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Die Qualen des T..Antalos

 

Theodore Antalos war ein sehr erfolgreicher Schriftsteller. 

Seine Bücher verkauften sich gut und für seinen Verlag war er der beste Pegasus im Stall, der die Auflagen mit sich in die Höhe riß.

Die Kritiker im In- und Ausland waren ihm gewogen und begleiteten jede seiner Neuerscheinungen mit wohlwollenden Rezensionen.

Auf den Kulturkanälen war er stets ein gern gesehener Gast in Zirkeln, Literaturforen und Kaminrunden.

So blieb es nicht aus, daß er irgendwann im Kampf gegen die Totsünde der Eitelkeit den Verlockungen nachgab und damit begann, sich Vorteile zu verschaffen, die er weder nötig hatte, noch ihm am Anfang seiner Karriere je vorstellbar gewesen waren.

Er sprang bei neuen Trends auf deren Trittbretter, und es gelang ihm nicht selten, diese Trends als von ihm imitiert zu annektieren.

Selbst vor dem Diebstahl guter Ideen seiner Zunftbrüder schreckte er immer weniger zurück und er verstand es, seine Beute so zu verstärken und zu überhöhen, daß seine Leser nie auf die Idee kamen, deren Ursprung woanders als bei ihm zu vermuten.

Fast alle größeren Literaturpreise hatte er schon gewonnen, nur den Olymp in Stockholm hatte er noch nicht erklimmen können.

Er wußte nicht woran es lag, daß die Mitglieder des Nobelkomitees seine schriftstellerischen Leistungen nicht ehren wollten, aber für das nächste Jahr hatte er einen Plan.

Er kannte einige Mitglieder vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels von ihren Aufenthalten an den Gestaden seiner Heimat.

Während langer warmer Nächte war man sich näher gekommen und machte sich gegenseitig die artigsten Komplimente über das jeweilige Literaturschaffen, und es waren auch immer Mitglieder des Stiftungsrates dabei. Diese bestimmten den jährlichen Preisträger des internationalen Friedenspreises und das wäre, nein, mußte doch eine erstklassige Empfehlung für die ignoranten Wikinger sein.

In Kürze stand nun am Strand die große Eorti der Saison auf der Agenda und die wollte er nutzen, um den Kritikgöttern ein literarisches Festmahl zu kredenzen.

Sein schriftstellerischer Ziehsohn, der ihn wie einen Vater verehrte, hatte sein erstes Manuskript fertig und es ihm als zur Begutachtung übergeben.

Theodore war sehr begeistert von dem Erstlingswerk, erinnerte ihn doch der Schreibstil an seinen eigenen.

Damals, als junger Schriftsteller hatte er diesen frischen Stil und diese brillante Art und Weise, mit Wörtern Bilder in die Hirne der Leser zu zaubern. .

Leider war es ihm nur zu bewußt, daß er zu dieser Schreibkultur nicht mehr zurückfinden würde, war doch das Schreiben bei ihm inzwischen eher Beruf denn Berufung .

Aber warum sollte, ganz ausnahmsweise,  und der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel, dieses Manuskript nicht ein Kind von ihm sein? 

Hatte er nicht den jungen Mann durch seine großzügige Unterstützung und Anerkennung, erst soweit gebracht, solch ein Buch schreiben zu können?

Und außerdem war er ja noch sehr jung und auch voller Schaffenskraft, das nächste Werk würde sicher noch besser werden, und er würde dieses dann für ihn präsentieren, um damit das wieder gutzumachen, was er sich jetzt anschickte zu tun.

Er gab seinem Verleger zu verstehen, daß er vorhatte, auf der Eorti aus seinem neusten Werk zu lesen.

Der Verleger war erstaunt erst jetzt davon zu hören, begleitete er doch Theodores Bücher sonst immer schon während dieser damit schwanger ging

Er war aber natürlich heilfroh, endlich wieder etwas aus Theodores Werkstatt veröffentlichen zu können.

Und so kam es nun zu seinem großen Auftritt, und je mehr Zeilen er beim Lesen an Zeile reihte, um so mehr trug ihn die spürbare Woge der Anerkennung aufwärts zum Olymp.

 Das Publikum war begeistert, wieder die Glut des alten Antalos spüren zu können, und es war für ihn wie ein Rausch.

Er endete und schaute huldvoll in sein Publikum, und sein Blick blieb an seiner alten Bekannten Demeter vom Diogenesverlag hängen, die in ein Gespräch vertieft war.

Ihr Gesprächspartner war niemand anderes, als jener junge Schriftsteller, dessen Erstlingswerk er gerade allen als sein geistiges Eigentum präsentiert hatte.

Es wurde kühl um ihn, und das lag nicht am Wetter.

Der Applaus brandete zwar auf, über den Strand bis weit hinaus auf die Ägäis, aber seine Augen ruhten auf der Demeter, die nun mit zwei anderen Kritikern im Gespräch war, und er sah die sichtliche Erregung der Beteiligten.

Lange nach dem Abebben der Begeisterung seiner Fangemeinde ging er zur Strandbar, um wie immer die Afterpartygespräche zu führen.

Jene Hintergrundgespräche, die ihn über Frankfurt hinaus direkt nach Stockholm tragen sollten.

Die Bar war jedoch verwaist, keiner seiner einflußreichen Freunde und Gönner war dort.

Theodore ging heim.

 

Da saß er nun Tag für Tag in seinem Arbeitszimmer, den Schreibtisch bis zu seinem Bauch gefüllt mit Notizen, Entwürfen und begonnenen Manuskripten.

Immer, wenn er eine seiner Arbeiten vollenden wollte, verschwanden seine Ideen im Nichts.

Immer, wenn er einen seiner Freunde anrufen wollte, war dieser beschäftigt, verreist oder einfach nicht für ihn zu sprechen.

Und wenn der Oktober kam, ließ er donnerstags sein Telefon nicht aus den Ohren und war beim ersten Klingeln am Hörer.

Und jedesmal war es nicht der Anruf von der Akademie in Stockholm, sondern irgendeine Telefonwerbung, Marktforschung oder eine falsche Verbindung.

Und über ihm schwebte drohend die Vergessenheit.

 

 

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Tag der Veröffentlichung: 03.09.2016

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