Kapitelentwurf für meinen Schelmenroman "SALZZUNGEN" (Leseprobe)
Der Dreher
Es ist Montag, es ist der 1.September in einem Jahr, das mal mit der Zahl 1960 in den Kalendern stand. Ich bin früh aufgestanden um Fünf Uhr Dreißig. Mutter machte ein kräftiges Frühstück. Nur, ich konnte kaum was essen. Von drei Eiern ein halbes. Ich war verwirrt. Ich war konfus, ich war verunsichert. Die Schule war zu Ende, aus der man mich wegen Frechheit und Faulheit schon aus der achten Klasse raus geschmissen hatte. Ich sitze in der Küche und blicke zum Fenster hinaus und sehe die Birkenblätter im Morgenlicht flimmern. Die haben die ersten braunen Blätter. Der erste September ist ein Früherbsttag, wo die Ernte eingefahren ist. Ich habe noch nie eine Ernte eingefahren. Ich bin vierzehn Jahre und bin dürr, ich habe kaum ordentliche Sachen an zu ziehen, ich fühle mich mickrig, klein und unbedeutend. Ich habe viele Pickel im Gesicht. Mit einem feuchten Traum bin ich aufgewacht. Die nasse kurze Schlafanzughose habe ich in der Toilette runter gespült. Noch drei Monate danach sucht meine Mutter die blau gestreifte Hose, die sich langsam in der Fäkaliengrube zersetzt. Mein Vater frisst die zwei ein halb Eier, die ich nicht gegessen habe. Er spricht nicht dabei, er kaut. Immer fetter wird der Alte er, denke ich. Nicht von den Eiern. Er säuft. Jeden Tag so zwischen zwölf und zwanzig Flaschen Köstritzer Schwarzbier.
Opa furzt und grinst und kommentiert, dass Meister Schorsch, mein zukünftiger Lehrmeister schon streng aber nett wäre. Papa sagt, mein zukünftiger Lehrmeister Schorsch wäre ein Arschloch, der 1938 in das sieben mal sieben Meter Siedlungshaus seines Vaters eingezogen ist. "Arme Schweine sind das, die sich so ein kleines Haus bauen müssen" meint Vater. "Unser Haus ist elf mal elf Meter und liegt" in einem fast "Villenviertel". Der Treppenaufgang knarrt. Die untere Etage mußten wir vermieten an Frau Stieghahn. Eine SS-Witwe. Opa isst keine Eier, er isst ein Fettbrot und trinkt Pfefferminztee. Mutter füllt mir eine Thermoskanne mit Milchtee. Die bekomme ich in eine alte Aktentasche vom Vater gepackt mit zwei belegten Butterbroten in Einer Aluminiumbrotdose. Bierschinken liegt zwischen den Brotscheiben. Bierschinken riecht nach toten Schweinen und viele tote Schweineteile werde ich in den nächsten Jahren in meinem Magen verdauen. Ziegenfleisch wäre mir lieber, nur Ziegen gebraten oder als Wurst gab es damals selten in Thüringen. "Aus dir wird nichts" sagt mein Vater als er mich auf der knarrenden Treppe zu meinem ersten Arbeitstag als Lehrling verabschiedet. Mutter hält ihre Faust an die Zähne und hat Tränen in den Augen." Du bist bist jetzt erwachsen!" sagt sie und lächelt. Opa brüllt aus der Küche "Hör auf Schorsch, dann hast du keine Probleme!"
Die erste Einweisung, die ich eine Stunde später im Pressenwerk von Meister Schorsch bekomme, ist die Einweisung in die Stempelmaschine, die seit 1936 dokumentiert, wann man die Fabrik betritt und wann man die Fabrik wieder verlässt. Die Stempelmaschine ist zuverlässig. Nur, die Maschine ist alt. Sie ist 1960 einunddreißig Jahre alt und die Stempelfarbbänder sind ausgenuddelt. Nach zwei Wochen habe ich den Trick raus, daß sie die Minuten nicht mit stempelt. Arbeitsbeginn ist 7.00 Uhr. Der Meister Schorsch kommt erst um Acht. Nach drei Wochen komme ich manchmal erst 7.45 bis mich jemand verpfeift. Ich bin pünktlich dann alleine nur wegen der Doris, einer Technischen Zeichnerin aus Möhra, die mit ihren Stöckelschuhen vor mir herwackelt, wenn ich pünktlich komme. Doris beachtet mich nicht. Ich rieche Doris durch den Dunst und Qualm der Gießerei, die beim Schichtwechsel am frühen Morgen den Graugußabstich macht. Schwefel, Salzgeruch, der Geruch des heißen Formsandes und des über tausend Grad heißen Gußstahles kann den Geruch nicht ausgleichen. Doris riecht nach Hinterherlaufen und ich bin wie ein Hund, der so was riecht. "Weiber sind was feines", denke ich und meine Maschine, an der ich die Dreherei lernen soll, heißt auch so. "WEIPERT, Ferdinand, F. C.Weipert". Irgendwo in der Betriebsanleitung steht, das die Firma aus Heilbronn der Spezialist in Deutschland für Jauchepumpen war."Planet" heißen die Dinger. Scheißpumpen, Schissepummer. Dann bekomme ich mit, ich drehe hier Kanonenteile für die Armee. Ersatzteile, Verschleißteile. Ich drehe Teile für Exenterpressen, Teile für Kurbelwellenpressen, mit denen die Aluchips gedreht werden. Weiches DDR Geld aus Aluminium. Ich drehe Kanonenrohre.
Die Rohlinge für die Zehn Pfennig Stücke liegen auf dem Hallenboden der Montage. Der Boden ist mit Stirnholz gepflastert und über fünfzig Jahre alt. Mit jedem Dreck, der in das Holz eingelatscht wird, bekommt der Fußboden mehr Patina. Auch durch das Öl der Maschinen, der Werkzeuge. Eingetretene Metallspäne verhindern, dass man auf dem Fußboden ausrutscht. Die Halle hat große Nordfenster und Dachfenster. Trotzdem brennt auch am Tag das Licht.
"Mach dich an Deine Drehbank zurück, gammel hier nicht rum!" knurrt der Schlossermeister. "Die Drehmaschine ist eine Werkzeugmaschine zur Herstellung von meist runden Werkstücken durch Trennen des Werkstoffs mit einer geometrisch bestimmten Schneide. Allen Drehmaschinen gemeinsam ist die Drehbewegung des Werkstückes und ein nicht drehendes Werkzeug. Maschinen der manuellen Arbeit werden Drehmaschine genannt, solche der Serienfertigung Drehautomat. Umgangssprachlich wird die Drehmaschine gemeinhin auch als Drehbank bezeichnet. Die Drehmaschine ist eine Sonderform der Drechselbank, die eine der ältesten Maschinen ist. Ohne die Drehmaschine hätte die industrielle Revolution so nicht stattgefunden, denn die Kolben der Dampfmaschine und andere Präzisionsteile an Motoren und Produktionsmaschinen konnten wirtschaftlich nur durch Drehen hergestellt werden. An der Drehmaschine können Rotationskörper hergestellt werden, im einfachsten Fall zylindrische oder plane, zur Drehachse rechtwinklige Flächen. Komplexere Formen sind Kegel- oder Kugelflächen oder freie Formen, die mittels Zusatzeinrichtungen auch von der Drehsymmetrie abweichen können. Die Schnittbewegung führt das Werkstück durch Rotation aus, während das Schneidwerkzeug (Drehmeißel) fest auf den Werkzeugschlitten gespannt ist und kontinuierlich einen Span abnimmt, indem der Schlitten längs sowie quer zur Rotationsachse des Werkstücks entlang der zu bearbeitenden Fläche bewegt wird. Der Wandel von der Drehbank zur Drehmaschine vollzog sich Ende des 18. Jahrhunderts mit der Einführung des Werkzeugschlittens, dem Einsatz der Leitspindel zur Erhaltung der Kinematik zwischen Drehung des Werkstücks und Vorschub des Werkzeugs sowie der komplett aus Metall gefertigten Drehmaschine. Somit wurde das Werkzeug zwangsgeführt und die Qualität der Drehteile hing nicht mehr so stark von dem Geschick des Drehers ab. Doch erst in den 1950er Jahren begann der Begriff Drehmaschine in den allgemeinen Sprachgebrauch Einzug zu halten. Inzwischen hat er sich in den fachgebundenen Büchern und Publikationen vollständig durchgesetzt, obwohl viele Fachkräfte noch immer den Begriff Drehbank bevorzugen."So steht es heute in Wikipedia.
Ich soll auf einen Zehntel Millimeter genau Teile im ersten Lehrjahr drehen. Gemessen wird das mit einer Schieblehre, dessen Nonius, eine bewegliche Längenskala die Steigerung der Ablesegenauigkeit erlaubt. Ich erlaube mir viele Pausen und drücke mich wo ich kann. Ich laufe herum zu Kollegen, die sich an ihrem Arbeitsplatz langweilen und immer für ein Schwätzchen aufgelegt sind. Das ist interessanter, als der Drehmaschine beim Drehen zu zu sehen. Ich merke, ich lerne den falschen Beruf. Die Schlosser nebenan können nebeneinander zusammen arbeiten und dabei reden. Bis zu meinen Kollegen zur nächsten Maschine sind es fünf Meter. Der tosende Maschinenkrach in der Halle erlaubt nur eine Kommunikation durch Brüllen. "Warst du gestern Abend im Kino?" "Ja!" "Was wurde gespielt?" "Ein Hauch Glückseligkeit!" "Es geht um Liebe und um Ficken!". Ich schalte meine Maschine ab und gehe zu Horst an die Maschine und lasse mir den ganzen Film in einer Stunde erzählen, mit Schwerpunkt auf die Fickszenen, die im Film fünf Minuten dauert, die Horst auf fünfundvierzig Minuten streckt. Vierhundertachtzig Minuten Warenproduktion Drehteile ist die Tagesnorm eines Drehers. Durch das Gequatsche mit Horst schaffe ich die hundert Prozent nicht. Ich schaffe nur sechzig Prozent an diesem Tag wegen dem Gequatsche bei anderen Kollegen. Schorsch schreibt mir um sechzehn Uhr eine Vier in mein Ausbildungs-Leistungsheft. Horst bekam eine Eins. Er hatte die Norm geschafft.Ich gehe nach Hause und erzähle meiner Mutter nichts von der Vier. Ich vermelde nur Erfolge, auch wenn ich sie nicht habe. Doch ich habe Erkenntnisgewinn über Ficken in einem englischen Park bei Nebel und Regnen. Es geht auch bei Regen und Nebel weis ich jetzt.
So vergehen drei Jahre. Drehen, quatschen, Lügen, Krach, Dreck, zur Arbeit laufen bergab, zurück laufen bergauf. Besser wäre es umgekehrt jeden Tag. Munter am Morgen bergauf zur Arbeit, müde bergab nach dem Feierabend. Die Norm habe ich nie geschafft. Ich habe Wissen und Können von anderen Sachen gebunkert. Wie man angelt, wildert, ein Mädchen aufreißt, kein Kind macht, nicht schnell besoffen wird, sich nicht beim Klauen erwischen lässt. Ich kann Tauchen. Meine Lehrkameraden haben alle bessere Abschlüsse zwischen Eins und Drei. Ich habe eine Vier und bin trotzdem schlauer. Ich habe von allen viele Erkenntnisse aus der Lehrzeit mit genommen, die nichts, aber auch absolut nichts mit der Dreherei zu tun haben. In ihren Augen bin ich eine Niete. Doch ich habe ihre Lebenserfahrungen eingesammelt. Ich kenne ihre Niederlagen, ihre Siege. Ich kenne ihre Geschichten. Viele dieser Kollegen drehten, schlosserten pflichtgemäß bis zur Rente. Sie blieben verhaftet an ihrem Arbeitsplatz. Mancher hat ein Haus gebaut, wurde Meister in dem Beruf des Drehers oder des Schlossers. So wie Kurti.
"Hat deu schon mal von hinge geschliemt?" fragte mich Kurti an der Drehbank in meiner ersten Lehrwoche. "Nee" antwortete ich und bekam rote Ohren. Dass ich noch nicht mal von vorne "geschliemt" hatte, sagte ich Kurti nicht. Gerade vor einem Jahr sah ich das erste Mal wie von der Seite "geschliemt" wurde. "Ficken" sagten wir damals kaum. Umgangssprachlich hieß das bei uns fünfzehnjährigen Jungs in Thüringen "Pimpern". "Schliemen" - da konnte ich mir aber gleich denken, was Kurti meinte. Schließlich nannte er es dann noch nachdrücklich auf hochdeutsch "pimpern" und erklärte es auch gleich irgendwie. Er mache es mit seiner Freundin jeden Tag so gegen Abend, prahlte Kurti - von vorn und von hinten. Nach ein paar Wochen stellte sich heraus, Kurti hat seine Adelheid entweder von vorn oder von hinten "angeschliemt". Kurti wagte es nicht gleich, seiner Familie aufzutischen, dass er Vater wird. Sein Vater würde ihm totschlagen, dachte Kurti. Und so bemühte er sich, alles wieder rückgängig zu machen. Na, eigentlich bemühte sich erst einmal Adelheid alleine. Adelheid kletterte, wenn ihre Eltern nicht zu Hause waren, auf einen Stuhl und dann kletterte Adelheid noch auf einen Tisch. Danach sprang sie - vom Tisch. Adelheid sprang sehr oft und sehr lange. Es half nichts, all das Gehüpfe. Lediglich im Keller fiel der Lehmputz flatschenweise von der Decke. Auch das viele Heulen nützte nichts. Adelheid bekam zu ihren roten Haaren nun noch rote Augen. Da es Kurti mit seiner BK. Die BK war ein schweres Motorrad mit Kardanwelle und damit fuhr er mit seiner Adelheid zur Eisenbahnstrecke nach Meiningen. Dort ging es im zweiten Gang zwischen den Gleisen auf den Schwellen ein paar Kilometer hin und wieder zurück, bis die Adelheid nicht mehr sitzen konnte und Bauchschmerzen bekam. Am anderen Tag hatte Adelheid Blutungen und Adelheids Mutter brachte sie mit ihrem feuerroten Hintern und feuerroten Augen zu Doktor Kapeller in Bad Salzungen. Dieser meinte, Adelheid sei schon im fünften Monat und solle bitte nicht mehr Motorrad fahren. Kurtis Vater schlug Kurti nicht tot, sondern klatschte ihm zwei Ohrfeigen, eine rechts und eine links, so dass Kurti feuerrote Bäckchen bekam. Anschließend brüllte sein Vater hinter geschlossenen Fensterscheiben herum, ziemlich nutzlos. Daraufhin ging Kurtis Vater zu Adelheids Vater und entschuldigte sich für seinen ältesten Sohn. Eine Stunde später wurde der Hochzeitstermin auf Tag und Stunde festgelegt. Tags darauf stand Kurti wieder neben mir an der Drehmaschine. "Ich mud frei" sagte Kurti mit roten Ohren. Das hieß auf hochdeutsch: "ich muss heiraten, der Polterabend ist in acht Wochen". Am Polterabend konnte die Adelheid kaum noch sitzen und war wohl die dickste Braut, die das Dorf je gesehen hat. Es war ein schönes Bild, wie der dicke Pfarrer und die dicke Adelheid sich gegenüber standen und die Adelheid diesmal ohne rote Augen "ja" sagte. Kurti sagte mit roten Ohren auch "ja" und Kurtis Vater knirschte mit den Zähnen, weil ihm noch kurz vor der Trauungszeremonie ein schadenfroher Nachbar die Eisenbahnschwellenfahrten seines Sohnes verpetzte.
Inzwischen sind Jahre ins Land gegangen und viel Wasser ist die Werra hinunter geflossen. Neben der Werra verläuft ein ausgeleiertes Bahngleis. Und wie der Zufall so spielt, sitzt in der Diesellokomotive eines der Züge, die noch täglich an der Werra entlang rumpeln, ein Lokführer, dem diese böse Strecke nicht viel ausmacht. Sein Name ist Kurt, wie auch der seines Vaters.
"Was du hast studiert?" "Mehrfach?" fragten mich meine ehemaligen Kollegen viele Jahre später, als ich wieder in der kleinen Stadt zurück war, nachdem sie mir mit schwieliger Hand meine weiche rechte Hand drückten. Dann schickten sie mir ihre Kinder, damit ich denen erzähle, wie man das macht.
Dann kommt die Doris vorbei gelaufen. Die Stadt ist klein. Ich laufe nicht hinter der Doris her. Ich laufe neben ihr her und frage sie warum sie schon wieder geschieden ist. Doris meint, das wäre eine längere Geschichte. Wenn ich sie hören will, solle ich mit kommen. Am anderen Morgen bis zum Frühstück bei Doris kenne ich die Geschichte. Ich laufe bergab nach Hause und schreibe diese Geschichte auf. Von der Doris, die Abteilungsleiterin in der Rüstungsindustrie ist und statistisch gesehen am Tod von vierzig Tausend Menschen ursächlich beteiligt war.
"Ein Maurer schafft am Tag eine Wertschöpfung von ca. 700 Euro. Ein Dreher, der für der Rüstungsindustrie arbeitet und an einem Tag ein Viertel einer Panzerkanone dreht, schafft eine Wertschöpfung von rund zwanzig Tausend Euro. In drei Schichten, an dem 3 Kollegen komplett an dem Projekt beschäftigt sind, sind das sechzig Tausend Euro. Davon kann man gerne die Maschinenbeschaffungskosten, Abschreibungen, Material, Werkzeuge und Messmittel und Entwicklungs- Verwaltungs-, und Konstruktionskosten abziehen. Übrig bleiben immer noch zehntausend Euro. Dafür bekommt er in Berlin für 480 Minuten Arbeitszeit bei einer Zeitarbeitsfirma ca. 7.50 Eur/h = 60 Euro Brutto. In Stuttgart sind es ca. 156 Euro, in Phoenix/Arizona ca. 200 US$. Also in Berlin sind das an einem Tag bei der schlechtesten Rechnung 9940 Euro Gewinn. In anderen Branchen ist es knapper. Trotzdem, in der Autoindustrie erwirtschaftet ein Dreher so locker 1000 Euro am Tag Gewinn. Im allgemeinen Maschinenbau bei Siemens für Kraftwerksanlagen sind es so 4000 Euro. In der Öfentlichkeit kennt man den Beruf Dreher, der heute Zerspanungsmechaniker benannt wird kaum. Über Schmiede, Friseure, Automechaniker, Bäcker gibt es viele Storys, Berichte, Filme. Wenn man die Zahlen von Rheinmetall sieht, was da für Gewinne produziert werden, kann es einem schwindlig werden. Die fettesten Gewinne mit macht immer noch weltweit die Rüstungsindustrie. Dort wird heute wenig herum gequatscht an den zumeißt automatisierten Werkzeugmaschinen weltweit von und bei:
Lathe Lathes, Myford, Colchester, South Bend, Atlas Emco, Boxford, Harrison, Craftsman, LeBlond, Boley, Monarch, Toyo, Sakai, Drummond, AB AAsbrink, Abene, Accro, Aciera, Acme, Adams A.E., Adcock-Shipley, Adept, Advance, Aero, AEW, A.E.Adams, Ajax, Alfeo, Alldays & Onions, Allen Elec. Co., Alpin, American-Tool-Works, AM, AMAG, American Junior, American-Pacemaker, American-Watch-Tool Co, Ames, Ameritech, Ammoco, Amolco, Amtec, Andersen & Krussand, Andrychow, Arboga, Archdale, Arrel, Arrow, ARS, Artisan, Arundel, Asquith, Aster, Astoba, Ateliers-Stokvis, Atlantic, Atlas Engineering UK, Avia, AVM, Axelson, Azeta, Baby-Grand, Balding, N.H.Baldwin, Bancroft, Barber-Meuser, Bardens-Oliver, Barker Lathes UK, Barker Milling Machines USA, Barnes, Battignolles, BCA, Beaver, Bechet, Bechler, Becker, Becker-Brainard, Belcan, Benchmaster, Benson, Bentley, Bergeon, Beric, Bertram, Bessboro, Betts-Bridgeford, Beyer & Peacock, Binns-Berry, Birch, Birfield, Björklund, Blank-Buxton, Blaisdell, Bleuler, Blom, Blomqvist, Blount, Blower-&-Forge, Bohner-Köhle, Böhringerm, Boice-Crane, Boley, Boley-Leinen, Bonds, Bonny, Booth, Booth-Brothers, Bormilathe, Bottum, Bower, Boxford, Boye-Emmes, Brackenbury & Austin, Bradford, Brainard, Breda, Bremco, Bridgeford, Bridgeport, Britan, Britannia, Broadbent, Broadbent-Schofield, Brown & Sharpe, Brunswick, BSA, B.T.M., Burke, Burton-Rogers, Butler, Butterworth, BWC, Cadillac, Cardiff, Caroll-Jamieson, Carson, Carstens, Caser, Cataract, CAV-Wade, Cazeneuve, Cedar-Rapids, Cegielski, Celtic, Centec, Centrix, Challenger, Champion, Chard, Checkko, C.H.E.M, Childs, Chofum, Churchill-Redman, Cincinnati, Claudius Ash Son & Co., Clausing, Clement, Cleveland, CLH, Clisby, Clover, Clovis, CMC, C.M.T., Cole, Conover, Colchester, J.F.Collier, Collstron, Columbia, Corntool, Coronet, Correa, Cortini, Cowan, Cowells, Craven, Cromwell, Crouzet, Crown, Crowningshield, Crowthorn, Cullman, CVA, Dainichi, Dalton, Danish-Machinery, Damaco, Darling-Bros, Darling-Sellers, W.P.Davis, Dean-Smith-Grace, Deckel, DeFray, Delta, Demoor, Denbigh, Denford, E.G. Dengel, Denham, Derbyshire, DeVallière, Devon Ipswich Qld, Diamond, Dignus, Dixi, D&M, DoAll, Dowding & Doll, Dracip, Draper, Drummond, DSG, Dubied, Duff, Dunlap, Duro, Earle, Economaster, Eddy, Edgar, Egan, EHJ, Elgin Tool Works, Elliott, Elson, EMAG, Emerling, Emco, Ensign, Erlicht, Ermo, Ernault-Somua, Esco, Essbeco, ETA, EW, Evans, Ex-Cell-O, EXE, Fairburn, Naylor & Macpherson, Faircut, Farmer, Famco, FAT, Favorite, Fay-Scott, Feeler, Feinbau, Fenn, FEXAC, Fielding, Fifield, Fimap, William Findlay, Arthur Firth, Fischer, Fitchburg, Flather, Flexispeed, Foley, Forsaith, 'Fortis Imperial', Foster, G.H.Fox, Fray, Frisell, FVE Imperial, Gamages, Gambey, Gamma, Garvin, Geja, George-Adams, Georg-Fischer, George-Hatch, Geller, Gem, Gem Glorious, Gemco, GEMA, Geminis, Gfeller, G.H.S., Giddings-Lewis, Gillman, Gisholt, Gleason, Gold-Seal, Goodell-Pratt, Gorenewegen, Gornati, Gorton, Gould-Eberhardt, Goyen ornamental, Grabo, Grant MiLathe, Granville, Graves, Grayson, Graziano, Grazioli, Greaves, Greaves-Klusman, Greenall & Batley, Gridley, Grigg, Grindturn, Gudel, Guilliet-Fils, Guilder, Habegger, Hakumag-Renard, Haighton, Halifax, Halco, Halifax, Hamilton, Hammel-Riglander, Hardinge, Harrington, Harrison, Hartford, Hartness, Harvey G & A, Hasse & Wrede, Hasselquist (later Elgin Tool Works), Hatch, Haulin, Hauser, Hayes, Heald, Hector, Heidenreich-und-Harbeck, Heinemann-St.Georgen, Heira, Heller, Hembrug, Hendey, Henley, Hepworth (USA), Herbert, Hercus, Hermle, Herter (Japan), H.E.S., Hestika, Hewes & Phillips, Hey, Heyligenstaedt, Hill,Clark, Hines (Edward Hines), Hitachi, Hjorth, Hobbymat, Hobson, Hoffman & Billings, Högbo, Högboholm, Holbrook, Holmes, Hommell, Holtzapfel, Hopkins, Holroyd, Horstman, H.T.H., Howa-Sanyo, Hulot, Hulse W.W., Huron, J.Hutton – Glasgow, Ideal, Ikegal, I.M.E, IMOR, Index-Were, Induma, Industro-Lite, IXL, Jackson, Jackson-Rigby JR and JRC), Jafa, James-and-Son, James-Spencer, Jason, Jefferson, Jenny, JEN-SON, John Bertram & Sons, Jomar, Jones, Jones (J & T Jones), Jones-Lamson, Jones-Shipman, Juvenia, Karat, Karlsson A, Kearney-Trecker, Kearns , Keen (The Keen), Keighley-Lifts, Kempsmith, Kendall & Gent, Kent-Owens, Kerpen, Kern, Kerry, Kingsbury, Kitchen & Wade, Klippfeld, Kneller, Kondia, Köping, Krak, Kress, Kuhlmann, Labormil, Lacfer, Lagun, Larvic, Lanco, Lang, Leach, Leavitt, LeBlond, Lee & Hunt, Lefebvre-et-Martin, Lempco, Leif, Leinweber, Leinen, Lesto, Levin, Leyland & Barlow, Libbey (Millholland Machine Co.), Lidköping, Lieber, Liechti, Lincoln George S., Linder, Linley, LIP, LMV, Lodge & Davis, Lodge-Shipley, Loewe, Logan, London, Lorch, Loudon, Lucas, Ludwig-Gack, Lukin, Lumsden-Smart, Luthy, Lux, Lynd & Farquar, Macdonald Swinburne, Machinex, Macson, Magdeburg, Maho, Malick & Walkows, Manhora, Mann, Mannaioni, ManSon, Manurhin, Marlow, Marsh, Marshall, Martin, Matheys, Alex Mathieson & Son - Glasgow, Matthew-Moody, Mattsson & Zetterlund, Matos, Maud & Turner, Mauser, Maxnovo, McCabe, McDougall (R.MccDougall, Ccanada), Mechanica, Mellor, Meng, Mengotti, Menziken, Meriden, MetalCraft, Metallsvarv, Metalmaster, Meteor, Metosa, Meuser, Meyer & Burger, Meyers Machine Tool, Mikron, Millen, Millholland, Millrite, Milnes, Milwaukee, Minilor, Mitchell, F. Mitchell London, Mitsubishi, Modig, Monarch, Mondiale, Moody, Moore, Morando, Morey, Morris, Mori-Seiki, Moseley, Mueser, Muir, Muller-et-Presant, Mulliner-Enlund, Munro, Murad, Myers, Myford, Namson, Neat (Charles Neat London), Nebel, Nelson-Winther, New-Britain, New-Haven, New-All, New Hermes, Nichols, Niles Niles-Bement-Pond, Noble-Lund, Nuttall, Okuma, Olympia, Oliver, Onan, Osic-, Outlis-Bale, Pacemaker, Padovani, Parkanson, Parker McKnight, Parkinson, Parkson, Pasquino, Pama, Panther, Patrick, Paulson, PBR, Pearne-Wiburn, Pearson, Peatol, Peerless, Perfecto, Perico Baroni & Raimondi, Perris, Pfauter, Pfeifer, Pfeil, Pitt, Pittler, Plant, Ponar-Remo, Pitt’s Yorkshir Machine Co., Pixi, Ponar, Pont-a-Mousson (A.M.C.), Pontiggia, Pools, Poreba, Portass, Porter-McLeod, Portmac, Potisje, Potter, Powermatic, Pratt, Pratt-Whitney, Prazimat, Präzisionsmaschinenbau, Prec'is, Precision, Prema, Premo, Presto, PROKOP, Progressive, Proxxon, Pryibil, Pultra, Putnam, Qualos, Racine, Rafamet, Raglan, Rahn-Mayer-Carpenter, Rahn-Larmon, Rambold, RAMO, Randa, Ransomes, Rapson & Dutton, Realmeca, Record, Reed, Reed-Prentice, Reffolds, Regal, Reid, Reiden, Reinecker, Reliable-Lathe-Co, Relm and Super-Relm, Relmac, Remmington, Republic-Lagun, Rex, Rexman, Rexvalter, , Rhyn-Mayer-Carpenter, Rindis, Rishton, Rivett, Robblak, Robling, Robot, Rockford, Rockwell, Rolfe, Rollo, Romi, Rosenfors, Rotex, C. Rowson, Rumag, Rusnok, Ryder Thomas & Son, Ryerson, Sacia, S.A.F.O.P., Saimo, Sajo, Sakai, Salome, Sant’Eustacchio, SARO, Satesa, Schaerer, Schaffner, Schubert-Fiedler, Schaublin, Schumacher-Boye, Schweizer, Scinta, Scintilla, Scomea, Scope, Sculfort-Machines-Outils, Sebastian, Selbix, Selig-Sonenthal, Seneca-Falls, Senior, Senta, Sharp Stewart & Co., Sharps, Shanks, Sharp, Shedd (George F. Shedd) , Sheldon, Shellenback, Sheppard (Morris), Sherline, Shipman, Sicme, Stoeckle, , SHW, SIAMP, Sidney, Sigma, Simat, Simmons, Simonet, Simplex, S.I.O.M.E., Siome, Simplon, Skara Gjuteri, Skoda, Sloan-Chace, Smart & Brown, Smith, Beacock & Tannett, Smith & Coventry, Smith-Mills, SMT, Solsun, Solus, James Spencer, Sphere, Springfield, Stalwart, Standard, Standard-Modern, Stanko, Stanley, Star, Stark, Stedall, Steinel, Steiner, Stepto, Sterritt & Stoer, Stitson, Storebro-Bruks-Aktiebolag, Stockbridge, Stokes (Gordon Stokes), Strohm, Strickland Bros. (Brighton), Summit, Sundstrand, Swasey, Swift, Swisten, Sypher, Tacchi, Taig, Takisawa, Tangram, Taylor, T.C.&M, T.Taylor of Manchester, , Taylor-Hobson, , Technoimpex, Theil, Thomas-Shanks, Thornley, Tillico, Titan, T.&L.M., Toledo, Torshälla, TOS, Tough Bros., Tovaglieri, Town-Woodhouse, Toyo, Traub, Tree, Trimbell & Wright, Troglia, Tulloch, Turnell & Odell (Odell lathes), Turners-Motor, Twin, Tyme, Tyzack, UBC, Unic (Germany),Unimat, Union, United States Machine Tool Company, Univertical, Ursus, U.S.A, US-Burke, Valliere, Varnarmo, Van-Norman, Vario-Lux, VDF, Velox, Vernon, VersaMil, Verschoyle, Viceroy, Victa, Victoria, Vidal, Viking, Vöest, Vöest-Alpine, Vuilleumier Freres, Wabeco, Wade, Wadkin, Walcott, Wahli, Walcott & Wood, Walker-Turner, Wanderer, Veem, Wickman, Volman, Vuilleurnier-Freres, Wakefield, Waltham, Wandess, Warco, Ward, Ward Haggas & Smith, Warner-Swasey, Warwick, Wasino, Watson, Webster-Howarth, Webster-Whitcomb, T. White & Sons, WW, F.C.,Weipert, Weipert, Wells, Wells-Index, Weidenhoff, Weiler, Weisser, Wermelinger, Western Aircraft & Tool, Whipp, Whiton, Wicksteed, Wickman, Windsor, Wiskum, Wilfin, Willard, William-Hussey, Willson, Winfield, Winkle, Wirth. Gruffat & Maped (WGM), Wizard, , Wohlenberg, Wolf, Woodhouse & Mitchell, Wolf,Jahn, Worchester, Wren, Wyvern, Yates, Young, Zelenda, ZMM, Zocca, Zubal, Zyto.“ Ich weis nicht mehr, wo ich das abgeschrieben habe. Mir geht es aber nicht so wie ein ehemaliger Deutscher Verteidigungsminister, der seinen Doktortitel verlor, weil er vergessen hatte, wer für ihn abgeschrieben hat ohne zu zitieren. Ich finde das dagegen blitzschnell wieder: „http://www.lathes.co.uk/page21.html „Ich fange mal an überschlägig zu rechnen. In Hundert Unternehmen drehen jeden Tag durchschnittlich zwanzig Dreher Rüstungsteile. Das macht einen weltweiten täglichen Gewinn von zehn Millionen Euro! Ich bin schlecht im Rechnen und noch schlechter im Schätzen. Ich habe das weit unterschätzt!
Seltsames geschah, als ich mit sogenannten Schlaghosen mitten im dritten Lehrjahr im Pressenwerk auftauchte. Schon immer gab es eine heftige Diskussionen wegen der Bluejaens, der Nietenhosen, welches einen Jugendlicher als Verfechter und Dulder westlicher Dekadenz prädikatisierte und die tiefe Mißachtung der Gewaltigen erzeugte. Mein "Gewaltiger" war Kaderleiter Storch aus Breitungen. Storch zitierte mich in sein Büro und fragte, "Was soll das? Muss das sein? Du bist doch Efdejodler und weist, wie du dich verhalten sollst! Du gehst jetzt nach Hause und ziehst andere Hosen an. Nach Hause gehst Du in Deinem Schlosseranzug. Ich will diese Hosen nicht mehr sehen! Die Hosenumziehzeit arbeitest Du nach!" Ich bin mit der Hose in der Hand nach Hause getrabt und auf den Dachboden geklettert. Dort hingen Anzüge von meinem Großvater und meinem Urgroßvater. Ich zog eine Hose von meinem Urgroßvater an. Die war grau-schwarz längsgestreift. Die Hose hatte Laschen für Hosenträger. Da hängte ich breite Hosenträger vom Urgroßvater dran. Drunter zog ich ein weißes Leinenhemd mit Bündchenkragen. Meiner Mutter sagte ich "Schlaghose ist verboten - sagt Storch". Mutter sagte "Hör auf damit, Du bekommst wieder Ärger in diesem Aufzug - wir haben doch keine Faschingszeit." Ich maulte trotzig "doch, doch doch" und lief wieder zurück in´s Pressenwerk, wo inzwischen die anderen Lehrlinge an den Fenstern hingen, um mich gedemütigt und ordentlich nach Norm gekleidet zurück erwarteten.
Sie johlten hinter dem Werkstattfenster, als sie mich sahen. Storch sah mich mit blitzenden Augen und tiefen Stirnfalten, die ungeheuere Besorgnis ausdrückten an und bemerkte, "Das hat ein Nachspiel!" Das Nachspiel waren Sätze von Storch zum Feierabend, wo mir Storch erst einmal meine Leistungen vorhielt, welche geeignet wären, den Facharbeiterabschluss nicht zu schaffen. Das ich hier im Volkseigenen Betrieb Pressenwerk herum lief, wie ein Kasper, wäre doch nur blanke Provokation und tiefste Missachtung sozialistischer Verhaltensweisen und sozialistischer Moral. Ich sah an meinen gestreiften Hosen hinunter und bemerkte, die Hose hätte mein Urgroßvater in Hamburg bei einer Thälmann Versammlung schon angehabt und wäre somit auch sozialistisch. Storch schnaubte vor Hass und Missmut. "Morgen will ich Dich ordentlich angezogen im Betrieb sehen! Das Kasperletheater machst du mit mir nicht noch einmal! Mit mir nicht!" Am anderen Tag zog ich meinen besten, meinen einzigen hellen Anzug mit Schlips und weißem Hemd an. Storch zerknackte oben in am Fenster seines Kaderleiterbüros einen Bleistift vor Wut. Mitten in der Woche als Lehrling mit Schlips und Kragen herum zu laufen, gab es nicht. Am anderen Tag erschienen zwei weitere Lehrlinge im Anzug und nach einer Woche liefen alle so herum. Das war eigentlich Privileg der Ingenieure und des Werkleiters samt Kaderleiter in Schlips und Kragen zu erscheinen. Ich fuhr meine Ausschussproduktion gegen Null und die Zensuren, die mir mein Lehrmeister dafür geben musste, waren mindestens eine Zwei. Storch sagte nichts mehr, sonder blickte nur finster, sehr finster, wenn er mich sah. Inzwischen hatte ich einen zweiten Anzug, einen schwarzen Anzug. Den brauchte ich für eine Beerdigung. Die Beerdigung meines Vaters. Nach der Beerdigung behielt ich noch Wochen bis zur Facharbeiterprüfung den Anzug an. Doch als ich das erste mal mit dem schwarzen Anzug im Betrieb erschien, wurde ich sofort zu Storch zitiert, der mich mit wüstem Geschimpfe abkanzelte. Ich sagte, "Mein Vater ist gestorben - und kann doch da einen schwarzen Anzug anziehen!" Storch glaubte das natürlich nicht und schrie bei geöffneter Türe herum wie impertinent ich ihn hier verarschen will, dass wäre doch "die Spitze der Provokation". Ich wäre ein "Früchtchen - ein ganz mieser Kandidat" und er würde dafür sorgen, dass mir meine Flausen mit Hilfe der sozialistischen Gesetzesmacht schon ausgetrieben werden. "Du landest noch im Jugendwerkhof!" Ich sagte, er solle doch meine Mutter anrufen, die bezeugen würde, dass mein Vater gestorben ist. "Raus!" brüllte Stoch "Dich bring ich nach Untermaßfeld in´s Gefängnis - mit deiner miesen Lügnerei! Von der heutigen Zeitungsschau und vom Zirkel Junger Sozialisten bist Du ausgeschlossen!" Eine halbe Stunde später war die montägliche Zeitungsschau, wo das "Neue Deutschland" ritualmäßig nachgebetet wurde, indem die Leitartikel vom Lehrmeister Schorsch und von Kaderleiter Storch vorgelesen wurden und durch Hände heben und durch nachgesprochene Zitatate der Lehrlinge der Schwulst bestätigt werden musste. Dort hat sich dann herumgesprochen, dass mein Vater wirklich gestorben ist. Storch sprach die folgenden Monate, die ich noch im Betrieb war kein einziges Wort mehr mit mir. Ich war Luft für ihn bis zu meiner Kündigung, die ich ihm Anfang 1964 auf den Tisch legte.....in Schlaghosen.
Mit mir haute noch jemand ab, Klaus. Kurz vor meinem Lehrbeginn fing im Pressenwerk ein junger Maschinenbauingenieur nach Absolvierung seines Studiums im Konstruktionsbüro an. Zu dieser Zeit wird im Pressenwerk eine seltsame Maschine entwickelt. Man stelle sich mal einen Automotor vor, der auf dem Kopf steht und mit einer stabileren Kurbelwelle anstatt Kolben eine massive Platte bewegt. Auf dieser Platte wurden zehn einmarkstückstückgrosse Stanzmesser befestigt und wenn die Kurbelwelle anfing zu kurbeln, wurden mit jeder Umdrehung der Kurbelwelle zehn einmarkstückstückgrosse Aluminiumstücke ausgestanzt. Im volkstümlichen Sprachgebrauch der damaligen DDR hießen diese Teile Aluchips. Hundert mal drehte sich diese Kurbelwelle in der Minute und sechzig mal tausend Aluchips-Markstücke, also sechzigtausend Mark der DDR Staatsbank kullerten in einer Stunde in kleine blaue Blechkisten. Besser gesagt wären gekullert, wenn man das Blechband so schnell durch die Maschine jagen könnte. Seit Monaten tüftelte man nach einer Lösung und fand keine. Klaus Gubba kam die technisch rettende Idee zu diesem Problem und fortan kullerten locker und präzise rund eine halbe Million Aluminium-DDR-Mark in einer Schicht in die Blechkisten. Damit fiel Klaus Gubba natürlich erst einmal positiv auf und man unterbreitete ihm den tollen Vorschlag in die SED und in die Kampfgruppe der Arbeiterklasse einzutreten. Kluge Leute konnte man in der SED gebrauchen. Klaus lehnte dieses Ansinnen rigoros ab, weil er für Politik dieser Art und für Kampfgruppenübungen kein näheres Interesse hatte. Da man in der SED Betriebsgruppe nicht einsah, dass einer, der so klug ist kein Einsehen hatte, wurde Klaus Gubba verdächtig. Von da ab stand Klaus Gubba zuerst unter ständiger Beobachtung der SED in seinem Betrieb und kurz darauf zwangsläufig unter Beobachtung des Ministeriums für Staatssicherheit. Klaus Gubba begann sich in Salzzungen einzurichten. Er suchte sich seinen Freundeskreis in Salzzungen bei Bürgern, welche auch ein bisschen pfiffig waren. Zufälligerweise waren das auch unter anderem die Rundfunkmechaniker der Stadt, welche damals auf die praktische Idee kamen, die Fernsehgeräte, die vom staatlichem HO-Handel der DDR ohne Westkanal verkauft wurden, mit einer zusätzlichen klitzekleinen Pappzwirnspule mit sieben Kupferdrahtwindungen nachträglich auszustatten. Auch Klaus nutzte diese nette nützliche Dienstleistung und stellte sich fortan mit einem Tastendruck den Kanal Acht, das Westfernsehen aus Hessen ein. Das war damals in der DDR zwar nicht gesetzlich verboten - es war aber dringendst unerwünscht. Die "Beobachter" gelangten irgendwann nach der Stellung der Gubbaschen Fernsehantenne auf dem Dach zu der Erkenntnis, wie er sein Fernsehgerät unstatthaft linienunteru verändert hatte und vermerkten, dass Klaus Gubba somit unter perfidem imperialistischen Einfluss stände. Eine System untreue Auffälligkeit, die ebenfalls nach mehrfacher kaderleiterlicher Aussprache in seiner Kaderakte vermerkt wurde: " Kollege Gubba bedarf in charakterlicher Hinsicht eine strenge Führung". Klaus Gubba ahnte davon Anfangs wenig, weil er seine Beurteilungen nie sah und anders lautige nette Dubletten ausgehändigt bekam. Er begann neben seiner Erfindertätigkeit in seinem Betrieb auch noch für andere Betriebe in der Region zu entwickeln und zu erfinden. Spezialisten für Plastespritzwerkzeuge waren damals ungemein knapp und so stapelten sich auf diesem Gebiet mit der Zeit die nutzvollen Ergebnisse und zwangsläufig nahm entsprechend nutzvoll sein Konto auf der Sparkasse andere Kontostände als allgemein bei einem normalem Ingenieur üblich an. Klaus kaufte sich einen niegelnagelneuen Trabant Kombi mit seltenem Schiebedach und fiel dadurch wieder auf. Wegen dem Konto: " Er ist hinter dem Geld her" und wegen dem Schiebedach: "Klaus Gubba ist für den bürgerlichen Luxus aufgeschlossen". Sein damaliges Hobby - Tauchsport machte ihn weiter oberverdächtig. In seiner Freizeit fuhr Klaus zum Buchensee und zur Bernshäuser Kutte und verschwand lautlos geheimnisvoll in den Fluten. Sein Tauchgerät gluckerte nicht wie normale damalige Tauchgeräte. Was die "Genossen" damals nicht gleich wussten, er hatte aus zweiter Hand ein Sauerstoffkreislaufgerät "Medinixe" erworben, welches es ganz normal in Leipzig in einem Medizinzubehörladen zu kaufen gab. Das gab es schon, das war schon erfunden. In der Provinz, in Thüringen pubertierte seine Akte inhaltlich und umfänglich langsam zum regionalem Staatsfeind ersten Ranges an und der Zugriff auf den unermüdlich erfindenden, tauchenden, Westfernseh sehenden und Trabant fahrendem Klaus wurde vorbereitet. Der plötzliche Zugriff wurde sicher abgeblasen, als Klaus Gubba sich offiziell bei der GST, der staatlichen paramilitärischen Gesellschaft für Sport und Technik anmeldete um dort sein Hobby Tauchsport aktiver treiben zu können, weil die GST tolle Tauchgeräte und Pressluft hatte. Jemand, der nutzbar sein kann bei der vormilitärischen Ausbildung von Jugendlichen, den buchtet man halt nicht wegen ein bisschen Westfernsehen und überproportionalem Erfinden ein, nur weil er nicht in der SED ist, schlussfolgerten nun seine Beobachter. Klaus wurde vorerst in in Ruhe gelassen. Er wurde erst wieder verdächtig, als er an einem sonnigem Tag mit einem Fotoapparat erst über und dann unter Wasser herum hantierte. Das war deswegen seltenst verdächtig, weil es in der DDR für Geld und gute Worte und beste Beziehungen keinen Fotoapparat für unter Wasser zu kaufen gab. Es gab so etwas einfach nicht! Die intensiven Recherchen der "Beobachter" ergaben, er hatte den überaus raffinierten Apparat heimtückisch selber erfunden, entwickelt und gebaut. Ein wasserdichtes Aluminiumgehäuse mit allem notwendigem technischem Pipapo nahm einen Fotoapparat Marke Exa sicher und trocken für die Tauchgänge auf. Unerhört! Da es in den paar stehenden Gewässern in Thüringen keine Staatsgeheimnisse zu fotografieren gab, nahmen die "Beobachter" an, das es zutiefst staatsgefährdend wäre, wenn es Staatsgeheimnisse unter Wasser gäbe - denn die könnte der einsteinhafte Gubba ja nun mit seiner Erfindung fotografieren. Gefährlich wäre außerdem, er könnte ja auch fotografieren, dass es keine Staatsgeheimnisse unter Wasser gibt. Auch hätte Klaus Gubba in einer Gaststätte öffentlich geäußert mit so einem Tauchgerät Medinixe könne man unbesehen in den Westen unter Wasser abhauen, da bei diesem Gerät keine Luftblasen an die Oberfläche sprudelten, weil das Ding mit Sauerstoff und einem bissel Kalk schon seit Adolfs Zeiten funktioniert. Und wieder wurden Vorbereitungen getroffen Gubba erst einmal prophylaktisch wegzusperren, zumal er nun auch noch ein verdächtiger Bürger mit "HWG" war. HWG ist aber nichts politisches, HWG ist die Abkürzung für "häufig wechselnder Geschlechtsverkehr", so das damalige ostdeutsche Amtsdeutsch. Klaus war aber damals schlicht und einfach unter den Töchtern der Stadt auf Brautschau und am "Probieren" der richtigen Partnerin. Als die emsigen Häscher des Ministeriums für Staatssicherheit eines frühen Morgens in seine Wohnung eindrangen, um ihn vorsorglich abzuholen, war die Wohnung leer bis auf den kleinsten Krümel. Der technische Einstein-Gubba war spurlos bei Nacht und Nebel weg - wahrscheinlich in den Westen, so die zu späte Erkenntnis des Festnahmekommandos. Erst Tage später kam heraus, wohin er eigentlich entwestet war. Klaus hatte einfach im Pressenwerk vierzehn Tagen vorher ohne viel Tralalla fristgemäß gekündigt und war achtzehn Kilometer weiter westlich im Kreis mit seiner Freundin und zukünftigen Frau nach Vacha in das hermetisch abgesperrte Grenzgebiet gezogen. Er arbeitete und erfand einen Kilometer entfernt von der "Staatsgrenze der DDR" Kabelmaschinenteile im Kabelwerk und hatte sich ganz üblich polizeilich in Bad Salzungen abgemeldet und in Vacha wieder angemeldet. Ratlos tagte tagelang das Ministerium für Staatssicherheit in der Kreisdienststelle was in diesem unerhörtem speziellem kompliziertem Falle nun zu tun sei. Außerdem war Klaus noch überflüssigerweise und hinterhältig ohne Wissen der Stasi im Kabelwerk in die SED Betriebsgruppe und in die Vereinigung für Deutsch Sowjetische Freundschaft eingetreten. Man tat ihm wegen der ganzen Blamage vorsichtshalber nichts. Fast nichts. Nur seinen Posten als Taucherausbilder und Chef der Salzunger Tauchsportgruppe wurde ihm ohne viel Federlesens entzogen, weil er hätte ja in Tausend Meter Werra unter Wasser weg sein könnte. Zwanzig Jahre später praktizierte das einer seiner Nachfolger. Weg unter Wasser in den Westen. Zwei Jahre später verspürte Klaus den gleichen Druck wie in Bad Salzungen und verschwand wieder plötzlich bei Nacht und Nebel aus dem Kreis, kurz bevor alle Rundfunkmechaniker aus Salzzungen auf viele Jahre wegen Spionage verurteilt wurden - Ihr einzigstes Verbrechen - sie hätten funken können. Nun ist er wirklich weg, dachte wieder diese "sozialistischen" Staatssicherheitsexperten. Nur - Klaus war nur fast weg. Klaus war einfach wieder einmal blitzschnell gut durchplant umgezogen. Diesmal in nordöstlicher Richtung nach Berlin während seine missliche Kaderakte von ihm in den Süden der DDR dirigiert wurde. Er baute sich in Berlin ein Haus sicher wieder mit nicht wenigen Erfindungen und tauchte fast endgültig in der großen Stadt unter. Aber nur fast. Bis zur Wende sind sie entsprechend seiner Stasiakte am Ball also an Klaus geblieben und protokollierten mit welchen unüblichen Raffinessen Klaus seine Baumaßnahmen gekonnt realisierte. Seine Frau schrieb, nachdem sie aus dem Ehebett geklettert war regelmäßig als IM Berichte an die Stasi. Jahre vor der Wende gelang es ihm nach einem verordnetem Parteischulkurs die richtigen Argumente zu finden, um mit einem Hinweis auf seine objektiv vorhandene idealistische Weltanschauung schadlos aus der Partei der Arbeiter und Bauern aus zusteigen. Ich habe Klaus über das Internet mit einer Nachricht gefunden, durch die er sich bei mir gemeldet hat. Klaus war mein erster Tauchlehrer und auch seine tollen Fähigkeiten als Ingenieur hatten mich damals beeindruckt und waren eines der Motive selber mal später Ingenieur zu werden. Auf mein damaliges Gejammer, dass es keine Gewichte für den Tauchergürtel zu kaufen gäbe, drückte mir Klaus Gubba ein Bleigewicht in die Hand und meckerte "Gieß dir welche, Blei gibt es in jedem lumpigem Akku, Gas und alten Topf hast Du in jeder Küche, Gips für die Form gibts genug!" - "Gibts nicht - gilt nicht" - " Mach dir einen Kopf, wenn du hast!"
Nicht Storch, nicht Schorsch, nicht das ganze Pressenwerk waren daran Schuld, dass ich in den Sack haute. Meine Freundin Renate, meine erste große Liebe hatte mir den Korb gegeben wegen einem anderen. Mit einem Strick in der Hand bin ich auf dem Boden unseres Hauses und wollte mich zuerst aufhängen. Bin dann aber zu einem Freund, der schon immer von zu Hause weg wollte. Der hatte Zeitungsinserate gesammelt, wo man mehr verdient, mehr erlebt.
„Leuna Werke „Walter Ulbricht“ Bau15, Hauptwerkstatt, sucht junge Spitzendreher! Hundert Mark Einstellungsprämie, Lohngruppe 6, Zweihundert Mark Auslösung, Ledigenwohnheimplatz, Schwimmbad, Sechs Turnvereine, Zwölf Kegelvereine, Werkstheater, Werkskino, Zehn Gartenvereine, Ruderverein, Fußballmannschaft, Chor, Werksblasorchester“.
Ich habe mich beworben und bekam nach einer Woche die Antwort „Eingestellt!“ Vierzehn Tage später war ich dort. Meine Mutter heulte erst schrecklich, dann lachte sie. Sie war vor ihrer Mutter aus Ungarn in die Welt abgehauen. Wien, Paris, London, Guernsey, Thüringen.
Ich landete wieder in einer Kleinstadt. Bad Dürrenberg, in Sachsen Anhalt, glashart an der Grenze zu Sachsen. An einem Montag kam ich in Merseburg an, weil in irgend einem Formular meines neuen Arbeitgebers stand, ich sollte in Merseburg aussteigen. Von dort fuhr ich eine halbe Stunde mit der Straßenbahn in südlicher Richtung zurück und landete in Leuna. In der Stadt Leuna, direkt vor dem Leunawerk. Im fulminanten Verwaltungsgebäude hundert Meter neben der Staßenbahnhaltestelle fand ich schnell den richtigen Raum, in dem ich erscheinen sollte. Das lag nicht an meinem überdurchschnittlichem Orientierungssinn, sondern an praktischen Schildern, die überall herum hingen. Dort ist A, da ist B und dort ist C! Ich musste zu A36R. A36R war Zimmer 36 rechts im Erdgeschoss. Jeder Besucher, so auch ich fand das. In A36R standen so 10 Schreibtische. Diese hatten wieder große Schilder A-H, B, C-E, F-H, und so weiter. Mein mir zugeordneter Schreibtisch war F-H, weil mein Nachname mit H anfing. Kollege F-H war ein älterer Herr und begrüßte mich herzlicher, als seine erste Erscheinung erahnen ließ. Er plauderte erst einmal mit mir, was ich so bisher beruflich gemacht habe und stocherte in meinem Kopf herum, was ich gerne einmal machen wollte. "Mehr Geld und interessante Arbeit" war meine Antwort ergänzt mit der Bemerkung, "Die Kollegen sollten nett und freundlich sein.“ Kollege F-H stocherte in einem Karteikasten herum und übergab mir freundlich lächelnd zwei Karteikarten. Karte B15 und Karte B15B. Er schob mir einen Arbeitsvertrag über den Tisch, den ich unterschrieb und einen DIN A5 Zettel "B15-V 86567". B15 bedeutete ein Werkstattgebäude in der Werkstraße B Nummer 15. "Du läufst jetze vormittag um 10 Uhr einfach deinem Schatten nach, bis du zur Straße B kommst, dort ist links das zweite Gebäude Bau 15!" B15B ist der dazu gehörige Bäderbetrieb. Zettel "B15-V 186567" ist ein Vorschußzettel, du kannst dir die Hälfte deines künftigen Monatslohnes in der Kasse A37 holen. A37 ist nicht in der Straße A, sondern im Erdgeschoß im Verwaltungsgebäude. 186567 ist deine Personalnummer. Wichtig und bedeutsam erklärte er, das ich der Einhundertsechsundachtzigtausendfünfhundertsiebenundsechzigste Mitarbeiter im Werk wäre, welcher eingestellt wurde. Ein blassgrüner Werksausweis mit der Nummer B15-86567 und ein Schein, wo Bad Dürrenberg W123 stand ordente mich einem Ledigenwohnheim zu. Ich solle nur den Schildern in Bad Dürrenberg nachgehen.
Ich also "Danke" gesagt und auf zu A37, wo schon eine ZwanzigMannSchlange stand. Nach einer halben Stunde war ich an der Reihe. Der Kassenmensch sagte mir, als er das Geld vor zählte, wenn ich wolle, gäbe es einen Weg bei der nächsten Lohnzahlung, den vollen Lohn zu erhalten und nicht nur den halben durch den Vorschuss geschmälerten Lohn. "Interessant" sage ich "Wie geht das?" Der schiebt mir darauf einen Zettel zu, darauf steht B17 - HS -Schaltwarte. B17 - HS -".Eine Schaltwarte ist Teil einer einer Chemieanlage dicht neben B15, da kannste noch eine -HS- halbe Schicht nach deiner Schicht für die Caprolactamproduktion erbeiten."
Ich kam aus einem Hundertzwanzig-Mann Betrieb und war erst einmal von den Socken Einhundertsechsundachtzigtausendfünfhundertsiebenundsechzigster Mitarbeiter zu sein. Wo war ich gelandet? Ich war in Leuna. Präziser in den Leuna Werken "Walter Ulbricht", dem größten Chemiebetrieb der DDR. Dort hatte man 1938 das Perlon erfunden und die Damenwelt hatte seitdem Grund zu besonderer Freude. Hauchdünne Strümpfe, die Nylons gab es aber erst lange nach dem Krieg aus Westpaketen. Bis man im Leunawerk soweit war, den Grundstoff Caprolactam für die Perlonstrümpfe in halbwegs reichlicher Menge zu fertigen, dauerte es aber eine Weile.
1916 begründete Karl Bosch im Auftrag der BASF mit einem Ammoniakwerk im Auftrag der Obersten Heeresleitung die Geschichte des Chemiestandortes in Sachsen Anhalt. Ammoniak konnte man neben der Düngemitteleignung auch für Sprengstoff gut gebrauchen. Mitte der dreißiger Jahre war Leuna ein Glied der IG-Farben und wurde nach dem Krieg eine Sowjetische Aktiengesellschaft. 1951 gab es eine kleine Personenkultaktion und die Namensgebung "Walter Ulbricht". Von dem Tag an schämten sich fast alle Leuna-Belzer über diese Benennung.
Als ich aus einem kleinen mickrigen Maschinenbaubetrieb in Thüringen 1964 als Dreher dort anfing, staunte ich vom ersten Tag an. Ob fachlich oder menschlich gesehen, die Kollegen der Hauptwerkstatt Bau 15 waren ganz anders drauf, als die Leute in meinem Lehrbetrieb. Während in meinem ehemaligen Lehrbetrieb, eifersüchtige soziale Statuserhaltung das Systemprinzip der Facharbeiter untereinander war, in das man höchstens mal einheiraten könnte,wenn man die häßliche Tochter eines Meisters geschwängert hätte, zählte in Leuna was man leistete und in einem halben Jahr hatte ich die Lohngruppe zu der ich in Thüringen Jahre gebraucht hätte. Es gab eine kleine SED-Parteigruppe im Bau 15, die nur veralbert wurde. Das Sagen hatten die Arbeiter nicht, aber Einfluß schon. Egal ob Arbeitsbedingungen oder Lohngruppeneinstufung. Hier flogen bei Gewerkschaftsversammlungen die Fetzen und es wurden oft gute Ergebnisse für die Mitarbeiter errungen. Auf der anderen Seite brachte dieser Betriebsteil Spitzenleistungen, die übliche DDR-Gammelei war verpönt. Materialengpässe gab es natürlich auch wie überall in der DDR. Eine ausgefeilte Organisationsstruktur noch aus IG-Farben-Zeiten bügelte diese Engpässe oft aus. Standzeiten der Maschinen gab es wenig. Stand die Maschine, stand auch der Lohn still. Innerhalb weniger Monate erhielt ich eine neue Wohnung in und konnte mich auf Grund der Unterstützung meiner Kollegen in der Abendschule auf ein Studium vorbereiten. Meine ehemaligen Kollegen in Thüringen dachten, ich tische ihnen Werksmärchen auf, als ich ihnen erzählte, in Leuna gibt es mehrere Betriebskantinen mit täglich wechselnden zehn Gerichten, zum Frühstück Rührei, heiße Bouillon, Suppen und Pudding. In der Nachtschicht warmes Kantinenessen".Gestern habe ich gebackene Forelle gegessen und vorgestern Hasenbraten" schrieb ich stolz meiner Mutter. "Es gibt Bäderbetriebe mit hellen sauberen Dusch- und Waschräumen, Turnschuhe für den Einsatz an Großdrehmaschinen, Waschmittel und Handtücher umsonst, im Betrieb und um den Betrieb ein tadelloser Werksverkehr, Fahrräder in den Hallen und eine ausgebuffte Arbeitsorganisation. Schwimmbäder, Kegelhallen, Kinos, Werksbibliotheken, Betriebskindergärten, Ferienheime, Ruderboote, Segelboote". Wer arbeitsgeil ist, kann Überstunden machen, wer nicht, dann eben nicht. Der stolz präsentierte Lohnstreifen und eine Werksbroschüre hatten dann das Ergebnis, dass noch drei Kollegen aus meinem ehemaligen Lehrbetrieb ebenfalls kündigten. Einen kleinen Schwindel hatte ich aber doch noch gemacht. Auf meinen Lohnstreifen war die Abrechnung von ein und einem halben Monat. Mit der dazugehörigen Auslösung hatte ich soviel Lohn wie das Gehalt meines ehemaligen Werkleiters. Als ich dann studieren wollte, benötigte ich eine Delegierung des Betriebes. Die Parteigruppe belatscherte mich in die Partei einzutreten, um die Delegierung zu erhalten. Ich habe einen Antrag auf Aufnahme in die SED gestellt und dies meinen Kollegen erzählt. In der darauf folgenden Nachtschicht standen die Maschinen eine Weile und ich wurde ideologisch richtig rund gemacht. In der darauffolgenden Woche zog ich meinen Antrag zurück. Die Delegierung haben mir dann meine Kollegen über die Gewerkschaftsgruppe im Bunawerk besorgt, wo ich keinen Segen der SED benötigte. Es war damals die Zeit des Aufbaus von Leuna II, über die Erik Neutsch den Roman "Spur der Steine" schrieb, nachdem der gleichnamige Film mit Manfred Krug gedreht wurde. Im Nachhinein kann ich sagen, dass ich viele Szenen dieses Filmes life erlebt habe. Die Kollegen in Leuna und Buna hatten sich bis zu dieser Zeit nicht alles von der Partei gefallen lassen und der "führenden Rolle" der Partei manchmal widerstehen können.
Freilich war ich als Thüringer Landei von den Dimensionen des riesigen Betriebes beeindruckt. Das Werksgelände befindet sich ca. fünf Kilometer südlich des Stadtzentrums von Merseburg und grenzt unmittelbar an Merseburg-Süd. Es wird im Norden von der Bahnlinie Halle-Weißenfels, im Nordosten von der Ortschaft Leuna und im Südosten von der Ortschaft Spergau begrenzt. Im Westen wird das Gelände durch die Bundesstraße 91 Merseburg-Weißenfels flankiert. Im südlichen und westlichen Umfeld der Leuna-Werke unterliegt die Fläche einer landwirtschaftlichen Nutzung. Die Flächenausdehnung der Leuna-Werke beträgt ca. 4,5 km in Nord-Süd-Richtung und im Mittel ca. 2,3 km in Ost-West-Richtung. Hieraus ergibt sich eine Gesamtfläche von ca. 5 km², wobei ein Drittel der Fläche durch die Abraumhalde ( sog. Leunahalde ) eingenommen wird. Das Gelände umfasst Flurstücke der Gemarkung Leuna, Spergau und Merseburg.
So gegen 11 Uhr Vormittags lief ich das erste mal durch das Haupttor von B15, der Hauptwerkstatt. Das Tor war so groß, dass bequem komplette Güterwaggons durch paßten. Mein zuständiger Meister, ein netter älterer Kollege zeigte mir meine Drehmaschine, die doppelt so groß war, die die Maschinen, an denen ich gelernt hatte. Er zeigte mir den ganzen riesigen Bau und dann war es 14.00 Uhr. Die Frühschicht war zu Ende, ich konnte nach Hause in das Ledigenwohnheim nach Bad Dürrenberg. Mit mir fuhren an diesem Tag noch weitere frisch Eingestellte in das Wohnheim. Es waren einige junge Männer aus Polen, welche eine Spätaussiedlercampagne nutzten, um aus der Gegend der masurischen Wäldern zu verschwinden. Als Deutsche hatten sie zunehmend in Masuren Probleme. Und auch Polen, welche irgendwo in der Ahnenreihe eine Deutsche Großmutter hatten, nutzen die Chance, das polnische Waldarbeiterbeil an den Nagel zu hängen, um im scheinbar reicheren Ostdeutschland eine neue berufliche Zukunft zu suchen. Fast jeden Abend gab es Begrüßungsfeste und lediglich ein wenig Trübsal gab es, weil es eben diesen Ankömmlingen aus Polen nicht gelungen war, nach Westdeutschland auszuwandern. Auch damals brauchte man Geld, Geduld, Beziehungen und korrupte Beamte, um nach Westdeutschland ein zu reisen. Wer arm und ungebildet war, landete in Ostdeutschland in der DDR. Am Ende der ersten Woche gab es ein Riesen Saufgelage im Merseburger Bahnhof in der Mitropa. Janek, ein Kollege, der mit mir in der kleinen Wohnheimwohnung wohnte, hatte sich im An- und Verkauf - Laden am Bahnhof einen riesigengroßen gebrauchten Fernseher Marke "Dürer" mit klitzekleinem Bildschirm für Hundert Mark gekauft. Ich half ihm, die Kiste auf den offenen Straßenbahnperon zu wuchten. Als die Straßenbahn nach Bad Dürrenberg ein wenig schneller als sonst in die Spergauer Kurve fuhr, flog der Dürer aus der Straßenbahn in die Brennnesseln. Janek sprang hinterher. Wir ließen die Straßenbahn anhalten und sammelten Janek und den Dürer wieder ein. Janek heulte wie ein Schlosshund und Kollegen meinten, er solle das Gerät, was furchtbar ramponiert aussah, weg schmeißen. Janek sträubte sich und wir schleppten zu viert fluchend das Ding trotz gebrochener Frontscheibe ins Wohnheim. Dort steckte man die Anschlussstrippe in die Steckdose, stellte eine kleine Zimmerantenne auf und oh Wunder, das Gerät funktionierte noch fast tadellos. Das Bild war ein wenig blass und verrauscht, aber man konnte sehen, das Heinz der Quermann einen "Kessel Buntes" moderierte. "Das ist wenigstens noch deutsche Qualität" sagte Janek. Ein halbes Jahr später war Janek tot. Er hatte sich auf einem Hochspannungsmast, den er anstreichen sollte, aus Versehen stranguliert, weil er den deutschen Wodka nicht vertrug, oder weil der länger wirkte als der polnische Wodka. Das Bett von Janek blieb leer, weil kein Kollege in einem Bett schlafen wollte, von einem Kollegen, der tödlich verunglückt war. Trotzdem wurde das Bett vom Wohnheimpersonal wöchentlich frisch bezogen und das Zimmer wurde täglich gereinigt. Nach einigen Wochen sitzt eine schwarz gekleidete Frau auf Janeks Bett, als ich von der Schicht komme. Janeks Mutter. Sie weint und erzählt, dass Janek sein Grab in Deutschland in Bad Dürrenberg hat und der Polnische Staat eine Exhumierung und Überführung auf einen polnischen Friedhof verweigert. Auch Janeks Fernseher darf sie nicht mitnehmen. Eine Woche später war der Fernseher inoffiziell in Masuren bei Janeks Mutter. Deutsch/Polnische Kollegen haben den kleinen Schmuggel für die arme Frau organisiert. Wieder einige Wochen später erzählt man, den Janek hat man auf dem Friedhof ausgebuddelt. Der Sarg samt Janek ist verschwunden. Ein polnischer Kollege mit einem silbernen Kreuzchen um den Hals sagt mir mal "Uns ist es egal, was der Staat macht oder will - wir machen was wir wollen und besorgen einer Mutter in Masuren ihren Sohn - tod oder lebendig!"
Ich schruppte in B15 meine dreimal Acht Stunden Wechselschicht in Leuna ab und die Arbeit und alles neue um mich herum machte erst einmal Spaß. Auch die halben Schichten, die man an die Schicht dranhängen konnte, war leicht verdientes Geld. Man saß gemütlich bei Kaffe oder Tee in einer Schaltwarte einer Chemieanlage mit hübschen jungen Kolleginnen herum und musste ab und zu nach einem zeitlichem Regelement irgendwelche Schieber auf- oder zudrehen. Anfangs bin ich oft in Pausenzeiten in eine Betriebsverkaufsstelle gegangen, wo es Sachen zu kaufen gab, welche es in den normalen Geschäften weniger oder überhaupt nicht gab. Alles aus Plaste und Gummi. Da das Zeug im Werkverkaufspreis spottbillig war, habe ich auch manchmal den größten Unsinn, den ich nicht brauchte gekauft. Eine Freundin, welche im Wohnheim aus dem Küchenschrank ein Sortiment bunte Babyrasseln heraus kramte, fragte "Was willst du mit Babyrasseln?"
"Dumme Frage - Irgendwann kann man alles mal gebrauchen!" war meine Antwort.
Aus irgendwelchen Gründen, als ich nach der Grundschule meine Lehrzeit als Dreher startete, stand auf meinem Facharbeiterzeugnis "Walzendreher". hier waren kleine Walzen gemeint, die im Werratal hauptsächlich für die Spinnereiindustrie gefertigt wurden. Es war ein Qualifizierungsunterschied. Spitzendreher konnte man damals nach der zehnten Klasse lernen, „Walzendreher“ war eine niedrigere Facharbeiterqualifikation, die man mit Grundschulabschluss in drei Jahren lernen konnte.
In Leuna waren aber Walzendrehmaschinen riesige Ungetüme, eine betriebsinterne Bezeichnung, welche in dem Betrieb, in den ich gelernt hatte, kaum in die größte Halle gepasst hätten. Werkstücke musste man mit einen Kran in die Maschine wuchten. An so ein Ungetüm, an den damals mehr Geld, als an den kleinen Spitzendrehmaschinen verdient wurde, stellte man mich zu einen erfahrenen Kollegen, der mir freundlich und geruhsam alle Tricks ohne viel Aufhebens erklärte. Im Pressewerk Salzzungen wäre das undenkbar gewesen. Nach einer Woche legte ich mit meinen ersten tonnengroßen Werkstück los. Öfters kam ein Kollege vorbei und hat nachgemessen was ich da so zerspante. Die großen Drehmaschinen waren ungemein freundlich. Ich liebte sie fast wenn sie gemütlich brummten. Und sie beinhalteten einen Vorteil für mich, der absolut segensreich war. Wenn das Werkstück eingespannt war. Was manchmal einige Stunden dauerte, hatte ich manchmal drei Tage absolut nichts zu tun, als zu zu sehen, dass nichts schief ging und wichtiger war zu zu hören, ob der Drehmeißel nicht bei einer Fehlstelle des Gußstahls zersprang. Das hatte ich fix weg bekommen und konnte bie der Arbeit mich in eine gemütliche Ecke fläzen und dicke Bücher lesen, die es in der riesigen Betriebsbibliothek vor dem Werk im Leuna - Klubhaus zur Genüge gab. Nach der Hetze um die wenigen Märker, die ich in Salzzungen verdiente, hatte ich hier sofort das doppelte Geld in der Hand und konnte an Sachen denken, an die ich vorher nicht zu denken wagte. Das waren erst mal Klamotten. Ich hatte gerade einen Anzug, zwei Hosen, ein paar Hemden und einen dünnen Wintermantel, der noch zu Hause in Salzzungen auf dem Boden im Winterklamottenschrank, bei den Salzzunger Motten hing.
In Leuna wimmelte es von jungen Leuten, die aus allen Ecken der DDR zum Aufbau von Leuna II, so wie ich angeworben wurde. Neben mir an einer anderen Maschine stand der Berliner Schoffölke, der ständig in meine Leserei reinquatschte. Es war trotzdem ein prima Kumpel, der auf meine Maschine mit aufpasste, wenn ich in und um die Hauptwerkstatt, den Bau 15, meine Kreise zog.
Meine Hauptkreise zog ich erst einmal in den beiden Galerien des Bau 15. Auf der einen Galerie arbeiteten an Spezialmaschinen ältere Kollegen und auf der anderen Galerie arbeiteten an einfachen Revolverdrehmaschinen viele junge Frauen. Die interessierten sich für uns aus der Haupthalle aus mehreren Gründen. Der Hauptgrund war, dass wir fast alle neu waren und als Partner für mehr als eine Nacht in Frage kamen. Wir waren einfach so etwas wie Heiratskandidaten. zum anderen war auch ein Grund, das man mal mit uns schnell einen Schwatz machen konnte und die stupide Arbeit an ihrer Maschine, wo manche tagein - tagaus, jahrein - jahraus, immer die gleichen fast automatischen Handbewegungen machten, eine kleine Abwechslung bereiteten. Es gab eine Regel dort. Wenn man mit einer der Drehermädchen der Galerie ein Verhältnis anfing und es wurde nichts Festes daraus, waren alle anderen verbrannt und tabu. "Geza paß auf da oben mit den Miezen!“ warnte Schoffölke. „Wenn Du mit einer von denen was anfängst, wirst du die nicht leicht wieder los - die haben alle Haare auf den Zähnen!" Allein drei aus unserer Schicht sind mit drei von denen verheiratet. Alle viertel Jahre gibt es eine Riesen Hochzeit im Bau 15!“
Was soll es, in diese Haare wollte ich beißen und drehte die Drehzahl meiner Maschine ein wenig hinunter, um dort auf der Galerie meine Runden zu drehen. Schoffölke war schon verbrannt und brauchte da nicht mehr hoch. Er hatte sein Jagdrevier auf die Chemieanlagen und Chemielabors rund um den Bau 15 verlegt. Auf der Galerie summte es. Es summten die vielen Maschinen und es summten die vielen Mädchen, die sich über ihre Maschinen hinweg bei der Arbeit miteinander unterhielten. Wenn ein junger Mann auftauchte, pfiffen welche wie Jungs auf zwei Fingern, wackelten provokant mit dem Hintern oder schwenkten laut kreischend ihre komischen Netzschirmmützen. Fast alle hatten enge Overals an, die besonders die Taille betonten, wenn sie denn eine hatten. Viele waren so um die 18 - 20 Jahre alt und hatten den Beruf im Werk gelernt. Die Abteilung gab es seit vielen Jahren und es war schon immer der Jungbrunnen der Dreherinnen. Ein paar Männer waren auch dabei und es gab auch ältere, die schon wohl seit dem Krieg in dieser Abteilung klägten. „Klägen“ ist der Begriff dort für „arbeiten“. Doch diese älteren Kolleginnen interessierten mich weniger. Ich hielt Ausschau, denn es gab schon viel zu schauen. Und da es so viele waren, hab ich glatt die Übersicht verloren. Ich schlenderte mal zu dieser, mal zu jener und einige hatten so Scherzworte wie "Na Meiner, woher dreibt´s dich denn heer? Was aus Düringen, ein Bratwurstfresser biste, haste auch Bratwürstchen mitgebracht?" Ich war von den Socken, denn so anzügliche Mädels hat ich noch nie kennengelernt - denn bin ich nicht gewachsen, dachte ich. Und mitten im Gezirze kam Stoffölke angerannt und brüllte, los runter, dein Stahl ist hin.
Ich bekam einen Schrecken und dachte ich hätte meine erste Tonne Gußstahl vermurkst. der Schrecken lies nach als ich an der Maschine stand und gewahr wurde, daß sich nur der Drehstuhl, das Werkzeug, abgenutzt hatte. Na was hab ich gesagt" lästerte Schoffölke freundlich weiter, "Das ist Material - Knorke wa!" Ich gab ihm gerne Recht. Am anderen Tag war Freitag und nach der Mittagspause drehte ich auf der Galerie wieder meine Runden. Eine schwarzhaarige mit hellen Kopftuch und nicht mit der komischen Arbeitsschutz-Netzmütze, winkt von ihrem Halbautomaten. Das Ding lief fast von alleine, wie mein Riesenbrummer unten in der mechanischen Abteilung und man könnte mit ihr ohne Stress plaudern.
Ihr Mundwerk schnirpste genau so wie die mit Kühlemulsion besprühten Werkteile. Sie stand mir frontal gegenüber mit rechts und links erhobenen verölten Zeigefingern und wechselte beim Schwatzen wie ganz von alleine das Standbein. Die Hüften schwang dabei leicht hin und her und ihr schwarzbehaartes Köpfchen, das leicht unter dem Kopftuch lukte, wippte in entgegengesetzte Richtung wie die Hüften. Ihre Augen glänzten wie die öligen Finger.
Ich hab kaum mitbekommen, was die schwatzte und dachte nur noch "Die Lollo, mein Traum aus „Fan Fan der Husar“ it Gerhard Phillippe und Gina Lollobrigida". "Warste schon im Volkshaus?" war die Frage, die sie nun wohl zum dritten mal ansetzte. ich war noch nicht im Volkshaus, im größten Tanzsaal von Bad Dürrenberg und stotterte das irgendwie zusammen. "Bisschen blass ist sie, die Lollo" und so lange Wimpern hat sie nicht - aber sonst stimmt alles - die biegsamen Hüften, die Oberweite - nur die Beine waren nicht zu sehen, sie steckten in den Overallhosen bis zu den schwarzen Turnlatschen, den Rohrbrückenschuhen, welche damals von den jüngeren Arbeiterinnen als letzter Schrei bei der Arbeit vorzugsweise getragen wurden. Damit tänzelten sie leichtfüßig durch die Kantinen, was eleganter aus sah als mit schweren Arbeitsschutzschuhen. Und Lollo tänzelte vor mir herum und baggerte mich an. "Sonnabend spielt Günter Gollasch im Volkshaus - ich besorg dir ´ne Karte!" Ich konnte nur noch andächtig nicken und verschwand verdattert mit ein paar netten Abschiedsfloskeln. Um 14.00 Uhr war Feierabend und Schoffölke und ich warten vor dem Hauptwerkstor im Feierabendgewühl von Leuna auf die Straßenbahn nach Bad Dürrenberg. Aus der gleichen Richtung wie die Straßenbahn kommt Lollo auf einmal angerannt und schwenkt zwei Zettel aufgeregt über ihren vollen schwarzen leicht krausen Bubikopf. Ich sehe aber weniger auf die Zettel, ich sehe auf die Beine, die zwei Zentimeter vor dem Schlüpfer an einem knallroten Minirock aufhörten. Die Beine stechen in knallroten Pumps - unter der Bluse wippten zwei prächtige Möpse, nur der Mund leuchtete nicht wie Rock und Schuhe zusammen. Die Lippen waren blassrosa geschminkt, was damals auf uns Jungs oberscharf wirkte. "Günter Gollasch!, Günter Gollasch!" trällerte Lollo und wendete sich beim klettern in die Straßenbahn einer Bekannten zu, wo ich auch nur noch Günter Gollasch, Günter Gollasch im breitesten anhaltlischen sächsisch vernahm.
Hinter mir in der Bahn steht Schoffölke und raunt nur - „jetzt kommt Eis, Eis kommt jetzt!“ Was für Eis frage ich zurück und Sekunden später trällert Lollo durch die nach Bad Dürrenberg rumpelnde Straßenbahn "Kommste noch ein Eis mit essen?" Ich habe nur andächtig zur Decke der Straßenbahn gesehen und dachte ich wäre im Arbeiterparadies gelandet.
Und es war so, ich, ich würde zum ersten Male in meinem Leben von einem Mädchen zu einem Eis eingeladen. Schoffölke hatte sich verdrückt und 20 Minuten später sitze ich in Bad Dürrenberg in einer Eisdiele. Ehe ich lossülzen kann, woher und wieso bekomme ich erzählt, das ich aus Thüringen bin, ebenso aus einer Salzstadt, ich wäre ein Bratwurstfresser, aber jetzt wird erstmal Eis gegessen, ich wohne im Block 32 inder 2. Etage mit einem Polacken und lese bei der Arbeit den ganzen Tag dicke Bücher. Zum Frühstück trinke ich immer Fleischbrühe mit Ei und mittags esse ich oft in der Kantine Huhn. "Gestern haste dir in der HO einen hellen Flanellanzug gekauft!" Mir blieb der Eislöffel im Munde stecken und hielt weiter die Klappe. In einer geschlagenen Stunde wusste ich alles über sie. Der Vater klächt in Buna, Mutter ist Anlagenfahrerin in Bau 26 und der Bruder bei der Armee. Zur Dreherin hat sie sich belatschern lassen, weil sie keine andere Lehrstelle bekommen hat. Nun gefällt ihr der Beruf, weil die Kolleginnen alle sehr nett wären, das Geld stimmt und sie möchte Einrichterin werden. Leider wäre sie in der B-Schicht und hätte nur diese Woche wegen einer Krankheitsvertretung in die C-Schicht gewechselt. "Zweimal hintereinander Frühschicht wäre doch auch nicht schlecht - oder?" Nach dem Erdbeereisbecher gab es einen Bananeneisbecher und als Krönung einen Ananas-Sahne-Shake. Dann sprang sie wie ein Generalbevollmächtigter auf, zahlte und verschwand nach Hause, wo sie Vatern das Essen warm machen musste - der kann das nicht alleine - Männer können vieles nicht alleine. Ich hab gehört, bei euch in Thüringen machen die Männer die Klöße - stimmt das?
Ich hab andächtig genickt und bin bei dieser Verabschiedung nicht mal aufgestanden. Und schwupp, dann wippte der rote Rock mit der Lollo mit ein wenig zu großten Schritten von dannen.
Verwirrt blieb ich noch eine Weile sitzen und dachte weniger an diese exploxive Erscheinung, die in mein Leben gewirbelt kam wie ein warmer Sommerregen. In meiner Brust steckte noch die Sehnsucht nach Renate, die an diesem schönen Junitag sicher mit ihrem neuen Freund händchenhaltend irgendwo in der Rhön in der gleichen Sonne sitzt. Mich fröstelte nicht nur wegen dem vielen Eis.
Am anderen Tag, dann endlich Günter Gollasch, den ich absolut nicht kannte. Er war Big Band Chef eines Rundfunktanzorchesters. Da ich DDR-Radio prinzipiell kaum hörte, kannte ich ihm kaum. Lollo hatte mich schon am Saaleingang abgefangen und in meinen neuen Flanellanzug kam ich mir ganz passabel vor. Lollo war zum Glück nicht so aufgedonnert wie am Vortag. Sie hatte ein schlichtes cremefarbenes fast hautenges Kleid an. Nur eben ihre Figur war nun mal so 90-60-90 und die Knilche rund herum machten Stilaugen und verdrehten die Hälse. Die dicken Mädels guckten neidisch. Ehe ich mich im Saal orientieren konnte, donnerte die Band auf der kleinen Bühne los und zwar mit "In the Moon" von Glen Miller als Twist.
Ehe ich mich versah, zerrte mich Lollo auf die Tanzfläche und die Hüften schwangen in andere Regionen als vortags vor ihren Halbautomaten. Wer "Pulp Fiction" gesehen hat und sich an die blasse Twist Szene erinnern kann, hat eine kleine Vorstellung wie das ausgesehen hat. Nur mit der Lollo sah das ungemein schärfer aus und mit jeden Hüftschwung und drehen der Füße entgegengesetzt zum Schwingen der Hände, brachte mich Lollo dazu, an diesem Abend weniger an Renate zu denken. Als die langsamen Schmuserunden begannen, kroch mir die Lollo am Flanellanzug herum und presste ihren Schoß gegen meine Hose. Ihr Bubiköpfchen lag wie festgeklebt auf meiner Schulter und ihre Schultern waren sehr schön nach vorne geneigt. Zum Ende hin wurde das Licht im Saal dedimmt und die damals obligatorische Spiegelkugel ließ die Tanzsaalsterne kreisen. Lollos Zunge kreiste um mein meine Zunge und langsam wurde die schöne neue Flanellhose eng. "Ist dein Pollacke zu Hause?" hauchte Lollo. "Nein" erwiderte ich und Lollo zog ein Bein leicht hoch und klemmte eins meiner Beine ein.
Am Nachmittag war ich noch herumgesaust, um ein, zwei Kerzen zu besorgen, um die triste Ledigenwohnheimbude gemütlicher zu machen. Meinen Polen, der eigentlich ein deutscher Spätaussiedler aus Schlesien war, hatte ich in die Nachbarwohnung zu Schoffölke ausquartiert und mit ihn einige Dutzend leere Schnapsflaschen. Schoffölke klärte mich am Nachmittag auf. "Lollo" wie du sie nennst, frißt Männer wie Brötchen, paß ja auf"! Nur, mein Herz war schon gebrochen, was sollte mir da groß passieren? Lollo brauchte kein Schmuselicht, Lollo brauchte wenig schmusen, Lollo hatte einen ganz normalen ihrem Alter entsprechenden heißen Schoß. Als sie sich schnurstracks ohne viel Gefummel splitternackig auszóg, erschrak ich ein wenig. Lollo war schneeweiß. Keinen Sonnenstrahl lies sie wegen einer Marotte an ihre Haut. Ihre Mutter hatte in ihrer Jugend bei feinen Leuten in Leipzig gearbeitet und diese feinen Leute gingen eben nicht in die Sonne. Lollos Mutter meidete deswegen die Sonnenstrahlen und Lollo meidete sie auch. Lollo trank in der Küche ein großes Glas Wasser, nackig, in Pumps, trippelte zum Pinkeln ungeniert aus Klo und verschwand leicht angefröstelt unter der Bettdecke.
Ich erinnere mich dann ein ein Arbeitsschutzschild, was in der Nähe ihrer Maschine hing. „Arbeistschutzhinweise für Frauen im gebärfähigem Alter – Vermeidung von Benzolen, Chlorverbindungen und leicht verflüchtigenden Ölefinen...“
Da wurde mir schnell klar, ich hatte die gebärfähige Lollo im Bett, die mich nicht angeregt hatte schön aufzupassen. Nach zwei Präservativen meinte sie, da kommt nichts mehr nach, wenn ich mich schön unten rum wasche. Das sagt jedenfalls ihre Freundin, die Herta. Und so strampelten wir zwei durch den Rest der Samstagnacht im Bett herum, bis die Hähne in den Schrebergärten krähten. Die Sonne ging langsam in Richtung Leipzig auf und Lollo war genau so schnell wieder angezogen, wie sie ausgezogen war. Nachschmusen war nicht ihr Ding und ich hätte so gerne noch gekuschelt. Die Liebe fehlte mir und die Chance, sie wieder zu fingen, wollte ich wahrnehmen. Aber Esssig war´s damit mit der Lollo. Sie drückte mir einen Schmatzer auf die Stirm und war nach der Frage "Heute Abend acht Uhr wieder hier?", verschwunden.“ Mein Vater hat heute am Sonntag Geburtstag, am Abend ist dann voll alkoholisiert, weil Kollegen kommen, die alle viel saufen“. Tripp, trapp, tripp, trapp, hörte ich sie die Betontreppte des Wohnsilos hinunter trapsen. Die Haustür viel ins Schloss und durch das Fenster meiner Bude sah ich, wie Lollo über den leeren Parkplatz mit verwuschelten Bubikopf eilte.
Das Kopfkissen, in das ich mich dann schön müde bettete, roch noch nach ihren Haaren. Ich musste zum Einschlafen noch eine Wolldecke ins Bett legen, weil einige Stellen feucht waren. Wenn das man gut geht dachte ich noch beim Einschlafen, was mir trotzdem ein wenig Mühe machte. Die Hühner hörten nicht auf zu kreischen und die Gedanken hörten nicht auf sich zu drehen. Ich war in Sachsen Anhalt auf eine sehr angenehme Art angekommen. Lollo kam noch einige mal vorbei, zum Hähne krähen hören. Wir gingen noch zweimal Tanzen, wo wir beide uns aber schon nach anderen umschauten und plätscher, plätscher, plätscher, unsere Beziehung ging auseinander. Ich konnte mit den wuseligen Temperament von Lollo wenig anfangen und Lollo wenig mit meinen Gedanken, die oft in irgendwelchen unrealen Sphären herum schwirrten. Lollo löste wenn ich las oder nachsinnte fast jedes Kreuzworträtsel. Sie brauchte mich kaum was zu fragen, ich wusste ja fast nichts aus ihrem Kreuzworträtselwissen. Doch einmal. Die Mehrzahl von männlicher Hausvogel mit Fünf Buchstaben.“ Hahn“. 18 Monate sahen wir uns dann nicht mehr. Als ich meine Armeezeit beendet hatte, stand Lollo mit einem kleinen Tränenbächlein an ihrer Drehmaschine. "Der Horst von der Benzindruckanlage, die voriges Jahr in die Luft flog, wird der Vater" und stolz angelte sie aus ihrem Overall eine goldene Kette, an den ein einfacher kleiner goldener Ring hin. Bis zum Hähne krähen hatte das nicht gedauert, meine sie spöttisch spitzig. Ich zeigte ihr stolz ein Bild von meiner neuen Liebe und sie sagte leise dazu dreimal kickeriki, kickeriki, kickeriki.
Schoffölke animierte mich, nachdem Lollo wo anders Eisesser suchte, mit ihn zusammen größere Kreise als nur in der kleinen ehemaligen Salzstadt Bad Dürrenberg zu drehen. Die Möglichkeiten Dreherinnengalerie und Volkshaus hatten wir beide ausgeschöpft und für das Herz war da eben nichts dabei. Das eine und andere Betthupferl nach dem Tanz und mal mit einem Mädchen ins Kino gehen. Das war´s dann auch.
Leipzig, wo man von Bad Dürrenberg in einer halben Stunde auf dem quirligen Hauptbahnhof stand, wo jeder Zug ankam und immer zurück fuhr. Leipzig war groß, Leipzig war spannend. Wir jungen Kerle waren gespannt auf Leipzig. Schoffölke meinte bei unserer ersten gemeinsamen Fahrt "Die Berliner Mädels sind schon keß - aber warte mal ab, was hier abgeht!" "Wie die Lollo?" "Nein anders - die sind ruhiger, haben es aber faustdick hinter den Ohren". Es ist Sonnabend, es ist Spätsommer und es ist Messerzeit. Leipzig an diesem Nachmittag ist für mich einGroßstadthexenkessel. Schoffölke, als Berliner war da weniger beeindruckt. Wir schlenderten durch die Mädlerpassage, sahen uns in einigen Messehäusern der Innenstadt um und futterten im Burgkeller hinter der Alten Waage jeder ein Schnitzel. Und dann, ja dann sind wir aus der Stadt in Richtung Süden fast rausgefahren - nach Markleeberg. Was denn? Wie denn? Warum denn schleppst du mich denn aufs Land? Ich will zu einem Großstadtschwoof"!
"Erstens" meckerte nun Schoffölke "sind die Schwofkneipen und Bars mit Westonkels voll, da geht ein halbwegs anständiges Leipziger Mädel nicht hin" und "Zweitens, die sind sowieso alle im Markleeberg im Forsthaus Raschwitz". Was, in den Wald, in ein Forsthaus willst du mich zerren?" Bist du denn von allen guten Geistern verlassen?" "Na warte doch mal ab!" Quietschend hielt die Straßenbahn unweit eines unscheinbaren Ausflugslokales, worüber eine gut funktionierende Leuchtreklame hing "Forsthaus Raschwitz". Unter der Leuchtreklame hing ein schlichtes Schild: "Drei Säle, drei Kapellen, drei Möglichkeiten!"
Man brauchte eine geschlagene halbe Stunde, um überhaupt in den Schuppen rein zu kommen. In einem Saal spielte live eine Beatgruppe, im zweiten kleineren Saal ein 4-Mann-Combo und der dritte Raum, der eigentlich mehr eine Bar war, klimperte ein Trio. Aber alles in allem war es nett. Was interessant war, es gab gab absoluten Frauenüberschuß. Das sah ich damals selten. Schoffölke zog mich zu einen Achtertisch, wo schon 3 Mädels Platz genommen hatten. Die machten dann natürlich dumme Gesichter, denn dadurch wurden die Chancen geschmälert, dass sie zum Tanzen aufgefordert wurden. Mann konnte ja denken, die Mädels gehören zu uns. Ich sah mich um und hatte bei der Riesenmenge Leute den Effekt, den Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen. Schoffölke wußte schon, wo er hin sprinten wollte, wenn die Band zu spielen anfing. Es war eine kleine Blonde mit grünen Augen. Die hätte mir auch gefallen - aber was weg ist, das ist weg. Die Musik rauschte los und alles an Jungs sprang auf. Aha, schnell musste man hier sein. Eh ich aus den Puschen kam, war die erste Beute schon verteilt. Aber es war ja noch genug übrig. Ich ging an den nächsten besten Tisch und forderte irgend ein Mädchen auf. Ich wollte erst mal nur Tanzen und mich dabei umsehen. Nur hatte ich Pech, die Dame war einen halben Kopf größer. Aber lustig war sie und Späße machte sie über mich gar nicht so kleinen Knilch von 1,79. "Du bist neu hier - hättest meine Freundin nehme sollen, die ist kleiner" und zeigte zu ihrem Tisch. "OK - mach ich nachher"! Kannste auch gleich - bin dir nicht böse! Das hab ich mir nicht zweimal sagen lassen und habe die Lange zu ihrem Tisch zurück komplimentiert. Die erste Tanzrunde war vorbei und alles klatschte eifrig. Die Tanzrituale waren damals anders als heute. Es wurden von den Bands 3 Titel gespielt und dann wurde fünf bis zehn Minuten Pause gemacht. Man konnte dann in aller Ruhe was trinken, oder ein Schwätzchen machen und konnte sich neu orientieren, oder man hat gleich das zweite mal das gleiche Mädchen zum Tanz geholt. Damit war schon mal klar, das ein besonderes Interesse vorlag. Die Resonanz bei der zweiten Tour ergab blitzschnell, ob es Zweck macht, das fort zu setzen. Also hab ich die nächsten Runden mit dem Mädchen getanzt und fand sie ganz nett. Ein wenig dünnes auftoupiertes Haar hatte sie und sah ganz passabel aus. Nur an dem Haar ist man kleben geblieben, wenn man nicht aufpaßte. Das Haarspray war damals sehr klebrig und ständig mussten die Damen auf Klo, um die Pracht zu erhalten. Es wurde nach gesprüht. Als ich sie zum Platz zurück führte, fragte ich gleich, ob ich sie noch einmal zum Tanz holen darf, denn sie tanze ja wie ein Flöckchen. "Flöckchen" kicherte sie "das hat noch keiner zu mir gesagt" und freundlich schelmisch strahlte sie mich an. Nach der nächsten Tanzrunde hatte ich sie fester im Arm und zog sie sachte an mich, denn man hat damals noch selten auseinander getanzt. So eine Art Foxtrott war das, den man eng und weniger eng tanzen konnte. Es war da leicht zu nivelieren, ob man gemocht wurde. Wurde man nicht gemocht, hielten die Damen Distanz. Aber man konnte sich auch ganz schön täuschen. Viele waren zurückhaltend und sind nicht gleich nach zwei drei Runden auf Tuchfühlung besonders im Beckenbereich gegangen. Zu Salzzungen war es aber schon ein gewaltiger Unterschied - denn in der Stadt Leipzig waren für alle Partnersuchende die Rituale irgend viel abgeklärter. Es war fixer, es war unkomplizierter und ungeheuer vielfältiger. Es war toll!
Die Möglichkeiten waren vielfältiger aber der Wettbewerb um die Gunst war auch härter. Elke, wie sie hieß, nutzte die Gunst der Möglichkeiten und erwiderte zaghaft meine Annäherungsversuche beim tanzen. Ich wurde ganz schön scharf und sie merkte das unbesehen. Als die drei Runden vorbei waren, konnte ich nur leicht gebückt der Band applaudieren, denn mein damals wichtigstes Körperteil fand nicht gleich die notwendige Entspannung, um nicht in der dünnen Flanellhose gesehen zu werden. "Das waar mein scheenster Danz" kommentierte Elke in breitestem sächsisch diese Tanzrunde.
Ich brachte sie zum Tisch zurück und setzte mich gleich auf den Platz von der Langen, die inzwischen verschwunden war. Schoffölke war nicht mehr zu sehen. Dann begann die übliche Konversation: Woher, wohin, was machste so, was willste, was biste, wie heißte. Elke war das Gegenteil von Lollo. Sie war leise, zart ruhig. Ihre Figur war gut proportioniert aber nicht so ausladend. Sie hatte keine öligen Finger, sondern schlanke zierliche kleine Händchen, deren Fingerspitzen, die Fingernägel, kaum merklich farblos lackiert waren. Ein Spitzenhemdchen hatte sie unter der Bluse über den BH. Die braunen Schuhe hatten mittelhohe Stöckelabsätze und am auffallendsten war, sie trug an einem Finger einen älteren goldenen Brilliantring, der von kleinen Rubinen umsäumt war. An den Ohren hatte sie ein wenig kleiner den gleichen Schmuck als Ohrstecker. Elke hatte leichte Sommersprossen bis zum Brustansatz und dicht am Hals trug sie eine dünne Goldkette mit einem Anhänger, der fast das gleiche Design hatte wie der andere Schmuck. Nur der Rubin war in der Mitte und die Brillianten umkränzten ihn. Das das alles Brillianten und Rubine waren, wußte ich damals noch nicht, das erfuhr ich erst später. Mir war nur klar, dass es kein Talmi, sondern guter alter echter Schmuck sein musste.
Elke erzählte, dass sie in der 11. Klasse kurz vor den Abitur ist und Pharmazie studieren will. Ihre Eltern hätten ein kleines privates Labor. "Aha", funkte es bei mir "auf Arbeiter" kann ich hier nicht machen und log sofort, dass ich in Schmalkalden Maschinenbau an der Ingenieurschule studiere und in Leuna ein obligatorisches praktisches Betriebspraktikum in der „Hauptwerkstatt“ absolviere. Mit nigelnagelneuen noch in Eisenach geklauten spitzen Wildlederschuhen, meinem neuen Flanellanzug und einem West-Nylonhemd - bügelfrei - sowie einer vergoldeten Schweizer Uhr sah ich ja nicht gerade wie ein Leunabelzer aus, der in drei Schichten seine Brötchen mühsamer als ein Apotheker verdienen musste. Mit meiner Herkunft brauchte ich nicht sehr zu schwindeln, nur die Rangordnung des ehemaligen älterlichen Geschäftes habe ich ein wenig hochgedichtet. Aus 4 Pferden und 2 wackeligen 1 Tonner Kleinlastwagen wurden 5 x 10 Tonner Lkw.
Nur die wären enteignet, wozu eben die Anzahl und die Tonnen nun keine Rolle mehr gespielt hat. Mit meiner ehemaligen wohlhabenden, nur noch teilwohlhabender ungarischen Großmutter habe ich immer angegeben und so auch bei dieser Konversation. Im Gegensatz zu ihr sprach ich ein weit gepflegteres Hochdeutsch und sparte nicht mit Fremdworten, wie es einem ehemaligen Abiturienten gebührt. Elke war mit ihren Eltern zweimal in Ungarn, in Budapest und in in dem Badeort Heviz in der Nähe des Plattensees und hatten somit ein gemeinsames Thema, wo wir uns auf Augenhöhe austauschen konnten. Inzwischen war es bei diesem Geplauder und noch einem Tänzchen 23.00 Uhr geworden und Elke wollte nach Hause. Um 24.00 Uhr mußte sie zu Hause sein mit der letzten Bahn. Natürlich lies sie sich gern von mir begleiten und ich knutschte mit ihr mit dieser Straßenbahn quer durch Leipzig nach Plagwitz. "Es fährt keine Straßenbahn mehr zurück" warnte sie mich.
"Kein Problem - ich kann von Plagwitz vom Bahnhof sowieso mit dem Zug nach Bad Dürrenberg" zurück fahren. In der Straßenbahn, die von Station zu Station durch die ausgeleierten Schienen rumpelte, knutschten wir ein wenig herum. Mein Empfinden war, die Elke schmeckt schon edler. Und sie duftete auch feiner und so schön am Hals und hinter den Ohren. Als ich ihr auf dem Weg von der Straßenbahnhaltestelle zu ihr nach Hause zwischen die Beine fassen wollte, wehrte das Elkchen neckisch, aber bestimmt ab. "So schnell geht das nicht mit den wilden Pferden" sagte sie und ich Fläz sage dann auch noch "Ich will dich doch hier nicht gleich reiten!" Da zog sie schon mal die Augenbrauen hoch und aus war es erst mal mit der Knutscherei. Als wir dann vor ihrer Haustür standen, staunte ich nicht schlecht. Die Haustür war ein riesiges schmiedeeisernes Gartentor vor einem großen Vorgarten und hinter dem Vorgarten stand eine gewaltige Jugendstilvilla. Neben der Villa standen große Wirtschaftsgebäude mit mehreren kleinen und großen Garagen. Im Hof stand halb aus einer Garage herausragend ein schwarzer Tatra, das damals eleganteste und teuerste Auto im Osten Deutschlands. Neben dem Eingangstor prankte ein großes älteres Messingschild mit der Aufschrift in Times J. Fincke und F. Würzli KG - Pharmazeutische Fabrik. Ich lies mir mein Staunen nicht anmerken und lobte oberflächlich die echten Jugendstilschmiedearbeiten des Tores. Nachdem ich mich mit Elke zum nächsten Wochenende im Burgkeller zum Tanzen verabredete, bekam ich noch einen Schmatzer und Elke verschwand hinter einen schweren Eichentür der Villa.
Ich machte mich auf den Weg zum Bahnhof und die fast zwei Kilometer vergingen wie im Fluge, weil ich den Kopf voll wirrer Gedanken hatte. Was habe ich mir da nur eingebrockt. Ich bin Arbeiter! Ich bin Dreher! Das stimmt doch alles vorne und hinten nicht. Diese Lügerei ist schon eine Weile auszuhalten - nur was dann. Wenn ich mich wirklich verknalle und sie auch, die Eltern mischen uns auseinander so schnell kann ich nicht bis Zehn zählen. Aber egal, dachte ich, unspannend wird das sicher nicht werden.
Sie hat ja so dünne Haare, die mir nicht passten. Ich war auf Abenteuer aus mit Spitzenhemdchen. Am Samstag bin ich schon gegen Mittag nach Leipzig gefahren in einem gepumpten feinen Anzug von Schoffölke. Es war ja noch Messe und im Stenzlers Hof, einem Messehaus, habe ich den dicken dort ausliegenden Messekatalog unter der Rubrik Pharmazie nachgesehen.
A, B, C, D, E und F, schwupp hatte ich den Eintrag der Firma. In Leipzig ansässig seit 1848, 80 Mitarbeiter, Herstellung von Reinst Nitraten für die Pharmazeutische Industrie. Also Reinstsalz für Infusionslösungen produzierte dieser Papa von Elke Fincke. Der Messestand der Firma war auf der anderen Straßenseite im Stenzlers Hof und wenige Minuten später schlich ich da rum, um den Fincke Papa mal näher an zu sehen, der wie die Lage sich entwickeln könnte, eines Tages mein Gegenspieler in diesem Spiel sein könnte.
Nur, das war ein geschlossener Messestand. Es war niemand zu sehen. Niemand betrat den Messestand, niemand kam heraus. Nach einer viertel Stunde Warten in der Nähe habe ich mich verdrückt und bin zum Messehaus am Markt, wo die dicken Probeparfümflaschen in den Ständen der Westfirmen stehen und habe mich dort dezent eingedieselt. Erst den Hals und dann das Taschentuch. Die weiteren Stunden bis 19.30 Uhr bin ich in den Innenstadtmessehäusern herumgeschlendert und habe mir die Nase an Scheiben mit schönen Westwaren platt gedrückt. Im Pressekaffee lag als einzige Westzeitung ein Propagandablatt der Österreichischen kommunistischen Partei herum. Da hab gelesen was gerade in Wien in den Kinos gespielt wird. Beides für mich momentan unereichbar - Elke Fincke und dieser und jener Film. Nur in vier oder fünf Jahren werde ich diese Filme im Westfernsehen sehen können, da ist sicher Elke schon lange Geschichte und eine Perle an meiner Perlenkette der Erfahrungen. Exakt eine Minute vor 19.30 bog ich am Burgkeller um die Ecke mit einer kleinen gemausten gelben Rose von einem Messestand. Elke stand schon in einem weit ausgestellten schicken neuen Mantel vor der Tür. Meiner war nicht mehr so neu und trug ihn lässig über die Schulter. Wir suchten uns einen lauschigen Platz weit weg von der Musik im Tanzrestaurant Burgkeller, wo der richtige Trubel so erst gegen 22.00 Uhr los ging.
Sie druckste anfangs ein wenig herum und rückte dann mit der Sprache raus. Vor einem halben Jahr hat ihre erste große Liebe mit ihr Schluss gemacht und eigentlich ist sie schwer enttäuscht von den Männern. Er war Friseur und ihr Vater konnte den nicht leiden. "Auweia", dachte ich, „die dünnen Haare! Ein Friseur braucht eine Frau, der er den Kopf waschen und fönen kann - nur bei Elke ist da wohl Hopfen und Malz verloren. Der Vater hat sicher mit einem Barbier auch wenig am Hut. Der braucht für sein Töchterchen so etwas, was ich gerade darstelle. Jemand der real in Kürze ein Ing. vor dem Namen auf der Visitenkarte stehen hat oder besser noch Dipl.-Ing." Ich dagegen bin gerade bloß Schauspieler und spiele eine Rolle fast ohne Rollenstudium, ohne Souffleuse aber mit doppelten Boden. Ich spielte Inprovisationstheater aus dem Bauch. Mit meinen Liebesmalästen habe ich sie mehr unterhaltend ein wenig beschäftigt in ihrem Frust und die Unvereinbarkeit meiner ersten wichtigen Liebesbeziehung auf einen Temperamentunterschied geschoben. Das letzte Rollenstudium dazu hatte ich ja bei der Lollo Live gehabt. Irgendwann ging dann die Schmuserei los, welche zwischendurch mit lustigen Geschichten von mir gewürzt wurden. Ich lief als Unterhalter gedämpft zur Hochform auf und musste beim Zuhören nur einmal passen mit einem negativen Kommentar. Elke spielte regelmäßig Tennis. Ich dagegen war mal als Kind gerade Bahllholer für eine Mark für den Nachmittag. Um das auszugleichen habe ich Elke von Jagdausflügen mit meinem Vater erzählt und blumenreich beschrieben, wie ein Hirsch ausgeweidet wurde und ich mich mit dem Blut des Hirsches beschmiert hätte. Das konnte ich hinterher mit Oleg meinem Pferd besänftigen. Ein Pferd hatte ich ja nun wirklich gehabt, allerdings nicht mit den besseren Kreisen zusammen. Nur mein Pferd stand mit den besseren Pferden zusammen in einem Stall. Es war der alte Speditionsstall meiner Familie.
Wahr war, das sich mein Vater gleichgültig gegenüber der Jagd verhielt und höchstens mal gekauften Hirschbraten gegessen hatte. Fragen kann sie ihn eh nicht mehr - mein Vater ist seit 3 Jahren da, wo sich der abgemurkste Hirsch gerade befindet. In den ewigen Jagdgründen. Schnell merkte ich, dass ich zu dick aufgetragen hatte. Elkes Vater war leidenschaftlicher Jäger. Und so verlegte ich mich mehr aufs Zuhören. Ich fragte gezielt und zielte öfters mit dem DDR Büchsenöffner "Tokai Aszu" in ihr Weinglas. Es wurde kurz vor Mitternacht, als sie auf meine Frage, ob sie nicht um Mitternacht zu Hause sein müsse, wurde von ihr ein zwanzig Markschein gezückt. Den hätte ihr ihr Vater gegeben, als sie ihm erzählte, sie gänge mit einem Ingenieurstudenten aus. Vatern hätte gesagt, Studenten sind arme Hunde und hatte das Taxi spendiert unter der Voraussetzung, dass ich sie gesittet nicht zu spät nach Hause begleite. Ab da habe ich ihr nur noch Mineralwasser "Margonwasser" eingeschenkt. Besoffen wollte ich sie nicht zu Hause abliefern. Gegen 2 Uhr haben wir unsere Garderobe abgeholt und sind vor die Tür. In einem stilleren Hausdurchgang bin ich ihr nach einer heftigen Knutscherei mit der Hand unter ihren weit ausgestellten Mantel oberhalb der Gürtellinie gelangt. Man sah nicht, auch wenn jemand dicht vorbei gelaufen wäre, dass ich ihr das Kleid unter dem Mantel vorne hoch gerafft hatte bis zum Slipgummi. Schnell war ich hinter dem Gummi am Bauch mit der linken Hand nach unten entlang an der richtigen Stelle angelangt. Erst mit einem Finger, dann mit zwei Fingern von unten nach oben um die Ecke herum. Und das mehrmals hintereinander. ich hab nicht die Finger drin gelassen. Habe immer wieder neu von vorne angefangen. Mach, mach, mach, hauchte sie fordernd. Und das im feinsten sächsisch, was für mich sehr ordinär erschien. Was? Wo? Jetzt? Wie? Was machen mit dem sehr feinen lüsternden Mädchen? Mitten in Leipzig, hinter den Rathaus wo die Stadt um diese Zeit noch ein wenig brummte. Beim ratlosen Umsehen gewahr ich einen geschlossenen Verkaufsstand, gleich am Naschmarkt zwischen Burgkeller und alten Rathaus. Es war ein Stand für Thüringer Rostbratwürste. "Sinnig" sagte ich laut und rüttelte ein wenig die Türe. Oh Wunder, die war nicht abgeschlossen. Kichernd kam Elke mit mir in den fast stockdunklen Stand, wo die Straßenbeleuchtung Streifenlicht durch die Bretterritzen sendete. Gleichzeitig kam aber ihr Einwand leise wieder im gepflegten Sächsisch "Hier ist doch olles feddsch". Mir war dann auch nicht geheuer, ich hatte einen gepumpten feinen Anzug an. „Auch was!“, sagte ich frech, ich opfere meinen Mantel und breitete ihn auf der ca. 80 Zentimeter hohen Theke aus, nach dem sich die Augen an das wenige Licht gewöhnt hatten, das durch die Ritzen spannend leuchtete. Mit wenigen Handgriffen hatte ich Elke die Strumpfhose ausgezogen und sie wurde von mir auf den Tresen geschoben. Ich lies meine Hose bis zum Knie runter und band die Hose mit dem Gürtel zusammen. "Weid hubben gannschte damit aber nicht“, kicherte sie und hauchte mir ihren Weinatem ins Ohr. Dann kicherte sie nicht mehr und bekam gerade noch raus "Guder, pass nich uff nu jetze – du gannst nein machen – die Dage warn bis gestern!" ehe Elke die Thüringer scharf angebratene Bratwurst, original ungebrüht und lebend aus Original aus Thüringen am Schlüpferrand vorbei bis zum Anschlag drinne hatte. Elke war plückreif wie eine saftige Pflaume, in die ein scharfes Messer wie in angewärmte Butter ein dringt. Ich fraß Elke auf wie warmen Pflaumenkuchen mit Schmand, der zu Hause in Thüringen Maatschkoche heißt. Ein bissel klapperten die Bretter der Bude und Elke biss mir in die geborgte Anzugjacke auf dessen Kragen sie ihren Lippenstift verschmierte. Ein Rest der „Dage“ von gestern zusammen mit meinem Lebenssaft hatte ich dann noch an der Hose. Doch das merkte ich erst später.
Hinterher dachte ich "komisch - bei der aufgeblühten Lollo, die voll in Saft und Liebeskraft stand, haste nicht halb soviel empfunden und insgesamt gesehen auf mein bisheriges Leben hatte ich sehr selten solche intensiven Gefühle im Kopf und in der Lendengegend gehabt. Elke japste auch und atmete schwer und bemerkte ziemlich laut "Das worn Ding, dos or ja was - was hast´n da mit mirre gemocht - ich währ faste ohmächt´ch wordn!" Was war los? Warns die komischen heimeligen Umstände, war´s der Alkohol oder war es biologisch, psychologisch sexuell gesehen Topf und Deckel haben sich gefunden. Hab die Hose wieder hochgezogen, Elke hat sich den Slip wieder gerade gebogen und Strumpfhose angefummelt und mein Taschentuch hab ich ihr noch in den Slip gesteckt. "Damit de nich ausläufst im Taxi!“ Nach einer viertel Stunde ist Elke in ein Taxi geklettert bewaffnet mit meiner Bad Dürrenberger Adresse und eine Verabredung nächsten Samstag, Bad Dürrenberg, 15.00 Uhr am Bahnhof!
Ich war in zwei Stunden in Bad Dürrenberg in meinem Bett, nachdem ich Schoffölkes Anzug mit warmen Wasser und Waschpulver bearbeitet hatte. Hab alles raus bekommen, nichtswahr mehr zu sehen. Nun konnte ich am Sonntag Nachmittag mit dummen Jungen Männerstolz erzählen, wie ich die Elke hinterm Leipziger Rathaus in einer Bratwurstbude auf den Tresen gepimpert hatte. "Wat denn, wat denn, hau mir nich die Tasche voll!" widerspricht Schoffölke, "dann hättste mein Anzug doch zur Sau gemacht und da ist kein Fleck, absolut kein Fleck dran." Wortlos habe ich Schoffölke meinen lädierten Mantel unter die Nase gehalten, wo Fettflecke und Senfflecke ein interessantes künstlerisch nicht wertvolles Muster ergaben. Ein paar Blutfleckchen waren auch noch zu sehen. "Ich hab ja imma jesagt, die Thüringer und Sachsen sind doch die größten Schweine!" meinte Schoffölke.
Die Woche über hatte ich dann ein Problem - wie mache ich aus meiner Proletenbude eine Studentenbude. Schoffölke war abgebrochener Student und wusste Rat. "An die Wand häng´ste paar alte Originalpergamentzeichnungen von Ingenieurbüro vom Bau 15. Mit einer Rasierklinge rasierste den Namen des Konstrukteurs und das Datum weg. Ich hab einen Skribent mit dem kannste deinen Namen eintragen. Ich holte dann in der Bücherei 2 Kilo Fachbücher wie "Achsen, Lager, Wellen, Kupplungen" zeichnete die Zeichnungen um und fertig war die Studentenbude. Ein paar Zeitungen der Kammer der Technik auf dem Tisch mit Marmelade beschmiert vervollständigten dann meine Studierstube. Samstag kam Elke pünktlich am Bahnhof an und habe erst mal einen auf Technikgeschichte und Kultur gemacht. Sie bekam von vorne bis hinten erzählt wie Salz gemacht worde. Habe sie auf den höchsten Podest des Bad Dürrenberger Gradierwerkes geschleppt und lies ihre Zunge am Schwarzdorn lecken der über und über mit Salz bedeckt war. Als das Kulturprogramm abgespult war, begann in meiner "Studentenbude" die Hauptvorstellung für zwei Personen und ein Bett.
Hauptrequisite war wieder eine Thüringer Rostbratwurst und eine sächsische weiche heiße Dose. Es war ein Einakter, lang wie eine Wagneroper von 19.00 Uhr bis 23.30 Uhr, von einigen kleinen kurzen Pausen unterbrochen. "Sachma" sagte Elke, "sind die Dhüringer alle so - ich gann noch gaum loofen - mir dud alles weg - mir haste die Hüfdgnochen ausgerengt!"
Der nächste Termin war schon im Bett für nächsten Samstag klar gemacht, bei ihr zu Hause in Leipzig, die Eltern sind zum Jagdausflug in der Dübener Heide. Die Woche schlich vor sich sehr langsam hin bis Samstag. Sie gefiel mir die Elke. Ihr zarter geschmeidiger Körper, der um mich herum flitze wie ein Aal. Mir gefiel ihr Geplapper von Kunst und Literatur. Sie war nicht so ungebildet, wie die meisten Mädchen, die ich bisher kennen lernte. Nur die Haare fand ich grauslich. Wenn sie aus dem Bad kam und kein Parfüm ihren Körpergeruch verdeckte, duftete sie ein wenig komisch nach jemand, den ich eigentlich nicht kenne.
Mit einer Flasche Wein und einen Blumensträußchen bimmelte ich am messingfarbenen dicken Jugendstilklingelknopf. Die Villa war von innen nicht so schick wie von außen. Das schönste Zimmer im Haus war wohl ihr Zimmer, welches mit hellen Blumen- und bunten Pferdebildern dekoriert war. Die Möbel der Eltern im großen Wohnzimmer waren von vor zwei Kriegen sehr teuer gewesen und im Grundstil der Einrichtung war Gründerzeitschwulst. Alte abgewetzte Ledersessel und Ledersofas standen herum auf den man einen kalten Arsch bekam. Dann bekam ich noch Teile der Fabrikationsräume gezeigt, die kalt und trist waren. Die Rühr- und Mischtechnik des Betriebes war veraltet. Verkeimte Messinghähne, abgeplatzte Fliesen. Die Arbeitsbedingungen waren grauslich. Dagegen hatte ich in Leuna Luxus. Überall hingen fleckige Kittel herum und die Toiletten und Waschräume sahen aus wie Schweineställe. Blinde Spiegel, verstopfte Fußbodenabläufe und überall dreckige Fenster durch die trübe die Sonne schien. Ich konnte nicht mal sagen, zeige deinen Alten mal meinen Arbeitsplatz, meine Toiletten- und Waschräume, Kantinen. Die waren auch zum Teil alt. Aber es war sauber, es war ordentlich und es war menschlicher. Als ich den Laden so sah, erchienen mir ihre dünnen Haare noch dünner. Gut das ich Elkes Vater bis jetzt nicht kennengelernt hatte, ich hätte dem die Meinung gegeigt, weil ich auch in so einem Saustall gelernt hatte und nun wusste, das es auch völlig anders geht. Mit den völlig anderen Arbeitsbedingungen werden auch völlig andere Ergebnisse erzielt. Für alle. Für den Betrieb und für die Mitarbeiter. Elke hat bemerkt, dass ich von dem Laden enttäuscht war. Der Haken war nur, sie hat nicht stolz ihren Mitbesitz gezeigt, sie wollte von mir bestätigt bekommen, dass sie da raus wollte. Da könnte ich eventuell mit einem Ehering helfen. Thüringen gefällt ihr, die Berge, die Wälder, die kleinen mittelalterlichen Städtchen wie Schmalkalden. Sie machte schnell Andeutungen, dass ich der richtige Fang für sie wäre, weil ich so ein freundliches Gemüt hätte. Nur sie hatte schon den Studienplatz für Pharmazie in Leipzig in der Tasche. Die nächsten 5 Jahre wird sie da wohl noch verbringen. Eigentlich hätte ich ihr gleich reinen Wein einschenken sollen - doch das habe ich mir nicht getraut. „In den Betten mit Mädchen schlafen, in denen sie aufgewachsen sind, sollte man besser in Leipzig vermeiden“, dachte ich. Ich hab es nicht vermieden und die ganze Lust von mir war auch nicht mehr wie bisher. Die Lust war wohl im Reinsalzraum und der Atmosphäre der Villa davon geflattert. Oder im Mädchenbett, in dem sie seit ihrem zweiten Lebensjahr schlief. Bei ihr war es anders rum, Elke war aufgeladen wie ein Traktorakku, mit dem man den kältesten Anlasser anschnurren lassen konnte. In ihrem eigenen Bett bekam sie ekstatische Zustände, wenn wir miteinander schliefen. Sie heulte, sie wimmerte vor Lust. Sie hatte regelrechte physische und psychische Aussetzer und konnte sich hinterher an alles kaum noch erinnern. Ich dachte einmal, sie ist beim Pimpern gestorben und bekam einen Riesen Schreck und bekam ein schlechtes Gewissen, was ich da angezündelt hatte. Das Feuer war aber schneller gelöscht, als ich dachte. Sie stunte in meinen Sachen herum und fand Briefe meiner Mutter. Ein Telefonanruf in Salzzungen ihrer Eltern bei einem Apotheker brachte einfach und unkompliziert meinen wahren sozialen Status zum Vorschein. Der Géza ist Achtklassenschüler, hat Dreher gelernt. Sein Vater war ein Säufer! Elke schickte mir einen netten vielseitigen Abschiedsbrief mit viel Glück für meine Zukunft.
Elkes Lust und Feuergefährichkeit für meine Gefühle faszinierten mich danach nicht lange, weil ich im Konstruktionsbüro beim Zeichnungen für meine Lügen-Dekorationen organisieren, Frau Schwalbe kennenlernte. Frau Schwalbes Augen hatten einen Blick, der mir bis unter die Fußsohlen ging, obwohl auch Frau Schwalbe so dünne Haare wie Elke hatte. Im Gegensatz zu Elkes dunklem brünetten Haar leuchteten Frau Schwalbes Haare wie flammendes Feuer in gelblich rot im Gegenlicht der durch das Fenster scheinenden Sonne. Die Haarfarbe war Original ohne auch nur einen Farbzusatz vom Friseur, was ich später durch den Vergleich mit den Schamhaaren feststellte. Diese waren absolut bis auf feinste Fäserchen identisch. Frau Schwalbe hatte einen kurzen weißen Konstrukteurskittel an, den sie nicht zuknöpfen konnte. Dem Kittel Konfektionsgröße 44 fehlten vorn rund einige Zentimeter Stoff. Wo der Stoff fehlte, ragten zwei riesige völlig symetrisch angeordnete Frauenhügel in einem dunkelgrünen hautengen Pulli heraus und schufen für mich eine interessante Farbkombination. Sie befand sich täglich stehend am Reißbrett und zeichnete die Werkstücke, die ich an meiner Maschine bearbeitete. Mein Informationsminister Schoffölke, der bei Frau Schwalbe schon abgeblitzt war, kam mit ausführlicher Hintergrundinformation über Frau Schwalbe rüber, nachdem ich ihn gegenüber das Interesse bekundet hatte, Frau Schwalbe unter dem Pulli nach zu sehen.
"Haste die Dinger gesehen, wa - det sin Granaten sarg icke dir!" und dann packte er aus. Frau Schwalbe stammt aus Wernigerode im Harz und ist seit drei Jahren im Betrieb. Sie ist 28 Jahre alt und ihr ehemaliger fünf Jahre älterer Mann hat vor zwei Jahren mit der Technischen Zeichnerin angebändelt, die in der gleichen Abteilung gearbeitet hatte. Seit einem Jahr ist Frau Schwalbe geschieden und der Ex arbeitet jetzt mit seiner neuen Flamme in einem Konstruktionsbüro im Werk Leuna II. Frau Schwalbe wohnt auch in Bad Dürrenberg, zwei Wohnblöcke weiter in einer Zweiraumwohnung in der dritten Etage und hat Telefon. Frau Schwalbe hat keine Kinder, hat eine gleichaltrige unverheiratete Freundin, die in Weißenfels wohnt und geht mit der Freundin so einmal im Monat in Weißenfels zum Tanz. Die Freundin Irene arbeitet unten in der Qualitätskontrolle, die kleine Dicke mit der blauen Brille. Frau Schwalbe zeichnet auch in ihrer Freizeit, nein sie malt direkt Aquarelle, Ölbilder, Kohlzeichnungen. Frau Schwalbe mag keine Aufschneider, ihr Ex-Mann wäre einer gewesen, der auch nur neben den jüngeren Weibern sein Auto, einen neuen Moskwisch im Kopf hatte, den er ein Jahr vor der Scheidung erwarb und mit der jüngeren Kollegin einweihte. Schoffölke war gut orientiert und wusste noch mehr Details, die er mir an meiner Maschine, die leise vor sich hin brummte erzählte. In schillernden blauen Anlassfarben ringelten sich die Drehspäne langsam von meinem Drehmeißel an der Drehmaschine und buntschillernd ringelten sich die Informationen von Schoffölke über Frau Schwalbe in meine Gehirnzonen, in denen ich mir so etwas merkte und mit anderen Gehirnzonen, wo die Phantasie zu Hause ist, verband.
Ich saß dann an meiner Maschine, die ruhig vor sich hinschnurrte und malte mir im Gedächtnis aus, wie ich Frau Schwalbes Brüste aus dem Pulli pellte und an ihren Knöpfen wie an Salzstängchen knabberte. Und schon hörte ich sie in meiner Phantasie stöhnen, „Geza, das ist herrlich, das ist der Himmel, du bist ein Engel, du bist ein Teufel, du bist ein Gott, aaaaaaaaaaach! "Träum hier nicht rum, wie weit ist das Werkstück fertig!" ertönte hinter mir die Stimme meines Meisters. Wenn die 1200 mm der Welle, die ich in Bearbeitung hatte nicht feinst geschlichtet sein müsste, wäre ich schon fertig, antwortete ich. Mein Meister Köhler steckte seine Nase vor die Werkzeichnung, welche hinter mir an einer großen schwarzen Korktafel angepinnt war. Tatsächlich, auf der Zeichnung standen die vier nebeneinander nach unten auf die Oberfläche der Welle weisenden vier schwarzen Dreiecke und das ist nach DIN-Norm die seit 50 Jahren galt, nun mal feinst geschlichtet. "Wer hat denn das verbockt" rief er und schaute rechts unten in die Informationstabelle der Zeichnung, wo der Name des Konstrukteurs geschrieben stand. "Die Schwalbe, die spinnt wohl" rief er und begann die Zeichnung von der Tafel zu lösen. "Ach was" meinte er dann und schrieb mit Bleistift über die vier Dreiecke "Bitte geschruppt plus minus 5 Zehntel innen und unterschrieb mit seinen Meisterkürzel. "Geh mal zur Schwalbe und kläre das, wir sparen Zwanzig Minuten an der Welle ein. Das hab ich mir nicht zweimal sagen lassen. Habe mir die Hände gewaschen, die Haare gekämmt und mir die Drehspäne von der Hose geklopft und bin ab mit der Zeichnung unterm Arm hoch zur Schwalbe. Sie stand an ihren Zeichenbrett mit der Sonne im Profil und zog lange dünne Linien mit dem Zeichenparallelogramm auf einer Konstruktionszeichnung. Spöttisch schaute sie mir in die Augen und bemerkte selbstbewusst, "du hast aber blaue Gucker". Die Sonne schien mir durch die großen Scheiben des Konstrukteurbüros voll ins Gesicht und hatte Mühe die Augen richtig auf zu reißen, weil ich hier die erste Chance sah, meinen erotischen Träumen vor wenigen Minuten an der Maschine in eine nicht unrealistische Zukunft Teil werden zu lassen. Ein wenig habe ich gezittert, als ich meine Zeitung entfaltete und hatte Mühe meine Augen von ihrer überquellenden Oberweite los zu eisen. "Meister Köhler meinte, das ein Meter zwanzig der Welle kann auch geschruppt sein". "Wir sparen 20 Minuten" ergänzte ich. "Das habe ich nicht verbockt, das war mein ehemaliger Mann" und ließ weitere missachtende Sätze über ihren ehemaligen Mann vom Stapel. Dann telefonierte sie einen Ingenieur zu ihrem Arbeitsplatz, der nickte nur kurz und bestätigte die Änderung. Sie strich die vier Dreiecke aus und setzte ein einziges Dreieck in die Zeichnung. "Viola" rief sie und drückte mir die geänderte Zeichnung in die Hand.
Ich betrachtete dabei eine Bleistiftskizze, welche den Bild "Der Schrei" von Edward Munch ähnelte, nur das die Figur, die den Mund aufriss eine Frau war und nicht wie in den Originalbild ein fast geschlechtloses Wesen. "Munch" sagte ich "Edward Munch" und tippte auf die Skizze. Frau Schwalbe holte tief Luft und fragte mich mit den zwei Zentimeter größeren Brüsten "Woher kennen sie den Munch?" "Mein Papa hatte zu Hause eine Originalgrafik von Edward Munch im Büro hängen neben Grafiken von Kandinski, Paul Klee und Maholy Nagy. Sie holte nochmal tief Luft und die Brüste wurden diesmal 3 cm größer. Und dann log ich, dass sich die Balken bogen, mein Vater hätte Klee, Kandinski, Nagy in Dessau im Bauhaus persönlich kennengelernt. Das mit Dessau war nicht gelogen, nur mein Vater wirkte 4 km weiter weg vom Bauhaus Dessau bei Hugo Junkers im damaligen Flugzeugwerk. Aber das war 1937, da war Klee, Kandinsky und Maholy Nagy schon über vier Jahre in Amerika. Die Information über diese Designer und Künstler hatte ich aus Büchern, die wirklich bei meinem Vater im Bücherschrank standen. Mit der Zeichnung unter dem Arm betete ich alle großen Maler der Weltgeschichte runter. Begann aus einem fetten Band "Kunstgeschichte aus Vaters Bücherschrank mit Tizian, Tintoretto, lenkte zu den Malern des Biedermeier wie Spitzweg, und verlor mich in den idyllisch verklärten Landschaften und Farben von Manet. Zum Ende meines blumig gestenreichen Vortrages kam ich wieder zu Goya zurück und erzählte begeisternd von den beiden Bildern von Goya "die bekleidete und die unbekleidete Maja". Frau Schwalbes Vorname war Margarete, was auf ihrer Zeichnung stand - da war es wirklich nicht weit, das ich sie sofort insgeheim Maja taufte. "Tschüss Maja" sagte ich dann lachen und verschwand. Die Arbeit rief. Maja, Frau Schwalbe rief noch "Werd nich frech" und warf mir ein Radiergummi hinterher, welchen ich geschickt auffing.
Schofföllke wartete neugierig an meiner Maschine. "Die Sache läuft" sprach ich gönnerhaft und ließ meine Maschine mit den geänderten Einstellungen anlaufen. Ich schaltete die Maschine auf dreihundert Umdrehungen hoch, das Getriebe heulte auf wie ein Rennwagen beim Start und der Hartmetalldrehmeißel schnitt die Späne wie Butter weg. Im hohen Bogen prasselten die kurz geschnittenen Stahlspäne auf das Abfangblech, wo die Späne wie ein wilder Bienenschwarm nur tausende Male glänzender wie in Stakkato prasselten. Die Oberfläche der Welle glänzte nach dem Schnitt wie ein gebogener Spiegel, in dem sich mein Gesicht konvex verzerrt spiegelte.
Jeder Griff saß, als ich das Ungetüm von Welle mit dem Kran aus der Drehmaschine hob. "Fertig" telefonierte ich zum Meister, der mir wenige Minuten später die kleine Preßluftlokomotive mit einem Palettenwagen an die Maschine schickte. Pünktlich zum Feierabend klappte das große Tor auf und hinter dem Palettenwagen lief ich mit Maja´s Radiergummi in der Hosentasche dem Palettenwagen und der Lokomotive hinterher zur Waschkaue um mich umzuziehen. 14.00 Uhr war Feierabend. Ich hatte diese Woche Frühschicht von 6.00 - 14.00 Uhr, nächste Woche Spätschicht von 14.00 - 22.00 Uhr und übernächste Woche hatte ich Nachtschicht von 22.00 bis 06.00 Uhr. Mit diesen Alltagsrythmus plus dem Rythmus der Wochenenden mußte ich sie erwischen. In meiner Bude angelangt, setzte ich mich an den Küchentisch und schnitzte mit meinen kleinen Taschenmesser ein Herz mit einem durchstoßendem Pfeil. In Leipzig hatte ich bei meinen letzten Besuch in einem Antiquariat an der Nikolaikirche für drei Mark ein Buch über den Maler El Greco erstanden, das ich meiner Mutter zum Geburtstag schenken wollte. Mutter liebte besonders die schmalgesichtigen Männer und Heiligen die El Greco gemalt hatte. Bei den wenigen Frauen, die er in seinen Gemälden darstellte, war ein Bild, welches in Profil Frau Schwalbe ähnelte. Ich hielt das Bild ans Fenster, legte einen Bogen weißes Papier drüber und zeichnete mit lockerem Bleistiftstrichen per Lichtkopie das Bild am Fenster ab. Den Brustansatz machte ich ein wenig größer als bei der Frau von El Greco. Dann hab ich die Schatten im Profil mit dem Finger nachgewischt. Der Trick ist einfach und stammt noch von meinem Zeichenlehrer Bibifax. Man schmiert mit einem weichen Bleistift einfach auf einen Bogen Papier dreißig viezig eng liegende Striche und wischt das Blei mit dem Zeigefinger ab. Dann überträgt man mit dem Zeigefinger das Blei auf die Zeichnung, wo die Schatten des Bildes liegen müssen. Da wo nicht geschmiert wird, sind die Lichter des Portraits und alles sieht gekonnt plastisch aus. Von einem Meister gezeichnet!
Unter das Bild kritzelte ich mit den gleichen Bleistift "Bist Du am Samstag in Weißenfels zum Tanz im Stadthaus? Unterschrift Geza, Maschine B15-0027, Telefon 15-0027. In der Frühstückspause, als das Konstruktionsbüro leer war, bin ich hochgeflitzt und hab einen Briefumschlag mit dem Radiergummi und der Zeichnung auf ihren Arbeitstisch gelegt. Ihr das offen in die Hände drücken habe ich mich geniert. Kurz vor der Mittagspause bimmelt die laute Blechklingel des Maschinentelefons. Maja war dran und sagte kurz, das sie am Samstag dort ist. Dann legte sie wieder auf. Sofort bin ich zu Schoffölke an die Maschine gelaufen und habe diesen stolz wie ein Spanier verkündet. Schade meine Schoffölke, er wäre am anderen Tag gerne wieder mit mir nach Leipzig gewalzt. "Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer" schrieb er mir dann mit Kreide auf die Zeichnungstafel und malte darunter zwei riesige Brüste. "Sieh da, du alter Gauner - gönnste mir wohl nicht?" "Nee" sagte er mit Grinsen - die nicht!
Nach Weißenfels, in den Süden Sachsen Anhalts, ist es nicht weit von Bad Dürrenberg. Nach einer halben Stunde mit der Bummelbahn, der Deutschen Reichsbahn ist man dort. Ehe man in den Bahnhof einfährt grüßten rechts der Bahn am Ortseingang kleinere Weinbergparzellen. Ich bin schon am frühen Nachmittag hingefahren, um mir die Stadt näher anzusehen. Fast unbeschädigt vom Krieg sah Weißenfels mit seinen höchstens dreistöckigen Bürgerhäusern gemütlicher aus als das zerbaute Bad Dürrenberg, wo die Engländer und Amerikaner beim Angriff auf die Benzinsynthesewerke alles zu Brei gebombt hatten. Das Benzin der Deutschen muss alle werden - und das haben sie zum Kriegsende ja auch fast geschafft. In Weißenfels, einer Händler- und Handwerkerstadt gab es wenig Industrie alleine schon deshalb, weil die Leuna- und Bunawerke fast die kompletten Arbeitskräfte des Städtchens abschöpften. Lediglich eine große Schuhfabrik gab es, in der viele Weißenfelser Frauen und Mädchen arbeiteten. Da ich beim herumstöbern gerne verglich, was anders ist als in meiner Heimatstadt in Thüringen, fielen mir zuerst die größeren Backwaren in den Konditorenfenstern auf. Ich dachte immer, Thüringen ist die Sonne in Deutschland hinsichtlich der Kuchenkultur mit den dicken Rahmkuchenstücken. In Weißenfels sah das schon mal ganz anders aus. Die Schillerlocken waren doppelt so groß und die Windbeutel waren wahre Bomben im Vergleich zu Thüringen. Als dann auf den Straßen der Stadt mehr Frauen mit dickerem Hintern herum liefen, nahm ich an, dass die Windbeutel wohl auch so schmecken, wie sie aussehen. In einer Konditorei am Markt habe ich dann kaum einen Platz bekommen. Zwei Männer saßen am Samstag-Nachmittag mit ihren Frauen und Kindern im Gastraum. Der Rest der Konditorei war mit Frauen gefüllt, die sich auch noch nach dem Verzehr der riesigen Kuchenstücke ihr Netz mit weiteren Varianten von Weißenfelser Kuchen vollstopften. Eine Schillerlocke und einen Windbeutel habe ich kaum geschafft und vertrödelte zeitunglesend die Zeit bis zum Abend. Als ich am Tanzsaal ankam, bin ich gerade hoch mit dem letzten Schub reingeschlüpft. Einen Platz habe ich nicht mehr bekommen und musste mit einem Stehplatz an der Bar vorlieb nehmen. Maja und ihre dicke Freundin war schnell ausgemacht, die gerade eine Bockwurst mit einer riesigen Portion glänzenden Kartoffelsalat runterschlang. Maja grinste süffisant, als sie mich sah und die Freundin hörte mit dem Bockwurst/Kartoffelsalatmampfen auf. Es dauerte noch eine geschlagene Stunde ehe die Musik los ging und habe mir bis dahin die Beine in den Bauch gestanden und habe das Publikum inspiziert. Einige der jungen Leute die hier anwesend waren, kannte ich vom Sehen her aus dem Leunawerk.
Die Mädels waren insgesamt mehr aufgetakelt als die im Forsthaus Raschwitz. Manche hatten Kleider mit V-Ausschnitt, die fast schon wie Ballkleider schienen. Andere hatten sogar so eine Art Brokatkostüm oder Brokatkleider an. So was sah ich bisher höchst selten im Meininger Theater. Ist doch beachtlich, wie in so einem kleinen Land die Mode unterschied. Auch auffallend war, das alle sehr schicke Schuhe nach neuester Mode an hatten. Naja - es war eben die Schuhstadt der DDR und der Spruch "An der Quelle saß der Knabe" fand hier auf die Schuhe bezogen seine Bestätigung. Bei uns zu Hause war das 0,33 Bierglas das Standardmaß, aber hier hatten alle Männer ein 0,5l Henkelglas auf dem Tisch stehen. Doch ich hielt schon den zweiten halben Liter halbleer in der Hand, als die Kapelle zu spielen begann und forderte so durch den Alkohol mutig geworden die Maja sofort auf zum Tanz. Nur wie sich herausstellte, war es dort Tradition, daß bei der ersten Runde kaum getanzt wurde. Mit mir und Maja bewegten sich gerade mal 3 Pärchen auf der Tanzfläche und ich kam mir ein wenig wie ein Darsteller in einem bewegten Panoptikum vor. Mir schien, alle Männer des Saales schielten auf Majas Möpse, die in einer engen weißen Bluse steckten. Der rieige Büstenhalter schien durch die Bluse durch und das Verschlussteil des Büstenhalters war doppelt so breit wie bisherige Verschlüsse. Sechs Häkchen zählte ich, die die ganze Pracht zusammen hielten. Unter der weißen Bluse hatte sie einen engen Rock mit zwei Schlitzen an der Seite an. Der Rock hatte an der linken Seite einen Reißverschluss und zwei schwarze Knöpfe. Die Beine waren im Vergleich zum massigen Oberkörper ein wenig zu dünn und steckten in weißen hochhackigen Pumps. Die Haare waren wie auf Arbeit hochgesteckt und sorgfältig toupiert. Freche schöne Augen hatte ja Maja, aber Maja duftete nach nichts, nach absolut nichts. In dem Moment sah ich zu ihrer Freundin, welche eine große Flasche 4711 aus einer volominösen weißen Handtasche nestelte und sich damit am Hals rum tupfte.
Na, dachte ich, die Gerüche kommen ja noch und spürte ab und an ihre Brüste an meinem Bauch wippen. Maja war so einen Meter sechzig beschuht und als ich in der Tanzpause der ersten Rude ihren Hintern in Augenschein nahm, war der so sehr ausladend auch nicht. Maja tanzte ganz gut, so dass ich meinen Routinenspruch "Du tanzt ja wie ein Flöckchen" gut ungelogen anbringen konnte. Danach fragte sie, ob ich die Zeichnung gemalt hätte und woher ich das konnte. Hier schwindelte ich los, dass mir das eine Tante, die Dichterin Frieda Wendt aus Kassel beigebracht hatte, die auch Malerin ist. Na so ganz geschwindelt war das wiederum auch nicht. Meine Eltern hatten nach dem Krieg in Melsungen bei Frieda gewohnt - und die sehr gut malende Dichterin war eben halt nur eine Heimatdichterin, die mit dem Versmaß umging, wie ein Schuster mit den Kuchen backen. "Interessant" sagte Maja und ich merkte, das mich diese Information adelte. Ich konnte mit Maja locker schwatzen und brachte unser Gespräch oft auf die Malerei, denn da kannte sie sich aus und erzählte dann bei zwei Glas Sekt an der Bar von dem Maler Karl-Herrmann-Röhricht, der in Westberlin an der Kunstakademie bei Professor Hofer studiert hatte und in den Osten nach Leipzig abgehauen war um in Leipzig realistisch malen zu können.
In Westdeutschland war zu dieser Zeit die abstakte Malerei up to date, welcher er nicht zugetan war. Ich erzählte so, als kenne ich Karl-Herrmann persönlich. Ich wußte was er gerne aß, ich wusste zu erzählen, wo er seinen Schrebergarten in Leipzig hatte, wo seine Bilder überall in der DDR hängen und ich wusste, wie seine Frau aussieht. Ich wusste einfach alles, wie die Querelen und Intrigen an der Akademie in Westberlin, die mittelgute Auftragslage in Leipzig und beschrieb einige seiner Bilder.
Maja war beeindruckt. So einen interessanten Mann hätte sie noch nicht kennen gelernt. Dabei wäre ich doch altersmäßig für sie ein "grüner Junge, mit noch Eierschalen hinter den Ohren!" Der grüne Junge wechselte bei der nächsten Runde das Thema zur erotischen Literatur. Boccacio war ihr nur vom Hörensagen bekannt und so konnte ich geschickt klugscheißerisch losbalzen. Ich erzählte die Geschichte mit dem Nadelöhr, das man ruhig halten muss, um den Faden leichter und schneller in das Nadelöhr einzuführen und das man den Faden noch schön nass machen muss. Dann konzentrierte ich mich mehr auf die Berührungen und Bewegungen beim Tanzen. In Ungarn hatte ich eine Methode erfahren, die zu einer meiner Hauptwaffen wurden, wenn es darum ging, ein Mädchen, eine Frau erotisch langsam aber sicher bei einem harmlosen Tänzchen in Stimmung zu bringen. Ich bemühte mich, nicht durchsickern zu lassen, dass ich auf ihren Busen stehe, sondern mich die Gesamtpersönlichkeit umfassend interessiert. Die Brüste lies ich mal schön außen vor, an die sich bis jetzt jeder Mann sofort geschmiegt hätte. Ich nahm beim Tanzen meinen Oberkörper leicht zurück und schaute ihr öfter in die Augen. Dabei wippte ich mit meinem Becken wie unabsichtlich gegen ihren Venushügel mit meinen rechten Oberschenkel und dirigierte mit meinem rechten Arm der von ihren unteren Rücken zur Taille hingelegt war, Maja rhythmisch im Gegentakt. Dabei machte ich ein absolut harmloses unbeteiligtes Gesicht, das nur zwischendurch freundlich, öfter als nötig, Augenkontakt suchte. Mit der linken Hand, in der beim Tanzen ihre Hand lag, streichelte ich auch wie unbewusst mit den linken Daumen ihre Hand. Sie war nicht blöd, sie war eine erwachsene Frau und merkte das Spiel und irgendwann nach einigen Runden lag sie in meinen Armen und drückte ihr Becken nicht mehr nur gegen meinen rechten Oberschenkel. Sie suchte schon offensiv die Mitte meines Beckens und rieb sich regelrecht an meiner Hose, beziehungsweise was in der Hose befindlich war. Dabei machte sie ein genau so cooles Gesicht wie ich und die um uns tanzenden Paare merkten nicht, dass ich bei langsamen Foxtrott die Maja, wie ich immer damals dachte, "trocken fickte" und sie für den Rest der Nacht feucht und gefügig machte. Auf der Rückfahrt nach Bad Dürrenberg fummelte ich nicht im Zug an ihr rum. Ich ging nicht mit der Hand unter den Rock, ich befummelte nicht ihre Riesentitten. Ich hielt ihre Händchen die ganze Zugfahrt liebevoll zwischen meinen beiden Händen, suchte ständig Augenkontakt und lies sie reden. In Bad Dürrenberg angekommen, nahm ich auf den Weg zu ihr, ihr rothaariges Köpfchen in die Hand und kusselte vorsichtig zurückhaltend ihre Zungenspitze mit offenen Augen vor einem hell beleuchteten Lampengeschäft. Maja im Arm, schlenderte ich zu ihr nach Hause und quasselte wenig dabei. Ich zeigte auf den vollen Mond, der sich in einer Pfütze spiegelte und wies auf die Nachtfalter, die um eine kaputte Straßenlaterne flatterten und von der Quecksilberdampflampe zu Tode gegrillt wurden. „Carpe diem et memento mori „ musste ich übersetzen. Nutze die Zeit und gedenke des Todes! "Wie wahr" bemerkte sie, als sie die Wohnungstüre aufschließen wollte. Sie hat den Spitzen runden Zylinderschlossschlüssel vor Aufregung nicht in das Schloss bekommen. Demonstrativ leckte ich den Schlüssel ab und steckte den Schlüssel richtig rum mit der Kerbe nach oben in das Schloss.
Maja hatte eine komplett eingerichtete Wohnung mit allem pi pa po. Fernseher, Plattenspieler, Waschmaschine. Sie legte eine Schallplatte mit Louis Armstrong auf und verschwand im Bad. Auf dem Couchnierentisch zündete sie vorher eine Kerze an und lief dort hin in Strümpfen. Ich zog meine Schuhe aus, setzte mich auf die Couch, auf der eine Menge Kissen herumlagen und betrachtete das Wohnzimmer näher. Sie hatte eine so genannte Leipzig-P2 Wohnung von ca. 68 m² Wohnfläche. Gleich neben der Essecke gab es eine gläserne Durchreiche zur Küche. An der Essecke gegenüber befindlichen Stirnwand stand eine 3 Meter nussbaumfurnierte Anbauwand. Über die Länge der Wohnung befand sich ein Balkon und in einer Nische neben der Anbauwand stand eine riesige Monstera Deliciosa, die mit ihren großen Blättern fast die Balkontüre überdeckte. Auf den Couchtisch stand ein Aschenbecher und so zündete ich mir eine Club an und betrachtete die Wände, welche mit ihren Bildern dekoriert waren. Die Bilder gefielen mir einigermaßen und machte sie noch sympathischer. Ich rauchte die Zigarette auf, stand auf und ging zum Bad. "Was macht die da nur so lange?" grübelte ich.
Langsam machte ich die Badtüre auf und sah Maja in der Badewanne. "Komm rein und zier dich nicht so!" Verdutzt langsam betrat ich das enge P2-Badezimmer. Auf dem Spiegelregal links neben der Türe liegt eine angefangene Schachtel Ovosiston. Die Antibabypillen der ersten Woche bis Samstag fehlen. In der Badewanne fehlt was, denke ich, knie mich wieder und beginne Maja saugend zu knutschen. Dabei halte ich mich mit der linken Hand am Badewannenrand und mit der rechten Hand an ihrer rechten Brust fest. Meine rechte Hand erscheint mir hier wie die einer kleinen Kinderpatschhand. Beim Küssen macht sie mit dem Kehlkopf ein Geräusch, was ich beim Küssen noch nie gehört habe. Es hört sich an, wie wenn man mit geschlossenem Mund gurgelnd "Hmmm" sagt. Das aber dauernd mit unterschiedlicher Tonhöhe. Als sie eine Weile ge-hmmmt hatte und anfing im Wasser mit den Beinen zu strampeln, bin ich aufgestanden und hab mich in ihrem Wohnzimmer meiner Kleidung entledigt. Mit viel erwartungsfroher Freude und Anspannung bin ich zu Maja in die Wanne geklettert "Nasser geht’s wohl nicht" sagte ich spöttelnd und versuchte ihren Schoß zu finden. Nur die damaligen Normbadewannen waren klein und so richtig klappte das nicht, leider. Wir sind dann aufgestanden und haben die Seiten gewechselt. Das ging dann. Erst kam ihr linkes Bein aus dem Wasser und legte sich auf den Badewannenrand. Dann kam das rechte Bein auf der anderen Seite hoch. Das Wasser war trotz des bissel Schaum schön klar und ihre Schamhaare wedelten bei der Festbeleuchtung von zwei Hundert Watt Glühbirnen im Wasser wie zarte Südsee- Aquariumpflänzchen. Ich hatte einen großen Fisch dabei und der dem Aquariumpflänzchen immer näher und näher und näher kam. Erst verschwand der hungrige Kopf von dem Fisch und schließlich der ganze Fisch, namens räuberische Muräne, der an seinem Ende dunklere und festere Aquariumpflänzchen praktischerweise mit sich führte. Mit der rechten Hand krallte sich Maja an die Badewannenarmatur, mit der linken Hand hielt sie sich an meinem Nacken fest. Wir starrten uns geil in die Augen und saßen eigentlich ganz ruhig da, bis sie anfing, ein paar Muskeln um die Pflänzchen rum und im Besonderen ihre Pomuskeln in Bewegung zu setzen. Ich konnte da wenig dazu tun, um mit den Fisch zu wackeln hatte ich keinen Platz. Sie hatte den Fisch bis zum Anschlag verschluckt und war am Badewannenboden wie festgenagelt. Meine Augen wanderten im magischen Viereck der zwei Augen und der Brustspitzen hin und her. Manchmal waren ihre Augen zu, dann konzentrierte ich mich auf die zwei riesigen Honigmelonen, die sanft im Wasser, wie ersoffene Spanferkel, auf und abtauchten. Als sie wieder die Augen aufmachte, fing sie plötzlich an, ihre Kehlkopfgeräusche verstärkt zu intonieren. Maja hing sich dann an meinen Mund, die Beine rutschten an meine Taille und klammerten. Mit beiden Armen umfing sie meinen Hals und aus ihrem Kehlkopf wurde es immer lauter, bis der Ton versiegte und Maja ganz ruhig und gelöst war. Sachte zog sie sich vom Fisch runter und kletterte aus der Wanne. Im Wasser wanderten einige milchweiße Schlieren wie von gebackenem Eiweiß herum. Ein paar rote Härchen von Maja schwammen auf der Wasseroberfläche. Maja setzte sich auf die Klobrille und sah zu was ihr mit Badewasser vermischt unter ihr raus tropfte. Es tropfte und tropfte, sie sah zu den Schlieren in der Wanne und fragte „Deine gesammelten Werke? Wie lange hast du die denne gesammelt?“ Ich log „Ein halbes Jahr!“ Wenig später saßen wir halb abgetrocknet in ihrem Wohnzimmer, halb eingewickelt in Badetücher und schmauchten genussvoll die Zigarette danach. Ich lenkte meinen Blick von ihr weg und brachte das Gespräch auf ihre Bilder, die sie wie Lovis Corinth malte. Jeden Blumenstrauß malte sie mit viel lockerem Licht neben lockerem Schatten. Amaryllis, Flieder und Tulpen. Ein wenig viele Calla, so das es bei ihr wie auf einem Friedhof nach der Beerdigung schien. Das sagte ich aber nicht.
Ich sagte ihr, dass sie schöner als all die Blumen an der Wand ist. Das war noch nicht mal gelogen. An Lovis kam sie nicht ran.
Sie stand auf und ging wortlos in ihr Schlafzimmer. Nach kurzer Weile rief sie mich leise beim Vornamen. Im Schlafzimmer erwartete mich eine Überraschung. Maja lag da wie die bekleidete Maja von Goya. Sie lag leicht seitlich in ihren beiden Bettkissen aufgerichtet und hatte die Arme hinter den Kopf verschränkt. Eine Brust von ihr hatte die Masse wie beide Brüste von Goyas Maja. Ich setzte mich auf einen kleinen Hocker, stützte meine Arme auf die Knie und hielt meinen Kopf gestützt. so schauten wir uns eine Weile an. Maja hatte ein langes dünnes weißes Nachthemd an. Das Bett war weiß, die Möbel waren weiß und die Schlafzimmerlampe an der Decke hatte weißes Milchglas. "Warum wollt ihr Männer immer nur viel jüngere Frauen?" Aus der eben noch lüsternen Maja war eine empörte Maja geworden. Ich entgegnete "Siehst doch, es geht doch auch anders rum!" "Darum geht es nicht!" sagte sie mit Falten gezogener Stirn. "Ich hab den Mann doch geliebt!" zeigte sie auf ein Fotorahmen, der mit dem Gesicht neben mir auf einer Frisierkommode lag. Ich lugte drunter. Es war das Hochzeitsfoto. "Ich lieb ihn doch immer noch" schluchzte sie, nahm die Arme hinter dem Kopf vor, drehte sich auf die Seite, mir abgewendet und schluchzte mit bebenden Schultern in die großen weißen Kissen.
Ich legte mich zu ihr, streichelte ihre Schultern und drehte sie langsam auf den Rücken. Die Augenbemalung, die in der Badewanne nicht verwischte, verlief ihr im Gesicht. Ich wischte das mit einem Handtuchzipfel weg und sagte tröstend: "Das Leben geht weiter - irgendwann ist das auch vorbei!" Wir suchten dann nur die Lust zu finden. Ich stocherte stundenlang in ihr herum, sie genoss es wohl wie einen Strauß Calla, deren Blütenstand sie Stück für Stück in sich auf nahm. Erst als es hell wurde und die oblgatorischen Bad Dürrenberger Hähne krähten, sind wir eingeschlafen. Zum Mittagsfrühstück gegen Mittag gab es Bratkartoffeln, Eier und Speck. Mit vollem Mund brabbelte sie "Das Scheiß-Westfernsehen geht wieder nicht, kennst du dich damit aus?" Ich kannte. Der Wind hatte die provisorisch befestigte Antenne auf dem Dach umgeblasen. Nach einer dreiviertel Stunde ausrichten und vom Dach in ihre Wohnung hin und her laufen, war der Westsender wieder eingestellt. Zwar mit einem grieslichem Bild, aber es funktionierte. Im Ostfernsehen lief am Nachmittag der Film "Die geheimnisvolle Insel" und am Abend liefen im Westfernsehen die Sieben Samurai. Um elf Uhr am Abend lief ich nach einem kurzen weiteren aktiven Aufenthalt in Majas Schlafzimmer erschöpft in meine Bude. Schoffölke hab ich am Montag nicht viel erzählt. Das ist ein armes Luder, die liebt ihren Mann noch und eigentlich bin ich auch ein armes Schwein, weil meine Liebe in Thüringen geblieben ist und auch ich diese Liebe wie Maja ihre nicht vergessen kann.
Ich hab dann die Maschine abgestellt und bin aufs Klo, um mich leise auszuheulen. Zu der Zeit war es 16.00 Uhr und Maja saß in der längsten Straßenbahnlinie der DDR, der Linie 5, die 30 Kilometer von Halle über Merseburg und Leuna nach Bad Dürrenberg fährt. Kurz vor Feierabend, um 21.30 Uhr klingelt mein Maschinentelefon. Maja: "Kommst Du" ich "ja!". So ging es dann die ganze Woche und es wurde meine müdeste Spätschichtwoche in Leuna. Nach 4 Wochen lernte Maja auf einem Betriebsfest einen gleichaltrigen Kollegen kennen und wir haben uns nett und freundlich voneinander verabschiedet. Sehr froh war ich auch, dass ich ihr keinen Frust bereitet hatte und das „normale Familienleben“ mit regelmäßigen Essen und regelmäßigen Beischlaf nach der Fernsehstunde vorbei war.
Auch Schoffölke freute sich, weil er wieder jemand zum Herumstromern hatte. Wir wechselten jedes Wochenende den Tanzsaal, um die Möglichkeiten zu erweitern. Nur Spaß am Tanzen hatten wir beide nicht. Unser Sinnen und Trachten war auf Abenteuer, auf Abenteuer in Sachen Liebe, fixiert. Schoffölke wollte nur mal fix und ich trachtete unbewusst mehr nach einer Beziehungskiste. Ich hatte auch Heimweh und fuhr ab und zu meiner Mutter am Wochenende nach Thüringen. "Pass gut auf dich auf Junge"! gab sie mir immer am Sonntag mit auf den Weg, wenn ich gegen Mittag zum Bahnhof lief, um in meine neue Heimat zu fahren. An so einem Sonntagabend in der Nähe des Bad Dürrenberger Bahnhofes kommen aus einer Kneipe Gelächter und Fanfarenklänge. An einem Tisch sitzen fünf Schulmädchen in Fanfarenzuguniformen und eine Dunkelglatthaarige nimmt ihre Fanfare und schmettert in meine Richtung das Signal, das ich aus meiner halbjährigen Fanfarenzeit kannte. "Geht die Geiß zum Boock, geht die Geiß zum Boock" und krähte anhalterisch sächsisch, "Meiner, gannste dasse ooch?" Ich hab mein Bier am Tresen abgestellt, das mir gerade der Wirt gereicht hatte und nahm dem Mädchen die Fanfare aus der Hand. Ich stemmte fanfarenvorschriftsmäßig meinen linken Arm in die Taille, hob die Fanfare über meinen Kopf und setzte sie gekonnt an die Lippen. Viel klirrender und lauter als sie, schmetterte ich die Geiß, die zum Boock geht zurück. Dann blies ich noch "Kartoffelsup, Kartoffelsup, die ganze Woch Kartoffelsup" und stellte die Fanfare sachte zurück auf den Tisch. Eine der anderen mit Ventilfanfare sagte laut, „der hat dir jetzt aber eenen jeblasen“ und alle bogen sich vor Kichern und Lachen. Ich mach’s dir auch, sagte ich dem Mädchen mit der Ventilposaune. "Nimm aber das Mundstück von der da, das du schon besabbert hast!" Die "der da" machte ihr Mundstück ab und reichte es mir freundlich lächelnd. Ich Angeber hab das Mundstück in die Ventilfanfare gesteckt und einige Takte des St. Louis Blues nach der Art von Louis Armstrong und seinem Hot five / Hot seven „dalaalaalaala“ in die Kneipe geblasen, mit der linken Hand habe ich mit ausgestreckten Arm und einem Bierdeckel Dämpfung/Glissando "wa wa wa Effekte" erzeugt. Als ich fertig war, standen weitere Mädchen in der Türe zu einem Probesaal glotzten und hörten meiner Show zu. Als ich die Posaune zurückgab, klappte hinter mir der Wirt den Deckel des Kneipenklaviers auf und tippte fordernd grinsend auf die Tasten. Also hab ich den Hocker hochgeschraubt, habe meine Finger mit abgewendeter Handfläche zu den Mädels gedreht und habe die Fingerknochen laut vernehmlich knacken lassen. Dann hab ich mich umgedreht, habe gekonnt mit den linken Fuß auf der linken Pedale herumgewippt und das Jackett aufgeknöpft und die Schöße mit den Händen mit Schwung nach hinten geschwungen. Hab auf die d-Seite der vierten Oktave kurz herumgehämmert und habe Wake up Little Susi" von den Everly Brothers laut auf die Tasten hämmernd losgelassen. Dabei hab ich gesungen so laut wie ich nur konnte und immer wenn der Refrain kam "Wake up Little Susi, wake up Little Susi", hab ich mich umgedreht und die kleine Dunkelhaarige an gesungen, die ihre Mittelfingerknochen der rechten Hand, in der sich noch das Fanfarenmundstück befand, auf den Knöcheln herumkaute. Diese Show dauerte exakt 2 Minuten, wie eben der Titel lang ist.
Ich bin aufgestanden, hab den Deckel des Klaviers zugeknallt, mich zum Kneipenpublikum, das Jackett zuknöpfend, tief verneigt, weil die alle laut geklatscht hatten. „Zugabe, Zugabe“, riefen frenetisch die Posaunenchormädchen. Ich bin dann zur Theke gegangen und habe hastig mein Bier ausgetrunken. Ich musste jetzt verschwinden, weil die Show absolut zu Ende war. Wirklich absolut! Auf den Tresen lagen Bierdeckel rum und ein Bleistift. Auf einen Bierdeckel schrieb ich: "Morgen 18.00 Uhr Gradiergarten Brunnen - Geza", mit einem Herzchen unter dem Ausrufezeichen, wo das Ausrufezeichen normalerweise einen Punkt hat. Beim Rausgehen hab ich den Deckel dem Mädchen in die Hand gedrückt.
Warum die Show absolut zu Ende war? Ganz einfach, ich konnte nicht mehr Musik machen, das war mein komplettes Repertoire. Den St. Louis Blues habe ich in der Fanfarengruppe der Theo-Neubauer-Schule gelernt und Little Susi von Sixe-Maxe-Molli. So hundert Mal habe ich das auf Sixes alten Klavier, immer von Sixe verbessert geübt, bis ich es fast im Schlaf spielen konnte. Die gleiche Methode hatte ich auf der Gitarre in Petto. Ein paar Griffe konnte ich, um beleitend einige Liedchen zu spielen. Ein altes Volkslied gezupft "Drunten in der grünen Au, steht ein Birnbaum schon schau". Mit Barré Griffen brachte ich "Baby doll" von den Sniekers mit Beatsound und per C-Dur-Griffen der ersten Lage noch so 5/6 Liedchen zusammen. Das wenige, was ich konnte, konnte ich aber virtuos. Höhepunkt meiner Musikinstrumentenkenntnisse und Spielfertigkeiten ist eine E-Maultrommel aus Zella Mehlis. Ich konnte keine einzige Note und hab Ahnung vom Musizieren wie die Sau vom Hörner blasen. An diesem Montag hatte ich Frühschicht und Zeit bis 18.00 Uhr, um mich moralisch und körperreinigungsmäßig auf das Rendezvous vorzubereiten. Ich zog mich leger an, kaufte eine kleine Tüte Malzbonbons und bewaffnete mich mit der Westzeitung "Bravo". Die hatte ich von Schoffölke, der sie wieder von seinen Westonkel aus Westberlin hatte, mit einem netten Artikel von "Fragen Sie Dr. Sommer", über Verhütung beim Geschlechtsverkehr. Präservative hatte ich nicht eingesteckt, als ich mich auf den Weg zum Gradierwerk in Bad Dürrenberg machte. Wie immer bei solchen Treffs traf ich eine Minute vor 18.00 Uhr am Brunnen ein. Mit gesenkten Köpfchen und ganz verlegen stand sie da am Brunnen und scharrte mit ihren kleinen Füßchen in den weißen Kieselsteinen herum. "Guten Tag Susi - wann biste heute aufgewacht? Haste Schulaufgaben schon gemacht? Haste Papa und Mama gesagt wo du bist?" Ich heiße nicht Susi - ich heiße Sylvia! Oh Gott, oh Gott, den Namen konnte ich nicht ausstehen. Deshalb sagte ich nett: "Ab heute heißt´e eben Susi - einverstanden?" Sie nickte schüchtern. Ohne die Gruppe ihrer Freundinnen wirkte sie unsicher. Sehr unsicher sogar und ich nahm mein selbstbewusstes Verhalten zurück. Mit der Methode aller Methoden, die bei Frauen von 10 bis 100 immer funktionieren, mit unplumpen Fragen stellen kommt man am weitesten, wusste ich. Hab nachgefragt und nachgefragt, bis ich ein wenig von mir erzählte. Bis dahin sind wir zweimal um den Park herum gelaufen und an der Saale lang bis Spergau zum Wasserwerk vom Leunawerk. Da war es gegen halb acht und ich wusste vieles von ihr. Sie geht in die Zehnte Klasse und ich rekapitulierte, dass der Staatsanwalt gerade die Hand weggenommen hat. In der damaligen DDR wurde Beischlaf mit Mädchen unter 16 Jahre als Unzucht mit Minderjährigen geahndet und zu 90% gelangte man ohne Bewährung in den Knast, wenn das raus kam und besonders Lehrer oder Eltern den Unhold anzeigten. Verschärft war hier, wenn der männliche Part dieses Ereignisses über 18, also voll strafmündig war. Ihre Eltern arbeiteten, wie konnte es auch anders sein, beide im Leunawerk. Der Vater ist Meister im Kraftwerk Vier und die Mutter arbeitet in der Lohnbuchhaltung. Auch der Großvater hat in Leuna in der Benzinsynthese gearbeitet und ist seit einem Jahr Rentner. Er hat sie in den Fanfarenzug gelotst, in dem er auch spielte, als er jung war. Alle Freundinnen sind im Fanfarenzug und da sie der größte Fanfarenzug des Kreises Merseburg sind, kommen sie viel rum. Besonders bei Parteiaufmärschen und allen möglichen Veranstaltungen in der ganzen großen DDR. Lesen tut sie ganz gerne, zwei Katzen und einen Hund hat sie und aus vielen anderen Bemerkungen erkenne ich, dass sie noch keinen festen Freund hatte, der mit ihr mehr als gefingert hat. Durch diese Fummelei, das fast alle Mädchen so nach Mitte der neunten Klasse belieben, gab es real und schlicht medizinisch gesehen, aus der Sicht eines Frauenarztes keine Jungfrauen mehr. Die "Freunde" haben das Hymen so fast immer kurz und klein gefummelt. Mich interessierte das an diesem Montagabend erst mal wenig. Ich dachte gemach - gemach! Auf dem Rückweg sah sie mich oft so seltsam von der Seite an und drehte verschämt das Gesicht weg, wenn ich ihr voll in die Augen blicken wollte. Kurz vor Bad Dürrenberg reichte ich ihr die Hand, als zu einer steilen Böschung des Flussdeiches hoch ging und sie hat die Hand dann einfach nicht mehr losgelassen. Erst als die erste Passanten zu sehen waren entzog sie ihre Hand der meinen. Am Wochenende ist sie mit den Fanfarenzug in Dresden unterwegs - aber in der Woche könnten wir uns doch wieder sehen, meinte sie. In ihre Straße sollte ich sie aber nicht bringen, wegen der Nachbarn und wegen der Eltern!
"Na gut, meinte ich, nur in der nächsten Woche habe ich Spätschicht - wir können uns erst in der Woche darauf sehen". Als ich am Dienstag der nächsten Woche um 23.00 Uhr in Bad Dürrenberg aus der Straßenbahn steige, steht Susi an der nächsten Laterne hinter der Straßenbahnhaltestelle. Das war ja toll! Vater hat Nachtschicht, die Mutter ist bei ihrer kranken Tante in Merseburg und kommt erst am folgenden Abend zurück. Sie hat mir was Wichtiges zu sagen, deswegen ist sie hier an der Straßenbahnhaltestelle. "Na schieß schon los!" Und da hüpft mir doch allen Ernstes die Susi an den Hals und fängt an zu knutschen. Als ich anfange mich am Mund festzusaugen, geht das nicht, weil sie durch die Nase einatmet und mit den Mund aus. Ich mache mich von ihr los und zeige ihr mit meiner Hand, wie ich mich mit dem Mund festsauge. Sofort hat Susi richtig nach dieser Handprobe knutschen gekonnt wie eine Alte. Was dann kam, ist sicher aus heutiger Sicht ein wenig unfair gewesen - aber ich war jung - ich war dumm und Susi war noch viel dümmer und unerfahrener, besonders in der all umfassenden Auseinandersetzung mit dem anderen Geschlecht. Der Park um das Gradierwerk war rappelduster, keine Lampe brannte damals. Wir liefen dort Arm in Arm, fest umschlungen herum und ich wusste, zwischen der Knutscherei und schließlich Fummelei - keine Bank! Ja, keine Bank, sonst wird das erst in ein zwei Wochen was, das sie mit mir schläft. Ach fand ich sie süß und lieb und träumte schon von ihren ebenmäßigen symmetrischen für mich schönen Gesicht. Wir kamen dann zu einem stillgelegten Brunnen, dessen Brüstung so Siebzig Zentimeter hatte. Ein Dreher kann auf den Zentimeter genau schätzen. Mein Beruf hatte fast nur mit Längenmaßen zu tun.
Ich stellte Susi ein wenig schräg an den Brunnen und stellte meinen rechten Fuß links neben ihren linken Fuß und drückte Susi schön knutschend an den Brunnenrand, auf den sie sich sofort ein wenig setzte. Nach einer Weile konnte ich ihr Röckchen ein wenig hochziehen und begann mit der Fummelei, die ein wenig anders war, als sie bisher erlebte. Ich bin von unten in den Schlüpfer rein, der zum Glück ein wenig ausgeleiert war und habe nur zart mit dem Mittelfinger ihre Klitoris stimuliert, was sie völlig aus dem Häuschen brachte und sich selber nicht mehr kontrollieren konnte. Mit dem linken Knie habe ich ein wenig ihr rechtes Bein angehoben. Im Rücken meiner rechten Hand lauerte ein Gefangener, den ich unbemerkt aus meiner Hose befreit hatte. Als sie am wildesten zappelte, hab ich einfach meine Hand mit den Gefangenen ausgetauscht, der dann mit einem Ruck blitzschnell in Susis Körper flüchtete. Susi schrie auf vor Schmerz und Schreck und wollte sich sofort aus diesem Raubüberfall auf ihre Ehre entwinden. „Ruhig Susi, ruhig - es passiert dir doch überhaupt nichts. Es passierte doch was. Ich war am Hosenstall blutverschmiert, Susis Schlüpfer war blutig und Susi weinte ein wenig. Ihren Kopf stützte sie zum Glück auf meine Schulter, so dass mir schien, der Protest ist nicht sehr gravierend. Ich brachte Susi nach Hause und lies mir unter einer Straßenlaterne den Ausweis zeigen. Wir hatten uns beide an diesem Abend gleichzeitig reingelegt. Ich hab sie ungefragt entjungfert und sie hatte mich angelogen, Susi ging in die 9. Klasse und war vor vier Wochen gerade 15 Jahre geworden. Am anderen Abend stand Susi ungefragt wieder an der Straßenbahn. "Meine Mutter ist noch in Merseburg bis übermorgen!" Zehn Minuten später waren wir in meiner Bude, wo mein "Pole" im Nebenzimmer zum Glück selig schnarchte. Nach wenigen Fummeln, schon ohne Höschen, spreizte Susi ungeschickt ihre Beinchen und ich legte mich mit einem schnell aufgezogenen Präservativen auf sie. "Es tut tut tut tut nicht mehr weh!"japste sie "Na Pass mal auf, wie gut dir das gleichtuuuuuut!" röhrte ich. Nach einer halben Stunde wackelte sie gekonnt wie Lollo mit dem Hintern und drückte gekonnt dagegen, wenn es was im Rhythmus gegen zu drücken gab. Susi war als Frau nun wirklich schnell aufgewacht. Nur ein wenig laut wurde sie dann, als ich mit dem Mittelfinger der linken Hand dabei ihr kleines Würmchen stimulierte. Ich ließ sie dann in einen Kissenzipfel beißen, den sie nach einer weiteren Stunde komplett durchgenagt hatte. Susi lernte in dieser Nacht den Kissenbiss. Der Schreck war groß, als sie hinter her sah, was sie mit dem volkseigenen Leunakissen angerichtet hatte. Mein Schreck war noch größer. Das Präservativ war ebenfalls zerfranst und aus Susis Schößchen tropften Tröpfchen, die man nicht ihren Körperflüssigkeiten zurechnen konnte. Die Tröpfchen hatten die Konsistenz, welche so mir eigentlich zugehörig waren. Ich hatte Susi nach allen Regeln der Kunst wohl mitten nach dem Eisprung abgefüllt! Vor vierzehn Tagen hätte sie ihre Tage gehabt. Nun wurde ich hektisch und erklärte was passiert war. Sie schaute sich ungläubig zwischen die Beine und ahnte in kürzester Weise das Drama, was wir beide und im speziellen ich, angerichtet hatten. Ich erklärte ihr dann in aller Ruhe, was in Frankreich die Frauen nach so einem Unfall machen. Die setzen sich aufs Bidet und lassen viel heißes Wasser fliegen. Das hilft zwar nicht hundertprozentig immer, das hilft aber oft - denn sonst hätten in Frankreich die Frauen kein Bidet. Und ohne viel Federlesens hab ich die Susi in die Badewanne komplimentiert und sie unten rum geduscht, wie beim Friseur, als sie in der Wanne hockte. Dann habe ich sie alleine ein paar Minutchen duschen lassen und habe meinen Polen dreihundert Gramm Wodka aus dem Kühlschrank entwendet. Zweihundert Gramm hab ich gleich mit einen Bissen Brot runtergestürzt und mit dem Rest hab ich Susi einen halben Kopfstand in der Wanne machen lassen und hab sie mit 100 Gramm Wodka desinfiziert. Das brannte dann schon richtig heftig. Diese Methode hat mir mein "Pole" erzählt, der mir die ostpreußische Art, keine Kinder zu machen, nach den schon oft erwähnten Spruch "Meechen, haste dir bekleckert mit den jelben von dem Ei - dann nimmst bisschen Wässerchen debeiiii - womit nun mal immer Wasser - Wodka und schön heißes Waschwasser gemeint ist. Susi vertraute mir voll und wenn ich erzählt hätte, im Himmel ist Jahrmarkt, hätte Susi mir das auch abgekauft. Dann wirkte bei mir der Wodka und ich hab ihr gezeigt, was man noch so alles in Frankreich mit der Zunge macht - und sowieso war das in der Bravo andeutungsweise erklärt. Nach kurzem Widerspruch - "das ist doch unanständig so!" - willigte sie ein und ich schlabberte noch ein paar Gramm Wodka aus der Susi. Der Susi hat es von Minute zu Minute immer mehr gefallen. Danach hatte ich sehr gespannte ängstlich vierzehn Tage Zeit, das Ergebnis meines Tuns abzuwarten. Nach den besagten vierzehn Tagen begrüßt mich Susi mit der ihrer Meinung traurigen Ereignis: "Ich hab meine Tage!" Das kleine dumme Luder hatte nicht richtig gebongt, in welcher Gefahr sie war. Am anderen Tag hat mir Schoffölke geholfen, diese "Beziehung" zu beenden. Er hatte ein Foto, auf der seine hochschwangere Schwester abgebildet war. Auf dem Foto hat sie traurig geguckt, denn sie hatte eine Angst vor der Geburt.
Schoffölke hat einen "Brief an mich" geschrieben, in den eine Frau aus Halle mir mitteilt, dass sie von mir ein Kind erwartet und ich vor die Alternativen gestellt wurde, Ehering oder Zahlen! Diesen Brief habe ich drei Tage später nach dem Postweg im Beisein von Susi geöffnet und ihn ihr gut dramatisch inszeniert vorgelesen. Es hat mir schon in der Seele wehgetan, wie geschockt sie war. Sie war enttäuscht, sehr enttäuscht und hat sich nicht mehr blicken lassen. Fünf Jahre später erkenne ich in einer Kaufhalle in Merseburg Susi wieder. Ich zeige auf eine Wodkaflasche, stecke ihr die Zunge raus. Sie erkennt mich und lacht - ein wenig gezwungen. "Und haste diese Frau geheiratet? "Ja", sage ich und das "Heiraten" war nicht mal gelogen. "Und das Kind? Was ist es? Ein Junge oder ein Mädchen?" "Das Kind ist gestorben", sage ich und das war auch nicht gelogen. Dass die Mutter auch gestorben ist, Schoffölkes Schwester, konnte ich ihr nicht erzählen. Ich schaute traurig und sie schaute auf ihren Bauch, der sich, wie ich jetzt erst bemerkte, leicht gewölbt war. "Das Leben geht weiter!" sagte sie und zeigte auf die gleiche Wodkaflasche und wackelte verschmitzt dabei lächelnd mit ihrer spitzen Zunge. Schoffölke hatte inzwischen auch ein Drama absolviert. Er war mit einer verheirateten Kollegin im Wochenendhaus des Schwiegervaters mit nackigem Hintern unterwegs und bekam mitten im Liebesreigen einen gewaltigen Schlag auf den Hintern. Der mit dem Brett hantierende, war der Schwiegervater, der mal in der Laubenkolonie nach dem Rechten sehen wollte. Es war nicht Recht, was seiner Meinung nach seine Schwiegertochter ungefragt, in seinen schwer erarbeiteten Gartenhäuschen, in ehebrecherischer Art trieb. Er flüchtete und bekam noch mit, wie die Frau, die er aus Körperkraftunterschieden nicht verteidigen konnte, verdroschen wurde. Das Ergebnis dieser Aktivitäten war eine Gerichtsverhandlung im Merseburger Kreisgericht, nur wenige Wochen danach. Der Frau wurde der linke Arm mit dem Brett gebrochen. Sie hatte ihren Schwiegervater angezeigt. Schoffölke wurde als Zeuge vorgeladen und wurde von der Richterin zusammengestaucht, weil er nicht gesehen hatte, wie sie verdroschen wurde. Er hat ja nur noch den Krach und die Schreie gehört. Absolut empörend berichtete Schoffölke, dass der Schwiegervater weniger zugehauen hat, weil die Frau seinen Sohn betrügt. Der Typ war gravierend eifersüchtig, weil er auch in der Datsche nicht nur mit seiner Schwiegertochter harmlose familieninterne Plauderstündchen abgehalten hatte. Mehr oder weniger regelmäßig wurde sie vom Schwiegervater vergewaltigt. Nach der Gerichtsverhandlung wurde er gleich in Handschellen abgeführt und bekam 12 Monate ohne Bewährung aufgebrummt. Die Frau hat sich scheiden lassen und ist aus Bad Dürrenberg weggezogen. "Langsam wird es gefährlich hier!" meinte Schoffölke. Auch wollte er wieder weiter studieren - von der Dreherei hatte er die Nase voll. Als ich meinen Spind räumte, um zum Wehrdienst einzuziehen, räumte Schoffölke auch seinen Spind aus, um nach Berlin zurück zu kehren. Auch ich kam zufälligerweise nach Berlin und traf Schoffölke in einem neuen Lebensabschnitt von ihm und er traf mich in einem neuen Lebensabschnitt. Irgend wann war er weg, weg in den Westen
Es ist Sonntag in Marokko. Ein französisch arabisches Stimmengewirr der Gäste des Kaffees mixt sich mit den Wogen des atlantischen Ozeans, die mit infernalischem Getöse, gedämpft durch den Straßenblock, der dicht an der Stadtmauer zum Ozean befindlich ist, auf zerklüftete Felsen brausen. Ich fange Wortfetzen auf, die ich nicht verstehe. Ich verstehe kein Arabisch, ich verstehe kein Englisch, Französisch und Italienisch. Ein leiser Duft von Meer und Mövenkacke liegt in der Luft und um die Restaurantstühle schleichen zerfledderte Katzen, auf der Jagd nach Essensresten. Nur finden sie heute nichts weiter als Zigarettenkippen, die zahllos um die blau weißen Terassenmöbel liegen. Obwohl fast ganz Marokko auf der Erde und von den Häuserwänden rot schimmert, schimmert alles in Essauoira, dem früheren Mogador, alles blau und weiß. Weiß sind die Häuser, blau die Fenster, blau ist der Himmel. Ich habe meine Fototasche auf den Knien und den dritten Stenoblock, den ich hier inzwischen auch schon halb voll geschrieben habe. Neben dem Restaurant steht eine kleine Zigarettenbude, in der ich nachher noch einen letzten Stenoblock für 15 Dirham erwerben werde. Meine Gedanken kreisen nicht hier in Marokko herum, meine Gedanken kreisen um einen kleinen Steinbruchsee in Halle-Neustadt, an einem heißen Sommertag im Juni 1968. Ich habe meine Wehrdienstzeit hinter mir und bin arm wie eine Kirchenmaus wieder im Zivilleben zurück. Ich besitze zwei Anzüge, zwei Hosen, ein wenig Unterwäsche und Handtücher. Ich bin eher reich von Sinnen, einmal, weil ich eine Woche vorher eine nigelnagelneue Einraumwohnung im neunten Stock des Blockes 618, im ersten fast fertigen Neubauwohnkomplex von Halle-Neustadt, bekam. Das Leuna- und Bunawerk ging auf wie Hefe und platzte aus seinen Werkzäunen ganze Kilometer weit in die sächsisch - anhalterische Ackerlandschaft. Jeden Tag fressen sich Bagger, Kräne und tausende Bauarbeiter mit dröhnenden, quietschenden Klappern durch die noch unindustrielle Flur. Zehn achtzig Meter hohe Schornsteine spucken täglich Ruß, Dreck und Kohlendioxyd in die Luft. Riesige Fackeln der Benzinspaltanlagen in Leuna I und Leuna II brennen Tag und Nacht ununterbrochen.
30.000 Menschen sind hier beschäftigt und klettern täglich auf zwei Werkbahnhöfen aus den täglich voller werdenden Schichtzügen, die zum Schichtwechsel im Zehn Minutentakt zum Schichtwechsel ihre Menschenladungen auswechseln. Menschen, die von der Schicht kommen, Menschen, die zur Schicht eilen. Ein süßlicher Duft nach Chemikalien liegt wie ein unsichtbarer Dunstschleier in der Luft. Wenn man diese Luft schnell einatmet, hat man einen süßlichen Geschmack im hinteren Bereich der Zunge. Ich liege auf dem Bauch auf einer Decke am Greabsee und zeichne den Grundriss meiner neuen Wohnung auf Papier. Ich bin seit gestern nicht mehr arm wie eine Kirchenmaus. Mein Spediteursgroßvater ist gestorben und hat mir achtzehntausend Mark auf ein Konto der Kreissparkasse hinterlassen, die mir seit gestern zur Verfügung stehen. Zusätzlich bin ich mit allen Sinnen reich, weil am vierten Juli meine Traudel aus Thüringen für immer zu mir zieht. Wir heiraten in 6 Tagen und wollen auf eine Hochzeitsreise nach Ungarn aufbrechen. Also bin ich reich! Reich bin ich auch mit meiner Angst vor einem dauernden Zusammenleben mit einer Frau, mit meiner zukünftigen Frau. Freude, Ängstlichkeit, Zufriedenheit und Mißmut streiten sich in meinem Kopf herum. Ich könnte gleichzeitig freudig los brüllen vor Glück, könnte aber auch gleichzeitig heulen wie ein Schlosshund. Am Vormittag hatte ich von den achtzehntausend Mark locker die Hälfte ausgegeben. Eine drei Meter Makoré Schrankwand von Max Kluge aus Langenau. Es war das feinste Bauhausdesign-Möbel, was es damals in der DDR zu kaufen war und auch das einzigste, was sofort geliefert wurde, weil so etwas teures sich kaum jemand leisten konnte. Ich hatte im HO-Möbelkaufhaus, wie ein Krösus, die Hundertmarkscheine dem Verkäufer auf den Tisch geblättert und gleichzeitig dazu eine praktische Klappcouch, zwei Sessel und einen Couchtisch erworben. Im Rundfunkladen nebenan in der Ulrichstraße in Halle, habe ich einen von den neuesten Fernsehern, Plattenspieler und ein Heli-Radio gekauft. Im gleichen Kaufrausch habe ich die Geschirrabteilung leer geräumt, Lampen, Kaffeemaschine und eine Waschmaschine gekauft. Große Waschmaschine ging nicht, die hätte nicht ins Bad gepasst. Mit dem Taxi bin ich in meine Wohnung zurück gefahren und habe fix mit dem Fahrstuhl die Reichtümer in die Wohnung gebracht. Dann habe ich ein altes Bett, was ich von einem Kollegen geschenkt bekommen hatte, in die Einzelteile zerlegt und alle Bretterteile auf den Flur gestellt, mit einem Zettel versehen: "Spende!" Die Matratze wollte ich noch bis zum anderen Tag nutzen.
Als ich mit Badehose, Decke und Handtuch plus ein wenig Schreibutensilien aus der Wohnungstür komme, waren die Bretter des Bettes verschwunden. Am See, neben meiner Decke, hat sich inzwischen ein Mädchen gesellt, die gelangweilt in einem Buch herum schmöckert. Sie nimmt die Sonnenbrille ab, liest, setzt sich die Sonnenbrille wieder auf, räkelt sich in der Sonne, setzt die Sonnenbrille wieder ab - und das im fünf-Minuten-Wechsel. "Hey, hast wohl auch keinen ruhigen Tag! Hast du Hummeln im Hintern?" rufe ich rüber. Sie lacht und sagt, sie hat morgen praktische Facharbeiterprüfung als Köchin und hat mächtig Manschetten. Ich bin mit meiner Decke zu ihr rüber gerobbt und habe mir von ihren Ängsten erzählen lassen. Sie soll ein Lammspieß an Sellerie kochen, was sie noch nie hin bekommen hätte. Die Lehrstelle wäre im Interhotel am Thälmannplatz in Halle und die Ansprüche ihres Chefs sehr hoch! Dann hab ich ihr von meinen Glücksumständen, inklusive meiner Hochzeit nächste Woche, erzählt. Sie ergänzte, dass sie einen Freund hat, der in einem Hotel in Dresden ebenfalls Koch ist und schon im vorigen Jahr ausgelernt hat. Er wollte sie auch heiraten - nur sie will noch ein Weilchen warten. Dann plätscherte das Gespräch langsam aus und sie lag ruhig in einem blauen Badeanzug, der gut gefüllt war, auf ihrer fast weißen Frotteedecke. Sie blickte stumm zu mir rüber, auf der Seite liegend und knabberte an einem langen Grashalm, der fast bis zu meiner Decke reichte. Ich hab mit dem Mund, wie in einem italienischen Film gesehen, am anderen Ende geknabbert. Sie biss ein Stück ab, ich biss ein Stück ab, sie bis ein Stück ab. Als wir uns küssten, hatten wir erst mal beide Grasspelzen im Mund. Nach dem lustigen Ausspucken, küssten wir uns ohne dem bitteren Grasgeschmack. Ihr Mund wurde immer süßer und ihre gekämmten Haare immer wirrer. "Wie sieht denn so eine neue moderne Einraumwohnung aus?", fragte Brigitte, die in einem alten Bauernhaus am Rande von Halle-Neustadt in dem Dorf Nietleben, bei ihren Eltern lebte. "Na, da komme mal mit!" und rollte meine Decke zusammen. sie zog sich ein blaues Sommerkleidchen drüber, was sie sicher gekauft hatte, als sie im zweiten Lehrjahr nicht so füllig rund um ihren Körper herum war. Sie war so schön ausentwickelt und die Gerichte, die sie zu kochen lernte, hatten sicher auch ihren Anteil an ihren propperen Körperkurven. In meiner neuen Wohnung benutzte sie erst einmal begeisternd die stark zischende heiße Dusche und nebelte das kleine Bad komplett ein. Die Matratze tat ihren letzten Nachmittag- und abendfüllenden Dienst. Als rundherum in Halle-Neustadt die Lichter der neuen Wohnungen angingen und eine halb abgebrannte Kerze die Szenerie auf der Matratze flackernd beleuchtete, war es für sie und für mich richtig modern idyllisch, gemütlich. Wir schauten vom längsten und größten Neubaublock der DDR aus dem neunten Stock auf die kleineren Plattenblöcke herunter, wo die Halle-Neustädter Neubürger auf ihren Balkonen ihr Abendessen zu sich nahmen. Da und dort flackerte ein Fernseher durch halb aufgezogene Gardinen, auf den Flachdächern schissen die Tauben auf die unzähligen Fernsehantennen, die ausnahmslos nach dem Westen ausgerichtet waren. Die Angst vor der Kochprüfung hatte ich Brigitte aus ihren Lenden gestoßen und ehe die Kerze runter brannte, beseitigte ich noch die Manschetten von den ihr zuzubereitenden Dessert. Als Brigitte gegen Morgen verschwunden war, spülte ich ein paar geringelte blonde Schamhärchen aus der Duschwanne und sammelte ewig lange blonde Haare von der Decke auf der Matratze auf. Ich hatte ein wenig schlechtes Gewissen, steckte diese Nacht, mich bei ihr selber entschuldigend, unter dem Begriff "Hörner abstoßen" weg. Eine Woche später war Trudchen da und freute sich riesig über die fix und fertig eingerichtete Wohnung. Da sie auch Bettwäsche, Handtücher und einige Tischdecken mitgebracht hatte, hatten wir einen kompletten, wirklich kompletten Hausstand. Sie hatte eintausendzweihundert Mark gespart und konnte ihr "Vermögen" erstmal im Sparbuch stehen lassen. Einen neuen Job in einem Kindergarten in Halle-Neustadt hatte sich schon im März besorgt, als ihr Umzugstermin aus Thüringen feststand. Die neue Klappcouch hielt unseren gegenseitigen ehelichen Verpflichtungen absolut stand, wobei ich ergänzen muss, das diese täglichen Pflichten absolut nichts mit Pflicht, sondern mit reinster Kür zu tun hatte. Wären wir wie beim Eiskunstlaufen vor einer unabhängigen Jury gestanden, hätten wir immer die Note Zehn zugewiesen bekommen. Trudchen war unersättlich und ich war es ohne Abstriche ebenso. Wir gingen kaum aus, wir kletterten in jeder freien Minute auf der Klappcouch herum. Auch das Essen wurde früh morgens und abends auf der Klappcouch eingenommen. Einen Tag vor dem Hochzeitstermin kam meine Mutter und ihre Eltern, die wir im Hallenser Hotel "Roter Ochse" einquartierten. Mein Schwiegervater, der wie Humpfrey Bogart aussah, zückte seine Geldbörse und blätterte 600 Mark hin, für die beiden Drehsessel, die ich gekauft hatte. Ansonsten war es eine billige Hochzeit für ihn. Für seine älteren Töchter hatte er locker das Zehnfache ausgegeben. Ich hatte Trudchen einige Tage vorher ein schwarzes Kostüm gekauft und mir einen schwarzen Anzug. Der Friseur hatte am Morgen des Hochzeitstages nicht viel Mühe, ihr dichtes volles glänzendes halbblondes Haar in eine tolle schlichte Form zu bringen. Um Zehn Uhr hatten wir den Standesamttermin und alles in allem war ich und Trudchen total happy. Wir wollten uns, wir hatten uns, nun mit Haut und Haaren, für immer. Nach den Glückwünschen unserer drei Hochzeitsgäste juckt es mich in der Hose und das plötzlich gewaltig. Ich ging noch mal zur Toilette und sah die Bescherung. FILZLÄUSE! Und das an unserem Hochzeitstag. Ich fiel gefühlsmäßig aus allen Wolken - wie sollte ich das meinem Trudchen nur beibringen, das lies sich doch nicht verheimlichen - das habe ich ihr doch sicher auch angetan und übertragen! Mit den letzten Hörner abstoßen habe ich mir Filzläuse auf der Matratze mit der Grasknabbernden Brigitte geholt. Nun knabberten die Sackratten an meinen Schamhaaren rum und sicher auch in Trudchens hübschen dunkelblondem Busch. Das "Hochzeitsessen" im Interhotel am Thälmannplatz habe ich wie in Trance überstanden und keinerlei Erinnerung, was ich gegessen hatte. Zum Glück schnatterten alle ohne Unterlass und niemand merkte, dass ich stiller und stiller wurde. Und als Höhepunkt des Hochzeitsessens taucht mit dem Dessert auch noch die Filzlaus - Brigitte mit hoher Kochmütze am Tisch auf und betrachtet schamlos und ungeniert die Braut. Das Abendessen im "Roten Ochsen" habe ich auch nur wie im Tagtraum über mich ergehen lassen. Anderen Tag haben wir die Eltern in den Hallenser Tierpark geschleppt. Schwiegervater war Tierfreund. In meinen Sackhaaren liefen derweil die gemeinen Biester, trotz intensiven Schrubbens mit allen Seifen meines Bades vom Vorabend- und Frühdusche, zu Hochform auf und veranstalteten ein Vorwaldrally, als sie wohl vor dem Affenkäfig ihre Verwandten rochen. Fein sauber lauste da eine Affenmutti ihr Junges und zerknackte jede Laus einzeln genussvoll mit ihren großen Zähnen. Wer zerknackt meine, unsere Läuse? Die Lösung bahnte sich sachte am anderen Tag an, als ich verzweifelt einen Hausarzt in Halle aufsuchte. Der lachte sich einen Ast, als ich ihm mein Problem mit allen Einzelheiten und Details der Umstände erläuterte und beruhigte mich. "Sie gehen jetzt in die Apotheke und holen eine Tube Disohexapropanolsalbe, dann gehen sie in eine Drogerie und besorgen sich das Haarwaschmittel "Haarweich", entleeren sie und füllen das Disohexapropanol mit einem dicken Strohhalm um. Dann sagen sie ihrer Frau, dass ihre Schamhaare sie kratzen und achten darauf, dass sie sich unbedingt in einer Woche und dann in einer weiteren Woche noch mal wäscht. in den Haaren stecken nämlich noch die Nissen, die Eier der Läuse, welche in der Woche dazwischen schön regelmäßig ausgebrütet werden. In Vier Wochen kommen sie zur Nachkontrolle und bringen eine Flasche Weinbrand Spezial mit! Hinter ihm an der Wand hängt eine kleine Reklametafel mit der besagten Sorte, wo schon so elf bis vierzehn dicke Kreuze, wie Flugzeugabschüsse, angekreuzt waren. Er wies mit dem Daumen nach hinten und ergänzte: "Hier kommt das dickste Kreuz drauf - einen Hochzeiter hatte ich in meiner sechsjährigen Laufbahn als Hautarzt noch nicht!" Und nun ab durch die Mitte!
Kurz angemerkt, in vier Wochen war ich wieder clean. Keine Läuse, keine Nissen - nur lumpige neunzehn Märker ärmer für die Schnapsflasche. Diesem wirklich gravierenden Ereignis bin ich mit einem blauen Auge davon gehüpft. Trudchen hat meine Manipulationen in keinster Weise mitbekommen.
Ich langweile mich an diesem Montag an meiner Drehmaschine schon vor dem Frühstück. Noch 15 Minuten sind es bis zum Frühstück. Seit knapp drei Stunden produziert meine Maschine Graugussspäne und Graugussstaub, der schwarz-anthrazitfarben in alle Ritzen kriecht. Die Absaugvorrichtung ist seit acht Uhr morgens verstopft und ich sehe aus wie ein Schwein, nein, wie ein Lastenträger aus Togo. Vor die Stirn habe ich mir ein schwarzes Tuch gebunden. Alles Sichtbare an mir ist schwarz. Die Hände, das Gesicht, die Füße. Alles Unsichtbare an mir ist dunkelgrau. Wer mich sieht und mich kennt, verachtet mich, weil ich so dreckig bin. Sich vor den Pausen waschen lohnt nicht, weil der Dreck dann noch mehr in die Hautritzen und Poren eindringt. Sich vorher eincremen nützt nichts, weil die Mikroben großen Graugusspartikel noch mehr in die Poren eindringen. Meine Bücher lesen oder Schulaufgaben machen, für die Volkshochschule, geht auch nicht. Ich würde alles einsauen. Nur Alfi, mein Hilfsarbeiter, der Späneabfall aus der Maschine schaufelt, ist ebenso dreckig wie ich. Was nützt es da, dass ich über hunderttausend Mark Produktionsergebnis erziele und genauso viel verdiene wie ein Ingenieur. Chemische Produktion ist fast im ganzen Werk eine saubere Arbeit. Viele laufen in sauberen blauen oder weißen Arbeitsbekleidung rum und ich werde gleich die dreckigste Sau, die in der Kantine zum Frühstück mit Alfi sein. Mit Ruß um die Augen, in Nase und Ohren. Alfi macht das nichts aus, er bekommt die Stunde eine Mark Schmutzzuschlag und wird schon heute Nachmittag seinen Schmutzzuschlag versaufen, mit schwarzen Fingernägeln und schwarzen Ohren. Grauguss ist das sprödeste Eisen, was es auf der Welt gibt und ich entdecke Dinge aus diesem Eisenwerkstoff heute noch überall. Gullydeckel, Kanalisationsdeckel, Maschinengehäuse, Granaten, Parkbänke und Türklinken um die Jahrhundertwende hat man aus diesem Zeug gegossen. Mein Produkt ist ein riesiger Kolben für Schiffsmotoren, mit denen Zehn- und Zwanzigtausendtonnenschiffe angetrieben werden. In wenigen Wochen oder Monaten treiben diese Kolben die Schiffe auf allen Meeren der Welt, die ich nie sehen ´werde. Ich streichle vor dem Frühstück meinen halbfertigen Kolben und sage: "Na Kumpel, in ein paar Monaten bist du in Rio oder Caracas oder Shanghai. Wo du sein wirst, werde ich mal nie hinkommen".
Ich lebe in einem Land, das seine Bürger wie Laborratten einsperrt. Ich bin eine schwarze dreckige Laborratte, welche fleißig Güter produziert, für Dinge außerhalb meines großen Wohn-Haft-Käfigs, zugegeben. In der Kantine machen die Chemiekollegen vor und hinter mir Platz. Keiner will mich berühren - ich bin ein Unberührbarer. Eine Kollegin im blühend weißem Laborkittel sieht mich und Alfi angewidert an. Sie zieht die Mundwinkel runter und redet sicher lästerlich über uns, mit einer ebenso rein weißen Kollegin. Alfi ist stolz auf sein Outfit. Damit ist er was Besonderes. Alfi ist debiler Individualist. Alfi war nicht bildungsfähig, Alfi kann nicht schreiben, nicht lesen. Alfi, eigentlich Alfred kann nicht richtig sprechen, Alfred ist ein Mensch mit Downsyndrom. Alfi sieht wie ein Mongole aus. Alfi ist überaus fleißig. Alfi kann schaufeln. Alfi ist gemäßigter Alkoholiker. Alfi kann Hühnereier bis Zwanzig zählen. Alfi kann Geld bis Hundert zählen und Alfi zählt die Schaufeln Gußdreck, die er aus meiner Maschine schaufelt. Und einse und zweie und viere und fünfe und sechse, immer mit der Endung "e"! Zwei Laster hat Alfred. Tauben und Hühner. Wenn Alfred Tauben sieht, rennt Alfred den Tauben hinterher. Den Hühnern braucht er nicht lange hinterher zu rennen. Hühner kann er fangen. Alfi hat bei seiner Oma am Rande Bad Dürrenbergs zwanzig Hühner, auf die er aufpasst wie ein Hahn, am Sonnabend im Stall mit der Bierflasche in der Hand. Einen Hahn hat Alfi nicht. Alfi ist der Hahn, der auf die Hühner aufpasst. Alfi ist ein Hühnerficker. Alfi ist nicht immer lieb zu seinen Hühnern, die verzweifelt gackern, wenn er sich eine greift. Alfi ist lieb zu allen Menschen. Alfi ist zuverlässig wie ein Hahn, der jeden Morgen ohne Uhr pünktlich kräht. Und Alfi fegt jeden Morgen durch die Maschinenreihen der Hauptwerkstatt wie ein Luchs und findet jedes Krümelchen Produktionsabfälle. In der Werkstatt werden Teile für Benzinspaltanlagen gedreht. Wir Dreher lieben Alfi wegen seiner Zuverlässigkeit, Hilfsbereitschaft und fröhlichen Art. Alfi ist glücklich und zufrieden mit seiner Oma, mit seinen Hühnern und mit uns. Frauen und Männer kann Alfi kaum unterscheiden. Frauen sind für Alfi alle Omas und Männer sind Meister. Alfi kann Straßenbahn und Eisenbahn nicht unterscheiden. Alfred kann den Parteisekretär nicht leiden. Der Parteisekretär kann den Alfred auch nicht leiden und sagt Alfred gehört in die Klappsmühle. Alfred musste mal nach Halle zum Arzt. Der Parteisekretär hat ihn dort hinschicken lassen. Er ist in Berlin erst ausgestiegen und kam mit zwei Bahnpolizisten nach Bad Dürrenberg zurück. Alfi kennt nur zwei Adressen. Oma Schrebergarten am Wasserturm und Bau Fünfzehn. Dort hatten die Bahnpolizisten den fröhlichen Alfi abgeliefert, der von Berlin bis Bad Dürrenberg nur diese zwei Adressen wie mit einer Gebetsmühle runter betete. Oma Schrebergarten am Wasserturm und Bau Fünfzehn. An der Kantine B20 läuft Alfi manchmal vorbei und findet oft erst nach einer Stunde zurück. Alfi ist manchmal ein Träumer. Alfi ist der beste Späneschaufler seit zehn Jahren und hat bestimmt zehn Späneschaufler Kollegen überlebt. Einmal landete Alfi wegen einem neuen Betriebsarzt in der geschlossenen Psychiatrie in Halle. Der Obermeister, der auch sein Vormund ist, hat ihn nach zwei Tagen wieder rausgeholt. Alfi hat das aber kaum gemerkt, Alfi hat dort einfach weiter geschaufelt und gekehrt. Alleine schon deswegen hätte man Alfi gerne behalten. "Die spinnen wohl die Ärzte" hatte der Meister gesagt. "Uns den Alfi klauen - das kommt nicht in die Tüte", wir haben dem Alfi viel Unsinn beigebracht. Alfi steckt die Zunge raus und zeigt den Stinkefinger, Alfi zeigt den Daumen durch Zeige- und Mittelfinger und steckt ruckartig den Zeigefinger in die Faust seiner linken Hand. Dann lacht er, wenn die Leute, die ihn nicht kennen, dumm gucken. In der Kantine schnattert Alfi beim Frühstück sinnloses Zeug, während er drei Bockwürste, drei Semmeln mampft und eine große Tasse Fleischbrühe trinkt. Wir sitzen alleine an einem Vierertisch. Zu uns setzt sich niemand. Ich lese Fabeln von Äsop, höre nicht auf das Gebrabbel von Alfred und schaue mal neidisch zu den jungen Laborantinnen, die uns zwei Dreckschweine misstrauisch mustern. Am Eingang der Kantine hängt an der "Straße der Besten" seit Wochen ein Bild von mir. "60.000 Mark industrielle Warenproduktion!" steht unter dem Bild. Alfred zeigt beim Rausgehen auf mein Bild und grinst mich an. Alfi ist der einzige, der mich hier in dem großen Werk erkennt. Wir sind Arbeiter, die von anderen Arbeitern verachtet werden, weil wir dreckig sind. Wir geben ihnen ein tolles erhebendes seltsames Gefühl. Wir geben ihnen das Gefühl, auf uns herab zu sehen. Wir sind am untersten Rand der Proletenskala. Alfi weis das nicht. Ich weiß es und will da weg, ich will auch runter sehen können. Das erwarte ich von mir. Das sage ich Alfi und er gibt mir nickend Recht - wie immer - wenn einer seiner besten Kumpels mit ihm spricht. Ein Jahr später waren Alfi und ich nicht mehr im Bau 15. Ich habe den Betrieb gewechselt und Alfi ist von der Straßenbahn in Leuna überfahren worden, als er sicher wieder mal träumerisch hinter den Tauben her sah. Er hat noch nie eine Taube erwischt. Die Straßenbahn erwischte ihn. Der Parteisekretär, dieser Kinderficker wurde niemals erwischt. Die Partei schützte ihn.
Der uralte Beruf des Drechslers, der sich zum Metalldreher in der Neuzeit verwandelte, verwandelte sich oft innerhalb weniger Jahre. Viele der Nachteile dieser Tätigkeiten habe ich noch mit bekommen. Und ich habe mit erfahren, wie Monotonie und Mühsahl verschwand. Die Amoniakproduktion und die Hochdruckberfahren zur Metanolsynthese benötigen für die Huchdruckleitungen sowas wie Wasserhähne. Nur das an diesen Leitungen kein Wasser, sondern agressive Chemikalien abgesperrt und gedrosselt werden mussten. Diese Hähne, die Schieber genannt wurden, produzierte man seit dem ersten Weltkrieg auf der Galerie des Baus 15. Es gab Maschinen, wo Bolzen und Stifte seit 1936 gedreht wurden, an denen man Anlernkräfte nach einem Tag Einweisung stellen konnte. Die Kollegen hatten neben der Drehmaschine zwei Kisten stehen. In einer Kiste lagen die Rohteile, die von einer Eisensäge kamen und eine zweite Kiste, wo man die fertig gedrehten Bolzen, die die Größe eines halben Kugelschreibers hatten, ablegte. So vierhundertachtzig Teile fertigte man da in einer Schicht. In jeder Minute ein neues Teil. Mit vierhundertachtzig mal den gleichen Bewegungen. Tagein, Tagaus. Das machte dort Bolzenfritz seit Jahren. Als ich einige Wochen im Werk war, erzählte mir Bolzenfritz stolz, er bekommt eine neue Maschine. Die kam dann und war zehn mal größer als seine alte. Als das Ungetüm los legte, hatte Bolzenfritz nichts anderes zu tun, als wie der selige Alfi. Nämlich Späne weg karren, die diese Maschine, ein Vollautomat, hundertkiloweise am Tag produzierte. Zwischendurch konnte Bolzenfritz, den man inzwischen in Spänefritz umgetauft hatte, spazieren gehen und die Mädels der Galerie belatschen. Doch dann machte man unter der Maschine ein Loch in den Fußboden und die Späne fielen in die untere Etage in einen Container, der zum Schichtwechsel ausgewechselt wurde. Bolzenfritz, der zum Spänefritz mutierte, wurde nun in Prof. Dr. Ing. Fritz Meusel umbenannt. Auf einem Podest, von dem er so erhöht in die voll abgekapselte Maschine als Kontrolletti sehen konnte, hatten witzige Kollegen ein professionell graviertes Schild befestigt. Irgendwann hieß er dann nur noch der Professor, weil er auch eine rund Nickelbrille trug. Wenn Betriebsbesichtigungen anstanden, die zahlreich waren, staunten die Besucher. Einmal, weil sie nicht an die Maschine ran kamen wegen einer Absperrung. Zum anderen wegen dem Professor, der niemanden erzählen durfte, wo die Maschine, die neuste automatische sozialistische Errungenschaft her war. Er hatte das Typenschild abschrauben und seinem Meister geben müssen. Der hat es zu Hause in seinen Taubenschlag an die Wand geschraubt, um den Tauben zu zeigen, wo man überall hin fliegen könnte, wenn man nur könnte. Nach Italien zu Ferrari.
Ende der Siebziger kamen einige wenige CNC Drehmaschinen (Computerized Numerical Control) dazu und das Qualifikationsniveau der Arbeiter, die diese Maschinen beherrschten, stieg weiter an. Es gab alle Profile in der Hauptwerkstatt. Analphabeten, Anlernlinge und Facharbeiter mit solider Ausbildung. Es gab hochqualifizierte Spezialisten, die sofort eine außerordentliche Produktionsberatung aller Abteilungsleiter auslösten, wenn sich einer davon den Fuß verstaucht hatte. Das waren die Karusseldreher und die Großmaschinendreher. Mit mir fing ein Breslauer an, der sich im Bau 15 als „Karusseldreher“ beworben hatte. Fünfzehn Jahre Berufserfahrung gab er an und sollte einen Karusseldreher ersetzen, der von dem FDGB Ferienschiff „Völkerfreundschaft“ in Griechenland mit seiner Frau und einem Abteilungsleiter aus Buna abgehauen war. Er ging zu einer ähnlichen Maschine zu Siemens und drehte dann dort für die Kapitalisten für das vierfache Gehalt in Westmark weiter. Mit den Breslauer konnte man wenig anfangen und steckte ihn zur Kolonne von Alfi, den Späneschauflern. Er hatte in Polen fünfzehn Jahre auf dem Rummel als „Carousel Mechanika“ an einem Kinderkarussel gearbeitet.
Neben seltsamen netten Typen, tollen Frauen, prima Kollegen lerne ich auch mit anderen Spezies auseinander zu setzen. Intriganten, Mobber, Betrüger, Reinleger gab es ausreichend neben den von mir verklärtem besseren sozialem Gefüge als im ehemaligem Lehrbetrieb. Manches ging schief, was ich mir lange nicht erklären konnte. So wie heute noch in der Sahelzone im tiefsten Afrika junge Männer nachts mit einer großen Keule zum Nachbarstamm schleichen, um Familie zu erweitern gab es das selbst in den steril blitzenden sauberen Labors der Produktionsanalyse. Man brauchte mir zwar die Birne nicht ein zu schlagen, es ging auch anders. Es gab genug Gifte. Arsen, Strychnin konnte man kiloweise einsacken. Einen Teelöffel davon in den Tee und man war in Minutenschnelle hinüber. An den Klamotten wurde noch ein wenig was verstreut und die Kripo in Merseburg hakte einen bedauerlichen Chemiegrundstoffe-Betriebsunfall ab. Eine Woche später war man durch den Schornstein des Merseburgeres Krematoriums gerauscht.
Ein verheirateter Kollege, Karli, der für ein Auto spart und schon wochenlang halbe Zusatzschichten im Labor der Produktionsanalyse schruppt, wurde krank geschrieben und fragte mich, ob ich ihn vertreten kann, er müsste den Schichtrythmus halten, um in vierzehn Tagen wieder selbst weiter zu machen. „OK“ sag ich und bin mit in die Analyse, um mir den Job zeigen zu lassen. Der Job war witzig. Man bekam eine Flasche und ein Telefonhörer. An einer Benzinspaltanlage musste man eine Treppe zu nummerierten Messtellen der Anlage laufen. Dort hat man die Strippe des Telefonhörers in eine Buchse gesteckt und bekam aus dem Labor von einer Labormieze mitgeteilt, wann man einen viertel Liter chemische Flüssigkeit aus einem kleinen Hahn in die Flasche abfüllt. Man verschloß die Flasche mit einem Glasstöpsel und brachte die Flasche in das Labor zurück. Für vier Stunden, in denen man das drei mal macht, gibt es dreißig Mark und einen Federball. Der Federball, der auch im Werk hergestellt wurde, war praktisch eine extra Prämie. Klar habe ich das gemacht. In der Nachtschicht habe ich neben der Maschine gepennt und Schoffölke, der die Nebenmaschine bediente, passte auf meine Karre auf. Wenige Minuten nach Schichtende um sechs Uhr melde ich mich bei der Laborleiterin. Rund zwanzig junge Frauen arbeiten im Labor, die mich erst mal wie einen neuen Affen begaffen, der in ihr Gehege kommt. Mit mir hat Malinowski aus der Schleiferei angefangen, von dem ich nicht wusste, das er hier auch Zusatzschichten macht. Er erzählte mir mal was, er klägt halbe Schichten in der Bezinspaltanlage im Werk Zwei. Das er hier um die Ecke vom Bau 15 in dem Laborhühnerstall den Hahn spielt, hat der Drecksck mir nicht verraten. Ich merke richtig, wie der sauer wird. Karli war auf seinen Hühnerhof keine Gefahr, Karli war frisch verheiratet und hatte absolut andere Ambitionen, als Malinowskis Hühner zu betreuen. Malinowski wußte, dass ich auf der Jagd nach Liebe war und entsprechend reagierte er. Malinowski blickte sehr finster.
Nach fast einer Stunde, in der ich die Arbeitsschutzbelehrungen las und unterschrieb, wurde ich gleich mit zwei Flaschen los geschickt. Ich musste zu Meßstelle Dreißig, ganz an die Spitze der Chemieanlage klettern. Ein wenig mulmig wegen der Höhenangst war mir. Es war noch dunkel und weit im Osten fing langsam an das Morgenrot durch den Dunst des Werkes zu scheinen. Oben angekommen musste ich wenige Minuten warten. Im Labor sah man auf die Druckwerte, die von einer Schaltwarte an das Labor gesendet wurden. Nachdem ich die erste Flasche gefüllt hatte, sollte ich bis zur Füllung der zweiten Flasche eine halbe Stunde warten. Ich konnte mich in aller Ruhe auf der Spitze der Benzinspaltanlage um sehen. Die Aussicht war phantastisch. Unter mir lag das Werk mit seinen tausenden Lichtern der Chemieanlagen, der Staßenbeleuchtungen, der Rohrbrückensicherheitsleuchten. Im Süden sah man die vielen Gasabbrandfackeln der Spaltanlagen, technisch unverwertbare Gase verbrannt wurden. Im Osten ragten die dicken fetten Schornsteine der Kraftwerke mit ihren roten bekrönten Sicherheitslampen in die Luft. Das vieles marode war, wußte ich und sah das auch. Aus hunderten undichten Stellen der Hochdruckdampfleitungen stömten weiße Dampfschwaden in die Luft, die die Festbeleuchtung des Werkes wie tausendfache Wihnachtsbäume erschienen ließen. Dazu kam die wohlige Wärme des Autoklaven, der von unten zu mir hoch stieg. Ein fast unbeschreibbarer Sound rauschte zu mir hoch. Viele Anlagen brummten in den unterschiedlichsten Tonmischungen. Werkloks pfiffen. Autos hupten, irgendwo polterten Blechteile und dazu quäkte das Stakato der Normalschichtsirenen. Unter mir liefen die letrzen Nachtschichtler zu den Werktoren und die Tagschichtler füllten wie Ameisen die Werksstraßen.
Ich dachte, wenn Adolph Wenzel, der das berühmte „Eisenwalzwerk”, dass er in einer schlesischen Eisenhütte gemalt hat, gesehen hätte, dem wäre vor Staunen der Pinsel aus der Hand gefallen.
Nach der zweiten Flasche bin ich runter in´s Labor und zu Malinowski, um ihn mit glänzenden Augen meine Eindrücke zu schildern. Meine Begeisterung teilte er nicht. Chemieanlagenlichter interessierten ihn nicht die Bohne, ihn interessierten die Laborhühner, zu denen er außer Guten Tag und auf Wiedersehen kein Wort heraus brachte. Schnell bekam ich mit, Malinowski hatte ein Porzellandefizit im Kopp. Er hatte nicht alle Tassen im Schrank. Mali, wie ich ihn dann nannte, sah sich satt und holte sich auf der Toilette ein/zwei mal in der Schicht einen runter. Er hatte immer großen Durst, wenn er von der Toilette kam und irgendwann erzählten mir die Mädels, wie er da so drauf war. Ich war aus einem anderen Stamm und drehte sofort meine Kreise. Wozu war ich den Dreher. Am gleichen Tag war ich mit einer Helga im Gespräch, die dort sowas wie die stellvertretende Laborleiterin war. Helgas Freund war nach einem Verwandtenbesuch in Hamburg geblieben und arbeitete dort als Kranfahrer. So der zehnte Brief war ein Abschiedsbrief und Helga war sauer auf alle Männer der Welt. Sie schimpfte auf den Scheiß Westen, auf die Herbertstraße und auf den Fischmarkt, wo er seine neue Flamme kennen gelernt hatte. Ich konnte fast in die gleiche Kerbe hauen und berichtete, wie mich meine große Liebe verlassen hatte. Renate. „Ich habe mich fast aufgehangen“, sagte ich und konnte die ganze Geschichte sofort runter beten.
Renate lernte ich bei einer Kirmes kennen. Liebe auf den ersten Blick. Problem nur, Papa und Mama waren Kommunisten, Heimleiter und Funktionäre in Bad Liebenstein. Ich war von meiner Sozialisierung her von der anderen Seite der Barrikade, ein Unternehmersöhnchen, der zwangsläufig Arbeiter geworden ist.Mit so einer Art Arbeiterklasse wollten die nichts zu tun haben. Und „Arbeiter“ ging schon mal gar nicht. Als ich Renate kennen lernte, studierte sie noch Unterstufenlehrerin in Eisenach und war ein wenig älter als ich. Dümmer als sie war ich auch. Meiner Mutter machte das nichts aus und dachte schon, eine feine Schwiegertochter hat ihr Géza da an geschleppt. Ein sehr großen Narren hatte mein Großvater an ihr gefressen. Er war genau so verliebt wie ich und verfütterte an sie seine ganze Westschokolade. Ihre Eltern sorgten clever dafür, dass mein Zugang zu ihr sehr erschwert wurde. Man versetzte sie nach der Ausbildung in eine Schule in des Grenzgebiet. Den Rest klären die Zufälle und die Gelegenheiten. Sie hatten Recht! Begonnen hat mein Liebesdrama in vier Akten mit einem Geburtstag von Renate, die nun im Grenzsperrgebiet in Unterbreizbach wohnte an einem ersten kalten Apriltag in der thüringischen Rhoen. Renate war seit einem viertel Jahr im Dienst als frischgebackene Lehrerin. Ich musste Wochen vorher einen Passierschein beantragen und so bekam ich eigentlich nicht mit, dass Renate schon partnerschaftlich gesehen auf einer total anderen Hochzeit tanzte. Sie wurde von einen Kollegen umschwärmt und ich kam auf ihrer Abschussliste. Wahrscheinlich aus alter Anhäglichkeit und Verlegenheit wegen der lange vorher geplanten Zwei Personen Geburtstagsparty hat sie dann trotzdem noch mit mir die Party in Kauf genommen. So wie das Wetter an diesem Apriltag war alles traurig. Mir viel zwar die gedrückte Stimmung auf doch warum - wieso - weshalb, das war mir nicht klar. Ich schob es auf dieses Bergbaunest, in das Renate versetzt wurde und auf das miese Nachwinterwetter. Mit ihr Schlafen lies mich Renate zur kleinen Geburtstagstorte nicht. Sie hätte ihre Tage und die schon sehr lange, sie hören einfach nicht auf, wie sie meinte. Dadurch wurde meine Geburtstagsstimmung auch nicht aufgemotzt und so verging der Nachmittag und Abend bis zum letzten Bus nach Vacha mit plätschernden Geplapper über dieses und jenes. Um 23 Uhr habe ich mich verabschiedet und bin zum letzten Bus gerannt. Blechte meine achtzig Pfennige und hockte mich mit sauertöpfischen Gesicht auf den erst besten Platz. Schöner Tag heute dachte ich und so vergingen die 15 Minuten Busfahrt wie im Fluge. In Vacha, wo sich der letzte Bahnhof im Grenzgebiet befand stellte ich aber als miese Steigerung noch fest, das kein Zug mehr in meine Heimatstadt fuhr. Ich hatte mich im Fahrplan verguckt und hatte nun ein Problem. Sechs Stunden in diesem kalten Bahnhof warten bis zum ersten Morgenzug, 18 Km nach Hause laufen oder 8 Km nach Unterbreizbach zurück zu Renate laufen. Ich entschied mich nach kurzer Überlegung für letzteres und trabte in rabenschwarzer Nacht in das Grenzkaff Unterbreizbach zurück. Es stuermte, es schneite, es regnete Thueringer Rhönbindfaeden. Mein dünnes Mäntelchen bot wenig Schutz und so bimmelte ich nach ungefähr zwei Stunden an Renates Wohnungstür. Die staunte nicht schlecht, mich spät in der Nacht wieder zu sehen. Ich zog meine Klamotten aus und landete wenige Minuten später in Renates schön angewärmten Bett. Nach weiteren wenigen Minuten als ich mich an Renate angekuschelt hatte und langsam anfing wieder auf zu tauen, taute Renate aus vorliegenden und vorstehenden Gewohnheitsgründen auch auf und die Mensis hätte potzplötzlich doch aufgehört. Es ging doch und wie es ging und so lies ich es schön laufen. Kurz nach den Tagen alles laufen zu lassen, war neben den Coitus Interuptus so die Hauptverhütungsmethode zu dieser Zeit. Nach einem schönem Frühstück sah der nachfolgende Morgen schon ganz anders aus. Mit deutlich besserer Laune bestieg ich meinen Bus und und rumpelte die löcherige Landstraße nach Vacha und dann mit dem Zug nach Hause.
Zu Hause kam ich zu spät zur Arbeit und drei Tage später einen Abschiedsbrief. Dann erzählte ich der Helga mit voller Dramatik, wie ich mich auf dem Dachboden aufhängen wollte und dann letztendlich doch heil in Leuna gelandet bin und ein Jahr später einen komischen Brief bekam. Hinter uns steht Malinowski und hört ungeniert alles mit. Ohne das Mädchen an zu sehen, sagt er Leuna wäre auch gefährlich, weil schon manche von der Rohrbrücke oder Benzinspaltanlage gefallen sind. Ich drehe mich rum und pflaume ihn voll wegen seinem saublöden Kommentar. Gekränkt dreht er sich um und haut ab.
Die Laborchefin kommt und bringt eine Flasche für den nächsten Einsatz. Helga kommt mit und will den Schlußakt hören, den ich schon angedeutet habe. Oben auf der Benzinspaltanlage hole ich diesen Brief aus aus meiner Geldbörse. Er ist schon ein wenig verschlissen von der Herumtragerei und ein wenig verschmiert von einigen Tränen. Er ist von einem Freundin von Renate aus Bad Liebenstein. „Lieber Géza, Renate hat vorigen Sommer geheiratet. Ende Januar hat sie ein Mädchen bekommen. Das Mädchen hat blaue Augen. Renates Augen sind braun, die Augen ihres Mannes auch. Vorige Woche war Renate in Bad Liebenstein zur Beerdigung ihres Vaters, ihrer Mutter geht es auch nicht gut. Krebs!...“
Helga stubst mich an die dann gefüllte Flasche. „Wir sind schon ein paar Pechvögel, darauf sollten wir mal eine Flasche Wein trinken!“ Morgen Abend, bei mir? Ich nicke und verdufte nach der Flaschenabgabe ins Ledigenwohnheim. Am Abend ruft Helga an, sie muss absagen, weil sie sich den Magen verdorben hat. „Brechdurchfall!“ Drei Tage später steht neben meinem Werkzeugschrank unter einem Putzhaufen ein gefüllter Benzinkanister. Benzin klauen ist in Leuna ein Kavaliersdelikt. Nur erwischen lassen bringt schon einige Probleme. Ich frage Schoffölke ob das seiner ist. Schoffölke verneint. Wir klauen kein Benzin, weil wir nur Fahrräder haben und schütten den Sprit neben der Werkzeugausgabe in die Reinigungstonne für fettige Metallteile. Sie war sowieso halb leer. In den Kanister füllen wir weiße Kühlemulsion, das wir sowieso immer an der Maschine vorrätig haben müssen. Oben macht Schoffölke eine Gummikappe von einer Säureflasche verkehrt herum rein und füllt die mit Benzin. Dann gehen wir zum Meister und erzählen ihn von der Aktion, was unter der Putzwolle für ein „Benzinkanister“ steckt. In der darauf folgenden Nachtschicht kommt die Werkspolizei zu dritt, erzählt unser Kollege der Nachtschicht beim Schichtwechsel. Man hat sofort den Kanister konfisziert und ich soll sofort zum Meister kommen. Der Meister sitzt auf seinen Tisch und grinst wie ein Honigkuchenpferd. „Géza und Schoffi, erklärt mal den Genossen neben mir, was in dem Kanister ist!“ Wir erklären und zeigen und der Polizist in Zivil runzelt seine Stirn. Dann können wir gehen. Kurz danach ist der Meister an der Maschine und meint, wir sollen uns vor Malinowski in Acht nehmen, der Polizist hätte da was gesteckt. Wir brauchten uns nicht in Acht zu nehmen, Malinowski ist zur Armee gegangen, zu einer Einheit, die für Aufpassen im Land besonders prädestiniert war, dem Wachregiment in Berlin. Die Einheit gehörte nicht zum Verteidigungsministerium, sie gehörte zum Ministerium für Staatssicherheit, der Stasi. “Da passt er hin, der Wichser“ sagt Schoffölke.
Nächstes Kapitel
„Grenzsoldat“
http://www.grenzsoldat.de
(davon 2 Tage Berliner Mauer, Schillingbrücke, die Mädels)
Danach Buna
Start mit
Anna 92
Es ist schon eine Latte an Jahren her, wo es noch üblich war, dass man den Personalchefs nicht in den Hintern kriechen musste, um den Job zu bekommen, den man haben wollte. Es war schlichtweg vor vielen Jahren in Mitteldeutschland anders herum. Keine Leute, keine Leute! An einem schönem Montag in diesen Jahren gegen 8 Uhr stehe ich in der Kaderabteilung des Chemischen Kombinates in Buna auf der Matte und will einen Job für ein Jahr und ein Delegierungsschreiben zum Maschinenbaustudium. Wahrscheinlich war bei dem netten Personalmitarbeiter tagelang keiner im Büro und ich bekomme erst einmal ein Schwall von Sätze um die Ohren gefegt, welche riesigen Vorteile mein Arbeitsvertrag mit dem Dreißigtausendmannunternehmen in sich bergen könnte. Es gäbe sogar Gratisbadelatschen! Ich erläuterte dem Typ, dass ich eigentlich für meinen erlernten Beruf als Dreher schlichtweg keine Lust mehr habe. "Schichtarbeit, zu langweilig immer die gleichen Teile drehen zu müssen, den lieben ganzen Tag oder auch in der Nacht an der Maschine stehen, zu laut, zu dreckig, zu schlecht bezahlt." Das konnte man damals dem Personalmenschen unbeschadet an den Kopf werfen. Ich äußerte, dass ich vor dem Studium eigentlich noch mal was anderes machen wollte - Hauptsache, ich lerne viel Neues dazu, war mein damaliges Anliegen. "Kein Problem" war die süffisante Antwort und wenige Minuten später sass ich in einem klapprigem Wartburg und wurde zur Arbeitsplatzbesichtigung durch den Betrieb gekarrt. Zuerst ging es zu einer Chemieanlage, wo Reparaturschlosser gelangweilt beim Kartenspiel sassen. Gespräche mit diesen Kollegen ergaben, dass es meisstens nach dem Mittagessen irgendwo kracht, und die ganze Blase auf Rohrbrücken und Benzincrackanlagen mit dem Schweißgerät umher turnen muss. Da es mir ab 5 Meter Höhe schlichtweg schlecht wurde, bat ich um weitere Besichtigungsorte zu ebener Erde. Auch konnte ich kein Doppelkopf. Der nächste Arbeitsort war eine riesige Halle in der kleine grüne Dampflokomotiven herum kutschten. Hier wurden Hochdruckanlagen für die Gummiproduktion montiert. Die Leute dort waren sehr nett. Weniger nett, war eine schwarze Warntafel mit den tödlichen Betriebsunfällen aus Unachtsamkeit. 2 Kollegen waren vom Kran gefallen, einer von einer kleinen grünen Lokomotive überfahren worden und zwei waren in ein grosses Loch in der Halle gefallen. "Wenn ich schön aufpasse, würde mir schon nichts passieren" war der Kommentar meines Begleiters. Und weiter ging es zu Arbeitsstätten, die zu laut, zu dreckig oder zu gefählich waren. Fast nix zu tun gab es in einer Chloranlage, wo fast nur Strafgefangene aus dem Hallenser Knast arbeiteten. Ein Gruppenleiterposten wäre auch bei meiner niedrigen Qualifikation als Facharbeiter drinne gewesen. Lernen könne ich aber hier was, da ich von all dem absolut keine Ahnung hätte. Mit einem leichtem Chlorgeruch an der Jacke bin ich da fluchtartig verschwunden. Mittlerweile war es schon gegen 11 Uhr und mein Jobbesorger schleppte mich in eine kleine Baracke im Süden des Werkgeländes. Über der Eingangstüre hing ein kleines Holzschild "ANNA 92". In ANNA 92 war es dunkel, weil die kleinen Fenster mit wachsfarbenen Gummiplanen abgedunkelt waren. Auf einer Werkbank schliefen 2 Kollegen, ein Kollege sass todmüde in einer Ecke und las eine Fußballzeitung. Interessant, dachte ich und fragte, was man hier macht. Mein Begleiter wusste es nicht genau. "Wir gehen mal zum Meister!" Der sass in einem kleinem Hohlblocksteinkabuff nebenan und fütterte gerade seine Fische. Nach einem kleinen Vortrag über Scalare und Guppys rückte Meister Rühlemann mit seiner Aufgabenstellung heraus. "Wir sind die Aufmacher!" "Wie? Was? Wer? Warum? Wo macht ihr was auf?" waren meine verdatterten Fragen. "Na alles! Getriebedeckel, Pumpengehäuse, Tresore, Aktenschränke, Bürotüren. Jeder, der seinen Schlüssel im Werk versiebt hat, oder abgebrochen, ruft uns an. Wir kommen dann und machen alles fix wieder auf. Es gibt nichts, was wir nicht aufbekommen. Auch Maschinenteile, wo alles festgerostet ist oder ein wichtiger Bolzen ist abgebrochen ist unser Arbeitsgebiet." Die Probezeit wäre maximal 4 Wochen und 4 Probezeitler wären dieses Jahr schon im Einsatz gewesen. Ich wäre der Fünfte......"man könne es ja mal versuchen"....Montag nächste Woche kannst Du anfangen!" Klar fing ich da an. Aber so gemütlich und gammelig, wie ich erst gedacht hatte, war es nicht. Die Kollegen hatten 16 Stunden am Stück hintereinander durchgearbeitet und hatten es vor lauter Müdigkeit nicht mehr nach Hause geschafft. Nach 4 Wochen war ich im Taem und habe in dem Jahr vor dem Studium in Sachen Metallverarbeitung und -bearbeitung furchtbar viel bei den Kollegen von ANNA 92 gelernt. Auch über 5 Meter in der Höhe herum zu hantieren wurde zum Klacks. Schade war nur, dass ich in all meinen späteren Bewerbungen und Personalgesprächen mit diesen Erfahrungen maueren musste. Jemand, der mit Links und vierzig Fieber jede Tür und jeden Tresor knacken kann, ist nur bei einem Schlüsseldienst oder bei der Geldschrankknackergilde optimal qualifiziert.
Text: © 2011 Copyright by Richard Hebstreit
Foto: © 2011 Copyright by Richard Hebstreit
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Tag dieser Veröffentlichung: 05.03.2011
Tag der Veröffentlichung: 03.03.2011
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