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Mein Freund


Mit "Hello my friend!" spricht mich in der Mitte der Fischerhafenmole in Essaouira in Marokko ein Mann in meinem Alter an. Er sah kleidungsmäßig fast so aus, wie ich in Berlin zu meinen Jobs gehe. Schlichtes Jackett, dunkle Hose, schwarze Schuhe, helles Hemd mit dezenter Krawatte. Nur, die Sachen, die er an hatte, waren sicher viermal so alt wie meine Sachen in Berlin. Abgetragen, schäbig, leicht angeschmutzt. Seine Hände und sein Gesicht waren zerfurchter als meine Haut. Der Schnauzbart, den er ein wenig zersaust trug, könnte meiner sein. Grau, gesprenkelt mit einer gewissen Tendenz zu weiß. Schnell bekam er mit, dass meine englische Antwort auf seine Frage, mich in eine Region außerhalb Großbritanniens ansiedelte. "Du deutsch?" "Ja" entgegnete ich freundlich und war innerlich eigentlich überhaupt nicht freundlich. Ich wusste aus meinen bisherigen Erfahrungen in Marokko, dass ich einen ausgebufften Mini-Bezness Typen vor mir habe. www.1001geschichte.de/ kannte ich auch mit den tollsten Tricks, mit denen Europäern im Urlaub besonders in Afrika ein wenig, oder auch ein wenig mehr das Geld aus der Tasche gezogen wird. Viele dieser Bezness Ereignisse und Ergebnisse enden mit sozialem Abstieg, hohen Schulden und einer jahrelangen Traumatisierung der Bezness Opfer. Auch hatte ich bei zwei Reisen nach Marokko eigene Erfahrungen gemacht.


Mir war klar, der Mann, der mich angesprochen hatte, war entweder ein Kleinkrimineller oder ein ganz normaler Abzocker, die besonders in Touristenzentren der ganzen Welt sich ihre Opfer clever oder weniger clever aufgabeln. Trotzdem, der Mann, der sich dann mit dem Namen Brahim vorstellte, interessierte mich. Denn, eigentlich war er ja in derselben Situation wie ich, sich den Lebensunterhalt einigermaßen erträglich zu gestalten. Meine kleine Rente reicht ja auch nicht hinten und vorne. Somit versuche ich selber immer wieder mit kleinen Nebenjobs meine pekuniäre Situation zu verbessern. Auslandsreisen kann ich mir eigentlich nicht leisten. Nur, in Marokko ist meine kleine Deutsche Rente ein fürstliches Salär. Auch aus diesen egoistischen Gründen bin ich in Marokko, um in Essaouira zu recherchieren, wie ich so was bewerkstelligen kann. Ich will mich ab und zu besonders in der kalten Jahreszeit ins Warme verkrümeln. Viele marokkanische Familien auch mit einigen Kindern kommen mit 150 - 200 Euro aus und schaffen das mehr oder weniger locker mit Miete, Lebensmitteln und Transportkosten. Mit einem Wohnmobil, wie viele Deutsche Senioren nach Marokko zu fahren schaffe, ich nicht. Auch wäre das für mich grottenhaft langweilig, mich fast nur auf Campingplätzen auf zu halten und rundherum nur meine Landsleute als Hauptsozialkontakt zu haben, um am Abend über die unzähligen Routen und Pisten zu räsonieren. In Marokko faszinieren mich die Kultur, die Landschaften, die Menschen. Da will ich näher ran, um intensiveres zu erleben, zu leben!

Insofern ist für mich Brahim, eigentlich Ibrahim, trotz seiner eventuellen Absichten für mich interessant. Er macht ja nur seinen Job. Ich will wissen, wie er es anstellt, um an Teile des Inhaltes meiner Geldbörse heran zu kommen. Ich setze mich neben Ibrahim auf die ausgefranste Bordkante eines kaputten Fischerbootes und fange an mit Ibrahim bei schönstem Sonnenschein und Möwengekrächz zu plaudern. Ibrahim spricht neben seiner Landessprache fließend französisch, einigermaßen gut englisch und kann sich auch recht gut auf Deutsch verständigen. Clever und routiniert fängt er an mich aus zu fragen. Wie mir Marokko gefällt, wo ich her komme, wo ich noch hin will. Ich out mich als absoluter Marokkoanfänger und tische ihm eine Geschichte auf, dass ich erst drei Tage im Land bin mit einem Freund mit dem Wohnmobil. Der Freund wäre für einige Tage nach Agadir zum Hochseeangeln weiter gefahren. Ich wäre da nicht mit, weil es mir auf einem Boot schlecht wird und lieber nachher hier im Hafen ich mir den von den hiesigen Fischern gefangene Fische frisch gegrillt einverleiben will.

Ibrahims Augen leuchten, und unumwunden lädt er sich gleich zu diesen Fischessen mit ein. Ich mache gute Miene zum eventuell bösen Spiel und lasse mich von ihm zu einer Garküchenbatterie direkt am Hafen schleppen. Mit meinen halbwegs flinken Augen kann ich vorher, ehe wir an einem langen Tisch Platz genommen haben, die Preise eruieren. So um vierzig bis zweihundert Dirham kostet ein komplettes Menü. Vierzig DH eine Ladung Sardinen und zweihundert DH kosten dicke fette Krabben, groß wie Tennisschläger. Ich entscheide mich für Sardinen und Ibrahim, der sich kurz vorher als sehr armer Mann mit großen finanziellen Problemen geautet hat, entscheidet sich für die größte aller Krabben. "Stopp" sage ich, denn "so was kann ich mir momentan selber nicht leisten, weil mein Tagesbugdet nur 100 DH beträgt!" Ibrahim schaut verdattert und murmelt was von traditioneller Gastfreundschaft in Marokko. Ich murmele was von mieser deutscher Gastfreundschaft zurück, welche eben nun mal nur Sardinen satt anbieten kann. Ibrahim gibt sich sofort geschlagen und bestellt. Was er bestellt, kann ich nicht verstehen. Dann bringt er das Thema Fisch essen auf das Thema Bier Trinken. In der Fischbatterie gibt es nur Mineralwasser, Cola, Fanta. Bier ist nicht hier im Hafen erlaubt, aber er wüsste, wo es Bier billig gibt. "Wo gibt es hier Bier?" "In fünf Minuten gibt Bier!" ist die Antwort. "Kostet 20 Dirham die Flasche marrokanische exzellente Bier!" Ich drücke Ibrahim einen Fünfzig Dirham Schein (rund 5 Euro) in die Hand und Ibrahim verschwindet. Die fünf Minuten sind um - kein Bier zu sehen. Sechs Minuten, sieben Minuten sind verstrichen. Eine Servierkraft ohne Bart stellt vor meine Nase zwei riesige etwas lädierte Teller. Eine zweite Servicekraft mit Bart bringt eine Kiloschüssel mit einem Salatmix. Danach denke ich, mich trifft der Schlag. Wohl die zwei größten Riesenkrabben Marokkos, die an diesem Tag in Essaouira angelandet wurden, liegen vor mir elegant scherenzerteilt rot und fett in der späten Vormittagssonne.

"Ibrahim, wo ist Ibrahim", denke ich und mache mich über die Riesenkrabbenscheeren her. Eine habe ich geschafft, die andere stecke ich in eine schwarze Plasiktüte und trinke fast eine Literflasche Mineralwasser dazu aus. Die Rechnung ging nach Gewicht. Das Gewicht ergab 600 Dirham rund 60 Euro. Das ist so der Preis, den ich wenige Wochen vorher in Berlin im mit feinsten Hotel Ritz-Carlton in der Brasserie "Desbrosses" löhnte: "Grand Plateau de Mer: Huitres et conquillages du jour, homard (Meeresfrüchte-Platte: Austern des Tages, Hummer, Königskrabben, Schrimps und Muscheln) EUR 28,50.- pro Person."


"Was soll's - eine Erfahrung reicher", dachte ich, bezahlte und trollte mich Richtung Stand, um ein Mittagsschläfchen zu halten. Aus einem modernen bunkerartigen Restaurant in der Nähe des Strandes kommt Gelächter. Ich gehe hinein und sehe an einem abgeschabten Tisch in einem Nebenraum vier ältere abgeschabte Männer, alle mit grauem Schnurrbart mit Schlips und Kragen sitzen. Sie haben vor sich leere Bierflaschen stehen und in einer Zeitung in der Mitte des Tisches vor sich einen riesigen Sardinengrätenhaufen. Sie putzen sich mit Toilettenpapier ihre Münder ab. Ibrahim ist einer der Männer. Ich stelle die Tüte mit den Resten meiner zweiten Riesenkrabbe auf den Tisch vor Ibrahim. Ibrahim schaut verdutzt und ängstlich zu seinen Kameraden. Ich bestelle beim ebenfalls schurrbärtigen Kellner sechs Bier und hole von einem anderen Tisch einen fünften Stuhl. Ganz langsam sage ich zu Ibrahim "Kann ich bei eueren Verein mit machen?" Die anderen Männer grölen und hauen sich mit Lachtränen in den grauen und braunen Augen auf die Schenkel. Ibrahim hat ihnen mit wenigen Worten nochmals erzählt, dass seine letzte Tageseinnahme von mir war.


Der Schatzsucher von Marrakesch


Ein kreativer Mensch, der eine neue Idee hat, ist oft jemand, der eine Nachricht aus der Zukunft erhält. Er sieht etwas, was es noch nicht gibt. Eine schlechte Idee, die realisiert wurde, ist besser, als eine gute Idee, die man nicht realisiert hat". Eine Idee an sich ist NICHTS, erst wenn sie umgesetzt wird, bekommt eine Vision reale Kraft, Wirkung." Diesen bekannten Schmarren erzählte mir Horst in Marrakesch im Café de France am Jema el Fna nach dem siebenten Bier leicht angesäuselt mit schwerer Stimme an einem lauem Aprilfreitagvorabend, als die Sonne schon tief im Westen stand und die warmen Sonnenstrahlen in das Café lenkte."...


Der grauhaarige kleine untersetzte Horst kam aus Osnabrück relativ oft nach Marokko und arbeitete sein Leben lang in Deutschland bis vor fünf Jahren als Allroundhandwerker für Behörden und die Universität. Horst war Hausmeister und Horst war pfiffig. Wenn die Wasserleitung undicht war, dann holte Horst keinen Installateur, da holte Horst seine Werkzeugkiste. Jetzt ist Horst, wie er meint, ein abgesicherter Privattier. Er war mal zufälligerweise Schatzsucher. So, vor zehn Jahren hatte sie angefangen, seine Schatzsucherkarriere, als sich sein damals zwanzigjähriger Sohn Bernhard eine elektronisches Schatzsuchgerät kaufte, eine so genannte Sonde vom Feinsten für damals 1600 DM inklusive Mehrwertsteuer.

Sein Sohn Bernhard suchte mit einem Freund, der ihn zu diesem sicher durchgedrehten Hobby angestiftet hatte einen Monat, zwei Monate, drei Monate. Das Ergebnis war eine doppel Null. Absolut nichts - nur rostige Nägel und Knöpfe! "Elektonikschrott" war der Kommentar zu seinem Sohn über dessen damalige Schatzsuchaktivitäten. "Mache es doch besser, wenn du kannst" war die aufmüpfige Entgegnung. Den allgemeinen Wettbewerb, den es ja manchmal zwischen Vater und Sohn gibt, wo die Dominanz der Ergebnisse von allen möglichen Aktivitäten eine Rolle spielt, setzten Horsts Gehirnwindungen im Gang, eine andere kreative Lösung zu finden, um so genannte Schätze zu finden. Horst wurde selber kreativ, Horst wurde auch ein Raubgräber.

Er durchstöberte seine, vom seinem Vater geerbte Bibliothek, der Geschichtslehrer an einem Gymnasium war und fand mehrere Bücher und Schriften von Julius E. Lips. Fast alle in englisch. Lips war Professor für Anthropologie an der Columbia University und später auch in Deutschland. Eines seiner ins Deutsche übersetzten Werke war das Buch "Vom Ursprung der Dinge". In diesem interessanten populärwissenschaftlichen Buch lag, wie er erzählte, eine schreibmaschinengeschriebene Kopien eines Aufsatzes. "Die wertvollen Dinge liegen immer am Rande!" Horst meinte, die wären sicher von Lips!

Horst langte in seine etwas wohl absichtlich schäbig scheinende marokkanische hell braune Lederumhängetasche und holte aus einem Fach eine feine dunkelbraune Lederbrieftasche aus feinstem Leder heraus. Wie ein Heiligtum entnahm er die schon recht altersvergammelten und vergilbten Seiten und hielt sie mir unter die Nase. "Lies selbst"

Ich las diese Seiten, wo kurz beschrieben wurde, wie und wo im Laufe der Jahrhunderte die Menschen in engster Not weltweit ihre Vermögenswerte an Edelmetallen verbargen. 80 % im und in der Nähe des Hauses, 20 % weit außerhalb des Hauses, auf ihrem Grund und Boden oder auf anderem Grund und Boden. Das war nach Ort, Jahrhundert und Land, Ethnien weiter absolut wissenschaftlich prozentual aufgeschlüsselt. In Nordafrika aber, besonders in Marokko wäre es anders herum. Schon die Spanier hätten bis 1616, als sie die Mauren aus "El Andalus" vertrieben hatten, wenig Schätze/Vermögenswerte in den Städten und Dörfern gefunden. Es war alles weg! Es wurde nach Marokko mit genommen oder war versteckt!

Nur in Gebieten, wo Flüsse keine statischen Wesen waren und sich jährlich neu besonders nach der Schneeschmelze durch die Natur fressen, wurden am Flussufer manchmal ein paar Münzen oder ein paar Kilo Metallgerät frei gespült und immer, fast wie eine Regel, lag alles besonders in Marokko in einem Tontopf. Die gebrannten Tone, in Marokko explizit, wären super hart, fast wie Steinzeug aus dem Westerwald oder fest wie chinesisches Porzellan. Dann wurde postuliert, das man in Marokko in einem Flusslauf nach der Schneeschmelze im Atlas nur am Rande nach alten Töpfen suchen braucht. Denn, die kleineren Orte wanderten in den vergangenen Jahrhunderten um die Flüsse herum einige Hundert Meter hin und her. Die Kriegswirren, Stammesfehden, Familienfehden zwangen ständig dazu etwas an Wohlstand der Wohlhabenden am besten außer Haus beiseite zu legen und sicherheitshalber zu verbuddeln. Wenn man abgemurkst, verschleppt wurde, verblieb alles im Topf. Selten hat ein zweites Familienmitglied den Ort, den Hort schon aus einfachsten Sicherheitsgründen verraten bekommen. Mit dem Hort hätte man seine Macht als Familien-, oder Sippenoberhaupt ab gegeben. Wurde der Hals eines Familienoberhauptes wegen einer simplen Intrige um Macht und Einfluss durchgeschnitten, wo man den Kopf dann auf dem Jema el Fna ausstellte, blieb der Ort des Vermögens im Kopf des am Jema el Fna aufgespießten. Man verriet damals unter der Folter seine Familie, seine Frauen, seine Ehre, aber niemals sein Gold, weil man ja wohl wusste, im Paradies bekommt man seinen Reichtum doppelt zurück, inklusive einiger Jungfrauen. Das behauptete den Berbern gegenüber jedenfalls die Araber, die sich Marokko ein wenig, wie geschichtlich verbürgt zu Eigen machten.

Wohlstand von alten reichen Familien wird ja heute heute noch in Marokko raffiniert versteckt. Da Wasser immer dort um die manchmal trockenen Gegenden absolut zwingend wichtig war, geschah das im Mittelalter bis in die Neuzeit praktischer weise auf dem Weg zum Wasser, zum Fluss, zum Brunnen. Man braucht also nur nach dem Text und Kommentaren von wie nach einem Sturm an der Ostsee hier in der Nähe von Marokko am Qued Tensift und dessen Zuflüsse, Qued Sat, Asif imini, am Oberlauf des Qued Tassaut oder dem Qued Issil nach dem Winter am Ufer entlang zu laufen und ein offenes Auge zu haben. Diese Flüsse wurden hier extra erwähnt, da sie ihren Lauf in jedem Jahr ändern und neue Uferzonen frei spülen.


Ich war baff. "Das hast du gemacht, das erzählst du einfach so, wo ist der Haken? Warum lüftest du dieses an und für sich sehr schlüssige Geheimnis.? Was ist der Grund?

Horst erzählte selbstbewusst: "Einmal, weil ich dich mag, mit deinen eigenen Schatzsuchergeschichten, die du mir erzählt hast. Auch habe ich absolut genug, ich werde das nie ausgegeben können, was ich gefunden habe." Horst griff sich ans Ohr, wo er eine große schwarze Edelstahlkuller im Ohr trug. Es machte Klick und in der letzten Sonnenstrahlen leuchtete aus seinem Ohr ein Dreikaräterbrilliant. Horst meinte dann, "Es ist hier erst mal Schluss damit, die allgemeine Erderwärmung, lässt die Wadis heute kaum noch bis zur Geländekante anschwellen, um die Schatztöpfe frei zu spülen. Auch hat es sich herum gesprochen, das dort was zu holen ist. Die Behörden passen auf und schicken auch schon mal flinke Polizeistreifen auf Schatzsucherjagd. Wenn was gefunden wurde, sitzt in kürzester Zeit die ganze Blase im Knast. Die Finder, die Goldeinschmelzer, die Banker, die das Geld auf ein sicheres Konto transferieren wollen. Es rennen nun mal auch zu viele herum nach den ollen Töpfen. Die Schulkinder, die die Schule schwänzen, Taxifahrer von Petit Taxis lassen ihre Karren an irgend einem Qued stehen und rennen stundenlang an den Flusskanten herum, nicht nur um um ein wenig Kupferblech mit einem bissel Gold, wie die Scheibe von Nebra zu finden. Und Jungfrauen mit ihren Lämmern und Ziegen, die am Rande der Flüsse die Tiere tränken, suchen eine Chance den zu heiraten, den sie wollen, - und nicht den, den die Familie fest und sicher wie seit hunderten Jahren bestimmt. Dazu braucht man Gold.

Ja, man sucht immer noch kiloweise altes Gold. Gold von den verlorenen, verbuddelten Erträgen des Sklavenhandels, Gold von den verlorenen Erträgen von hunderten Hektar verpachteten Bodens, Gold vom Verkauf riesiger Viehherden, Gold vom Verkauf von Frauen und Gold von gewonnenen Schlachten und Beute, Scharmützeln. Gold für Stoffe, Oliven, Öle, Weihrauch, Korn und Mehl. Die Araber haben den Wert und die immense Macht des Goldes nach Marokko gebracht und dieser hat sich im Land verselbständigt. Beim Deutschen Lotto stehen heute die Chancen ein zu zwanzig Millionen für einen Einsatz von 2 Euro, um eventuell 1,5 Millionen zu gewinnen. In Marokko braucht man zwei Dirham mit dem Bus zum nächsten Qued und braucht nur spazieren zu gehen am Fluss im März, im April mit einer Chance 1 zu 2000! Aber 2000 Kilometer muss man ab latschen um eventuell 10 Kilo Gold zu finden. Das sind nach heutigen Marktpreisen 1.580.000,00 Euro. Die Münzen oft aus den Mittelalter, mit beträchtlichen Sammlerwert können diesen Wert noch verzehnfachen. In einen großen tönernen marokkanischen Familiensuppentopf passen locker diese 10 Kilo!

Ich war geplättet und hab fast vergessen mein Bier weiter zu trinken. "Vergiss es" meint Horst. "Die Sache hat Kreise gezogen. Ein vertrottelter amerikanischer Juniorprofessor hat diese Texte von Julius Lips wahrscheinlich auch vor wenigen Jahr in den USA publik gemacht. Seitdem wimmelt es in Marrakesch im März April von amerikanischen Studenten. Sie denken, sie sind ober schlau und haben ihre elektronischen Schatzsuchgeräte, ihre Sonden in Markenoutdorschuhen versteckt. Wenn Du im Qued Issil einen Typen herum stolpern siehst mit einem Handy in der Hand, dann ist es ein Schatzsucher mit einem chinesischen Schatzsuchgerät neuster Produktion an den Füßen. Die pfeifen nicht mehr, die können sprechen Gold, Gold, Gold, Gold! Auch am Canal der Rocade latschen die Typen herum und ticken es nicht, das es ein künstlicher Bewässerungskanal ist. Alles, was die da finden sind Kronenkorken und alte französischen Nägel! Was denkst Du warum die vielen jungen Amerikaner in Marrakesch sind, wo es kaum was zu saufen und absolut nichts zu vögeln gibt!"

Horst hat dann die Zeche bezahlt und röhrte, "Bring mich zu meinem Auto!" ich moserte rum, das er ja ganz schön besoffen wäre zum Auto fahren. "Hab Fahrer heute, murmelte er kaum verständlich" Tatsächlich, in der Nähe des Marché Municipal steht ein dunkelgrüner aalglatter glänzender 1968er Jaguar mit Fahrer, sogar mit eckiger amerikanischer Fahrermütze, wie in einem alten Hollywoodschinken. Der wuchtet Horst vorsichtig auf die Rückbank und bedankt sich freundlich bei mir.

Der Wagen fährt wie mit Butter geschmiert an in den späten Abend von Marrakesch in Richtung Gueliz. Ich laufe wieder zurück zu den Märchenerzählern vom Jama el Fna und lasse mir noch eine Geschichte erzählen, die ich sowieso nicht verstehe. Doch, ein französisches Wort verstehe ich sehr deutlich "or,or,or" - Gold,Gold,Gold!

Dazu lese ich kürzlich, die USA besitzt momentan so 8133 Tonnen Goldreserven, das "arme Deutschland" hat momentan immerhin 3428 Tonnen, das entspricht 177,6 m3 oder 275.562 Goldbarren. Die Franzosen haben 2892 Tonnen. Keine Statistik der Welt reflektiert, was die Marokkaner so haben und was eventuell noch dort zu finden wäre. Nächstes Jahr, wenn der ganze Quatsch mit der Erderwärmung zu Ende ist, der Schnee wieder richtig dicke auf dem Atlasgebirge liegt und dann irgendwann taut und die Flüsse zu Strömen anschwellen lässt, bin ich wieder in Marokko und werde Flußuferwanderer. Ich will auch einen dunkelgrünen glänzenden 68er Jaguar mit Fahrer!


Omars Nächte mit seinen vielen Frauen

Omar hatte ein schwarzes Jacket und eine graue Hose an. Die schwarzen ausgelatschten Schuhe waren mehrfalls besohlt. Omar erzählte mir in Essaouira/Marokko in gebrochenem Deutsch im Hafen, dass er Lehrer war und sehr arm wäre. Seine Frau wäscht anderen Leuten die Wäsche und arbeitet auch als Gärtnerin und als Reinigungsfrau, sie betreut fremde und eigene Kinder, geht für wohlhabende Leute auf dem Markt einkaufen und ist eine gute Köchin. Mehrfach betont er, dass seine Ahnen keine Araber sind, sondern Berber.


Seine Augen sind graublau, so dass ich ihm seine berberischen Ahnen locker ab nehme. Die blassgelbe Krawatte, die er trägt ist wohl nie im Knoten gelöst wurden. Der Knoten ist nicht gelb, sondern Terra die Sienna, würde ein Maler sagen. Dunkler leuchtender Ocker. Wie die Kirchen in Südösterreich in Slowawakien oder in Nordungarn um Szombathely. Ich mag diese kräftige Farbe!
Besonders jetzt, als die untergehende Sonne Marokkos seinen Schlipsknoten beleuchtet. Omars Gesichtsfarbe hat eine Zwischenfarbe zwischen dem Krawattenknoten und der Krawattenfarbe. Es leuchtet fast wie poliertes Kupferblech. Das untergehende Sonnenlicht leuchtet in Omars zerklüftetem Mund.

"An dem könnte ein deutscher Zahnarzt locker 4000 Euro Umsatz machen, denn der Mund ist ein Steinbruch, oder auch nur 400, wenn er die restlichen Zähne zieht und eine ALG II Prothese einbaut. Die ist dann so mies, dass der Besitzer dieser Prothese alle 2-3 Jahre an tanzen muss, um das alles nach zu richten, damit der Besitzer dieses miesen Zahnersatzes weiter einigermaßen kauen kann."


Ich überlege nun so weiter: "Eigentlich gibt es das Gesundheitssystem Marokkos her, dass er sich seine Beißerchen fast kostenfrei richten lassen könnte, wenn er wüßte, wie es geht. Nur, Omar weis es nicht und so kümmert er sich einfach nicht drum. Feste Sachen zum beißen hat er eh selten. In der marokkanischen Küche wird eh alles zerkocht und egal ob Kuskus oder Taijine, (Ein quasi Leipziger Allerleigericht) man braucht die zerkochten kleingeschnittenen Gemüse- und wenige Rinder- und Hammelstücke nur mit der Zunge am Gaumen zu zerdrücken. Es ist alles fast von der Konsistenz her wie vorverdaut. Und Hühnerknöchlein kann man auch mit den verbliebenen drei heilen Zähnen auch noch locker ab knabbern."

Eine laue Luft weht zur Sonnenuntergangszeit vom Atlantik in den Fischerhafen in eine Hafenkneipe von Essaouira in Marokko. Omar, hat, was mich irritriert, schwarz gerandete Fingernägel. Der rechte Zeigefinger und Mittelfinger ist extrem Zigarettenqualmgelb.

Wie ich so über seinen eigentlich schäbigen außerlichen Habitus von Omar überheblich nachdenke, fängt Omar an über seine Frauenbeziehungen zu reden an, die ihn auch in seinem gehobenen Ater von 62 Jahren schwer beschäftigen. Ich weis, wie alt Omar ist, er hat es mir gestern gesagt, aber ich denke gerade, Omar sieht aus wie zweiundsiebzig und die zweiundachtzig könnt er eventuell noch schaffen.

Seine Frau hatte er ja schon erwähnt und das Familienfoto, dass er dazu aus der ehemals eleganten Brieftasche zauberte, zeigte eine sehr kleine Uroma. Klein, Kopftuch, fast starrer Blick. Neben seiner Frau steht die Frau seines verstorbenen Bruders, welche jugendlich strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Doppelt so rund, doppelt so freundlich, doppelt so lebenslustig. Der Bruder wäre in Frankreich in einer Lehmgrube in der Nähe von Marsaille vor zwei Jahren ertrunken. Er hätte dort ein Haus gehabt, das er verkauft hätte, um sich danach um die Frau des Bruders zu kümmern. Seine Frau Jamila war vierzehn, als er sie geheiratet hatte auf Anordnung seines Vaters. Er war damals vierundzwanzig.

Ich frage, wie alt die Frau des verstorbenen Bruders ist.
"Samira ist jetzt 34 Jahre!" "Au weia" kommentiere ich.

"Und wie kümmerst du dich um diese Frau?" frage ich.
"Na komplett, die wohnt ja auch in meiner Wohnung!"

"Sag mal, hast Du noch mehr Frauen in deiner Wohnung um du dich kümmern musst?" frage ich verdutzt, weil ich einfach denke, wo zwei Frauen sind, sind auch mehr."

Omar stutzt ein wenig und sagt, es gibt noch vier Frauen.
"Was vier Frauen, das sind doch dann sechs zusammen!"

Omar nickt andächtig. "Um meine Frau Jamila kümmere ich mich am Sonntag, Samira am Freitag und manchmal auch am Sonnabend!" Die Cousine eines Schwagers Kaddour, Chaibiya, der 2004 nach Italien abgehauen war, und sich scheiden lies, betreute er am Donnerstag. "Chaibiya kocht mir an jedem Donnerstag mein Lieblingsabendessen - Schafshirn!"


Mein anerkennender Blick richtete Omar auf und er erzählte mir vom Mittwoch. "Am Mittwoch sorge ich mich um Hlima, die Frau meines auch leider kürzlich verstorbenen zweiten Bruders Bachir, der in der Westsahara auf eine Mine getreten ist. "Was gibt es zum Nachtmahl zu essen" frage ich neugierig. Omar versteht das deutsche Wort Nachtmahl nicht und ich verbessere "Essen zum Abend" - "Diner". Omar grinst und sagt "Ja Schafshirn!"


"Und was ist am Dienstag?" frage ich. "Dienstag kümmere ich mich um Rehma, der Witwe meines Onkels Larbi, der vor zwei Jahren bei einem Verkehrsunfall in Zagora mit seinem Petit Taxi verunglückt ist. Rehma ist 26 Jahre, das Essen bringe ich aus einer Garküche von der Straße mit, denn Rehma hat kein eigenes Geld für die Küche."


"Wow" röhre ich annerkennend und frage sofort nach dem Montag. "Montag gibt es beim Fernsehsender Al Jasira von 19.00 bis 01.00 Uhr tolle Bollywoodserien, die sich die komplette Familie seit zwei Jahren in sturer Regelmäßigkeit rein zieht.

"Eine Frau fehlt noch" sage ich und frage, wer sich um diese Frau am Montag kümmert. Omar meint, die kennt er nicht, irgend eine sehr junge neunzehnjärige Witwe aus der entfernten Verwandschaft aus Ounara. Mir tropft nun der Zahn. Er müßte zweihundert Dirham nach Hause bringen, für Schulden, welche diese Frau gemacht hätte, dann würden seine anderen Frauen sie ihm für den Montag ohne Fernsehen vorstellen und ihm nicht mehr mit dem indischen Familienfernsehen mit Untertiteln belästigen. Er würde sie sehr gerne mir auch in Kürze vorstellen, ohne Schleier, aber mit Kopftuch!

Ohne mit der Wimper zu zucken, lüfte ich meine Geldbörse und drücke Omar die zweihundert Dirham verständnisvoll in die Hand. Omar trinkt sein neuntes von mir spendiertes Bier in einem Zug aus und verschwindet mit einem netten Gruß zur Nacht und nimmt von mir noch eine halbe Schachtel Zigaretten ungefragt samt Feuerzeug mit.

Ein mindestens zehn Jahre älterer Franzose setzte sich dann zu mir plötzlich an den Tisch, der ein ganz passables Deutsch parlierte. "Gib mir ein, zwei Bier aus und ich erzähle dir was von Omar, Omar ist Künstler, Schriftsteller!" "Wie, was, warum ist Omar Schriftsteller?" frage ich ungläubig.

"Na Omar ist schwul bis auf die Knochen und erzählt fast täglich gerne seine bisher unveröffentlichten Geschichten quasi aus Eintausendundeinernacht
jedem trotteligem Europäer, der so einen Quatsch hören will und wenn wir hier jetzt noch einige Biere trinken, kommt danach noch einer an deinem Tisch und erzählt dir auch seine Geschichten über mich , oder wie man im Hafen riesengroße Krabben verspeisen kann oder könnte!"

Salem Alleikum!


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 29.05.2008

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