die Zügel seines Pferdes stramm und lenkte das Tier nach Norden. Normalerweise würde er selbst lieber mit Ecklard einen Trupp bilden, jedoch hielt er es in dieser Siutation für ratsamer sich aufzuteilen.

Trotz Rüstung flog ihnen der Wind um die Ohren. An eine Pause war allerdings nicht zu denken.

,,Wir müssen sie finden", fluchte Pywal vor sich hin.

Xander hörte den Ritter, hielt sein Pferd an und beruhigte ihn: ,,Keine Sorge, das werden wir. Sehr sicher."

,,Woher wollt Ihr das wissen? Wir sehen doch weit und breit nichts. Ein Schneesturm wird bald aufziehen und wir verlieren unsere Spuren. Was ist, wenn wir nicht wieder zurück finden?" Pywal wickelte sich die Zügel um den Handschuh und blickte Xander abwartend an.

,,Was seid ihr eigentlich für Schwächlinge? Welche Option ist euch lieber, durch den König getötet zu werden oder sich im Schnee zu verirren?!"

,,Keine von beiden", antwortete Ranzord grimmig. ,,Er meinte ja nur, dass dieser Wald viel zu groß ist um etwas zu finden. Das gilt für ganz Nokard. Wir sind bloß hier, da der König es so will. Wenn es nach uns aus ginge..."

,,Was wäre dann?", unterbrach ihn Xander.

,,Dann müssten wir mehr Leute haben", endete Ranzord seinen Satz.

Der Ritter ihm gegenüber lachte. ,,Mehr Leute du bist vielleicht witzig. Asimi hat kaum noch mehr Leute falls du das schon vergessen hast. Nicht mehr viele sind in Isarek, weil er unbedingt alles und jeden ausschalten musste."

,,Du meinst es würde sowieso nichts bringen seine restlichen Ritter zu holen, die sein Dorf bewachen?", entegnete Pywal überrascht.

,,Sein Dorf? Was denn für ein Dorf." Xander holte tief Luft. ,,Es lebt genau eine Familie bestehend aus vier Leuten in einem kleinen Haus in der Nähe des Schlosses und das nennst du Dorf?"

Ranzord grunzte vor Lachen. Einen Moment lang sahen ihn die anderen beiden an, stimmten dann aber mit in sein Gelächter ein.

,,Kommt, wir suchen noch ein kleines Stück in Richtung Norden, dann reiten wir zurück. Einverstanden?"

,,Einverstanden", antworteten Pywal und Ranzord im Chor.

 

 

Nach einem guten Stück im Galopp, welches sie nun hinter sich gelassen haben, hielt Ranzord vor einem umgekippten Baumstamm an.

,,Wartet mal! Hier ist etwas!" Er stieg vom Pferd und ging in die Hocke.

Nun hielten auch die anderen beiden ihre Pferde an. ,,Was ist da?", erkundigte sich Xander sofort.

,,Eine Feder...Hier." Er reichte Xander den Gegenstand, welcher ihn umgehend musterte.

,,Wie kommt die denn hierher? Es gibt doch wohl keine Vögel hier?"

Pywal lachte erneut. ,,Vögel gibt es hier ganz bestimmt."

,,Nicht diese Art von Vögel, die dem König irgendeinen Unfug flüstern, Pywal. Greifvögel. Gefährliche Tiere." Xander sah in den Himmel. Dort befand sich jedoch nichts als Wolken.

,,Seltsam. So eine Feder habe ich zuletzt in...", Ranzord brachte den Satz nicht zu Ende.

,,Wo hast du die zuletzt gesehen? Raus damit!"

,,Siehst du denn nicht? In Leydra...Die stammt von einem dieser Indianer!"

Wieder brummte Xander mit seiner tiefen Stimme. ,,Das glaub ich ja gar nicht! Denkst du jetzt, dass die hinter uns her sind?"

,,Nicht nur jetzt, die waren uns bereits in Plandra auf den Fersen", ergänzte Ranzord erstaunt.

,,Wieso in Plandra?"

,,Ich hab da auch so eine Feder gesehen, aber niemandem etwas gesagt, weil...Es da Greifvögel gab. Ihr habt sie selbst gesehen, das könnt ihr nicht leugnen!" Ranzord setzte sich wieder auf sein Pferd. ,,Wir müssen den König warnen."

,,Nein wir müssen erst einmal die Königin finden", fauchte Xander.

,,Asimi wird uns nicht töten, wenn wir ihm Informationen wie diese liefern, raffst du das nicht?"

,,Nenn mich nicht immer "du", ich bin ein Ser, höhergestellt als du." Xander neigte den Kopf nach rechts. ,,Wenn wir noch besser nicht die Königin finden würden, sondern vielleicht die Indianer selbst, dann würde er uns belohnen." Er grinste fies. ,,Seid ihr dabei?"

,,Jawohl", stimmten die beiden Ritter zu.

In dieser Sekunde erreichten sie drei weitere ihrer Ritter.

,,Eure Pläne müssen wir auf Eis legen!", rief die Stimme des Kleinsten. Er ritt auf Xander zu, nahm dessen Zügel und sagte: ,,Ihr kommt sofort mit, Xander und sagt mir wo Ecklard ist!"

,,Richtung Süden, wieso? Moment, ihr gehört nicht zum Suchtrupp. Was macht ihr hier?" Der Ritter war verwirrt über das Erscheinen der anderen Ritter.

,,Ganz einfach. Der König wünscht euch beide züruck und zwar sofort!", meinte die piepsende Stimme des Kleinsten.

,,Traslyn, was denkst du denn wer du bist?! Wir können noch nicht zurück, wir haben jetzt etwas gefunden, was sehr wichtig sein könnte."

,,Ist mir egal, Xander. Mitkommen. Jetzt!" Traslyn wandte sich an die beiden Ritter, die ihm gefolgt waren. ,,Orad, Gylar, reitet dicht neben ihm her und passt mir ja auf, dass er nicht wieder abhaut."

,,Seit wann genau hast du das Kommando, kleiner Traslyn?!", wehrte sich Xander.

,,Seitdem der König es so wünscht. Abführen", entgegnete er schroff.

Die beiden Ritter befolgten seine Anweisungen also blieb auch dem größten Ser nichts anderes übrig als ihnen zu folgen.

 

 

,,Endlich, das wurde ja auch Zeit!" Asimi saß wie ein reines Nervenbündel im Thron, der ihm nicht zustand und ließ seiner Wut freien Lauf. ,,Habt ihr beiden eigentlich eine Ahnung, was ich hier hören musste?! Dorfbewohner sagten mir, dass ihr zwei hinter meinem Rücken schlecht über mich geredet habt. Nicht nur das, ihr habt auch noch Pläne öffentlich erzählt und diesem Sylon eine Chance gegeben mich vor allen fertig zu machen!"

,,Er hieß Symon, Majestät", berichtigte Quirin ihn. Als der König sich mit einem paranoid wirkendem Blick zu seinem Berater wandte, ergänzte dieser sofort ,,Verzeihung" und verbeugte sich.

,,Wieso glauben Sie einem Dorfbewohner, Majestät?", fragte Ecklard zornig.

Asimi beugte sich auf dem Thron vor. ,,Weil...Es offensichtlich war und es Zeugen gab. Jetzt sagt mir, stimmt das?"

Xander und Ecklard wechselten einen Blick, sagten aber nichts.

,,Es stimmt also. Wisst ihr eigentlich, dass ich euch am liebsten dafür umbringen würde? Ich sollte es auch tun...hätte ich nicht so wenige Ritter", beendete er seinen Wutausbruch.

Seine Ritter atmeten erleichtert auf.

,,Habt ihr mir wenigstens diese Lydia mitgebracht?"

Sie schüttelten den Kopf.

,,Noch einen Grund mehr euch zu töten!" Er schlug mit der Faust auf den Thron.

,,Warten Sie, mein König", widersprach Xander. ,,Ranzord, Pywal und ich haben dafür einen interessanten Fund gemacht."

,,Fein, Ecklard war aber nicht dabei, genauso wie die anderen Ritter auch." Er richtete sich die verrutschte Krone.

,,Bitte, Majestät." Xander zog die Feder aus seiner Rüstung. ,,Hier, das haben wir gefunden."

,,Eine Feder...Eine Feder und ihr denkt, dass es euch das Leben retten würde?! Jetzt werden sie alle verrückt."

,,Nicht nur eine Feder", bremste ihn Xander sofort.

,,Eine magische Zauberfeder oder was?", spottete Asimi und sorgte dafür, dass seine Wachen zu lachen begannen.

,,Wenn es Euch nicht interessiert!" Xander warf wütend die Feder vor sich. ,,Die gehört einem Indianer aus Leydra. Hier gibt es nämlich keine Greifvögel, zumindest habe ich noch keinen gesehen!"

Das Lachen des Königs verstummte. ,,Ruhe! Seid alle still!" Er stand vom Thron auf und machte einen Schritt auf den Ritter zu. ,,Was sagst du da? Ein Indianer?" Asimi bückte sich nach der Feder und hob sie auf.

,,So ist es. Ranzord hat so eine ebenfalls in Plandra gesehen, Majestät. Die Indianer könnten uns also schon etwas länger verfolgen."

,,Ihr teilt solch eine wichtige Information erst jetzt? Ranzord, ich dachte wenigstens du wärst kein Ritter, den ich in die königliche Tonne kloppen könnte." Er fasste sich an die Stirn. ,,Meine Nerven werden auf das Härteste beansprucht." Seufzend warf er Ranzord einen enttäuschten Blick zu. ,,Wo habt ihr die gefunden?"

,,Unten in der Nähe des Äja Flusses", antwortete Xander.

,,Und warum seid ihr nicht da und sucht verflucht nochmal weiter?!"

,,Weil Ihr uns hier haben wollet, Majestät. Ihre drei tollen Ritter haben uns her geholt." Nun blickte Xander triumphierend zu Traslyn.

,,Sucht weiter, reitet zurück...Aber nicht alle", mahnte Asimi. ,,Irgendwen brauche ich hier für das Dorf." In diesem Moment dämmerte ihm erst wieder, dass er die Dorfbewohner zurückgelassen hatte und keine Garde mehr hinter ihnen herscheuchte.

,,Sagen Sie, wer ist eigentlich gerade im Dorf von unseren Leuten?", fragte Ecklard.

Asimi schluckte. ,,Niemand. Das ist alles eure Schuld! Ihr musstet mich unbedingt wieder aufregen...Hat eigentlich mal jemand die Leiche von diesem Ydo aus dem Weg geräumt? Nicht, dass alles früchterlich riecht deswegen. Nach Verwesung versteht sich."

,,Er heißt Ydro", murmelte Quirin vor sich hin.

,,Hieß, Quirin und jetzt schweigt! Wachen, wir müssen ins Dorf, sofort! Ihr sechs da, sucht mir dieses Indianderpack!"

,,Jawohl! Ach, was machen wir, wenn wir sie finden?", fragte Zorlo aus der Ecke.

,,Die Frage kannst du dir doch sehr gut selbst beantworten", entgengete der König finster und machte sich dann auf den Weg ins Dorf.

12. Loyalität

 ,,Wir sind fast da", teilte Lydia dem Häuptling mit, welcher die Nachricht an seine Krieger weiterleitete.

,,Sehr gut, dann runter von den Pferden. Ab hier gehen wir zu Fuß weiter."

Alle taten, wie ihnen geheißen wurde. Sie knoteten die Zügel der Pferde an die umliegenden Tannen und gingen dann in eine gedeckte Haltung über.

Lydia selbst beschloss voranzugehen, wurde aber von Starker Kojote aufeghalten. ,,Halt! Meine Krieger öffnen die erste Tür des Hauses."

,,Meinen Leute würde das aber nicht gerade gefallen, wenn wildfremde Indianer in ihre Hütten stürmen, wie König Asimi, wenn er ausrastet", warf die Königin besorgt ein.

,,Gut, dann klopfen wir überall und warten ab bis sie öffnen."

,,Was ist mit den Wachen? Die dürft Ihr nicht vergessen, Häuptling", erinnerte Valkan.

,,Richtig, die Wachen...Wo sollen die eigentlich sein?" Starker Kojote sah die Reihen der Hütten hinauf. ,,Ich sehe keine. Hören tue ich auch keine." Prüfend ging er ein Stück dichter zu den Häusern.

,,Er hat Recht", stimmte Valkan zu, als er ebenfalls keine Stimmen hörte. ,,Lydia", setzte er an, als er ihr Gesicht sah.

Diese schritt bereits auf eine der Hütten zu. ,,Irgendetwas stimmt hier nicht", murmelte sie. An Symons Hütte angekommen klopfte sie an, zuckte dann aber zurück, da die Tür problemlos aufging. Vorsichtig ging sie hinein.

,,Folgt ihr!", orderte der Häuptling an. Vor der Hütte positionierten sich mehrere Indianer seines Stammes, um Lydia bei einem überraschendem Angriff zur Seite zu stehen.

,,Nichts!", rief sie von Innen. Die Königin trat wieder heraus. ,,Was hat das zu bedeuten?" Murmelnd stürmte sie ohne auf ihre Umgebung zu achten auf die Nachbarhütte zu. ,,David, Amarla, seid ihr da?" Lydia drückte die Türklinke runter, welche ebenfalls nicht abgeschlossen war. ,,Nichts!"

,,Lydia, ruhig bleiben", mahnte Valkan ruhig.

,,Dafür gibt es sicherlich eine Erklärung. Womöglich sind die nur spazieren?", schlug der Häuptling vor.

,,Meine Leute spazieren nicht umher, während Asimi auf dem Thron sitzt und sie umzingelt wie Tiere!" Die Königin stürmte von Hütte zu Hütte und fand überall leere vier Wände vor. ,,Wo ist mein Dorf? Wo sind meine Leute?!"

Valkan eilte zu ihr und hielt sie zurück, bevor sie einen Stapel Feuerholz umstieß. ,,Psst! Die Wachen könnten noch irgendwo hier sein, selbst wenn wir sie nicht sehen oder hören."

Lydia streckte die Arme nach links und rechts von sich. ,,Siehst du hier vielleicht irgendeinen Ritter?" Die Angst stieg in ihr hoch. ,,Ich wusste es. Asimi hat bereits alle umgebracht, bloß weil ich feige weggerannt bin. Du musstest mich auch retten! Wäre ich geblieben..."

,,Hätte das auch nichts geändert", beendete Valkan ihren Satz.

,,Häuptling, wir haben hier was. Ein Spielzeug oder so", sagte einer der Indianer und reichte es Starker Kojote.

Lydia eilte zu ihnen herüber. ,,Warte das kenne ich. Das gehört Zoera, Amarlas und Davids Tochter. Wenn sie die Kleine umgebracht haben...nur einen meines Dorfes...Ich werde ihm das niemals verzeihen", sprudelten die Wörter aus ihr.

,,Es sieht nicht aus, als wären die Bewohner getötet worden. Es wäre für den König doch viel einfacher alle Hütten anzuzünden und alle...Wenn Ihr wisst, was ich meine."

,,Ja, ja stop. Das reicht", winkte Lydia ab.

,,Er würde sich nicht die Mühe machen, sie alle einzeln ins Schloss zu holen oder woanders zu töten. Versteht Ihr?" Valkan versuchte zwar sie zu beruhigen, schaffte es durch diese Wortwahl allerdings nicht.

,,Lieber wäre ich für mein Volk gestorben, um ihnen allen das Leben zu retten, als hier frei zu stehen und sie alle tot zu vermuten." Lydias Stimme war voller Trauer und Wut.

Die Layandra hatten wenig Verständnis in diesem Punkt. ,,Du stehst hier. Auch wenn du für dein Dorf gestorben wärst, wären sie alle draufgegangen. Außerdem müssen sie ja nicht tot sein", widersprach ein Indianer mit dunkelgelben Kopftuch.

,,Danke, obwohl ich deinen Namen nicht kenne. Ihr wollt mich alle aufmuntern...Tatsache ist doch aber, dass sich jetzt niemand mehr verkleiden kann, um ins Schloss zu gelangen. Der Stamm fällt sofort auf und mich erkennen sie auch. Das ist Wahnsinn...Was ist mit dir Valkan?" Lydia setzte ein verwirrter Gesicht auf, da der Indianer die Augen sehr geweitet hatte und ihr bedeutete still zu sein.

,,Ritter!", stammelten die Krieger der Layandra.

,,Indianer!", kam als Antwort von den Wachen. ,,Euer Majestät, die Indianer sind hier!", brüllte Ecklard quer über die verschneiten Wege.

,,Schnappt sie euch!", schrie Asimi ihnen zu.

,,Auch das noch, der König!" Valkan reagierte sofort und zog Lydia aus ihrem Sichtfeld hinter ein Haus.

,,Lauf! Wir müssen es zu den Pferden schaffen."

,,Die werden uns folgen und mich zurückholen!", rief die Königin erschrocken.

Er schnappte ihre Hand, damit sie etwas an Schnelligkeit gewinnen konnte. ,,Vertraut mir, noch haben die Sie nicht gesehen...Hoffe ich...Wir reiten woanders hin."

,,Ich hab die Königin gesehen, Majestät!", hörte sie einen Ritter rufen.

,,Jetzt haben wir sie alle!", verkündete Asimi stolz.

,,Außer die Dorfbewohner", erinnerte Quirin prompt.

,,Still! Wenn wir Glück haben sind die von alleine erfrofen und dann haben wir ein Problem weniger."

Endlich kamen die beiden Fliehenden bei den Pferden an. ,,Sie haben die Dorfbewohner nicht", keuchte Lydia aus der Puste. ,,Sie leben noch!"

,,Schön und gut, aber wir gleich nicht mehr, wenn wir weiter so langsam sind!" Valkan band die Zügel schnell los, schwang sich auf sein dunkelbraunes Pferd und warf Lydia die Zügel ihres Pferdes entgegen. ,,Na los, schnell!"

Die Königin schwang sich sofort auf das Tier, schwang die Zügel und trieb das Pferd zum höchsten Galopp an. ,,Was ist mit den Kriegern?! Sie sterben ohne Waffen!", schrie Lydia durch den Wind.

,,Mach dir um die keine Sorgen. Die können sich auch so helfen. Alte Kampfkünste."

Sie hielt eine Hand vor ihr Gesicht, um durch den Schnee noch etwas sehen zu können. ,,Aber wird das reichen?"

,,Es waren lange nicht alle Ritter des Königs, von daher haben sie eine Chance", versicherte er erneut.

Die Pferde trugen sie weg vom Dorf wieder rein in den Wald. Andauernd blickten die beiden zurück und hielten Ausschau nach Verfolgern.

,,Tötet sie alle!", hörte man den König noch aus der Ferne rufen.

,,Wir müssen zurück ihnen helfen", meinte Lydia und wollte gerade ihr Pferd wenden.

,,Nein! Es ist nicht dein Stamm und nicht deine Aufgabe. Deine Loyalität in allen Ehren...Vertrau mir!"

,,Das tue ich doch, aber sie sollen nicht ihr Leben riskieren", rief sie ihm zu.

Valkan ritt ihr in die Quere, um sie aufzuhalten. ,,Das tun sie nicht nur wegen dir. Es geht auch um unseren Konflikt mit dem König." Er legte eine Hand hinter sein Ohr. ,,Wir müssen verschwinden. Die Wachen sind uns schon auf den Fersen. Los!"

,,Also gut." Wieder ritten sie im Galopp quer durch die Tannen und über den eisigen Schnee. Lydia blieb dicht hinter Valkans Pferd, damit sie ihn nicht verlor. Es begann wieder kräftiger zu schneien, wie einer der Wachen es vorausgesagt hatte.

,,Unser Glück! Die Spuren könnten verschwinden!"

,,Die schon, aber unsere Stimmen bleiben gleich laut", erinnerte Valkan unsicher. ,,Weiter, dort entlang!"

13. Familie

Die gesuchten Dorfbewohner von Nokard folgten David und Symon bereits einige Stunden durch den Schnee. Ob jung, alt, groß oder klein, alle folgten ihnen, doch auch sie erreichte der Sturm und sie hatten unterwegs keine Hütten, die ihnen Schutz boten.

,,Das ist doch alles Wahnsinn!", rief Symon seinem Freund zu.

,,Was meinst du? Wir können es schaffen." David sah sich um. Eine ältere Dame, kämpfte mit dem Gegenwind und ihren zittrigen Beinen. Sie drohte zu stürzen.

,,Hilft mal jemand dieser Frau?", bat David. ,,Danke, Nacar." Er wandte sich nun wieder zu Symon. ,,Wir müssen nur diesen Weg entlang und dann immer in Richtung Westen."

Symon blieb stehen. ,,Bist du dir sicher? Wohin gehen wir überhaupt?"

,,Liebling, der Schnee wird dir jede Sicht auf den Weg verhindern. Wir werden uns verlaufen oder erfrieren! Sieh dir Zoera an", machte ihn Amarla aufmerksam.

David zog seine Tochter an sich und deckte sie mit seinem löchrigen Mantel zu. Er wollte dennoch weitergehen.

,,Ihre Lippen sind schon blau! David!"

,,Hier sind noch mehr Kinder denen es so geht. Was soll ich daran ändern können?! Ich bin eben kein König oder Anführer."

,,Wir sind dir gefolgt, weil wir dir vertrauen, dass du weißt wohin du gehen willst", erwiderte seine Frau traurig.

,,Sie sind auch Symon gefolgt und mal ganz davon abgesehen weiß ich wo ich hin will." David zog den Umhang dichter um sich und nahm die Hand seiner Frau. Diese zog sie allerdings wieder zurück. ,,Liebling ich bitte dich. In welches umliegende Land du auch immer verschwinden willst, wir werden dort weder willkommen sein, noch sind dort Könige, wenn Asimi dort bereits seine Finger im Spiel hatte. Für weitere Reisen ist dieser Schneesturm ohnehin eine Blockade für uns." Sie klammerte sich an seinen Umhang und blieb vor ihm stehen. ,,Wir schaffen es nicht ohne Essen oder Feuerholz. Wir werden alle sterben!"

David sah sie und die anderen ernst an. ,,Ihr bereut es nun also von dem König weggerannt zu sein? Dort hatten wir jetzt Holz, da hätten wir überlebt", meinte er ironisch. ,,Habt ihr schon vergessen was er mit Ydro gemacht hat? Er schreckt vor nichts zurück! Wir würden so oder so sterben, hier oder bei diesem Asimi! Es gibt nur einen Unterschied. Hier sterben wir für die Königin. Die wahre Königin von Nokard. Bei Asimi sterben wir für einen falschen König."

,,Gut gesagt, alter Freund. Dennoch, wo sollen wir jetzt unterkommen?", fragte Symon ihn besorgt.

David hob eine Hand, um die Schneeflocken abzuschirmen. ,,Ich weiß es nicht...Sag du es mir." Er hielt Inne. ,,Entschuldige, Symon."

,,Im Zorn sagst du Dinge, die du nicht so meinst. Du brauchst dich deswegen also nicht entschuldigen." Symon setzte ein kurzes Lächeln auf, welches sofort wieder verblasste, als er hinter David sah. ,,Cheryl, um Himmels Willen!" Er stieß seinen Freund beiseite und eilte zu seiner Frau. ,,Wach auf, bitte." Symon hob den Kopf seiner Frau auf seinen Schoß und klopfte ihr auf die Wangen. ,,Bitte."

,,Was ist mit Tante Cheryl?", fragte ein kleines Kind.

Die Mutter des Jungen kniete sich vor ihm hin. ,,Nichts weiter, Liebes, mach dir keine Sorgen." Anschließend wandt sie sich zu Symon. ,,Jetzt lüge ich schon mein Kind, deinen Neffen an. Er hat das nicht verdient!"

,,Ich weiß, Schwesterchen. Sehe ich aus, als hätte ich gerade Nerven dafür übrig?" Symon rüttelte weiter an seiner Frau. ,,Cheryl, kannst du mich hören?" Er nahm ihre kalte Hand in seine.

Die anderen Dorfbewohner standen ratlos und hilflos um sie herum. Kinder begannen zu weinen, weil sie nach Hause wollten und nicht verstanden, was hier vor sich ging.

,,Wir müssen sie zurücklassen, um weiter zu kommen."

,,Ich lasse meine Frau nicht hier liegen und sterben, vergiss es Nacar!" Symon fing Davids Blick auf. ,,Du gehst nicht weiter, oder?" Er bekam keine Antwort. ,,David!"

,,Tut mir leid...Wir müssen weiter, hier sterben wir erst recht alle!", entgegnete dieser verzweifelt.

,,Du hast auch eine Frau, wie würdest du es finden, wenn wir sie zurücklassen?! Oder gar dein Kind!" Symon hob seine Frau unter den Armen hoch. ,,Ich trage sie."

,,Das schaffst du nicht...nicht alleine", ergänzte David. ,,Na los, irgendwer muss ihm helfen. Am besten jemand ohne Kinder."

Symon lächelte dankbar. ,,Danke."

Zwei Männer kamen ihm zur Hilfe und gemeinsam setzten sie ihre Reise ohne Ziel fort.

David trug seine Tochter inzwischen ebenfalls auf dem Arm, ging noch immer voraus und sie ihm alle nach. ,,Psst! Seid mal bitte kurz still!", mahnte er.

,,Was ist da?", fragte Zoera auf seinem Arm.

,,Wiehern von Pferden!"

,,Dann sind die Wachen des Königs nicht weit! Was machen die so weit hier Draußen?", flüsterte Amarla ihm zu.

,,Wenn ich das wüsste."

Seine Frau trat wieder näher an seine Seite. ,,Wir gehen doch noch Richtung Westen, oder?"

David duckte sich hinter einigen Holzstämmen, die anderen ebenfalls. ,,Kann ich nicht sagen. Vielleicht suchen sie uns."

,,Wir müssen uns aufteilen", schlug Nacar vor.

,,Noch mehr so brilliante Ideen? Das ist Selbstmord! Wenn wir uns jetzt trennen verlieren wir uns. Wir müssen nur leise bleiben bis sie verschwunden sind."

,,Außnahmslos die Wachen von Asimi. Das Wappen erkenne ich sofort", meinte Amarla erschrocken und streichelte ihrer Tochter durch das Haar. ,,Keine Angst, Liebes."

,,Wir werden jetzt nicht sterben. Bleibt alle sitzen, bleibt ruhig und rückt ganz dicht zusammen", orderte David an.

Minute um Minute verstrich, bis die Pferde der Ritter nicht mehr zu hören waren. Die ganze Zeit lang pochte den Dorfbewohnern das Herz bis zum Hals. Inzwischen waren sie unter einer kleinen Schicht Schnee bedeckt, da sie sich nicht vom Fleck rührten. David erhob sich als Erster wieder und sah an die Stelle, wo eben noch die Pferde gewesen waren.

,,Die Luft ist rein!", versicherte er ihnen.

,,David, Cheryl...", brachte Symon unter Tränen hervor. ,,Sie schafft es nicht weiter..."

,,Ich gehe voraus und sehe, ob wir einen Unterschlupf finden können. Wir gehen nicht weit, versprochen."

,,Ich begleite dich", meldete sich Nacar zu Wort und schüttelte sich den Schnee aus den rötlichen Haaren.

Der blonde Vater nickte dankbar. ,,Wir sind gleich zurück." Er gab Zoera an seine Frau ab.

,,Versprich mir, dass du dich nicht von den Wachen erwischen lässt, sonst war alles umsonst", flüsterte sie ihm noch schnell zu.

 

 

Die beiden machten sich auf den Weg einige Meter durch den tiefen Schnee. Sie glaubten beinahe gar nicht mehr daran noch etwas zu finden.

Plötzlich hielt Nacar ihn zurück. ,,Ist das da Feuer?"

David kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Die Luft vor ihren Augen wurde stickiger. ,,Scheint so." Er ging in gesenkter Haltung und Umhang vor der Nase auf den Rauch zu. Er traute seinen Augen nicht als er die vielen Zelte sah, die dicht beieinander aufgestellt wurden. Sie gingen näher heran. David sah ein Kind und eine Frau, beide mit schwarzem Haar und rot-brauner Haut in eines der Zelte verschwinden. Er wandte sich zu Nacar. ,,Indianer."

,,Die werden uns wohl kaum helfen."

,,Das glaube ich auch nicht, runter!", mahnte David.

,,Was ist wenn Asimis Wachen die finden?", flüsterte Nacar.

,,Vielleicht sind sie ja der Grund dafür, weshalb sie überhaupt so weit vom Schloss weg sind."

14. Beschützer

 Lydia und Valkan ritten so schnell sie nur konnten durch den dichten Sturm, weit weg von den Wachen des Königs. Die Königin wollte ihr Pferd gar nicht mehr anhalten so sehr fürchtete sie die Ritter. Als sie sich erneut umsah, entdeckte sie den Ast der Tanne vor sich nicht, wurde von diesem aus dem Sattel gerissen und zu Boden geschleudert.

,,Lydia!", rief Valkan erschrocken, während er sein Pferd stoppte. Er sprang von dessen Rücken, ließ die Zügel los und hielt ihr Pferd davon ab ihr wegzulaufen. Anschließend warf er sich in den Schnee und vergewisserte sich nach ihrem Zustand. ,,Hörst du mich?"

,,Ja", brachte die Königin hervor. Ihre Augen waren jedoch halb geschlossen und sie selbst weit weg.

Valkan klopfte ihr leicht auf die Wangen und ließ sie nicht aus den Augen. ,,Bleib wach. Sieh mich an. Lydia, sieh mich an", sagte er erneut. Der Inianer zog ein Tuch aus seiner Hosentasche und legte es auf ihren verletzten Kopf.

Sie umschloss sein Handgelenk mit ihrer linken Hand. ,,Sind die Wachen noch da?"

Er schüttelte den Kopf. ,,Ich sehe sie gerade nicht. Wir sollten dennoch vorsichtig sein und dürfen nicht hierbleiben. Kannst du aufstehen?"

Lydia stützte sich auf die Unterarme, während Valkan ihr dabei half aufzustehen. Sie sackte leicht in sich zusammen. ,,Lydia, du musst wach bleiben", mahnte er sie erneut.

,,Wie? Ich kann...", verließ ihre Stimme sie.

,,Hör nicht auf Valkans Stimme zuzuhören und fokussiere sie." Er hob sie hoch und setzte die Königin auf sein Pferd. ,,Es hat keinen Sinn, wir müssen doch zum Stamm zurück. Dort haben wir Leute, die sich um dich kümmern. Ich will gar nicht wissen, wie viele durch Asimi noch verletzt wurden", ergänzte er und schwang sich wieder auf sein Pferd. Das zweite Pferd nahm er mit einer freien Hand an den Zügeln und ritt los.

Während des Rittes redete er immer weiter vor sich hin, damit sie ihm zuhörte. Er sprach weiter und weiter auch wenn er nicht wusste, ob sie bereits das Bewusstsein verloren hatte.

Einige Zeit war er noch auf diese Weise unterwegs, bis er endlich die Tipis erreichte.

,,Ist jemand hier?", flüsterte er vorsichtig.

Eine Frau trat verängstigt aus dem Tipi, welches ihm am nächsten war. ,,Ich bin hier! Sanfte Feder, du bist zurück!", stieß sie erleichtert hervor.

,,Was soll das Feuer? Wir haben euch doch gesagt es ist zu gefährlich eines anzuzünden. Hat euch jemand entdeckt?" Valkan sprang vom Pferd.

,,Niemand hat uns gesehen, Sanfte Feder. Die Wachen waren jedoch nicht allzu weit entfernt fürchte ich. Ich bin nur froh, dass es den Kindern und dir gut geht. Um Himmels Willen, ist das Lydia da auf deinem Pferd?", fragte die Indianerin erschrocken.

,,Ja, sie wurde von einem Ast aus dem Sattel gerissen", erklärte er kurz. ,,Candra, kannst du bitte nachsehen, ob unser Medizinmann Ruhige Seele da ist? Lydia hat eine Verletzung am Kopf."

,,Von einem Ast, wie kam es dazu? Hao, ich sehe natürlich sofort nach."

,,Wir waren auf der Flucht. Die anderen kämpfen womöglich noch gegen die Wachen von Asimi", erklärte Valkan ihr.

 

 

,,Geht es den anderen auch gut?", erkundigte er sich, nachdem Lydia bei Ruhige Seele in Behandlung lag.

,,Wir leben noch. Das muss reichen." Der Heiler versorgte gründlich die Wunden und deckte die Königin mit Fellen zu, damit sie nicht fror. ,,Während dieser Jahreszeit Blut zu verlieren ist nicht ungefährlich, in diesem Punkt will ich erhlich mit dir sein, Sanfte Feder. Sie wird es aber überleben."

Valkan atmete erleichtert aus. ,,Danke dir."

,,Sie braucht Ruhe...Wird womöglich erst in Stunden aufwachen", flüsterte der Ruhige Seele ihm noch zu, bevor er das Tipi verließ.

,,Ich hoffe die haben wir noch", murmelte Valkan und verließ dann ebenfalls das Tipi. In der Kälte sorgte er erst einmal dafür, dass das Feuer vollständig gelöscht wurde. Noch immer hoffte er, dass die Königsgarde es nicht gesehen hatte. Seine Bedenken waren nicht vollständig unbegründet, denn etwas oder jemand war hier gewesen. Der Indianer mit dem dunkelblauen Kopftuch entdeckte Fußabdrücke an der Stelle, an der er soeben die Asche vergraben wollte. Mit erhöhter Vorsicht folgte er den Fußspuren, brach einen kleinen Ast von einer Tanne ab und ging in eine Angriffsposition.

,,Valkan!"

Der Indianer holte aus und wollte gerade zuschlagen, als er bemerkte, wen er vor sich hatte. ,,Götter, Lydia! Du bist schon wach? Wieso ruhst du dich nicht im Tipi noch etwas aus?"

Sie wich erschrocken zurück. ,,Ich sehe doch, dass hier etwas nicht stimmt. Mal ganz davon abgesehen fühle ich mich ein wenig besser."

,,Nimm Vernunft an und geh zurück", bat Valkan.

,,Kann ich nicht. Jetzt bin ich auch schon wieder viel zu wach durch diese Kälte. Ich bete, dass der Wind wenigstens nachlässt jetzt wo es nicht mehr schneit", sagte sie fröstelnd. ,,Also, was hast du gesehen?"

,,Das ist verrückt, Lydia. Ich werde nicht verantworten, dass du hier in der Kälte rumläufst und erfrierst."

Sie hielt seinem Blick Stand.

,,Also schön. Hier sind Fußspuren, schau." Er deutete auf den vereisten Boden.

,,Gut, dann folgen wir ihnen."

Er wollte sie gerade abhalten, da zog sie ihre Hand bereits zurück. ,,Du kannst mich nicht aufhalten. Niemand kann das."

Valkan musste sich letztendlich geschlagen geben. ,,Also schön, aber pass auf dich auf. Deine Verletzung ist nicht von jetzt auf gleich verheilt."

Lydia setzte einen wissenden Blick auf und folgte dann den Spuren im Schnee. Dicht hinter ihr ging Valkan, welcher wieder den Ast als Waffe gehoben hielt. Lydias Puls stieg, je weniger verschneit die Fußspuren waren. Sie ließ drei weitere Tannen hinter sich, trat dann hinter eine höhere Reihe Holzstämme und wollte gerade schreien, da hielt Valkan ihr rechtzeitig eine Hand vor den Mund. Die Königin stieß erschrocken die Luft aus, als der Indianer sicher ging, dass sie beide nicht mehr durch einen lauten Schrei verraten würde.

,,Götter im Himmel!"

,,Lydia..."

,,Valkan. Meine Leute, mein Dorf!" Die Königin traf der Schlag, als sie etliche ihrer Dorfbewohner von Nokard auf dem Boden liegen und winseln sah. Alle wirkten nicht mehr ganz lebendig. Sie warf sich in den Schnee und hob Symons Gesicht hoch. ,,Symon, hörst du mich? Bitte sag etwas." Lydia ließ ihn wieder los und sah dann ein weiteres bekanntes Gesicht. ,,Oh, David! Hörst du mich wenigstens?"

Der Mann nickte. Seine Hände glichen der Kälte von Eis. ,,Bitte...Hilfe...", brachte David hervor.

,,Wie kommt ihr hierher? Seid ihr verrückt im Schnee wegzulaufen?", fragte sie panisch. ,,Valkan, kannst du mir helfen? Sie brauchen Wärme, ein Feuer am besten."

,,Kein Feuer! Die Wachen könnten noch in der Nähe sein. Das waren sie sogar schon, als wir dein Volk gesucht haben."

,,Ich lasse sie aber nicht hier erfrieren!", entgegnete Lydia frustriert und hielt sich die verletzte Stirn.

,,Reg dich nicht auf, bitte. Wir finden eine Lösung."

,,Sieh sie dir an. Cheryl sieht bereits aus als würde sie kaum noch atmen und ihr Mann und all die anderen..." Lydia brach in Tränen aus.

Valkan wusste sich nicht anders zu helfen. ,,Ich hole die anderen aus dem Stamm, damit sie deine Leute in ihrem Zelt unterbringen. Einverstanden?"

Sie nickte und fiel ihm kurz um den Hals. Dann wandte sie sich wieder den Dorfbewohnern zu.

,,Sieh dir das nicht an. Es ist schrecklich genug", meinte Valkan und drehte ihr Gesicht leicht weg.

,,Nein, Halt", wehrte sich die Königin. ,,Die Kinder fehlen! Wo sind die Kinder?!" Sie schlug die Hände an ihr ebenso kaltes Gesicht. ,,Valkan, Zoera und die anderen Kinder sind weg! Was ist, wenn sie tot sind?!"

Der Indianer versuchte sie zu beruhigen. ,,Leise! Wir holen jetzt die Leute aus dem Stamm und schaffen deine Leute aus dem Schnee. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Lydia, hörst du was ich sage?"

Die Königin erstarrte und deutete hinter dem Indianer ins Leere. ,,Siehst du auch den König da? Das ist sein Wappen gewesen!"

Er drehte sich um. Nichts war zu sehen. ,,Du halluzinierst, da ist niemand", versicherte er und trug sie zurück in das Tipi.

15. Die Kinder

 ,,Mensch Zoera ich kann wirklich nicht mehr weiter."

,,Stell dich nicht so an, Merltin!", entgegnete das Mädchen wütend. Auch wenn sie versuchte die Anführerin zu spielen, zweifelte sie selbst an ihrer Idee, von ihren Eltern abgehauen zu sein. Dennoch baute sie sich jetzt in voller Größe vor ihm auf. ,,Ich habe dir doch gesagt, dass wir ins Schloss gehen, diesen Asimi in seinen königlichen Hintern treten und ihn aus Nokard vertreiben. Das ist die einzige Chance unsere Familien zu retten."

Merltin schüttelte den Kopf. ,,Viel zu riskant! Denk doch mal nach. Was die Erwachsenen nicht schaffen, schaffen wir erst recht nicht."

Einige Kinder um sie herum nickten zustimmend.

,,Er hat Recht, Zoera. Lass uns lieber umkehren bevor wir von den Wachen erwischt werden."

,,Wie bitte?!", platzte es aus ihr. ,,Vinny, ich dachte du bist auf meiner Seite...Das dachte ich von euch allen, ansonsten wärt ihr mir doch nicht gefolgt!"

Der braunhaarige Junge namens Vinny senkte den Kopf. ,,Wir waren eben verzweifelt und sind Hals über Kopf losgegangen..."

,,Ich wusste es. Auf euch kann man sich eben doch nicht verlassen. Ihr könnt ja zurück zu den Erwachsenen gehen. Ich rette jetzt dieses Königreich", sagte Zoera fest entschlossen. Wut flammte in ihren Augen auf, während sachte die Schneeflocken auf ihr rötliches Haar fielen und es weiß aussehen ließen.

,,Wir halten immer zusammen, das weißt du. Nur du musst doch erkennen, dass uns das hier unser Leben kosten kann", erinnerte Merltin schroff. Er zog den Umhang seines Vaters dichter an sich und sah erneut in den Himmel. Das tat er immer, wenn es schneite. Eigentlich ist er ein Freund davon im Schnee zu spielen, am liebsten mit all den anderen Kindern. Doch dies war ihm nun wirklich zu kalt, vor allem, da sie nichts zum Wärmen hatten.

,,Ist gut, geht einfach!" Zoera bemühte sich durch den hohen Schnee zu kommen, da sie viel zu klein war, um einfach so über ihn herzulaufen.

Genervt drehte sich Merltin um und sah die weiße Schneedecke gemischt mit einer aufsteigenden Nebelbank hinter sich. ,,Wo geht es eigentlich zurück?"

,,Wir können nicht umkehren also kommt mit mir", warf Zoera ein. Sie hielt kurz an, um die anderen zu sich zu winken. ,,Kommt ihr jetzt oder auf was wartet ihr?"

,,Also schön." Merltin zerrte Vinny mit sich und die anderen Kinder folgten ihnen.

 

 

Der Schnee und der Nebel wurden immer dichter, je weiter sie voran gingen. Langsam wussten sie gar nicht mehr, ob vor ihnen ein Baum oder doch schon ein Turm des Palastes war. Der Nebel schloss alles in sich ein, Bäume, Wiesen, Täler und vor allem stahl er die Sicht.

Die Tochter von David lief wieder voraus. Der Schnee knirschte unter ihren schwarzen Schuhen die ganze Zeit über, bis plötzlich der Boden unter ihr nachgab und sie in noch mehr Kälte getaucht wurde. Sie fing vor Schreck an zu kreischen. ,,Hilfe! Irgendetwas hat mich!"

,,Das ist nur das Wasser!", beruhigte sie Vinny, als er sie erreichte. ,,So wie es aussieht haben wir den Fluss erreicht.

,,Komm, nimm meine Hand", sagte Merltin zu Zoera und zog sie aus dem halb gefrorenen Äja Fluss.

,,D-Danke", stotterte das Mädchen frierend und patschnass. ,,Wenn ich jetzt immer noch lebe, haut mich nic-chts meh-h-r aus de-en S-Socken."

Die Jungen brachten ein Grinsen zustande. ,,Sehr witzig. Siehst zu jetzt vielleicht, dass das eine schlechte Idee war? Das wir den Fluss erreicht haben bedeutet nur, dass wir komplett falsch laufen."

Ein etwas größeres Mädchen trat vor. ,,Wieso?! Wir können der Strömung in Richtung Schloss folgen."

,,Siehst du vielleicht irgendetwas bei diesem Nebel, Kandra?", erwiderte Vinny energisch.

,,Nicht direkt, aber wenn ich eine Hand in das Wasser tauche, dann fühle ich die Richtung der Strömung." Noch während sie den Satz aussprach, hockte sie sich an das Ufer, hielt die rechte Hand in das Wasser und nickte kurz. ,,Wir müssen in die Richtung", verkündete sie stolz. Das braunhaarige Mädchen schüttelte sich das Wasser von der Hand und lächelte.

,,Wenigstens können uns die Wachen von Asimi bei dem Nebel nicht sehen", seufzte Vinny.

,,Meine Lippen sind bestimmt schon blau", murrte Zoera schließlich, als sie Kandra folgten.

,,Ach, jetzt beschwerst du dich? Bisschen spät was?", fragte Merltin triumphierend. Doch sein Triumph hielt nicht lange an, als er Geräusche hörte. ,,Was war das?!" Er drehte sich hin und her. Nichts, außer Nebel.

,,Keine Ahnung, aber ich habe es auch gehört", bestätigte Kandra erschrocken.

Zoera hatte mit einem Mal ihren Mut wieder und besonders die Stärke die anderen anzuführen. ,,Bleibt dicht bei mir!", zischte das Mädchen.

Die Kinder rückten alle dichter zusammen. In der Ferne tauchte ein kleiner Lichtpunkt auf, der immer größer zu werden schien je länger sie hinsahen. Sie wichen mehrere Schritte nach hinten. Das orangene Licht kam näher. Sie traten sich beinahe auf die Füße. Das Licht kam noch näher.

,,Das sind die Entflohenen!" Ein lautes Wiehern und ein großes Pferd kam vor ihnen zum Stehen.

,,Das sollen deine Entflohenen sein? Das sind Kinder, du schlauer Ritter!", schallte Pywals Stimme durch den Nebel. Er hielt die Fackel auf die kleinen Gestalten vor sich gerichtet.

,,Aber begreifst du denn nicht?! Die Kinder da gehören doch bestimmt zu diesem Pack von Dorfbewohnern!", widersprach Ranzord sofort.

,,Die haben sich sicher auch verlaufen", flüsterte Vinny zu Zoera. ,,Ich hatte gehofft, dass sie uns nicht finden."

,,Ich auch." Sie löste sich aus der Menge und trat vor die Ritter. ,,Was denken Sie sich eigentlich unsere Familien und die Königin zu bedrohen?!"

Die Ritter sahen sie etwas skeptisch an. Ranzord beugte sich auf seinem stattlichen Pferd vor. ,,Sag mal Kleines, du scheinst mir nicht gerade auf den Mund gefallen zu sein."

,,Aber ins Wasser, so klatschnass, wie sie aussieht", lachte Xander. Vor ihm fürchteten sich die Kinder noch immer am meisten. Sie konnten nicht sagen, ob sie sein Lachen hassten oder mehr seine grausame Art mit Menschen umzugehen.

,,Nicht witzig", entgegnete Zoera. ,,Bringt uns jetzt zu Asimi. Wir wollen mit ihm reden."

,,Wie? Reden mit Asimi? Du hast ja Nerven", lachte Xander. ,,Huh, mir kommen die Tränen. Nie habe ich so gelacht, Kleines." Dann wurde er wieder ernst. ,,Ich sage dir jetzt mal was. Ihr kommt höchstens als Gefangene ohne Redeerlaubnis zu dem König, damit wir uns eure Eltern schnappen können und sie uns allesamt vom Hals schaffen können." Der Ritter setzte einen finsteren Blick auf. Der Nebel um ihn herum passte sich genau seinen Umrissen an.

,,Wir denken gar nicht dran! Lauft!", brüllte Vinny so laut er konnte.

Sofort rannten mehrere Kinder in die entgegengesetzte Richtung der Ritter, sodass der Nebel sie verschlang und sie für die Reiter unsichtbar wurden.

,,So ein Mist!", knurrte Ranzord. ,,Wir müssen denen nach!"

,,Los!", befahl Xander und sie machten sich auf die Suche.

 

 

Die Kinder rannten so schnell ihre erschöpften Beine sie noch tragen konnten.

,,Hey, ich...ich kann wirklich nicht mehr!", hechelte Merltin und machte eine abweisende Handbewegung.

,,Die haben wir bestimmt auch vorerst abgehängt." Kandra sah sich aufmerksam um und lauschte. Nichts war mehr zu hören. ,,Womöglich sollten wir...", sie brach den Satz ab, da sich auf einmal ein Messer vor ihrer Kehle befand. Erschrocken kreischten einige der Kinder.

,,Still! Wachen hier her, ich hab sie!"

Die Ritter sprangen aus dem Nichts hervor und hatten die Pferde wohl irgendwo in dem Unwetter zurückgelassen.

Der riesige Ritter näherte sich. ,,Asimi?! Ist das etwa Ihre Stimme?!", platzte es erstaunt aus Xander.

,,Natürlich welche denn sonst? Wenn ihr nichts auf die Reihe bekommt muss ich eben raus in dieses Wetter und die Sache selbst in die Hand nehmen."

,,Bitte...nicht...", stammelte Kandra vorsichtig.

,,Ruhe jetzt! Ihr da kommt jetzt brav alle mit mir ins Schloss! Keine Widerrede oder..." Der König brauchte den Satz gar nicht zu beenden. Sie wussten, dass er sie ohne jegliche Hemmung umbringen lassen würde. Das war das Letzte was sie wollten.

Die Königsgarde kreiste die Kinder mit erhobenen Schwertern ein und folgten dem König zurück in Richtung Schloss. Eigentlich waren sie sich gar nicht sicher, ob sie wirklich dorthin gingen, da es so nebelig war.

Zoera fragte sich wie Asimi es geschafft hat, sie in diesem dichten Schnee zu finden. Sogar seine Wachen hatten es nicht geschafft und nun brachte er sie alle zurück ins Schloss. Irgendetwas stimmte nicht außer der Tatsache, dass der König komplett den Verstand verloren hatte. Nein, Zoera war sich sicher, der König hatte mehr Geheimnisse, als die Garde über ihn wusste.

16. Lodernde Wut

 Aufgewirbelter Schnee wurde durch die Hufe der galoppierenden Pferde aufgewirbelt. Ihre Reiter saßen trotz eines Kampfes noch immer aufrecht im Sattel und hatten ein ernstes Gesicht aufgesetzt.

,,Wir müssten bald bei den Tipis sein!", rief Starker Kojote seinen Kriegern zu. Er sprach die Wahrheit, denn ein Indianer weiß immer, wo sein kleines Dorf aufgestellt wurde.

So erreichten sie kurze Zeit später die aufgestellten, verschneiten Tipis im Wald, stoppten ihre Pferde und sprangen herab. Ihre Füße vergruben sich genau wie die Hufe der Pferde im Schnee, als sie erst einmal standen.

,,Ich hoffe Sanfte Feder hat auch hierher gefunden", murmelte der Häuptling vor sich hin. ,,Der Stamm darf sich nicht noch mehr Verluste erlauben." Er sah traurig auf das dunkelgelbe Kopftuch, band sein Pferd an eine der umliegenden Tannen an und trat dann gemeinsam mit den übrigen Kriegern in sein Tipi.

,,Großer Manitu sei Dank! Ihr seid zurückgekehrt!", rief die Indianerin Candra dankbar.

,,Ja, wenn auch nicht vollständig." Der Häuptling erblickte Lydia und Valkan in seinem Tipi. ,,Ihr beiden habt es also auch geschafft. Wenigstens eine gute Nachricht."

,,Es gibt noch eine gute Nachricht! Die Dorfbewohner sind allesamt bei uns untergekommen und nicht mehr verschwunden", berichtete sie.

Die Königin setzte ein besorgtes Gesicht auf. ,,Doch, die Kinder sind verschwunden. Bei dem Wetter werden wir sie auch nicht finden...Wenn sie nicht schon dem König in die Arme gelaufen sind."

,,Sag das nicht, Lydia. Den König eben hast du dir nur eingebildet. Was sollte einer wie der hier Draußen im Wald ohne Königsgarde? Zumal er im Dorf gegen unsere Krieger noch mit seiner Garde  gekämpft hat." Valkan verschränkte die Arme und nahm den Blick seines Häutplings auf, welcher ebenfalls nicht mehr ruhig wirkte.

,,Kinder verloren in dieser Kälte?! Das wird ja immer besser...", seufzte dieser. ,,Ich muss mich Sanfter Feder jedoch anschließen. Ein Nichtsnutz von König wird wohl nicht einfach hier rumlaufen oder uns beim Kampf abgehauen sein."

,,Und wenn ich es Euch doch sage!", widersprach Lydia zornig.

,,Starker Kojote kann so keine Unterhaltung führen!" Der Häuptling verschränkte ebenfalls die Arme vor sich.

Erst jetzt sah die Königin das bekannte Kopftuch in seiner Hand. ,,Nein...Ich wusste es...Jemand von euch ist gestorben." Sie war den Tränen nahe. ,,Ihr konntet gegen diese Garde gar nicht gewinnen!"

,,Und doch haben einige es zurück geschafft", erinnerte der Häuptling ernst. ,,Wir selbst haben uns für einen Kampf entschieden, also sucht nicht die Schuld bei Euch."

,,Sobald das Wetter wieder besser ist werden alle Dorfbewohner und ich den Weg ins Schloss aufsuchen."

Valkan ballte die Fäuste. ,,Nein! Ihr bleibt hier bei uns! Das alles war nicht umsonst!"

,,Ich kann nicht noch mehr Tote von eurer Seite fordern", antwortete Lydia bitter.

,,Das war nicht dein Kampf, sondern unserer. Wie Starker Kojote eben sagte, es war nicht deine Schuld."

Nun unterbrach der Häutling die Diskussion. ,,Aufhören ihr beiden! Das Dorf von Nokard bleibt bei den Layandra, keine Widerrede. Sobald der Nebel nachgelassen hat machen wir uns auf den Weg um die Kinder zu suchen. Danach besorgen wir uns die Waffen und vernichten diesen König ein für alle mal." Während er das sagte, schlossen sich seine Finger fester um das dunkelgelbe Kopftuch seines verlorenen Kriegers, welches er vom Baum löste. ,,Noch besser wäre es, wenn wir sofort losgehen würden, aber der Gesundheitszustand Eurer Leute lässt das sicherlich nicht zu." Er sah kurz zu einem blassen Mann mit blondem Haar herüber.

Lydia nickte. ,,David wird außer sich sein, wenn er erfährt, dass seine Tochter verschwunden ist. Von Amarla will ich gar nicht erst anfangen. Es ist aber zu gefährlich und sinnlos bei dieser Sicht nach den Kleinen zu suchen."

Der Indianer stimmte ihr zu. Das erste Mal waren Starker Kojote und sie einer Meinung.

,,Dann also warten." Der Häuptling setzte sich auf den Boden seines Tipis und versuchte sich zu beruhigen. ,,Versucht zu schlafen, wir haben eine weite Reise vor uns."

 

 

Der nächste Tag wirkte vielversprechend weniger nebelig. Ein paar Sonnenstrahlen bahnten sich ihren Weg hinab auf Nokard zwischen den Tannen hindurch und ließen den Schnee glitzern.

Die Königin war bereits wach, erkundete vorsichtig die Umgebung und fand nicht allzu weit entfernt einen kleinen Bach. Dieser schlängelte sich zwischen mehreren grauen Felsen entlang. Lydia konnte bis auf den Grund sehen, da der Bach nicht besonders tief und das Wasser klar war. Sie lehnte sich gegen einen der Felsen und zeichnete mit den Fingern eine Krone in den kalten Schnee, welcher sich auf dem Stein ausgebreitet hatte. ,,Vollkommen versagt", sagte sie sich in Gedanken. Anschließend wischte sie mit ihrer ganzen Hand das Schneebild weg.

,,Hier bist du!"

Als sich die Königin umdrehte, sah sie Valkan.

,,Ich dachte schon du hast eine unüberdachte Aktion gestartet."

,,Habe ich das nicht schon die ganze Zeit über?"

,,Unsinn. Mach dir darüber später oder noch besser keine Gedanken. Wir wollen doch demnächst aufbrechen."

,,Ich kann das Dorf nicht mitnehmen auf den Weg ins Schloss. Erst muss ich sicher sein, dass Asimi sich hier nie wieder blicken lässt."

,,Du klingst wie der Häuptling. Sobald ihr den Namen Asimi aussprecht erscheint diese lodernde Wut in euren Augen", meinte Valkan.

,,Ist das so? Na dann mache ich ja mal was richtig." Sie stellte sich wieder aufrecht hin und blickte in Richtung Tipis. ,,Es ist wirklich besser, wenn wir nicht in einem riesigen Pulk wandern. Falls es zu einem weiteren Angriff kommt können wir nicht alle beschützen. Das möchte ich nicht riskieren, ansonsten hätten wir sie gar nicht erst retten brauchen."

Valkan sah ein wie ernst meinte und er sie nicht umstimmen konnte. ,,Wenn das deine Entscheidung ist, machen wir es so."

Die Königin lächelte. ,,Danke."

 

 

Nach einiger Zeit hatte Valkan mit Starker Kojote gesprochen und ihn dazu überreden können die Dorfbewohner in den Tipis zu lassen.

,,Gut, aber wir werden auch Frauen und Kinder von uns hier lassen", hatte er daraufhin gesagt.

Valkan war voll und ganz einverstanden damit. ,,Dann reiten wir los."

Einige Krieger des Stammes schwangen sich auf die Pferde, die über Nacht in mehrere Decken gehüllt wurden und ritten gemeinsam mit Lydia los.

,,Passt bitte gut auf mein Dorf auf!", rief sie Candra, die neben einem Heiler stand zum Abschied zu.

,,Werden wir!", bekam sie als Antwort.

Erneut wurde der Schnee durch die rasenden Pferde aufgewirbelt. Der Wind wehte ihnen durch die langen Haare, während sie nahezu über den kalten Schnee flogen. Die Sicht war ohne den Nebel deutlich besser, weshalb sie nun deutlich zügiger unterwegs sein konnten. Ab und zu riefen ein paar Krieger die Namen der Kinder, die Lydia ihnen vor dem Aufbruch mitgeteilt hatte.

,,Zoera! Merltin!", rief die Königin gerade in der Hoffnung gehört zu werden.

,,Kandra! Vinny! Sejo!", riefen die Krieger hinterher.

Der Wind schluckte alle Namen, aber er brachte keine Antwort.

,,Lass uns lieber in eine andere Richtung reiten. Allzu weit können die nicht gekommen sein. Es sind Kinder und gestern war es total nebelig."

,,Weshalb sie überall sein könnten", merkte Lydia an. ,,Chara! Imonia! Nefo!"

,,Wir werden sie schon finden." Valkan war guter Dinge die Kinder zu finden.

Sie ritten weiter, bis sie in eine Gegend von Bergen kamen.

,,Hier werden sie ganz bestimmt nicht sein", sagte einer der Krieger.

,,Was wenn doch? Wenn sich einer von ihnen etwas getan hat, haben wir nicht nachgesehen."

Valkan stieg vom Pferd. ,,Es ist viel zu schmal hier, um weiterhin die Pferde zu nehmen. Wir müssen zu Fuß weiter."

,,Was ist wenn sie geklaut werden?"

,,Wenn die Tiere jemand klaut?" Der Indianer lachte amüsiert. ,,Die klaut keiner. Jetzt komm endich."

Die Krieger folgten Lydia und Sanfte Feder in die felsige Gegend hinein. Teilweise ragten die Felswände so weit hervor, dass sie nur gebückt gehen konnten. Langsam wurden die schmalen Wege steiler und sie mussten aufpassen nicht abzustürzen. Nur an vereinzelten Stellen gab es eine Möglichkeit zum festhalten, die jedoch auch nicht besonders sicher wirkte.

,,Die Kleinen sind hier nicht, Ekatoa."

,,Deine negative Einstellung gefällt mir ganz und gar nicht", stellte der Häuptling seinen Krieger ruhig.

Dieser richtete sein rotes Kopftuch und schwieg.

,,Die Kinder sind klein genug hier einfach so durchzupassen." Der Häuptling bahnte sich seinen Weg weiter nach vorne. ,,Lasst mich mal sehen, was da hinten noch alles kommt." Er überholte Valkan und Lydia, die vor Schreck beinahe tatsächlich einen Abgang gemacht hätten und schirmte seine Augen mit einer Hand ab. ,,Nichts als Berge. Die Wege sehen auch nicht gerade ungefährlich aus. Vor allem jetzt, wo der Schnee vereinzelt noch liegt und alles glatt ist."

,,Wir müssen sie aber finden", platzte es aus Lydia. ,,Ich mache mir Sorgen um sie."

,,Verstehe ich ja, aber hier ist es so glatt, dass sie den Weg nicht weiter hätten gehen können." Er sah links in die Schlucht hinab. ,,Es sei denn, sie sind hier runter..."

,,Sie haben wirklich eine Begabung die Dinge schlimmer zu machen, als sie sind." Lydia drehte sich um. ,,Dann gehen wir eben zurück." Sie deutete den Indianern, die nun vor ihr standen, wieder umzudrehen. ,,Na los." In dieser Sekunde hörte sie Steine hinter sich fallen und jemanden abrutschen.

,,Starker Kojote!", schrie Valkan erschrocken.

Der Häuptling klammerte sich mit aller Kraft an einem schmalen aus der Felswand ragenden Stein.

,,Bei allen Göttern! Wartet, ich helfe euch!"

,,Nein, bleib da!", mahnte Valkan sofort. ,,Ich schaffe das schon." Kaum hatte er das ausgesprochen, verfehlte ihn knapp ein Stein, ließ ihn sein Gleichgewicht verlieren und stürzen.

,,Valkan!", kreischte die Königin. Sie klammerte sich an die Felswand. ,,Versucht euren Häuptling zu retten, dann kann ich nach Valkan suchen", orderte sie den Kriegern an. Unsicher starrte sie in die Tiefe. Von den Landkarten wusste sie, dass sie hier im Noskindy Tal war, also musste unten entlang irgendwo der Tero See sein, welcher in den Fluss überging. Sie konnte nur hoffen, dass er genau dort hineingefallen war und nicht allzu verletzt war. Auch das würde sie sich niemals verzeihen.

17. Die Worte des Fremden

Die Hände immer entlang der Felswand tastete sich die Königin zurück auf den Weg nach unten. Vorsichtig stellte sie den linken Fuß vor, bevor sie mit dem rechten nachrückte. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, als sich einer der Steine löste und den Abhang hinabrutschte. Kurz schloss Lydia die Augen, atmete durch und tastete sich dann weiter voran. Gerade hatte sie die linke Hand um eine Ecke Felswand gelegt, rutschte auch sie ab und fiel durch die Lüfte. Glücklicherweise konnte sie sich auf die Landung vorbereiten und landete mit einem lauten Platschen im See. Kurz tauchte sie in die Kälte und Dunkelheit des Sees unter, kreiste die Arme und schwamm schnell wieder an die Oberfläche. Lydia schüttelte den Kopf und fuhr sich mit einer Hand über das durchgefrorene Gesicht, um sich das Wasser aus den Augen zu reiben. Langsam aber sicher gewöhnten sich ihre Augen wieder an das Tageslicht. Sie sah sich um, während sie auf der Stelle schwamm. Nicht allzu weit entfernt von ihr trieb etwas seltsam aussehendes. Die Königin konnte sich nicht erklären was es war, deshalb schwamm sie schließlich hin.

,,Valkan!", rief sie überrascht und besorgt zugleich. Sie schwamm zu ihm hin und drehte den Körper des Indianers um, sodass sie ihn besser festhalten konnte. ,,Sag was, bitte." Lydia strich besorgt über Valkans Kopf. Als sie ihre Hand anschließend betrachtete, musste sie einen Schrei unterdrücken, denn diese war voller Blut. ,,Valkan, bitte!" Rüttelte sie weiter. Irgendwie mussten sie raus aus dem See. Die Königin griff mit einem Arm unter die Schultern des Indianers und ruderte mit der anderen vorwärts. Sie spürte, wie ihr Blut gefror und schaffte es kaum aus eigener Kraft an das Ufer zu schwimmen. Lydia sank ein wenig mit dem Gesicht in das kalte Wasser zurück und biss die Zähne zusammen. Sie musste es einfach schaffen. Das Ufer war bereits in Sichtweite als sie Inne hielt. Da stand jemand. Vielleicht gehörte er zu den Layandra, da er ins Wasser sprang und auf sie zu kam. Die Person streckte ihre Hand in Richtung Lydia, welche nach nur wenigen Schwimmzügen endlich vereint wurden.

,,Ich hole euch hier raus", sagte eine ihr unbekannte Stimme. Das Einzige was sie hören konnte war, dass es eine männliche Stimme war.

Die Person hielt Wort und half ihnen aus dem See. Lydia war heilfroh wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.

,,Königin Lydia, was machen Sie in diesem Gebiet?", fragte der Mann. Er hatte kurzes, braunes Haar, trug ein dünnes Hemd, einen dunklen Mantel und eine hellbraune Hose. An den Füßen trug er schwarze Stiefel.

Lydia sah, dass ein Schwert unmittelbar hinter Valkan lag. Es musste ihm gehören. ,,Woher wisst Ihr wer ich bin?"

,,Das war gar nicht meine Frage", entgegnete er trocken.

,,Ich bin auf der Suche nach Kindern...Den Kindern des Dorfes von Nokard", ergänzte sie sich. Die Königin hatte diesen Mann noch nie gesehen und wollte ihm nicht gleich alles anvertrauen.

,,Ihr denkt doch nicht wirklich, dass sich Kinder in solch einer Gegend aufhalten?" Er wirkte überrascht.

,,Eben doch, aufgrund des Nebels gestern." Sie sah hinab zu Valkan. ,,Lebt er? Könnt Ihr ihm helfen?"

,,Nicht so viele Fragen auf einmal." Der Unbekannte kniete sich vor den Inianer und fühlte nach dessen Puls. Nun nickte er zuversichtlich. ,,Er lebt. Falls er abgestürzt ist, hat er viel Glück gehabt."

Lydia atmete erleichtert aus. ,,Den Göttern sei Dank."

,,Dennoch solltet ihr nicht länger hier sein. Es ist nicht sicher und ich kann Ihnen sagen in dieser Gegend laufen keine Kinder umher."

,,Ihr kennt Euch hier aus?", fragte die Königin verwundert.

Der Mann nickte und hob sein Schwert auf. ,,Schon komisch jemanden an diesem Ort zu treffen. Hier kommen nur Menschen hin, die sich absolut mit Klettern auskennen oder sich komplett verlaufen haben."

,,Wir haben uns nicht verlaufen." Die Königin erhob sich und setzte eine ernste Miene auf.

,,Habe ich verstanden. Trotzdem ist es besser ihr verschwindet von hier."

,,Wer seid Ihr?"

,,Ich bin niemand...niemand Bestimmtes", gab er als Antwort von sich.

Lydia wurde zornig über das Verhalten des Mannes. Er kannte sie, also würde sie ihn auch gerne mit dem Namen ansprechen können. ,,Ich kann Valkan nicht den ganzen Weg zurück tragen", unterbrach sie das Schweigen.

,,Dann werde ich Euch..." Weiter kam er nicht, da die Krieger des Stammes den Weg zu ihnen gefunden hatten.

Die Königin erkannte den Häuptling und den Indianer mit dem roten Kopftuch allen voran. ,,Lydia! Sanfte Feder! Seid ihr verletzt?"

,,Ich nicht, aber Valkan schon", berichtete Lydia knapp. Sie wandte sich zu Valkans reglosen Körper und sah ansonsten nichts mehr. ,,Moment, wo ist der Mann hin?"

,,Welcher Mann?", hakte Starker Kojote nach. Er wirkte auf Lydia unverletzt.

,,Hier war eben jemand, der uns beide aus dem See gezogen hat. Er hatte braune Haare und schwarze Stiefel."

Die Blicke der Krieger sprachen Bände.

Die Königin von Nokard schluckte. ,,Ihr denkt ich bin verrückt, stimmt's?" Sie verschränkte die Arme vor sich.

,,Nein, aber es ist schon seltsam, dass Ihr wieder jemanden gesehen habt und sonst keiner", meinte der Häuptling knapp.

,,Ekatoa kann sich Starker Kojote nur anschließen", sagte der Indianer mit dem roten Kopftuch. ,,Es ist schwer den Worten Euer Glauben zu schenken."

Lydia fuhr sich durch das nasse, lange Haar. ,,Dann glaubt mir eben nicht. Helft Valkan und reitet dann weiter. Ich selbst fühle mich nicht stark genug, ihn zu tragen." Während sie an ihnen vorbeiging, musterte sie alle mit ihrer noch immern ernsten Miene.

,,Wenn die Frau nicht stark genug ist, dann spricht sie vielleicht doch die Wahrheit", meldete sich ein Krieger mit türkisem Haarband zu Wort.

,,Schneller Falke, widerspricht also den Worten des Häuptlings?", fragte Ekatoa spöttisch.

,,Niemals! Ich glaube auch nicht an Leute, die einfach so kommen und gehen wie Gespenster."

Starker Kojote hob die Hände. ,,Ruhe ihr zwei! Wir tragen gemeinsam unseren verletzten Bruder zu den Pferden zurück."

,,Hao", antworteten die Umstehenden im Chor und machten sich daran, Valkan hochzuheben.

 

 

Lydia hatte ihr Pferd bereits erreicht, als sie das ungute Gefühl bekam beobachtet zu werden. Sicher, es könnte an der unfassbaren Kälte liegen, aber sie war sich sicher, dass sie nicht den Verstand verlor. Aus diesem Grund schritt die junge Frau auf eine dichte Tanne zu und zuckte zusammen als diese sich von selbst bewegte.

,,Halt! Stehen bleiben!", rief sie. ,,Du kannst dich nicht ewig vor mir verstecken!" Die Königin rannte in die Richtung, in der sie die Gestalt vermutete. Lydia sah hinter jeder Tanne nach und sank dann erschöpft auf die Knie. Irgendetwas befand sich nun hinter ihr, das spürte sie sofort.

,,Was macht Ihr denn da? Kommt zurück!"

Die Königin legte vor Schreck die Hand auf die Stelle, wo sich ihr Herz befand. ,,Ekatoa, Ihr habt mich erschreckt. Ihr habt bestimmt die Person verscheucht. Ich hoffe Ihr seid nun zufriedengestellt", ärgerte sie sich.

,,Oder Euch vor dem dummen Fehler bewahrt einfach wegzulaufen und tiefer in den Wald hinein zu rennen. Ihr kennt Euch sicher nicht so gut aus, wie der Stamm. Außerdem müssen wir zusammen bleiben, sonst finden wir die Kinder nie."

Ob sie es wollte oder nicht, der Indianer hatte sicher Recht. Sie stand wankend wieder auf, während der Krieger von seinem Pferd sprang und ihr half. ,,Danke, ich schaffe das schon", murmelte sie.

,,Keine Widerrede Majestät. Ihr braucht Euch nicht als stark auszugeben, das tun wir schon."

,,Ihr tut nur so?"

,,So hab ich das nicht gemeint...Wir Layandra sind stark." Er stützte die Königin solange bis die anderen mit ihrem Pferd angeritten kamen. ,,Und noch etwas...Wenn Ihr wirklich jemanden gesehen habt, dann war es bestimmt irgendein Fremder Kauz."

,,Er schien mich zu kennen", erklärte sie ihm.

,,Traut niemals den Worten eines Fremden." Mit diesen Worten half Ekatoa ihr auf das Pferd.

Auf dem Rücken ihres Pferdes dachte Lydia über die Worte des Indianers nach. Dieser Mann vorhin war ihr vielleicht fremd, dennoch kannte er sie. Das hatte er sicher nicht gespielt. Woher sonst wusste er ihren Namen.

,,Als nächstes reiten wir in Richtung Äja Fluss! Seid aber vorsichtig, wir nähern uns dann bald dem Schloss", rief der Häuptling ihnen zu und riss somit die Königin aus den Gedanken. Sie würde sicherlich auf ihrer Reise noch mehrfach Menschen treffen die sie nicht kannte und die keiner außer ihr zu sehen bekam davon war sie überzeugt und während sie ritten hatte sie wieder das Gefühl beobachtet zu werden. War wirklich alles nur Einbildung?

18. Dunkler Wegweiser

 Kurz bevor die Königsgarde mit den Gefangenen den Fuße des Hügels erreichte auf dem das Schloss stand hielten sie an.

,,Wartet mal kurz!" Pywal hob eine Hand hoch und die anderen blieben stehen.

,,Was denkst du dir dabei jetzt anzuhalten?!", fauchte Xander ihn an. ,,Reicht es nicht, dass Asimi uns meilenweit voraus ist? Was wird er sagen, wenn wir seinen Fang nicht im Auge behalten?"

Pywal lauschte. ,,Mir war so, als hätte ich etwas gehört."

,,Nicht das schon wieder. Hör mir mal zu du Neunmalklug wir befinden uns immer noch in der Natur, da sind Geräusche vollkommen normal. Ich würde mir eher Sorgen machen, wenn es totenstill wäre." Xander zog die Zügel seines Pferdes zurück. ,,Ruhig!" Er klopfte dem Tier auf den Kopf. ,,Großartig, du erschreckst sogar meinen Gaul. Hoffentlich bist du jetzt zufrieden."

Doch Pywal schien ihm immer noch keine Aufmerksamkeit zu schenken. Er zog sein Schwert und rutschte vom Pferd. ,,Da ist doch etwas..."

,,Vollkommen richtig!", bekam er als Antwort. Ein Mann in einem schwarzen Umhang sprang auf ihn zu, schlug mit dessen Schwert das des Ritters aus der Hand, sodass es im hohen Bogen durch die Luft flog. Die Gestalt fing es auf und ließ beide Waffen in den Händen kreisen.

,,Ein Eindringling!", rief Xander, zog ebenfalls sein Schwert und kämpfte vom Pferd aus.

Dem Angreifer schien das gar nichts auszumachen, denn er wich den Hufen des Tieres gekonnt aus. Der große Ritter schwang sein Schwert erneut, um es diesmal direkt von oben in den Angreifer zu rammen und ihm jegliche Überlebenschancen zu nehmen. Doch der vermummte Mann drehte sich wie eine Schraube und wich wieder aus.

,,Verflucht! Ranzord, greif mit an!", befahl Xander zornig.

Der dritte Ritter kam ihm zur Hilfe, rechnete aber nicht mit den sehr guten Kampfkünsten seines Gegenübers. So wurde sein Angriff von hinten mit einem der Schwerter des Mannes gekontert. Dieser drehte sich nun leichtfüßig auf dem verschneiten Boden und schlug zu. Ranzord fiel rückwärts in den Schnee und sah nur noch eine Klinge über sich hertanzen. Er hob beide Hände und gab sich geschlagen.

,,Lasst die Kinder frei!", forderte der vermummte Mann.

,,Nicht solange ich stehe und kämpfe", knurrte Xander ihn an.

,,Na dann..." Der Angreifer drehte sich um neunzig Grad, bekam dadurch mehr Kraft in der Waffe und zog dem verdutzten Xander den Boden unter den Füßen weg.

Der Ritter fluchte und versuchte aufzustehen. ,,Männer, kämpft weiter! Was seid ihr bloß für Versager!"

Die drei Ritter der Königsgarde erhoben sich erneut und griffen an. Die Kinder konnten nur völlig gebannt zusehen und dem Fremden applaudieren, sobald er die Gegner auf den Boden warf.

,,Wie sieht es jetzt aus?", fragte der Mann, als er wieder einen Sieg errungen hatte.

Die Ritter waren außer Atem und konnten waren unfähig zu sprechen.

Diese Gelegenheit nutzte er aus und winkte die Kinder zu sich. ,,Ihr kommt mit mir. Das ist auf alle Fälle sicherer, als bei den Rittern zu bleiben."

Zoera meldete sich als Erste zu Wort: ,,Wieso sollten wir mit Ihnen mitkommen?"

,,Ich habe euch gerettet. Ihr glaubt doch wohl nicht, dass ich euch etwas tue, oder?"

Jungen und Mädchen schüttelten die Köpfe.

,,Na also." Er hob sie nacheinander auf die drei Pferde der Ritter. ,,Wir danken für die Spende der Hengste", sagte er grinsend an die Garde gewandt. Die Kinder mussten lachen, sahen aber zu, dass sie Land gewannen.

Der vermummte Mann hatte sein eigenes Pferd geholt und führte sie weg von dem Schlosshügel.

 

 

Im Galopp und dicht aneinander geklammert eilten die Kinder auf den Rücken der Pferde durch den Wald. Ab und zu verloren sie ihren Retter aus den Augen, da er so dunkel gekleidet war, dennoch fanden sie ihn nach einem Moment immer wieder. Als sie ihn wieder einmal verloren hatten, gerieten sie mit Entgegenkommenden zusammen. Die Pferde bäumten sich auf und drohten ihre Reiter abzuwerfen.

,,Ruhig, Weißer Nebel", beruhigte der Häuptling sein Pferd.

,,Zoera! Vinny! Ich glaube es nicht, ihr seid alle da!", rief Lydia vor Freude.

Die Kinder waren ausgerechnet mit ihren Suchern aneinander geraten.

,,Königin Lydia!" Das rothaarige Mädchen quietschte begeistert.

,,Wir haben euch endlich gefunden." Lydia hielt nichts mehr auf dem Pferd und schon wenige Sekunden später hielt sie die vermissten Kinder in den Armen. ,,Was habt ihr euch denn gedacht, abzuhauen?"

,,Wollten wir wirklich nicht...Zumindest hinterher nicht mehr", stammelte Vinny verlegen.

,,Wir wollten Asimi aus dem Land scheuchen", beichtete Zoera.

,,Wie bitte? Ihr...Kommt her." Erneut drückte sie die jungen Menschen. ,,Mit dem König legt ihr euch bitte nicht an. Eure Eltern brauchen euch. Überlasst dies erfahrenen Kämpfern. Ihr seid machtlos gegen ihn." Lydia sah in die traurigen Augen. Sie schienen es zu bereuen abgehauen zu sein.

,,Geht es unseren Eltern gut? Wo sind sie?" Die Königin bemerkte, dass Kandra an ihrem Arm zerrte.

,,Ihnen geht es gut. Der Stamm der Indianer hat sie bei sich aufgenommen und versorgt sie gerade."

,,Wie konnten die kleinen Menschen uns finden?", fragte Ekatoa in diesem Moment.

Kandra blickte ihn an. ,,Ein Mann hat uns gerettet! Ihr hättet sehen müssen wie gut der gekämpft hat!" Ihre blauen Augen funkelten, während sie erzählte. ,,Der hat die Ritter alle auf den Boden befördert und das immer wieder. Sogar den größten von ihnen, diesen Xander."

,,Xander? Ihr seid der Garde in die Hände gefallen?" Die Stimme der Königin klang zwei Tonlagen höher.

,,Ja, aber jetzt sind wir wieder frei."

,,Das hätte komplett schief gehen können", belehrte sie Lydia. ,,Ihr sagt ihr habt einen Mann gesehen? Wie sah der denn aus?"

,,Keine Ahnung, der war vermummt in einen schwarzen Umhang. Wir haben ihn leider aus den Augen verloren. War vielleicht besser so, sonst hätten wir euch nicht gefunden." Kandra umarmte die Königin strahlend.

,,Jetzt wollen uns die kleinen Menschen weismachen, dass sie auch einen Mann gesehen haben den sie nicht kannten", stellte Ekatoa skeptisch fest.

,,Wir haben ihn gesehen, wirklich."

,,Schon gut, sie glauben euch nicht. Genauso wie sie mir nicht geglaubt haben", tröstete Lydia das Mädchen.

,,Das ist gleich zweimal derselbe Zufall. Starker Kojote hat seine Meinung geändert. Dieser Mann existiert wirklich."

Lydia wusste nicht, ob sie sich über diesen Sinneswandel freuen sollte oder nicht. ,,Schön, dann sind wir jetzt einer Meinung."

,,Wir sollten die Kinder zurückbringen und dann nach diesem Fremden suchen. Er könnte uns bestimmt helfen, Asimi vom Thron zu stürzen", beschloss der Häuptling.

Die bedrohlich wirkenden Indianer um ihn herum hoben zur Zustimmung eine Hand vor sich.

,,Den finden wir mit großer Sicherheit nicht." Die Königin ging hinüber zu Valkans Pferd. ,,Wir sollten trotzdem zurück zu den Tipis. Euer Bruder braucht Hilfe."

,,Wir müssen ihn vielleicht gar nicht finden. Er findet uns." Ekatoa machte ein vielsagendes Gesicht.

,,Dann reiten wir!", rief Starker Kojote, machte eine Handbewegung in Richtung Norden, ritt voraus und alle ihm nach.

Lydia hoffte, dass sie den fremden Mann bald finden würden oder identifizieren könnten. Nur zu gerne wüsste sie was es mit ihm auf sich hat und ob es derselbe war, der sie auch aus dem See Tero gezogen hatte.

19. Verzweifelte Handlung

 ,,Asimi macht Spielzeugritter aus euch wenn er erfährt, dass ihr die Kinder habt laufen lassen!", fauchte Ecklard die zerzaust aussehenden Ritter an. Xanders, Ranzords und Pywals Rüstungen waren voller Kratzer, die das Schwert des Angreifers hinterlassen hatte.

Pywal nahm den Helm von seinem Kopf, schüttelte sein schulterlanges, graues Haar und setzte eine finstere Miene auf. ,,War nicht unsere Schuld! Dieser komische Kerl hat uns angegriffen und er hat verdammt gut gekämpft."

,,Ich hoffe du hast gerade nicht wirklich deinen Feind gelobt?", fragte Ecklard skeptisch.

,,Was er damit sagen wollte war doch nur, dass wir keine Chance hatten", mischte sich Xander ein. ,,Auch du hättest den Kerl nicht umgehauen. Solch eine Kampfweise habe ich noch nie gesehen...Der König wird uns das kaum glauben, immerhin haben wir ihn noch im Wald gesehen und er musste uns die Arbeit abnehmen."

,,Großartig, ihr lasst Asimi eure Arbeit machen? Vielleicht ist er deswegen so komisch drauf." Ecklard kratzte sich am Kopf.

,,Was soll das heißen, komisch drauf? Wir haben ihn bereits vor einer Weile fortgehen lassen."

Der unbeschädigte Ritter wandte sich dem Eingangsportal zu und deutete mit dem Kopf in dessen Richtung. ,,Kommt mit und seht es euch selbst an."

Verwirrt folgten ihm die drei anderen. Sie konnten sich den mächtigen Asimi keineswegs in einer komischen Lage vorstellen. Er sprach stets Machtworte und unterdrückte andere darüber waren sie sich bewusst. Das haben seine Ritter zuletzt im Wald zu spüren bekommen. Xander war froh darüber nicht sofort vom König umgebracht worden zu sein. Um ehrlich zu sein wirkte er aber auch dort weniger wütend als sonst, doch wollte der Ritter das nicht wahr haben.

 

 

Nachdem sie endlich den Thronsaal von Nokard erreicht hatten, sahen sie König Asimi auf dem Thron sitzen. Xander, Pywal und Ranzord fanden auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches daran, bis sie näher hinsahen. Asimis Krone saß schief zwischen wirrem Haar, welches fast genauso aussah, wie das seiner Garde nach dem Kampf gegen den Unbekannten. Sein Umhang sah aus wie der einer Königin und das beige Hemd war falsch geknöpft. Der König starrte ins Leere und sah nicht aus, als hätte er sich vor einigen Stunden von der Stelle bewegt.

Ecklard räusperte sich. ,,Euer Hoheit, drei Ritter Eurer Garde sind zurück. Es gibt allerdings schlechte Neuigkeiten..."

Asimi, mit der linken Hand den Kopf gestützt zeigte wenig Interesse seinen Wachen Aufmerksamkeit zu schenken. So hofften die drei ohne Strafe davon zu kommen. Die restlichen Ritter standen alle im Thronsaal unter den Gemälden verteilt und blinzelten ab und zu zum König.

,,Warum sind die Ritter nicht im Schloss aufgeteilt um Wache zu schieben?", fragte Xander verwundert.

,,Anordnung des Königs", antworteten diese sofort.

Der große Ritter wechselte einen Blick mit seinem Freund Ecklard.

Dieser zuckte die Achseln. ,,Euer Hoheit...Die Gefangenen sind entkommen", setzte er erneut an.

Asimi rührte sich immer noch nicht.

,,Lebt er noch?" Pywal ging auf den König zu, da hielt ihn Ecklard auch schon zurück.

,,Komm ihm nicht zu nahe. In den letzten Tagen ist er schon so scheu uns gegenüber."

,,Und weshalb lässt er euch dann alle hier sein?" Langsam wurde auch Ranzord skeptisch.

Ecklard zuckte mit den Schultern. ,,Das ist eben die Frage, die sich jeder stellt."

,,Und was hat er im Wald gemacht, als wir uns die Kinder schnappen wollten? Wir haben ihm im Dorf gesagt er soll ins sichere Schloss zurück und uns die Arbeit machen lassen."

,,Ich weiß es nicht. Außerdem kann das gar nicht sein, schließlich saß er die meiste Zeit hier. Wir haben ihn gar nicht weggehen..."

,,Seid ruhig!", brachte der König hervor, unterbrach Ecklard und jagte damit allen einen Schrecken ein.

,,Euer Hoheit." Die Ritter verbeugten sich tief.

Als hätte jemand einen Schalter umgelegt, begann Asimi sich wieder zu bewegen und sein gewohntes Ich wieder zu finden. ,,Wo seid ihr gewesen?!"

,,Wir wurden angegriffen", begann Pywal mit seiner rauen Stimme. ,,Es war aber sicherlich keiner von diesen Dorfbewohnern, da die keine Waffen haben können."

,,Der Waffenkeller ist allerdings gerade nicht bewacht, weshalb ich das nicht ausschließen würde", warf Ecklard ein.

Asimi erhob sich in voller Größe von dem Thron. ,,Was soll das? Zweifelt ihr etwa an meiner Art und Weise meine Garde einzusetzen?!"

Die Männer schüttelten gleichzeitig die Köpfe.

,,Besonders du Ranzord solltest aufpassen was du sagst. Sei froh, dass ich dich noch am Leben gelassen habe, nachdem was du alles getan hast."

Ecklard sah verwundert drein. Der König hatte ihn doch angesehen und nicht Ranzord. ,,Euer Hoheit, ich bin Ecklard." Er deutete nach rechts. ,,Das ist Ranzord."

,,Weiß ich doch, weiß ich doch. Nervt mich nicht!", knurrte Asimi.

In diesem Moment trat Quirin in den Thronsaal. In seiner Hand hielt er einen Trinkpokal. ,,Majestät, ich habe Euren Wein besorgt", verkündete er.

Xander hielt sich eine Hand vor die Stirn. Wie konnte man nur so dämlich sein wie dieser Berater den sich der König da gesucht hatte.

,,Was für Wein? Ich habe kein Getränk bestellt! Sieht jetzt mal jemand nach, ob Waffen gestohlen wurden? Raus, raus, alle raus!" Der König sah schon leicht albern aus, wie er da im Umhang von Lydia herumlief, mit schiefer Krone auf dem Kopf die Befehle gab und gleichzeitig seine volle Macht ausüben wollte.

,,Mit dem stimmt doch was nicht", stellte Xander fest, als donnernd die Türe hinter ihnen geschlossen wurde.

Die ahnungslosen Wachen standen nun ohne jeglichen Befehl vor dem Thronsaal.

,,Wer geht jetzt in den Waffenkeller?", fragte Pywal.

,,Ich gehe", meinte Ranzord. ,,Kompliziert genug das alles", murmelte er genervt.

,,Was machen wir jetzt solange?", fragte Xander. ,,Du hast doch die ganze Zeit bei Asimi verbracht. Sag du uns, was jetzt passiert."

Ecklard wusste es selbst nicht so genau. ,,Das kommt darauf an, wie er gelaunt ist."

Xander lachte. ,,So wie der aussieht bekommt der alleine nichts mehr auf die Reihe. So lange waren wir doch gar nicht weg, dass er sich nun so herunterkommen lassen muss."

,,Ich weiß nicht, was da los ist. Vielleicht sollten wir abwarten oder diesen Quirin fragen. Seinem Berater wird er doch wohl noch Geheimnisse anvertrauen." Er drehte sich nach links und dann nach rechts. ,,Wo ist der eigentlich?"

Pywal deutete mit einem Daumen über die Schulter auf die Türe hinter sich.

,,Der ist noch da drinnen? Na dann knöpfen wir uns den erst recht vor."

 

 

Erst nach Stunden öffnete sich die Türe zum Thronsaal wieder. Asimi sah ziemlich wütend aus. Er schickte seine Garde diesmal nicht weg, schrie sie nicht an, sondern erteilte ihnen einfach nur einen Auftrag. ,,Brennt das Dorf nieder."

Die Ritter verschluckten sich teilweise und glaubten sich verhört zu haben. ,,Entschuldigen Sie, Hoheit, aber das können wir nicht."

,,Wieso nicht? Muss ich euch jetzt erklären, wie man Feuer macht oder was?!"

,,Nein, aber wenn Ihr das Dorf abbrennen lasst, kann das Feuer sich auch auf die Umgebung ausbreiten. Der Wald kann mit abbrennen und auch die Bäume hier rauf bis zum Palast. Ich rate Euch davon ab."

,,Ihr denkt wohl, dass ich diese Dorfbewohner am Leben lasse, damit sie mich bestehlen, mich töten und danach wieder in ihre Häuser können!" Asimi stemmte die Hände in die Hüften. ,,Ich sage euch mal etwas. Wenn ich Ratschläge brauche bekomme ich die von meinem Berater, der gleich hinter mir steht." Er deutete in den Thronsaal. ,,Also gehorcht mir oder..."

Jetzt erschien Ranzord wieder, der aus dem Waffenkeller zurückgekehrt war. Nicht, um zuvor einen Abstecher in der Küche gemacht zu haben. ,,Es wurde nichts gestohlen, Majestät. Es konnte also wirklich keiner der Dorfbewohner gewesen sein."

,,Das bedeutet, es war dieser Fremde...der die Geschichten über mich erzählt", knurrte Asimi und fasste sich an den Kopf. Er wirkte beinahe wahnsinnig. ,,Setzt ihm ein Zeichen und brennt endlich dieses Dorf nieder!"

,,Ihr wäret dann genau wie der König Wylland."

Asimi musterte Xander von Kopf bis Fuß. ,,Heiße ich Wylland?"

,,Nein."

,,Sehe ich aus wie Wylland?"

,,Nein, aber..."

,,Na dann hat sich das doch geklärt", beendete der König die Unterhaltung mit seinen Rittern und zog sich erneut in den Thronsaal zurück.

,,Was machen wir jetzt?", fragte Ranzord irritiert.

,,Na was schon...Wir müssen jetzt ein großes Feuer entzünden und hoffen, dass wir dabei nicht auch noch draufgehen."

20. Schattennebel

 Lydia wachte in einem der großen Tipis auf, in dem sie untergekommen war. Heute Nacht hatte die Königin besonders gut geschlafen jetzt wo ihr Dorf bei den Layandra war. Der Stamm der Indianer konnte freundlicher gar nicht sein. Oft dachte Lydia an den Tag, an dem sie Valkan zum ersten Mal gesehen hatte oder den Rest des Stammes traf. Relativ schnell fühlte sie sich als ein Teil einer noch größeren Familie, als das Königreich von Nokard ohnehin schon war. Zugegeben, es lebten mehr Erwachsene im Dorf und es waren nicht einmal hundert, doch jeder von ihnen bedeutete Lydia sehr viel. Gedankenverloren nahm sie die Felldecke mit der rechten Hand und warf sie nach hinten, um leichter aufstehen zu können. Die anderen Mitbewohner schienen bereits alle auf den Beinen zu sein. Die Königin streckte kurz beide Arme aus, gähnte herzhaft und zog sich anschließend ihren Umhang wieder um. Gerade hatte sie den Knoten zusammengebunden, da erschien Valkans Gesicht am runden Eingang des Tipis.

,,Guten Morgen."

Lydia wünschte sich, dass er lächeln würde, doch das tat er nicht. Verwundert legte sie den Kopf schief. ,,Alles in Ordnung?"

Der Indianer reichte ihr eine Hand. Noch immer irritiert nahm sie die Hand entgegen und trat hinaus. Hier war von Ruhe gar keine Spur mehr. Sowohl die Indianer, als auch die Dorfbewohner standen verstreut vor den Tipis und starrten gebannt in den Himmel. Als Lydia dorthin sah stieg die Nervosität in ihr wieder, dabei hatte sie so sehr gehofft, dass das erstmal ein Ende hat. Zumindest ein kurzes. Der Horizont war weder blau, noch gräulich vom Nebel, sondern schwarz. Die Wolken wirkten dunkelgrau und hatten jegliches weiß verloren.

,,Götter, was ist das?", platzte es erstaunt aus der Königin.

,,Beim Manitu, können Sie das erklären?!" Der Häuptling kam dicht gefolgt von zwei weiteren Indianern auf Lydia zu. Offenbar konnte er sich das Ganze auch nicht erklären.

Die Königin sah ihr Volk. Sie alle waren da und wieder machte sie sich Sorgen um sie. Sie ließ sich mit der Antwort so lange Zeit, dass Starker Kojote bereits mit der Hand vor ihren Augen wedelte, um auf sich aufmerksam zu machen.

,,Verzeihung", antwortete Lydia. ,,Ich kann mir das wirklich nicht erklären. David..." Die Königin lächelte zur Begrüßung, als sie das vertraure Gesicht sah.

,,Euer Majestät." Er verbeugte sich flüchtig. ,,Eigentlich wollten wir alle uns bedanken, dass Ihr unsere Kinder wiedergefunden habt." Der junge Mann reichte zunächst ihr die Hand, dann wandte er sich an den Häuptling. ,,Bei Ihnen wollen wir uns auch bedanken."

Starker Kojote starrte verwirrt auf die Hand des Mannes. ,,Kein Problem für die Layandra", versicherte er und hielt die flache Hand in die Luft.

David blickte auf die Haltung des Indianers und versuchte sie nachzuahmen.

Ekatoa lachte und auch Valkan konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen.

,,David, ich würde mich gerne um euren Gesundheitszustand vergewissern, aber das da oben sieht mir doch ernster aus." Lydia sah bedrückt aus.

,,Wo kommt das nur her? Es gibt doch keinen schwarzen Nebel oder sowas oder?", hakte David nach, der es inzwischen aufgab dem Indianer zu danken.

,,Nein, den gibt es nicht. Wie die Layandra sagen, Schattennebel ist ein Zeichen von einem großen Feuer oder einem kreisenden Wind."

,,Großes Feuer?" Lydia wurde blass. ,,Das Schloss ist Stunden von hier entfernt, die Garde könnte allerdings unser Feuer sehen, wenn wir ihres sehen könnten. Die haben doch wohl nichts Größeres angezündet?" Sie fuhr sich nervös durch die langen Haare.

,,Was versteht die Frau namens Lydia unter größer?", fragte ein Indianer mit einem grau-weißem Kopftuch um die Stirn.

,,Darunter verstehe ich, dass Asimi oder die Garde beispielsweise ein Haus angezündet hat." Nachdem sie es ausgesprochen hatte begannen ihre Finger zu zittern. ,,Aber wenn sie ein Haus angezündet haben...Das Dorf...Alles brennt..."

Valkan trat neben Lydia und legte ihr eine Hand auf die rechte Schulter. ,,Sanfte Feder versteht die Sorgen von Lydia. Sie meint, dass sobald ein Haus brennt, das Feuer auf den Wald übergreifen kann."

,,Schande über diese Bleichgesichter im Schloss!", fluchte Ekatoa.

,,Osvo versteht ebenfalls", nickte der Krieger mit dem grau-weißen Kopftuch. ,,Ich kann mir nicht erklären, wie Bleichgesichter zu sowetwas fähig sein können." Er verschränkte die Arme vor sich.

Lydia klammerte sich besorgt an Valkan. ,,Nicht nur der Wald und das Schloss kann und wird brennen. Wir werden brennen, wenn wir nicht hier verschwinden."

Erschrocken umfasste er nun um ihre beiden Schultern. ,,Weißt du einen Ausweg aus diesem Wald? Hört dieser irgendwo auf?"

,,Das ist damals nur knapp gut gegangen. Das Feuer wurde rechtzeitig erkannt und gelöscht, aber jetzt kann es seit Stunden brennen und kommt bestimmt immer näher. Valkan, weißt du wie schnell sich das ausbreiten kann..."

,,Sieh mich an. Denk nicht an das, was passieren kann, sondern sei im hier und jetzt."

Lydia bemühte sich auf den Indianer fokussiert zu bleiben.

,,So ist es gut. Kennst du einen Ausweg aus diesem Wald? Den Weg, den der Stamm gewählt hat führt nur durch noch mehr Wald. So viele Pferde haben wir nicht."

,,Der Fluss", flüsterte Lydia, schluckte und wiederholte sich, ,,Der Äja Fluss!"

,,Wasser ist der Feind des Feuers. Hoffentlich schaffen wir es."

,,Alle herhören! Wir brechen umgehend auf, versucht ein paar der Tipis mitzunehmen und etwas von unseren Sachen! Wir werden in Richtung Fluss gehen und diesen durchqueren, um dem Feuer zu entkommen. Sind wir auf der anderen Seite, ist die Gefahr vorerst Geschichte", erklärte Valkan den Umstehenden.

,,Hao. Machen wir es so", bestätigte der Häuptling.

Dorfbewohner und Indianer rannten hektisch hin und her. Jede Sekunde zählte schließlich zum Überleben.

 

 

Mit den Kindern und den Schwächeren auf den Pferden war die Gruppe schnell unterwegs, selbst wenn der Schnee nicht gerade niedrig war. Lydia rannte ebenfalls direkt neben Valkan und Ekatoa. Sie drehte sich immer wieder um, sah in den Himmel und wie die dunklen Wolken sich weiter ausbreiteten. Immer dunkler wurde es in ihren Augenwinkeln, je öfter sie hoch sah, doch dieses eine Mal funkelte etwas. Feuer.

,,Lauft!", schrie sie panisch.

Die Layandra leiteten das Signal bis zum vordersten Mann weiter. ,,Das Feuer kommt!"

,,Symon, wir schaffen das!", rief sie dem jungen Mann zu, als dieser zu husten begann. Sie nahm dessen Hand und rannte weiter. Die andere ergriff Valkan, sodass sie zu dritt noch schneller rennen konnten.

Der Rauch breitete sich vor ihren Augen aus und das Sehen wurde anstrengender. Die Pferde hatten einen guten Vorsprung hingelegt, während die Fußgänger etwas langsamer wurden.

,,Ihr dürft die Pferde nicht aus den Augen verlieren!", rief Symon verzweifelt. ,,Meine Frau ist darauf!"

,,Werden sie nicht, vertrau den Indianern!" Lydias Miene hellte sich ein wenig auf, als der Äja Fluss endlich in Sicht kam. Gerade rechtzeitig, sie war total außer Atem. ,,Wir müssen da reinspringen, es ist nicht besonders tief. In der Mitte könnte es problematisch werden, aber das schaffen wir!", versuchte sie allen Mut zu machen, obwohl sie von den Layandra nicht erwartete unmotiviert zu sein leben zu wollen.

Das Feuer breitete sich ganz langsam um die restlich umliegenden Tannen vor dem Fluss aus. Mit letzter Kraft halfen sie sich gegenseitig in den Fluss. Das Wasser war eiskalt, aber sicherer als die Flammen.

,,Osvo verabscheut Gewässer mit zu starker Strömung!", knurrte der Indianer. Er schien sich weniger zu beschweren, als sich einfach nur durch seine Stimme abzulenken.

Lydia hätte die Idee gut gefunden, könnte sie gerade noch sprechen.

,,Bildet eine Schlange!", rief Ekatoa ihnen von vorne zu. Er leitete den Befehl wohl vom Häuptling persönlich weiter, der schon fast in der Mitte des Flusses angekommen war.

Die Königin stellte sich seitlich gegen die Strömung und sie alle bildeten eine riesige Menschenkette. Es ging mühsam voran. Lydia sah noch einmal zurück zum Ufer, wo das Feuer brannte. Ihr Heimat brannte lichterloh vor ihren Augen und sie konnte nichts dagegen unternehmen. Frustriert wandte sie sich wieder den Menschen im Fluss zu. Je mehr die Mitte sicher überquert hatten, desto erleichterter war sie. Beinahe wäre ihnen eine Indianerin in der Strömung abhanden gekommen, doch zum Glück haben die Layandra rechtzeitig reagiert und sie sicher an das andere Ufer gebracht.

Lydia wünschte sich gerade nichts sehnlicheres, als ebenfalls am sicheren Ufer zu liegen. Sie selbst, Ekatoa, Symon, Valkan und vor ihnen noch einige andere hatten gerade die Mitte des Flusses erreicht.

,,Wir schaffen das", versicherte Valkan.

,,Wartet, wo kommen die Wellen auf einmal her?!" Symon sah an sich hinab in das Wasser.

Die Königin hatte Mühe auf den Füßen stehen zu bleiben, wollte aber nicht abrutschen. ,,Valkan!"

Der Indianer drehte sich zu ihr um.

,,Wir...Wir schaffen das."

Er lächelte kurz, nahm all seine Energie zusammen und zerrte sie alle voran. Sie mussten es bis an das Ufer schaffen. Nicht umsonst sind sie in diesen Fluss gesprungen. Nicht heute.

21. Niemals alleine

 Valkan stand bereits mit einem Fuß auf der anderen Seite des Ufers, auf halbwegs festem Untergrund. Lydia und Symon bildeten inzwischen das Schlusslicht der Menschenkette. Der Indianer wandte sich zu der Königin, um ihr an das Ufer zu helfen. Völlig unüberlegt ließ Symon sie in diesem Moment los.

,,Symon was machst du denn?!" Vor Schreck ließ sie Valkans Hand für einen Moment los, dieser hielt sie glücklicherweise noch fest, doch Lydia sah gleichzeitig wie Symon von der starken Strömung von den Füßen gerissen wurde. ,,Symon!", schrie die Königin panisch und zerrte an ihrem Arm, um sich loszureißen. ,,Valkan, lass mich sofort los..."

,,Auf keinen Fall!" Er zog sie aus dem Wasser, obwohl sie sich sehr sträubte und wehrte. Ihr Blick folgte dem davontreibenden Symon, der hilflos mit den Armen ruderte und schließlich aus ihrem Blickfeld verschwand. Lydias Atem stockte für einige Sekunden.

Ekatoa kam herbei, hob die Königin hoch und sagte im ernsten Ton: ,,Komm weg von dem Fluss!" Erst ein ganzes Stück entfernt von dem Ufer ließ er sie wieder runter.

Lydia wusste gar nicht, was sie tun sollte. Sie empfand so viele Gefühle gleichzeitig, dass sie einfach nur auf der Stelle stand. Erst nachdem Cheryl bemerkte, dass ihr Mann fehlte und diese in Tränen aufgelöst an der Königin vorbeiging, erwachte sie wieder aus ihrem kurzen Aussetzer. Lydia drehte sich zu Ekatoa, holte mit den geballten Fäusten aus und wollte Ekatoa gegen den Oberkörper hämmern. ,,Warum habt ihr das gemacht? Valkan...Warum?"

Als der Indianer mit dem roten Kopftuch bemerkte, dass jemand auf ihn einschlug, umfasste er mit Leichtigkeit ihre Handgelenke und hielt sie von sich weg. Ekatoa war natürlich viel stärker als Lydia, also hatte sie den Kampf verloren.

,,Lydia, du hättest dein eigenes Leben riskiert. Schon wieder", erklärte Valkan, der neben ihr stand. ,,Ekatoa, lass sie los."

,,Nur, wenn sie mich nicht mehr schlägt." Langsam ließ er ihre Handgelenke los gegen die sie die ganze Zeit noch Druck gehalten hatte, viel nach vorne und direkt in die Arme des Indianers. ,,Alles wird gut, Hoheit", meinte Valkan.

Der Indianer mit dem roten Kopftuch kam ihr in dieser Sekunde, trotz aller Wut wie ein Bruder vor, den sie nie hatte. Einen Fortschritt hatte die Beziehung zwischen Königin und dem freien Indianerstamm gemacht, da sie miteinander redeten und sich familiär umeinander kümmerten.

,,Wir haben es bis auf die andere Seite geschafft und sind vor dem Feuer sicher", meinte Ekatoa. ,,Alles wird gut."

Lydia war noch nie so dankbar, dass die Indianer bei ihr im Land hausten, wie in den letzten Wochen und besonders jetzt. ,,Ich weiß." Sie löste sich von Ekatoa und sah kurz zu Valkan. ,,Danke fürs Retten." Lydia brachte ein kurzes Lächeln zustande.

,,Jederzeit." Er schloss sie ebenfalls kurz in die Arme. Über seine Schultern und durch die tränenden Augen, konnte die Königin nun Cheryl sehen. Die arme Frau war vollkommen aufgelöst, rief ständig den Namen ihres Mannes. Einige der Dorfbewohner versuchten sie zu beruhigen und zu trösten. Lydia fasste sich schließlich ein Herz und ging zu Cheryl hinüber. Diese schien jedoch nicht besonders gut auf sie zu sprechen zu sein.

,,Mein...Symon", schluchzte sie. ,,Warum um alles in dieser verfluchten Welt habt Ihr ihn losgelassen?!"

,,Ich habe ihn nicht losgelassen", beteuerte sie. ,,Er selbst hat losgelassen."

,,Ihr habt nichts gemacht, nichts unternommen." Der Frau war die Wut deutlich anzusehen.

,,Cheryl, ich habe ihm gerade gesagt, dass seine Aktion total dumm..."

,,Ich will keine Eurer Lügengeschichten hören", unterbrach Cheryl sie.

Überrascht hob Lydia eine Augenbraue. ,,Es ist die Wahrheit! Ich hätte niemals gewollt, dass einer von euch stirbt."

Amarla, die Cheryl im Arm hielt blickte die Königin nachdenklich an und auch David sah nicht besonders gut gelaunt aus. Jetzt war es soweit. Sie zweifelten an ihrer Regentin. Lydia konnte sie jetzt dennoch nicht im Stich lassen, egal wie sehr sie sie verfluchten oder verachteten.

,,Ich wollte ihm hinterher und ihn retten...Du musst mir das glauben. Valkan und Ekatoa haben es gesehen." Lydia schluckte.

,,Ohne die wären wir doch gar nicht erst hier. Dieses Feuer würde es nicht geben und Asimis Zorn auch nicht."

Die Königin hob die Hände. ,,Moment mal das stimmt so absolut nicht. Die Layandra haben uns gerettet, euch aufgenommen und mit mir eure Kinder gesucht. Habt ihr das etwa vergessen?"

Die Dorbewohner schüttelten bedrückt die Köpfe.

,,Ich verstehe eure Wut und eure Verzweiflung, weshalb ich nicht böse bin, wenn ihr mir nun tausend Schimpfwörter an den Kopf werfen wollt. Doch habt immer in Erinnerung, dass der Stamm euch nur Gutes getan hat und auch ich nur euer bestes möchte." Sie ging leicht in die Hocke, um Cheryl ins Gesicht zu sehen. Als sie diese ansah, stiegen ihr selbst wieder die Tränen in die Augen.

,,Verzeiht mir", brachte die Frau hervor. ,,Ihr habt es nur gut gemeint und ich hetze beinahe die Leute gegen Euch auf."

,,Es ist in Ordnung", versicherte ihr Lydia.

,,Nein, Ihr seid die Königin."

,,Aber auch nur ein Mensch. Hätte ich übernatürliche Kräfte, hätte ich Symon retten können oder gar direkt das Feuer löschen können, doch so..."

Cheryl löste sich von Amarla. ,,Nein, es war wirklich nicht in Ordnung. Verzeiht, dass ich Euch widerspreche. Ihr habt viel mehr verloren, als nur einen Mann. Ihr hattet gewiss auch keinen, aber dafür andere Menschen, die Euch sehr nahe standen. Ydro zum Beispiel und Eileen."

,,Ydro!", schoss es Lydia durch den Kopf. ,,Ich hoffe, dass Asimi ihm nichts angetan hat. Ohne ihn könnte ich gar nicht leben. Er ist mein Berater und irgendwie auch beinahe ein Vater." Sie schwieg.

,,Hoffen wir, dass er dort ist, wo Ihr ihn zuletzt gesehen habt." Cheryl kamen die schrecklichen Bilder vor Augen, wie der König Lydias Berater hatte umbringen lassen. Sie konnte ihrer Königin in dieser Sekunde einfach nicht erzählen, was sie wusste. Selbst als Amarla sie deswegen fragend ansah, schüttelte sie bloß den Kopf.

,,Im Kerker des Schlosses? Solange Asimi auf dem Thron sitzt, schließe ich nicht aus, dass er ihm etwas angetan hat. Ich kann nur hoffen, dass er noch lebt."

,,Wir können es hoffen", sagte Cheryl und legte ihre kalte Hand auf die von Lydia. ,,Wir sind eine große Familie und wir halten zusammen."

,,Schön, dass du das sagst." Lydia war froh in keinen Streit mit den eigenen Dorfbewohnern verfallen zu sein.

In diesem Moment stieß der Häuptling zu ihnen. ,,Wir können den Mann namens Symon suchen, um ihn zu begraben."

Lydia warf ihm einen finsteren Blick zu. ,,Das ist jetzt wirklich unangebracht, bei aller Ehre."

Cheryl wischte sich mit dem ohnehin schon nassen Ärmel über die Augen. ,,Schon gut, ich denke jedoch nicht, dass wir ihn so leicht finden werden. Die Strömung und dieser ganze Fluss sind unberechenbar."

,,Wir werden uns alle aufstellen und im stillen Gedenken für Symon ein Gebet sprechen", schlug Lydia vor. ,,Niemals werden wir so jemanden finden wie ihn."

Cheryl begann wieder leicht zu weinen. Für sie brach eine Welt zusammen. Die Zukunft mit ihrem Ehemann.

,,Alle herhören! Stellt euch in einer Reihe auf, um an Symon zu denken!", orderte Starker Kojote an. Er übernahm das Reden, worüber Lydia außnahmsweise dankbar war. Sie selbst hätte es gerade nicht hinbekommen ohne erneut in Tränen auszubrechen.

,,Im stillen Gedenken an den Mann namens Symon!", ergänzte Ekatoa.

So stellten sie sich alle auf, die Indianer und die Dorfbewohner, um zu beten. Alle trauerten gemeinsam und fühlten sich so miteinander verbunden. So wurde ihnen klar, dass sie niemals alleine sein würden. Es war immer jemand da, der sie wieder auffing und ins Leben zurückholte. Raus aus dem Loch der Trauer, raus aus dem Chaos und eines Tages hoffentlich auch aus der Unterdrückung von dem falsch spielenden König Asimi.

22. Wyllands Schreckensherrschaft

 Länger als gedacht dauerte das Gebet für ihren umgekommenen Freund Symon. Jeder von ihnen wollte jedoch sicher gehen, dass er genug Aufmerksamkeit von ihnen bekam, wenn sie ihn schon nicht begraben konnten.

,,Was machen wir nun, Hoheit?", fragte David zaghaft, als sie sich um die Königin und den Indianer Häuptling versammel hatten.

,,Wir können auf keinen Fall bleiben. Das Feuer wird uns zwar hier nicht erreichen, allerdings denke ich nicht, dass das auch für den Rauch gilt." Beunruhigt sah sie praktisch dabei zu, wie sich der Schattennebel ausbreitete. Ihr jagte ein Schauer über den Rücken als sie an das Schloss dachte. Wenn auch dies brennen würde, hätte sie keine Chance mehr die Dorfbewohner vor der Kälte des Winters zu schützen. Bei den Layandra konnten sie auch nicht ewig unterkommen, da die ihren Proviant mit ihnen teilen mussten. Lydia fing Starker Kojotes Blick auf. ,,Wir können nirgendwo mehr hin hier in Nokard. Ich glaube es einfach nicht, dass ich mein Reich an dieses aufgeblasene Bierfass verloren habe", knurrte die Königin.

,,Die Frau namens Lydia muss sich die Energie für andere Dinge aufheben", merkte der Häuptling an und verschränkte die Finger ineinander. ,,Gibt es nicht noch andere Könige oder teilt man sich hier nicht die Städte unter der Familie auf, um verteilt über das Land zu regieren?"

Lydia räusperte sich. ,,Meine Familie ist tot wie Ihr eventuell wisst. Falls nicht, wisst Ihr es jetzt. Eine Schwester hatte ich zwar, aber sie war nur ein Jahr älter als ich. Ursprünglich sollte sie auf dem Thron sitzen und nicht ich. Ich war einfach noch zu jung. Außerdem hatten meine Eltern eine der fernen Städte von Nokard vorgesehen, wo ich eines Tages herrschen sollte. Kurz bevor mein Vater und ich dorthin aufbrechen wollten verschwand meine Schwester. Meine Eltern waren außer sich vor Sorge und beschlossen sie zu suchen."

,,Was geschah dann?", hakte Valkan nach, als Lydia eine Pause einlegte.

,,Sie ließen mich bei Ydro zurück und suchten bestimmt ganz Nokard nach ihr ab. Nie wieder habe ich sie alle gesehen. Die letzte Nachricht war, dass sie umgebracht wurden und vorerst Wylland über das Land herrschen sollte. Meine Mutter hatte schon seit ihrer ersten Begegnung ein Auge auf ihn geworfen, obwohl mein Vater manchmal daneben saß...Nun was dann geschah wisst ihr ja sicherlich." Die Königin rieb sich über die kalt gefrorenen Arme.

,,Wylland hat das Dorf zerstört, gemordet und irgendwann starb er selbst", sagte Ekatoa wissend auf.

Lydia nickte. ,,So ist es."

,,Hat er eigentlich versucht, auch dir etwas anzutun?"

,,Ja, Valkan das hat er. Geschafft hat er es den Göttern sei Dank nicht. Ydro war Tag und Nacht an meiner Seite und gemeinsam haben wir bis tief in die Nacht Pläne geschmiedet den König zu stürzen. Wir erfuhren durch einen von unseren loyalen Wachen, dass Wylland plante die Hütten abzubrennen. So konnten wir ihn davon zumindest abhalten. Der König war so böse, dass ihm keiner über den Weg laufen wollte, selbst wenn er oft nach Dorfbewohnern im Schloss befahl."

Valkan und einige andere Indianer schüttelten den Kopf, während die Dorfbewohner die Köpfe senkten. Sie selbst hatten diese Schreckensherrschaft miterlebt. ,,Könige handeln ohne Verstand, wie wir Layandra sagen. Das traf hier bisher auf fast jeden zu. Auf deinen Vater natürlich nicht", ergänzte er sich.

,,Mich würde interessieren wieso es nur so wenige Menschen in diesem Land gibt. Für ein Land ist das hier eine relativ kleine Anzahl von Leuten", meinte Starker Kojote.

,,Das werde ich Ihnen schnell erzählen. Wylland hatte wohl mitbekommen, dass wir einen Spion von uns im Schloss hatten und erzählte nicht allen seinen Wachen von seinem Plan die Nachbarstadt Epia anzugreifen. Dort sollte ich eigentlich eines Tages herrschen, wie gesagt. Tja und dann noch am selben Tag sandte er all seine Wachen nach Epia aus und tötete alle Menschen dort. So zog er auch weiter in die Städte Sanakra und Opayra und wie sie alle heißen. Nokard war nie ein großes Land, aber er ließ es noch weiter schrumpfen."

Candra, die hinter Valkan stand, nahm ihren Sohn in die Arme. ,,Schrecklich. Ich könnte mir ein Leben ohne den Stamm schon gar nicht vorstellen, aber wenn sogar alle umgebracht wurden..."

,,Diese hier, die ihr um euch herum seht haben überlebt. Es ist ein reines Wunder, dass wir Wylland doch noch stoppen konnten. Wir konnten ihn nicht vom Morden abhalten, aber wir konnten ihn selbst töten. Genau das taten wir dann auch", beendete Lydia ihre Geschichte.

,,Ich habe zwar keinerlei Ansehen vor Königen, aber Eure Geschichte zeigt mir doch wie sehr sich Regenten um ihr Volk sorgen können." Diese Worte aus dem Mund eines Häuptlings zu hören stimmte die Königin ein wenig mild. Vielleicht schaffte sie es eines Tages dazu den Indianern komplett den Hass gegenüber Königen zu nehmen.

,,Wylland mordete auch in anderen Ländern, oder?", fragte der Sohn von Candra.

,,Nein, das war alles Asimi. Es ist sicherlich falsch so zu denken, aber ich hoffe er hat sich selbst verbrannt in diesem riesigen Feuer." Sie blickte erneut in die Flammen am anderen Ufer. ,,Was er sich davon verspricht kann ich nicht sagen. Auch was Wylland sich versprach wusste niemand."

,,Möglicherweise ist denen die Macht zu Kopf gestiegen. Mama sagt, dass Könige so sind", sagte der kleine Indianer. Sein Haar sah genauso aus, wie das seiner Mutter. Er selbst trug jedoch kein Kopftuch, sondern bloß ein Haarband mit einer kleinen gesprenkelten Feder daran.

,,Da hast du sicherlich Recht." Lydia war erstaunt darüber, dass der Junge genauso dachte wie seine Mutter.

,,Könige sind böse", murmelte er, als seine Mutter ihn wieder an sich zog.

,,Genug jetzt, Liebling. Verzeiht diese unbedachten Worte meines Jungen."

,,Er darf sagen was er denkt. Ich werde ihn ganz bestimmt nicht umbringen nur weil er das tut." Lydia lächelte.

,,Ich bin froh, dass dir nichts passiert ist", sagte Valkan ernst, der sich jetzt wieder in das Gespräch einmischte. ,,Andernfalls hätte ich...hätten wir dich niemals kennengelernt."

,,Na ob ihr das wohl wolltet wage ich zu bezweifeln", widersprach sie.

,,Sicher. Wir würden sonst noch immer sehr schlecht über Könige denken. Zugegeben das tun wir noch, aber nicht mehr von Königinnen."

Lydia hob die Schultern an und fröstelte. ,,Wir müssen uns auf jeden Fall etwas überlegen wo wir nun unterkommen."

,,Stimmt", mischte sich Ekatoa ein.

,,Ich meinte damit nicht euch", meinte die Königin zögernd. ,,Wir essen euren Proviant weg, nehmen euch Platz in den Tipis und sind keinesfalls eine Hilfe für euch gewesen dabei den König zu vernichten."

,,Halt! Ihr könnt nirgendwo anders hin habt ihr eben selbst gesagt. Außerdem lassen wir euch jetzt ganz bestimmt nicht im Stich", widersprach Valkan sofort. ,,Das wir den König noch nicht erledigt haben, liegt an seinen unbedachten Handlungen und natürlich an uns selbst."

,,Hao!", stimmten die Indianer des Stammes mit ein.

,,Starker Kojote ist keinesfalls wütend mit den Bleichgesichtern des Dorfes", meldete sich der Häuptling zu Wort. ,,Den König können wir Layandra momentan nicht angreifen. Besonders die Flammen stehen uns im Wege. Wie Ihr aber sagtet, vielleicht ist Asimi nun tot."

,,Das können wir nicht einmal herausfinden", meinte Lydia traurig.

,,Sobald der Himmel uns wieder Schnee schenkt, wird das Feuer bestimmt gemildert, damit wir rübergehen können. Nicht alle, nur ein paar Krieger."

,,Kommt nicht in Frage! Ihr habt gesehen, was mit Symon passiert ist."

Schweigen breitete sich aus.

,,Der Mann namens Symon hat unbedacht gehandelt. Wir Layandra sind ganz anders. Dennoch müssen wir uns einen neuen Schlafplatz suchen", verkündete der Häuptling, während er die Hände von sich streckte, um die Aufmerksamkeit aller auf sich zu lenken.

,,Vielleicht kann ich euch dabei ja helfen."

Starker Kojote wandte sich um. ,,Wer hat das gesagt?!"

Die Dorfbewohner und Indianer suchten nach der Stimme. Wenige Meter von ihnen entfernt stand eine Gestalt im dunklen Umhang eingehüllt. Einige wichen bei seinem Anblick zurück. Sie wussten nicht, ob sie ihm trauen sollten.

,,Es ist der Fremde! In Position, meine Krieger!"

23. Fremde Bekannte

 ,,Wir wollen nicht kämpfen!", beteuerte der Fremde, während er die Arme hob. Er selbst trug keine Waffen bei sich.

Die Krieger der Layandra warteten konzentriert auf das Kommando des Häuptlings.

,,Was meinst du mit wir?", hakte Starker Kojote nach.

,,Mich, sie und ihn."

Als sich die Indianer umdrehten, sahen sie mehrere Gestalten in dunkeln Umhängen, die sie umkreisten. Keiner von ihnen hatte eine Waffe bei sich, was die Krieger des Stammes beruhigen sollte. Ruhe empfanden diese jedoch trotzdem nicht.

Die Person, die etwa die Größe des Häuptlings hatte, begann zu sprechen: ,,Bitte greift uns nicht an. Wir werden euch auch nichts tun."

,,Außerdem, ist das der Dank für alles, was wir für euch tun?", fragte eine zweite Stimme. Sie klang ernst, aber höher. Es musste sich um eine Frau handeln.

,,Was tut ihr denn für uns? Nicht angreifen und kämpfen?" Der Häuptling kam sich vor, als würde er auf den Arm genommen werden.

,,Nein, wir retten euch", begann die Frauenstimme.

,,Öfter als ihr vielleicht denkt", beendete eine Männerstimme.

Valkan stellte sich vor Lydia und ballte die Fäuste. ,,Es gibt also nicht nur einen, sondern gleich mehrere Fremde?!"

,,Fremd? So werden wir also wirklich überall bezeichnet. Ich finde uns gar nicht so wirklich fremd, wie ihr uns eventuell." Der Mann vor den Kriegern nahm die Enden seiner Kapuze, die ihm tief in das Gesicht hing und schob diese nach hinten. Zum ersten Mal überhaupt sahen sie sein Gesicht. Er hatte kastanienbraunes etwas längeres Haar, welches nach dem Tragen der Kapuze zerzaust aussah und ein freundliches Gesicht. Seine hellblauen Augen wirkten beinahe silber, die Wangen leicht rot von der Kälte und das bekannte, geheimnissvolle Lächeln nicht zu vergessen.

,,Tut mir leid, aber die Layandra erkennen den bleichen Mann nicht."

Während sich bei den Indianern nichts tat, wusste die Königin nun wen sie vor sich hatten. ,,König Vasilias!", stieß Lydia erstaunt hervor. ,,Ich dachte Ihr seid tot!"

,,Ist mir eine Ehre Euch endlich mal wieder zu sehen, Königin Lydia." Der König verbeugte sich kurz ehrenvoll. ,,Eigentlich dachte Asimi auch, dass er mich getötet hat. Aus irgendeinem Grund habe ich aber überlebt und stehe nun hier."

,,Wer sind die Anderen?", fragte Starker Kojote noch immer nicht ganz überzeugt von seinem Auftritt.

,,Verzeiht mir. Das sind meine übrigen Leute aus Logarda. Einige andere sind etwas weiter entfernt von hier untergekommen."

,,Ein ganzes fremdes Dorf marschiert hier ein und ich bekomme es nicht einmal mit?!" Lydia seufzte. ,,Es waren sogar zwei...Die Layandra sind auch hierher gekommen ohne dass ich davon mitbekam."

,,Habt Ihr denn den Verstand verloren, Asimi zu Euch einzuladen, Kind?", warf Vasilias ihr vor.

,,Ich habe ihn nicht eingeladen! Er kam von selber vorbei. Asimi kam jedoch zur rechten Zeit. Mein Dorf hat gefroren. Der Winter kam und ich konnte ihnen nicht helfen, wie es eine gute Königin tun sollte." Sie dachte kurz an die Situation in ihrem Gemach zurück. Lydia selbst saß vor ihrem Spiegel und Eileen hatte ihr von Asimi aus Isarek erzählt. Andererseits hatte ihre Zofe sie auch dort schon gewarnt. ,,Moment...Eileen meinte, dass sie Geschichten von Fremden aus dem Dorf gehört hatte. Es seien angeblich Lügengeschichten, wofür man sie hätte umbringen lassen können. Wylland hätte sie bestimmt getötet...Getan hat es letzten Endes jemand Unbekanntes."

,,Ihr wart dieser Fremde!", warf Valkan zornig ein.

Lydia versuchte Sanfte Feder daraufhin zu beruhigen. ,,Er ist nicht böse", flüsterte sie ihm zu.

Der König war nicht überrascht, dass sie so reagierten. ,,Es stimmt. Ich bin einer der Fremden, die die Geschichten über Asimi verbreitet haben. Dennoch würde ich Euch die Geschichte gerne erzählen, wenn wir aus der Nähe des Rauches verschwunden sind. Ihr erlaubt?" Vasilias verbeugte sich kurz erneut, pfiff dann dreimal laut und der Schnee schien von den Bäumen zu rutschen, als mehrere Pferde daran vorbeirasten und sie einkreisten. ,,Die hören sehr gut für ihr Alter", merkte er grinsend an.

Lydia, ihr Dorf und die Indianer rückten völlig perplex näher zusammen.

,,Ihr braucht euch nicht fürchten. Steigt auf die Pferde, wir werden einen sehr abgezweigten Weg reiten, der während des Winters ziemlich unbekannt wirkt. Zumindest haben wir dort keinen gesehen."

,,Wo sind Sie untergekommen?", fragte die Königin überrascht.

,,In einem der fernen Dörfer. Es ist unbewohnt und ich kenne es noch von meinen Besuchen, als Ihr noch Kind und Prinzessin wart."

Innerlich war Lydia erleichtert, dass die Fremden die ganze Zeit über hier gewesen waren. Niemals hätte sie gedacht, dass sie zu den Guten gehören.

,,Wenn die Frau namens Lydia das Zeichen gibt, gehen die Layandra mit", sagte der Häutpling trocken.

,,Einen Befehl von einer Königin annehmen? So kenne ich Euch gar nicht...Bin aber geehrt." Die Königin schenkte dem Indianer ein Lächeln. ,,Wir gehen mit ihm mit."

,,Hao. Ihr habt es gehört! Wir folgen dem Mann namens Vasilias, solange wie unsere Beine uns tragen können!" Die Krieger des Stammes vollführten ihre übliche Bewegung, zwei Finger in Richtung Horizont, wenn sie übereinstimmten. Mehrere Hände zeigten wieder in die Luft, wodurch die angespannte Stimmung gelockert wurde.

 

 

So gut es ging verteilten sie sich auf die eigenen sowie umstehenden Pferde. Schon bald hatten sie den brennenden Wald am anderen Ufer hinter sich gelassen. Es wurde um sie herum wieder etwas hügelig. König Vasilias sollte jedoch Recht behalten, als er sagte dieser Weg sei im Winter leicht übersehen wird. Andererseits machte sie sich Sorgen, dass er ihr Königreich besser kannte, als sie selbst. Sie war eben nie oft Draußen gewesen, um die Umgebung richtig ansehen und Schleichwege suchen.

Valkan ritt gemeinsam mit Lydia auf einem stattlichen weißen Pferd. Es fiel zwischen dem Schnee und den verschneiten Tannen kaum auf. Nur die Reiter waren richtig zu sehen.

Einige Zeit dauerte es bis Lydia endlich wieder behaupten konnte die Umgebung zu erkennen. Epia lag ihres Wissens nach gut verborgen hinter den Schluchten. Lydia hoffte nun auch ihren Retter unter den Leuten von Vasilias anzutreffen. Den Einzigen den sie dort nicht sehen wollte, war die doch sehr echte Gestalt des Königs Asimi. Noch konnte sie sich nicht erklären, ob ihre Augen ihr einen Steich gespielt hatten, oder der König wirklich außerhalb des Schlosses war.

Epia war eine recht kleine Stadt, dessen Häuser sehr kläglich aussahen. Kein Wunder, nachdem was Wylland ihnen alles angetan hatte. Die Dächer waren halb eingestürzt oder gar pechschwarz durch die damaligen Flammen, die hier einst wüteten. Pflanzen gab es nur sehr wenige, da der Boden nicht mehr richtig gedeiht. Die Königin sah das kleinere Schloss, in welchem sie ursprünglich hatte sitzen und herrschen sollen. Es war nichts mehr als eine Ruine inmitten der umstehenden Häuser. Die West- und Osttürme waren eingestürzt und der Dachstuhl ausgebrannt. In ihrere Erinnerung sah Lydia das ganze in vollem Glanz und Glück erstrahlen, als sie Epia zum ersten Mal besuchte. Nie wieder würde es so aussehen und bewohnt sein. Allein der Gedanke daran machte sie traurig.

König Vasilias schwang sich derweil von seinem Pferd, welches er mit den beiden anderen Gestalten geteilt hatte. Es stellte sich heraus, dass diese beiden zu seinen Arbeitern gehörten. Die anderen Bewohner aus Logarda hatten sich in der kleinen Eingangshalle der Schlossruine ausgebreitet und lebten tatsächlich dort. Sie hatten Vorräte mitgebracht und sich häuslich eingerichtet. Sie fanden Bewohner die dabei waren die Einrichtung gegen Einsturz zu schützen. Das alles hier kam Lydia wie ein sehr gut durchdachter Plan vor, nur mit dem Nachteil, dass Asimi wahrscheinlich noch immer lebte.

Sie sah sich gemeinsam mit Valkan, Ekatoa und den anderen ihrer Leute ein wenig um. Gerade als sie ein Gemälde ihrer Schwester in einem sehr schlechten Zustand vor die Wand hielt und es nach einigen Minuten des Betrachtens wieder senkte, sah sie erneut ein bekanntes Gesicht. Ihren Retter aus dem See Tero.

24. Das Geheimnis von Nokard

 ,,Ihr habt uns gerettet", begann Lydia, als sie dem Mann in die Augen sah.

Er verneigte sich leicht. ,,Ich würde lügen, wenn ich es bestreiten würde."

,,Ihr könnt mir nun sagen wie Ihr heißt. Alle anderen haben es schließlich auch getan." Lydia wartete gebannt ab. Valkan trat dichter neben sie, falls ihr Gegenüber sie doch angreifen sollte.

,,Mein Name ist Anemro Chilquila. Sicherlich habt Ihr nie von mir gehört, aber ich von Euch."

,,Klar, Lydia ist eine Königin", merkte Valkan neben ihr an. ,,Woher ist der Mann namens Anemro?"

,,Ich komme aus Logarda und bin die Hand des Königs."

,,Ist mir eine Ehre, Euch kennenzulernen", sagte Lydia der Höflichkeit halber und neigte den Kopf zur Begrüßung.

,,Die Ehre liegt auf meiner Seite."

,,Die Ehre liegt im Herzen der Menschen", widersprach Valkan, der sich noch nicht ganz mit der Hand des Königs anfreunden konnte. Anemro war kaum älter als er, doch ihm kam in den Sinn, dass er Lydia nicht an so jemanden verlieren wollte, falls sie ihn wählen würde. Wenn sie überhaupt jemanden wählen würde. Er verwarf den Gedanken schnell. Valkan beschloss sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und seine Eifersucht zu ignorieren.

,,Danke, dass Ihr uns gerettet habt. Es war wirklich knapp", setzte Lydia fort.

,,Für Rettungen bin ich bekannt, müsst Ihr wissen."

,,So ist es." Der König erschien neben ihm und klopfte seiner rechten Hand anerkennend auf die Schulter. ,,Er kämpft wie kein anderer auf dieser Welt. Möchte wissen, wer ihm das beigebracht hat."

,,Mein Vater, Majestät."

,,Euer Vater muss ein großartiger Mann gewesen sein, wenn er solch eine Art des Kampfes beherrschte."

Anemro schwieg. ,,Also eigentlich ist er gar nicht tot..."

,,Lydia, Valkan, Häuptling, wollt ihr euch nicht zu uns gesellen? Wir werden abends das Lagerfeuer entzünden, gemeinsam essen und Pläne schmieden. Außerdem tragen wir jedes Mal unser neues Wissen zusammen."

,,Wissen?", fragte Lydia neugierig.

,,Ja. Vor allem über den König Asimi und seine Garde, manchmal aber auch über Wylland. Es gibt so viele Dinge, da könnte ich euch stundenlang die Kartoffel ans Knie reden", meinte Vasilias lachend. ,,Nein, aber im Ernst. Beide sind und waren keine angenehmen Zeitgenossen. Wir können von Glück reden, dass meine Leute und ich nach Nokard gekommen sind, nachdem Asimi dachte mich umgebracht zu haben."

,,Wie habt ihr denn nun überlebt?"

,,Ich habe einige meiner Leute in das bereits zerstörte Nachbarland Plandra fortgeschickt, nachdem dort die Königin gestürzt wurde. Meine rechte Hand habe ich in Logarda selbst versteckt, damit er mich finden konnte, sobald Asimi versuchte mich zu töten. Ich war schwer verletzt und der Heilprozess dauerte Wochen."

,,Woher wusstet Ihr, dass Asimi Euch etwas antun würde?"

,,Ein Adler aus Plandra hat mich erreicht, noch bevor Asimi Logarda erreichte. Er stammte von der Königin dort, die ein Gespräch zwischen Quirin und Asimi mitgehört hatte. Sie selbst wollte zu mir fliehen, schaffte es jedoch nicht." Vasilias machte ein bedrücktes Gesicht.

,,Das tut mir Leid", sagte Lydia mit gesenktem Blick. Eine Sekunde später spürte sie Valkans vertraute Hand auf ihrer und lächelte.

,,Wir Könige haben uns vorher gegenseitig gewarnt. Auch ich habe einen Adler zu Euch geschickt, er hat Euch wohl nie erreicht..."

Lydia dachte kurz nach. ,,Wann habt Ihr den Adler denn losgeschickt?"

,,Vor einigen Wochen. Ich musste warten, bis man sich erzählte, dass ich gestorben sei. Einer meiner Leute war zu dem Zeitpunkt bereits in Nokard und teilte mir mit, dass mein Brief Eure Postschenke erreicht hatte. Hat sich wohl kurz mit einer Frau gerauft, die ihm den Brief aus der Luft abnehmen wollte, kam dann aber wieder zu mir zurück."

,,Götter! Eileen..." Die Königin schlug sich die Hände vor das blasse Gesicht. ,,Eileen sah eines Abends so furchtbar zerzaust aus, als sie zu mir kam, hatte mir den Brief jedoch nicht ausgehändigt. Sie hatte mich nur vor Asimi gewarnt, da ein Fremder im Dorf Geschichten über ihn verbreitete." Sie schlug sich leicht vor den Kopf. ,,Wie konnte ich nur so leichtsinnig sein nichts zu hinterfragen?!"

Vasilias winkte ab. ,,Macht Euch keine Vorwürfe. Eileen wollte Euch den Brief bestimmt geben, Ihr habt ihr doch vertraut, sonst wär sie nicht bei Euch im Zimmer gewesen?"

,,Ich habe ihr vertraut, ja. Sie wollte mir die Geschichten wann anders erzählen, doch schon am nächsten Morgen war sie tot..." Ihr stiegen die Tränen in die Augen.

,,Dann muss Asimi herausgefunden haben, dass sie den Brief hatte! Er könnte wissen, dass ich lebe." Vasilias sprang verzweifelt auf. ,,Das erschwert uns die Sache wahrlich." Er überlegte kurz und wechselte dann einen Blick mit Anemro. ,,Es gibt nur noch eine Möglichkeit uns aus der Sache zu retten. Das Geheimnis von Nokard."

,,Das was?", fragte Lydia erstaunt.

,,Ihr wisst es nicht?" König Vasilias seufzte. ,,Also gut, dann werde ich es Euch erzählen. Nokard heißt nicht ohne Grund Nokard."

Lydia setzte einen verständnislosen Blick auf. ,,Ist mir bewusst, denn irgendwer hat das Land so benannt. Was hat das jetzt mit dem Geheimnis zu tun?"

,,Lasst mich doch zu Ende sprechen", verteidigte sich der König. ,,Dreht das Wort einmal um, lest es von rechts nach links."

Die Königin begann zu grübeln. Noch während sie versuchte die Buchstaben in ihrem Kopf umzudrehen, platzte Valkan bereits mit der Antwort heraus. ,,Drakon!"

Vasilias klatschte. ,,Sehr gut. Das ist das griechische Wort für Drache..." Er setzte den Satz nicht fort, um den anderen ein wenig Zeit zum Denken zu geben. Die wurde gar nicht gebraucht.

,,Wollt Ihr damit sagen, dass es hier in Nokard Drachen gibt?", schlussfolgerte Lydia überrascht.

,,So ist es. Momentan sind sie in den obersten Höhlen der Berge und schlafen. Sie schlafen bereits seit mehreren Jahren."

,,Ich habe sie nie gesehen oder von ihnen gehört", entgegnete die Königin.

Vasilias zuckte mit den Schultern. ,,Um ehrlich zu sein habe ich mir das auch schon gedacht. Andernfalls wüsstet ihr, dass Wylland eben diese dazu ausgenutzt hat, um Epia abzubrennen."

Lydia, die gerade einen Schluck Wasser getrunken hatte, verschluckte sich. Valkan klopfte ihr auf den Rücken, bis sie wieder zu Atem gekommen war. ,,Wylland hat von den Drachen gewusst? Das wird ja immer besser..." Sie wedelte sich mit der Hand vor dem Gesicht herum. ,,Ihr offenbar auch, nur woher?"

,,Das hat mich einige Zeit gekostet es herauszufinden. In Lorgada haben wir eine große Bibliothek und dort habe ich meinem Meister aufgetragen nach Stadtplänen von Nokard zu suchen. Dabei stieß einer von ihnen auf ein uraltes Buch, welches fälschlicherweise in meiner Bibliothek Platz gefunden hatte. Es gehörte eigentlich hierher. Es fehlte bereits eine Seite, doch trotzdem konnte man deutlich erkennen, dass Nokard rückwärts gelesen werden musste, um das Geheimnis zu entlüften. Einer meiner Meister hat es geschafft zu entschlüsseln."

,,Wahnsinn", hauchte Lydia. ,,Wer wohl dieses Buch bei Euch versteckt hat wollte wohl, dass Ihr es findet."

,,Ich weiß auch darauf eine Antwort. Es war Eure Mutter."

,,Meine Mutter war in Logarda?" Die Königin setzte sich aufrecht hin.

Vasilias nickte. ,,Das war sie. Es war der Tag, nachdem Wylland ihre Tochter verschleppte. Sie hatte ihren Mann verloren, da ihre Kutsche auf einem Stück Waldweg überfallen wurde. Ich war zugegeben froh, dass sie am Leben war. Völlig aufgelöst erreichte sie mein Schloss und bat um ein Buch, bevor sie wieder verschwand. Später starb dann auch sie. Terima Fuego. Niemals werde ich den Namen vergessen."

,,Sie hat also das Buch von Nokard einem Meister gegeben, der es für sie versteckt haben könnte?", hakte Valkan nach.

,,So muss es gewesen sein. Möglicherweise hat sie es selbst dort versteckt, als ich darauf bestand ihr persönlich ein Gästezimmer einzurichten."

,,Der bleiche Mann war unvorsichtig, auf was er sich einließ", meinte der Häuptling mit starrer Miene.

,,Das war ich wirklich. Wylland muss herausgefunden haben, dass ich dieses Buch hatte und wollte nach Logarda, doch er kam nie dort an."

,,Er starb", antwortete Lydia daraufhin.

Ekatoa, der die ganze Zeit über still in einer Ecke gehockt hatte, meldete sich zu Wort. ,,Hat der Mann namens Vasilias das Buch über Nokard gefunden und gelesen?"

Der König sah den Indianer an. ,,Ich habe es gefunden. Es stand nichts hilfreiches drin, also habe ich es wieder zu den anderen Büchern gestellt."

,,Meine Mutter muss doch irgendetwas gewusst haben, was keiner wusste."

,,Terima wusste wahrlich viel. Leider kam sie nie dazu es irgendwem zu erzählen. Sie war ständig besorgt um Euren Vater Serpras."

,,Wieso besorgt?"

,,Euer Vater war lange Zeit sehr krank. Ihr wusstet es nicht, da sie es Euch nicht erzählte."

,,Hat sie sich deswegen an diesen Wylland rangeschmissen? Verzeiht diesen Ausdruck, aber anders kann ich es mir nicht erklären."

Vasilias lachte kurz, wurde aber wieder ernst. ,,Wer weiß, wo sie dabei ihren Kopf stehen hatte."

,,Thronfolge", meinte Valkan. ,,Lydias Mutter brauchte einen König an ihrer Seite, um weiterhin Königin zu sein."

,,Stimmt! Andernfalls wäre meine Schwester mit einem Prinzen zusammengekommen und hätte diesen gut eine Woche später geheiratet. Wie konnte ich den nur vergessen?"

,,Machtsüchtig", knurrte Starker Kojote. ,,Habe ich es nicht immer gesagt?"

,,Redet nicht so von meiner Mutter. Wieso sollte sie so ein Bierfass von König geheiratet haben wollen?! Da verzichtet sie doch lieber auf den Thron", nahm Lydia ihre Mutter in Schutz.

,,Vielleicht wusste Wylland etwas, was ihr von Nutzen war oder sie war wirklich einfach nur besessen nach Macht. Wer war eigentlich der Prinz, den Eure Schwester heiraten sollte?", fragte Vasilias neugierig.

Die Königin zuckte die Achseln. ,,Habe ihn nie kennengelernt. Sein Name ist mir auch entfallen. Seltsam, dass Ihr die Antwort gar nicht wisst, wo Ihr doch so viel geforscht habt."

,,Ich weiß eben auch nicht alles." Der König hob grinsend die Hände und sah die Schlosswände hinauf. Sein Blick ruhte auf einem Gemälde von Lydias Schwester. ,,Aber eines weiß ich. Ihr könnt die Drachen finden und sie zu Eurem Vorteil nutzen, solange Asimi nichts von ihnen weiß."

25. Falsche Spieler

König Asimi lehnte gegen eines der Fenster im Thronsaal und betrachtete die immer größer werdenden Flammen am Ende des Hügels auf dem das Schloss gebaut war. Neben ihm stand sein Berater Quirin. Dieser hatte ein tückisches Grinsen aufgesetzt, welches von seinem König jedoch nicht gesehen wurde.

,,Seht, es brennt alles nieder! Eure Garde hat endlich mal etwas richtig gemacht", sagte Quirin in die Stille hinein.

,,Recht habt Ihr." Asimi war so konzentriert auf die Flammen Draußen, dass es beinahe so wirkte, als würden seine Augen und nicht die Glasscheibe vor ihm deren Spiegelbild sein.

,,Nun könnt Ihr Euch auf in das Land Castero begeben."

,,Das kann ich nicht", wehrte der König ab. ,,Meine Aufgabe hier ist noch lange nicht getan. Diese Lydia und ihr verräterisches Volk sind noch immer am Leben." Zornig wandte er sich von dem Fenster ab.

,,Vergesst doch die Nokarder! Ihr könnt die immer noch zerstören, wenn Ihr erst einmal in Castero einmarschiert seid", meinte Quirin.

Asimi schien sein Plan nicht zu gefallen. ,,Kommt gar nicht in Frage! Habe ich alle aus Logarda zerstört? Nein. Erheben sie sich nun gegen mich?"

,,Nun ja..."

,,Die Antwort lautet ja, Quirin!", fauchte der König. ,,Ihr habt mir diesen lächerlichen Brief nicht umsonst in mein Gemach gebracht, richtig?"

Der Berater schüttelte den Kopf.

,,Dieser verfluchte Vasilias lebt noch und wollte Lydia warnen. Wer weiß wie lange diese Ochsen von Könige diese Aktion bereits hinter meinem Rücken durchgeführt haben!" Er zog ein zerknülltes Pergament aus seiner Hosentasche, faltete es außeinander und überflog erneut die Zeilen. ,,Seid gewarnt, Königin aus Nokard. Asimi aus Isarek ist auf dem Vormarsch und wird nicht eher ruhen, bis er Euch und das Land vernichtet hat. So hat er es bereits viele Male vorher getan. Wenn Euch diese Botschaft erreicht, bin ich eventuell schon nicht mehr auf dieser Erde, doch Euch kann ich das Leben retten. Zuerst wird er sich noch mein Land vorknöpfen bevor er zu Euch kommt. Ihr habt genug Zeit zum Fliehen. V", las Asimi vor.

,,Je öfter Ihr mir den Brief vorlest, desto dümmer finde ich ihn." Quirin verschränkte die Arme und zog die Augenbrauen zusammen.

,,Ich finde den auch nicht toll, stellt Euch das vor!", knurrte Asimi.

,,Diese Lydia hat Euch doch auch einladen wollen", erinnerte Quirin.

,,Hat sie aber nicht! Ich selbst habe mich als Besuch angekündigt und bin hierher gekommen, falls ich Euch daran erinnern dürfte." Der König warf das Pergament zu Boden. ,,Dann geraten wir hier auch noch mit diesen ganzen Leuten aneinander. Diese Zofe war mir schon ein Dorn im Auge, als Ihr mir sagtet, dass sie den Brief hatte."

,,Es ist doch alles gut gegangen. Ich habe sie doch von Ranzord umbringen lassen, als niemand etwas gemerkt hat."

,,Starke Leistung, mitten in der Eingangshalle...Nenne ich wirklich unauffällig." Der König klatschte ironisch.

,,Hätte ich nicht gehandelt, wär die Königin Euch sofort entkommen." Quirin klang wütend, da der König ihm keine Dankbarkeit zeigte.

,,Ist sie aber trotzdem...Und warum? Weil ich die Layandra nicht ausgeschaltet habe! Das war mir eine Lehre." Er wandte sich an seinen Berater und sah ihm direkt in die Augen. ,,Bevor ich nach Castero reise, werde ich erst alles und jeden vernichten, den ich bisher am Leben gelassen habe. Indianer, Königin und Dorfbewohner!" Der Wahnsinn stand ihm bereits ins Gesicht geschrieben.

Quirin verbeugte sich leicht. ,,Wie Ihr wünscht, Majestät. Ich werde mir überlegen wie wir vorgehen werden und mich nachher bei Euch melden." Sein Berater verließ mit schnellen Schritten den Thronsaal, lächelte erneut finster vor sich hin und verschwand.

Asimi blieb zurück. Kochend vor Wut schlug er gegen die Wand des Thronsaals, nahm eines der Gemälde in seine Hände, holte mit der rechten Faust aus und zerschlug es mit einem Hieb. Anschließend warf es mit viel Schwung beinahe gegen die andere Wand. In dieser Sekunde fühlte er sich so lebendig, wie noch nie. Zuletzt hatte er dieses wahnsinnige Gefühl gehabt, als er die Königin von Plandra mit seinen bloßen Händen erwürgte.

 

 

Eine ganze Weile stand Asimi so da, bis er Schritte vor der Tür vernahm.

,,Euer Hoheit, wir müssen die Flammen wieder löschen, ansonsten werden sie Euch den Hintern mit abbrennen", berichtete Xander, als er nach seiner Wache im Dorf vor den König trat.

,,Dann löscht es", befahl er zornig.

Überrascht von dieser Antwort, versuchte der Ritter gleich sein Glück weiter auf die Probe zu stellen. ,,Euer Hoheit, wir werden Wasser aus dem Fluss brauchen. Die bisherigen Ladungen reichen nicht."

,,Dann holt das verdammte Wasser, aber beeilt euch!"

Xander rührte sich nicht.

,,Worauf wartest du?!"

,,Wir brauchen die Gefangenen dazu", sagte er und versuchte ernst zu wirken.

Asimi scheuchte ihn mit einer Hand aus dem Thronsaal. ,,Nehmt die Leute, die ihr braucht, aber sobald ihr damit fertig seid, bringt sie zurück und zwar alle!"

Asimis Stimme schallte noch lange im Kopf des Ritters wieder. Dies war seine einzige Chance das Vertrauen des Königs sowohl in ihn, als auch in Ecklard wieder herzustellen.

So ging er mit scheppernder Rüstung in die gedämpften Kerkerflure, einzig mit einer Fackel in der linken Hand. Diese spendete ihm einen Lichtkegel an Beleuchtung, welche gerade so reichte, um seinen riesigen Schatten an die gebogenen Wände zu werfen. Seine Gegenüber würden stattdessen nur sein finsteres, furchteinflößendes Gesicht sehen können.

Xander erreichte sehr zügig die Kerkertüren, welche er mit einem schweren Eisenschlüssel öffnete. Er hörte die Gefangenen zurückschrecken. Es klang wie Sieg in seinen Ohren, wenn jemand vor ihm erschrak oder gar um sein Leben flehte. Diese Gefangenen sahen allesamt verschmutzt und dürr aus. Diejenigen, die einst Ritter von Lydia waren, sahen nur noch aus wie ein Häufchen Elend. Die Küchenarbeiter kauerten in der Ecke, während einer der letzten Heiler mitten in der Zelle hockte und einfach vor sich hin starrte. ,,Los aufstehen und mitkommen!", knurrte der Ritter von Asimis Königsgarde.

Panna klammerte sich klein und hilflos wirkend an ihren Mann. ,,Bringen...Bringen Sie uns jetzt u-um?"

Xander lachte. ,,Keine Sorge, noch hat der König Nutzen für euch Nieten."

,,So redet keiner mit meiner Frau!", knurrte Fred, bereute seine Worte jedoch, als er den Blick des Ritters auf sich bemerkte.

Xander ließ es sich nicht nehmen den schwächeren Fred einen gehörigen Tritt zu verpassen, sodass er zu Boden sank. Töten durfte er ihn laut Asimi nicht, von treten und schlagen hatte er jedoch nichts gesagt. ,,Kommt einfach mit, dann werde ich euch nicht sofort umbringen." Der Ritter zog sein langes Schwert und trieb sie aus dem Kerker.

 

 

Die Gefangenen stolperten nacheinander vor Xander her. Keiner wagte es ihm wegzulaufen, da am Ende des Hügels noch mehr Ritter auf sie warteten.

,,Füllt die Fässer hier möglichst randvoll und bringt sie wieder hierher. Wir müssen das ganze Feuer irgendwie wieder löschen!", orderte Pywal ihnen an. Er klang deutlich weniger abstoßend als Xander.

Jeder von den Gefangenen bekam ein Holzfass in die Hand gedrückt, damit sie damit zum Fluss gingen.

,,Der Weg zum Fluss zieht sich aber und es brennt bereits mehr als genug im ganzen Wald", meinte einer von Lydias Wachen irritiert.

,,Das ist richtig und wenn ihr euch nicht beeilt, sterben wir alle! Also los!" Pywal jagte die Truppe ein Stück vor sich her.

Schnell fanden sie ein gutes Tempo, indem sie die Wachen zumindest für einige Minuten hinter sich lassen konnten. ,,Die sind komplett wahnsinnig!", hüstelte Fred, der neben seiner Frau her hechelte.

,,Was du nicht sagst. Ich kann es nicht glauben, dass sie erst die Gefahr des Feuers sehen, wenn alles brennt." Panna stellte ihr Fass vor sich ab und wusch sich den Schweiß von der Stirn. Obwohl es eiskalt war, schwitzten sie.

,,Wir haben es fast geschafft, ich höre schon das Rauschen des Wassers", sagte Lydias Ritter nach einer Weile.

,,Sicher, dass es nicht die Flammen sind, die uns alle rösten werden?" Panna hob das Fass wieder an und setzte ihren Marsch fort.

,,Er hat Recht, Liebling", versicherte Fred.

Wenige Minuten später erreichten sie das Ufer des Flusses, gingen einen Schritt hinein, legten die Fässer schief, um sie leichter mit Inhalt zu befüllen und warteten ab.

Panna schrie plötzlich wie noch nie zuvor, als sie an ihren Beinen etwas seltsames bemerkte. Noch lauter wurde sie, als dieses Etwas sie auch noch am Handgelenk umklammerte.

,,Liebling, halte durch!", rief ihr Ehemann und ging mit großen Schritten auf sie durch das Wasser zu.

Panna verlor nahezu den Verstand, als dieses seltsame Ding sie auch noch ansah und sie es erkannte. ,,Ein Mensch! Eine Leiche! Ein Geist! Symon?!"

Augenblicklich hielt Fred ihr den Mund zu, um sie zu beruhigen. ,,Nicht so laut, denk an die Garde..."

26. Valkan und Lydia

 Die Layandra bauten gemeinsam mit den Dorfbewohnern von Nokard die Tipis vor der Schlossruine auf. Schon nach einer halben Stunde war alles häuslich eingerichtet, bis auf die Tatsache, dass sie hier nicht wirklich zu Hause waren.

Candra erzählte den Kindern eine Geschichte, damit sie nach den Schrecken des Tages besser einschliefen.

Lydia gesellte sich eine Zeit lang zu ihr, bis sie merkte, dass die ersten einschliefen. Sie deckte Zoera und Vinny mit den weichen Fellen zu, stand wieder auf beiden Beinen und schlich davon. Bevor sich die Königin zu den Indianern an das kleine Feuer gesellte oder gar wieder zu Anemro, versicherte sie sich, dass es Cheryl halbwegs gut ging.

Diese hatte sich in eines der grauen Felle eingekuschelt und blickte verträumt in die Flammen.

Lydia konnte sich denken woran die Frau gerade dachte. Symon.

,,Euer Hoheit, verzeiht ich habe Euch nicht gesehen", flüsterte Cheryl, als sie die Königin bemerkte.

,,Das macht nichts. Ich wollte nur sehen wie es dir geht."

Cheryl wischte sich mit einer Hand über die tränenden Augen. ,,Wie soll es mir schon gehen..."

,,Ich verstehe, dass das alles zu viel für dich war. Genau deswegen solltest du versuchen jetzt zu schlafen."

Die Frau schüttelte den Kopf. ,,Ich werde nur schlecht träumen...Wie man mir meinen...Meinen Ehemann wegreißt", schluchzte sie.

In einer Ecke nicht weit von ihnen entfernt, sah Lydia Amarla sitzen und winkte sie zu sich herüber.

,,Euer Majestät", verbeugte sich die Frau von David.

,,Amarla, könntest du diese Nacht bei Cheryl bleiben. Sie braucht dich jetzt."

,,Selbstverständlich." Amarla reichte ihrer Freundin die Hand. Diese nahm sie entgegen und folgte ihr an einen ruhigeren Platz.

Die Königin wünschte ihnen eine gute Nacht und ging sich anschließend die Füße verteten. Die frische Luft kam jetzt sehr gut. Lydia entfernte sich absichtlich noch ein kleines Stück mehr, um die anderen nicht zu stören. Auf einem kleinen Baumstamm nahm sie Platz und schloss die Augen. Es hörte sich alles wie gewohnt an. Als würde es Asimi nicht geben, sondern einfach nur die natürliche Ruhe. Dennoch schwirrten ihr die ein oder anderen Gedanken im Kopf herum. Die möglichen Drachen welche Vasilias erwähnte, die Rettung aus dem See, Anemro, der brennende Wald und Valkan. Lydia merkte plötzlich Hände auf ihren Schultern und vernahm eine vertraute Stimme.

,,Wer bin ich wohl?"

Sie lächelte, legte ihre linke Hand auf die rechte Schulter, wo sich eine der beiden Hände des Indianers befand. ,,Valkan."

Sanfte Feder stieg mit einem Sprung über den Baumstamm und ließ sich neben sie fallen. ,,Alles in Ordnung?"

Die Königin nickte und lächelte halb. ,,Die üblichen Sorgen."

,,Ich verstehe, dein Königreich, deine Leute", begann der Indianer aufzuzählen.

,,Nicht nur die."

Valkan sah erstaunt drein. ,,Ach nein? Wer denn noch?" Er legte seine Hände rechts und links neben sich auf den Baumstamm ab und drehte den Kopf in ihre Richtung.

,,Der Stamm natürlich. Ohne euch wäre ich jetzt ganz bestimmt nicht hier." Nun sah auch sie in seine Richtung.

,,Wir Layandra helfen wo wir nur können, weißt du?"

Lydia nickte langsam und bedacht. ,,Sicher." Sie legte den Kopf in den Nacken und blinzelte in die Sterne.

Valkan legte einen Arm um sie, damit sie sich gegen ihn lehnen konnte. Er legte eine Hand um ihren Kopf und genauso schliefen sie ein. Lydia hätte bis vor wenigen Sekunden nicht gedacht, dass sie so schnell einschlafen würde, doch bei Valkan fühlte sie sich sicher. Das hatte die Königin schon bei ihrer ersten Begegnung gemerkt und war sehr dankbar dafür ihn zu haben.

 

 

Am nächsten Morgen blinzelte Lydia geradewegs in die Morgensonne, als ein Schatten über ihr erschien.

,,Guten Morgen, Majestät. Habt Ihr gut geschlafen?" Anemro warf einen vielsagenden Blick zu dem Indianer neben ihr.

Die Königin schirmte sich die Augen vor den Sonnenstrahlen ab. ,,Ja sehr gut, danke." Sie setzte sich vorsichtig aufrecht hin, während sie Valkans Arm langsam auf dessen Bauch legte, um ihn nicht aufzuwecken. ,,Und Ihr?"

Anemro lachte. ,,Hervorragend. Allerdings hatte ich mir bereits Sorgen gemacht Ihr würdet einen Alleingang starten, als ich Euch nicht in der Ruine oder bei den Tipis fand."

,,Ähm ich muss wohl hier eingeschlafen sein ohne es zu merken."

Die Rechte Hand des Königs grinste noch immer.

,,Habt Ihr schon Wein getrunken oder fühlt Ihr Euch heute einfach nur sehr gut?", fragte Lydia skeptisch.

,,Mir geht es umwerfend. Entschuldigt, wenn ich angetrunken wirke." Anemro sah über sie hinweg zur Schlossruine. ,,Ein wundervoller Morgen und schon verlangt mein König nach mir." Er verließ die beiden mit eiligen Schritten durch das hohe Gras.

Lydia bemerkte erst jetzt, dass Valkan gerade neben ihr aufwachte. ,,Hatte Anemro nur vorgetäuscht verschwinden zu müssen oder musste er wirklich gehen?", dachte sie gerade.

,,Sonnenschein!", stieß er glücklich hervor und streckte sich einen Augenblick.

Die Königin schmunzelte.

Nun sah er Lydia wieder direkt in die Augen. ,,Hab ich was falsch gemacht?"

,,Nein, alles in Ordnung, wirklich." Sie legte behutsam eine Hand an sein Gesicht und strich darüber. ,,Gut geschlafen?"

,,Kann mich nicht beklagen", antwortete er. Der Indianer legte die Finger seiner linken Hand auf ihren Unterarm, der sich auf Höhe seines Kinns befand. Dann lächelte auch er wieder. ,,Und du?"

,,Auch ich kann mich nicht beklagen", entgegnete sie lachend.

Noch eine ganze Weile, wie lange konnten sie nicht sagen, verblieben sie in dieser Position und sahen sich einfach nur an.

Zumindest so lange, bis Ekatoa nach ihnen rief. ,,Sanfte Feder! Lydia! Der Häuptling möchte mit euch sprechen!"

Der Indianer mit dem roten Kopftuch holte beide zurück in die Wirklichkeit.

Valkan erhob sich und sprang wieder über den Baumstamm. Anschließend reichte er Lydia seine Hand, damit sie auch darüber steigen konnte.

,,Die Lage ist ernst, daher wollte Starker Kojote keine Zeit verlieren", begrüßte er Indianer mit dem türkisen Kopftuch die Ankömmlinge.

,,Ist ja gut, wir sind da", verteidigte sich Valkan.

,,Ah da sind ja die beiden...Ich komme direkt zur Sache."

,,Danke", murmelte Lydia.

,,Der Mann namens Vasilias sagte etwas von Drachen. Wie stellt er sich denn vor diese zu finden oder sie einzusetzen? Will er damit ein Feuer entfachen und Asimi verbrennen? Hat er glaube ich selbst schon geschafft", meinte Starker Kojote.

,,Wie Recht Ihr habt, doch darf ich mich kurz einmischen." Vasilias persönlich trat neben den Häuptling der Layandra. ,,Nicht alle diese Drachen speien Feuer. Zumindest nicht im Winter, müsst Ihr wissen."

,,Was hat das zu bedeuten?!"

,,Das bedeutet, dass sich diese Drachen so gesehen den Jahreszeiten anpassen können. Momentan dürften sie alles zu Eis gefrieren lassen, was ihnen in die Quere kommt. Im Herbst spricht man von den Nebeldrachen, im Frühling von den Winddrachen und einzig im Sommer von den Feuerdrachen, die sie bei Wylland waren", erklärte der König.

Seine Zuhörer waren über diese Information sehr überrascht.

,,Wandelbare Tiere? Wow", schwärmte Lydia. ,,Das bedeutet ja, dass sie die Flammen gefrieren könnten!", viel es ihr nun auf.

,,Einen sehr seltenen Wasserdrachen finden wir erst im Übergang von Winter zu Frühling. Ich selbst habe noch nie einen in echt gesehen, nur auf Pergamenten oder Gemälden."

,,Der Mann namens Vasilias soll uns keine falschen Hoffnungen in den Kopf setzen", knurrte Starker Kojote prompt. ,,Den Wasserdrachen finden wir mitten im Winter sicherlich nicht."

,,Da habt Ihr sicher Recht. Dennoch gibt es genug andere Eisdrachen die wir finden können."

,,Die Suche sollte allerdings nicht zu lange dauern. Feuer breitet sich schneller aus, als man gucken kann", sagte Ekatoa.

Vasilias nickte zustimmend. ,,So ist es. Genau aus diesem Grund starten wir bei der Geschichte aus einem der Bücher. Dies besagt, dass die Drachen sich zu längeren Ruhepausen in die Höhlen oberhalb der Gebirge aus denen Anemro zwei von euch gerettet hat."

Der Häuptling winkte ab. ,,Da kann ich mich auch gleich Asimi vor die Füße werfen. Es gibt viele Arten zu sterben, aber die Berge wähle ich sicher nicht."

Einige Indianer um ihn herum stimmten ihm zu.

,,Ihr müsst keinesfalls mit. Ich selbst werde gehen und wer auch immer mitkommen mag."

,,Ich werde mitgehen", versicherte Lydia sofort. ,,Ich auch", meldete sich Valkan.

,,Klasse, dann sind wir schon vier", meinte Vasilias stolz.

,,Vier?", fragte Valkan. ,,Sie und wir beide sind doch nur drei..."

,,Anemro wird uns begleiten."

Sanfte Feder wandte sich ab, als hätte er diese Frage nie gestellt.

,,Also gut, dann brechen wir sofort auf?"

,,Wartet! Die Krieger der Layandra werden sich dem König und der Königin anschließen. Sie wollen schließlich auch den Tod des Asimi", verkündete der Häuptling.

,,Prima, dass Ihr Eure Meinung doch noch geändert habt. Das werden wir Ihnen nie vergessen."

Starker Kojote hob drei Finger, wie zum Schwur und sagte: ,,Wir werden die Drachen finden, noch ehe die Sonne das Wasser erreicht hat."

Mit diesen Worten brachen sie mit gemischten Gefühlen auf eine weitere Suche auf, während die anderen sie winkend verabschiedeten.

27. Das Noskindy Tal

 Je weiter sie gingen desto felsiger wurde die Umgebung. Lydia war sich ziemlich sicher, dass sie bereits hier waren. Es musste das Noskindy Tal sein. Die Königin wurde ungewollt langsamer, selbst wenn sie das gar nicht wollte. Lydia konnte nichts tun, die Bilder erschienen wieder vor ihren Augen und wirkten so real, dass sie links und rechts neben sich griff, um sich festzuhalten. Links neben ihr war nichts, doch rechts war Valkan.

Dieser merkte sofort, dass etwas nicht stimmte. ,,Wartet mal!", rief er zu den Vorausgehenden.

Vasilias und Anemro blieben stehen, während die Indianer weiter gingen.

,,Was gibt es?", fragte der König irritiert.

,,Lydia hat irgendetwas."

Die beiden kamen ihnen ein Stück entgegen. ,,Majestät, alles in Ordnung?" Vasilias fächerte mit seiner Hand vor ihrem Gesicht herum. ,,Wieso ist sie so blass?"

Valkan zuckte die Schultern und nahm Lydias Kopf zwischen die Hände. Ihre Augen sahen allerdings eher an ihm vorbei oder durch ihn durch, als wäre er unsichtbar. ,,Lydia?" Leicht klopfte er gegen ihre blassen Wangen.

Die Königin blinzelte einige Male. ,,Pass auf, sonst fällst du!", rief sie dem Nichts entgegen.

,,Hoheit, wir haben festen Boden unter den Füßen", versicherte Anemro von der Seite.

,,Ich fürchte da hat die Angst von ihr Besitz ergriffen. Anders kann ich es mir wirklich nicht erklären", meinte der König wissend.

Valkan sah Vasilias verständnislos an. ,,Was können wir dagegen machen?"

,,Nichts. Weitergehen und hoffen, dass wir die Drachen finden."

,,Wir können sie so nicht lassen. Wer weiß was sie gerade durchsteht!", knurrte der Indianer zornig.

,,Willst du warten bis Asimi die Drachen hat oder uns gar gefunden hat? Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren", widersprach Vasilias.

Sanfte Feder schüttelte den Kopf und wandte sich dann wieder voll und ganz Lydia zu. ,,Geht weiter, wenn es Euch nicht interessiert. Ich warte."

Ungeduldig wippte der König vor und zurück. ,,Die Königin wird es wohl schaffen alleine in die Berge zu gehen, beziehungsweise in das Noskindy Tal."

,,Habt Ihr vergessen, was dort passiert ist?", erinnerte Valkan ihn.

In dieser Sekunde schien die Welt vor Lydias Augen wieder aufzutauchen, da sie etwas sagte: ,,Oft wird einem gesagt, dass man sich etwas trauen soll, damit es einem besser geht. Was ist aber, wenn es dich zu viel Überwindung kostet eine Sache zu machen und du es nicht schaffst, bist du dann schwach? Schlecht? Man muss auch an seiner Meinung festhalten, ansonsten tut man sich selbst nichts Gutes."

Völlig perplex machte Vasilias einen Schritt zurück. ,,Ihr seid der Meinung, dass Ihr..."

,,Nicht weitergehen wollt, genau", beendete sie seinen Satz.

,,Denkt doch an Asimi...", weiter kam er nicht, da die Königin erneut unterbrach.

,,Bei aller Ehre, Vasilias, aber ich denke an nichts anderes mehr! Seit Wochen geht das schon so...Angst, Verzweiflung, Einsamkeit, man fühlt sich verloren! Ich fühle mich verloren." Sie verschränkte die Arme und fröstelte bei dem Gedanken an die letzten Wochen.

,,Verzeiht, Lydia. Anemro und ich werden weiter gehen, um die Layandra nicht zu verlieren. Nehmt Euch die Zeit, die Ihr braucht. Ihr habt ja noch eine Begleitung." Vasilias verneigte sich und zog seine Rechte Hand mit sich davon.

,,Tut mir leid, dass ich so reagiere. Ich verhalte mich wie ein Kind", murmelte Lydia vor sich hin.

,,Hör mir zu, Lydia. Du benimmst dich nicht wie ein Kind, sondern wie eine Königin und ein normaler Mensch mit Verstand. Wenn du etwas nicht möchtest, kann dich keiner zwingen es zu tun." Der Indianer seufzte. ,,Vasilias weiß eben auch nicht, wo ihm der Kopf steht. Er macht sich sicherlich auch Sorgen um sein Volk."

Lydia schloss Valkan in die Arme. ,,Bitte sag mir, dass ich träume."

,,Das kann ich nicht, ansonsten würde ich lügen. Layandra lügen nicht." Auch er drückte sie an sich. ,,Lydia ich...", setzte er zögernd an.

Schließlich löste sie sich wieder ein wenig und meinte: ,,Wir müssen weiter...Die laufen uns sonst weg."

,,Erst wenn du dich dazu in der Lage fühlst."

Als Antwort nahm Lydia seine warme Hand in ihre und lächelte leicht. Langsam setzten sie sich in Bewegung und versuchten die anderen einzuholen.

 

 

Mit erhöhter Vorsicht gingen Valkan und Lydia wieder weiter hinter den Indianern, dem König und Anemro. Bis vor einigen Minuten waren sie ihnen dicht auf den Fersen, doch als Vasilias unten durch ins Tal hinein wollte, vergrößterte sich ihr Abstand wieder. Das war Lydia auch gar nicht so Unrecht, da Starker Kojote den Trupp inzwischen gemeinsam mit dem König leitete und seine Furcht in prahlenden Worten versteckte. Er tat zumindest sein Bestes.

Der Schnee unten war zu Eis gefroren und sorgte somit für eine Rutschpartie zwischen den Felsen.

,,Vorsichtig, hier ist nur wenig Trittfläche und den Kopf einziehen nicht vergessen", leitete Valkan an die Königin hinter sich, als die Felsen links neben ihnen dichter und höher wurden.

Lydia klammerte sich ab und zu an Valkan fest, um nicht auszurutschen.

Das Noskindy Tal wirkte aus dieser Perspektive, wie eine gigantische Schlucht, die man durchqueren konnte. Viele Meter über ihnen gab es jedoch keine einzige Brücke, um die Seiten zu wechseln. Dafür gab es unzählige Wasserfälle, sobald man weiter in das Tal ging. Diese plätscherten im Sommer und Herbst fröhlich vor sich hin, während sie im Winter und Frühling fast vollständig gefroren waren. Einige der Höhlen aus denen sie zu beginnen schienen waren so groß, dass dort mehrere Menschen drinnen leben könnten. Genau in solchen Höhlen vermutete Vasilias die schlafenden Drachen.

Der Nachteil an diesen Naturschauspielen war, dass sie weit oben lagen und Lydia nun wirklich kein Freund von gefährlichen Felsen war. Sie wunderte sich, dass Valkan sehr gelassen hier durch ging. Er ist schließlich noch schlimmer gestürzt als sie selbst. Plötzlich schnappte Lydia die Stimme des Königs auf.

,,Das hört sich für mich nach einem tiefen Atemzug an. Wenn es keine Bären gibt müsste es sogar ein Drache sein." Vasilias stand leicht schräg an einer Steigung, während er mit einem Finger über sich deutete.

,,Haben wir es also geschafft?", fragte Anemro erfreut.

Die Indianer gaben ihm Zeichen leise zu bleiben. ,,Was gedenkt Ihr nun zu tun?", flüsterte Ekatoa aus der Menge.

,,Die Drachen aufwecken ist wohl etwas riskant, oder? Ich meine ja nur, wenn die uns den Berg runterwerfen haben wir nichts von ihnen."

,,Gut gedacht von Ihnen", setzte Vasilias an. ,,Wir werden sie auch nicht mit Steinen bewerfen oder sie wach treten. Nein, wir werden bloß einen aufwecken, dann sind alle anderen auch wach."

,,Beantwortet nicht wirklich meinen Gedankengang, aber in Ordnung", meinte Ekatoa skeptisch.

,,Um ehrlich zu sein weiß ich es auch nicht, wie man einen schlafenden Drachen weck-weckt...", brach Vasilias ab.

Die anderen folgten seinem Blick in die Tiefe.

Lydia wurde sofort wieder Angst und Bange, also sah sie schwer atmend  in den Himmel.

Ein Wesen mit länglichem Körperbau, zwei gigantischen Flügeln und einem riesigen Kopf erhob sich aus dem See Tero in die Lüfte. Es hatte die verschiedensten blauen Farben, wellige Drachenschuppen und zwei schweifende weiße Hörner.

,,Ein Wasserdrache?", hauchte Anemro überrascht.

28. Von Angesicht zu Angesicht

,,Er wirft uns hier runter, ich habe es gewusst!", fluchte Ekatoa verzweifelt.

,,Immer ruhig mit den jungen Pferden, Indianer", versuchte Vasilias ihn zu beruhigen. Eines hatte er über die eine Nacht gelernt. Legte er sich mit einem an, legte er sich mit allen an. Die Layandra hielten so sehr zusammen, dass sie ihre Handlungen kopierten und gleichzeitig in Aktion traten, sollte es einmal ernst werden.

Der Wasserdrache befand sich inzwischen auf Augenhöhe. Lydia spürte die Anwesenheit des Wesens unmittelbar vor sich. Sie sah nicht hin, da sie zu sehr beschäftigt damit war sich an die Felswand zu klammern.

,,Wir dürfen den Drachen auf keinen Fall erschrecken!", flüsterte der König den Umstehenden zu.

,,Und wie sollen wir dann dafür sorgen, dass er uns gehorcht?!"
Lydia streckte vorsichtig eine Hand nach dem Wasserdrachen aus. Dieser neigte seinen Kopf leicht und sah sie schief an. Er wirkte ruhig und ungefährlich. Die Königin vergaß ihre Höhenangst, strich über das Wesen vor ihr und lächelte. ,,Es sieht so aus als würde Wasser durch seinen Körper fließen. Könnt ihr es auch so deutlich schimmern sehen?"

Anemro machte Anzeichen dazu, dass Lydia den Verstand endgültig verloren habe.

,,Nein, ich glaube sie hat Recht!", meinte Valkan in dieser Sekunde.

Anemro zog eine Augenbraue hoch. ,,Ach wirklich? Wir wissen nicht mal, wieso dieser Drache schon existiert."

,,Seine Anwesenheit kann vieles bedeuten", setzte der König an.

Lydia betrachtete noch immer den Drachen vor sich. ,,Er ist hier und er kann uns helfen Asimi zu stürzen, das ist doch was zählt."

,,Habt Ihr nicht gesagt, dass der Wasserdrache nur zwischen Winter und Frühling erscheint?", erkundigte sich der Indianer mit dem türkisen Kopftuch.

,,Gut gemerkt...Es ist mitten im Winter, daher kann ich mir das nicht erklären."

,,Ich mir schon. Der Drache kommt wann er will und richtet sich nicht nach den Jahreszeiten. Außerdem Drachen, die sich verwandeln können? Die zeigen sich den Menschen nur dann, wenn sie es wollen oder wurden bisher nur durch Zufälle gesehen", sagte Starker Kojote überzeugt.

Valkan zuckte die Schultern, schüttelte dann aber den Kopf. ,,Entweder das, oder der Frühling kommt dieses Jahr früher als gedacht. Das wäre ideal für einen Angriff auf das Schloss und natürlich auch für die Dorfleute, die nicht mehr frieren müssten."

Die Königin hatte ihnen nur die halbe Aufmerksamkeit geschenkt. Noch immer fasziniert zog der Wasserdrache sie in seinen Bann. ,,Wasserdrachen speien Wasser...Wir können Asimi ertränken...Aber ist das wirklich klug?", dachte Lydia laut.

,,Sicher! Solange Ihr das Königreich wieder habt." Vasilias Puls stieg leicht an, als sich der riesige Kopf in seine Richtung drehte.

,,Vasilias, manchmal wisst Ihr auch nicht alles."

,,Dafür stehe ich nicht so nahe am Abgrund wie Ihr", erwiderte der König mit einem Blick auf den schmalen Weg.

Lydia sah gar nicht erst hin. ,,Charmant." Sie streichelte den Drachen.

,,Kann es sein, dass er zur Familie Fuego gehört, weil sie schon seid Jahren über Nokard herrscht?"

,,Diese Idee klingt logisch, Vasilias. Ich habe zwar nie davon gehört, denke aber, dass Ihr Recht haben könntet. Dennoch lege ich mich nicht zu hundert Prozent auf Ihr Wort fest. Nicht dieses Mal", antwortete sie.

Valkan trat mit erhöhter Vorsicht neben Lydia und nahm sie am Arm. ,,Sei dennoch vorsichtig da am Abgrund...Das kann böse enden."

Die Königin wandte irritiert den Kopf in seine Richtung. ,,Was willst du damit sagen?" Ihr Lächeln verschwand mit einem Mal wieder.

Sanfte Feder wechselte einen Blick mit dem Häuptling, das bekam Lydia gerade noch mit, bevor sie der Drache anstupste und ins Wanken brachte. Augenblicklich war der Indianer zur Stelle und zog sie an die Felswand zurück. ,,Ich sagte doch, du sollst aufpassen." Besorgt sah er auf sie herab.

Lydia war verwirrt. Valkan hatte heute bereits zwei mal Dinge angedeutet, sie aber nie ausgesprochen. ,,Wirklich alles in Ordnung? Wenn du auch Angst hast hier zu sein wegen deinem Sturz verstehe ich es."

,,Du hast es erraten", sagte er zögernd. ,,Gehen wir zurück?"

Die Königin sah in seinen Augen, dass er log. Nie zuvor hatte sie ihn so erlebt. Er selbst sagte doch die Layandra würden stets die Wahrheit sagen. Ob er wohl den Drachen meiden wollte oder nicht würde sie nie herausfinden.

,,Kommst du?" Valkan lächelte zuvorkommend und reichte ihr bereits seinen Arm als Hilfe.

Dankend ergriff sie dessen Hand und kletterte vorsichtig hinab. Schnell warf sie dem Wasserdrachen einen Blick zu. Er folgte ihr, bewegte die Flügel elegant in der Luft und sank jeweils auf ihre Höhe hinab.

,,Wenn das Wesen, was sich Drache nennt folgt, haben wir sehr gute Chancen Asimi zu vernichten", murmelte Starker Kojote hinter Lydia.

,,Das hoffe ich doch", entgegnete die Königin. Alleine der Gedanke an Asimi ließ sie wütend werden. ,,Ich will sehen wie er aus dieser Welt verschwindet und zwar ein für alle Mal!"

Ekatoa lachte ironisch. ,,So stelle ich mir eine Frau vor, die weiß was sie will."

Lydia warf ihm ein düsteres Lächeln über die Schulter hinweg zu. ,,Wir werden nicht erst zurück gehen die Anderen holen. Die wären nur unnötig in Gefahr. Wir machen uns sofort auf den Weg zum Schloss."

Vasilias meldete sich verstört zu Wort. ,,Da habe ich auch noch ein Wörtchen mitzureden, Majestät."

,,Ihr müsst ja nicht mit."

,,Es dauert viel zu lange, um von hier aus zu Fuß bis zum Schloss zu gelangen", warf Anemro ein. ,,Wie lange wollt Ihr unterwegs sein?!"

Die Königin lachte ironisch. ,,Drei Jahre. Kleiner Scherz. Wer sagt denn überhaupt, dass ich zu Fuß gehe?"

,,Was habt Ihr vor? Asimi hat Wachen und davon nicht gerade wenige."

,,Starker Kojote stimmt dem Bleichgesicht names Vasilias zu. Die Layandra haben sie bekämpft und diese sind Manitu sei Dank, nur mit leichten Wunden davongekommen."

Lydia warf einen Blick zu dem Wasserdrachen dem sie aus irgendeinem Grund vertraute. ,,Asimi mag seine Wachen aufstellen wo auch immer er will. Ich werde mir den Weg in das Schloss schon selbst suchen...Nein, in mein zu Hause. Das werde ich mir zurückholen. Koste es was es wolle!"

 

 

Als sie den Fuß des Berges erreichten, ging Lydia wieder näher auf den Drachen zu, der seinen Kopf nahe über dem Boden positionierte. Die Königin kam sich neben diesem überdimensionalen Wesen seltsam klein vor. Sie wusste nicht, ob der Drache sie tragen würde oder sofort von seinem Rücken geradewegs gegen eine Felswand befördern würde. Doch was gab es schon zu verlieren?

Lydia behielt Augenkontakt mit dem Wasserdrachen, während sie auf dessen rechte Seite ging. Langsam und mit steigender Nervosität näherte sie sich dem Rücken immer mehr. Der Drache wandte den Kopf, um die Königin zu sehen. Diese kletterte nun unter steigender Nervosität auf den Rücken des Wesens, setzte den Fuß auf dem Flügel ab und zog sich in einem Schwung ein wenig hoch. Anschließend nahm sie die leichten welligen Zacken auf dem Rücken zur Hilfe und saß letztendlich vollständig auf dem riesigen Drachen. Von hier oben sahen die Layandra winzig klein aus, dabei waren sie nicht weit von ihr entfernt.

,,Komm da runter, Lydia! Wir haben noch keinen der anderen Drachen gefunden, so können wir nichts machen!", hörte sie Vasilias rufen.

Als hätte der Drache ihn verstanden, hob er den Hals hoch und gab ein ohrenbetäubendes Brüllen von sich. Gleichzeitig rutschte Lydia kurz nach hinten, hielt sich aber rechtzeitig wieder fest. Der Tero See wirbelte tosende Wellen auf, obwohl er bis eben noch ruhig vor sich hin lag.

Die Indianer, der König und Anemro wichen vor Schreck zurück.

,,Lydia!", rief Valkan besorgt.

Der Drache mitsamt Lydia erhob sich in die Lüfte, in die Kälte des Winters und ließ die Untenstehenden erzittern.

Aus allen Himmelsrichtungen flogen verschiedenste Drachen an, genau wie es Vasilias beschrieben hatte.

,,Asimi will Krieg, Asimi bekommt Krieg! Ich werde die Spielregeln nur etwas umschreiben und auf Nokard optimieren!", rief Lydia und fasste mit einem Mal neuen Mut. Der Drache unter ihr machte sich in Richtung Süden auf, dorthin, wo sich das Schloss auf dem Felsen befand.

29. Kein Weg zurück

Die Arbeiter und übrigen Wachen von Nokard halfen Symon aus dem eisigen Wasser an das Ufer. Der junge Mann stolperte in den Schnee und hüstelte von dem ganzen geschluckten Wasser. Seine Hautfarbe glich dem einen Gespenst.

,,Symon was machst du nur in dem Fluss?!", fragte Panna entsetzt.

,,Lass ihn doch erst zu Atem kommen." Fred legte den Arm des Verletzten um seine Schultern, um ihn zu stützen. ,,Du kannst froh sein, dass du noch lebst, Symon."

Einige von Lydias Wachen traten näher, da auch sie den Schrei von Panna nicht überhörten. ,,Was hat das zu bedeuten?"

,,Symon trieb im Fluss...Mit sowetwas rechnet man doch nicht, wenn man Wasser schöpfen soll..."

,,Warum arbeitet ihr nicht?!", hörten sie Xanders zornige Stimme. Inzwischen hatten sie die Garde des Königs erreicht und musterten ihre Gefangenen mahnend.

Panna schreckte zurück. Sofort stellte sich ihr Ehemann mitsamt Symon um den Hals vor sie. ,,Wir sind Ihnen keine Rechenschaft schuldig."

Die Garde lachte. ,,Hast du noch immer nicht kapiert mit wem du es zu tun hast?"

Pywal hob die behandschuhte Hand. ,,Ruhe, Xander! Jetzt ist sicherlich keine Zeit deine Macht am niederen Volk auszulassen." Er baute sich vor Fred auf und warf einen skeptischen Blick zu der Person, die an dem Arbeiter hing. ,,Jetzt raus mit der Sprache. Wer ist das?"

Fred war für einen Moment froh, dass der Ritter Symon nicht gleich erkannte. Er sah auch kaum noch aus wie er selbst. Blasse Haut, bläuliche Lippen und durch das Wasser etwas dunkler wirkendes Haar. ,,Von mir erfahrt Ihr gar nichts!"

,,Liebling, nicht", flüsterte Panna ihm zu. ,,Leg dich nicht mit der Garde an."

,,Ich verrate keine Freunde, Liebling", erwiderte er daraufhin.

,,Ein Freund von euch?" Pywal zerrte an Symons linken Oberarm.

Fred reagierte sofort und hielt dessen rechten Arm fest. ,,Niemals lasse ich ihn los!"

Pywal winkte genervt Xander herbei. ,,Dein kleiner Freund hier sträubt sich wieder mit Händen und Füßen. Wird Zeit, dass du wieder übernimmst."

,,Jetzt auf einmal?", lachte der große Ritter. ,,Nur zu gerne." Xander packte Fred in den Nacken und hob ihn hoch.

Pywal trennte Symon und Pannas Ehemann voneinander und betrachtete diesen prüfend. ,,Was stimmt nicht mit dem?" Er rüttelte an Symon, um ihn aufzuwecken. ,,Den kenne ich doch irgendwo her."

,,So Freundchen, du denkst wohl ich hätte letztes Mal noch nicht all meine Kraft gegen dich aufgebracht?!"

Fred zappelte mit den Beinen in der Luft. ,,Ich denke gar nicht an Euch!", brachte er hervor.

,,Am liebsten würde ich dich gleich hier umbringen!"

,,Dürft Ihr aber nicht!"

Xander zog sein Schwert hervor und hielt es Fred an die Kehle. ,,Ach nein? Rede nur weiter und ich würde es sofort tun. Außerdem würde es gar nicht auffallen jetzt wo diese andere halbe Portion aufgetaucht ist."

,,Nein! Bitte lasst meinen Mann in Ruhe!", schrie Panna vor Angst.

Pywal machte mit dem Kopf eine Bewegung Richtung Ranzord und dann Richtung Panna.

,,Geht weg von mir!", wehrte sich Panna.

,,Lasst meine Frau in Frieden! Sie hat nichts damit zu tun!"

Ranzord lachte. ,,Schade nur, dass uns das nicht im Geringsten interessiert."

,,Das gibt es doch nicht! Jetzt weiß ich es wieder", stieß Pywal hervor. ,,Das hier ist dieser idiotische kleine Dorfbewohner, der sich mit Asimi angelegt hat!"

,,Symon?!", knurrte Ranzord.

,,Ja!"

,,Wie kommt der denn hier her?!", mischte sich nun auch Xander ein.

Pywal zuckte mit den Schultern. ,,Wenn der Möchtegern sich im Fluss herum treibt, dann kann das aber nur eines bedeuten..."

,,Der wollte endlich mal ein Bad nehmen?", fragte Xander lachend.

,,Nein, du Hohlkopf! Erinnerst du dich an die Flammen die wir gelegt haben?!"

Das Lachen verstummte augenblicklich. ,,Nein...Das können die nicht gemacht haben...Das können die nicht geschafft haben!"

,,Siehst du doch! Er hat es nicht geschafft, aber alle anderen vielleicht schon", fasste Pywal zusammen. ,,Die sind auf die andere Seite des Ufers geflohen! Das müssen wir sofort dem König melden. Da drüben wird es wohl kaum mehr Fläche geben als auf dieser Seite."

,,Dann werden wir sie finden, schnappen und sie töten", sagte Xander gehässig, während er das Schwert noch immer an Freds Kehle legte. ,,Spätestens dann kann ich dich endlich umbringen", knurrte der Ritter ihm zu. Er ließ Fred in den Schnee fallen.

Dieser rappelte sich ungeschickt auf und zog seine Frau in seine Arme, nachdem Ranzord sie frei ließ.

,,Halt! Wir können nicht alle gehen! Vergesst nicht, dass wir das Feuer löschen sollten."

,,Xander und du bleibt hier. Ich gehe alleine", beschloss Pywal. Er drehte sich um, während er das sagte, blieb dann aber doch nochmal stehen. ,,Fast hätte ich es vergessen." Pywal zerrte den schwachen Symon hinter sich her. ,,Den hier brauche ich auch."

 

 

 Kalter Wind wirbelte um die riesigen Flügel des Wasserdrachen. Lydia kniff die Augen zusammen, als sie noch höher stiegen. Worauf hatte sie sich da bloß eingelassen? Sie verabscheute Höhen schon auf einfachen Felsen und nun saß sie auf dem Rücken eines Drachen deutlich weiter in der Luft. Die Königin befand sich inzwischen über dem noch immer brennenden Waldgebiet. Als der Wasserdrache das Feuer bemerkte, setzte er zum Speien an und sorgte dafür, dass eine Ladung Wasser den Weg auf die brennenden Tannen fand. Lydia lächelte. So würde sie es schaffen die Flammen zu löschen, allerdings musste sie vorher sichergehen, dass sich unten keiner ihrer Leute befand, die noch in Asimis Gewalt waren. ,,Flieg weiter, bitte!", rief Lydia ihm zu. Noch ein ganzes Stück flog sie auf dem Rücken des Wasserdrachen und sah endlich das Schloss. Der Drache wich den Rauchschwaden in der Luft so gut es ging aus und bahnte sich selbst den Weg zum höchsten Turm. Die Königin wagte es nicht, nach unten zu sehen. Andererseits wollte sie sehen was sich dort abspielte. 

 

 

,,Euer Hoheit!", rief Pywal.

,,Was ist denn nun schon wieder?! Ist das Feuer bereits gelöscht?"

Der Ritter schüttelte den Kopf. ,,Nein, aber..."

,,Dann verschwindet sofort wieder!", fauchte Asimi.

Pywal dachte keine Sekunde daran zu verschwinden. ,,Seht doch mal wen ich hier aufgefunden habe." Wie eine Trophäe hielt er Symon vor den König.

Asimi, der erst nicht hinsah, erstarrte plötzlich. ,,Ist das nicht dieser Samson?"

,,Symon, Hoheit", verbesserte Quirin, der in diesem Moment in den Thronsaal zurückkehrte.

,,Ja ohne Zweifel das muss er sein", stimmte Asimi zu. ,,Wie kommt Ihr an diesen Verräter?!"

,,Einige der Gefangenen haben ihn im Fluss gefunden. Wir gehen davon aus, dass sich die ganze Bande auf die andere Uferseite gerettet hat, um den Flammen zu entkommen."

König Asimi fasste sich an den Kopf. ,,Darauf hätte ich selbst kommen müssen! Quirin!"

,,Jawohl, Euer Hoheit?"

,,Ihr sagtet doch der Plan alle niederzubrennen sei gut und sicher!"

Pywal setzte ein überraschtes Gesicht auf. ,,Der Quirin da soll Ihnen diese Idee gegeben haben?! Dann kann das ja nichts werden."

,,Vorsicht, Ritter!", knurrte der Berater.

,,Was soll ich mit dem hier machen?", fragte Pywal und deutete auf Symon.

,,Der ist von großer Bedeutung. Schafft ihn in den Kerker. In dem Zustand kann er nicht mithelfen die Flammen zu löschen." Asimi warf sich auf den Thron.

Plötzlich bebte der Boden des Schlosses und schmiss Asimi beinahe vom Thron. ,,Was war das?!"

 

 

Panna und Fred waren mehr als geschockt, als sie den riesigen Schatten über sich sahen. Auch die Garde staunte nicht schlecht, als ein riesiger Drache über ihren Köpfen hinweg schwebte. Nervös zogen sie ihre Schwerter und richteten sie gegen den Himmel. ,,Er fliegt zum Schloss! Wir müssen den König warnen!"

 

 

Der Drache ging in den Sturzflug, noch bevor sie den Gedanken zu Ende dachte und krallte sich mit den Füßen in das Dach des Schlossturms. Einige Ziegel brachen aus der Halterung und rutschten in die Tiefe. Lydia versuchte von dem Rücken des Wesens aus an dessen Hals an das Fenster zu gelangen. Es war eine mühsame Kletteraktion, da sie keinesfalls abrutschen wollte. Der Wasserdrache blieb wo er war. Schließlich schaffte es Lydia sich an dem oberen Fensterrahmen festzuhalten, beide Füße auf die Fensterbank zu stellen und anschließend hineinzuspringen. Sie zog ihre verschmutze Kleidung zurecht und schritt mit leisen Schritten und steigendem Zorn die Wendeltreppe hinab. ,,Jetzt gibt es keinen Weg zurück."

 

 

,,Pywal! Seht sofort nach, woher das Erdbeben plötzlich kam und wer dafür verantwortlich ist!"

,,Sofort, Majestät!" Pywal ließ seinen Gefangenen los und wandte sich ab.

,,Halt!" Er deutete auf Symon. ,,Erst den in den Kerker werfen! Alles muss man hier selber machen!" Asimi sprang auf, ging auf die Türe zu und mit schnellen Schritten durch die Schlossflure.

30. Himmelsarmee

 Lydia ging Stufe für Stufe weiter die Wendeltreppe aus Stein hinab. Langsam aber sicher konnte sie einen Lichtkegel erkennen, der einige Stufen beleuchtete. Sie wusste, dass dort die Türe lag die in eine der obersten Etagen des Schlosses führte. Hier oben waren die Flure nicht mehr ganz so hoch gebaut, wie die der tiefergelegenen Stockwerke. Die Teppiche waren in einem hellen Blau und die Dekorationen der vereinzelten Regale bestanden aus Ahornholz, welches vor vielen Jahren den Weg in die Schlossmauern fand. Zu dieser Zeit lebten ihre Ururgroßeltern noch im Schloss. Niemals würde die Königin es sich verzeihen, wenn sie nun diejenige sein würde, die ihr Zuhause verlor.

An der Tür angekommen, legte sie langsam die Finger um den eisernen Griff und zog daran. Ein wenig knarrend wurde der Ausgang freigegeben. Lydia steckte den Kopf zwischen den Türspalt und lugte hinaus in den Gang. Es schien keiner anwesend zu sein. Erleichtert atmete sie aus bevor sie sich daran machte von der Stelle zu verschwinden.

Mit erhöhter Aufmerksamkeit ging Lydia den Flur entlang. Sie musste es bis in das Treppenhaus schaffen, um mehr Überblick zu bekommen. Etwas schneller hastete sie nun durch den Korridor und blieb dabei immer in der Nähe eines Gegenstandes stehen, um sich zu verstecken. Schließlich erreichte sie die oberste Treppe des Schlosses und heftete sich an das Geländer. Leicht beugte sich Lydia darüber. Nichts war zu sehen. Sie zog ihren Kopf wieder zurück und arbeitete sich langsam die ersten Stufen nach unten. In diesem Moment hörte sie eine Rüstung scheppern. Schockartig blieb sie stehen. Die Schritte mussten eine Treppe unter ihr sein. Sie stieß sich von dem Geländer weg und hielt sich mittig. Die Königin ging in die Hocke und lauschte den Schritten. Sie kamen nicht näher, sondern wurden leiser.

,,Na los, beweg dich! Ich nehme keine Rücksicht auf Schwache!"

Lydia hielt Inne. ,,War das nicht Pywals Stimme?", dachte sie nach. Im nächsten Moment überlegte sie wen der Ritter damit meinte. ,,Ydro!", schoss es ihr durch den Kopf. Ohne über ihre Tarnung nachzudenken, stand die Königin wieder auf und rannte die Stufen hinab. Sie versuchte dicht am Geländer zu bleiben, um nicht unnötig Zeit durch die Kurven zu verlieren.

,,Lydia?"

Ruckartig blieb sie stehen und drehte mit rasendem Herzen den Kopf zur Seite. Leider hatte sie bereits die Treppen erreicht, in denen mehrere Korridore abzweigten. Dabei übersah Lydia, dass Asimi dort auftauchte.

Asimi nahm blitzschnell einer Ritterrüstung die Waffe ab und machte Jagd auf die Königin.

Lydia sah zu, dass sie die Beine in die Hand nahm und rannte.

Quer durch das ganze Schloss ging die Verfolgungsjagd. Durch die Flure, die Treppen rauf und manche runter, sogar durch den Thronsaal und durch die Bibliothek. Hinter einem der großen Regale fand Lydia für eine Minute Zeit einmal durchzuatmen. Mit rasendem Puls drückte sie sich gegen das Regal, während sie die Augen nach dem König offen hielt. Hastig eilte sie um den großen Schreibtisch in der Mitte der Bibliothek, damit sie in Richtung Fenster gelang. Gerade als sie den Tisch hinter sich ließ, sprang Asimi von der Seite auf sie zu, drückte sie gegen die Wand des geöffneten Fensters und hielt das Schwert an ihre Kehle.

,,Endstation, Eure Hoheit! Es war ein großer Fehler zurückzukehren!"

Die Tränen stiegen ihr in die Augen. ,,Nein!", schrie die Königin so laut, dass es sicherlich bis außerhalb der Schlossmauern noch zu hören war.

In diesem Moment reagierte der Wasserdrache auf dem Dach und ließ zum zweiten Mal an diesem Tag sein lautes Brüllen hören.

Die Drachen, die sich bisher nicht weiter an das Schloss herangewagt hatten, flogen nun über den noch immer brennenden Wald in Richtung Hügel und drehten große Kreise in der Luft.

Der Ruf des Wasserdrachen sorgte dafür, dass der Fluss übergroße Wellen erzeugte. Diese türmten sich auf, wurden höher und immer größer.

Die Königsgarde, welche sich um die Gefangenen kümmern sollte, wedelten mit den Schwertern und versuchten die Mauer aus Wasser zu bekämpfen. Bei weitem konnten sie nicht gegen Wellen ankämpfen. Dennoch hielten die Ritter den Fluss genauso im Auge, um sicher zu gehen, dass die Wellen an ihrer Stelle blieben.

Die Gefangenen wichen ebenfalls zurück. ,,Was geht hier vor?", fragte Panna, die sich an Fred klammerte.

Ihr Ehemann sah besorgt zwischen dem Himmel und dem Wasser hin und her. ,,Ich kann mir das nicht erklären..."

,,Fred, wir werden sterben!", rief Panna ängstlich. ,,Verbrennen oder Ertrinken, was ist dir lieber?"

,,Wir werden nicht sterben!" Fred sah zu einem der Schlossfenster hinauf. Es war eines der wenigen, welches man aus diesem Winkel über die Tannen hinauf sehen konnte. Seine Gesichtsfarbe veränderte sich in schneeweiß.

,,Liebling, was ist los?" Panna folgte dem Blick ihres Mannes, sah aber nicht das, was er sah.

,,Da oben hängt jemand halb aus dem Fenster..." Er blinzelte kurz, da ihn etwas blendete. ,,Da kämpft jemand!", stieß er hervor.

,,Wo denn?" Panna ging hektisch umher.

,,Ich habe das Silber in der Sonne blitzen sehen!" Fred wurde unruhig. So unruhig, dass er sogar die Wellen und den Drachen über ihm vergaß.

,,Die Ritter sind doch alle hier", warf Panna ein.

,,Nicht alle, Pywal ist mit Symon zu Asimi rauf ins Schloss! Was ist, wenn Symon zu sich gekommen ist und nun gegen beide kämpft?!"

Seine Frau schlug die Hände vor das Gesicht. ,,Wir müssen etwas unternehmen!" Sie wandte sich von ihrem Mann ab und eilte mit leichten Schritten zu der Gruppe von Lydias Rittern. ,,Ser Chrysos!"

Der ältere Mann drehte sich zu ihr um. ,,Panna? Warum bist du nicht bei deinem Ehemann?", fragte er entsetzt und machte ein überraschtes Gesicht.

,,Ihm geht es gut...Wir haben gerade Silber oben am Schlossfenster gesehen. Da oben kämpfen eventuell zwei und wir denken, es ist Symon gegen Pywal oder Asimi."

Die Miene des Ritters wurde ernst. Er wirkte jetzt sogar für die junge Frau nahezu bedrohlich. ,,Dann müssen wir ihm sofort helfen!" Er winkte seine anderen Ritter zu sich.

,,Wir können nicht hier weg, denkt an die Königsgarde von Asimi!", wehrte der eine ab.

,,Kipivo, dafür haben wir jetzt wirklich keine Zeit mehr!"

,,Bis wir da oben sind, kann Symon auch schon tot sein!", meinte Kipivo. ,,Es ist zu riskant."

,,Ihr helft also nicht?!" Als keine Reaktion erfolgte wurde Chrysos unruhig. ,,Im Namen der Königin, jetzt setzt euch alle in Bewegung!"

Gemeinsam traten die Gefangenen die ungeplante, blitzschnelle Flucht an.

Zunächst merkten Xander, Ecklard und einige anderen gar nicht, dass ihre Gefangenen die Flucht ergriffen. Sie waren noch immer auf die Wasserwand konzentriert.

,,Vorsicht!", brüllte Ser Chrysos und schubste Kipivo vor einer herabfallenden Ziegel weg. Diese landete mit einem dumpfen Aufprall im Schnee.

,,Wir müssen schneller den Hügel erreichen und rauf!"

,,Schneller als so geht es aber nicht!", rief Fred dem Ser zu.

,,Dann bleibt uns nur unser Bestes zu geben!"

 

 

Asimi hatte sie bis durch das geönnfete Fenster gedrängt. Halb hing Lydias Oberkörper hinaus.

,,Wollt Ihr springen oder erweist Ihr mir die Ehre?", fragte er gehässig. Inzwischen hatte er die Schwertspitze über sie gerichtet und sie befand sich hilflos darunter.

,,Dann tötet mich doch!", fauchte sie ihn an. Verzweiflung und Wut lagen in ihrer Stimme. ,,Worauf wartet Ihr?"

,,Lydia!", hörten die beiden Stimmen aus der Ferne.

,,Hört Ihr das? Ihre Indianer Freunde sind gerade eingetroffen. Nun kann ich sie mir endlich alle vom Leib schaffen!", sagte er schadenfroh. ,,Das war einfacher, als ich dachte."

Lydia schüttelte den Kopf. ,,Das lasse ich nicht zu!"

,,Ihr werdet nichts dagegen ändern können! Nicht einmal, wenn Ihr mich tötet seid Ihr mich los!"

Ungewollt rollten mehr Tränen aus ihren Augen.

,,Nie habe ich mich besser gefühlt!", brummte Asimi grimmig.

Lydia sah durch die verschwommenen Augen in die des Königs. Auch so sah sie den Wahnsinn, der ihm in das Gesicht geschrieben stand.

 

 

,,Indianer!", rief Ser Chrysos am Fuße des Hügels besorgt. ,,Wie kommen die denn hier her?"

,,Wir können jetzt nicht anhalten, sondern müssen Symon retten!", rief Kipivo angespannt.

,,Wartet!", rief Starker Kojote den Geflohenen zu. ,,Wir wollen euch nicht angreifen!"

Die anderen rannten trotzdem weiter. Niemandem schenkten sie mehr Vertrauen.

,,Lydia!", brüllte Valkan über den Lärm hinweg.

Panna hielt mit einem Mal an. ,,Fred, die rufen den Namen von unserer Königin!"

Ihr Mann kam etwas vor ihr zum Stehen. ,,Wie bitte?"

Panna hielt sich erneut die Hände seitlich vor das Gesicht, um ihre Stimme lauter klingen zu lassen: ,,Ser Chrysos! Kipivo!"

,,Warum ruft ihr Lydias Namen?", fragte Fred, den die Indianer inzwischen erreichten. ,,Sie haben Symon ins Schloss geschleppt!"

,,Weil sie im Schloss sein muss! Sie ist auf dem Wasserdrachen hergeflogen!", antwortete der König von Logarda.

,,König Vasilias! Ich habe Euch gar nicht erkannt", sagte Fred und verbeugte sich.

,,Tut nichts zur Sache, rettet Lydia...Wartet, sagtet Ihr gerade Symon?" Vasilias warf einen leicht erfreuten Blick zu Valkan.

,,Er lebt noch! Was ein Glück."

31. Toter Retter

 Pywal zerrte Symon weiter in den Kerker. Kurz bevor sie diesen erreichten, bebten die Schlosswände erneut. Diesmal jedoch so heftig, dass der Ritter von Asimi dachte es würde alles in sich zusammenstürzen. Aus diesem Grund ließ er den braunhaarigen Gefangenen los und begab sich auf die Flucht. Sein Leben war ihm deutlich mehr Wert, als das eines Dorfbewohners.

Symon kam langsam wieder zu sich und musste sich erst einmal orientieren, wo er überhaupt war. Staub rieselte von der niedrigen Decke. Er folgte diesem mit seinen Augen bis hin auf den Boden. ,,Mist!", fluchte er plötzlich mit geweiteten Augen. Symon zog sich an der Steinwand hoch und ging gekrümmt den Kellerflur entlang. Mit einem Arm über der Stirn, bahnte er sich den Weg zur Treppe in die Eingangshalle hinauf. Hier landete er mitten in einem lautstarken Kampf. Symon hörte Geschrei, lautes Gebrüll von Tieren und spürte die leicht bebende Erde unter sich. Die Stimme, zu der dieser Schrei gehören musste, kam ihm sehr bekannt vor. ,,Königin Lydia!" Er versuchte die Schmerzen zu vergessen und sich am Geländer entlang hinaufzuziehen.

 

 

Lydia spielte bereits mit dem Gedanken die Klinge mit bloßen Händen zu umklammern und auf diese Weise wegzudrücken. Die unerträglichen Schmerzen danach würde sie dem Tod sogar bevorzugen. ,,Wenn Ihr mich hättet töten wollen, hättet Ihr das schon längst getan!", schrie sie den König an, da dieser noch immer in der Position verharrte, nur das Schwert auf sie gerichtet zu halten.

,,Ich will nichts anderes als Euren Tod!"

,,Dann tötet mich!" Lydia wusste für einen Moment gar nicht, was sie sagte. Innerlich hoffte sie, dass er nicht wirklich zustach.

Anstatt sie umzubringen, traf Asimi ihren linken Oberarm. Die Königin spürte sofort wie sich ein fürchterlicher Schmerz ausbreitete. Gerade setzte sie dazu an, die Klinge wirklich mit den Händen wegzudrücken, da nahm sie im Augenwinkel eine Person wahr. Keine Sekunde später flog ein dickes Buch auf den Kopf des Königs und dieser taumelte weg von ihr.

Lydia fiel ein Stein vom Herzen, als sie das Schwert auf dem Boden klirren hörte. Kaum war Asimi aus ihrem Blickfeld verschwunden, zog sie jemand weg von dem Fenster. ,,Symon! Götter!" Sie fiel dem Dorfbewohner um den Hals.

,,Euer Majestät, ich wollte Euch keinen Schrecken einjagen beim Fluss...Ich hätte Eure Hand niemals loslassen dürfen."

,,Cheryl weinte Tag und Nacht um dich, wenn sie das nicht immer noch tut."

Symon raufte sich durch das nasse Haar. ,,Ich dachte wirklich, ich sei nun tot...Es waren so fürchterliche Minuten." Tränen standen nun auch in seinen Augen, bevor er ein leises Geräusch von sich gab und an sich hinab sah.

Eine Schwertspitze wurde plötzlich sichtbar, wo eigentlich Symons Oberkörper war.

Die Königin wich erschrocken zurück und sog den Atem tief ein.

Der Dorfbewohner sah wieder zu seiner Königin hoch, stolperte ein wenig zurück, verdrehte die Augen und klappte in sich zusammen auf den Boden.

,,Nein! Symon!", schrie Lydia.

Pywal wurde sichtbar, säuberte die Klinge seines Schwertes und half Asimi auf die Beine.

Die Königin war so geschockt, dass sie wie gelähmt auf der Stelle stand. Ihr ganzer Körper zitterte vor Angst.

,,Der Zwerg dachte wirklich, er kann sich mit mir anlegen", knurrte Pywal den toten Körper Symons an.

,,Was macht er überhaupt hier oben?! Habe ich nicht gesagt, dass er in den Kerker soll! Er sollte als Druckmittel gelten und Ihr habt ihn getötet!" Asimi wehrte die Hilfe des Ritters ab und sah angewidert zu Boden. ,,Jetzt haben wir nur noch die Königin."

,,Das reicht doch", erwiderte der Ritter.

,,Vorsicht...Seid froh, dass ich Euch nicht umbringe! Das hätte meine halbe Garde verdient." Der König ging zu Lydia. ,,Was mache ich jetzt mit Euch?", grübelte er und hob das Schwert wieder auf.

Die Königin hastete zwischen den Regalen durch, auch wenn sie nun zwei Verfolger hatte. Irgendwie musste sie hier raus.

 

 

,,Schneller!", rief Ser Chrysos. ,,Wenn wir uns beeilen, können wir zwei Menschenleben retten!"

Der Stamm der Layandra und Lydias Anhänger eilten den Hügel hinauf auf dem das Schloss stand. Mehr als den halben Hügel hatten sie bereits hinter sich gelassen.

,,Wir schaffen es!", rief Panna aus der Puste und rutschte erneut aus.

Fred fing sie auf. ,,Der Schnee macht die ganze Sache nicht leichter."

,,Die Drachen aber auch nicht!", rief Ekatoa ihm zu. ,,Dabei sollten die uns doch helfen. Ich sehe nur wie sie das Schloss beben lassen."

Lydias Ritter eilten durch den Schnee und legten einen guten Vorsprung vor den Indianern hin.

Endlich erreichten sie das Eingangsportal. ,,Wir teilen uns auf, klar? Immer drei in eine Richtung! Los!"

Ser Chrysos selbst lief mit Kipivo und einem Ritter namens Ilportis die Treppen nach oben. In genau dem richtigen Stockwerk hielten die Inne. Chrysos hob seine Hand als Wartezeichen. Gleichzeitig sah er sich um und entdeckte die Ritterrüstungen. ,,Da fehlt eine Waffe", flüsterte er den anderen beiden zu. ,,Wir müssen uns vorsehen."

Kipivo und Ilportis nickten. ,,Wenn wir Glück haben gehen drei von uns gerade in den Waffenkeller..."

Weiter kam er nicht, da plötzlich drei Leute auf sie zu stürmten. Ganz vorne Lydia, dahinter Asimi und Pywal.

,,Halte sie auf!", brüllte der König.

Die drei Ritter wichen perplex ihrer Königin aus, stellten sich den beiden Angreifern sofort in den Weg.

Kipivo und Pywal stießen zusammen und rollten die Stufen ein Stück hinab. Chrysos dagegen knallte mit Asimi zusammen und drückte dessen beiden Hände neben sein Gesicht auf den Boden. ,,Schluss mit Eurer Herrschaft in einem Reich welches Euch nicht gehört!" Er nahm das Schwert, welches dem König beim Zusammenstoß verlor und hielt es nun an dessen Hals.

Ilportis half der überraschten Lydia auf die Beine. ,,Euer Hoheit! Wir haben Sie gefunden."

Die Königin drückte sich an ihrem Ritter vorbei zu Asimi. ,,Ser Chrysos!"

,,Was wünscht Ihr mit dem König zu machen?" Das Wort König sprach er absichtlich mit Verachtung aus.

,,Am besten wir..." Lydia vernahm ein unangenehmes Geräusch. Sie eilte an das Geländer und sah auf den Stufen ihren Ritter mit einem Schwert in der Hand. ,,Um Himmels Willen, Kipivo!"

,,Euer Hoheit, es war Notwehr!"

Wankend wandte sich Lydia von der zweiten Leiche ab, die sie heute zu Gesicht bekam. Noch immer zählte sie nicht zu den Toten.

,,Asimi ist unberechenbar, wir können ihn nicht Leben lassen", meinte der Ser vor der Königin. ,,Denkt daran, dass er Euch und Nokard einiges hätte antun wollen..."

Lydia zögerte kurz. ,,Einverstanden, aber...Lasst doch die Drachen ihre Belohnung bekommen dafür, dass sie uns geholfen haben." Ihre Miene verfinsterte sich als sie zum König hinab sah.

,,Wie Ihr wünscht, Majestät."

,,Wir sind endlich da!", hüstelte eine Stimme aus der Eingangshalle, die Lydia aufhorchen ließ.

,,Panna?!" Sie ließ die Ritter zurück und eilte die Treppe hinunter. Ihren verletzten Arm bemerkte sie erst wieder, als sie Panna erleichtert in die Arme fiel. ,,Götter sei Dank, ihr lebt."

,,Das können wir auch von Euch behaupten!", warf Fred ein.

,,Lydia!" Hinter den Küchenarbeitern erschienen Vasilias, Anemro und die Indianer. Einer von ihnen blieb nicht stehen, sondern bahnte sich den Weg zu ihr durch.

,,Valkan!" Sie schloss den Indianer in ihre Arme und ließ den Tränen freien Lauf.

,,Ich dachte wirklich ich sehe dich nie wieder", flüsterte Sanfte Feder und drückte sie noch fester an sich.

,,Wo ist Asimi?", fragte Vasilias.

In diesem Moment kamen Ilportis, Kipivo und Chrysos mit dem König in den starken Armen herunter. ,,Hier ist er."

,,Noch...Bald wird er als Drachenfutter enden", ergänzte Ilportis grinsend.

,,Pywal haben wir zumindest erwischt. Die anderen Ritter werden hoffentlich gerade unter den Wellen des Flusses ertrinken..."

,,Hatte er nicht einen Berater?", erinnerte Anemro.

Vasilias ballte die Fäuste. ,,Verflucht, du hast Recht! Wo ist dieser Quirin?!"

32. Feuerwand

,,Den können wir suchen sobald Asimi aus den Augen und aus dem Sinn ist", entgegnete der Häuptling.

Lydia wandte sich ihren Rittern zu. ,,Ser Chrysos, bitte bringt den König doch nach Draußen, wo er hin gehört."

,,Euer Hoheit!"

Als die Königin sich umdrehte, sah sie ihre anderen Ritter und lächelte. ,,Ihr habt es also auch geschafft."

,,Ja und wir haben uns neue Waffen aus dem Keller geholt. Nun sind wir wieder voll und ganz kampfbereit", sagte einer der Männer, der noch keine Rüstung trug und hob das Schwert hoch.

,,Ich denke, da liegt Ihr falsch. Ihr tragt noch keine Rüstung", machte Lydia aufmerksam. ,,Sucht die Rüstungen und zieht euch um. Draußen warten Asimis Wachen eventuell auf einen Kampf."

,,Sehr wohl!", riefen die Ritter im Chor und strömten in eine Richtung aus.

Lydias Lächeln verschwand, als sie ihre Arbeiter ansah.

,,Hoheit", begann Panna zerknirscht. ,,Da gibt es noch etwas, was Ihr wissen solltet..."

,,Was ist passiert? Macht mir jetzt bitte keine Angst."

Panna wischte sich über die Augen.

,,Schon gut, ich sage es der Königin", seufzte Fred. ,,Asimi hat Ydro getötet."

Bedrückt, ohne ein Wort zu sagen, sank Lydia in die Knie. Diese Nachricht verschlug ihr nun endgültig die Sprache.

Valkan trat neben sie und hockte sich hin. ,,Alles wird gut, Asimi wird bald Drachenfutter sein." Der Indianer wusste selbst nicht, was er sagte.

Um Lydia herum schien sich die Welt schneller zu drehen, als sie es eigentlich sollte. Sie schloss die Augen und atmete tief durch.

Ekatoa und Starker Kojote rempelten Vasilias beiseite. ,,Die Frau namens Lydia muss jetzt stark sein. Viele Tote hat Asimi auf dem Gewissen. Unter anderem auch meinen Vater."

Lydia sah den Häuptling an. ,,Asimi...Diesen Namen will ich nie wieder hören...Sorgen wir dafür, dass er mitsamt seinem Ebenbild aus der Welt verschwindet!" Die Wut stand ihr in das Gesicht geschrieben. ,,Er ist nicht einmal davor zurückgeschreckt Symon töten zu lassen!"

,,Symon lebt, Lydia. Diese beiden Bleichgesichter haben es uns versichert. Wir wollten dir wenigstens diese eine gute Nachricht überbringen", meinte Valkan und versuchte zu lächeln.

Die Königin stand langsam mithilfe des Indianers auf. ,,Nein tut er nicht. Er wollte mich vor Asimi retten doch dann kam Pywal und hat ihn vor meinen Augen erstochen!"

Panna schlug die Hände vor ihr Gesicht. ,,Nein!"

Fred legte einen Arm um seine Ehefrau. ,,Wir waren nicht schnell genug..."

,,Macht euch bitte keine Vorwürfe. Der Mörder ist ohnehin tot", berichtete sie knapp. ,,Falls Asimi noch lebt und noch kein Drachenfutter ist, würde ich ihn am liebsten selbst töten." Die Königin warf einen verachtenden Blick in Richtung Eichenportal. Augenblicklich setzte sie sich in Bewegung.

Sanfte Feder hielt sie zurück. ,,Was hast du denn jetzt vor?! Du musst nicht sehen, wie die Drachen den König fressen..."

,,Valkan, bitte ich muss ihm meine Meinung geigen. Er hat Ydro getötet, den eigentlichen Häuptling eures Stammes und viele unschuldige Menschen!" Sie zerrte an ihrem Handgelenk in dessen Hand.

,,Lydia, es ist vernünftiger nicht zu gehen."

,,Ich stimme Sanfte Feder zu", warf Anemro ein.

Dem Indianer schien das gar nicht zu gefallen. Jeder andere hätte ihn nicht gestört, doch in Anemro fand er keinen Freund.

,,Ich denke ich bin alt genug alleine zu entscheiden was gut für mich ist und was nicht", wehrte sich die Königin.

,,Ekatoa."

Der stärkere Indianer kam Valkan zur Hilfe und hielt Lydia fest.

,,Schämt ihr euch denn gar nicht?! Ihr seid viel stärker als ich und wollt mich gegen meinen Willen hier behalten?!"

,,Wenn es doch zu Eurer Sicherheit ist", antwortete Ekatoa.

,,Bis eben bin ich sehr gut alleine zurecht gekommen."

,,Oh wirklich?"

,,Ja!", zappelte Lydia.

Der Häuptling trat vor die Königin in Ekatoas Fängen. ,,Und wie seid Ihr Asimi entwischt? Gar nicht wenn ich mich erinnere."

,,Das könnt Ihr gar nicht wissen!"

,,Ihr sagtet doch Symon habe Euch gerettet. Nun noch einmal die Frage wie seid Ihr Asimi entwischt?"

,,Meine Garde hat mich letztendlich befreit. Ich bin Euch keine Rechenschaft schuldig, Häuptling", zischte die Königin.

,,Seid ruhig sauer auf mich. Ihr könnt aber nicht sagen, dass wir Euch schon oft genug das Leben gerettet haben...Oder dass Ihr Euch in Valkan verguckt habt", fügte er zwinkernd hinzu.

Lydia hielt kurz still, dann hatte der Häuptling seinen Satz beendet und sie kam wieder voll in Fahrt. ,,Seid Ihr von Sinnen?! Asimis Garde ist noch immer da Draußen, er vielleicht noch nicht tot und Ihr denkt schon über sowas nebensächliches nach?! Ihr seid unmöglich!"

Der Häuptling lachte. ,,Wenn es doch so ist." Er warf dem ebenso finster dreinblickenden Valkan einen vielsagenden Blick zu. ,,Also gut, ich ergebe mich. Zwei gegen einen sind mir dann doch zu viele."

,,Außerdem habt Ihr das alles doch nur gemacht, weil ich Euch Waffen versprochen habe!"

Das Lachen von Starker Kojotes Gesicht verschwand. Nicht nur, weil er der einzige war der lachte. ,,Ihr denkt wirklich so schlecht von uns?"

,,Sonst würdet Ihr mich gehen lassen! Ich bin ein freier Mensch!"

,,Frei, aber unberechenbar", fügte Ekatoa hinter ihr hinzu.

,,Nicht der Moment", unterbrach sie ihn. ,,Ihr bekommt die Waffen natürlich. Ich gehe davon aus, dass ihr jetzt wo Asimi nicht mehr existiert wieder wegzieht...Zurück nach Leydra. Die Waffen könnt ihr sicherlich trotzdem gebrauchen. Die Welt hat viele Gefahren offen. Asimi war nur eine von vielen." Sie sah zwischen den überraschten Leuten hin und her.

Starker Kojote räusperte sich. ,,Das ist sehr aufmerksam."

,,Wir werden nicht zurück nach Leydra gehen", warf Valkan ein.

,,Sei dir da nicht so sicher, Sanfte Feder. Wir haben in einem Königreich herzlich wenig verloren."

,,Die letzten Wochen hat es doch auch geklappt. Keiner hat sich gegenseitig umgebracht...", zählte er auf.

Ekatoa ließ Lydia los.

,,Zu freundlich." Sie strich sich über den Oberarm.

,,Wir müssen zusammenhalten und uns nicht gegenseitig hassen", entgegnete der Indianer mit dem roten Kopftuch daraufhin.

Die Königin lief einzig bis zum Eichenportal, wo sie stehen blieb und auf die anderen wartete. ,,Wir müssen unsere Dorfleute noch zurückholen", sagte sie zur Überraschung des Häuptlings.

 

 

Xander, Ecklard und Ranzord standen vor der riesigen Welle und wussten sich beim besten Willen nicht zu helfen. ,,Was machen wir jetzt?!", rief Xander den anderen beiden zu.

,,Weg hier!", schlug Ecklard vor und lief davon.

Was der große Ritter nicht sah war, dass der Wasserdrache inzwischen links neben ihm gelandet war, den Hals gen Himmel streckte und erneut brüllte. Die Wellen setzten sich in Bewegung und schlugen auf Asimis Ritter ein, rissen sie in den Fluss und trieben sie davon. Anschließend erhob sich der Wasserdrache in die Luft und begann nach und nach die Flammen des Waldes zu löschen.

 

 

Einen Moment lang starrten sie von dem Eingangstor aus auf die Feuerwand, die sich zu bewegen schien. Mit angehaltenem Atem beobachtete Lydia die Flammen. Plötzlich erschienen wie aus dem Nichts, Pferde mitsamt Reiter und bildeten vor der Flammenwand einen großen Kreis.

,,Mein Volk!", stießen Vasilias, Starker Kojote und Lydia erleichtert aus. Kurz wechselten sie einen Blick und eilten anschließend den Hügel hinab.

Die Layandra, Anemro und die Mitarbeiter Lydias folgten ihnen so schnell sie konnten.

Jetzt konnte sie kein Asimi mehr daran hindern, ihr Volk nach Hause zurückzubringen.

33. Vereinte Reiche

Noch am selben Abend fand eine Krisenversammlung der drei auf ihre Weise herrschenden Regenten im Schloss statt. Die Ritter, die Dorfbewohner von Nokard und Logarda, sowie die Indianer versammelten sich im unteren Bereich des Schlosses, während vor den Toren noch immer die Drachen umherflogen. Königin Lydia saß nach einer langen Zeit endlich wieder in ihrem Thron, während Vasilias und Starker Kojote auf einfachen Stühlen Platz fanden.

,,Was machen wir nun? Quirin können wir nicht finden, wenn er sich überhaupt noch im Schloss aufhalten sollte."

,,Wieso können wir ihn nicht finden?"

,,Wie viele Stunden wollt Ihr damit verschwenden, Lydia?", fragte Vasilias skeptisch.

Die Königin legte die Unterarme rechts und links auf die Armstützen und sah den König von Logarda verständnislos an. ,,So lange wie es eben nötig ist, um mein Volk endgültig vor Gefahr zu bewahren. Was denkt Ihr denn?"

,,Draußen vor Euren Mauern fliegen Drachen umher und Ihr wollt einen lächerlich dummen Berater suchen?!"

,,Beurteilen Sie einen Menschen niemals nach seinem Verhalten, Vasilias. Das kann böse enden..."

Der König zog eine Augenbraue hoch. ,,So? Wie soll ich denn sonst meinen Gegenüber einschätzen Eurer Meinung nach?"

,,Macht Euch ein eigenes Bild von ihm. Ein hervorragendes Beispiel gab Asimi ab. Alle dachten er sei freundlich und sicher nicht das Monster, welches er war."

,,Habt Ihr bereits Nachricht erhalten, dass er nun tot ist?", hakte Vasilias nach.

Lydia nickte. ,,Ser Chrysos versicherte mir, dass der König von Isarek nun nichts mehr als eine schlechte Erinnerung sein wird."

,,Ihr vertraut Chrysos?"

,,Natürlich vertraue ich Chrysos!", antwortete sie etwas zu energisch. ,,Neben ihm habe ich keinen mehr, der mir in der Berater Position zur Seite stehen kann. Ydro wird niemand so schnell ersetzen können..."

,,Ihr braucht einen Ser als obersten Ritter, Majestät", warf der König ein.

,,Ich werde dazu Kipivo auswählen. Er hat Symons Mörder getötet und mich auch noch gerettet. Ilportis natürlich auch, aber ich kann nicht alle als obersten Ritter einstellen. Alle werden die Dankbarkeit erhalten, die ihnen zusteht." Sie erhob sich. ,,Besonders der Stamm der Layandra soll meine Dankbarkeit zu schätzen wissen. Ohne euch sähen wir wirklich schlecht aus."

Starker Kojote hob drei Finger. ,,Ich habe geschworen die Leute von Nokard aus der Krise zu bringen und den Schwur gehalten."

,,Waffen werdet ihr bekommen, wie ich es bereits mehrfach erwähnte. Doch ich habe noch ein anderes Anliegen." Sie legte nachdenklich die Hände ineinander. ,,Da erneut die Hütten meines Dorfes abgebrannt wurden und wir keinesfalls jede einzelne verkohlte Tanne des Waldes abholzen können, bitte ich die Layandra dazu, ihre Ware aus Leydra herbringen zu lassen. Im Gegenzug dafür, könnte der Stamm hier leben und das Volk würde wieder größer werden."

Starker Kojote grübelte. ,,Wir sollen zurück, um Lebensmittel herzubringen und noch dazu unter der Obhut einer Königin zu leben? Ist das nicht eine eher nachteilige Idee?"

,,Wir könnten wenigstens Handelspartner werden, wenn Ihr nicht bleiben wollt. Nokard bietet euch mehr und mehr Waffen und ihr uns Lebensmittel beziehungsweise Holz, bis wir selbst wieder anbauen können."

Vasilias stand ebenfalls auf. ,,Der Häuptling wäre unklug Eure Entscheidung abzulehnen. Ich selbst würde ebenfalls gerne mit Nokard in Verbindung bleiben."

,,Sicher gebührt Euch auch ein großer Dank, Vasilias", meinte Lydia lächelnd. ,,Ich nehme an Ihr habt bereits eine Idee, wie unsere beiden Reiche vereint werden können?"

Der König kratzte sich am Kopf. ,,Ja, sicherlich werdet Ihr den Vorschlag ablehnen...Es wäre für mein Reich jedoch eine Möglichkeit weiterhin zu existieren."

Die Königin klatschte ungeduldig in die Hände. ,,Rücken Sie raus mit der Sprache, ansonsten höre ich mir zunächst die Meinung des Häuptlings an."

,,Starker Kojote bespricht mit dem hohen Rat, wie wir weiter vorgehen. Vorerst werden wir die Tipis hier im Schlossgarten aufbauen, wenn Ihr erlaubt?"

Lydia nickte. ,,Versucht so gut es geht im Schloss zu bleiben. Ich weiß ihr seid nichts anderes gewohnt, aber die Kälte haut einen wirklich um."

Damit verschwand der Häuptling und ließ die Könige zurück.

,,Vasilias, ich warte..."

,,Verzeihung. Ich würde vorschlagen, dass Ihr Anemro heiratet. Er ist nicht mein Sohn und auch aus keiner adeligen Familie, jedoch werde ich niemals Kinder haben, geschweige denn für Thronfolge sorgen können. Anemro ist beinahe wie ein Sohn für mich, daher schlage ich ihn vor."

,,Woher wusstet Ihr, dass ich vor hatte einen Ehemann zu finden?"

Vasilias hob die Hände. ,,Wusste ich nicht, ehrlich. Ich dachte einzig an mein Reich...So viele Herrscher sind tot oder leben zu weit entfernt, um mit Logarda eine solche Verbindung einzugehen." Er ging im Thronsaal auf und ab. ,,Eure Kinder könnten eines Tages Herrscher über Nokard und Logarda werden und wenn ihr unsere beiden Reiche vereint, wäre das doch ein Gewinn für beide Seiten. Die Layandra bleiben sicher nicht bei Euch."

Lydia wurde beinahe sprachlos. Keinesfalls dachte sie daran Anemro zu heiraten. Asimi war auch nicht die beste Alternative gewesen, doch der Berater des Königs kam auch nicht in Frage. Sie empfand rein gar nichts für Anemro. ,,Ähm...Tut mir leid, Vasilias. Es wäre Anemro gegenüber nicht gerecht ihn zu heiraten, wenn ich ihn nicht liebe."

Der König schnippste mit den Fingern, als er am Fenster ankam. ,,Ich wusste irgendwie, dass ich daran scheitern werde."

Lydia legte den Kopf schief. ,,Ach ja?"

,,Schon seitdem ich Euch und diesen Indianer zusammen gesehen habe. Sie beide strahlen eine solch starke Aura aus, da hätte ich mir die Frage schon sparen können."

,,Schon gut...Aber könntet Ihr bitte aufhören immer Valkan mit in die Gespräche einfließen zu lassen?"

,,Ihr bestreitet doch nicht, dass Ihr ihn mehr mögt als manch anderen?", hakte der König nach.

,,Darauf gebe ich bewusst keine Antwort."

,,Lydia, ich war auch einmal jung. Auch ich hatte eine tolle Frau, die nur leider wegen einer seltenen Krankheit von mir gegangen ist, als wir gerade einmal drei Jahre verheiratet waren...Macht nicht denselben Fehler und wartet zu lange, ansonsten verpasst Ihr so viel vom Leben." Er sah von dem Fenster aus in ihre Richtung.

Lydia schluckte.

,,Wenn Sanfte Feder fortgeht, habt Ihr schon verloren...Macht Euch das bewusst", beendete er seine Moralpredigt und ging in Richtung Ausgang.

Die Königin blieb alleine zurück. Ob sie es wollte oder nicht, sie musste Vasilias zustimmen. Ohne Valkan wollte sie gar nicht mehr leben. Egal auf welche Weise. Wenn sich Starker Kojote gegen ein Leben in Nokard entscheidet, würde er sicher nicht einen seiner Krieger hierlassen. Nun war es Lydia, die auf das Fenster zuging. Es hatte leichte Sprünge. Daran hätte sie denken müssen, als sie den Wasserdrachen auf ihrem Dach landen ließ. Sie sah sich nach den Drachen um. Verstreut rasteten diese im Schnee und hinterließen dort große Fußabdrücke. Lydia wusste nicht was sie nun mit ihnen anstellte. Es wäre sicher klug sie zurück in das Noskindy Tal zu bringen. Doch wie sagt man einem Drachen, dass er verschwinden soll ohne ihn zu kränken? Lydias Kopf dröhnte vor lauter Fragen, die keine Antwort hatten.

Jemand räusperte sich unmittelbar hinter ihr. ,,Entschuldige, ich komme gerade von Starker Kojote."

,,Valkan." Lydia lächelte sofort.

,,Er überlegt nun was wir machen werden...Falls wir wirklich gehen sollten, möchte ich auf keinen Fall wieder zurück..."

Die Königin sah überrascht drein. ,,Leydra ist dein Zuhause."

,,Wir sind überall mal Zuhause, sagte einst einmal der Häuptling selbst. Außerdem würde ich dann nicht mehr hier sein und dich sehen können." Er nahm ihre blassen Hände in seine rötlich-braunen.

,,Du musst mir noch eines verraten", begann Lydia. ,,Was meintest du im Tal, als du sagtest es kann böse enden?"

Valkan sah zu Boden. ,,Das kann ich nicht sagen..."

,,Valkan, ich mache mir Sorgen! Was ist passiert?"

Der Indianer winkte ab. ,,Nichts, ich lebe doch noch. Du hast mich gerettet." Er sah ihr wieder in die Augen.

,,Ich bin wirklich froh, dass Asimi endlich aus der Welt ist. Wir haben das alle zusammen geschafft. Unsere Reiche harmonieren wirklich gut miteinander. Wäre wirklich schade sie zu trennen."

,,Das ist es ja, was mir unter anderem Sorgen macht. Ich denke, dass wir auf unsere gegenseitige Hilfe angewiesen sind, ansonsten verkümmert jedes Land für sich." Sie machte eine kurze Pause. ,,Einsam und alleine."

,,Mir fällt ein, dass ich noch einen anderen Satz nicht beendet habe", sagte Valkan langsam.

,,Wirklich?" Lydia schossen Vasilias Worte durch den Kopf. Am liebsten würde sie gerade gar nicht daran denken, aber wenn er doch Recht behielt und sie getrennt wurden?

,,Ja." Er zog sie näher an sich. ,,Ich wollte bloß sagen, dass ich dich liebe. Verzeih Valkans direkten Worten, doch ich habe keine Wahl mehr es zu verbergen. Falls Starker Kojote geht, bleibe ich hier. Das meine ich wirklich ernst. Vielleicht möchtest du mich auch eines Tages heiraten, je nachdem wie sich unsere Beziehung entwickelt?"

Lydia wusste gar nicht, ob sie das gerade geträumt hatte. ,,Ich bin bereit es zu versuchen", antwortete sie glücklich.

Valkan hob sie hoch und trug sie durch das Schloss.

So glücklich war die Königin schon lange Zeit nicht mehr. Nun wusste sie jedoch, was Vasilias meinte und strahlte vor sich hin.

34. Halluzinationen

 Valkan trug sie bis in ihr Gemach, nachdem sie sich bei den Dorfbewohnern und Indianern nach dem Rechten erkundigten. Vor der Türe blieben sie einen Moment stehen und wünschten sich eine gute Nacht.

,,Schade, dass du nicht hier bleiben kannst", sagte die Königin, strahlte allerdings noch immer vor sich hin.

Sanfte Feder lächelte ebenfalls. ,,Ich werde heute Nacht im Rat gebraucht. Morgen werde ich mir das Angebot hier zu schlafen nicht abstreiten lassen", versprach er.

,,Bis morgen!", rief er zum Abschied.

Lydia trat in ihr Zimmer, wechselte nach einer gefühlten Ewigkeit ihre schmutzige Kleidung gegen frische und war sehr froh, dass sie wieder vor ihrem Spiegel sitzen konnte, ohne in ihren Gemächern eingesperrt zu sein. Eileen fehlte ihr, die sonst immer ihr Haar bürstete und dabei stets ein Lächeln auf dem Gesicht trug. Nie würde sie ihre Zofe vergessen. In diesem Augenblick nahm Lydia etwas aus dem Augenwinkel wahr, was ihr sofort einen Schreck durch die Adern jagte. Sie unterbrach die Handbewegung mit der Bürste und sah genauer in den Spiegel. ,,Asimi!", schoss es ihr in den Kopf. Die Königin holte augenblicklich zu einem Wurf aus, traf jedoch nur die Wand ihres Zimmers. Erneut sah sie in den Spiegel. Niemand war mehr zu sehen. Zittrig erhob sie sich von dem gepolsterten Stuhl, ging auf die Wand zu und hob die Haarbürste wieder auf. Wieder kam es ihr vor, als würde sie jemand beobachten. Ängstlich wandte sie sich dem Fenster zu, aus dem sie einst geflohen war. Da stand doch ohne Zweifel wieder Asimi. Lydia hob erneut die Bürste zur Verteidigung hoch. ,,Was wollt Ihr...Ihr seid doch tot!", stammelte die Königin.

,,Ich habe doch gesagt, wenn Ihr mich tötet, bin ich trotzdem nicht aus der Welt", flüsterte der König.

Lydia schloss die Augen, redete sich selbst ein, dass sie spinnt und öffnete dann wieder die Augen. Asimi war fort. Erleichtert atmete sie aus und eilte zu ihrem Bett. Schnell löschte sie das Licht, vergrub sich unter der Decke und versuchte zeitig einzuschlafen.

 

 

Die Morgendämmerung hatte eingesetzt, als die Königin allmählich aufwachte. Lange schon schlief sie nicht mehr in diesem Himmelbett und genoss es darin aufzuwachen. Sie streckte Arme und Beine aus und setzte sich anschließend aufrecht hin. Ihr Blick fiel wie gewohnt auf die Bettdecke. ,,Was ist das?", murmelte sie vor sich hin. Die Decke hatte keine blaue Farbe mehr, sondern war smaragdgrün eingefärbt. Lydia stand auf, ging um das Bett herum und sah den Buchstaben "A" darauf schimmern. ,,Das gibt es doch gar nicht..." Erschrocken stürmte sie zur Tür und wollte raus aus dem Zimmer. Diese ließ sich jedoch nicht öffnen. Sie hämmerte dagegen und rief nach allen möglichen Personen die im Schloss sein mussten. Keiner reagierte. Panisch sah sie sich in ihrem Gemach um. Hinter einem ihrer Sessel vor dem Kamin, lugte etwas Seltsames hervor. Lydia ging vorsichtig näher ran und schlug sich die Hände vor den Mund, als sie erkannte, dass es ein Mensch war. ,,Kandra!" Sie ging in die Knie, drehte den reglosen Körper zu sich und erkannte jetzt erst die blutverschmierte Kleidung. Sie rüttelte an den Schultern der Person. ,,Kandra, wach auf bitte!" Nervös wartete sie ab, ob sich das Kind vor ihr noch rühren würde, doch das tat es nicht. ,,Nein, nein..." Lydia wich von dem Kind zurück. Schließlich musste sie eingestehen, dass es tot war. Mit erneutem Versuch rannte sie auf die Tür zu, die allerdings genau in dieser Sekunde von alleine geöffnet wurde und somit Valkan direkt in die Arme.

,,Lydia?! Was hast du denn vor?", fragte er überrascht.

Sie klammerte ihre Finger in sein blaues Hemd. ,,Kandra ist tot...Jemand hat sie umgebracht!"

Der Indianer rückte Lydia von sich weg, um ihr in die Augen sehen zu können. ,,Candra steht doch unten bei ihrem Sohn wie kann sie tot sein?!"

,,Nein, nicht eure Candra. Eines unserer Kinder...Wie soll ich das den Eltern erklären?", schluchzte sie.

,,Mord, obwohl Asimi getötet wurde? Wir müssen sofort mit Vasilias und Starker Kojote sprechen. Das dürfte einiges ändern..."

Valkan ging mit schnellen Schritten neben der aufgewühlten Königin her in Richtung Eingangshalle, welche nicht weit vom Schlossgarten entfernt lag. Hier hatten einige der Dorbewohner vergangene Nacht ihr Lager aufgeschlagen. Auch König Vasilias hatte es sich nicht nehmen lassen bei seinen Leuten zu bleiben. Er wirkte überrascht die Königin so früh anzutreffen.

,,Guten Morgen, Hoheit. Ich hatte noch gar nicht mit Euch gerechnet...Ja, aber wie seht Ihr denn aus?"

,,Asimi...Ich habe ihn gesehen...Gestern Abend war er bei mir im Zimmer...", stammelte Lydia.

,,Wie bitte?!", platzte es aus Ser Chrysos, welcher sich gerade zu ihnen gesellte.

,,Es ist wahr. Meine Bettdecke war grün, als ich heute aufwachte und ein "A" war darauf abgebildet. Dann sah ich gestern Asimis Gestalt, der meinte wir könnten ihn niemals...Niemals aus der Welt schaffen." Lydia holte Luft. ,,Und dann fand ich Kandra vor dem Kamin...", brach sie ab.

,,Wer ist Kandra?", fragte Vasilias.

,,Candra ist eine Indianerin und sogar eine Mutter."

,,Kandra ist nicht die Indianerin, sondern ein Kind von zwei Dorfbewohnern...Sie tragen bloß den gleichen Namen", ergänzte Valkan.

Vasilias setzte ein erstauntes Gesicht auf. ,,Um Himmels Willen, zwei Kandras...Ich meinte natürlich um Himmels Willen eine Tote!", verbesserte er sich schnell.

,,Sie war doch noch ein so kleines Kind...Welches Monster...", knurrte Chrysos.

,,Ich wusste es...Wir hätten Quirin suchen sollen. Es ist offensichtlich, dass er dahinter steckt!", meinte der König.

,,Ihr könnt nicht sagen, dass es Quirin war. Nicht nachdem ich Asimi gestern Nacht gesehen habe!"

,,Wie könnt Ihr einen Toten sehen?! Wenn er nicht tot ist glaube ich von heute an auch an magische Kräfte", merkte Ser Chrysos an. ,,Der König kann nicht überlebt haben. Die Drachen haben..."

Lydia hob die Hand. ,,Bitte keine weiteren Informationen dazu."

,,Jetzt haben wir schon wieder eine Leiche im Schloss. Erst gestern hat Ilportis Symon aus dem Schloss gebracht. Wir haben ihn nun angemessen auf dem Friedhof vergraben."

,,Danke, Ser Chrysos. Mir wäre es lieber, wenn keiner mehr vergraben werden müsste. Zurück zum Punkt, ich habe Asimi gesehen. Er war keine Halluzination. Ihr braucht mich nicht für dumm zu halten."

,,Ich verkaufe Euch nicht für dumm, Lydia. Es ist nur schwer das zu glauben, da wir genau wissen, dass Quirin lebt und Asimi nicht", verteidigte sich Vasilias.

,,Ich glaube Lydia", meinte Valkan, der bisher nur zugehört hatte. ,,Ich werde Ihnen auch sagen warum. Vor einiger Zeit im Wald hat sie den König auch geglaubt gesehen zu haben. Zugegeben, ich habe ihn selber nicht gesehen, aber das kann nichts Gutes bedeuten, wenn sie ihn sieht und wir nicht."

,,Vielleicht erlaubt sich auch Quirin nur einen Scherz mit Euch, weil Ihr seinen König habt umbringen lassen?", setzte Vasilias erneut an.

Lydia wandte sich ab. ,,Mit Ihnen kann man wirklich keine Unterhaltung führen!"

,,Majestät, ich werde die Eltern von Kandra informieren, was mit ihrer Tochter geschehen ist."

,,Danke, Chrysos", antwortete die Königin dankbar.

,,Ich vertrete nur die offensichtlichen Dinge", verteidigte sich der König.

Lydia ließ Vasilias zurück und machte sich mit Valkan auf in den Schlossgarten, wo die Tipis der Layandra standen. Auch wenn sie sich noch nicht sicher war, ob der Häuptling auf ihren Vorschlag einging, spazierte sie geradewegs in dessen Tipi.

,,Wir müssen sofort handeln...Oh guten Morgen Lydia und Sanfte Feder", unterbrach der Häuptling sich selbst.

Sie hatte ihn offenbar gerade bei einer Unterhaltung mit Ekatoa gestört.

,,Morgen...Habt Ihr vielleicht einen Moment Zeit für mich?", fragte Lydia skeptisch.

,,Sicher." Starker Kojote stellte sich aufrecht hin, während Ekatoa sie musterte und aus dem Tipi verschwand. ,,Was gibt es?"

,,Ein Bleichgesicht wurde getötet und Asimi geistert offenbar noch durch das Schloss", fasste Valkan zusammen.

,,Mord? Geister? Das am frühen Morgen." Er seufzte. ,,Das hört sich schwer nach diesem Berater an...Dieser Tollpatsch von Quirin."

,,Nicht Quirin, Asimi!", zischte Lydia. ,,Verzeihung."

,,So, die Frau namens Lydia ist sich ganz sicher, dass ein Toter das Bleichgesicht getötet hat?" Er verschränkte die Arme.

,,Ich werde von allen wirklich nur für dumm verkauft", entfuhr es der Königin.

,,Streit bringt uns nicht weiter", beruhigte Valkan die beiden sofort.

,,Ich wollte ohnehin gerade fragen, was Ihr da mit Ekatoa gerade besprochen habt?" Lydia hob skeptisch eine Augenbraue.

,,Nichts was für Euch von Bedeutung wäre. Es ging nicht um Euer Angebot, wenn Ihr das denkt."

,,Das dachte ich...Klang aber trotzdem nicht gerade beruhigend für meine Nerven am frühen Morgen", setzte die Königin fort.

,,Tut mir leid, aber dazu werdet Ihr aus mir nichts herausbekommen."

,,Gut, dann werde ich jetzt wohl wieder gehen." Lydia sah zu, dass sie einen klaren Kopf bekam. Unter diesen Umständen konnte sie mit keinen Antworten etwas anfangen.

Valkan eilte ihr hinterher. ,,Warte!"

Sie drehte sich auf der Stelle um und blieb stehen. ,,Was denn noch?"

,,Nimm den Häuptling nicht so ernst...Vasilias am besten auch nicht. Die haben den König nicht gesehen und du wirst nur ständig damit vor die Felswand rennen solche Argumente zu bringen."

,,Die werden schon sehen, dass Asimi sie noch heimsuchen wird...Wenn er überhaupt ein Geist ist!"

35. Herrschen

 Starker Kojote ging nachdenklich in seinem Tipi hin und her. Er bereute es Lydia nicht richtig zugehört zu haben. Er selbst hatte eigentlich nur noch seinen Plan im Sinne, welchen der Häuptling mit der Königin teilen musste. Wenn sie jedoch nicht gut auf ihn zu sprechen war momentan, konnte er sich diese Idee aus dem Kopf schlagen. Auch mit Sanfte Feder musste er sprechen. Dann dachte er an den erneuten Todesfall im Schloss und war nun auch um die Kinder der Layandra besorgt. Es waren höchstens vier, nicht sehr viele also. Dennoch würde der Häuptling seinen Sohn oder seine Tochter in Sicherheit wissen wollen, wenn er welche gehabt hätte. Grübelnd riss er die Plane des Tipis zur Seite und trat in den Schnee des Schlossgartens. In der Ferne konnte er zwei Personen ausmachen. Es mussten Lydia und Valkan sein, das sah er von diesem Punkt aus sehr gut. Entschlossen ging er auf die beiden zu.

,,Starker Kojote", sagte Valkan überrascht. ,,Ist noch etwas passiert?"

,,Nein, nein." Der Häuptling sah von dem Indianer weg in Lydias betrübtes Gesicht. ,,Ich muss mich bei Euch entschuldigen."

,,Entschuldigen, Ihr? Danke, dass Sie diesen Schritt gemacht haben...", setzte sie unsicher fort.

,,Ich sollte wirklich nicht immer gleich alles überhören was mir gesagt wird. Ihr sagtet es wurde ein Kind getötet?"

Die Königin nickte. ,,Der Mörder kann nur Asimi sein, auch wenn mich dafür alle für bescheuert abstempeln."

,,Dann denken wir doch einmal logisch nach. Die Drachen sollen den König laut Ihres Ritters und neuen Beraters getötet haben. Glaubt Ihr ihm das auf jeden Fall?"

,,Sicherlich. Nicht nur er hat es gesehen. Meiner Garde kann ich wirklich blind vertrauen."

,,Also schön...Dann haben wir trotzdem noch die Option, dass das Bleichgesicht Quirin der Mörder war."

Lydia zuckte mit den Achseln. ,,Keine Ahnung wo der sich rumtreibt. Er war doch eigentlich ständig bei Asimi. Ich bin zwar nur dem König über den Weg gelaufen, aber ich denke nicht, dass Quirin irgendwohin geflohen ist. Er hätte auch keinen Grund gehabt."

,,Lebt dieser Quirin überhaupt noch oder hatte sein König eine solche Wut auf ihn, dass er ihn töten ließ?", hakte Valkan nach.

,,Wer hat diesen Mann zuletzt gesehen, wenn nicht Eure Mitarbeiter? Nicht, dass wir nachher zwei Tote suchen die hier ihr Unwesen treiben."

,,Götter, seid Ihr witzig, Häuptling", entgegnete Lydia entnervt. ,,Ich dachte Ihr wolltet diese Bemerkungen untersagen?"

Starker Kojote schüttelte den Kopf. ,,Zu Ende zuhören, nicht meine Art zu reagieren ändern."

,,Ich muss mich um einiges kümmern...Entschuldigt mich." Die Königin ließ die beiden zurück im Schlossgarten und machte sich auf den Weg in die Eingangshalle zurück.

Dort angekommen herrschte ein einziges Durcheinander. Dorfbewohner liefen kreuz und quer, während die Garde versuchte sie ruhig zu stimmen. Lydia bahnte sich ihren Weg zu der Treppe, ging einige Stufen nach oben und rief so laut sie konnte: ,,Ruhe!"

Einige fuhren herum oder zuckten erschrocken zusammen. Mit der Königin haben sie nicht gerechnet.

,,Was hat dieses Chaos zu bedeuten?!"

David meldete sich aus der Menge zu Wort. ,,Euer Hoheit, es geht das Gerücht um, dass Kandra getötet wurde!"

,,Ja, genau!"

,,Wir wollen Antworten!"

,,Ruhe!", unterbrach Lydia diejenigen, die David ins Wort fielen. ,,Es stimmt. Kandra wurde umgebracht."

Schweigen breitete sich über die unruhige Menge aus.

,,Wer ist der Mörder?!"

Lydia legte die Hände auf das kühle Geländer. ,,Weiß ich leider nicht. Eines werde ich euch aber versprechen. Ich werde nicht eher ruhen bis der Mörder der kleinen Kandra dasselbe Schicksal hinter sich hat!"

Zustimmende Rufe bekam sie dafür zu hören.

Plötzlich bemerkte die Königin Valkan und Starker Kojote in der Menge unter ihr. Sanfte Feder sah nickend zu ihr rauf.

,,Jede kleine Gruppe in diesem Schloss bekommt eine Waffe zur Verteidigung und ich bitte meine Garde rund um die Uhr nach den Dorfbewohnern und Indianern zu sehen!"

Ihre Garde legte die Hände auf die Griffe der Schwerter und riefen im Chor: ,,Sehr wohl, Majestät!"

,,Sollte jemand etwas Ungewöhnliches bemerken, meldet Euch umgehend bei mir!", ergänzte Lydia. Seit langem fühlte sie sich endlich wieder hilfreich im Amt der Königin. Als nächstes wollte sie dafür sorgen, dass ihre Gemächer unter die Lupe genommen wurden, um dem Mörder auf die Schliche zu kommen.

Die Menschen unter ihr suchten Kandras entsetzte Eltern auf, welche am Boden zerstört waren.

,,Warum unser Kind?! Warum?!"

,,Asimi!", rief Vasilias drei Oktaven höher als seine eigentliche Stimme ist.

Lydia machte auf dem Absatz kehrt und sah in Richtung Eingang.

Die Menge am Fuße der Treppe schrie entsetzt auf und rückte ein Stück zurück, während die Ritter ihre Schwerter zogen.

,,Da habt ihr den Beweis", murmelte Lydia vor sich hin. ,,Wachen! Angriff!"

Kipivo und Ilportis traten an vorderste Front.

,,Wie kann das sein?!", knurrte Ser Chrysos hinter Ilportis.

Asimi machte keine Anstalt sich großartig auf einen Kampf vorbereiten zu wollen. Stattdessen huschte er aus der Eingangstür in die Kälte hinaus, während die Ritter ihm auf den Fersen waren.

,,Bleibt stehen!" Die Garde teilte sich in zwei Hälften, da einige schneller rennen konnten, als andere.

,,Verflucht, wo ist er hin?!", fauchte Kipivo, als der König hinter einer Ecke des Schlosses verschwand.

,,Links entlang!" Ilportis deutete in die Fußabdrücke im Schnee. ,,Jetzt haben wir ihn", sagte er siegessicher.

Einige Minuten später traf die andere Hälfte der Garde an genau diesem Punkt ein. ,,Wo ist er hin?!"

,,Rechts entlang! Seht Tikos, die Fußspuren!", sagte einer der Ritter.

,,Sehr gut gesehen. Auf geht's! Den schnappen wir uns!"

 

 

Ser Chrysos hielt neben Kipivo als sie beinahe am Fuße des Hügels ankamen. ,,Sieht jemand von euch noch seine Fußspuren?"

Die Ritter schüttelten außer Atem den hochroten Kopf.

,,Mist! Wir haben ihn verloren...", stellte Kipivo fest.

,,Sagt das nicht. Kommt, wir suchen weiter. Wir können doch keinen Toten verlieren!"

 

 

Tikos eilte derweil mit sechs Rittern um das Schloss herum.

,,Ich sehe die Fußspuren langsam nicht mehr...", sagte der Ritter, der zuvor die Fußspuren fand.

,,Wir dürfen jetzt nicht aufgeben! Denkt an all die Leute im Schloss!", meinte Tikos

Die Ritter nickten.

,,Na dann sucht weiter Serpo. Ich vertraue auf Eure Augen."

 

 

Unterdessen stand Lydia in der aufgewühlten Menge und versuchte diese zu beruhigen. ,,Der König wird gejagt...Bewahrt bitte Ruhe und bildet kleine Gruppen. Einer jeder Gruppe folgt mir in den Waffenkeller und besorgt Waffen zur Verteidigung!"

,,Hoheit! Lydia!", rief Vasilias sie zurück.

,,Was?"

,,Ich habe Euch wirklich zu Unrecht für dumm verkauft..."

,,Ach was Ihr nicht sagt", erwiderte Lydia hektisch.

,,Verzeihung...Mir ist das Ganze nicht geheuer. Hat Asimi sowas wie ein neues Leben oder sogar mehrere, wie diese Katzen Wesen?" Vasilias sah sich um. ,,Ah, Anemro." Er winkte seine Rechte Hand zu sich.

,,Majestät?"

,,Helft den Leuten doch bitte mit den Waffen. Eure starke Hand wird gebraucht."

Anemro verbeugte sich. ,,Sofort, Majestät."

Lydia stemmte eine Hand in die Hüfte.

,,Was machen wir, wenn die Ritter Asimi aus den Augen verlieren?", hakte Vasilias nach.

,,Hoffen, dass wir es überleben", beschloss die Königin und ging zu den Indianern rüber. ,,Holt eure Leute rein ins Schloss. Da Draußen können wir sie nicht beschützen..."

,,Ich bin schon unterwegs...aber weil ich das so wollte", ergänzte Starker Kojote sich. ,,Ekatoa, komm!"

Valkan blieb mit ihr zurück in der leergefegten Eingangshalle. ,,Was soll ich sagen...Ich hoffe deine Garde findet Asimi. Man hat ihnen angesehen, wie erstaunt sie waren den König lebend zu sehen. Die haben ihn auf jeden Fall an die Drachen...Ich hör schon auf."

,,Danke. Ich kann mir das auch nicht erklären. Fakt ist, dass Asimi noch existiert."

,,Er schon, aber seine Garde nicht mehr", stellte Valkan richtig. ,,Über seinen Berater wissen wir zwar nichts, aber die Garde ist den Fluss mitgerissen worden, nachdem der Wasserdrache sein Gebrüll einsetzte."

,,Komm wir helfen den Dorfbewohnern..."

,,Lydia."

,,Ja?", sagte sie.

,,Wir schaffen das."

Die Königin nickte zuversichtlich. ,,Wir schaffen das."

36. Starker Kojote

 Kurze Zeit später fanden sich die Dorfbewohner und Indianer wieder in der Eingangshalle zusammen.

Die Königin klatschte in die Hände, um sich Aufmerksamkeit zu verschaffen. ,,Hört bitte alle nochmal kurz her! Sind alle inzwischen mit Waffen versorgt?"

Einige Dorfbewohner nickten oder hoben zur Antwort Schwerter.

,,Prima. Die Layandra bleiben vorerst bei uns im Schloss. Ich biete euch hiermit an die restlichen freien Gemächer zu benutzen, damit wir auch wirklich alle Platz finden."

Die Menge teilte sich im Schloss auf, sodass Lydia vorerst durchatmen konnte. Einen Schritt näher am Ziel.

Nun war es Valkan, den sie suchte. Unter den vielen Menschen hatte sie ihn komplett aus den Augen verloren, dabei war er eben noch bei ihr. ,,Valkan?", rief sie in die Menge. Niemand fühlte sich angesprochen. Starker Kojote war ebenfalls nicht zu sehen. Als sie auch Ekatoa nirgends sah, hatte sie eine Ahnung, was die drei gerade anstellten. Möglicherweise führten sie wieder eine Sitzung ihres hohen Rates durch. Nachdem Lydia heute Vormittag in eine scheinbar wichtige Unterhaltung zwischen zwei von den drei Indianern, die sie suchte geplatzt war, packte sie die Neugier. Zunächst eilte sie aus der Halle, suchte anschließend das Tipi des Häuptlings auf und hörte schon von Weitem ihre Stimmen daraus. So leise es ging, schlich sie um das Tipi herum und versteckte sich dahinter.

,,Sanfte Feder, du kannst nicht einfach selbst deine Entscheidungen treffen. Denk doch mal an den Stamm."

,,Ich denke immer an den Stamm, Häuptling", wehrte sich der Indianer.

,,Wenn du jetzt hierbleibst denkst du aber nicht mehr an ihn."

,,Starker Kojote hat Recht, Valkan. Diese Sache kannst nur du übernehmen..."

,,Beim Manitu, Ekatoa! Mach du doch den obersten Posten. Du bist kräftig gebaut und in der Lage alle zu beschützen."

Valkan klang sehr aufgebracht über etwas, was Lydia noch nicht wusste.

,,Deine Worte ehren mich zwar, dennoch hat der Häuptling es so entschieden."

,,Und deshalb richtest du dich nach ihm?"

,,Natürlich."

,,Oh natürlich...Ekatoa, Starker Kojote...Erklärt mir mal warum ihr beide Herrscher verabscheut und euch selbst wie Herrscher und Untertan benehmt!"

,,Sanfte Feder spricht mit Wut in der Stimme. Er ist nicht bei klarem Verstand", hörte sie Ekatoa sagen.

,,Ich bin bei klarem Verstand!"

,,Nein, du bist verliebt."

,,Und deswegen nicht bei Sinnen oder was? Ist das der Grund warum Ihr niemals geheiratet habt, Starker Kojote?"

Der Häuptling lachte. ,,So ein Unsinn. Mein Vater starb zu früh und ich sollte plötzlich den ganzen Stamm leiten. Ich bin nicht dazu gekommen eine Frau zu finden."

,,Dann wird es aber höchste Zeit!", setzte Valkan fort.

Lydia lächelte insgeheim hinter dem Tipi. Sie reimte sich zusammen, dass Valkan tatsächlich in Nokard bleiben wollte, die Layandra aber wieder zurück nach Leydra wollten.

,,Es gibt keine Zeit mehr dafür, das weißt du genau!", knurrte Starker Kojote.

So kannte ihn Lydia und so würde sie ihn sich ab und an in Erinnerung rufen.

,,Wie bitte?! Was hat das nun wieder zu bedeuten? Nichts weiß ich!", widersprach Valkan prompt.

,,Ekatoa, du hast ihm nichts gesagt?"

,,Nein, Häuptling. Ich habe Sanfte Feder noch nicht wieder alleine gesprochen, seitdem wir beide gesprochen haben", murmelte der sonst so stark wirkende Indianer mit dem roten Kopftuch. Nie hatte er so kleinlaut geklungen. Er schätzte seinen Häuptling wohl mehr als Lydia dachte.

,,Was ist es denn, was ich nicht weiß?" Valkan klang ruhiger, als würde er versuchen wieder in einer normalen Tonlage zu sprechen.

,,Ich werde sterben."

,,Was...", sagte sowohl Valkan im Tipi, als auch Lydia dahinter, ohne dass sie diese hörten.

,,Ich bitte dich nur aus diesem Grund über meinen Vorschlag nachzudenken."

,,Aber...Wie...", stammelte Sanfte Feder betroffen.

,,Erinnerst du dich an unseren ersten Ausflug in das Noskindy Tal?"

Valkan nickte.

,,Der Häuptling hat noch immer schwere Verletzungen von den Steinen, die nicht verheilen."

,,Ich trage lange Kleidung, daher fällt es niemandem auf. Das soll auch so bleiben...Ich war froh, dass die Heiler das nicht ausgeplaudert haben...", flüsterte der Häuptling.

,,Häuptling, ich bin in die Tiefe gestürzt und lebe noch...Warum sterbt dann Ihr?"

Er klang endlos traurig.

Leider fühlte sie so sehr mit ihm, dass ihr ebenfalls die Tränen in die Augen stiegen.

Lydia drehte sich von den Knien um und saß nun im Schnee. Sie konnte gar nicht glauben, was sie gerade gehört hatte. Die Königin fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare und versuchte nicht aufzufallen. Sie musste ernst bleiben. Die Indianer würden ihre veränderte Stimmung sofort bemerken, sobald sie sich wiedersahen und das sollten sie nicht.

 

 

,,Volltreffer! Fußspuren!", rief Tiko den anderen zu. ,,Tut mir leid, ich habe sie vor Euch entdeckt", schmunzelte er.

,,Schon in Ordnung. Hauptsache ist doch, dass wir fündig werden...Jedoch frage ich mich was der König bei den Schlossmauern macht", antwortete Serpo erstaunt.

,,Höchste Gefahr!", flüsterte Tiko. ,,Schon wieder so nahe beim Schloss ist nicht gut."

Sie folgten den Fußspuren vorbei an den Tipis, entlang des Schlossgartens und sahen auf einem abgelegenerem Baumstamm einen Menschen sitzen.

,,Wir müssen ihn uns jetzt schnappen, wo er sich ausruht."

Die Garde nickte zur Zustimmung. ,,Einverstanden. Auf drei? Eins, zwei, drei!"

Die Ritter stürmten auf die Gestalt zu, allesamt mit erhobenen Schwertern.

Lydia drehte sich blitzschnell um und weitete die Augen.

,,HALT! Das ist die König-in!"

Kaum hatte Tiko diesen Satz ausgesprochen, stießen die Ritter mit der Königin zusammen und purzelten durch den Schnee.

,,Runter sofort!", rief Tiko.

Hastig sprang die Garde wieder auf die Beine und half ihrer Königin auf.

Diese hustete und schüttelte sich den Schnee aus den Haaren. ,,Götter, was machen Sie denn!"

,,Verzeihung, Majestät. Wir hielten Euch für..."

,,Asimi?!"

,,Ja."

,,Ich hab doch längere Haare als dieses leere Bierfass! Mal ganz davon abgesehen..."

,,Habt Ihr geweint? Ist alles in Ordnung?", unterbrach Serpo sie.

Lydia wischte sich mit dem weißen Ärmel die Tränen aus dem Gesicht. ,,,Nichts weiter. Was macht die Suche nach dem König?"

,,Äh...Wir folgten seinen Fußspuren hierher, aber irgendwie seid Ihr nicht Asimi."

,,Wo ist Ser Chrysos?"

,,Den haben wir schon am Anfang verloren. Er und einige andere sind schneller gewesen. Eigentlich hätten wir sie hier antreffen müssen." Tiko kratzte sich am Kopf. ,,Merkwürdig."

,,Sagt bitte nicht, dass jetzt auch noch meine halbe Garde verschwunden ist. Ich brauche im Schloss jede Wache, die ich noch habe." Sie ließ sich wieder auf den Baumstamm sinken.

,,Wir kümmern uns darum, Hoheit", versicherte Serpo. ,,Ihr solltet wirklich nicht hier Draußen sein, solange wir den König nicht geschnappt haben."

,,Ist gefährlich, ja ich weiß", entgegnete Lydia. ,,Bin schon wieder drinnen."

,,Habt ihr gehört? Wir suchen den Rest der Garde und wenn wir Glück haben, fangen wir dabei noch den König. Ausrücken!", rief Serpo den anderen zu, welche sofort dem Befehl nachgingen.

 

 

Lydia hatte kaum einen Schritt zurück in den Schlossgarten gemacht da stieß sie mit Valkan zusammen.

,,Oh entschuldige...Lydia", sagte er überrascht. ,,Dich habe ich ehrlich gesagt gesucht." Er legte den Kopf leicht schief, weshalb die Königin ihm absichtlich nicht in die Augen sah.

,,Jetzt hast du mich ja gefunden", brachte sie hervor.

,,Ich weiß nicht mehr weiter...Der Stamm steht vor einer Krise und ich selbst irgendwie auch." Valkan versuchte ihren Blick aufzufangen. ,,Lydia?" Schließlich gab er es auf, nahm ihr Gesicht in seine Hände und sah ihr in die Augen. ,,Du hast geweint..."

,,Du doch auch, ich sehe das."

Der Indianer wich perplex ein wenig zurück. ,,Stimmt, du hast Recht."

,,Was soll man machen? Es ist ein menschliches Gefühl, worüber wir keine Kontrolle haben. Es kontrolliert uns", flüsterte Lydia beinahe. So sehr sie auch wissen wollte, ob er ihr die Wahrheit über Starker Kojote mitteilen wollte oder nicht, in diesem Moment war sie dazu nicht in der Lage. ,,Es tut mir Leid."

Valkan schloss sie kurzentschlossen in die Arme.

Lydia kam es bereits so vor, als wäre er gar nicht mehr hier, ohne dass er wusste, was sie bereits mitgehört hatte.

,,Das Leben ist manchmal wirklich nicht fair zu uns Menschen", setzte der Indianer an.

,,An manchen Tagen besonders nicht", ergänzte sie ihn.

,,Ja, an manchen Tagen..."

37. Ein Herz, zwei Seelen

 Ser Chrysos, Kipivo, Ilportis und die anderen Ritter flogen nahezu über den Schnee, so schnell trieben sie ihre Körper zum Sprinten an.

,,Ser, wir haben Tiko schon lange nicht mehr gesehen. Ob die andere Hälfte uns wohl noch folgt?", hechelte Kipivo.

,,Aufmerksam beobachtet. Ich kann nicht sagen, weshalb sie die Suche abgebrochen haben. Wir könnten jede Verstärkung hier unten gut gebrauchen." Chrysos blieb stehen, schirmte die Augen ab und drehte sich im Kreis. ,,Meiner Beobachtung nach sehe ich nur die Drachen in Richtung abgrebrannten Wald."

,,Denen mag doch wohl nichts zugestoßen sein?"

Ser Chrysos zuckte mit den Schultern. ,,Besser wird es sein, wenn wir die Verfolgung hier abbrechen. Im Schloss sind vielleicht keine Wachen mehr und Asimi ist längst wieder über alle Berge..."

Ilportis steckte das Schwert zurück. ,,Wie konnte er uns nur entwischen? Er war so dicht vor uns."

,,Tja, vielleicht hat er sich einfach auf einen Ast geschwungen und in einer der Baumkronen versteckt. Ausschließen werde ich nichts", antwortete Kipivo.

,,Ich glaube ja weniger daran, dass ein König wie Asimi freiwillig auf einen Ast klettert."

,,Kann der überhaupt klettern?", merkte Ilportis nachdenklich an, grinste in der nächsten Sekunde darüber und wurde danach wieder ernst.

Ser Chrysos machte eine größere Handbewegung. ,,Das kann uns getrost egal sein. Kommt, zurück zum Schloss!"

 

 

Quirin, der sich hinter einer der noch bestehenden Tannen auf dem Hügel befand, krümmte sich vor Lachen. Lange schon hatte er nicht mehr so viel Freude daran gehabt, anderen einen Streich zu spielen. Zumal seine Kindheitstage schon lange zurück liegen. Es war jedoch nicht dasselbe Lachen wie damals gefüllt von vielen Glücksgefühlen, sondern ein boshaftes Lachen. Lydias Garde hatte seinen König ermordet und hielt unter anderem ihn nun für diese Gestalt. Quirin wusste, dass es nicht Asimi war, den die Ritter seiner Feinde jagten. Rache musste aber sein.

 

 

,,Euer Majestät, wir haben ihn leider verloren. Die Fußspuren im Schnee haben plötzlich aufgehört...", berichtete Ser Chrysos, als sie den Weg zurück in den Schlossgarten hinter sich gebracht hatten.

,,Ich bin erstmal froh, dass ihr wieder da seid. Tiko wollte soeben die Suche nach euch beginnen. Wenn ihr euch beeilt, dann könnt ihr ihn noch aufhalten." Lydia winkte Ilportis und Kipivo zu, damit sie sofort aufbrachen. ,,Wieso habt ihr die andere Hälfte überhaupt verloren?"

,,Wenn ich das wüsste. Wir haben schon befürchtet, dass sie die Suche aufgegeben haben. Nicht weit von hier sind wir links entlang den Hügel hinab."

Von hinten näherte sich Tiko. ,,Links?! Die Fußspuren führten doch rechts entlang."

Ser Chrysos drehte sich zu ihm um. ,,Nein, ganz eindeutig links."

Tiko sah aus, als ständ er im Wald. ,,Aber..."

Lydia legte eine Hand auf die Stirn. ,,Ihr seid reingelegt worden fürchte ich." Sie dachte einen Moment lang nach und warf dann einen Blick zu dem Gemälde ihrer Mutter. ,,Ich kann nicht sagen wie Asimi die Fußspuren rechts und links gleichzeitig legen konnte. Wenn Tiko jedoch zuletzt da war und dann die Spuren Richtung Schloss führten, kann es nur bedeuten, dass Asimi wieder hier ist." Die Königin erhob sich von dem Thron auf dem sie vor wenigen Minuten erst wieder Platz genommen hatte und sagte: ,,Sucht das Schloss von Innen ab. Drei Ritter laufen noch einmal Draußen herum und suchen dort."

Die Garde nickte. ,,Sofort, Majestät!" Sie verschwanden mit eiligen Schritten aus dem Thronsaal.

Lydia war erneut alleine und seufzte. Einerseits war sie besorgt, dass Asimi im Schloss war, andererseits machte sie sich Gedanken um die Indianer. Nachdenklich ging sie auf das Gemälde ihrer Mutter zu. Wäre sie jetzt hier wüsste sie vielleicht was zu tun ist. Auch Eileen oder Ydro wären jetzt sicher eine große Hilfe. ,,Ydro...Ydro...", murmelte die Königin und plötzlich viel ihr etwas ein. ,,Quirin!" Schnell drehte sie den Kopf Richtung Tür. Asimi hatte es gar nicht geschafft zwei Richtungen zu laufen. Er hatte sich Vestärkung besorgt, ohne dass sie es merkten. Wie konnte sie nur diesen Quirin in einer solch entscheidenden Sekunde vergessen? Augenblicklich hob Lydia ihr hellblaues Kleid an, lief durch den Flur zu den Treppen und rief ihre Garde. Diese waren jedoch so schnell gewesen, dass sie bereits außer Reichweite mussten. Vielleicht war es auch gar nicht schlecht, wenn diese Quirin anstatt Asimi finden würden. Die Königin hatte es so eilig, dass sie versehentlich mit Anemro zusammenstieß, da sie ihn übersah.

,,Euer Hoheit, ich soll Euch von Vasilias ausrichten, er möge Euch dringend sprechen."

,,Verzeihung, Anemro. Ist es sehr dringend?"

Die Rechte Hand des Königs von Logarda nickte zur Antwort.

,,Also gut, aber meine Zeit hält sich in Grenzen."

,,Ihr wirkt gestresst. Ist alles in Ordnung? Gibt es schon Neuigkeiten von Asimi?", fragte er mit gesenkter Stimme.

,,Nein nicht wirklich...Ist jetzt alles nicht wichtig. Das erkläre ich dir später. Wo finde ich Vasilias?"

,,Euer Majestät ist momentan bei Starker Kojote. Er wünscht Euch an dem großen Blumengefäß aus Marmor zu sprechen, welches den Tipis am nächsten ist."

,,Danke, Anemro."

Er verbeugte sich leicht. ,,Jederzeit."

 

 

Lydia trat in die Kälte und ging auf den Treffpunkt zu. Dort wartete tatsächlich Vasilias auf sie.

,,Ihr wolltet mich sprechen?"

,,Ja. Danke für Eure schnelle Zeit."

,,Ich habe aber nicht viel davon...", setzte die Königin an.

Vasilias winkte ab. ,,Ich fasse mich kurz. Ich selbst habe beschlossen Euren Vorschlag anzunehmen. Logarda und Nokard werden in Zukunft zusammenarbeiten."

,,Das war nicht wirklich alles, oder?"

,,Doch...Doch", antwortete Vasilias langsam.

So ganz nahm sie ihm diese Antwort nicht ab.

,,Also gut, ich muss dann auch wieder zu meinen Leuten", setzte er fort.

Lydia blieb noch einen Moment stehen. ,,Vasilias, also wirklich..."

Etwas rieselte vom Himmel. Es begann wieder zu schneien. Die Königin folgte einer Schneeflocke, bis sie auf dem Boden ankam, da fiel ihr ein zerknülltes Pergament in das Blickfeld. Verwundert hob sie es auf und faltete es außeinander. ,,Das ist doch die Seite aus dem Familienbuch..." Lydia merkte, dass es zwei Pergamente waren und überflog diese. Sofort begriff sie, dass die beiden Seiten aus Vasilias Umhang gefallen sein mussten. Das war es was er ihr noch eventuell hätte sagen wollen. Lydia fühlte sich reingelegt, da er ihr diese Information nicht mitgeteilt hatte. Vasilias erzählte ihr einst nur von einer der beiden Pergamente. Zornig steckte sie die Pergamente ein und stapfte durch den Schnee in Richtung Schlossküche. Nach einem ordentlichen Getränk musste sie sich den König nochmal vorknöpfen.

,,Majestät, darf ich Euch etwas bringen?", fragte Panna, als Lydia in die Küche trat.

,,Einen Wein bitte...Oder nein, besser doch Wasser..."

,,Ein Wasser, kommt sofort", wiederholte Freds Frau. ,,Ist etwas vorgefallen?"

,,Noch nicht, aber sobald ich mir Vasilias vorgenommen habe vielleicht schon", sagte die Königin und nahm anschließend den Trinkpokal entgegen. ,,Danke, Panna." Sie trank den Kelch in großen Schlucken aus, stellte ihn auf die Arbeitsfläche aus Stein und sah aus dem Fenster. Dort sah sie Valkan und vergaß für einen Bruchteil einer Sekunde ihre Wut auf den König. Ohne Valkan wäre sie wirklich verloren.

38. Verschieden und doch so gleich

 ,,Vasilias!"

,,Oh, Lydia." Der König wich leicht zurück. ,,Darf ich fragen weshalb Ihr so furchtbar zornig ausseht?"

Zur Antwort hielt sie ihm die beiden Pergamentseiten unter die Nase.

Vasilias machte große Augen. ,,Ich wollte es Euch sagen...Es war nur noch nicht der richtige Zeitpunkt..."

,,Den richtigen Zeitpunkt findet Ihr für solch eine Neuigkeit wohl nie."

Die umstehende Menge wurde hellhörig und unterbrach ihre Gespräche, sowie Umzugsaktionen in die oberen Stockwerke.

,,Wann zur Hölle wolltet Ihr mir sagen, dass Wylland mit Asimi verwandt war?"

,,Ist das denn so wichtig?", fragte der König entschuldigend. ,,Er war doch nur sein..."

,,Natürlich ist es das. Die beiden könnten schon damals gemeinsame Pläne begonnen haben. Wir könnten längst Anhaltspunkte dazu haben, oder gar seine Handlungen abbremsen können. So allerdings habe ich ihm mein Schloss auf dem Silbertablett serviert." Wütend atmete sie ein und aus. ,,Gibt es sonst noch etwas, was ich wissen sollte?"

Vasilias senkte entschuldigend den Kopf. ,,Vielleicht war es das was Eure Mutter in dem Familienbuch herausfinden wollte."

Lydia schaute skeptisch drein. ,,Möglich ist es, aber da muss noch etwas anderes hinter stecken. Was ist mit Asimis Eltern beispielsweise? Leben sie noch?"

,,Das ist nicht die interessante Frage."

,,Vasilias, bitte. Ich meine Ihr habt vorerst genug angestellt." Lydia versuchte sich zu beruhigen.

,,Das Bleichgesicht verheimlicht wichtige Informationen?", knurrte Starker Kojote.

Da die Königin in Fahrt kam, wandte sie sich zu dem Häuptling. ,,Davon könnt Ihr aber auch ein Lied singen."

,,Wie bitte?", fragte er erstaunt.

,,Lydia, beruhige dich", flüsterte Valkan.

,,Es ist doch wahr! Sind denn jetzt "alle" verrückt geworden?!" Sie riss Vasilias das Pergament wieder aus der Hand. ,,In welcher Beziehung standen Wylland und Asimi eigentlich?"

,,Stiefvater und Sohn", antwortete der König.

,,Götter!" Lydia biss sich leicht auf den Zeigefinger, um nicht lauthals vor zwei Dörfern zu fluchen oder irgendwen zu verletzen.

,,Verzeiht, aber es ist manchmal besser, wenn Ihr Dinge nicht wisst."

,,Ich würde aber trotzdem gerne wissen was Lydia meint mit, ich könnte Lieder davon singen", merkte der Häuptling an.

Lydia ignorierte Starker Kojote und deutete zur Tür hinaus. ,,Das ist der Weg den Ihr gehen werdet, solltet Ihr mir noch einmal solch eine Information verheimlichen!"

,,Ich gebe zu, dass ich nichts weiter mehr weiß."

,,Da bin ich aber froh. Ihr wisst doch sonst alles." Die Königin verschränkte die Arme. ,,Ihr denkt aber auch keine Sekunde an die Folgen für die Dörfer", brachte sie hervor.

,,Auch mit dieser Information habe ich nichts verhindern können. Die wäre vollkommen nutzlos. So ewig lange besitze ich sie auch noch gar nicht."

,,Komm mit, Lydia. Ich glaube du musst dich beruhigen...Nicht hier drinnen", flüsterte Valkan.

Unter Beobachtung der Dorfbewohner von Nokard und Logarda verließen die beiden die Eingangshalle.

,,Und meine Antwort?", erinnerte der Häuptling, wurde aber von dem lauten Gemurmel überhört.

 

 

,,Nachher weiß er noch was es mit Quirin auf sich hat oder weitere Familiengeheimnisse." Lydia verdrehte die Augen und kochte noch immer vor Wut.

,,Das glaube ich nicht. Er ist doch bereits aufgeflogen, warum sollte er dann nicht mit der ganzen Wahrheit rausrücken?"

,,Niemandem kann man vertrauen..." Lydia brach den Satz ab und sah quer durch den in der Sonne glitzernden Schlossgarten.

Die Drachen flogen vereinzelt darüber hinweg, als wären sie die Adler, die die Post brachten.

,,Mich macht es traurig, dich so zu sehen", begann Valkan.

Sie legte eine Hand an seine Wange. ,,Das muss es gar nicht. Du hast genug andere Sorgen."

,,Ach habe ich die?"

Die Königin versuchte zu lächeln.

,,Lydia, was weißt du, was ich nicht weiß?"

Sie seufzte. ,,Es ist hoffnungslos...Ich habe eventuell mitbekommen, wie Starker Kojote dir mitgeteilt hat, dass er..."

Valkan begriff, ohne dass sie den Satz beendete. ,,Oh..."

,,Das tut mir so leid. Ich wollte ganz bestimmt nicht, dass euer Häuptling stirbt oder euch in dieses Noskindy Tal bringen."

,,Dass er stirbt ist nicht deine Schuld, Lydia", verbesserte Sanfte Feder sie.

,,Diese Nacht werde ich bestimmt nicht schlafen. Es ist zu viel passiert heute...Von allen Zielen habe ich mich weiter entfernt, anstatt ihnen näher zu kommen."

Er reichte ihr die Hand. ,,Ich habe versprochen bei dir zu bleiben heute Nacht, also werde ich das Versprechen nicht brechen."

Lydia war froh über diese Entscheidung.

 

 

In ihren Gemächern warf sich Lydia rückwärts auf das Himmelbett. Inzwischen zweifelte sie wieder daran Schlaf zu finden.

Valkan fand neben ihr Platz und machte es sich dort gemütlich.

Kaum hatte sich die Königin fertig sortiert, bemerkte sie, dass der Indianer bereits tief und fest schlief. So würde sie auch gerne schlafen. Ruhig und ohne Sorgen. Dabei konnte Lydia gar nicht sagen wie sorgenfrei Valkan wirklich war nachdem sie nun wusste, wie es um Starker Kojote stand. Sie zog die Decke, die Panna hatte austauschen lassen bis unter das Kinn und schloss gleichzeitig die Augen.

Schneller als erwartet brach der nächste Morgen an. Lydia öffnete verschlafen die Augen und sah beruhigt einen unversehrten Valkan neben sich liegen. Eine Nacht ohne Mord, so wollte sie am liebsten immer aufwachen.

Der Indianer erwachte nun ebenfalls, streckte den rechten Arm aus und blickte Lydia aus verschlafenen Augen aus an. ,,Morgen."

,,Morgen", sagte sie lächelnd.

,,Noch nie habe ich in einem solch bequemen Bett geschlafen."

Lydia grinste. ,,Du schläfst dafür dein Leben lang schon auf Tierfellen und wohnst in einem Tipi."

,,Verrückt, wie verschieden und doch so gleich unsere Leben doch sind." Valkan strich Lydia eine Strähne aus dem Gesicht. ,,Versprich mir, dass du nicht zu denen gehörst, die demnächst sterben..."

Die Königin sah ihm die Trauer deutlich an und wusste genau er meinte damit Starker Kojote. ,,Ich verspreche es. Versprich du es auch."

,,Versprochen", antwortete er und hob die Hand zum Schwur.

,,Was ist eigentlich mit deiner Familie? Du weißt nun einiges über meine, aber ich noch gar nichts von deiner."

Der Indianer atmete tief ein und aus. ,,Meine Eltern waren nicht gerade die besten Artgenossen der Layandra. Sie haben sich sowohl mit Feinden, als auch mit ihren Freunden angelegt. Immer wollten sie zu den Häuptlingen gehören. Ich selbst wollte nie Häuptling sein..."

,,Nun musst du es aber", setzte Lydia fort.

,,Nein, muss ich nicht. Ekatoa hat es viel mehr verdient. Seine Eltern waren dem Stamm stets treu. Ich selbst wäre eine Schande für alle Indianer."

,,Du kannst doch nichts für die Handlungen deiner Eltern."

Sanfte Feder lachte. ,,Sicher nicht. Ich kann aber was für meine Handlungen und ich möchte in Nokard bleiben. Andererseits bin ich kein König und es könnte Streitigkeiten wegen der Thronfolge geben."

,,Thronfolge? Vergiss den Thron. Für die Dorfbewohner bin ich trotzdem noch ihre Königin. Außerdem hast du etwa in die Zukunft gedacht?", fragte sie zwinkernd.

,,Zugegeben schon. Wir beide verheiratet, ein oder zwei wundervolle Kinder", begann er zu schwärmen.

,,Du bist verrückt...Am besten müssten alle Probleme gelöst werden, bevor wir beide überhaupt ans Heiraten denken dürfen." Sie lächelte. ,,Was aber nicht bedeuten soll, dass ich dich nicht heiraten wollen würde."

,,Lass uns aufstehen und etwas essen...Ich hab einen Bärenhunger, das glaubst du mir gar nicht", lachte Valkan.

,,Essen klingt gut. Fragt sich nur wie viel wir noch an gutem Essen haben. Vasilias müsste eines seiner Schiffe nach Leydra fahren lassen, um gute Ernte von euch zu besorgen...Falls wir überhaupt Handelspartner werden. Außerdem müssen wir..."

,,Uns einmal nicht verhalten, wie Indianer und Königin", beendete Valkan ihren Satz und nahm sie in die Arme.

,,Recht hast du, aber das ist was wir sind. Egal wie verschieden oder gleich wir sind. An dieser einen Sache können wir gar nichts ändern."

39. König Vasilias

 Am späten Morgen trafen Lydia und Valkan im Speisesaal des Schlosses ein. Der Tisch war für mehrere Personen gedeckt und mit Blumen aus dem Garten geschmückt. Die Königin sah eine ihrer Arbeiterinnen gerade noch um die Ecke biegen und die verwelkten Blumen wegbringen.

,,Das sieht ja klasse aus", merkte der Indianer erstaunt an. ,,Wir Layandra essen sonst immer am Lagerfeuer oder in der freien Natur."

Sie schmunzelte. ,,Dann wird es höchste Zeit, dass ihr mal was Neues kennenlernt."

Beide nahmen nebeneinander Platz. In diesem Moment lief Fred mit einem goldenen Krug hinter ihnen her. ,,Darf ich Ihnen etwas einschenken? Die Layandra haben uns Milch zur Verfügung gestellt."

,,Dann werde ich sie nicht ablehnen. Danke", antwortete Lydia.

Valkan stupste Lydia an, um ihr mitzuteilen, dass Anemro soeben den Saal betrat. Dieser verbeugte sich leicht. ,,Guten Morgen, Hoheit. Ich soll ausrichten, König Vasilias wird gleich eintreffen."

Der Indianer warf der Rechten Hand des Königs einen unbemerkt düsteren Blick zu.

,,Danke, Anemro." Die Königin trank einen Schluck und nahm sich dann ein Stück Brot. Ihr Blick wanderte durch den Speisesaal. Alles wirkte so, als wäre Asimi nie hier gewesen.

,,Verzeihung, ich bin etwas spät heute", sagte Vasilias entschuldigend.

,,Ihr braucht Euch nicht zu entschuldigen. Wir haben keine festen Zeiten zum Essen", antwortete Lydia trocken. Noch immer war sie nicht gut auf den König zu sprechen.

Valkan sah unauffällig zwischen den beiden hin und her. Die Spannung war zumindest auf Lydias Seite sehr stark. Vasilias schien den Vorfall vom gestrigen Tag am liebsten unter den Tisch kehren zu wollen. Der Indianer kannte Lydia jedoch nun lange genug um zu wissen, dass sie niemandem so schnell wieder verzeihte, der ihr Vertrauen ausnutzte.

,,Das Frühstück sieht bezaubernd aus, Panna. Ich kann es kaum erwarten etwas davon zu kosten."

,,Oh danke, Majestät. Das war ich nicht alleine, mein Mann und einige andere haben geholfen."

,,Zusammen klappt doch alles gleich viel besser, nicht wahr?", fragte er grinsend.

Die Königin bemerkte die plötzliche Freundlichkeit des Königs sofort. ,,Vasilias, was soll das werden?"

,,Ich bin nur freundlich zu Ihren Leuten."

Lydia legte die Serviette wieder neben den Teller und rückte den Stuhl auf dem sie saß nach hinten.

,,Bist du schon satt?", fragte Valkan überrascht.

,,Nicht mehr hungrig auf jeden Fall." Die Königin ging um den Stuhl herum, schob diesen gerade an den Tisch und verkündete mit einem Räuspern: ,,Ihr entschuldigt mich einen Moment?"

,,Natürlich, geht nur." Vasilias klang beinahe enttäuscht die Spannung zwischen ihnen nicht gelegt zu bekommen. Ohne einen königlichen Gesprächspartner wandte sich der König nun an den einzig übrigen, Valkan. ,,Ihr könnt mir nicht zufällig sagen, wie ich das wieder gut machen kann?"

Der Indianer schüttelte den Kopf. Er wollte nicht derjenige sein, der nun den König bespaßen oder unterhalten sollte. ,,Mit Vertrauensbrüchen ist nicht zu Spaßen, Majestät. Das solltet Ihr doch wissen."

,,Ich weiß es nur zu gut..." Der König biss von einem Apfel ab. ,,Meinem Vater habe ich beispielsweise nicht vertraut."

,,Warum das denn?" Valkan setzte sich aufrecht in den Stuhl, während er aß.

,,Also gut, ich will Ihnen die Geschichte erzählen. Sie ist nicht besonders toll, eher traurig. Einst sagte er, dass er meinen kleinen Wolfshund nicht mit auf die Jagd nahm und ihn dort verlor. Es war natürlich gelogen. Mein kleiner Kalos war der liebste Hund der Welt. Könnt Ihr Euch das vorstellen? Niemals ist er durch die Tore gehuscht, obwohl sie oft weit offen gestanden haben."

,,Was macht Euch dann so sicher, dass Ihr Vater dahinter steckte?", hakte Valkan nach.

,,Er hasste Tiere. Für ihn hatten sie nur den Nutzen des Transportes. Pferde waren dafür sehr gut geeignet, ein kleiner Hund dagegen nicht. Außerdem glaubten die Heiler, dass er eine allergische Krankheit gegen Kalos entwickeln würde und bat mich oft ihn aus dem Schloss zu jagen. Nie habe ich das getan. Irgendwann wurde er wütender, je öfter er den Hund sah. Eines Tages war er dann spurlos verschwunden", beendete Vasilias seine Geschichte.

,,Es ist schrecklich, wenn einem jemand entrissen wird den man gerne hat."

,,Sehr richtig. Genau aus diesem Grund möchte ich Lydia nicht verlieren. Ihre Mutter lud mich, als sie noch klein war, oft nach Nokard ein. Lange Jahre gute Freundschaft mit einem Land wirft man nicht einfach so weg."

,,Fragt sich nur wer seine Freunde sind und wer nicht."

Vasilias rückte leicht schräg und überschlug die Beine. ,,Exakt. Ich bin auf jeden Fall ein Freund. Hätte ich euch sonst in manchen Situationen nicht einfach eurem Schicksal überlassen?"

Valkan antwortete nicht.

,,Ihr wisst doch auch, ich bin kein schlechter Mensch. Überzeugt Eure Freundin doch bitte davon, wenn es geht."

Der Indianer wollte gerade etwas dagegen sagen, da hob der König die rechte Hand. ,,Schon in Ordnung. Ich bin nicht blind."

,,Aber ganz schön frech", entgegnete Valkan. ,,Ich gehe sie jetzt suchen. Ihr entschuldigt?"

,,Oh, Ihr habt die Sitten von einer Königin gelernt. Nicht schlecht", lachte Vasilias.

,,Vorsicht..." Mit diesen Worten machte sich der Indianer auf den Weg, um die Königin zu suchen.

 

 

 Vasilias trat nach einem ausgiebigen Frühstück in sein provisorisches Gemach. Er setzte sich an den kleinen Tisch, welcher sich im linken Bereich des Zimmers befand und zückte eine Schreibfeder aus dem Gefäß. Vielleicht würde Königin Lydia einen Brief lesen. ,,Sie las doch so gerne fremder Leute Pergamente", dachte er sich verzweifelt. Er legte das Pergament gerade vor sich hin, tauchte die Feder in die Tinte und begann zu schreiben. Vasilias war sich nicht sicher, ob er damit etwas erreichte, doch einen Versuch war es ihm Wert.

In diesem Moment klopfte es an der Tür. Der König rechnete mit Lydia, da Valkan mit ihr geredet hatte, doch es war einer seiner Leute. Anemro trat ebenfalls herein.

,,Verzeiht, ich konnte ihn nicht aufhalten."

Vasilias hob gespannt die Augenbraue. ,,Ist in Ordnung. Was hast du mir zu sagen, Tadyn?"

,,Euer Hoheit, Asimi ist tot. Es war nicht er, den die Garde von Nokard verfolgt hat..."

Vasilias Hände begannen zu zittern, so sehr früchtete er die Antwort. ,,Habt Ihr das Buch also gefunden?"

,,Ja, Hoheit", antwortete Tadyn.

Vasilias und Anemro wechselten einen raschen Blick. ,,Und?"

,,Asimi hat einen Bruder. Nicht nur das...Einen Doppelgänger, nein Zwillingsbruder namens Imigri."

,,Verdammt! Asimi hat uns die ganze Zeit an der Nase herumgeführt!", platzte es aus dem König. ,,Jetzt macht alles Sinn...Das bedeutet auch, dass wir nicht nur seinen Berater, sondern auch seinen Bruder am Hals haben?!" Vor Schreck war er aufgesprungen.

,,Majestät, diese Nachricht müsst Ihr sofort der Königin mitteilen. Erfährt sie es wieder hinter Eurem Rücken kann es sein, dass sie Euch aus Nokard wirft."

,,Lasst mich alleine und erzählt niemandem von dem, was ihr nun wisst. Ich werde mich selbst an Lydia wenden." Er sah auf den Brief. ,,Vertraut mir einfach."

Anemro und Tadyn nickten, verbeugten sich und verließen den Raum. Einer der beiden schloss die Tür hinter sich, damit der König seine Ruhe hatte. Die brauchte er auch.

40. Geheimniswahrer

Weitere drei Wochen ließ sich König Vasilias Zeit, bis er mit der Wahrheit ans Licht rückte. Während den letzten Tagen hatten ihn Anemro und Tadyn immer wieder daran erinnert, dass er der Königin endlich alles erzählen sollte. Das tat er jedoch nicht. Er konnte nicht sagen es nicht versucht zu haben. Nie schien der Zeitpunkt günstig. Es gab keine weiteren Angriffe oder Tote, dafür gingen jedoch die Vorräte zu Ende. Zu allem Überfluss ging es dem Häuptling der Layandra immer schlechter. Lydia verbrachte viel Zeit bei den Indianern oder kümmerte sich um die Kinder des Dorfes. Sie hatte genug Sorgen, da musste sie nicht auch noch von Imigri wissen. Schon gar nicht, wenn schon seit Tagen keine Angriffe mehr erfolgten. Vielleicht war der Wahnsinn vorbei und Vasilias könnte sein Geheimnis mit ins Grab nehmen. Er sah auf den Brief, der schon lange in seiner Schublade versteckt lag und fasste sich ein Herz. Schweigen brachte dann wohl doch nichts.

 

 

,,Starker Kojote hat nur noch wenige Stunden. Der Stamm muss ihm beistehen", verkündete Ruhige Seele, während er den Verband des Häuptlings erneut wechselte.

Ekatoa packte Valkan neben sich am Kragen und blickte ihm ernst in das Gesicht. ,,Du musst dich entscheiden, Sanfte Feder. Du als Häuptling oder der Stamm ist verloren."

,,Nichts ist verloren!" Er versuchte sich aus den Fängen des Indianers mit dem roten Kopftuch zu befreien. ,,Du kannst genauso gut Häuptling werden..."

,,Starker Kojote hat gesagt, dass du sein Nachfolger werden sollst, weil er dir vertraut! Wenn du uns jetzt hängen lässt, warst du die längste Zeit ein Layandra."

,,Pass ja auf, was du sagst!", fuhr Valkan ihn an. ,,Ich möchte nur nicht Häuptling werden, da ich Lydia eines Tages heiraten möchte."

,,Ha! Du weißt was sie ist, oder?"

,,Ein Mensch, wie du und ich."

,,Eine Königin. Eine...Eine Herrscherin. Die würde dich ganz bestimmt nicht heiraten, weil du kein König bist", knurrte Ekatoa.

,,Natürlich wird sie das! Du kennst sie doch gar nicht richtig!" Valkan schaffte es sich loszureißen.

,,Alle Könige sind gleich. Das hat Starker Kojote und auch dessen Vater uns immer wieder gesagt. Hast du das etwa schon vergessen?"

,,Nein, aber du hast Lydia auch oft genug geholfen. Das hättest du nicht getan, wenn du sie hassen würdest."

,,Ich hasse sie nicht", widersprach Ekatoa.

,,Du benimmst dich aber so." Valkan verschränkte verärgert die Arme.

Gerade in diesem Moment trat die Königin in das Tipi. ,,Da muss ich ihm Recht geben."

Der Indianer fuhr zusammen.

,,Ich dachte du vertraust mir oder denkst nicht schlecht von mir." Sie wartete eine Antwort ab.

,,Für soetwas haben wir jetzt keine Zeit...Der Häuptling stirbt und wir brauchen einen Nachfolger. Valkan entscheide dich schneller. Häuptling sein oder den Stamm verlassen?"

Lydia klappte die Kinnlade herunter. ,,Wie kannst du das von ihm verlangen?! Das ist Erpressung...Als würdest du ihm seine Familie wegnehmen!"

,,Lass gut sein, Lydia", seufzte Sanfte Feder. ,,Ich muss es tun, wenn es der Wille des Häuptlings ist."

Ekatoa streckte eine Hand nach der Königin aus. ,,Da habt Ihr es."

Lydia sah etwas hilflos zwischen den Indianern hin und her. Das würde bedeuten, dass Valkan sie verlassen würde und die Layandra zurück nach Leydra gingen. Wortlos verließ sie das Tipi und eilte durch den hohen Schnee davon.

 

 

Erst auf halber Höhe des Hügels, auf dem das Schloss erbaut wurde hielt Lydia erst wieder Inne. Nichts konnte laufen wie sie es besprochen war. Als nächstes würde sie Vasilias als Handelspartner verlieren. Das hatte sie bereits im Gefühl. Außer Atem lehnte sie sich gegen einen Baumstamm und sah zwischen den Tannen in den Himmel hinauf. Plötzlich verspürte die Königin ein unangenehmes Gefühl im Bauch. Es war so seltsam, dass sie sich in den Schnee setzen musste, um den Schmerz zu ertragen.

,,Schlecht gegessen?"

Als Lydia aufsah, blickte sie geradewegs in Asimis Augen. Zumindest glaubte sie, dass es Asimi war. ,,Panna und Fred kochen nicht schlecht!"

,,Und ich dachte Ihr wolltet mir sagen, dass ich verschwinden soll", entgegnete er lachend.

,,Ihr geht ja sowieso nicht..."

,,Recht habt Ihr, Lydia." Ihr Gegenüber ging in die Knie. ,,Ihr seht wirklich schlecht aus. Sicher, dass Eure Leute Euch nicht doch vergiften wollen?"

,,Wenn schon, dann nur Ihr", zischte sie.

,,Wie wahr, aber damit habe ich zur Ausnahme mal nichts zu tun."

,,Das soll ich Euch glauben?"

,,Braucht Ihr nicht." Er stand wieder auf und streckte sich. ,,In letzter Zeit brauche ich gar nicht mehr einschreiten. Alleine der Gedanke an meine Anwesenheit reicht aus um Euer Reich von den anderen zu trennen."

Lydia zog sich an einem der Baumstämme auf die Beine. ,,Was wollt Ihr dann von mir?!"

,,Nur sehen, wie es Euch geht", antwortete er lachend. ,,Scheint nicht besonders gut zu sein. Ihr könnt mir Nokard auch sofort zur Verfügung stellen, vielleicht lasse ich Euch dann am Leben."

,,Ihr benehmt Euch wie ein kleiner Junge...Das ist albern...", brachte die Königin hervor.

,,Albern? Ich will Euch sagen, was albern ist. Der Versuch mich zu töten." Er ging ein wenig weiter den Hügel hinab. ,,Aber versucht es ruhig weiter. Ich kann es kaum erwarten, dass Ihr mich findet. Dieses Versteckspiel macht nicht nur mir richtig Spaß!"

Lydia sah ihm verachtend hinterher. Was sollte das denn bedeuten?

 

 

Der Erste, dem Vasilias auf der Suche nach Lydia begegnete, war Kipivo. Dieser stand vor dem Eingangstor und wartete auf einen Hinterhalt von König Asimi.

,,Habt Ihr die Königin gesehen? Ich muss dringend mit Ihr sprechen."

,,Nein, habe ich nicht. Sucht bei den Indianern, da findet man sie oft."

,,Danke", antwortete der König und ging vor dem Schloss entlang zu den Tipis. Schon aus der Ferne konnte er hören, dass dort heftig diskutiert wurde.

,,Als Häuptling kann ich sagen, dass die Layandra hierbleiben", sagte Valkan trotzig.

,,Du wirst uns nichts dergleichen vorschreiben."

,,Ihr zwei solltet endlich leise sein!", knurrte der Häuptling auf den Fellen. ,,Sonst bin ich noch froh zu sterben."

Vasilias trat dennoch in das Tipi. ,,Verzeihung...Ich suche die Königin."

,,Lydia ist eben weggegangen. Vermutlich im Schloss bei den Kindern", antwortete Ekatoa.

,,Nein, da ist sie nicht."

Valkan wandte den Kopf zu dem König. ,,Ich werde sie mit Ihnen suchen. Hier werde ich momentan nicht gebraucht."

Gemeinsam traten die beiden aus dem Zelt in den Schlossgarten.

,,Alles in Ordnung bei euch?", erkundigte sich der König.

,,Nicht wirklich, doch das braucht Euch jetzt nicht interessieren." Er sah sich um. ,,Lydia kann an mehreren Orten sein. Diese sollten wir zuerst absuchen."

,,Welche wären das bitte?"

,,Thronsaal, ihre Gemächer, nicht weit von hier auf einem Baumstamm oder in einem Raum des Schlosses. Wir sollten uns aufteilen, dann finden Sie sie schneller."

 

 

Lydia hatte es die letzten Minuten nicht geschafft sich von der Stelle zu bewegen. ,,Komm schon Lydia, rauf den Hügel und dann kannst du dich hinlegen", sagte sie zu sich selbst. ,,Das ist nur der Stress." Am nächsten Baumstamm rutschte sie wieder auf den verschneiten Boden. ,,Hilfe wäre nicht schlecht." Die Königin zog den Mantel dichter um sich. Langsam wurde ihr etwas klar, woran sie die ganze Zeit über gar nicht gedacht hatte. Den Gedanken schob sie lieber in den Hinterkopf und dachte nicht weiter darüber nach.

 

 

,,In ihren Gemächern finde ich sie auch nicht."

,,Es wird langsam spät. Ich mache mir Sorgen", meinte Vasilias.

,,Gibt es ein Problem?", fragte Ser Chrysos, der den beiden im Gesicht ansah, dass etwas nicht stimmte.

,,Das kommt darauf an, ob Ihr die Königin gesehen habt. Wir können sie nicht finden."

,,Wie bitte?!", platzte es aus dem Ritter. ,,Die Königin ist verschwunden? Das sagt ihr erst jetzt?" Er lief durch den Flur des Schlosses, stieß versehentlich gegen eine Ritterrüstung und eilte hastig weiter. ,,Wachen! Die Königin ist länger nicht gesehen worden! Versammeln und zur Suche ausrücken!"

,,Wartet, wir wollen auch helfen", rief Vasilias hinter ihm. Als der König den vielsagenden Blick seiner Rechten Hand Anemro sah, ahnte er böses. Hätte er doch eher gesagt, dass Asimi einen Zwillingsbruder hat, welcher sich hier noch aufhalten musste.

41. Zwickmühle

Lydia konnte bereits nicht mehr mitzählen wie oft es diesen Winter schneite. Obwohl sich der Dezember dem Ende entgegen neigte kam immer wieder neuer Schnee dazu. Sie zog die Knie bis unter das Kinn und zitterte leicht vor Kälte. Niemand würde sie an diesem Ort zeitnah finden, falls man sie überhaupt schon suchte. Lydia legte die Hände auf beide Knie und blickte den Hügel hinab. Vor ihren Augen erschienen Ydro und Eileen. Königin Lydia bekam langsam aber sicher das Gefühl wirklich verrückt zu werden. Die beiden konnten nun wirklich nicht mehr leben, auch wenn sie es sich sehr wünschte.

,,Lydia, Ihr dürft jetzt nicht aufgeben", trug der Wind Ydros Stimme zu ihr.

,,Ihr seid niemals alleine. Niemals", hauchte Eileen hinterher.

,,Ihr beide seid tot...Und könnt mir nicht mehr helfen."

,,Wir mögen tot sein, doch Ihr könnt uns jetzt gerade sehen", erwiderte ihr ehemaliger Berater.

,,Ja, weil mein Unterbewusstsein mir einen Streich spielt oder ich kurz vor dem erfrieren bin." Sie zog die Knie noch dichter an sich.

,,Ihr seid nicht verrückt, Lydia. Steht endlich auf."

Lydia weigerte sich auf einen weiß leuchtenden Ydro zu hören, den ihr Gehirn sich nur einbildete. In der nächsten Sekunde merkte sie aber, dass er plötzlich hinter ihr stand und seiner Königin auf die Beine half.

,,Alles wird gut." Ydros Stimme veränderte sich und wurde zu Valkans. ,,Lydia, hörst du mich? Es wird alles gut."

Inzwischen war sie sich gar nicht mehr sicher, ob wirklich ihr Berater ihr geholfen hatte oder ob es Valkan war. Sie sah den Indianer müde an und dann wieder in die Richtung der Gestalten. Beide waren verschwunden.

,,Was macht Ihr hier Draußen, Majestät? Wir machen uns große Sorgen, wenn Ihr so lange nicht zurück ins Schloss kommt", meinte Ser Chrysos, der sich vor sie stellte.

,,Ich weiß nicht."

Vasilias kam ein kleines Stück zu ihnen herunter gerutscht. ,,Ser, Ihr seht doch, dass es ihr nicht gut geht. Ich bin nur froh, dass Euch nichts passiert ist."

,,Wir bringen Euch in Eure Gemächer, Majestät", versicherte der Ritter, hob die Königin hoch und trug sie in das Schloss.

 

 

Ser Chrysos ließ Panna rufen, damit sie sich an Stelle der verstorbenen Eileen um die Königin kümmerte. Diese lag inzwischen in ihrem Himmelbett, während die Ehefrau von Fred sie zudeckte.

,,Panna, was stimmt nicht mit mir? Ich hatte solche Angst vorhin...", stammelte Lydia.

,,Mit Euch ist alles in Ordnung, Hoheit."

,,Nein. Ich habe Ydro und Eileen gesehen."

,,Gesehen?", fragte Panna skeptisch.

,,Ja, gesehen. Sie waren so real. Beinahe so, als könnte ich sie berühren."

Die Arbeiterin schüttelte ein Kissen zurecht. ,,Das ist nur ein Zeichen davon, dass Ihr sie sehr vermisst. Es sind sozusagen Eure Schutzengel."

,,Ich bin doch verrückt. Vasilias und Starker Kojote hatten Recht."

,,Ihr seid nicht verrückt. Wo Ihr es gerade erwähnt, ich glaube König Vasilias wollte dringend mit Euch sprechen."

Lydia nahm sich eines der blauen Kissen und hielt es sich vor das Gesicht. ,,Na bitte, ich wusste es. Handelspartner auf Wiedersehen!" Sie warf das Kissen neben sich.

,,Ich glaube nicht, dass er nicht mehr mit Euch zusammenarbeiten möchte...Oh, Majestät?"

Die Königin zuckte zusammen. ,,Panna ich sage dir doch etwas ist nicht in Ordnung. Vielleicht habe ich wirklich ein schlechtes Obst gegessen...Das war nicht Eure Schuld, Panna, das meinte ich so nicht", ergänzte sie schnell.

,,Darf ich fragen wo es weh tut?"

,,Im Magen...Deshalb sage ich immer wieder es muss ein echt grausames Obst gewesen sein."

,,Das glaube ich nicht. Darf ich?"

Lydia nickte mit zusammengekniffenen Augen.

,,Ich bin zwar keine Heilerin, aber ich kann Euch beruhigen es ist keine Vergiftung. Es ist etwas viel Schöneres."

,,Was bitte ist daran schön?!"

,,Ahnt Ihr es gar nicht? Ihr werdet Mutter", antwortete Panna strahlend.

,,Was..."

,,Glückwunsch dazu, Majestät!"

Die Königin schüttelte den Kopf. ,,Das kann nicht sein..."

Panna lächelte vor sich hin. ,,Ich weiß wann jemand Mutter wird. Erinnert Ihr Euch an Amarlas Kind? Ich habe bei ihrer Geburt geholfen. Wer ist eigentlich der Vater? Der liebreizende Indianer Valkan?" Lydias Gesichtsausdruck war nicht gerade den, den sich Freds Ehefrau erhoffte. ,,Majestät Ihr braucht keine Angst zu haben."

,,Es geht ja gar nicht um Angst", setzte sie an. Lydia beugte sich zu Panna. ,,Bitte sage es keinem. Vor allem nicht Val-kan."

,,Ruht Euch aus. Ich mache Euch einen Tee und dann sieht die Welt schon wieder anders aus."

,,Falls Vasilias nach mir fragt, ich habe keine Zeit für ihn momentan", murmelte sie.

,,Richte ich aus", antwortete Panna und schloss die Tür hinter sich.

Lydia zog die Decke höher und legte eine Hand auf ihren Bauch. Sie als Mutter hatte sie sich als Kind immer schön vorgestellt. Das die Königin ihr Kind lieben würde, wie niemand anderen. Doch was war mit Valkan? Wenn er nun als Häuptling der Layandra in ein fernes Land zog, wuchs ihr geimeinsames Kind ohne Vater auf. Das war es was sie nicht wollte. Sollte Sanfte Feder jedoch erfahren, dass sie ein Kind bekam würde er die Häuptlingsposition aufgeben und seine andere Familie verlieren. Sie wollte nicht daran Schuld sein, dass er die Indianer verlassen musste, selbst wenn es schwer fiel.

Es klopfte.

,,Herein?"

,,Verzeihung, Hoheit. Ich bringe den Tee. Panna kümmert sich mit um den Häuptling..."

,,Fred. Wie schlimm ist es inzwischen?"

,,Er kann jeden Moment sterben", sagte Fred kleinlaut.

,,Ich bin in diesem Augenblick nicht bei Valkan. Ich muss sofort aufstehen", stellte sie fest und warf die Decke nach hinten.

,,Majestät, sicher, dass Ihr Euch gut genug fühlt?"

Lydia winkte ab. ,,Diese Frage werde ich dir die nächsten Monate immer nur mit nein beantworten. Jedenfalls solange bis Asimi vom Hof ist."

,,Lasst mich Euch helfen." Er reichte der Königin einen Arm als Stütze.

,,Danke, Fred."

 

 

Vor dem Tipi angekommen, befand sich die Königin in einer Masse von Menschen. In der vordersten Reihe standen die Indianer mit gesenkten Köpfen.

,,Valkan", flüsterte Lydia und nahm seine Hand.

,,Du musst das nicht sehen", sagte er leise. ,,Ich kenne dich gut genut. Dir geht es noch nicht wieder gut."

,,Geteiltes Leid, ist halbes Leid." Sie lehnte sich gegen Sanfte Feder und blickte zu Starker Kojote hinab. Nie hätte sie gedacht, dass ein so starker Mensch so schwach aussehen konnte.

,,Sobald etwas ist, sag mir bitte Bescheid."

Lydia nickte langsam.

Ruhige Seele hockte neben dem Häuptling, der seinen Federschmuck in der Hand hielt und sagte: ,,Ruhe in Frieden."

Valkan legte einer seiner beiden Federn neben den Häuptling. ,,Ich werde Euch nicht enttäuschen."

Unruhig beobachtete Lydia den Indianer. Sie konnte es ihm nicht sagen, unmöglich. Aus diesem Grund gesellte sie sich zu der sich auflösenden Menschenmenge, um unauffälig in ihr Gemach zurückzukehren.

,,Hoheit, wartet!", rief eine bekannte Stimme hinter ihr.

,,Vasilias, bitte nicht jetzt...Nicht heute."

,,Nein, keine Ausrede. Das schiebe ich schon viel zu lange vor mir her."

Verdutzt blieb Lydia stehen.

,,Wir...Ihr wurdet ausgetrickst. König Asimi hat einen Zwillingsbruder, der sich noch auf dem Gelände befindet."

Sprachlos stand Lydia da und fand keine Worte.

,,Hört mir zu. Asimi ist tot. Sein Bruder ist es, den Ihr seht."

,,Äh...Was macht Euch da sicher, dass wir nicht seinen Bruder getötet haben?"

,,Wir gehen einfach davon aus, da Asimi sicherlich immer derjenige war, der die Krone trug und sich im Schloss aufhielt. Imigri war..."

,,War die Gestalt im Wald", entfuhr es Lydia. ,,Ich bin nicht verrückt! Da habt Ihr den Beweis. Wie lange habt Ihr davon gewusst?!"

,,Schon einige Wochen...Es tut mir leid, aber es war so schwierig es Euch zu sagen. Hier", erklärte er und zog einen Brief aus dem Umhang. ,,Den hier solltet Ihr eigentlich lesen."

,,Ihr seid wirklich unmöglich, Vasilias!", fuhr sie den König an. ,,Deshalb sagte er also, er sei immer noch da sein würde, wenn wir ihn umbringen."

,,Ganz schön hinterlistig der Kerl. Wenn wir uns nun seinen Bruder schnappen könnten wären wir alle Sorgen los."

,,Nicht alle...Da wäre noch Quirin und genug andere Sachen", setzte die Königin an. ,,Nicht so wichtig."

,,Euch geht es immer noch nicht wieder besser, das sehe ich doch", merkte Vasilias an.

,,Nein, alles in Ordnung. Ich gehe jetzt auf mein Zimmer. Das waren genug Neuigkeiten für heute."

,,Soll ich Euch begleiten?"

,,Danke, es geht schon", antwortete sie. Das Letzte was sie nun brauchte war Vasilias in einer Beschützerrolle. Lydia schritt die Treppe zurück in ihr Gemach, legte sich dort hin und wollte diesen Tag so schnell es ging hinter sich bringen.

42. Winterrosen

 Als die Königin am folgenden Morgen aufwachte wusste sie gar nicht, dass Valkan bereits neben ihr lag. Aus diesem Grund dachte sich Lydia nichts dabei, als sie sich auf den Rücken drehte, die Hände auf ihren Bauch legte und seufzte.

,,Geht es dir gut?"

Lydia fuhr herum. ,,Valkan. Götter, du hast mich erschreckt."

,,Entschuldige. Ich habe dich gestern Abend nicht aufwecken wollen und nun bekommst du den Schock des Lebens", antwortete er grinsend.

,,So schlimm dann auch wieder nicht", verteidigte sie sich.

,,Spaß beiseite. Die Frage meinte ich durchaus ernst." Valkan hob eine Augenbraue und wartete auf ihre Reaktion.

,,Das ist nur der Stress...Wenn du wüsstest, was Vasilias mir gestern noch erzählt hat...", schob sie die Wahrheit beiseite.

,,Von Asimis Zwillingsbruder, richtig? Er hat mich ebenfalls darauf angesprochen, da ich nun Häuptling bin." Der Indianer starrte ins Leere.

,,Es tut mir so leid, mit Starker Kojote."

,,Danke für dein Dasein gestern Abend. Das hat mir wirklich sehr geholfen", beruhigte Valkan lächelnd und stand auf.

,,Ist doch selbstverständlich. Es gibt nichts Schlimmeres für einen Stamm, als seinen Häuptling zu verlieren."

,,Ich muss leider jetzt zu Ekatoa und Schneller Falke. Wir besprechen die Situation im Hohen Rat." Er beugte sich zu ihr vor und küsste Lydia auf die Stirn. ,,Pass auf dich auf was auch immer du heute vorhast."

,,Versprochen."

 

 

Die Königin wusste gar nicht was sie vorhatte zu tun. Mit Valkan reden konnte sie noch immer nicht, da er sich zu aller erst um den Stamm kümmern musste. Sie nutzte die Zeit in der sie durch den Flur spazierte um nachzudenken. Die ohnehin nicht sehr helle Umgebung schien dunkler zu werden, je mehr Schritte die Königin machte. Lydia blieb einen Augenblick stehen und lehnte sich gegen eines der Holzregale an der Wand.

Ausgerechnet in diesem Moment kam Vasilias in den langen Flur und hatte sie sofort gesehen. ,,Lydia", sagte er erstaunt. ,,Warum seid Ihr denn nicht auf Eurem Zimmer? Ihr spielt ständig die Tapfere, dabei seid Ihr blass wie ein Gespenst."

,,Ist gut. Können Sie Panna bitte rufen?"

,,Panna?"

,,Bitte", flehte Lydia.

,,Gut, ich bin schon auf dem Weg." Der König machte auf dem Absatz kehrt.

Besorgt umklammerte sie das Holz mit den Fingern noch fester.

Die Arbeiterin lief so schnell sie ihre Beine tragen konnte zu ihrer Königin. ,,Majestät, der König sagte mir Euch geht es wieder schlechter?"

,,Moment, ich helfe Euch in das Zimmer", bestand Vasilias, der ebenfalls wieder mitgekommen war.

Nachdem Lydia wieder im Bett lag, schloss der König hinter ihnen die Tür und verschränkte die Finger ineinander. ,,Könnt Ihr mir verraten was in aller Welt mit Euch nicht stimmt?"

,,Majestät, Ihr solltet gehen", antwortete Panna für Lydia.

,,Nicht, dass Ihr mir heimlich die Welt verlasst, so wie Starker Kojote."

,,Habe ich nicht vor."

,,Es wird alles gut, Hoheit. Ihr müsst tief ein und aus atmen, dann verkrampft Ihr nicht."

Lydia hielt sich die Hand an die glühende Stirn. ,,Sag es einfach...Das nächste Jahr wird die Hölle auf Erden."

,,Hoheit, nicht so negativ denken."

,,Nein...", dämmerte es Vasilias. ,,Das gibt es doch gar nicht...Ihr seid schwanger?!"

,,Haltet den Mund, oder ich werfe Euch eigenhändig aus dem Schloss", brachte Lydia hervor.

Der König hielt sich beiden Hände vor den Mund. ,,Von mir erfährt keiner etwas. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob Eure Schmerzen ein gutes Zeichen sind."

,,Was soll das denn bedeuten?!" Mit einem Mal saß sie aufrecht in den Kissen.

,,Redet Ihr erst gar nicht ein, was es bedeuten kann...", unterbrach sie den König, noch bevor er antworten konnte. ,,Die Königin kann auch selbst krank sein. Bei dem Wetter würde mich das gar nicht wundern."

,,Wollt ihr beiden mir gerade verheimlichen, dass ich das Kind verlieren kann?!"

,,Das kann allen passieren. Euch wird es nicht passieren, vetraut mir."

,,Meine Nerven würde es beruhigen, wenn wir einen Heiler zu ihr schicken lassen könnten", sagte Vasilias ernst. ,,Ich selbst habe einen, dem ich mein Leben anvertrauen würde. Ihr braucht nicht die Indianer um Hilfe zu fragen."

,,Würden wir auch nicht, sonst wäre es kein Geheimnis", erinnerte Panna.

,,Ich schicke Euch Tadyn."

,,Danke, Vasilias."

Der König verabschiedete sich mit einem kurzen Nicken und huschte aus der Tür.

 

 

,,Ihr zeigt einzig Symptome einer Infektion, Majestät. Da Euer Kreislauf dadurch geschwächt ist, empfindet ihr die sonst weniger starken Schmerzen, die das heranwachsende Kind auslöst als sehr stark. Habt Ihr in letzter Zeit irgendwelche Anzeichen von einer Krankheit bemerkt?"

,,Nein, nichts." Sie schluckte. ,,Dem Baby wird es sicher gut gehen?"

,,Keine Angst, das Kind ist nicht die Ursache."

Erleichtert ließ sie sich in die Kissen fallen.

,,Was habt Ihr da für einen Verband?"

Lydia sah auf ihren Oberarm. ,,Der ist von einer Wunde, die mir Asimi verpasst hat. Warum?"

,,Darf ich?"

Die Königin nickte eifrig.

,,Um Himmels Willen...Ihr habt die Wunder doch nicht etwa selbst versorgt, oder?"

,,Doch...Ich kam nie dazu einen Indianer um Hilfe zu beten und meine eigenen Heiler sind tot, wie Ihr wisst..."

,,Das sieht wirklich schlecht aus. Jetzt sollten wir wirklich Ruhige Seele aufsuchen. Er hat die nötigen Heilmittel da."

,,Aber wenn er mich untersucht, wird er vor dem Kind wissen..."

,,Nicht, wenn wir uns geschickt anstellen. Kommt, Panna und ich helfen Euch die Treppe runter."

,,Wir dürfen aber nicht zu viel Aufmerksamkeit auf uns richten", merkte Panna an.

Tadyn half Lydia auf die Beine. ,,Gut, sobald wir in dem Tipi angekommen sind bleiben wir erst wieder stehen. Wir sollten uns beeilen und sehen, dass so wenige wie nur möglich in unsere Quere geraten."

 

 

Die Versammlung des Hohen Rats fand mehr oder weniger zwischen drei Indianern statt. Valkan, Ekatoa und Schneller Falke saßen im Kreis um ein kleines Lagerfeuer und diskutierten über einen möglichen Aufbruch nach Leydra.

,,Machen wir es so? Die Lebensmittel gehen hier zu Ende. Wir könnten der Königin welche zukommen lassen und uns dann wieder nur noch auf den Stamm konzentrieren", schlug Ekatoa vor. ,,Sanfte Feder? Hörst du mir überhaupt zu?"

Valkan schrak aus den Gedanken hoch. ,,Tut mir leid ich kann mich nicht konzentrieren."

,,Es geht hier um uns alle und du schweifst ab?"

,,Lydia geht es schlecht. Ich habe ein echt mieses Gewissen sie so alleine zu lassen." Er hob die Hand. ,,Ich weiß, dass der Stamm auch wichtig ist...Sag mir nicht ständig was ich ohnehin schon weiß."

,,Ich meine das alles nicht böse." Ekatoa bemerkte, dass Valkan ihm nicht mehr zuhören würde, ehe er kurz bei der Königin war. Er selbst hatte dafür wenig Verständnis in ihrer Lage, doch er musste jetzt das Richtige tun. ,,Geh zu ihr."

,,Wie bitte?"

,,Du hast mich verstanden. Na los." Der Indianer mit dem roten Kopftuch erhob sich aus dem Schneidersitz und schob die Plane des Tipis beiseite. Eigentlich hatte er nur Valkan einen schnellen Abgang ermöglichen wollen, doch stattdessen sah er die Königin und zwei weitere Personen daneben. ,,Ähm...Sanfte Feder? Das solltest du dir vielleicht mal ansehen."

,,Was gibt es denn?" Valkan sprang auf und stellte sich neben Ekatoa. ,,Lydia?"

Ekatoa dachte einen Moment nach, bevor er reagierte. ,,Du liebst die Königin der Bleichgesichter, richtig?"

,,Sicher!"

,,Dann geh, sofort!", scheuchte der Indianer ihn aus dem Tipi.

,,Moment, warst du nicht eben noch der Meinung, dass ich..."

,,Geh schon!"

Valkan hob beide Hände als Verteidigung. ,,Ich gehe. Entscheide dich mal, Ekatoa."

Unauffällig folgte er den dreien in Richtung Tipi des Heilers. Auf dem Boden sah er einige Winterrosen mit kristalligen Eis darauf blühen. Der Indianer strahlte, da er wusste was die ersten Blumen bedeuteten. Eine davon pflückte er und beschloss diese Lydia zu schenken.

Vor dem Tipi blieb er kurz stehen und atmete tief durch. Gerade wollte er eintreten, da hörte er Ruhige Seele sprechen.

,,Ihr dürft niemals ohne Erfahrung eine solche Wunde selber versorgen."

,,Werde ich bestimmt nicht mehr machen", versicherte Lydia.

,,Das wird wieder verheilen. Wie gut, dass Ihr nicht noch länger gewartet habt. Mit Schwertverletzungen ist nicht zu Spaßen. Die Schulter ist eine besonders unangenehme Stelle."

Der Indianer ließ die Winterrose fallen. ,,Sie wird nicht sterben, oder?!" Valkan war in das Tipi gestürmt, aus Angst sie würde nun wie sein Häuptling einfach aus der Welt verschwinden.

,,Valkan!", entfuhrt es Lydia schon zum zweiten Mal an diesem Tag.

,,Nein, sie stirbt nicht", antwortete Ruhige Seele leise. ,,Zeit heilt alle Wunden, wenn man sie von einem Heiler richtig behandeln lässt. Bei Starker Kojote war es viel mehr als das."

Lydia blickte zu Valkan. ,,Gut, denn ich möchte sie nicht verlieren." Er kniete sich neben die Königin und umarmte sie.

,,Ihr werdet Lydia nicht verlieren."

,,Es sei denn, du gehst nach Leydra zurück", dachte die Königin insgeheim und genoss den Moment, in dem der Indianer bei ihr war und sie sich sicher fühlen konnte.

43. Mondlicht

  Nach einer ganzen Weile fiel dem Indianer die Winterrose wieder ein. ,,Es gibt übrigens auch gute Neuigkeiten", setzte Valkan an. ,,Der Frühling kehrt zurück!"

,,Das sind zur Abwechslung wirklich gute Nachrichten", flüsterte Lydia. ,,Wenn es wärmer wird, müssen die Dorfbewohner nicht mehr frieren. Jetzt gibt es nur noch ein Problem..."

,,Das Essen, ich weiß", beendete er den Satz der Königin.

,,Und Imigri...Wir sollten einen Plan entwickeln wie wir ihn aus Nokard jagen können."

,,Du hast nicht zufällig einen Geistesblitz?", hakte Sanfte Feder nach.

,,Oh doch, den habe ich." Lydia huschte ein Grinsen über das Gesicht, obwohl sie sich nicht mal ansatzweise gut gelaunt fühlte. ,,In der Bibliothek befinden sich Pergamente mit Landkarten drauf. Wenn die jemand finden würde, hätten wir schon einiges gewonnen."

,,Landkarten? Was hast du vor?"

,,Imigri das wiedergeben, was er und sein Bruder uns gegeben haben."

,,Klingt vielversprechend...Schneller Falke und Leute von dir könnten sich der Suche widmen", schlug Valkan vor.

Lydia erhob sich. ,,Danke für deine Hilfe, Ruhige Seele. Solltest du aus dem Heilräumen des Schlosses etwas benötigen, nimm es dir ruhig. Das schulde ich dir als Dank."

,,Ruhige Seele hilft, wo er nur kann", antwortete der Heiler lächelnd.

,,Gute Idee Valkan. Wir müssen allerdings auch Leute nach Leydra und Logarda senden, um uns dort Nahrung zu besorgen. Ich hoffe doch, dass ihr die Lebensmittel gut verstaut habt?", fragte sie Tadyn.

,,Ja, haben wir."

,,Prima. Hier lässt sich vorerst nichts anbauen...Große Flächen des Bodens sind verbrannt und wir brauchen zuerst Häuser, bevor wir diese wieder retten können." Lydia wich den Blicken der Menschen im Tipi aus. ,,Ich mache mich sofort an die Arbeit", versicherte Schneller Falke. Beim Rausgehen stieß er versehentlich mit der Königin zusammen, sodass diese den Halt verlor und stürzte. Der Indianer landete zu allem Überfluss auf ihr drauf.

,,Beim Manitu, Verzeihung!" Der Indianer musterte sie für einen Moment, der ihr nicht entging etwas kritisch. Er wird doch hoffentlich nichts bemerkt haben?

,,Schon in Ordnung. Der Boden zieht mich magisch an", versuchte Lydia das Thema zu wechseln.

,,Je schneller wir die Suche starten, desto eher haben wir die Karten", erinnerte Tadyn und scheuchte die Sucher aus dem Tipi. ,,Nicht Ihr, Majestät. Ihr strengt Euch so wenig wie möglich an, einverstanden?"

,,Vorher gebt Ihr ohnehin keine Ruhe", entgegnete die Königin geschlagen.

,,Richtig. Wünscht uns Glück!", rief der Heiler aus Logarda.

 

 

In der Dämmerung kehrten die Indianer erst von ihrer Suchaktion aus dem Schloss zurück. Valkan als neuer Häuptling ging seinen Pflichten nach und nahm sich einen seiner Brüder beiseite. ,,Schneller Falke, was liegt dir auf dem Herzen?"

Der Indianer mit dem türkisen Kopftuch zuckte mit den Achseln. ,,Ich denke die ganze Zeit schon über etwas nach...Es geht um den Sturz von heute Vormittag."

,,Falls du denkst, dass ich es dir übel nehme, dass du auf meiner Freundin gelandet bist...Vergiss es", entgegnete Valkan.

,,Das meinte ich nicht, aber gut zu wissen."

,,Jetzt mach es nicht so spannend, rück raus damit!", forderte Valkan ungeduldig.

Schneller Falke räusperte sich: ,,Ich weiß, es hört sich komplett verrückt an, aber ich bin bei dem Sturz auf Lydia gelandet und habe..." Er schüttelte den Kopf und ließ das schwarze Haar durch die Luft fliegen. ,,Reiß dich zusammen, Schneller Falke", ermahnte er sich selbst. ,,Was ich sagen möchte war, kann es sein, dass die Frau namens Lydia ein Kind erwartet?"

Valkans Miene wurde erst ernst, dann lachte er auf. ,,Das hätte sie mir doch gesagt. Außerdem was zu den Geiern hast du getan um diese Frage überhaupt stellen zu können?"

,,Ich sagte doch, ich bin auf ihr gelandet." Der Indianer verschränkte die Arme. ,,Also ich finde es nicht witzig."

,,Schon gut. Dennoch kann ich die Frage nur mit nein beantworten."

,,Bist du dir auch ganz sicher? Ich meine ja nur..."

Valkan winkte ab. ,,Ich weiß, worauf du hinaus willst. Dennoch..." Er hielt einen Moment Inne. ,,Manitu, wenn du doch Recht hast?"

,,Dann wärst du auf jeden Fall nicht der beste Vater."

,,Ich habe mich wohl verhört?", sagte Sanfte Feder entsetzt. ,,Schlimm genug, dass du mir diesen Gedanken in den Kopf gesetzt hast."

,,Frag sie, ob es stimmt", meinte Schneller Falke.

,,Ich kann doch schlecht zu ihr gehen und sagen, Schneller Falke ist der Ansicht, dass du ein Kind erwartest, seitdem er auf dich draufgefallen ist", präsentierte er das Szenario. ,,Das klingt wohl sehr albern."

,,Naja, ich brauche keine Antwort auf die Frage, ob ich Vater werde."

Valkans Miene wurde wieder ernster. ,,Das werde ich schon herausfinden."

Vor dem Tipi lief er direkt in Ekatoa hinein.

,,Häuptling, passt doch auf, wo Ihr hintretet. Ihr wollt doch Schneller Falke keine Konkurrenz machen, oder?"

,,Unsinn. Ich hab es eilig..."

,,Oh entschuldige", antwortete Ekatoa grinsend.

 

 

Das Mondlicht glitzerte auf dem weißen Schnee, als Valkan den Weg zurück in das Schloss antrat. Er konnte sich nur halb vorstellen wie seine Zukunft aussehen würde, wenn er Vater werden würde. Aus diesem Grund brauchte er sofort Gewissenheit.

,,Lydia, wir müssen dringend sprechen."

,,Du klingst wie Vasilias, wenn ich das mal anmerken dürfte?", erwiderte die Königin.

,,Ich bin nicht Vasilias." Er zog sie mit sich bis rauf in ihr Gemach. Dort versicherte sich Sanfte Feder, dass sie niemand belauschte.

,,Mach mir keine Angst, Valkan", setzte Lydia an.

Er trat auf die Königin zu und sah sie eindringlich an. ,,Ich möchte dir keine Angst machen. Nur eine Antwort brauche ich von dir. Bitte sei ehrlich mit mir...Erwartest du ein Kind?"

Fassungslos starrte Lydia den Indianer vor sich an. ,,Woher..."

,,Schneller Falke hatte also wirklich Recht", murmelte er.

,,Ich wusste es doch, dass er nichts Gutes bedeutet." Nachdenklich wandte sie sich ab.

,,Du wolltest es mir also nicht sagen?"

,,Doch...Momentan hast du aber genug andere Sachen um die Ohren. Der Stamm und deine Heimreise nach Leydra beispielsweise." Lydia senkte den Kopf.

,,Du hättest es mir wegen dem Stamm nicht gesagt? Lydia! Das ist unser Kind und das bedeutet gemeinsame Verantwortung." Eine Minute lang sagte keiner der beiden etwas.

,,Ich wusste nicht, dass du so denkst", antwortete Lydia. ,,Das würde alles nur Probleme für die Layandra bedeuten und ich möchte euch das nicht antun."

,,Wenn ich Vater werde verlassen wir Nokard auf keinen Fall. Ich zumindest nicht."

Das ist es, was sie die ganze Zeit über gehofft hatte. ,,Danke."

,,Ging es dir auch deswegen nicht gut in den letzten Stunden?"

Lydia nickte zustimmend. ,,Leider...Ich vertraue Ruhige Seele und Panna jedoch, dass bald alles wieder besser wird."

,,Warum bin ich da nur nicht drauf gekommen?", ärgerte er sich.

,,Weil du es nicht wissen konntest, ich habe es dir nicht gesagt."

,,Ich könnte mir aber keine wundervollere Frau an meiner Seite vorstellen, mit der ich eine Familie gründen werde", ergänzte sich Valkan lächelnd.

,,Ich mir auch keinen besseren Mann." Lydia fielen etliche Steine vom Herzen, als der Indianer sie in seine Arme schloss.

,,Du bist also nicht sauer?"

,,Das ist Zeitverschwendung. Wir haben viel zu wenig Zeit im Leben und die sollten wir nicht wegen solcher Situationen mit Wut vergeuden. Die schöne Zeit ist dann viel zu kurz."

,,Layandra denken wirklich klug und weise", stellte Lydia lächelnd fest.

,,Wir geben unser Bestes. Die Landkarte in der Bibliothek werden wir auch finden und eines Tages sitzen wir mit unserem Kind im Schlossgarten, umkreist von fröhlichen Bewohnern und müssen uns keine Sorgen mehr machen."

,,Wie schaffst du es immer so positiv zu denken?"

,,Ich mache es einfach", antwortete er.

44. Eigener Wille

 Am folgenden Morgen fanden sich Vasilias, Anemro, Ekatoa, Valkan und Lydia im Thronsaal zusammen. Tiefe Wolken hingen am Horizont und warfen trübes Licht durch die zersprungenen Glasscheiben. Die Stimmung im Thronsaal war angespannt. Alle brannten darauf zu wissen, welchen Plan Lydia im Kopf hatte, um Imigri vom Hof zu vertreiben.

Die Königin erhob sich, faltete die Hände und erklärte ihr Vorhaben: ,,Ich habe mir folgendes überlegt. Wir werden nach Isarek einmarschieren und dort Imigris Leute unter unsere Fittiche nehmen. Kurz gefasst, wir greifen Isarek an."

,,Macht Ihr Scherze?"

,,Sehe ich aus, als ob ich dazu in der Lage wäre, Vasilias?", erwiderte sie ernst.

,,Nehmen wir einfach an, dass wir Euren Plan durchführen. Wie sollen wir nach Isarek gelangen? Das ist keines unserer direkten Nachbarland und zwei Länder von Nokard entfernt."

,,Ich hoffte, dass Ihr ein Schiff bei Euch habt?"

,,Verzeihung, aber mein Dorf ist mit Pferden gekommen. Denen könnte ich in einer solchen Hungersnotlage jedoch keine Reise von dieser Länge zumuten."

,,Mehr Lebensmittel sollten zuallererst beschafft werden. Wir schicken dazu einige Eurer Leute los, Vasilias. Diesen Weg dürften die Pferde wohl schaffen."

,,Ja, das dürften sie." Vasilias wandte sich an seinen Berater. ,,Anemro, sei so gut und sag Tadyn Bescheid, dass er sich mit vier Leuten zusammentun soll und nach Logarda aufbrechen soll."

,,Von dort aus kann er auch in Leydra vorbeischauen", merkte Valkan an.

,,Danke. Werde ich machen, Majestät", antwortete Anemro und verschwand.

,,Dann bleibt uns keine andere Möglichkeit. Die Drachen sind das einzige Transportmittel, welches uns jetzt noch helfen kann."

,,Lydia! Ihr seid doch nicht bei Verstand...", setzte Vasilias entsetzt an.

,,Natürlich bin ich bei Verstand, was denkt Ihr denn?"

,,Dass Ihr schwanger seid und daher nicht auf den Rücken eines Monsters gehört", entgegnete er prompt.

,,Drachen sind keine Monster. Sie haben uns geholfen, falls ich Euch daran erinnern dürfte? Außerdem gehören sie, wie Ihr selbst sagtet zur Königsfamilie Fuego und ganz besonders zu allen aus Nokard. Es dürfte kein Problem für uns sein auf ihnen zu fliegen", sagte die Königin fest entschlossen diese Idee in die Tat umzusetzen.

,,Bei allem Respekt, ich kann diesen Vorschlag nicht für gut heißen. Ich selbst bin nicht von hier und habe daher hohes Risiko von den Drachen zu Staub verarbeitet zu werden. Erinnert Ihr Euch an den Blick des Wasserdrachen im Noskindy Tal?" Er fröstelte. ,,Brr...Wir werden einen anderen Weg finden müssen uns den zweiten Asimi aus Nokard zu vertreiben."

,,Es gibt keinen anderen Weg. Wie oft haben unsere Ritter versucht ihn zu töten? Richtig, viel zu oft. Jetzt greifen wir Isarek an und locken ihn aus dem Land. Dann locken wir ihn in einen Hinterhalt und schaffen ihn uns vom Hals." Vor Lydias Augen schien sich der ganze Plan abzuspielen.

,,Großer Plan, kleine Chance", warf Vasilias ein.

,,Ich bekomme das auch ohne Euch hin." Lydia hob eine Augenbraue und sah den König an.

,,Davon gehe ich nicht aus. Ihr seid ohne uns und die Layandra schon nicht zurecht gekommen. Wie dann alleine bei einem Überfall auf Isarek?!"

,,Lasst das meine Sorge sein. Die Dinge haben sich geändert, Vasilias."

,,Wenn ich jetzt auch mal etwas dazu sagen dürfte", begann Valkan, ,,die Layandra unterstützen theoretisch die Idee von Lydia. Praktisch werden wir nicht auf den Drachen fliegen können. Wir müssten warten bis Tadyn und die anderen mit Lebensmitteln zurück sind. Dann können wir aufbrechen."

,,Oder wir reiten direkt mit, besorgen uns Nahrung in Logarda und reiten von dort aus nach Isarek. Dann würde sich die Gruppe teilen.", schlug Ekatoa vor.

,,Die Idee finde ich gar nicht schlecht", antwortete Lydia zufrieden und wandte sich erneut an den König. ,,Was haltet Ihr davon?"

,,Darüber lässt sich reden." Vasilias kratzte sich am Kopf. ,,Was aber nicht bedeutet, dass ich auf jeden Fall überzeugt von dieser Idee bin."

,,Schon gut, Vasilias. Wir haben inzwischen alle begriffen welch ein Dickkopf Ihr seid. Ist in Ordnung, hier herrscht Meinungsfreiheit."

,,Ich dachte Sie herrschen...Kleiner Scherz", schmunzelte der König.

,,Sehr witzig. Also dann, brechen wir noch heute Abend auf. Je weniger Zeit wir verlieren, desto besser ist es."

,,Im Ernst, Ihr werdet nicht genug Leute haben, die angreifen können. Außerdem wisst Ihr nicht wie viele Dorfbewohner Isarek noch hat und wie gefährlich die sind. Ihr habt ihren König getötet, falls sie ihn hoch ansahen..."

,,Das sind nur Menschen, die keinen König mehr haben...Götter Ihr könntet Recht haben. Dennoch gehe ich das Risiko ein. Anders haben wir niemals mehr Ruhe."

 

 

,,Ser Chrysos, mit Ihnen muss ich dringend sprechen."

,,Sehrwohl, Majestät."

,,Wir verfolgen den Plan Isarek anzugreifen. Dazu brauche ich alle Ritter meiner Garde. Könntet Ihr den anderen Bescheid geben?"

,,Majestät, das klingt nach einem sehr riskanten Plan", platzte es aus dem Ritter.

,,Ich weiß. Einen Versuch müssen wir trotzdem wagen. Heute Abend geht es los. Ich zähle auf Euch." Sie wandte sich ab und ging kämpferisch guckend die Steintreppen zu ihrem Gemach hinauf.

 

 

Vasilias tat sich bei einem mickrigen Brot mit seinem Berater zusammen, um seinen eigentlichen Plan zu besprechen. ,,Wir benötigen Hilfe aus anderen Königreichen."

,,Welche würden da noch in Frage kommen? Viele Länder haben keine Könige mehr, da Asimi sie getötet hat."

,,Alle hat er nicht getötet. Wenn wir mit jemand bestimmtes Kontakt aufnehmen könnten, hätten wir eine größere Gruppe von Angreifern. Lydia versteht das nicht. Für sie sind Nokard, Logarda und Leydra die einzigen Länder, die zählen."

,,Vielleicht weiß sie nicht, dass es noch lebende Könige gibt...Würde mich nicht wundern, wenn hier keine Adler mehr ein uns aus fliegen. Haben Sie ihr diese Idee schon erzählt?"

,,Nein, ich komme nicht dazu. Wie kann ich jemanden wie Lydia davon abhalten ein feindliches Land anzugreifen, wenn sie sogar bereit ist schwanger auf einen Drachen zu steigen?"

,,Das erschwert die ganze Sache natürlich. Lasst sie gehen und kümmert Euch schnellstmöglich darum, dass wir Hilfe bekommen."

,,Ohne Adler bekomme ich keine Briefe weggeschickt", stellte Vasilias sicher.

,,Es müssen ja nicht unbedingt Adler sein, oder?" Anemro machte ein vielsagendes Gesicht.

,,Was denkst du gerade?"

Sein Berater trat näher an das Fenster, legte eine Hand auf die Fensterbank und nickte nach Draußen.

,,Nicht du auch noch...", seufzte der König.

 

 

Lydia hatte sich nach der halbwegs erfolgreichen Unterhaltung mit Vasilias, Valkan und Ekatoa auf den Weg zur Bibliothek des Schlosses gemacht. Dort setzte sie nun all ihre Hoffnung hinein. Zufällig traf die Königin auf Zoeras Vater, der ebenfalls nach den Landkarten suchte.

,,Wir haben die Landkarten noch nicht gefunden, Hoheit", sagte David enttäuscht.

,,Mist. Die brauchen wir, sonst können wir nicht los." Sie atmete tief durch. ,,Also dann suche ich die anderen und sage, dass wir nicht los können."

,,Wo sollen wir noch suchen? Die Suche kostet uns Tage."

,,Die Landkarten müssen dort sein. Hätte ich noch mehr Arbeiter, die sich dort auskennen würden, würden sie euch helfen. So läuft nicht alles nach Plan..."

,,Wir geben unser Bestes", versicherte David und kehrte zurück in die Bibliothek.

,,Daran zweifel ich nicht." Lydia spielte mit dem Gedanken den anderen Bescheid zu sagen, dass sie nichts von Isarek wissen können und deswegen warten sollten. Andererseits konnten sie ohne Lebensmittel nicht länger warten. Sie mussten heute Abend noch das Schloss verlassen und wenn sie alleine auf den Wasserdrachen steigen sollte.

 

 

Zur Dämmerung versammelten sich alle gewünschten Personen für die Reise am Eingangsportal. Lydia war über den nähernden Aufbruch ziemlich froh.

Wieder lag es an dem König ihr Vorhaben zu unterbrechen. ,,Wir werden nicht aufbrechen. Habt Ihr die Landkarten?", fragte Vasilias triumphierend. Er wusste genau wie die Antwort lautete.

,,Länger warten dürfen wir uns nicht erlauben!", widersprach sie.

,,Seht Euch die Ritter und Indianer um Euch an. Sie werden Ihnen nicht folgen, solange Ihr keine Landkarten habt. Die sind nicht lebensmüde."

,,Vasilias, auf wessen Seite steht Ihr eigentlich?"

,,Auf der Seite der Lebenden, Lydia."

Für diese Antwort hätte sie dem König am liebsten eine verpasst. Ihre Haarbürste würde sich exzellent dafür eignen.

,,Es bringt doch nichts sich zu streiten", bremste Ekatoa die beiden. ,,Das Könige immer so uneinig sein müssen."

,,Was schlagt Ihr vor zu tun?"

,,Einen Tag warten wir noch, falls wir dann nichts finden, reiten wir", antwortete Valkan.

,,Dann können wir genauso gut heute reiten", warf Lydia empört ein. ,,Die Zeit ist gegen uns."

,,Tut mir leid...Es ist einen Versuch wert."

Die Umstehenden strömten in verschiedene Richtungen davon.

Die Königin musste sich geschlagen geben und sofort handeln. Unauffällig entfernte sie sich von der Gruppe der Indianer und Ritter. Gewappnet mit einem Umhang in dunkelblau und ein wenig Essen in ihrer Tasche, schlich sich Lydia raus zum Fuße des Hügels und suchte den Wasserdrachen in der Dunkelheit. Niemand würde sie davon abhalten ihr Reich zu retten. Selbst ihre eigenen Leute nicht.

45. Logarda

  Der Wasserdrache breitete die Flügel aus, setzte zum Flug an, nahm Anlauf und hob ab. Lydia schwirrte der Gedanke im Hinterkopf, dass es nicht die beste Idee war ohne Landkarte zu fliegen. Vielleicht kamen die anderen ihr hinterher und dann würden sich all ihre Sorgen in Luft auflösen. Immer in Richtung Norden ging ihr Flug, denn dort lag ihr erster Halt, Logarda.

 

 

Lydias neuer Berater, Ser Chrysos, trat in voller Größe vor den König, welcher sich mit seinem Berater unterhielt. ,,Was gibt, es Chrysos?"

,,Für Euch immer noch Ser, Hoheit. Die Königin ist weg."

,,Sie kann sich doch wohl nicht schon wieder aus dem Staub gemacht haben", murrte Vasilias.

,,Wir sollten den Hügel absuchen, falls sie dort wieder sein sollte", schlug Chrysos vor.

Der König winkte ab. ,,Ich habe irgendwie das Gefühl, dass Lydia diesmal eine ganz unüberdachte Aktion gestartet hat." Er deutete den Umstehenden an ihm zu folgen. ,,Wäre doch gelacht..."

,,Was habt Ihr vor, Hoheit", fragte Anemro unsicher.

,,Nur eben etwas nachsehen. Dauert nicht lange."

 

 

An der Stelle, wo bis vor Kurzem die Hütten der Dorfbewohner gestanden hatten, blieben sie stehen. ,,Schreit, wenn ihr den Wasserdrachen irgendwo seht."

Anemro nahm die Worte seiner Königs wörtlich und begann zu schreien.

Vasilias zuckte erschrocken zusammen. ,,Anemro! Habt Ihr den Verstand verloren, mir in die Ohren zu brüllen?!"

,,Verzeihung Majestät. Ihr sagtet doch man soll schreien."

,,Das war doch nicht ernst gemeint...Hat sich mein zerstörtes Trommelfell wenigstens gelohnt oder hast du dir den Drachen nur eingebildet?"

Als Antwort deutete der Berater in den Himmel. Dort drehte in eleganten Zügen ein Wasserdrache seine Runden.

Vasilias atmete erleichtert aus. ,,Also ist die Königin...Was zum...", unterbrach er sich selbst.

Ein Wasserdrache nach dem anderen erschien am Horizont. ,,Der Frühling ist da..."

,,Das bedeutet es gibt viele Wasserdrachen für einige Tage. Was für ein schönes Schauspiel der Natur", schwärmte Anemro.

,,Nein! Das bedeutet, meine Frage, ob sich Lydia einen Wasserdrachen geschnappt hat, kann ich jetzt nicht mehr ausschließen", sagte Vasilias ratlos.

,,Oh, das wolltet Ihr also nachsehen." Anemro stand verzweifelt daneben.

,,Unsere Königin würde uns doch nicht alleine lassen", meldete sich zum ersten Mal Kipivo zu Wort.

,,Das sagt Ihr. Sie würde das nur tun, um euch zu retten", antwortete Vasilias wissend. ,,Gestern Abend wollte Lydia bereits vorschlagen mit den Drachen zu fliegen. Ich habe ihr jedoch vorgeschlagen zu warten bis wir die Landkarten haben. Nie hört sie auf mich."

,,Ihr seid auch nicht ihr Vater." Kipivo warf dem König einen skeptischen Blick zu.

,,Trotzdem, ich kenne ihre Familie schon so lange, da darf ich mir doch wohl noch Sorgen machen." Er trat von Lydias Garde und seinem Berater weg. ,,Wenn sie seit gestern Nacht unterwegs sein sollte, können wir sie nicht so schnell einholen..."

,,Wir sollten den Indianern Bescheid sagen."

,,Wir müssen sie in Logarda abfangen, bevor Lydia nach Isarek weiterfliegt. Ich reite vor, andernfalls verlieren wir noch mehr Zeit."

,,Was ist mit den Karten?", hakte Anemro nach.

,,Für die haben wir jetzt keine Zeit mehr. Sobald wir die Königin gestoppt haben teilen wir ihr unseren Plan mit. Sie wird merken, dass es ohne Verstärkung nicht funktionieren wird. Leider muss sie erst die Erfahrung machen, wenn die Hoheit nicht hören will..."

Ser Chrysos setzte den Helm wieder auf, den er die ganze Zeit über unter dem linken Arm trug und rief Ilportis und Kipivo zu sich. ,,Wir werden den Indianern bescheid geben. Ihr reitet mit Anemro Richtung Logarda. Den Weg kennt Ihr ja bestens."
,,Sehr richtig."

,,Dann los!"

 

 

Lydia wachte durch einen Sonnenstrahl auf, der ihr direkt in das Gesicht schien. Langsam wurde die Umgebung wieder deutlich um sie herum. Es war hell geworden und sie noch immer in der Luft. Die Königin lehnte sich ein wenig nach rechts, damit sie am Rücken des Wasserdrachen vorbeisehen konnte. Die Landschaft unter ihr wirkte nicht mehr wie die von Nokard. Die Berge waren kleiner, die ersten Häuser einer Stadt von orangenen Dächern überdacht und die Bäume keine Tannen mehr. Auch hier lag noch etwas Schnee. Die Königin erinnerte sich dunkel an das Aussehen des Schlosses von Logarda. Niemals hätte sie damit gerechnet so schnell mit einem Drachen von einem Land zum anderen zu gelangen. In der Ferne sah sie ein bekanntes Gebäude. Es hatte ebenfalls orangene Dächer, weiße Mauern und weitere viereckige Türme mit eingebauten Fenstern. Es war das Schloss der Familie Aetoc, zu der Vasilias gehörte. Dies sah wahrlich aus, wie ein Schloss, in dem jemand regierte. Deutlich kleiner, als das von Nokard, doch es strahlte eine Stärke aus, die Lydia überwältigend fand. Auf dem obersten Turm erkannte sie eine Flagge wehen. Darauf abgebildet war ein Vogel in verschiedenen grünen Farben. Die Flagge sah ziemlich heruntergekommen aus, doch Lydia konnte sie noch erkennen. Sie konnte auch die Felder in der Nähe des Schlosses sehen, welches von kargen Bäumen umringt war. Nun hatte sie es bis hierher geschafft ohne vom Drachen zu fallen.

 

 

Ser Chrysos, Kipivo und Ilportis trafen bei den Tipis ein, als es beinahe Mittag war.

,,Valkan, Eure Königin ist erneut geflüchtet. Sie hat sich alleine auf den Weg nach Isarek gemacht, fürchten wir."

,,Wie bitte?! Das glaube ich nicht..."

,,Was ist hier los?", fragte Ekatoa erstaunt, als er zu den Rittern und seinem Häuptling trat.

,,Lydia ist alleine nach Isarek aufgebrochen", berichtete Sanfte Feder.

,,Na großartig! Ich hab dir gesagt, dass die Frau nicht bei Verstand ist."

,,Hast du nicht", widersprach Valkan. ,,Außerdem müssen wir ihr sofort hinterher!"

,,Vasilias und Anemro folgen ihr bereits. Wir wollten Euch informieren und dann gemeinsam mit Ihnen aufbrechen."

Beim Namen Anemro stieg eine Unruhe in Valkan auf. ,,Es gibt nichts mehr abzuwarten. Wir trommeln die Krieger zusammen und sind in einer Viertelstunde bei euch."

 

 

Die Königin lenkte den Wasserdrachen in Richtung Boden, damit er landete.

Fester Boden unter den Füßen war ihr nach diesem mehrstündigen Flug sofort willkommen. Sie ging auf das Schlosstor zu und rüttelte daran. Sie hatte vollkommen vergessen sich von Vasilias einen Schlüssel zu besorgen. Um etwas zu Essen zu bekommen, musste Lydia jedoch in den Vorratskeller und der lag, wie gewohnt, im Inneren des Schlosses. Nachdenklich suchte sie weiter das Umfeld des Gebäudes ab, fand jedoch keinen geheimen Eingang. ,,Götter, wieso kann diese Tür nicht einfach aufgehen?!", fluchte sie und rüttelte erneut an dem Eisenring.

Der Drache bemerkte, dass die Königin Probleme hatte die Tür zu öffnen, wandte sich auf dem schmalen Steinweg um und ließ seinen Schweif dagegen knallen.

Lydia konnte gerade noch ausweichen, ansonsten hätte der Wasserdrache sie den Abhang hinuntergeschleudert.

Die Aktion des Drachen sollte nicht ohne Erfolg geblieben sein. Die Birkentür sprang in mehrere kleine Holzteile und landete verstreut auf der Erde. Staub wurde aufgewirbelt.

Die Königin wedelte mit einer Hand den Staub aus ihrem Gesicht, dann erkannte sie erste Umrisse des Eingangs. Der Weg ins das Schloss war frei. ,,Danke." Lydia wartete keine Sekunde mehr ab, sondern lief direkt hinein. Wie es Vasilias ähnlich sah, standen im Eingangsbereich überall Ritterrüstungen und Tücher hingen von der Decke. Diese verdeckten halb die silbernen Kronleuchter über ihr. Sie lief ein wenig schneller, um die Treppen hinab zu finden. Als sie als Kind hier war, spielte sie oft mit Vasilias im Eingangsbereich. Einen Erinnerungsfetzen besaß die Königin noch und diese eine Stelle musste sie wiederfinden, um zu den Treppen zu gelangen.

 

 

In der Bibliothek des Schlosses von Nokard wurde noch immer fleißig nach den Landkarten gesucht. Amarla und Cheryl suchten den linken Bereich der Regale ab, Nacar und David den rechten. Einige hatten die Suche bereits gestern eingestellt und waren nicht mehr dazu bereit weiter nach Karten zu suchen, die es vielleicht nicht in diesem Schloss gab.

,,Ich weiß nicht, wo wir noch suchen sollen. Ehrlich gesagt verlässt mich die Motivation komplett."

,,Ich sollte bei meiner Tochter Zoera sein...Sie wirkt so unglücklich, seitdem Kandra gestorben ist. Ich nehme es ihr nicht übel. Die beiden waren gute Freunde. Dennoch macht es mich traurig sie so unglücklich zu sehen", sagte Amarla bedrückt.

,,Amarla!"

Davids Ehefrau wandte sich zu ihm um.

Der blondhaarige Mann warf drei Pergamente auf den Tisch, rollte eines davon hastig außeinander und jubelte. ,,Wir haben sie!"

46. Unzertrennlich

 ,,Du bist der Beste!", rief Amarla begeistert. ,,Das müssen wir sofort der Königin erzählen, damit sie endlich nach Logarda aufbrechen kann."

Gemeinsam eilten die restlichen Sucher durch das Schloss, stürmten die Treppenstufen hinab und wichen anderen Dorfbewohnern aus.

,,Passt doch auf!"

,,Tut uns leid, Omahlan! Wir müssen schnell zur Königin!"

,,Notfall!", ergänzte Cheryl ihre Freundin.

,,Wo fangen wir nur an zu suchen?"

,,Vorsicht!", rief David.

Alle vier rannten nacheinander in eine Indianerin.

Choca Bow, der mit einem Holzpferd spielte, kicherte über den Anblick.

,,Man lacht nicht, wenn jemanden wehgetan wird, Choca", mahnte sein Vater streng. Er trat vor, um der Indianerin aufzuhelfen.

,,Danke, Auge des Adlers. Sei nicht so streng mit ihm. In dem Alter war ich wohl nicht viel anders als dein Sohn." Sie sah zu den vier Dorfbewohnern von Nokard. ,,Ihr habt es eiliger, als unsere Pferde. Darf man fragen was euch so schnell rennen lässt?"

,,Sicher. Wir haben die Landkarten gefunden, die wir seit Tagen suchen", verkündete David stolz.

,,Ein Glück!", entgegnete Auge des Adlers.

,,Nein, ein Pech! Eben habe ich Ekatoa und Sanfte Feder mit einigen Rittern zu den Pferden gehen sehen. Ich befürchte, dass sie vorhaben abzureisen."

Davids Lächeln verschwand. ,,Ohne die Karten?!"

Cherokee nickte. ,,Sie haben sich mit einigen Kriegern auf den Weg gemacht."

,,So ein Mist..."

,,Nicht vor dem Kind", mahnte Amarla.

,,Wozu haben wir die Karten so lange gesucht?" Zornig warf der blondhaarige Mann die Pergamentrollen zu Boden.

,,Die waren zu ungeduldig, fürchte ich. Ich konnte sie auch gar nicht aufhalten...Habe ich auch nicht versucht."

,,Sie brauchen sich da keine Vorwürfe machen, Cherokee. Unsere Königin und euer Häuptling sind es selbst Schuld, wenn sie ohne Karte reisen."

,,Was machen wir denn jetzt?", fragte Amarla besorgt.

,,Das, was wir in den letzten Tagen. Wegen einer Suche für Nichts vernachlässigt haben. Uns um Zoera kümmern." Er hakte sich bei seiner Frau unter und zog sie mit sich zurück nach oben.

 

 

Lydia folgte einem halbrunden Gang entlang und traf schließlich auf das Treppenhaus, welches sie suchte. Hastig stieg sie die Stufen hinab in die Tiefe. Der Vorratskeller bei ihr befand sich, wenn auch leer, auf der rechten Seite des Schlosses. Die Königin versuchte ihr Glück und fand eine weitere Tür, die nur angelehnt war. Sie gab den Weg in einen großen Raum voller Regale, Flechtkörbe und Eimer mit Speisen frei. Einige davon packte sich die Königin in einen Stoffbeutel und war zuversichtlich, dass diese Mengen auch für die Dorfbewohner reichen würden.

Mit neuem Proviant kletterte sie zurück auf den Rücken des Drachen. Kaum saß Lydia auf dessen Rücken, breitete er die Flügel aus, lief bis zum Rand des Abhangs und sprang dort ab. Ein kleines Stück gleiteten sie durch die Lüfte, dann schlug der Wasserdrache die schimmernden Flügel. Ihr nächster Halt würde Isarek sein. Die Königin nahm sich vor das Land zu fluten, da sie alleine keine Angriffschancen hatte. Hoffentlich würden dort keine Leute mehr wohnen.

 

 

,,Wie weit ist es noch bis nach Logarda?", fragte Anemro.

,,Wir haben noch einiges vor uns. Ich dachte du kennst die Strecke."

,,Ja, Hoheit. Dennoch habe ich sie kürzer in Erinnerung."

,,Willst du damit sagen, dass ich mich verirre?" Vasilias setzte einen skeptischen Gesichtsausdruck auf.

Sein Berater hob entschuldigend die Hände, hielt dabei die Zügel aber fest. ,,Auf keinen Fall."

,,Das will ich auch hoffen. Wir sind auf jeden Fall richtig. Auch der Schnee verbirgt mir nicht den Weg in mein Heimatland." Erhobenen Hauptes, ritt er weiter vor Anemro her.

,,Hoheit, habt Ihr das eben auch gehört?!"

,,Den Klang deiner ängstlichen Stimme, die wie ein Mädchen klingt, wenn sie schreit?", fragte der König lachend.

Anemro zog an den Zügeln und hielt sein Pferd an. ,,Nein."

,,Macht mir keine Angst. Das ist ein waldiges Gebiet, da kommen Geräusche vor."

Plötzlich sprang aus dem Nichts ein Wolf hervor. Alles was die beiden erkennen konnten, war sein hellbraunes Fell und die funkelnden Augen. Die Pferde bäumten sich auf und warfen ihre Reiter beinahe aus den Satteln.

,,Was war das denn?!" Vasilias hatte Mühe sein Pferd wieder ruhig zu bekommen.

,,Das sah aus, wie ein Wolf...Achtung, er kommt wieder!", schrie Anemro.

Gerne hätte Vasilias gelacht, da Anemro wieder schrie wie ein Mädchen. Momentan hatte er dafür aber keinen Nerv übrig. Das Tier jagte auf sie zu.

,,Hü!", trieb er sein Pferd an.

Die beiden Pferde flogen beinahe über den Schnee, so schnell galoppierten sie.

Der Wolf war ihnen noch immer auf den Fersen.

,,Lange werden die Pferde ihr Tempo nicht beibehalten können, Hoheit!"

,,Ich weiß! Wir müssen in zwei Richtungen reiten!"

,,Ich links, Ihr rechts!", rief Anemro dem König zu.

Vor einem abzweigenden Weg, trennten sich ihre Wege, um das Tier abzuschütteln. Es verfolgte Vasilias, egal wie viele Kurven er ritt.

 

 

Nie hatte Lydia so viel Naturschauspiel aufeinmal gesehen. Die verschiedensten Wälder, Städte und Täler von Logarda, welche in der Abenddämmerung bereits in die von einem ihr unbekannten Land übergingen. Weit konnte sie nicht mehr von Isarek entfernt sein, es war schließlich das Nachbarland von Logarda. Der Wasserdrache schien gar nicht müde zu sein. Er flog so schnell, dass Lydia es beinahe bereute ohne die anderen geflogen zu sein. In der Geschwindigkeit hätten sie es ohne Probleme ohne Pause bis nach Isarek geschafft. Jedoch war die Königin nicht sicher, ob das unter ihr wirklich Isarek war, oder ob der Drache eine andere Flugrichtung wählte. Dann würden sie in das andere Land fliegen, welches ebenfalls an Logarda grenzte.

 

 

,,Runter, Majestät!"

Der König duckte sich. Ein Stein flog über seinen Kopf hinweg. ,,Anemro!"

,,Mist, knapp verfehlt!"

Wieder gemeinsam flohen sie vor dem Wolf.

,,Der ist aber auch hartnäckig. Werden wir das Vieh jetzt bis nach Logarda im Nacken haben?"

Vasilias drehte den Kopf so weit er konnte zur Seite. Aus dem Augenwinkel erkannte er das sich schnell bewegende Fell des Wolfes.

,,Der ist schnell!", rief Anemro.

,,Was Ihr nicht sagt."

,,Will der irgendetwas von Euch?"

,,Das ist die Frage! Finden wir es heraus!" Vasilias stoppte sein Pferd.

Prompt blieb auch der Wolf stehen.

Der König schwang sich von dem Rücken seines Pferdes und sah das Tier eindringlich an.

,,Passt auf, Hoheit. Ich möchte nicht Schuld sein, dass Ihr gefressen werdet."

,,Werde ich schon nicht. Irgendwie habe ich das Gefühl, er wird mir gar nichts tun." Vasilias kniete sich in den Schnee.

Der Wolf tappte auf ihn zu, nahm vor ihm Platz und sah ihm in die Augen.

Dem König stiegen die Tränen in die Augen. ,,Große Güte! Kalos du lebst?!"

,,Ihr Wolfshund?" Anemro blickte erstaunt auf den Wolf.

,,Ich dachte immer, mein Vater hätte ihn getötet..."

,,Scheint nicht so zu sein...Es sei denn, das ist nicht Kalos."

,,Doch das ist er. Ich habe ihm dieses Halsband gemacht", er griff in seinen Umhang und zog ein grünliches Band hervor.

Der Wolfshund sprang in die Luft.

,,Das machte er immer, wenn ich ihm das Band vor die Nase hielt", sagte Vasilias freudig.

,,Wo war er all die Jahre?"

,,Das kann er uns wohl nicht sagen. Mit ihm an unserer Seite, haben wir jedoch bessere Verteidigungschancen, als ohne ihn." Der König setzte sich wieder auf sein Pferd. ,,Na los, es geht weiter."

,,Sie beide sind wirklich noch nach Jahren unzertrennlich", murmelte Anemro und folgte dann seinem König.

47. Familie Skilyra

Auch Valkan, seine Krieger und Lydias Garde waren auf dem Weg nach Logarda. Sie hingen viele Meilen hinter Vasilias und Anemro und kannten sich überhaupt nicht aus. Kipivo meinte, sie sollten sich auf ihren Instinkt verlassen und immer geradeaus reiten. Manchmal wurde es eher rechts, wenn die Wege einen Knick machten.

Ser Chrysos deutete kurz vor der Verzweiflung auf den Boden unter ihnen. ,,Seht mal, Fußspuren! Götter, zum Glück hat es noch nicht geschneit!"

,,Noch nicht? Wenn der Frühling da ist, schneit es doch gar nicht mehr", warf Ilportis ein.

,,Unterschätze niemals das Wetter. Die Fußspuren hier müssten von Anemro und Vasilias sein. Folgen wir ihnen haben wir gute Chacen uns nicht zu verirren."

,,Na prima. Genau das bringt uns etwas, wenn es dunkel wird." Valkan blickte in den Himmel hinauf.

,,Wären wir doch besser nicht geritten..."

,,Was ist denn das für eine Einstellung, Kipivo? So kenne ich dich gar nicht."

Kipivo wandte den Blick von Chrysos.

,,Liegt dir etwas auf dem Herzen?"

,,Nun, wenn wir uns verirren, verhungern und sterben wir. Ich finde das nicht gerade eine gelungene Alternative dem Warten gegenüber."

,,Vielleicht haben die Bleichgesichter die Landkarten noch nicht gefunden. Verhungert wären wir auch in Nokard", warf Valkan ein. Für ihn zählte nur das Eine, Lydia aufhalten, bevor sie einen großen Fehler begehen würde.

,,Unterschätzt mal die Dorfbewohner nicht."

,,Sie haben seit Tagen nichts gefunden, warum gerade jetzt?"

,,Keine Ahnung...Zumindest ist es nicht meine Frau, die auf einem Drachen über die Länder fliegt."

Valkan warf Kipivo einen finsteren Blick zu.

,,Steitet euch doch nicht, wie Kinder. Aus dem Alter seid ihr raus", ging Chrysos dazwischen.

Der Horizont verdunkelte sich einen Augenblick. Die Herde der Wasserdrachen flog rasendschnell über die Reiter hinweg.

,,Wow."

,,Wann sind sie denn losgeflogen, dass die uns schon eingeholt haben?" Ilportis staunte nicht schlecht über die Drachen. ,,Und wie schnell die sind."

,,Lydia muss einen riesigen Vorsprung haben, wenn sie auf so einem fliegt."

,,Recht habt Ihr, Chrysos", sagte Valkan ernst. ,,Daher sollten wir schnellstmöglich weiter. Am besten folgen wir den Drachen."

,,Einen Versuch ist es wert", stimmte Ser Chrysos zu.

 

 

Das Schloss, welches nun unter ihr lag, passte eindeutig zu Asimi und dessen Familie. Es war groß, besaß runde Türme mit flachen Wände dazwischen und wirkte mit den unzähligen Fenstern einzigartig. Nicht im positiven Sinne jedoch. Genau so würde jeder die Leute beschreiben, die darin wohnten. Die Flagge der Familie Skilyra, ein Schwert mit einer kleinen roten Sonne auf schwarz-grauem Untergrung, flatterte an mehreren Turmspitzen. Vor dem Schlosstor stand eine hohe, silberne Statue, die ein Abbild von König Wylland darstellte. Wäre sie schon früher hier gewesen, hätte sie Vasilias für den Familienstand zu Asimi nicht gebraucht. Das helle Schloss lag sehr nahe an einem breiten Fluss, dessen Name die Königin nicht kannte. Das Wasser wirkte ruhig im Mondlicht. Ein einziges Schiff schwamm auf der Wasseroberfläche, ansonsten wirkte alles einsam und verlassen.

Lydia wartete ab, bis sie das Schloss ein wenig hinter sich gelassen hatten. Hier musste es doch ein Dorf geben. In der Dunkelheit war es schwer etwas zu sehen, allerdings wirkten die Umrisse nicht wie Bäume. Nein, das mussten Häuser sein. Diese befanden sich eine ganze Strecke von dem Gebäude entfernt. Hätte sie sich denken können, dass die Skilyras so weit wie möglich von ihren Dorfleuten weg sein wollten, um sich als etwas Besseres darzustellen. Die Königin verdrehte die Augen. Solche Könige konnte auch sie nicht leiden. Im Sturzflug, sank der Wasserdrache zu den Häusern hinab. In keinem brannte Licht. Lydia rutschte von dem Drachen und schlich vorsichtig zu einem der Häuser. Sie legte ein Ohr an die Tür und lauschte. Nichts war zu hören. Eigenartig. Auch an den nächsten Türen hörte sie keine Geräusche. Selbst wenn alle schlafen würden, müsste es doch noch irgendein Geräusch geben. Isarek wirkte wie ausgestorben. Lydia folgte dem Straßenverlauf weiter in das Dorf hinein. Vor einigen Türen standen Körbe mit Stroh, Karren mit leeren Fässern oder umgestoßene Krüge lagen verstreut herum. Das Ganze machte Lydia keinen besonders gemütlichen Eindruck. Es sah alles nach einer Flucht aus. Sie fand ein Gebäude, welches etwas größer als die anderen war. Es stand unter einem Torbogen aus Stein und hatte ein halbfertiges Strohdach. Die Tür war nur angelehnt, daher konnte sie ohne Probleme eintreten.

Im Inneren der Hütte befanden sich mehrere Tische und Stühle, darauf Biergläser und Flaschen. Das musste eine Art Bar sein, denn hinter einem Thresen aus aufgereihten Steinen, befanden sich noch mehr Gläser und Flaschen mit "Wein" als Aufschrift. Die Königin lief ein Schauer über den Rücken, als eine Öllampe an einer Wand quietschte. Sie ging darauf zu, nahm diese von der Halterung und brauchte nur den Drachen zu bitten etwas Licht zu machen. ,,Mist, ein Wasserdrache speiht kein Feuer", fluchte sie, als ihr etwas Außergewöhnliches in das Blickfeld geriet. Eine aufgerollte Landkarte lag auf einem der braunen Holztische. Die Königin stellte sich vor die Karte, um sie lesen zu können. ,,Das gibt es doch nicht!" Es war eine Karte, welche alle Länder uns Inseln von Nokard bis weit in den Süden zeigte. Ein Land davon fiel ihr ins Auge, da es rot umkreist war. Nervös strich sie über die Karte. Erst jetzt sah sie, dass einige Länder durchgestrichen waren. Es waren die Ländern, von denen bereits die Könige, dank Asimi, Imigri und Wylland verstorben waren. Sie folgte den Zahlen auf der Karte. Auch Nokard war durchgestrichen. ,,Ist anders gekommen", flüsterte sie triumphierend. Das eingekreiste Land war Castero und die nächste Nummer nach Nokard. Lydia dachte einen Moment nach. Als Kind wurden einer angehenden Königin die Königsfamilien und Länder beigebracht. Von Castero wusste sie also noch einige Namen und welche Familie dort lebte. Ein wichtiges Detail war dabei aber entscheidend. Sie lebte noch.

 

 

Die Ritter und Indianer ritten die Nacht durch, um den enormen Vorsprung des Königs und dessen Berater aufzuholen.

,,Hier teilen sich die Spuren, Ser!", rief Kipivo dem Ritter zu.

,,Teilen? Jetzt sagt bloß, Vasilias und sein Berater sind getrennte Wege geritten."

,,Sieht leider so aus."

Chrysos verschaffte sich selbst ein Bild von der Abzweigung. ,,Hier sind noch mehr Spuren. Die sehen aber nicht aus, als wären sie von Pferden."

Valkan stoppte sein Pferd neben dem des Ritters. ,,Das sind die Spuren eines Wolfes."

,,Ihr kennt Euch aus?"

,,Sicher. Wir sind Indianer und in der Natur groß geworden."

,,Dann haben wir ja doch noch einen guten Reisebegleiter in Euch gefunden", merke Kipivo an.

,,Folgen wir beiden Spuren, teilen sich unsere Wege."

Ser Chrysos steuerte sein Pferd in die Richtung mit den Wolfsspuren. ,,Wir nehmen diesen Weg. Sollten die Spuren verschwinden, reiten wir zurück und probieren den anderen."

,,Einverstanden", meinte Valkan und gab seinen Kriegern ein Zeichen.

 

 

Einige Meilen vor den Rittern und Indianern, befanden sich Vasilias und sein Berater. Sie hatten kaum geschlafen, wirkten dafür jedoch recht wach. Inzwischen fragte Anemro gar nicht mehr nach, wie weit es noch war. Es brachte sowieso nichts. Als etwas entfernt von ihnen ein Turm auftauchte, waren sie ihrem Ziel näher, als sie dachten.

,,Wir haben es geschafft, Hoheit!" Anemro war ein Stück vorgeritten und sah das Schloss von Logarda zuerst.

,,Das wurde aber auch Zeit. Bei unserer letzten Reise haben wir länger gebraucht."

,,Da haben wir Nachts auch Pausen gemacht und ein kleines Lager gehabt. Zudem fühlte sich diese Reise viel länger an."

,,Gut aufgepasst", entgegnete der König grinsend und schüttelte bei seiner letzten Bemerkung den Kopf.

Kalos jaulte als auch ihm die Umgebung wieder bekannt vorkam.

,,Er freut sich wohl auf Zuhause", sagte Anemro grinsend.

,,Wir reiten nicht nach Hause...Nicht wirklich."

48. Die Stärke des Wassers

 ,,Was ist mit meiner Eingangstür passiert?!"

,,Kann ich nicht sagen, Hoheit. Sieht mir nach hoher Gewalteinwirkung aus."

Vasilias trat irritiert auf die zersprungene Tür zu. ,,Die war ganz, als wir gegangen sind, richtig?"

,,Asimi war nicht der Mensch, der Schlosstüren zerstörte...Alles drum herum, aber das nicht."

Der König hob ein Stück des Holzes auf.

,,Oh, vielleicht war es Lydia!", platzte es aus dem Berater.

,,Große Güte...Der Drache muss das zerstört haben", stellte Vasilias richtig. ,,Lydia selbst wäre dazu nicht in der Lage."

,,Schon gut. Sie muss den Vorratskeller gesucht haben."

,,Nicht nur gesucht, ich fürchte, dass sie ihn gefunden hat." Vasilias trat zum ersten Mal seit langem wieder in sein Schloss. ,,Lydia kennt sich hier sicherlich noch ein wenig aus."

,,Nehmen wir doch auch schon mal Vorräte mit."

Die beiden standen wackelig auf den Beinen, als die Wände zu beben begannen. Der König blickte nach Draußen. Ungefähr auf ihrer Höhe flog eine Herde Drachen vorbei.

,,Majestät, die Wasserdrachen!", staunte nun auch Anemro. ,,Sind die schnell unterwegs!"

Kalos knurrte die Wesen an, auch wenn sie ihn nicht hören konnten.

,,Fragt sich nur, wohin sie wollen."

Sobald die Drachen an ihnen vorbei waren, das Wasser in der Nähe haben aufsprudeln lassen, ließ das Beben erst wieder nach.

,,Diese Wesen sind uns einige Schritte voraus, habe ich das Gefühl."

Anemro nickte bestätigend.

,,Keine Ahnung, ob das gut oder schlecht ist."

 

 

In Nokard waren die übrigen Leute vollkommen verzweifelt. Langsam schwanden auch die Reste der Lebensmittel und alle Könige waren außer Haus. Ratlos wohnten sie nun in einem Schloss und starben vor sich hin. Zumindest drückte es David gerne so aus, wenn er seiner Tochter nichts zu Essen geben konnte.

,,Mama, wann kommt die Königin wieder zurück?", fragte sie an diesem Abend zum vierten Mal.

,,Liebes, ich weiß es nicht. Hoffen wir bald." Amarla strich Zoera über das Haar.

,,Es ist hoffnungslos. Ich kann nachts kaum schlafen, so laut knurrt mir der Magen. Von Zoeras kleinem möchte ich erst gar nicht anfangen." Der blondhaarige Mann seufzte.

,,Liebling, hab Vertrauen in die Königin."

,,Das kann ich nicht mit leerem Magen", widersprach er seiner Frau.

Amarla sah zu ihrem Kind hinab. ,,An irgendetwas muss man doch glauben, wenn die Zeiten hart sind."

,,Sicher hast du recht. Dennoch weiß ich momentan nicht in was."

,,Wir stehen das alle gemeinsam durch", versprach sie ihm.

Er setzte sich auf den Teppichboden des Zimmers. ,,Ich habe einfach Angst, dass sie es nicht schaffen und wir alle verloren sind."

,,Deine Angst ist völlig verständlich. Die haben wir sicherlich alle."

 

 

Lydia verließ die Hütte mit der eingerollten Landkarte unter dem Arm. Diese war im Moment ihr wichtigster Besitz. Sie ging die Straße entlang zurück in Richtung, wo sie den Drachen verlassen hatte. Dieser hatte den Kopf auf den Boden gelegt, die Augen halb geschlossen und schien zu schlafen. Die Königin legte sich mittig des schimmernden Drachen, nutzte ihren Umhang als Decke und schloss die Augen. Sie versuchte die Kälte auszublenden und schlief schnell ein.

 

 

Im Thronsaal von Logarda, machten es sich Vasilias und sein Berater gemütlich. ,,Genug zu Essen eingepackt, Anemro?"

,,Ja, Hoheit. Damit schaffen wir es nach Isarek. Ich bin noch immer nicht zufrieden damit, dass wir so ohne Weiteres aufgebrochen sind. Die anderen kennen den Weg doch gar nicht."

,,Ich weiß. Ach, vielleicht haben sie schon die Landkarten gefunden und sind längst hinter uns her."

,,Hoffen wir es." Anemro legte sich auf eine der Taschen. ,,Wir sollten nicht nach Isarek reiten, Majestät."

,,Ich habe mich wohl verhört?"

,,Nein. Die Leute hungern, während wir hier mit Essen liegen und uns keine Sorgen darum machen müssen."

,,Wir haben hier ein Schiff, damit bekommen wir genug Lebensmittel nach Nokard."

Anemro lachte auf. ,,Und wer steuert Eurer Meinung nach dieses Schiff?"

Vasilias schreckte hoch.

,,Ihr seht also ein, dass ich recht habe? Dann ist ja gut."

,,Anemro, daran habe ich gar nicht gedacht..." Der König wurde blass. ,,Die Dorfbewohner von Nokard und uns und auch die Indianer sterben, wenn wir nicht zurückkehren!"

Der Berater setzte sich ebenfalls aufrecht hin.

,,Wir reiten sofort zurück. Keine Zeit zum Schlafen. Wenn die Götter es gut mit uns meinen, kommen wir den Anderen entgegen. Bete, Anemro und dann rauf mit dir auf dein Pferd."

,,Ernst gemeint, Hoheit?"

,,Ja, das schon." Vasilias sammelte die Beutel von dem Boden und scheuchte seinen Berater in Richtung Ausgang. Planänderungen waren gar nicht das, was ihm gefiel.

 

 

Als die Königin am nächsten Morgen erwachte, hatte sich der Wasserdrache um einiges verdoppelt. ,,Wo kommt ihr denn plötzlich alle her?"

Die Drachen gaben ihr natürlich keine Antwort, dafür aber ein sicheres Gefühl in dieser verlassenen Gegend. Lydia sah erst im Tageslicht die Flagge an einem der Schiffmaste. Sie bewegte sich nach oben, als würde jemand von unten an einem Seil daran ziehen. Sie kniff die Augen zusammen und erkannte tatsächlich eine Person auf dem Schiff. Die Königin versteckte sich hinter einem der Drachen und lugte um die Ecke. Die Person schien die Herde gar nicht zu stören, so eilig hatte sie es abzulegen. Somit verschwand auch das letzte Schiff von der Anlegestelle in Isarek. Lydia fragte sich, wo die Person herkam und warum sie es so eilig hatte. Das würde sie wohl nicht so schnell herausfinden. Zurück auf einem der Drachen, hob Lydia wieder in die Lüfte. Hier konnte sie nichts bewirken, was Imigri aus Nokard vertrieb. Von oben herab konnte sie das Schiff in der Ferne sehen. Die lilane Flagge kam ihr jedoch auf den ersten Eindruck nicht bekannt vor. Das Gefährt ruderte in Richtung Osten, wo nach einigen vielen Ländern Castero lag. Lydia bekam den Eindruck, dass es keine freundlichen Menschen an Bord hatte, nachdem sie diese Karte gefunden hatte. Vielleicht konnte sie Schlimmeres verhindern, wenn die Drachen auf das Schiff losgelassen wurden.

,,Zerstört das Schiff!", rief sie den Wasserdrachen zu.

Eine Sekunde lang flogen alle einfach weiter. Dann aber wendeten sie und kreisten in der Luft das Schiff ein.

,,Hey! Verschwindet Mistfiecher! Ihr könnt die Floghlai Mara nicht vernichten!", brüllte ein Mann von unten.

Die Wellen türmten sich auf, als die Drachen nacheinander ein lautes Brüllen von sich ließen.

Nun erkannte Lydia die Flagge des Schiffes eindeutig. ,,Ihr seid es, der verschwinden sollte, Pirat!", rief Lydia ihm zu.

Der Wasserturm schloss sich oberhalb des Schiffes und behielt es in seinen Fängen. Erst dann brach er in sich zusammen und zog das Transportmittel mitsamt Pirat in die Tiefen des Flusses, bis nichts mehr von ihm übrig war. Die Worte Floghlai Mara blieben ihr noch lange Zeit im Gedächtnis. Jetzt musste sie erst recht zurück, um Verstärkung zu holen.

49. Das Versteck

Imigri wartete ungeduldig auf die Rückkehr von Quirin. Auch ihre Vorräte hielten nie für lange Zeit, daher schlich sich Quirin oft in das Schloss und stahl welche. Der König war nie zufrieden damit, wie viel der Berater mitbrachte. Es war stets zu wenig.

,,Ich habe schon eine ganze Weile nichts mehr von der nutzlosen Königin, dem dämlichen König und den mindestens genauso dummen Indianern gehört! Was geht da vor sich?!", fuhr er Quirin an.

,,Majestät, ich fürchte es ist etwas gehörig schief gelaufen."

,,Ich hasse diese Worte aus deinem Mund!" Wütend schlug er mit einer Faust gegen die Höhlenwand. 

,,Jawohl."

Stille breitete sich aus.

Imigri zuckte mit einem Auge. ,,Worauf wartest du? Darauf, dass der Schnee schmilzt?! Antworte mir endlich!"

,,Zufällig habe ich rausfinden können, dass die Könige alle außer Haus sind."

,,Und wohin sind sie gegangen? Komm schon, muss ich dir alles aus der Nase ziehen?"

,,Nein, Hoheit. Ich hörte von einer Indianerin, dass sie in Richtung Isarek geritten sind."

Imigri begann zu lachen. ,,Ha! Die kommen doch keinen Meter weg von diesem unbrauchbaren Land..." Plötzlich hielt er Inne. ,,Warte, sagtest du Isarek?!"

Quirin nickte. ,,Beunruhigender an der Geschichte finde ich, dass kein einziger Drache mehr in den verbrannten Wäldern ist."

,,Verflucht!" Der Zwillingsbruder von Asimi stürmte zum Höhlenausgang.

,,Wohin wollt Ihr denn jetzt?" Er stolperte seinem König hinterher.

,,Na wohin schon. Die werden mein Land zerstören! Ich muss sie aufhalten!", antwortete er mit geballten Fäusten. ,,Sattel mein Pferd! Wenn die schon länger weg sind, haben sie es womöglich schon bis nach Isarek geschafft. Ich hoffe, dass man sich wenigstens noch auf einige andere verlassen kann."

Quirin zuckte die Schultern.

,,Damit meinte ich nicht dich."

 

 

Anemros Pferd trabte langsam neben dem von Vasilias her. Beide Reiter schliefen tief und fest. Aus diesem Grund bemerkten sie nicht, dass die Indianer und Ritter mit ihnen auf einer Höhe waren.

Valkan entdeckte die beiden Pferde, ließ eine Zügel los und ergriff die des Pferdes von Anemro.

Dies blieb sofort stehen, wovon der Berater mit den braunen Haaren aufwachte.

,,Guten Morgen ihr Schlafmützen! Ich dachte nach Logarda geht es geradeaus?"

Er erschrak sich und rutschte halb vom Pferd.

,,Festhalten ist das oberste Gebot beim Reiten", erinnerte Sanfte Feder ihn grinsend.

,,Gut, dass wir euch gefunden haben. Wir dachten schon uns geirrt zu haben."

,,Wir kommen gerade aus Logarda, haben aber an die Dorfbewohner ohne Lebensmittel gedacht", erklärte Anemro. ,,Doch wir können kein Schiff steuern, welches wir mit Lebensmitteln beladen."

,,Ihr habt Recht..."

,,Ich kann ein Schiff steuern und es beladen mit Lebensmitteln, wenn es genehm ist. Dafür bräuchte ich nur einige Tragehilfen."

Vasilias schrak auf seinem Pferd erst jetzt hoch. ,,Werden wir angegriffen?"

,,Nein, Hoheit. Seht, wen wir gefunden haben."

,,Klasse, die Götter meinten es gut mit uns." Er streckte beide Arme in Richtung Himmel.

,,Fertig?"

Der König sah ein, dass ihn keiner ernst nahm und nahm die Arme wieder runter. ,,Ja..."

,,Die Layandra würden ihre Hilfe auf jeden Fall anbieten", sagte Valkan. ,,Einige der Krieger werden euch helfen das Essen zu den hungernden Leuten zu bekommen."

,,Vielen Dank. Folgt mir nach Logarda."

,,Ser Chrysos, würdet Ihr mich nach Isarek begleiten, um die Königin zurückzuholen?", fragte Vasilias, als die ersten Reiter aufgebrochen waren.

,,Das wird wohl gar nicht nötig sein, schätze ich." Der Ritter deutete an dem Berater vorbei in den Himmel. Wieder war die Herde Wasserdrachen zu sehen.

Der König duckte sich, um nicht von dem Pferd gerissen zu werden.

,,Majestät!", stieß Chrysos erleichtert aus und winkte der Königin.

,,Ser Chrysos! Valkan!", rief sie zurück.

,,Klar, mich will sie nicht sehen", merkte Vasilias bitter grinsend an.

 

 

Lydia landete kurze Zeit später zwischen den Pferden, zog die blaue Kapuze ihres Umhangs ab und lief Valkan in die Arme.

,,Manitu, ich dachte wirklich es sei dir etwas passiert!", sagte Valkan erleichtert.

,,Nein, das kann auch gar nicht sein."

Die Umstehenden wurden hellhörig.

,,In Isarek ist das Leben wie erloschen. Es gibt so gut wie niemanden mehr in diesem Land. Zumindest habe ich keinen zu Gesicht bekommen."

,,Erloschen? Das habe ich aber irgendwie nicht gemerkt, als mein Land dem Erdboden gleichgemacht werden sollte", warf Vasilias ein.

,,Ich habe dort eine Landkarte gefunden." Sie zog die Karte aus ihrer Tasche und hielt sie dem König unter die Nase. ,,Ein Piratenschiff habe ich auch gesehen. Es war sehr wahrscheinlich auf dem Weg nach Castero."

,,Castero? Was wollen die denn da..."

Ein Blick von Lydia reichte, um dem König eine einleuchtende Antwort zu geben.

,,Oh Götter..."

,,Meinst du, die werden Castero angreifen?", fragte Valkan, der die Sprache der Könige nicht verstand.

Lydia nickte. ,,Alle Länder der Karte sind durchgestrichen worden, in denen es keine Köngie mehr gibt."

,,Warum ist denn dann Isarek durchgestrichen?"

,,Wie bitte?!" Die Königin warf einen Blick auf die Karte. ,,Das ist mir noch gar nicht aufgefallen."

,,Asimi und sein Bruder werden wohl kaum ihr eigenes Land durchstreichen."

,,Es sei denn, sie haben gar nichts mit der Landkarte hier zu tun." Lydia wandte sich an ihre Ritter. ,,Ser, wisst Ihr wie weit es nach Castero ist?"

,,Oh ja. Als kleiner Junge bin ich einmal dort gewesen. Es ist ein sehr weites Stück..."

,,Das Risiko können wir mit den Drachen hier eingehen", versicherte Lydia.

,,Die bleiben aber nicht ewig Wasserdrachen. Sobald der Frühling erst richtig da ist, verändern sie sich."

,,Drachen sind doch deswegen nicht langsamer im Flug."

Chrysos lachte. ,,Sicherlich schon. Wasser ist auch in der Luft zu finden und es hat kaum Gewicht."

,,In großen Mengen schon", verbesserte die Königin wissend. ,,Sonst hätte ich das Schiff eben nicht fluten können...Die Drachen..."

,,Ihr habt ein Schiff geflutet?", fragte der König überrascht.

,,Ja, eines der Piraten."

,,Piraten? Die Lage sieht schlechter aus, als ich dachte."

,,Warum dachtet Ihr es würde sein freies Volk sein, welches sich gegen den König verschworen hat?" Die Königin warf ihm einen erstaunten Blick zu.

,,Ehrlich gesagt ja", antwortete Vasilias.

,,Piraten sind auf dem Vormarsch nach Castero, wenn wir Pech haben."

,,Wir müssen die Familie aus Castero warnen!", meinte Valkan besorgt. ,,Sonst sind sie die nächsten, die tot sind."

,,Vielleicht überleben sie und haben einen guten Plan, wie wir."

,,Das glaube ich weniger. Ich kenne den König und der würde es nicht mal bemerken, wenn die mit ihren Schiffen in seinem Hafen anlegen", sagte Vasilias knurrend. ,,Er ist komplett unwürdig zu regieren, dabei ist er gar nicht so dämlich wie Asimi und Imigri."

,,Dummheit hat nichts mit regieren am Hut, oder?" Valkan dachte einen Augenblick nach. ,,Ist ja auch unwichtig. Können wir diese Piraten noch einholen, Lydia?"

Sie zuckte mit den Schultern. ,,Mit den Drachen vielleicht, aber wenn sie schon lange unterwegs sind, ist es vermutlich bereits zu spät."

 

 

Imigri ritt so schnell sein graues Pferd ihn trug zwischen dicht gewachsenen Bäumen in die Richtung seiner Heimat.

,,Wenn sie es bis nach Isarek geschafft haben, finden sie heraus, dass alle Schiffe fehlen, Quirin! Wenn nicht sogar noch Schlimmere Dinge! Möchtest du das, Quirin?"

,,Nein, das möchte ich nicht, Hoheit."

,,Dann beeil dich!", spornte der König seinen Berater an.

,,Sehrwohl, Hoheit!"

Die schnellen Huftritte der Pferde auf dem Waldboden waren bis in die weite Ferne zu hören. Der König blickte ernst auf die Strecke vor sich. Ihm wurde fast alles genommen, daher konnte er nun nicht auch noch sein Land aufgeben. Nicht in diesem Leben.

50. Vierzig Schiffe

,,Wenn Ihr Euch so anstellt, kommen wir nie hier weg", erinnerte Lydia den König.

,,Die Drachen mögen mich immer noch nicht, glaube ich", stammelte Vasilias, während er das gigantische Wesen vor sich betrachtete. 

,,Jetzt klingt Ihr aber wie ein Mädchen", hallte Anemros Stimme in seinem Kopf.

,,Ist ja gut, ich sitze schon auf..." Wacklig kletterte er am Rücken des Tieres hoch und saß kurze Zeit später auf dem Wasserdrachen. Unsicher sah er an beiden Seiten nach unten, um die Höhe zu prüfen.

Lydia betrachtete den König kopfschüttelnd und wirkte schadenfroh. ,,Sehr gut, Vasilias. Endlich verschlägt Euch mal ein Tier die Sprache."

,,Nur damit Ihr das wisst Lydia, ich wollte mit der Familie aus Castero den Angriff aus Isarek planen..."

,,Die als Hilfe zu holen, wäre keine gute Idee gewesen. Wer weiß, vielleicht hättet Ihr ja Piraten als Unterstützung für Euren eigenen Tod bekommen!", rief sie ihm zu.

,,Liegt man ein Mal daneben...", murmelte der König. ,,Hilfe!"

Die Drachen setzten sich in Bewegung und beförderte seinen Reiter ins Schleudern.

,,Der tut Euch nichts, Vasilias!" Lydia klammerte sich an Valkan fest, mit dem sie sich einen Wasserdrachen teilte.

,,Wartet, wo ist mein Wolfshund schon wieder?!"

,,Welcher Hund?" Lydia sah sich um.

,,Ah, den den er für tot hielt, etwa? Ihr Vater wird es Ihnen danken, dass Ihr ihn für den Mörder hieltet!", meinte Valkan grinsend.

,,Das ist nicht lustig! Er lebt und war die ganze Zeit an meiner Seite."

,,Nicht, dass Ihr noch verrückt werdet, Vasilias." Endlich konnte sich Lydia gehörig zur Wehr setzen und es fühlte sich richtig gut an. 

 

 

Ein ganzes Stück weit entfernt hatte der kleine Trupp das Schiff von Logarda erreicht. Sie beluden es mit Lebensmitteln und allem Nützlichen, was sie auf die Schnelle auftreiben konnten.

,,Danke für Eure Hilfe. So schaffen wir es noch heute abzulegen und nach Nokard zu fahren", sagte Anemro zufrieden. ,,Gute Arbeit zusammen!"

,,Das wollen wir doch hoffen", antworteten einer der Indianer.

,,Die Dorfbewohner und Indianer werden uns dankbar sein, dass wir ihren Hunger stillen." Die rechte Hand des Königs von Logarda nickte zufrieden und löste die Leine, welche um einen metallendes Stück Stahl gebunden war. ,,Segel setzen! Wir stechen in See!"

 

 

Gar nicht allzu weit entfernt erreichten Imigri und sein Begleiter eine Waldlandschaft, die vielversprechend dazu wirtke, dass sie nicht mehr in Nokard waren.

,,Quirin, was soll dieses Schneckentempo? Ich reite ohne dich weiter, wenn du so langsam bist!"

,,Tut das ruhig, allerdings höre ich die ganze Zeit ein komisches Rascheln. Ich muss prüfen was das ist." Er bremste sein Pferd auf einer großen Lichtung ab und trabte nur noch mit zusammengekniffenen Augen geradeaus. Zwischen den dichten Blättern konnte er nicht sehr gut sehen.

Imigri verwünschte diesen Berater. Warum er sich noch auf ihn einließ, wusste er selbst nicht so genau. Seine Familie war tot und Quirin ihm nichts mehr schuldig. In diesem Moment hörte aber auch er Geräusche hinter sich und fand sich eine Sekunde später von Angesicht zu Angesicht eines Tieres mit bösartig leuchtenden Augen wieder.

,,Majestät!" Quirin wandte den Blick ab und schlug die Hände vor die Augen.

,,Sitz nicht da rum! Hilf mir, du Nichtsnutz!"

Ein Wolf hatte den König aus seinem Sattel gerissen, während er noch galoppierte. Imigri drückte das riesige Tier von sich. Das Wesen fauchte den wehrlosen König an und präsentierte seine scharfen Zähne, bevor es seinem Opfer ein Ende bereitete.

,,Nein!" Quirin ergriff die Flucht, als der Wolf den Blick auf ihn richtete. Er realisierte erst ein Stück entfernt von der Lichtung, dass gerade der letzte König von Isarek durch einen einfachen Wolf getötet wurde. ,,Das bedeutet Rache! Ich werde dich finden, du Monster!"

 

 

 Auf einem der Piratenschiffe im offenen Meer fand eine rege Konversation statt. Die Angriffe auf Castero standen unmittelbar vor der Tür.

,,Captain, wir sind nur noch eine halbe Tagesreise von Castero entfernt."

Der Anführer der Piratenbande nickte zuversichtlich. ,,Sehr gut. Bereitet jetzt endlich alles für unsere Ankunft vor. Wir haben so lange auf diesen Moment gewartet."

Der kleinere Mann mit Bart nickte und grinste finster. ,,Sofort, Captain." Er schwang sich elegant aus der Kajüte und sprang an Deck.

,,Bereiten wir den Herrschern hier einen wundervollen Traum." Der Captain blickte vor sich hin in das Leere und malte sich die Umsetzung seines Planes genau aus. Natürlich würde er gewinnen, denn er war es, der vierzig Schiffe hatte.

 

 

Fortsetzung folgt...

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 25.07.2016

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