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Die Bäckerin

 

 

Früh um elf Uhr ist bei mir die Nacht vorbei, und mein Metabolismus giert nach Atzung.

Dusche, Klo, Klamotten und ab zum Bäcker.

Ja, ich habe sowas noch in meiner Straße, kein Kamps oder Kunz, sondern einen richtigen Handwerksbetrieb.

Bei dem duftet es nicht nach Fettgebackenem, wie auf den meisten U-Bahnhöfen, wo sich die Freßstellen der Fettleibigen befinden, sondern nach Sauerteig und Krusten.

Besonders das Sortiment ist unschlagbar, hier gibt es noch Liebesknochen, Karlsbader Hörnchen und meine heißgeliebten Kümmelstangen.

Der Laden ist deshalb auch immer gut gefüllt, und drei Verkäuferinnen geben ihr bestes an der Kundenfront.

Mit den dreien ist es wie am einarmigen Banditen, nur daß es nicht drei Kirschen sind, die zum Jackpot führen.

Der Jackpot ist die dunkelhaarige Kirsche, äh Verkäuferin, die anderen beiden würden sogar als Trostpreis Depressionen auslösen.

Und so ist das hier jeden Morgen meine kleine Glücksspielhalle.

Diese Woche hatte ich zweimal die Dicke, und bei der frage ich mich immer, ob die in der Backstube einen Maulkorb tragen muß.

Außerdem ist sie immer recht schnippisch. Nein, die mag ich nicht.

Dreimal war es die Hagere, die ihre besten Jahre lange schon hinter sich hat und leider etwas lispelt.

Das wäre an sich ja nicht so schlimm, aber die Feuchtigkeit, die sich dabei durch das Gehege ihrer Zähne als feuchter Nebel auf den Brötchen verteilt, tut der Kroßhaftigkeit reichlich Abbruch.

Heute muß es doch mal mit dem Sahneschnittchen klappen!

Ich weiß nicht warum, aber sie bediente mich am wenigsten von den Dreien.

Jede hat jetzt genau einen Kunden, und die nächste freie Dame gehört mir!

Meine Spannung steigt ins Unermeßliche.

Der olle Sack, mindestens 10 Monate älter als ich, schäkert mit der Perle noch rum, anstatt zu zahlen und zu gehen.

Drohend höre ich das Geklimper von Hartgeld neben mir, verdammt, die Oma zahlt bei der Dicken.

Sie kramt, gottseidank, noch in den Tiefen ihres großen Portemonnaies nach verborgenen Kupferschätzen, weil sie es doch passend geben will.

Gut so, gib es der Dicken ganz, ganz klein.

Gefahr droht aber auch von der anderen Seite, da bekommt dieser Typ im Blaumann neben der Dusche der Hageren schon sein Wechselgeld.

Mein Stoßgebet wird erhört, er hat etwas für seinen Kollegen vergessen, also Gefahr gebannt.

Endlich ist der olle aufdringliche Typ vor mir fertig mit seiner Balz.

Der Jackpot gehört heute mir!

Sie lächelt mich freundlich an, und ihre Grübchen haben etwas Herausforderndes.

„Und was bekommen Sie ?“,ertönt es, von wohlgeschwungenen, vollen Lippen artikuliert, aus dem Mund der Kuchenfee.

„Eine Lümmelstange!“

Sie grinst sehr damenhaft und packt sie ein.

Als ich bezahle sehe ich aus dem Augenwinkel die Dicke doof kichern und höre die Hagere sabbern.

Kuchenfee hin oder her, morgen geh ich zu ALDI und hole mir was zum Aufbacken.

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Tag der Veröffentlichung: 18.05.2016

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