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Die Titelseite

Am Straßenrand lag etwas, das meine Aufmerksamkeit erregte. Ich hielt ein Stück weiter an und stieg aus dem Wagen. Für meine Neugier konnte ich nichts, die war bei meinem Job Voraussetzung. Im Kofferraum suchte ich mein Equipment zusammen, man wusste ja nie. Die Kamera startklar in der Hand, eine Taschenlampe, denn im Wald war es bereits recht dunkel. Die ganze Strecke schon war ich nur von Bäumen umgeben, hinzu kam ein mit dunklen Wolken verhangener Himmel. 

Ich drückte auf die Filmaufnahme. Während ich auf die andere Straßenseite wechselte, um dem Objekt näher zu kommen, erzählte ich vor mir her was ich hier wollte. So konnte ich mir das Filmmaterial später anschauen und wusste sofort wo ich damals war. Vielleicht würde mir auch irgendwann eine große Story vor die Füße laufen und ich könnte es auf die Titelseite bringen. Die mittelmäßige Journalistin bei uns schafft es mit jedem Müll auf die erste Seite, weil sie mit jedem der Oberen was am laufen hat. Mal davon abgesehen dass ich ein glücklich verheirateter Mann bin, widerstrebten mir solche Praktiken. Es mag naiv klingen, aber ich finde, man sollte seine Artikel nur auf die erste Seite bringen können, wenn das Geschriebene tatsächlich gut ist.

Ich ging vorsichtig weiter, als ich in die Nähe des Objektes kam. Dort war eine kleine Ausbuchtung am Straßenrand, wo ein Auto anhalten konnte. Vielleicht hatte auch einfach nur jemand etwas dort aus dem Wagen geworfen. Ich hielt dennoch die Kamera drauf. Es waren eine Damenhandtasche und High Heels auf einen Haufen geworfen. Ich zögerte, ob ich in der Tasche nachsehen sollte. Sie sah nicht kaputt aus, ich sah also keinen Grund warum jemand sie wegwerfen würde. Vorsichtig zog ich den Reissverschluss auf. Ich hielt die Kamera in die Öffnung und filmte den gesamten Inhalt ab. Bei der Menge an Sachen war es definitiv suspekt, dass sie hier lag. 

Ich sah mir daraufhin die Schuhe an. Sie waren schwarz und sehr hoch. Ich fragte mich schon immer wie Frauen auf so etwas laufen konnten. An dem einen Schuh klebte etwas, das nach Blut aussah. 

Ich hörte ein Auto kommen und lief Richtung Wald. Tasche und Schuhe hatte ich reflexartig mitgenommen. Ich blieb hinter einem dicken Baum stehen. 

"Wo ist der Kram hin? Verdammt! Wenn jemand das beim Fundbüro abgibt, dann durchsuchen die hier bestimmt alles nach der Ollen!" Der Mann fluchte noch einige unverständliche Worte, ging ein paar Schritte die Straße entlang und dann in den Wald. Dort drehte er sich unschlüssig wieder um und stieg in sein Auto. 

Das hörte sich für mich verdächtig genug an. Ich hatte alles auf Band und sobald der Wagen verschwunden war, machte ich mich auf die Suche. Ich fand einen Pfad in den Wald, der aussah, als wäre er in letzter Zeit öfter benutzt worden. Ich überprüfte schnell den Akkustand meiner Kamera, erinnerte mich aber an den Ersatz in meiner Tasche, die ich mir zuvor umgehangen hatte. 

Ich sah mich nochmals um und verschwand dann zwischen dem Grün. Hier und dort musste ich die Sträucher zur Seite drücken um vorbei zu kommen, manchmal sah man den Pfad nicht gut, doch ich kam ganz gut voran. Es war ein wenig unheimlich, doch es gab kein Zurück mehr. Immer tiefer führte es mich in den Wald und ich konnte nicht sagen warum, aber ich hatte das Gefühl, den Instinkt, dass ich auf dem richtigen Weg war. 

Auf einmal sah ich etwas. Etwas das für gewöhnlich nicht hier herum liegen würde. Es war eine Damenjacke. Könnte zu der Handtasche und den Schuhen gehören, die ich am Straßenrand liegen gelassen hatte. Ich filmte auch sie von allen Seiten, konnte mich aber nicht überwinden sie anzufassen. Ich nahm mir einen Stock um sie kurz anzuheben, für den Fall, dass etwas heraus fallen würde, dass mir weiter half. Gesucht, gefunden. Der Ast war gerade einmal stabil genug nicht sofort abzubrechen, ich war aber zu ungeduldig mir einen anderen vom Boden aufzuheben. Die Kamera war nach unten gerichtet. Ich hoffte auf etwas interessantes, doch was dann kam, damit hatte ich nicht gerechnet! Unter der Jacke entdeckte ich ein Gesicht! Ein menschliches Gesicht. Ich erschrak so sehr, dass der Stock abbrach und die Jacke wieder herunter fiel. Ich versuchte meine Atmung und meinen Herzschlag in den Griff zu bekommen. Das hatte ich gerade doch nicht wirklich gesehen? Vielleicht war es eine Maske? Oder pure Einbildung? Ich nahm einen anderen Ast. Dieser war nun viel zu groß, aber ich musste sofort nachsehen. 

Ich warf den Ast samt der Jacke zur Seite. Es war tatsächlich echt! Nun sah ich an der anderen Seite auch den frisch verscharrten Boden. Jemand hatte eine Leiche hier vergraben und das Gesicht dabei frei gelassen!

Ich beschloss mich kurz umzusehen, bevor ich vorsichtig zum Auto zurück ging. Hier hatte mein Handy keinen Empfang, beim Auto schon. 

Als ich mich umsah, langsam durch die Sträucher und Bäume ging, fielen mir noch andere Dinge auf. Überall verstreut lagen Gegenstände, seien es Handtaschen, Jacken oder andere Kleidungsstücke. Mir wurde übel und ich rannte mit laufender Kamera so schnell ich konnte aus dem Wald.

Impressum

Texte: Bianca Thomahsen
Tag der Veröffentlichung: 05.10.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Gewidmet ist diese Kurzgeschichte allen, die mich unterstützen und an mich glauben. Danke ♥

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