Cover

Achim, ein Bier

Zwei Bier lang sitze ich jetzt hier schon am Tresen, hinter dem Achim mit gebremstem Eifer seine Kunden bedient.

Da geht die Tür auf, und zwei Frauen kommen herein, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Die eine gut auf 1,70 m gewachsen, schlank und schwarze lange Haare, die andere eine blondierte Pummelfee von der Sorte laufender Meter.

 

Sie setzen sich an die Bar. Kurz kreuzen sich unsere Blicke. Die Schönheit wendet den ihren ein wenig zu schnell ab, die Pummelfee strahlt mich an.

 

‚Sorry‘ denke ich, ‚Du bist nicht mein Beuteschema.‘ und trinke mein Bier weiter.

Die Schönheit nestelt aus ihrer Handtasche eine Zigarettenpackung vom Typ  Longsize.

Ich beeile mich, mein Feuerzeug aus der Jacke zu holen und ihr Feuer anzubieten.

Sie läßt mich gewähren, allerdings mit spöttisch heruntergezogenen Mundwinkeln.

 

„Achim, ein Bier!“

 

Die Pummelfee hat auch eine Zigarette hervorgezaubert, aber ich lasse sie sie alleine entzünden. Nicht, daß sie sich nachher irgendwelche Hoffnungen macht.

Trotzdem strahlt sie mich an.

 

Über diese Art von Frauenpaaren habe ich schon seit meiner Jugend nachgedacht.

Sie sind grundsätzlich zu zweit. Eine ist immer hübsch und die andere immer ziemlich häßlich.

Ich kam damals zu der Überzeugung, daß das so eine Art Symbiose sein mußte.

 

Die Schöne wirkte durch den direkten Vergleich mit der Häßlichen noch schöner und jene bekam die abgewiesenen Bewerber als Beifang ab.

 

Und immer, wenn ich diese Sorte Frauenpärchen sah, schien sich meine Theorie aufs Neue zu bestätigen.

 

Na, soll sie meinetwegen den Beifang bekommen, ich werde jetzt den Schwertfisch zur Strecke bringen, weil ich nicht nur gut aussehe, sondern auch die besten Erfahrungen habe.

 

„Achim, ein Bier!“

 

Intellektuell zieht immer, also Köder an den Haken und die Angel ausgeworfen.

 „Junge Frau, was halten Sie von der diesjährigen Vergabe der Nobelpreise?“

 

Sie schaut mich an, nimmt einen tiefen Zug und bläst den Qualm in meine Richtung.

„Nobel, das finde ich sehr nobel.“ Dabei schaut sie mich grinsend an und widmet sich ihrem Cocktail.

 

Und als ob sie mich provozieren will, fragt sie diesen geschniegelten Macho gegenüber, ob er wisse, wer dieses Jahr den UEFA-Cup gewinnen würde.

 

„Achim, ein Bier!“

 

Genervt schaue ich zur Pummelfee, die mich immer noch anstrahlt.

Wieso nenne ich sie eigentlich „Pummel“?  So dick ist sie doch gar nicht.

 

Ok, sie hat eine sehr ausgeprägte Nase und zwei ziemlich große Tränensäcke unter den Augen hängen, also gewiß keine Schönheit. Aber pummelig ist sie nicht.

 

Nur eben nicht meine Klasse.

 

„Achim, ein Bier!“

 

„Sie interessieren sich für Fußball?“  forsche ich bei der Hübschen nach.

„Ja, aber natürlich!“ erwidert sie von einem sehr hohen Roß herab, um mich dann mit dem Zusatz: „Sie haben doch aber sicher nie selber gespielt.“, in die Couchpotatoecke zu bugsieren.

 

Blondie strahlt mich immer noch an.

Wo sind eigentlich ihre Tränensäcke geblieben? Es muß am Licht gelegen haben, eine optische Täuschung.

Sie hat blaue Augen und die lachen mich an.

 

Aber hübsch ist sie wirklich nicht.

 

„Achim, ein Bier!“

 

„Junge Frau, ich bin dreimal den Berlinmarathon mitgelaufen!“ beeindrucke ich die schwarze Hexe.

„Und sind auch immer angekommen?“ giftet sie zurück.

 

Ist schon komisch, mit dem Licht hier, die Nase der Blonden paßt eigentlich zu ihr, ja man könnte sie fast klassisch nennen.

 

„Achim, ein Bier!“

 

„Gute Frau, ich bin schon Marathon gelaufen, als der junge Mann hier noch im Kindergarten Fangen gespielt hat!“

Tja, der Satz sitzt im Schwarzen.

„Es würde mich nicht wundern, wären sie damals in Griechenland mitgelaufen!“  lacht diese arrogante Schnepfe.

Ich weiß echt nicht, was ich an dieser eingebildeten verknöcherten Zicke überhaupt gefunden habe.

 

„Wissen Sie was, mein Fräulein? Sie sind mir zu flach!“ werfe ich ihr hinterher, obwohl dieses „flach“ meine Optik Lügen straft. Aber ich wende mich nun endgültig von der Schwarzhaarigen ab.

 

Eigentlich ist die Blonde sogar ziemlich hübsch, und gleich wird sie eine Schönheit.

 

„Achim, ein Bier und einen Doppelten!“

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 09.12.2015

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /