„Das finde ich ja echt lustig, dass du genauso Nele heißt, wie die Schwester von meinem Freund Marc. Das ist nämlich einer der Gründe, warum ich nach Berlin gefahren bin. Ich bin hier, um Nele zu besuchen, eine andere Nele eigentlich“, sagte ich mit einem netten Lächeln.
„Ja, Mara, Zufälle gibts … Gerade, weil Nele, ja auch kein so weit verbreiteter Modename wie Lara, Lisa oder Lena ist“, antwortete Nele, um unseren netten Smalltalk weiter in Gang zu halten.
„Mara kommt zum Glück auch nicht so häufig vor. Schon die Vorstellung daran, dass ich jedes Mal, wenn ich wo meinen Namen höre, immer erst herausfinden müsste, ob ich auch wirklich gemeint bin, finde ich mega nervig", sagte ich zu der Frau, mit der ich durch den Bahnhof Berlin-Mitte auf dem Weg zum Taxistand unterwegs war. Nele und ich hatten meiner Mutter kurz zuvor geholfen, den richtigen Platz in einem Nightjetzug nach Freiburg zu finden. Als wir meine Mutter dann nicht mehr auf der Pelle hatten, bot mir Nele, weil sie noch genug Zeit bis zu ihrer eigenen Weiterfahrt hatte, an, mich noch bis zum Taxistand zu begleiten. Dass ich mich schon auf das kleine Abenteuer gefreut hatte, den Weg zum Taxistand zunächst mit so wenig Hilfe von Dritten wie möglich alleine zu finden, behielt ich für mich. Nele war mir auf Anhieb sympathisch. Deshalb brachte ich es einfach nicht über mein Herz ihr, aus reiner Abenteuerlust, mit der Ablehnung ihres gut gemeinten Angebotes vor den Kopf zu stoßen. Dennoch kam es mir ein bisschen so vor, dass Nele mir, genauso wenig wie ich meiner Mutter, die genauso stockblind wie ich ist, eine selbständige Tour durch einen noch fremden Bahnhof zugetraut hätte. Dass ich da ganz anderer Meinung war, tat aber in dem Moment nichts zur Sache, wenngleich es mich schon ein bisschen wurmte. Ohne unsere Hilfe hätte es meine Mutter sicher nie geschafft, alleine zu ihrem Zug zu finden. Bei mir ist das aber ganz anders, weil mein Vater mich schon total früh als sein blindes Kind richtig gut gecoacht hatte. Ihm habe ich es zu verdanken, dass ich meine autarke Mobilität mit Selbstbewusstseins fördernder Leidenschaft von Tag zu Tag immer weiter zu perfektionieren gelernt hatte. Deshalb bin ich viel selbständiger als meine Mutter und darum hätte ich Nele hier bestimmt auch nicht unbedingt als Begleiterin gebraucht. Nele kam mir aber von dem ersten Wort an, das ich aus ihrem Mund gehört hatte, so lieb vor, dass ich ihr Angebot, mich noch bis zum Taxistand begleiten zu wollen, nur deshalb nicht ablehnte. Dass es mir auch Spaß gemacht hätte, den Berliner Hauptbahnhof auf eigene Faust zu erforschen, behielt ich deshalb lieber für mich. Zeit für das kleine Abenteuer hätte ich allerdings noch genug gehabt und schließlich hatte ich ja Nele wegen meiner Mutter um Hilfe gebeten und sie hatte sich mir auch nicht aufgedrängt.
„Ich möchte mich dir aber nicht aufdrängen“, sagte meine Begleiterin, so als hätte sie meine Gedanken lesen können, mit einem warmherzigen Lächeln in ihrer Stimme. Die Geräusche des selbst am frühen Abend noch recht geschäftig wirkenden Bahnhofs waren so vielseitig wie die Gerüche eines arabischen Gewürzmarktes. Die Stimmung, die ich hier wahrnahm und voller Neugier mit meinen Ohren und meiner Nase regelrecht aufsog, war genau so, wie ich mir das von dieser freien und weltoffenen Stadt erträumt hatte. Dass die Kuppel, nein wohl eher ein Kasten, vielleicht so ähnlich wie ein auf dem Kopf stehendes Aquarium aus schweren Glasplatten bestand, wusste ich aus den Internetrecherchen, die ich zur Reisevorbereitung vorher angestellt hatte. Die sachlich nüchterne Architektur stellte ich mir wie einen Eiszapfen vor, an dem ich mit meiner Zunge lecken könnte, um den Geschmack dieser atemberaubenden Großstadt auf diese Art schmecken zu können. Zum ersten Mal in meinem Leben roch ich den Duft der Stadt, von der ich mir erhoffte, dass sie für mich das Tor zur großen weiten Welt werden würde. Zu meiner Welt, meiner freien Welt, die ich in Freiheit erforschen und so darin leben wollte, wie ich mir das immer herbeigesehnt hatte.
„Einundzwanzig Uhr Vierundvierzig“, quäkte es aus meinem Handy, nach dem ich die Zeitabfrage aktiviert hatte.
„Bis zum Taxistand dürften wir eigentlich nicht länger als fünf Minuten brauchen. Vielleicht reicht es ja noch für zwei Kaffee?“, schlug ich Nele vor. Dabei spürte ich dieses Kribbeln in meinem Bauch, das ich nur zu gut aus vielen schönen Stunden mit meiner besten Freundin Mila kannte, die vor einiger Zeit plötzlich spurlos aus meinem Leben verschwunden ist.
„Ich hab noch ’ne knappe Dreiviertelstunde“, sagte Nele und ich hörte, dass sie sich über meinen Vorschlag freute.
„Prima, dann sind wir hier im Erdgeschoss genau richtig und ich rieche auch schon den Duft von frisch gebackenen Sachen“, sagte ich und deutete auf eine Art Café, aus dem es besonders gut duftete. Dann schnalzte ich erst zwei und danach noch drei weitere Male mit meiner Zunge, während ich dabei meinen Kopf hin- und herdrehte.
„Da stehen doch Stühle und kleine Tische“, sagte ich und fand die Atmosphäre, die sich etwas nach Bistro anhörte und von den Architekten hier drinnen schön heimelig geschaffen worden zu sein schien, echt ansprechend.
„Ja, das stimmt, aber ich dachte, du bist blind?“, fragte mich Nele etwas irritiert und das Kribbeln wurde mit jedem weiteren Satz, den sie mit ihrer auf mich jetzt schon betörenden wirkenden Stimme zu mir sagte.
„Klicksonar machts möglich. Auf diese Art kann ich solche Gegenstände fast so gut hören, wie du sie sehen kannst, Nele“, gab ich ihr zur Antwort, faltete meinen Blindenstock zusammen, verstaute ihn in meinem Rucksack und fragte sie nach ihrem Arm.
„Wie kannst du nur …?“, schimpfte mich eine innere Stimme aus meinem tiefsten Inneren ganz entsetzt, aber meine autarke Mobilität war in diesem Moment total schnurz. Das Einzige, was ich wollte, war mehr Zeit mit Nele. Wenn jetzt Sommer wäre, dachte ich, könnte ich sogar ihre nackte Haut fühlen. Dass ich mich nur wegen meiner Sehnsucht, mehr von Neles Körper entdecken zu wollen, dazu herab gelassen hatte, mich von ihr führen zu lassen, wollte ich mir aber keinesfalls anmerken lassen. Selbst als sie mich spontan unterhakte, genoss ich ihre Nähe mehr, als dass ich sie, so wie ich das sonst in ähnlichen Situationen getan hätte, dafür anschnauzte. Mit einem Lächeln befreite ich mich aus ihrem Griff und legte meine Hand behutsam oberhalb von Neles Ellenbogen um den Ansatz ihres Oberarms.
„So macht man das eigentlich, sagte ich", und unterdrückte, so gut ich es hinbekam, ein erregtes Zittern in meiner Stimme, während ich ihr, an ihrem Arm geführt, zu einer freien Tischgruppe folgte.
„Na, ihr zwei? Wat darf’s 'n sein für die beden Hübschen?“ fragte uns kurz darauf die flott klingende Stimme eines älteren Herrn.
„Für mich einen Cappuccino und vielleicht ’ne Sahneschnitte mit Himbeeren, oder so etwas in die Richtung“, preschte ich vor.
„… Und für mich nur ’nen Kaffee ohne wat“, ergänzte Nele.
„Ne Joghurtsahne mit Blueberry, det würd ick der blonden Dame dann janz frech mal lecker empfehlen“, sagte der Kellner und verschwand, nach dem ich zu seinem Vorschlag dankend genickt hatte.
„Keine Lust auf süß …?“, fragte ich Nele.
„Nee, besser nicht, für mich ist fast immer Fastenzeit“, antwortete sie mir in einem Ton, der nicht wirklich glücklich klang.
„Willst Kalorien sparen?“, hakte ich nach, weil ich schon an ihrem Arm gespürt hatte, dass sie wohl ein bisschen mollig geraten ist, aber ich dachte mir aber nichts Böses dabei.
„Ja, das auch, aber auch sonst kann bisschen Enthaltsamkeit nicht schaden. Das ist nicht nur gut für den Körper, sondern auch hilfreich für einen reinen Geist“, sagte Nele und ich überlegte mir, ob es eine gute Idee war, mir vor ihren Augen jetzt gleich so ein leckeres Törtchen einzuverleiben. Nachdem ich schon so tollpatschig gefragt hatte, entschied ich mich dann aber wenigstens dafür, jetzt einfach alles so zu lassen wie es war und es nicht noch peinlicher werden zu lassen.
„Kein Problem, wenn du meinst, dass es so besser für dich ist …“, bemerkte ich vorsichtig vermittelnd, weil ich das Thema ja auch nicht ganz ersticken wollte, falls Nele mir vielleicht noch mehr zu dem sagen wollte, was sie möglicherweise bedrückte.
„Ach schon gut“, lenkte Nele weiter ab. Damit schien mir mein Ausrutscher verziehen und das peinliche Thema war zum Glück wieder erledigt.
„Was studierst du denn in Stralsund?“, frage ich weiter, um das Gespräch im Fluss zu halten.
„Ich lebe dort und meine Uni ist eigentlich in Marburg“, sagte Nele ohne zu wissen, dass sie damit unschöne Erinnerungen bei mir weckte.
„Ausgerechnet in Marburg?“, fragte ich skeptisch.
„Einmal den Cappu und die Blueberryschnitte für die blonde Schnitte und hier der Schwarze für Dunkle“, sagte der ältere Herr, der mit unserer Bestellung angekommen war und stellte die Sachen vor uns auf den Tisch.
„Danke, lieb von ihnen, das ging ja echt flott“, bedankte sich Nele so schnell und freundlich bei dem Schleimer, dass ich gar nicht mehr schnippisch auf den Macho-Spruch reagieren konnte und gleich darauf war er auch schon wieder weg. Diese Nele ist ein echt lieber Mensch, ging es mir durch den Kopf und ich spürte immer mehr dieses Kribbeln in mir. Ihr aber einfach so zu gestehen, dass ich ich schon richtig scharf auf sie geworden war, wollte auch nicht. Sie einfach zu fragen schien mir zu direkt zu sein, zumal ich damit noch ein ganz anderes persönliches Problem hatte, für das ich mir in Berlin eine finale Lösung erhoffte. Während ich noch darüber grübelte, wie ich unser Gespräch über die Zuneigung, die ich für Nele empfand, irgendwie eleganter, als mit einer tolpatschigen Frage in die richtige Richtung lenken könnte, gab mir Nele völlig unerwartet eine Steilvorlage.
„Berlin ist natürlich viel besser als Stralsund und auch viel cooler als Marburg, da bin ich voll bei dir. Eine wirklich tolle Stadt ist das hier. So offen und vielfältig … und so frei … Ich mag diese Stadt sehr gern“, sagte Nele und rührte sich Zucker in ihren Cappuccino.
„Das ist auch für mich ein weiterer Grund, warum ich nach Berlin gekommen bin und mich schon total darauf freue, diese wunderbare Stadt zu erleben“, antworte ich.
„Ich brauche Berlin, seine kulturelle Vielfalt und die Leichtigkeit, mit der hier alle miteinander umgehen, wie die Luft zum Atmen“, schwärmte Nele in vollen Zügen und ließ mich über den Klang ihrer Stimme tiefer in ihr Herz blicken.
„Kulturelle Vielfalt? … Das klingt gut … und was machst du dann hier so, wenn du in Berlin bist?“, fragte ich und streckte meine Hand nach dem Zucker aus. Die Richtung wo der Zucker auf dem Tisch stand, hatte ich mir gemerkt, nachdem Nele das Glas wieder auf dem Tisch abgestellt hatte, aber das war nicht alles. Der Zuckerstreuer musste oben die kantige Rundung eines schräg zugeschnittenen Metallrohrs haben, das wusste ich auch. Weil ich diese niedlichen altmodischen Zuckerstreuer schon lange kenne, kenne ich natürlich auch deren Klang. Deshalb hatte ich, während Nele sich vor mir von dem Zucker nahm, an dem leisen Rasselgeräusch schon gehört, nach welchem Merkmal ich Ausschau halten musste. Als ich dann gleich beim ersten Versuch die Metallspitze in meiner Handfläche spürte, dachte ich – Prima! … geht doch, jetzt kann sie mit eigenen Augen sehen, wie gut ich so einfache Sachen selbst auch ohne fremde Hilfe kann. Souverän ließ ich meine Hand über den Schraubverschluss hinab auf das Glas gleiten, nahm mir auch von dem Zucker und überlegte mir dabei, wie sich auch unser Gespräch in eine ebenfalls zuckersüße Richtung weiterentwickeln könnte. Nele, hatte während dessen schon damit angefangen mir zu erzählen, was sie hier in Berlin gern unternahm und wie oft sie sich deshalb hier aufhielt.
„Ich spiele im Museumsdorf Düppel als Statistin in einer Aufführung von Frühlingserwachen mit. Wir treffen uns dort alle vierzehn Tage an den Wochenenden zum Proben“, sagte Nele stolz, „und das Beste ist, dass ich dann auch die Fahrt und Übernachtungskosten abrechnen kann.“
„Frühlingserwachen von Frank Wedekind?“, antwortete ich spontan voller Begeisterung.
„Du kennst es …“, sagte Nele und ich genoss die Freude in ihrer Stimme.
„Ja klar, ein Drama in drei Akten aus der Zeit der Aufklärung. Die Autoren aus dieser Zeit, waren frühe Botschafter für Respekt, Wahrheit und Toleranz. Eine Art Vorboten der Inklusion“, antwortete ich und fragte sie, wo sie denn dann übernachtet, wenn sie ihre Wochenenden in Berlin verbringt.
„Nicht weit von hier, das Hostel heißt Space Night, es ist fast schon eine Institution in Berlin“, sagte Nele und fügte hinzu, „… Das Schlafen dort fühlt sich an wie eine Reise zu den Sternen und ist gar nicht teuer“,
„Echt jetzt? Sternen fliegen? … mitten in Berlin …? … das will ich auch ausprobieren“, antworte ich und stellte mir sofort vor, mit Nele dort heute die Nacht zu verbringen.
„Ja, es wirkt wirklich futuristisch, es nennt sich auch Capsule Hostel, weil die Zimmer nur kleine, aber sehr bequeme Kapseln, wie die Schlafzellen der Astronauten im Weltall sind. Die Betten sind aber schön groß und richtig kuschelig. Besonders im Sommer ist das für kleines Geld richtig cool, weil alles prima klimatisiert ist“, erzählte Nele weiter und ich wurde immer kribbeliger.
„Wann ist denn die nächste Aufführung?“, fragte ich neugierig.
„Die Premiere soll im April 2023 stattfinden, wir sind quasi schon fast im Endspurt“, sagte Nele und das erwartungsvolle Grinsen, das ich aus ihrer Stimme heraushörte, drang mir durch meine Ohren direkt in meinen Kopf. Wie ein Schwarm Schmetterlinge, die voller Frühlingsgefühle nach der Sonne strebten, erfüllten mich Neles Worte. Oje, jetzt tobten die Schmetterlinge nicht nur in meinem Bauch, sondern hatten mich von den Fußsohlen bis zu den Haarwurzeln erwischt und voll im Griff.
„Du Nele? Dein Zug morgen früh …? Hättest du Lust, mir das Space Night zu zeigen?", fragte ich vorsichtig.
„Klar Mara, kein Problem, wenn wir eine Kapsel zusammen nehmen wird es sogar noch günstiger für jede von uns …, falls dich das nicht stört, meine ich …“, sagte Nele, „ich bin eh schon ziemlich müde.“
„Wow, da drin gibt es ja sogar einen Tisch“, sagte ich zu Nele, die gerade die Tür zu unserer Kapsel geöffnet hatte und ich mir, bevor wir uns vor der Kapsel auszogen, einen ersten Überblick über unser nächtliches Reich verschafft hatte.
„Ja, ist für den Preis echt ok, gerade mal dreißig Euro für jede von uns. Das war echt eine gute Idee von dir, Mara, dass wir uns hier erst mal ausschlafen und danach unsere Reisen am frühen Morgen frisch und fit fortsetzen“, sagte Nele, während wir schon damit begonnen hatten uns vor unserer Kapsel auszuziehen.
„Hey, was heißt meine Idee. Ohne dich hätte ich diese coole Galaxie hier doch nie gefunden“, sagte ich grinsend und streifte mir meine Jeans ab.
„Galaxie klingt gut …, erinnert mich an Lunaria, sagte Nele“, während ich hörte, dass sie sich dabei ihr Oberteil abstreifte und ich selbst stand inzwischen auch nur noch mit meinem aufgefütterten BH und meinem Slip an da.
„Lunaria? Echt jetzt, die Lunaria-Galaxie kennst du auch?“, fragte ich und überlegte, ob ich Nele dort vielleicht sogar vorher mal als Pseudonym getroffen und vielleicht sogar schon einmal mit ihr gechattet hatte. Kurz danach krochen wir in unsere Kapsel, schlossen die Tür und kuschelten uns in unsere Decken. Dass Nele viel kleiner als ich war, wusste ich ja schon und dass sie so anders als Mila, nämlich viel weicher und etwas molliger war, wusste ich auch schon. Mein Problem war jetzt nur, dass Nele noch nicht wusste, wie ich wirklich bin und es vermutlich auch noch nicht gesehen hatte.
„Hast du schön warm, Mara?“, fragte mich Nele mit ihrer warmen Stimme und ich spürte, wie sich meine winzigen Brustwarzen unter meinem BH aufzustellen versuchten. Gegen die strammen Polster, die mir meine eher dezente Oberweite vermittelten, hatten sie aber keine Chancen und mein Verlangen, das drückende Ding abzulegen, stieg von Minute zu Minute mehr.
„Wenn du gleich schlafen willst, Nele? Dann machen wir besser das Licht aus, oder?", fragte ich vorsichtig.
„Schon passiert, hätte ja auch was sagen können, aber hier glimmen nur noch die bläulichen Schimmer der Knöpfe und Schalter. Für das Regulieren der Heizung brauche ich deshalb auch während der Nacht hier drin kein Licht. Soll ich dir den Drehschalter zeigen, dann kannst du ja auch selbst nachregulieren, wenn ich gleich eingeschlafen bin. Jetzt oder nie dachte ich mir in diesem Moment und tastete vorsichtig unter unserer Decke nach Neles Hand. Sie fühlte sich so weich und schön warm an, dass mir ein hitziger Schauer durch meinen Körper schoss.
„Oh Gott! … bitte nicht!", dachte ich im selben Moment. Denn ich spürte plötzlich eine Regung zwischen meinen Beinen, die mich so heftig ergriff, dass mir jetzt auch noch mein filigranes Spitzenhöschen zu eng wurde.
„Schlafen kann ich glaub’ ich, obwohl ich wirklich schon müde bin, eh noch nicht gleich“, sagte Nele und drückte zärtlich meine Hand, was mich noch mehr aufwühlte, mir aber andererseits auch total gefiel.
„Du bist nicht nur mega lieb, sondern auch eine schön frauliche junge Frau“, sagte ich und streichelte Nele mit meinem Däumchen zärtlich ihren Handrücken, „ich mag dich.“
„Ich mag dich auch“, sagte Nele, mit einem Hauch von Kummer in ihrer Stimme, „vor allem aber mag ich dich nicht enttäuschen.“
„Wieso solltest gerade du mich enttäuschen, ich habe noch selten einen herzlicheren Menschen als dich getroffen. Wenn jemand überhaupt einfühlsam ist, dann bis du es“, sagte ich und versuchte meine Erregung in den Griff zu bekommen.
„Du würdest gern anders als nur so mit mir schlafen, oder, Mara“, sagte Nele mit melancholisch klingender Stimme und fügte hinzu, „… Aber ich bin anders als du denkst.“
„Oh Nele, ja! … so zärtlich wie du das sagst, klingt das wie Musik in meinen Ohren, aber ich spüre, dass du es nicht so wie ich willst, oder?“, antwortete ich ihr ehrlich, ohne meine Zuneigung für sie zu verbergen.
„Nein, das ist es nicht …“, sagte Nele mit einem Kloß im Hals.
„Ich bin auch anders, Nele. Ich hab oben zu wenig und unten zu viel“, antwortete ich ihr leise und streichelte sie dabei vorsichtig an der Innenseite Ihres Unterarms, „wovor hast du denn dann Angst?“
„Ich bin klein und dick und …, ach ich weiß auch nicht. Auf jeden Fall klappt es bei mir mit dem Sex nicht so wie bei anderen Frauen“, sagte Nele und zog sich die Nase hoch, weil sie mit den Tränen kämpfte.
„Hey, für mich bist du nicht dick, sondern eher mollig und schön fraulich vielleicht. Du bist weder zu dick, noch so klein wie du dich gerade. Für mich bist du einfach nur voll ok und richtig nett“, sagte ich und lies meine Hand dabei über ihren Bauch gleiten. Nele war ganz anders als Mila, aber sie wirkte auf mich nicht weniger erotisch und der Babyspeck, der ihren Bauchnabel umhüllte, erinnerte mich an Beschreibungen von Bauchtänzerinnen. Das einzige, was Nele noch fehlte, waren die goldenen Kettchen, mit denen sich diese Prachtfrauen zierten, um ihre Fülle zu betonen.
„Für dich vielleicht Mara, aber du kannst mich ja auch nicht …“, dann brach sie ab und da war es wieder, dieses blöde Mitleid, das Menschen, die ich mochte, oft unerwartet verstummen ließen.
„Hey, was soll das Nele, ich weiß länger als du, dass ich blind bin und ich hör’ deshalb auch nicht mitten im Satz auf zu reden, wenn ich gerade mal wieder daran denke“, sagte ich weich. Der Ton, den ich gerade traf, überraschte mich selbst, weil ich jede andere Person in der gleichen Situation wohl eher voll angeblafft hätte.
„Du hast gut reden, mit oben wenig und unten zu viel …“, sagte Nele, schlang ihre Arme um mich, drückte sich von hinten zärtlich an meinen Körper und wollte mir vermutlich nur zärtlich meinem kleinen Busen streicheln. So sehr ich mich nach diesem Moment der Nähe mit Nele gesehnt hatte, so perplex war ich von Neles Vorstoß und war deshalb im ersten Moment wie gelähmt. Während ich Neles überaus üppige Oberweite warm und weich wie zwei lauwarme Heizkissen auf der Haut meines Rückens fühlte, tobten in mir Leidenschaft und Zorn auf mich selbst um die Wette.
„Du hast da ja wirklich nichts …“, hauchte Nele scheu und schreckte zurück, nachdem sie gemerkt hatte, dass die kleinen Silikonpolster in meinem BH nur für eine gute Silhouette sorgten. Mit den Hormonen, die ich seit längerer Zeit nahm, konnte ich zwar gerade noch meine feminine Stimme retten, aber oben war ich bis auf zwei winzig kleine Hügelchen noch immer fast so flach wie andere Jungs in meinem Alter. Nur meine Brustwarzen hatten sich inzwischen ein bisschen weiterentwickelt und stellten sich, obwohl sie auch noch winzig waren, nach einer sexuellen Stimulation, schnell auf und wurden dann auch richtig hart. Ein schönes Gefühl eigentlich, aber genau das musste ich Nele jetzt irgendwie vermitteln. Wie dumm von mir, dass ich mein Problem nicht einfach früher angesprochen hatte, dann wäre alles sicher viel einfacher als jetzt gewesen.
„Nele, ich muss dir was sagen …“, stotterte ich herum, stemmte mich etwas hoch und streifte meinen BH ab, „… Ich bin im falschen Körper auf die Welt gekommen."
„Na und, Mara? … mein Körper passt mir auch nicht“, sagte Nele und streichelte mir dabei so zärtlich meine Brust, wie ich das noch vom Sex mit Mila in Erinnerung hatte.
„Du bist aber im Gegensatz zu mir wenigstens eine richtige Frau …“, erwiderte ich mit einem lustvollen Stöhnen, als ich Neles Zähne an meinen Brustwarzen spürte und ihr zärtliches Saugen mir fast meinen Atem stahl.
„Mag ja sein, aber ich kann damit nichts anfangen“, sagte Nele, rollte mich zärtlich auf meinen Rücken und zog mir liebevoll tastend und streichelnd mein Höschen aus. Ich spürte ihre Lippen auf meinem kleinen Freund und wie sie spielerisch meine Bällchen in ihrer holen Hand bewegte und mich mit ihren Berührungen fast in den Wahnsinn trieb.
„Stört es dich, wenn wir doch wieder das Licht anknipsen?“, fragte Nele vorsichtig und kitzelte mich während dessen mit ihren Fingernägeln an den Innenseiten meiner Oberschenkel bis hoch in meinen Schritt und wieder langsam zurück.
„Mach nur Nele, tu, was du willst, aber hör bitte nicht auf und lass dir Zeit bei allem, was du noch so Schönes mit mir vorhast …“, presste ich zwischen lustvollem Japsen nach Luft hervor. Das Klicken des Lichtschalters hörte ich genauso wenig wie mir auffiel, dass sich Nele im Licht anders als vorher bewegte. Mit Mila hatte ich immer wunderbar von Frau zu Frau gepettet und war froh, dass sie mich, so wie ich war, als Frau akzeptierte. Was Nele mit mir machte, wurde mir erst klar, als sie sich ganz zärtlich mit ihren weichen Schamlippen meinen steifen Freund stahl. Wie eine fleischfressende Pflanze schleimte sich ihre frauliche Vagina zuerst auf meiner Bauchdecke etwas bei mir ein. Ihr Duft breitete sich wie ein Parfüm auf mir aus und vernebelte mir meine Sinne. Erst dann lockte sie sich meinen steifen Kitzler, der noch wie ein männliches Glied war, mit sanftem Druck von oben in ihre heiße Höhle, die mich dann wie ein Vakuum in sich aufnahm.
„Nele, hör auf bitte, … hör auf, … hör auf“, jammerte ich gefühlte tausend Stunden später schweißnass und fest an Neles aufregenden Körper geklammert immer leiser. Vielleicht war es sogar eher ein Winseln, aber ein schönes Winseln, ein zuckersüßes Winseln.
„Du musst jetzt schlafen, Mara“, sagte Nele liebevoll und streichelte mich immer noch so zärtlich, dass ich ihre Zuneigung für mich, oder war es noch mehr, was Nele für mich empfand, mit jedem Härchen spüren konnte.
„Ist das Licht schon wieder aus?“, fragte ich mit schlaftrunkener Stimme und war einen Moment später dann doch wieder hellwach.
„Hey Süße, leg dich wieder und träume süß. Was ist denn schon dabei, wenn ich vor dem Einschlafen noch ein paar Seiten lesen will?“, fragte Nele mich ganz entspannt in ruhigem Ton.
„Bist du denn nicht auch todmüde, nach soviel Sex?“, fragte ich einerseits vollkommen verwirrt und andererseits weil ich besorgt darüber war, dass ich in meiner Rage, Neles Befriedigung vernachlässigt haben könnte.
„Wovon denn? Ich hab dir doch gesagt, dass mich Sex nicht wirklich berührt“, aber lass das mein Problem sein. Du deine Probleme und ich meine, ok?“, sagte Nele in einem so warmherzigen und glaubhaften Ton, dass ich die Welt nicht mehr verstand.
„Wie, das ging dir alles voll an deinem Hintern vorbei, was da eben mit uns war?“, fragte ich völlig entsetzt.
„Nein, gar nicht Mara, ich hab dich nicht nur gern, sondern auch schon richtig lieb. Nur Leidenschaft beim Sex ist bei mir so wenig drin wie bei dir das Suchen von Sternschnuppen an einem klaren Sommernachthimmel. Meine Mutter schleifte mich deshalb, als ich fünfzehn war, zu unserem Hausarzt, nach dem sie die Mutter meines ersten Freundes damit beschimpft hatte, dass ich frigide sei. Die Psychologin, zu der ich dann von unserem Hausarzt überwiesen wurde, hat dann festgestellt, dass meine sexuelle Ausrichtung mit dem Fachbegriff Asexualität bezeichnet wird. Das bedeutet, dass ich alles kann, weil ich biologisch und psychisch voll ok bin, nur hab ich halt eben kein Verlangen nach Sex oder anders ausgedrückt kein Interesse daran. Aber ich mag dich trotzdem sehr und genau deshalb habe ich auch mit dir geschlafen. Vielleicht hätte ich dir auch vorher sagen sollen, was ich damit gemeint habe, dass ich dich nicht enttäuschen will.
„Jetzt nimmst du mich am besten von hinten in deine Arme und träumst von unserer schönen Nacht. Ich lese noch ein paar Seiten und wenn mir meine Augen zufallen, lösche ich das Licht. Glaub mir einfach, dass ich mich nicht weniger als du darüber freue, dass du da bist und wir hier heute noch bis zum nächsten Morgen weiter zusammen schlafen", sagte Nele einfühlsam.
„Vielleicht verstehe ich das alles in meinen Träumen besser. Aber wie Licht ist, hab ich auch noch nie geträumt. Vielleicht ist das bei dir ja mit dem Sex wirklich ähnlich. Ich vermisse das Licht ja auch nicht, mir stinkt eigentlich nur mein falscher Körper und ich kann ja eigentlich auch so alles. Ist fast so wie bei dir mit dem Sex", sagte ich müde und rollte mich so hinter Nele zusammen, dass ich sie beim Einschlafen mit meinen Armen umschlingen konnte. Das tat mir dann irgendwie noch richtig gut.
„Vor uns kommt jetzt gleich die Tür raus zum Europaplatz und dort geht’s dann kurz links bis an die Gebäudeecke und dann musst du nochmal links in die Invalidenstraße", sagte Nele. Die Luft roch feucht, sie war, so früh wie ich mit Nele wieder am Bahnhof angekommen war, noch kalt von der Nacht und dunkel war es draußen bestimmt auch noch. Nele musste sich gewaltig sputen, wenn sie ihren Zug, der gleich, also genauer gesagt in fünf Minuten, auf Gleis 6 über Angermünde nach Stralsund abfahren würde. Dass mir das für die Verabschiedung so sogar lieber war, hatte meine neue Freundin inzwischen kapiert und außerdem war es drinnen, trotz der herbstlichen Luft, die schon von draußen hereinzog, etwas kuscheliger.
„Da ist er ja, der Berliner Humor“, antwortete ich, bückte mich ein letztes Mal zu meiner anderen Nele, hinunter und drückte sie zum Abschied ganz doll.
„Berliner Humor?“, fragte sie etwas verdattert.
„Ja klar, eine Blinde, die zur Invalidenstraße muss“, kicherte ich und knuffte sie.
„Darüber kann ich nicht wirklich lachen“, sagte Nele und knuffte mich ebenfalls.
„Sorry, Süße, bisschen Selbstironie schadet in solchen Fällen kein bisschen. Ganz im Gegenteil, die macht nämlich richtig locker und ist ’ne prima Medizin gegen Mitleid und Bevormundung. Schwarzer Humor passt doch wie ’ne Faust aufs Auge zu mir, oder?“, legte ich nach und versprach ihr, sie irgendwann auch einmal in Stralsund zu besuchen.
„Du bist wirklich ein etwas gewöhnungsbedürftiges Exemplar, aber auf deinen Besuch freue ich mich jetzt schon“, sagte sie während ich mich von ihr löste, meinen Stock aufklackern ließ und die Tür öffnete, durch die ein kalter Luftzug vom Europaplatz in die Bahnhofshalle herein zischte. Dann war ich alleine und drehte mich in Richtung Westnordwest. Mit meinem Navigationsgurt und dem Stock, mit dem ich hervorragend der gläsernen Fassade des protzigen Bahnhofsgebäudes, das sich links von mir befand, folgen konnte, war ich so gut orientiert. Ich machte mir nicht einmal die Mühe, das Leitsystem zu suchen, das es hier auch irgendwo geben musste, außerdem hatte ich in meiner Linken zusätzlich noch mein Handy, das mich über Lautsprecher mit zusätzlichen Weginformationen versorgte. An der Gebäudeecke angekommen blieb ich stehen, stellte den Stock senkrecht vor mich auf den Boden und lauschte. Berlin hatte wie erwartet eine aufregende Geräuschkulisse, in der es viel zu entdecken gab. Da waren nahe und ferne Stimmen, Geräusche an- und abfahrender Autos und das Schlagen von Fahrzeugtüren, das leise Poltern von Rollkoffern und dazwischen die typischen Geräusche eines viel frequentierten Taxistandes.
„Wo soll’s denn hingehen?“, fragte mich der Fahrer des Taxis, in das ich nach meiner Ankunft in der Invalidenstraße einsteigen wollte.
„In die Silbersteinstraße 131, dort ist ein Studentenwohnheim. Kennen sie das …?", fragte ich den Mann, dessen Stimme ich gleich genauso sympathisch empfand wie seine Berliner Schnauze.
Die Lunaria-Galaxie ist eine kleine Community, in der sich auch einige andere BX-Schreibende treffen, um dort in der BX-Ecke ihre Bücher vorzustellen. Mir macht es soviel Spaß wie hier auf BX, mich dort gelegentlich parallel zu BX mit anderen Schreibenden auszutauschen. Die PNs dort ermöglichen es auch einfach, ohne E-Mail etc., Manuskripte zum Beispiel an Beta-Lesende, oder Lektorierende von Punkt zu Punkt zu übertragen, ohne gleich alles auf einem internen Forum, oder in einer Gruppe veröffentlichen zu müssen.
Texte: © Lisa Mondschein
Bildmaterialien: ©pixabay
Cover: © Fizzy Lemon
Tag der Veröffentlichung: 07.05.2023
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für alle, die den Mut haben ihre Ziele zu verfolgen