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Langsam kam ich zu Bewusstsein. Mein Kopf tat höllisch weh und der plötzliche Schmerz traf mich wie ein Schlag. Ich verzerrte das Gesicht und merkte sofort, dass das keine gute Idee war. Der Schmerz breitete sich aus, jeder Muskel brannte wie Feuer. Außerdem spürte ich ein Pochen in der Magengegend und ich versuchte krampfhaft mich an etwas zu erinnern. Doch alles, woran ich mich erinnern konnte, waren die Schmerzen am ganzen Körper und das langsame Schwinden meines Bewusstseins.
Mit Bedacht und auf Schmerz gefasst öffnete ich meine Augen. Der Schmerz dabei war geringer als erwartet und ich seufzte kurz auf. Ich sah mich um und entdeckte nichts. Nichts. Da war einfach gar nichts. Es war, als läge ich irgendwo im Licht. Bin ich tot? Im Himmel? Hat es mich erwischt? Ich versuchte mich aufzusetzen, scheiterte jedoch und legte mich wieder flach auf den Rücken. Wie kann das sein? Wo bin ich? Was ist das hier?
„Du bist nicht tot. Noch nicht.“ Ich erschrak und sah mich um. Rechts von mir stand ein gut aussehender, junger Mann. Er trug eine helle Jeans, schicke Lederschuhe, ein weißes, sehr teuer aussehendes Hemd und ein schwarzes Jackett. Langsam kniete er sich neben mir auf den Boden und ich konnte sein Gesicht näher in Augenschein nehmen. Er hatte strahlend braune Augen und seine wuscheligen schwarzen Haare fielen ihm lässig ins Gesicht. Ich betrachtete sein breites Kinn und seine vollen Lippen und fragte: „Wo bin ich? Was ist passiert?“ „Die Ältesten hatten Gnade mit dir. Danke ihnen, so etwas machen sie nur sehr selten.“ Ich verstand kein Wort. „Wovon zum Geier reden Sie denn? Und wer sind Sie?“ „Mein Name ist Micah. Ich passe auf dich auf. Soll ich dir mit deinen Schmerzen helfen oder geht es mittlerweile?“ „Wovon redest du denn, Micah? Wer sind diese Ältesten? Wo sind wir hier? Wie komme ich hier her? Und woher, verdammt noch mal, weißt du, dass ich Schmerzen habe?“ Micah brach in schallendes Gelächter aus und es war das Schönste, was ich je gehört hatte. Er legte den Kopf in den Nacken und hielt sich eine Hand an den Bauch, als könne er sich vor Lachen nicht mehr halten. Ich sah ihn nur irritiert an. „Was war denn daran nun so witzig?! Lachst du mich etwa aus?!“
Plötzlich stieg Wut in mir auf und ich vergaß für einen Moment meine Schmerzen, setzte mich ruckartig auf, in der Absicht ihm eine zu verpassen, doch mein Körper hinderte mich daran. Mir wurde schwindelig, ich sah doppelt und alles um mich herum drehte sich. „Hoppla!“, Micah legte mir seine starke Hand auf den Rücken und hielt mich fest. „Das war wohl noch zu schnell. Du solltest deine Gefühle besser unter Kontrolle kriegen. Sonst kommst du ganz bestimmt noch in Schwierigkeiten! Aber das kriegen wir schon hin. Jetzt kümmere ich mich erst einmal um deine Schmerzen.“
Er legte mich sanft auf den Rücken, ohne seine Hand von dort wegzunehmen. Seine linke legte sich nun flach auf meinen Bauch. Ich spielte mit dem Gedanken mich zu wehren, doch ein Instinkt, woher der auch immer kam, sagte mir, ich sollte es geschehen lassen. Micah schloss nun seine Augen und eine Sekunde später spürte ich eine wohlige Wärme durch meinen Körper strömen. Eine Wärme, die eine unheimliche Kraft ausstrahlte, eine Kraft, wie ich sie noch nie wahrgenommen hatte. Sie breitete sich in meinen Körper aus und ich schloss meine Augen. Ich konnte fühlen, wie die Schmerzen gelindert wurden und schließlich verschwanden. Ich könnte spüren, wie ich wieder zu Kräften kam. Und das innerhalb von Sekunden.
Dann verebbte die Wärme. Ich sah Micah an und blickte in ein strahlendes Gesicht. „Du hast einen starken Geist, deine Seele ist wahrlich rein. Du hast eine zweite Chance voll und ganz verdient, aber das weißt du sicherlich.“ Das wusste ich sowas von nicht! „Könntest du mich endlich einmal aufklären? Wovon redest du, Micah?“ Ich bekam nur ein Lächeln als Antwort. Dann stand er auf, streckte mir seine Hand entgegen. Ich nahm sie, und er zog mich auf die Beine. Für ein paar magische Sekunden sahen wir uns einfach nur in die Augen. Bis uns ein tiefes Brummen, das eindeutig von meinem Magen stammte, unterbrach. Ich wurde sofort rot und murmelte leise eine Entschuldigung doch Micah lachte nur wieder dieses Lachen, das mich so faszinierte an ihm. „Komm mit, ich zeige dir alles. Aber vorher gehen wir mal was essen.“, sagte er kichernd und machte ein paar Schritte nach vorn. Dann streckte er seine Hand aus, murmelte etwas, das ich nicht verstand und eine alte Holztür tauchte vor uns auf. Ich staunte nicht schlecht. „Wie hast du das gemacht? Was ist das?“, rief ich und konnte die Hysterie in meiner Stimme nicht ganz verbergen. „Erkläre ich dir alles später. Das ist unser Ausgang. Los, mach die Tür auf, du wirst staunen!“ Micah lächelte mich an. Und wie ich das werde! Ich glaube ich werde verrückt!
Ich ging auf die schicke Holztüre zu. Sie hatte einen goldenen Knauf und am Rahmen waren ein paar wunderschöne Muster eingeritzt worden. Ich merkte bei jedem Schritt, wie der Boden unter meinen Füßen ein klein wenig einsackte und Fußspuren dort zu sehen waren, die nach ein paar Sekunden wie von Zauberhand wieder verschwanden. Unmittelbar vor der Tür blieb ich stehen. Ich starrte auf den Knauf und mein Herz begann zu pochen. Plötzlich spürte ich etwas auf meiner Schulter. Ich schrak zusammen, drehte mich panisch um und stand direkt vor Micah. Unsere Gesichter waren nur Zentimeter von einander entfernt und er starrte mir direkt in die Augen. „Okay ähm“, ich räusperte mich und trat ein paar Schritte zurück, nur um mit meinem Rücken gegen die Tür zu stoßen. „Dann mach ich mal auf!“, sagte ich schnell und kehrte Micah wieder den Rücken zu. Ich konnte seinen Blick auf mir spüren, doch damit wollte ich mich jetzt nicht aus eindersetzen und öffnete schließlich die Tür.
Was ich dahinter sah, verschlug mir den Atem. Wir standen auf einer riesigen Lichtung. Viele Hundert Meter entfernt, sah ich den Waldrand. Als ich ein paar Schritte vorwärts ging und mich umsah, konnte ich erkennen, wie riesig die Lichtung wirklich war. Nämlich so riesig, dass ich das andere Ende des Waldes nicht mehr erkennen konnte. Offensichtlich war es Sommer. Alles war grün, die Gänseblümchen überwucherten den Boden und Vogelzwitzschern war überall zu hören. Ich ging noch ein paar Schritte vorwärts. Dabei spürte ich einige Grashüpfer um meine Beine springen. Micah blieb die ganze Zeit in meiner Nähe und betrachtete meine Reaktion. Als sich ein breites Lächeln auf mein Gesicht setzte, sah er sehr zufrieden aus. „Wo sind wir hier?“, fragte ich und konnte den Blick nicht mehr von dieser atemberaubenden Umgebung abwenden. „Sozusagen ist es dein neues Zuhause. Die nächste Zeit wirst du hier verbringen.“
„Lebst du auch hier? Werden wir und oft sehen?“Ich war so fasziniert von all dem hier, ich wurde nicht einmal rot bei dieser Frage, obwohl sie vollkommen ernst gemeint war. Micah ging es da anders, allem Anschein nach habe ich ihn überrascht. Er trat nervös von einem Fuß auf den andern und seine Ohren bekamen ein schönes dunkelrosa anstatt seines makellosem dunklen Teint.
„Ja, ich lebe auch hier und wir werden uns wahrscheinlich täglich sehen. Ich bin nämlich dein ähm ... Trainer. Genau. Der bin ich. Und jetzt lass uns weitergehen, ich muss dir noch viel zeigen!“ Er lächelte kurz und lief voraus und bedeutete mir ihm zu folgen. Micah ging zügig voran und ich musste mich ein wenig beeilen um, ihm zu folgen. Nach einer Weile kamen wir an einen Hügel, der mir ein wenig Schwierigkeiten bereitete und mich wieder ein paar Schritte hinter Micah warf. Sein Jackett wirbelte im Wind und es sah ein bisschen aus, als würde er mehr schweben als gehen und so lief er elegant den Hügel hinauf.
Die ganze Zeit über sprach Micah nicht ein Wort, doch als er oben angekommen war, drehte er sich zu mir um, reichte mir seine Hand und sagte mir aufgeregt, ich solle mich beeilen, denn was sich auf der anderen Seite abspielte, durfte ich auf keinen Fall verpassen.
Und da hatte er so was von Recht!
Oben angekommen, sah ich eine wahnsinnige Landschaft, wie aus einem Bilderbuch entsprungen.
Auf der rechten Seite lag ein riesiger See, umsäumt von ein paar Bäumen und Büschen, dahinter ein weitläufiges Waldgebiet und noch viel weiter hinten waren die Konturen einiger Berge zu sehen, die bis zu den Wolken aufragten.
Direkt vor uns war eine große Rasenfläche, auf der einige Menschen in kleinen Gruppen zusammenstanden und gegeneinander kämpften. Sie trugen eigenartige grüne Roben und kämpften mit den verschiedensten Waffen.
„Wow, das ist Wahnsinn! Was ist das?“ Ich sprach ganz leise, um diesen Augenblick nicht zu zerstören.
„Das, meine Liebe, ist dein neues Zuhause.“

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Tag der Veröffentlichung: 08.06.2012

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