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Klappentext

Eine Geschichte, die von einem inklusiven Computerspiel erzählt. Wargames – ein Kriegs- oder ein Friedensspiel?

Ein Szenario, wie es sich viele Menschen, nicht nur in Deutschland, zum Ablauf des Jahres 2025 nicht besser wünschen könnten.

 

Von der Autorin in eigener Sache:

Diese Kurzgeschichte ist auch schreibtechnisch ein Experiment, weil ich die Idee ausprobieren wollte, wie eine Story, deren Kapitel in fünfzehn chronologisch aufgebauten Drabbles geschrieben wurden, bei Lesenden ankommt.

 

Wargames als Hörbuch mit KI-Stimme

 

Wargames

Mai 2025

 

„Guten Morgen, Alena", sagte Enzo zu der Frau, mit der er in Berlin ein Dunkelrestaurant betrieb, das für italienische Köstlichkeiten bekannt war.

„Guten Morgen, wie schön, dass heute Feiertag ist und wir länger schlafen dürfen, weil wir erst zum Abendessen öffnen", antwortete die Schwarzhaarige mit dem entstellten Gesicht und umarmte ihren Partner liebevoll.

„Geschlossene Gesellschaften hatten wir schon öfter, eine Lesung über ein neu erschienenes Buch noch nie", sagte der Mann.

„Das Buch heißt wie der heutige Feiertag "Himmelfahrt" und erzählt die Geschichte einer Blinden, die in einen männlichen Körper geboren wurde", antwortete sie und küsste ihn zärtlich.

 

Juni 2025

 

„Boah! … Echt jetzt, ein neues Spiel, und du bist Beta-Testende?", sagte Sven zu Kim.

„Ja, es ist barrierefrei und unbeschreiblich spannend", antwortete das blinde Mädchen dem Jungen, der im Rollstuhl neben ihr saß und darüber staunte, was sich auf dem Bildschirm abspielte.

„Es ist ein Strategiespiel, in dem es darum geht, wie Europa sich mit der NATO ohne die USA gegen die Bedrohung aus Russland wehrhaft positionieren kann", erklärte sie. „Magst du mitspielen? Die Rolle des neuen deutschen Bundeskanzlers ist sogar noch frei."

„Wow, cool, die hatten schon einen Minister im Rolli, wer bist du?“

„Yaryna, Charkiw, Ukraine …“

 

Juli 2025

 

Als Taras Nowikow, der russische Präsident, in Begleitung seiner ukrainischen und amerikanischen Amtskollegen den Saal betrat, wurde es still.

Nach der Unterzeichnung des Vertrages, in dem auf drei Jahre befristet eine Waffenruhe des überfallenen Landes mit Russland geregelt wurde, knallte gleich nach dem obligatorischen Händeschütteln ein Sektkorken und die Vertragspartner bestätigten sich vor den laufenden Kameras der Fernsehsender, dass es eine gute Sache sei, das Blutvergießen zu beenden.

Zum gleichen Zeitpunkt heulten in der Ukraine Sirenen auf, die vor russischen Raketen warnten.

Die Menschen in der Ukraine hofften auf einen Fehlalarm und verschwanden wie vorher in schützenden Bunkern.

 

August 2025

 

„Oh, das Mittagessen ist fertig“, dachte Holly, als die Lampe, die in ihrem Zimmer die Wohnungstürklingel ersetzte, kurz aufleuchtete.

„Hast du wieder gespielt?“, gebärdete die Mutter ihrer gehörlosen Tochter, die gerade durch das Abi gefallen war. „Dein Essen ist inzwischen kalt."

„Tut mir leid.“ Hollys Löffel klirrte, halb umwickelt von Spaghetti, am Tellerrand.

„Das Kriegsspiel wieder …, du würdest besser Latein lernen“, sagten die Hände der Mutter.

„Es heißt 'Si vis pacem, para bellum', Mama."

„Ich kann kein Latein."

„Wer den Frieden will, muss den Krieg vorbereiten", übersetzte Holly.

„Mit vollem Mund spricht man nicht", antwortete die Mutter.

 

September 2025

 

„Wenn die lieber Verbrenner fahren, panzern wir die Ladenhüter und verkaufen sie als autonome Selbstfahrer mit Rohr zum doppelten Preis an das Militär", sagte der Manager des Werks, das zur Produktion von Elektroautos neu gebaut worden war, zu seinem Marketing-Chef, der zu den wenigen Mitarbeitern gehörte, die noch nicht auf Kurzarbeit gesetzt worden waren.

„Unser Markt ist USA", gab der Vertriebsmann zur Antwort.

„Wir produzieren in der EU", grinste der Reiche.

„Zollfrei!", lachte der andere und ließ die neuen Angebote per E-Mail versenden.

„Das klappt! Weitere Werke kaufen wir in Bayern, Stuttgart, Neckarsulm und Wolfsburg“, lachten beide.

 

Oktober 2025

 

Si vis pacem, para bellum, las Otto in einer Mitteilung der Jusos, der er auf einem halb vergessenen Außenposten der SPD als Russlanddeutscher und Vertreter einer unterdrückten Minderheit in Transnistrien angehörte.

- Kein gutes Spiel, aber vielleicht die beste Option - ,dachte er, als er sich mit gemischten Gefühlen auf dem Portal bei den Mitspielenden anmeldete.

Als bekennendem Pazifisten war ihm so mulmig zumute, dass er sich gleich wieder abmelden wollte. Aber dann poppte eine Chatnachricht auf, die ihn aufhielt.

„Ich bin Holly", las er …

„Ich bin Otto …"

„Cool, wollen wir zusammenspielen?", schrieb ihm Holly.

„Gern, aber nicht kämpfen!"

Holly: „Muss sein!"

 

November 2025

 

„Guten Morgen, Herr Bundeskanzler", las Sven auf seinem Monitor und freute sich über die Punkte, die ihn unerwartet zu Deutschlands beliebtestem Politiker hochgepusht hatten.

„Aus Wolfsburg, München, Neckarsulm und von den sieben wichtigsten Zulieferern sind Auftragsbestätigungen eingegangen, nur aus Stuttgart warten wir noch auf den Termin für die Auslieferung der ersten Tranche Schwerfahrzeuge, die für die Logistik gebraucht werden", schrieb Holly, die sich zu seiner Assistentin hochgearbeitet hatte.

„Das ist noch nicht alles", tickerte Holly.

„Yaryna, unsere Korrespondentin aus Kiew, hat noch die Inbetriebnahme von drei weiteren Luftabwehrsystemen gemeldet, die von den USA, aus Israel und aus Deutschland geliefert wurden.“

 

1. Dezember 2025, 4:07 Uhr

 

„Holly, ich hab Angst", schrieb Otto um 3:23 Uhr aus Tiraspol und nutzte das Spiel, um sich von der Realität abzulenken. „Hier dröhnen schon seit fast drei Stunden russische Militärkolonnen durch die Straßen und seit einer halben Stunde lässt das Rasseln von schweren Kettenfahrzeugen die ganze Stadt erzittern.“

„Keine Angst, Otto, wir sind doch gut vorbereitet und wussten, dass aus dem Spiel irgendwann Ernst werden würde. Was siehst du?"

„Die Soldaten sammeln sich alle am Bahnhof, Holly.“

„Geh in den Keller und vergiss dein iPad nicht", schrieb Holly mit einem Smiley und informierte den Bundeskanzler.

 

1. Dezember 2025, 4:09 Uhr

 

„Mila, das Spiel geht in seine erste heiße Phase", sagte der Sherpa seiner Chefin, als er die Administratorin weckte, die aus ihrer Villa in Albanien alles Erforderliche lenkte und koordinierte.

„Wo?", fragte die Geweckte auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz, der seit Monaten für diesen Moment vorbereitet auf sie wartete.

„Tiraspol"

„Gut! … wie erwartet", sagte sie mit einem grimmigen Lächeln.

„Kaffee steht hier", erwiderte der Gorilla, der schwarzhaarigen Taffen, die sich im Spiel "Schwarze Witwe“ nannte und die hier alle trotz ihrer Blindheit respektierten. „Es sind schon 17.713 Spielende aktiv, …"

„Der Kaffee riecht stark, danke!"

 

1. Dezember 2025, 5:03 Uhr

 

„Der Luftraum ist so sauber wie selten. Selbst die wenigen Wolken am Himmel sehen auf dem Radar wie frisch gewaschen aus", meldete die Front, die es in der russischen Propaganda noch nicht geben durfte, von vernichtendem Explosionslärm begleitet, sichtlich verzweifelt an den Kreml.

„Was ist das für ein Lärm?", fragte der Funker ängstlich zurück.

„Ein Feuerwerk aus Papier, das ohne Vorwarnung aus dem Himmel auf uns niederprasselt."

„Luftabwehr?"

„Geht nicht, wir sind blind wie Maulwürfe.“

"Störsender?"

„Nein, nichts …, ein übles Spiel", drang eine verzweifelte Stimme durch den Äther.

„Stellung halten, wir informieren den Präsidenten.“

 

 

1. Dezember 2025, 9:00 Uhr

 

„Otto meldet aus Tiraspol, dass die europäische NATO heute Nacht ihren ersten Stresstest wie von uns vorbereitet unerwartet gut bestanden hat, Herr Bundeskanzler", sagte Holly und nahm sich einen Schluck aus ihrem Kaffeebecher.

"Verluste?"

„Nicht bei uns, und es ist bis auf ein paar Schrammen auch wenig russisches Blut geflossen", erwiderte Holly.

„Konkret?"

„Der Dax ist auf 25.713 geklettert. Paperdrone GmbH, Eilenburg in Sachsen, ist Hauptprofiteur.

„Das Papierwerk, das den Markt für Kampfdrohnen erkannt hat, die für das Radar unsichtbar sind?" fragte Sven.

„Ja, Yaryna hat das Potential der chemischen Industrie in Eilenburg richtig eingeschätzt.“

 

1. Dezember 2025, 9:30 Uhr

 

„Das war die Retourkutsche des CIA dafür, dass wir im Mai verpasst haben, alles, was ging, aus den Friedensverhandlungen für uns mitzunehmen", polterte ein Offizier im Kreml.

„Nein, es war nur ein billiger Bluff, der Europäer", entgegnete ein Militärfunktionär. „Die Drohnen waren aus Papier.“

„Mag sein, aber es waren unzählig viele und sie wurden alle gelenkt.“

„Ein Spiel ohne Grenzen, und wir wissen weder, wie sie das schaffen, noch, wie wir das, was wir nicht sehen, bekämpfen könnten", ergänzte ein Diplomat. „Unseren Strategen fehlen jegliche Argumente, um die Soldaten vom Sieg zu überzeugen."

Präsident: „Angstmacherei"

 

1. Dezember 2025, 10:00 Uhr

 

„Holly, jetzt hab ich noch mehr Angst", schrieb Otto, dem der gespenstisch leere Bahnhofsplatz, der wie nach einer Silvesterparty aussah, mulmig vorkam.

„Wir haben sie mit ihren eigenen Waffen geschlagen."

„Sie könnten Atomraketen einsetzen", schrieb Otto.

„Die wir mit Lametta von ihren Zielen ablenken können", beruhigte ihn Holly.

„Glaubst du an Wunder?"

„Nein, ich vertraue auf uns und auf die neuen Weihnachtsgeschenke, auf die wir in diesem Jahr nicht nur aus Eilenburg hoffen dürfen", schickte ihm Holly mit einem Smily zurück.

„Du hast ja recht, aber du kennst ja auch keine Angst", kam zweifelnd zurück.

 

1. Dezember 2025, 11:00 Uhr

 

„Die schwarze Witwe meldet aus Moskau, dass die Sicherheitsberater des Präsidenten Angst vor Europas neuen Feuerleit-Kompetenzen bekommen haben und sich nicht erklären können, wie die neue KI der NATO funktioniert", informierte das barrierefreie Informationssystem alle Mitspielenden und belohnte alle beteiligten Akteure mit einem Bonus von zehntausend Punkten für jeden, der mitgespielt hatte.

„Bingo", sagte Kim zu Sven, die die erfreuliche Nachricht auf ihrer Braillezeile schneller gelesen hatte, als er ihr die Neuigkeit vom Monitor hätte vorlesen können, und tippte ‚Schwarmintelligenz‘ in den Chatbot ein.

"Einhundert Punkte für Yaryna", las Holly in der Fußzeile ihres Bildschirms.

 

24. Dezember 2025, 19:45 Uhr

 

„Wir begrüßen sie zur Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten. Um 20:00 Uhr folgt die Tagesschau", tönte es aus den Lautsprechern vieler Fernsehgeräte in Deutschland.

„Das Wollen erkennt man am Tun, liebe Mitbürger*innen“, sagte der Bundespräsident und lobte nicht nur die große Koalition für ihr mutiges Handeln. Der überraschende Aufschwung der deutschen Wirtschaft sei für alle ein schönes Weihnachtsgeschenk, aber dass mit Beginn der Adventszeit nach über drei Jahren Krieg in Europa wieder Friede eingekehrt sei, sei der Beweis dafür, dass Angst ein so schlechter Ratgeber wie Resignation und Trägheit sei.

"Si vis pacem, para bellum: Frohe Weihnachten!"

Die ganze Geschichte

Himmelfahrt

 

 

 

Die Schattenglut Trilogie

 

Die Schattenglut Trilogie

Impressum

Texte: © Lisa Mondschein
Bildmaterialien: © Google Gemini
Cover: © Fizzy Lemon
Tag der Veröffentlichung: 12.05.2025

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für alle, die sich Frieden wünschen … Dass wir uns aktiv gegen die Feinde der Demokratie stellen und den Gegnern der Freiheit nicht die Chance geben, uns zu ängstigen.

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