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Telefonweckservice

Hallo ihr Lieben!
Ich freue mich, dass ihr euch für meine Geschichte interessiert. Es kann sein, dass sie einigen von euch bekannt vorkommt, denn sie ist unter dem Titel "Mondlicht" schon seit Jahren online und hat leider lange lange Zeit pausiert. Nun hatte ich endlich mal Zeit, sie zu überarbeiten und weiter zu schreiben und möchte sie euch auch hier nicht vorenthalten.  Und nun genug der Vorrede, ich wünsche euch viel Spaß und würde mich über ein kleines Feedback sehr freuen! :)

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Kapitel 1 - Telefonweckservice

 

 

Scheiße! Scheiße, scheiße, scheiße!
Innerlich fluchend springe ich aus meinem Bett und stolpere natürlich prompt über meine, gestern nurnoch lieblos auf den Boden geworfenen, Klamotten. Ich schaffe es gerade noch, mich an meinem Nachtschrank abzustützen, bevor mein Körper auf schmerzhafte Weise Bekanntschaft mit dem nicht gerade gerümpelfreien Teppich machen kann. Das hätte mir dann auch noch gefehlt...
Verdammt, ich sollte wirklich dringend mal wieder das Chaos in meinem Zimmer beseitigen. Aber nicht jetzt. Jetzt sollte ich mich erstmal dringend ins Bad bewegen und mich fertig machen, wenn ich nicht zu Fuß zur Schule laufen möchte!
Eigentlich ist das absolut nichts Neues für mich. Ich habe ein ausgesprochen ausgeprägtes Talent dafür, meinen Wecker im Schlaf auszuschalten. Das Kunststück gelingt mir sogar dann, wenn das Ding am anderen Ende des Raumes steht, was so viel bedeutet wie: ich schaffe es, im Schlaf oder von mir aus auch Halbschlaf - jedenfalls erinnere ich mich nie daran - aufzustehen, quer durch den Raum über Klamotten und Schulsachen zu klettern, das nervtötende Ding abzuschalten und wieder in mein Bett zu kraxeln, um seelenruhig weiterzupennen.

Tja, und genau das führt mich dann in Situationen wie die an diesem wundervollen Freitag Morgen. Jetzt ist wohl auch der richtige Zeitpunkt, Lars ins Spiel zu bringen. Ohne Lars... ich glaube, ich könnte das mit dem Abitur nachholen komplett vergessen. Bereits seit über zweieinhalb Jahren ist er es, der mich fast jeden Morgen - heute nicht anders - exakt 10 Minuten vor Abfahrt des Busses anruft und mir ein gut gelauntes ,,Guten Morgen, mein Schatz. Telefonweckservice! Du hast noch genau 10 Minuten, bis gleich!", ins Ohr flötet.
An manchen Tagen hätte ich nicht übel Lust, ihm für das Grinsen, das mich durch das Telefon geradezu anspringt, mal ordentlich eine überzubraten. Was man nämlich absolut nicht übersehen kann, ist, dass es dem Kerl diebische Freude bereitet, mich komplett abgehetzt auf den Bus zusprinten zu sehen.
Andererseits... ohne ihn hätten sie mich vermutlich aufgrund mangelnder Disziplin, was Pünktlichkeit angeht, längst von der Schule verwiesen. Also bleibt es wohl dabei, dass ich meinen besten Freund in Gedanken dafür verfluche, dass er mich nicht provisorisch schon 15 oder 20 Minuten vorher anruft.
Mittlerweile habe ich es geschafft, mir eine frische Shorts, eine ausgewaschene Jeans und ein einfaches, schwarzes Shirt mit V-Ausschnitt zu schnappen und im Badezimmer zu verschwinden. Ich habe noch ganz genau 4 Minuten bis ich unten zur Haustür raus muss, denn 5 Minuten brauche ich auf jeden Fall zum Bus. Das ist allerdings schon sehr knapp berechnet und bedeutet, ich muss mich auf dem Weg wirklich beeilen. Das Frühstück fällt heute wohl mal wieder aus. Klasse, Zack!
Einen gescheiterten Versuch, das blonde Chaos auf meinem Kopf zu bändigen und eine Katzenwäsche - so schlau gestern Abend zu duschen war ich immerhin, ha! - später, sprinte ich fertig angezogen und mit gepackter Tasche zur Haustür und schnappe mir den Schlüssel, bevor ich sie hinter mir zuziehe und loslaufe.
Ich schaffe es gerade so. Der Busfahrer betätigt in dem Moment den Schalter für das Schließen der Tür, in dem ich mich völlig außer Atem die zwei Stufen im Bus hinaufschleppe. Ich habe Glück, dass es sich um Bryan handelt, den jungen und durchaus attraktiven Fahrer und nicht um die alte Schabracke Körner, die auch hin und wieder hinterm Steuer sitzt. Das Weib hat meiner Meinung nach sowasvon ihren Beruf verfehlt. Mehr als einmal musste ich mir bereits ein reizenden ,,Macht Ihr Job Ihnen eigentlich Spaß?", verkneifen, so griesgrämig stiert sie meistens in die Gegend. Dass sie mir schon des öfteren die Türen vor der Nase zugemacht hat und losgefahren ist, dabei ein gehässiges Lächeln auf den Lippen... nun, das bestätigt mich in meiner Meinung nur noch mehr. Das Weib gehört definitiv nicht auf den Fahrersitz eines Busses!
Ich seufze und atme erst einmal erleichtert aus. Bryan hat nur ein Grinsen und ein leichtes Kopfschütteln für mich übrig.
,,Na, Zack? Mal wieder knapper als knapp, was?"
Ich schenke ihm ein schiefes Lächeln.
,,Danke fürs Warten, Bry."
,,Schon gut."
Ich bekomme noch eine wegwerfende Handbewegung, ehe ich mich dann durch die stehende Masse in Richtung hinteres Abteil schiebe und der Braunhaarige den Bus startet.
Bryan und ich kennen uns schon länger und auch etwas, nunja... näher. Er ist drei Jahre älter als ich, 24 genau genommen, und noch bevor er als Busfahrer für unsere Gegend eingeteilt wurde, haben wir uns öfter mal zufällig in einer einschlägigen Bar getroffen, wo wir irgendwann ins Gespräch kamen.
Bryan ist schwul, genau wie ich und dass er ziemlich attraktiv ist, erwähnte ich eben ja bereits. Kein Wunder also, dass da nach einiger Zeit auch was lief zwischen uns … und ab und an noch läuft.
Es ist gut, es ist jedes Mal verdammt heiß, aber immer unverbindlich. Das macht die Sache so leicht und unkompliziert. Freunde, die sich hin und wieder einen kleinen Gefallen tun. Den Gefallen, sich gegenseitig von der eigentlichen, nach eigenem Einschätzen zum Scheitern verurteilten, Liebe abzulenken. Vermutlich ein weiterer Grund, warum wir so gut miteinander harmonieren...

Ich seufze und lasse mich endlich auf den Platz neben Lars fallen, den er für mich, wie immer, wohl mit seinem Leben verteidigt hat. Da der Bus jeden Tag übermäßig voll ist, werden die Fahrgäste auch ziemlich schnell ausfallend wenn es um einen Sitzplatz geht, weswegen ich Lars gleich doppelt dankbar bin. Wie Bryan zuvor, begrüßt mich auch mein bester Freund mit einem belustigten Grinsen. Genervt verdrehe ich die Augen.
,,Sag nichts, bitte!"
,,Was denn?! Ich hätte so gerne die zur allgemeinen Belustigung beitragende 'Zack-rennt-wild-fuchtelnd-und-schreiend-hinter-dem-Bus-her' - Show gesehen..."
Hart boxe ich meinem Sitznachbarn gegen den Oberarm, was diesen gespielt empört Luft schnappen lässt, eher er leise lacht und mir durchs Haar wuschelt. Ich hasse es, wenn er das tut. Meine Frisur ist sowieso schon eine mittelschwere Katastrophe! Auch wenn ich zum Glück keine Locken habe, die das Drama wohl perfekt machen würden, herrscht auf meinem Kopf meistens einfach nur ein blondes Durcheinander. Ich trage meine Haare nicht allzu kurz und ich kann mich auch nicht dazu überwinden, sie kurz zu scheren. Egal wie sehr sie mich manchmal nerven, ich denke, ich würde mich nackt fühlen ohne sie und solange ich keine Zöpfchen flechten kann, ist doch alles in Ordnung! Außerdem hab' ich mir sagen lassen, dass mir das Wirrwarr da oben ziemlich gut steht. Mehrfach. Und vor allem ... von Kai. Kai...
Frustriert stöhne ich auf. Scheiße, alleine der Gedanke an diesen Kerl lässt mein Herz mal wieder vor Aufregung Purzelbäume schlagen.
Ich schiele zu Lars, doch der scheint meinen kurzen gedanklichen Aussetzer nicht mitbekommen zu haben, da er mal wieder damit beschäftigt ist, sämtlichen Weibern im Bus schöne Augen zu machen. Dass er damit wahrscheinlich mindestens der Hälfte von ihnen Hoffnungen auf mehr macht stört ihn nicht sonderlich, obwohl er es ganz genau weiß. Was pflegt er immer zu sagen...?
,,Keiner zwingt sie, auf mich einzugehen, oder?"
Jaja, ist klar. Erneut verdrehe ich leicht die Augen. Lars ist ein verdammter Herzensbrecher und vermutlich der Traumtyp einer jeden Frau - jedenfalls soweit ich das beurteilen kann. Groß, Sportler, gut definierte Muskeln, schwarze Haare und die blauesten Augen, die ich je gesehen habe. Alles in allem also unbestreitbar heiß. Und natürlich so hetero wie man nur sein kann. Das Leben ist verfickt unfair!
Nicht, dass ich jemals in ihn verknallt war oder so, aber gewissen nächtlichen Aktivitäten wäre ich garantiert nicht abgeneigt.
So blöd, ihm das auf die Nase zu binden, bin ich aber selbstverständlich nicht. Der Kerl ist mir wichtig. Zu wichtig, als dass ich riskieren würde, unsere Freundschaft mit einem Annäherungsversuch, den ich nicht mal nötig habe, kaputt zu machen . Also bleibt alles beim Alten.
Trotzdem sollte ich seine hemmungslose Flirterei vielleicht mal unterbrechen...
Leicht stoße ich ihm mit meinem Ellbogen in die Seite.
,,Hör auf, die Mädels wild zu machen, du Held!"
Ein leichtes Schmunzeln ist die Antwort.
,,Na, mit irgendwas muss ich mich ja beschäftigen, wenn der werte Herr mich ignoriert?"
,,Ich...wa-? Sprichst du von mir? Ich hab dich doch nicht ignoriert...?"
Meint der das ernst? Wann? Wo? War ich so in Gedanken, dass ich irgendwas nicht mitbekommen hab?
Belustigt zieht Lars eine Augenbraue hoch und sieht mich an.
,,Ach nein? Nun, dann hab ich wohl in den letzten paar Minuten in einer Parallelwelt ohne die Fähigkeit zu hören gehockt... Verdammt, jemand sollte diesem Mysterium auf den Grund gehen!"
Ängstlich sieht mein Kumpel sich um, ehe er seinen Blick wieder auf mich richtet. Ich kann nicht anders als zu lachen. Manchmal benimmt er sich wie ein Kind!
,,Verzeih mir, ich wollte dich nicht in eine Paranoia-Krise stürzen... Also, was war dein Anliegen, bitte?"
,,Ich wollte wissen, was dein Plan fürs Wochenende ist?", wiederholt er schließlich und lehnt sich entspannt gegen die Rücklehne.
,,Hm, naja, für heute gibt es soweit noch keinen und morgen wollte ich eigentlich nach Hamburg..."
Lars seufzt und das Lächeln auf seinem Gesicht erlischt. Stattdessen sieht er mich mit ernster und irgendwo wohl auch besorgter Mine an.
,,Ich nehme an, zu Kai?"
Ich nicke.
,,Zack... meinst du nicht-", setzt er sanft an, doch ich lasse ihn den Satz nicht beenden.
,,Lars, ich weiß was du sagen willst und ich weiß auch, dass du recht hast, ja? Ich weiß es, aber ich... ich kann nicht, okay? Können wir das Thema heute stecken lassen? Bitte!
Was machst du am Wochenende?"
Erneut seufzt Lars schwer und schüttelt schließlich leicht den Kopf. Sein Blick sagt ohnehin mehr als tausend Worte. Er macht sich Sorgen und ich kann's verstehen, wirklich, aber das hier ist nicht der richtige Zeitpunkt und schon gar nicht der richtige Ort um dieses schon x-mal geführte Gespräch wieder aufzurollen. Das endet für meinen Geschmack nämlich zu häufig mit Tränen. Meinerseits. Mist.
Langsam streicht er mir über die Wange. Ich schließe kurz die Augen. Gott, womit habe ich einen solchen Freund nur verdient? Nicht nur, dass er meine Homosexualität einfach so akzeptiert hat, nein, er hat auch nie deswegen aufgehört mich so vertraut zu berühren und mich zu trösten, wenn es nötig ist. Und dafür liebe ich den Kerl, wirklich.
Seine Stimme reißt mich schließlich aus meinen Gedanken.
,,Na schön. Ist letztendlich ja auch deine Sache, hm, Kleiner?
Was ich vorhabe? Keine Ahnung, ich denke, heute Abend sollte ich den Jungs aus dem Team vielleicht mal nicht absagen und mit ihnen auf die Piste gehen und morgen ist dann wohl ausnüchtern angesagt. Kommst du Sonntag Abend noch vorbei? DVD schauen oder so?"
"Ist es...", nuschle ich in meinen nicht vorhandenen Bart, bevor ich auch zustimme, ihm am Sonntag Gesellschaft zu leisten.

Tja, und was fange ich dann nun mit heute Abend an...? Alleine zu Hause rumzusitzen steht nicht gerade ganz oben auf meiner Aktivitäten-Wunschliste und da Lars keine Zeit hat...
Kurz huscht mein Blick in Richtung Bryan, der den Bus gerade souverän an unserer Haltestelle parkt. Nun, das muss ich ja nicht jetzt entscheiden. Bis heute Abend kann sich immerhin noch sonstwas ergeben, obwohl ich gar nicht mal abgeneigt wäre... das letzte Mal ist schon einige Zeit her.

Verwirrung

Lars und ich warten eine Weile, bis der größte Teil der Menschenmasse den Bus verlassen hat und uns nicht mehr den Weg auf dem Gang versperrt, ehe auch wir aufstehen. Langsam trotte ich hinter meinem Kumpel her. Meine Motivation auf Schule war ehrlich gesagt auch schonmal größer.
Wir steigen vorne aus. Tun wir immer, keine Ahnung warum. Vielleicht, weil das Gedränge in der Mitte unten an der Tür immer am größten ist, vielleicht aber auch, damit ich noch einen Blick auf meinen Lieblings-Busfahrer werfen kann.
Genau dieser greift in diesem Moment locker nach meinem Arm und veranlasst mich so, stehen zu bleiben und ihn fragend anzusehen.
Langsam schlägt er die Augen nieder, bevor er schluckt und mich wieder ansieht.
,,Zack...? Sehen wir uns heute Abend?"
Kurz meine ich, so etwas wie ein Flackern in seinem Blick zu sehen, doch es ist schneller wieder verschwunden, als ich es richtig realisieren kann und die braunen Augen sehen mir gewohnt selbstbewusst entgegen. Seine Frage erstaunt mich. Ich glaube, bis auf das allererste Mal ist noch keines unserer Treffen auf seine Kappe gegangen. Wenn ich mich recht erinnere, war immer ich derjenige, der irgendwann um eines gebeten hat.
Anscheinend ist mir meine Überraschung anzusehen und vielleicht zögere ich gerade unbeabsichtigt ein wenig zu lange, denn Bryan zieht seine Hand bereits wieder weg und schaut nach vorne aus dem Fenster.
,,Wenn du nicht magst, ist das natürlich okay, ich dachte nur..."
Schnell schüttle ich den Kopf.
,,Nein. Also, nein, ist okay. Ich... hätte dir nachher wohl sowieso geschrieben. War gerade nur etwas überrascht", antworte ich rasch und schenke ihm dann ein Lächeln.
,,Okay. Dann um sieben bei mir...? Ich koche uns etwas und dann... lassen wir es langsam angehen?"
Wieder nicke ich und verlasse anschließend den Bus, um mit Lars in Richtung Schule zu laufen.

Irgendwie verwirrt Bry mich gerade ein bisschen. Sein defensives Verhalten passt so gar nicht zu dem sonst sehr selbstbewussten Mann. Ob da was dahintersteckt...?
Vermutlich schon. Und da ich mich kenne, weiß ich auch, dass ich mir Sorgen um ihn machen werde bis ich weiß, um was es sich handelt.
Leise seufze ich. Manchmal nerve ich mich selbst damit. Ich habe nicht viele Freunde, also jedenfalls nicht viele, die ich wirklich als solche bezeichnen würde. Aber die, die es für mich sind, die sind mir auch verdammt wichtig. Egal was los ist, sobald bei mir meine Sorgen-Alarmglocken schrillen, muss ich nachforschen. Das ist wie ein innerer Zwang! Etwas, das mich zwingt, für denjenigen da zu sein, der es gerade braucht. Und irgendwas sagt mir, dass das bei Bryan gerade der Fall ist, anders kann ich mir sein Verhalten eben nicht erklären.
Wieder seufze ich und dieses Mal ist es Lars, der mir seinen Ellbogen in die Rippen stößt.
,,Komm schon, Zack, du seufzt, als hättest du mindestens eine Horde Elefanten zu schleppen. Was ist los, hm? Hat unser Lieblings-Busfahrer dich gerade aus seinem Bett verwiesen oder was?"
Fast stolpere ich bei seinen Worten über meine Füße und einen Moment sehe ich ihn nur fassungslos an.
,,Was?! Wie um alles in der Welt kommst du darauf?! Nein... ich - er..."
Ich muss mich kurz sammeln, bevor ich weitersprechen kann. Selbst wenn Lars' Vermutung zutreffen würde, das würde mich jawohl kaum aus der Bahn werfen. Also wirklich!
,,Nein. Er hat gefragt, ob wir uns heute Abend sehen..."
Das scheint ihn jetzt nicht gerade zu schocken, denn mein bester Freund sieht mich nur mit einer Mischung aus Unverständnis und einem klaren 'ja-und-weiter?!' an.
,,Verzeih mir, wenn ich dir gerade nicht ganz folgen kann, Zacky, aber...seht ihr euch nicht relativ häufig mal abends...? Ich meine, was ist daran jetzt nicht in Ordnung?"
Wieder seufze ich.
,,Ja, natürlich kommt das öfter mal vor, aber... er hat mich gefragt, verstehst du? Normalerweise bin immer ich derjenige, der die Sache anleiert. Bis auf das erste Mal. Da meinte er zwar, dass wir das jederzeit wiederholen können, aber die weiteren Abende gingen nie von ihm aus.
Und er war so... Er macht was zu Essen und... wir sollen es 'langsam angehen' lassen...?"
Ich kann nicht verhindern, dass es am Ende wie eine Frage klingt, doch mein bester Freund zuckt nur die Schultern, also fahre ich fort:
,,Versteh das nicht falsch, also ich meine, wir haben nie... es ist nie einfach nur Sex. Kein einfaches Aufeinanderknallen von Körpern und tschüss, sondern schon -"
,,Okay, okay."
Geschlagen hebt Lars beide Hände und unterbricht mich in meinem Erklärungsversuch. Ein wissendes, schiefes Lächeln sitzt auf seinem Gesicht und er sieht mich ein wenig verschmitzt an.
,,Erspar' mir bitte die Details, ja? Du weißt, ich akzeptiere alles, aber ganz genau wissen, was du nachts so mit anderen Kerlen treibst, muss ich dann doch nicht."
Leise lacht er, ehe er mich am Arm zurückhält und mich so zwingt, stehen zu bleiben und ihm in die Augen zu sehen.
,,Ich versteh auch so, was los ist... Dein phänomenales 'Sorgometer' hat mal wieder angeschlagen, hm? Ich würde ja jetzt sagen, halt dich da raus, aber einerseits muss ich aus eigener Erfahrung eingestehen, dass du irgendwie einen siebten Sinn dafür zu haben scheinst und andererseits ist es Bryan... und Bryan ist nicht irgendein Fick, richtig?"
Ich erwidere seinen Blick und lächle leise, ehe ich ein Nicken zustande bringe, schlucke und den Kopf wegdrehe.
,,Ich weiß auch nicht, warum... Sein Verhalten ist nur so untypisch und deswegen... Und nein, Bryan ist schon lange nicht mehr nur irgendwer, mit dem ich mal im Bett lande... Vielleicht steigere ich mich aber auch schon wieder zu sehr rein. Der Abend wird's zeigen, nicht wahr?"
Als keine Reaktion von Lars kommt, blicke ich wieder zu ihm hoch - er ist etwa einen halben Kopf größer als ich - und sehe in sein lächelndes Gesicht, bevor er mich langsam an sich zieht und mir einen Kuss aufs Haar haucht. Kurz schmiege ich mich an ihn und wieder bewundere ich ihn dafür, dass er einen Scheiß darauf gibt, was die Leute von ihm denken. Ich meine, hallo? Er steht hier gerade mit einem Kerl im Arm, mitten in der Öffentlichkeit einer Kieler Straße und haucht diesem auch noch einen Kuss auf. Okay, zugegebenermaßen: der Kerl in seinem Arm hat das gerade bitter nötig, aber trotzdem...
Langsam löse ich mich wieder von ihm und schenke ihm ein dankbares Lächeln, das er erwidert und mir schließlich ein lautloses ,,Jederzeit" zuflüstert.
Das ist übrigens noch so eine Sache, die mich an mir nervt. Mein übersteigertes Bedürfnis nach Nähe. Gerade körperlicher Art. Und damit meine ich keinesfalls Sex. Warum sich dieses Bedürfnis irgendwann so brachial einen Weg an die Oberfläche suchte, weiß keiner so genau. Aber man spekuliert, es könnte daran liegen, dass meine Eltern mir so etwas nie gegeben haben.
Nunja... irgendeines denkwürdigen Abends lag ich dann hemmungslos heulend auf Lars' Bett und habe ihn anscheinend mehr oder weniger angefleht, mich in den Arm zu nehmen.
Wirklich viel weiß ich von dieser Nacht nicht mehr, nur, dass ich irgendwann aufgewacht bin, in Lars' Armen, und mich unendlich erleichtert gefühlt habe. Der arme, überforderte Kerl. Aber zumindest wusste er von da an ganz klar Bescheid und dass er mich trotzdem nicht postwendend aus seinem Leben geworfen hat, sagt viel über ihn aus, oder?

Soviel also zu meinen Macken.
Auch dieses Mal ist es seine Stimme, die mich aus meinen Gedanken reißt. Immer noch stehen wir eng zusammen am Rand des Bürgersteigs und immer noch sieht mein Kumpel mich mit diesem fast zärtlichen Lächeln an.
,,Weißt du Zack, du bist einfach süß. Wenn ich auf Männer stehen würde... glaub mir, ich würde dich mit nichts und niemandem teilen.
Die Sorgenfalte da...", er tippt mir an die Stirn, ,,...die steht dir allerdings gar nicht! Also hör auf, dir so viele Gedanken zu machen und warte einfach ab, okay?
Und jetzt sollten wir uns vielleicht mal wieder auf den Weg machen."
Verschwörerisch zwinkert er mir zu und bringt mich zum Schmunzeln. Dieser Kerl! Schafft es doch immer wieder! Ich lächle und kann letztendlich ob seiner Worte nicht widerstehen, ihm einen leichten Klaps auf den Hintern zu geben.
,,Weißt du, Lars... wenn du auf Männer stehen würdest... Du glaubst jawohl nicht, dass ich deinen süßen Arsch jemals jemand anderem überlassen würde, oder?"
Frech grinse ich ihn an, als ich seinem entsetzen Blick begegne und breche dann wieder in Lachen aus.
,,Herrje, sieh dich an! Schockiert dich das jetzt, Großer?"
Ich schüttle den Kopf.
,,Na los, bringen wir diesen nervigen Unterricht hinter uns und machen uns dann 'nen gemütlichen Nachmittag, ja?"
Alles, was ich darauf noch erwidert bekomme, ist ein mit einem liebevollen Grinsen verbundenes ,,Du bist absolut unmöglich, du kleine Kröte!" und dann geht's los zu Geschichte. Traumhaft!

Seelenstriptease - part 1

 Hallo ihr Lieben!
Ich freue mich riesig, dass ihr mittlerweile so fleißig mitlest!
Ich habe euch eine kleine Ankündigung zu machen und hoffe, dass ihr dafür irgendwie Verständnis aufbringen könnt. Es ist so, dass ich dieses Buch hier wahrscheinlich doch einem Verlag vorstellen werde und es deswegen nicht ganz komplett hier auf bx zu lesen sein wird, sondern als Leseprobe bestehen bleibt. Es tut mir leid, dass ich die Information nicht von Anfang an gegeben habe, aber diese Wendung hat sich tatsächlich erst Anfang dieser Woche ergeben. Sollte der Verlag das Buch nicht veröffentlichen wollen, bekommt ihr natürlich den Rest hier zu lesen! Ich bemühe mich, möglichst schnell fertig zu werden, sodass ich euch auch bald Bescheid geben kann. Nach diesem Kapitel wird vermutlich noch ein weiteres folgen, bevor ich dann in eine kleine Pause gehe.

 

Und jetzt hab ich genug gelabert, ich wünsche euch viel Spaß mit den Jungs!

 

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Der Schultag vergeht wie immer zu schleppend für meinen Geschmack. Mein Geschichtslehrer erfreut sich, wie jeden Freitagmorgen, an seinen Monologen über die ,,gute alte Zeit". Dass keiner seiner Schüler ihm dabei auch nur einen Fetzen Aufmerksamkeit schenkt, interessiert ihn nicht. Dazu hört der alte Tauber sich auch viel zu gerne selbst reden.
Geschichte ist seine Leidenschaft, definitiv. Kann man von mir allerdings nicht behaupten. Nichtmal ein minimales Fünkchen seiner Begeisterung hat es geschafft, auf mich überzuspringen.
Aber mal ehrlich, zum vierten Mal in der Schullaufbahn die, meines Erachtens nach, nicht gerade spannenden Gegebenheiten des Dritten Reiches durchzukauen... Irgendwann reicht es auch mal! War halt so ein Spinner, der die Weltherrschaft an sich reißen wollte und dabei verbockt hat, was zu verbocken war. Blablabla. Ich denke, das Wichtigste darüber gehört zur Allgemeinbildung und mehr braucht man nicht. Immerhin ist das eh gelaufen. Geschichte! Heißt ja nicht umsonst so.
Erleichtert atme ich auf als es endlich klingelt. Zwei von sechs Stunden geschafft. Folgen noch Englisch und Mathe. Ich hasse den Freitagvormittag...

Als es endlich vorbei ist, bin ich fix und fertig. Mit den Nerven. Im Ernst, welches kranke Gehirn hat sich den völlig überflüssigen Quatsch namens Mathematik ausgedacht? Es reicht jawohl vollkommen, das Addieren und Subtrahieren zu beherrschen. Wer dann auch noch das kleine Einmaleins runterbeten kann und in der Lage ist, einen Apfel durch 3 zu teilen: wunderbar! Ich bin der festen Überzeugung, das reicht zum Überleben. Wozu sich da noch mit Statistik und Stochastik abquälen?
Leider Gottes scheint mein Lehrer meine Meinung nicht zu teilen und so bleibt mir nichts anderes übrig als zu hoffen, dass es irgendwann in näherer Zukunft Hirnmasse für mich vom Himmel regnet. Vorzugsweise welche mit Begabung für die Zahlenwelt.
Der einzige Lichtblick heute war Englisch. Ausnahmsweise hat unser Lehrer mal Erbarmen gehabt und den Film, den es zu analysieren gilt, nicht in gefühlte zweihundert Sequenzen geteilt sondern lediglich in drei. Entspannung pur, ich sag's euch.

Langsam packe ich meine Stifte und den Collegeblock, der bei mir als kollektives Heft für alle Fächer gilt, zurück in meine Tasche. Ich lasse mir bewusst viel Zeit, weiß ich doch, dass draußen auf dem Schulflur zu dieser Zeit die Hölle los ist. Menschenmassen sind etwas, was ich auf den Tod nicht ausstehen kann. In Clubs, auf der Tanzfläche - okay, da lässt es sich auch kaum vermeiden, aber hier oder auf öffentlichen Plätzen? Nein danke, muss ich nicht haben. Lars ist darüber bestens informiert und so lässt auch er sich Zeit und lehnt sich schließlich auf mich wartend an unseren Tisch.
,,Gibt es eigentlich einen genauen Plan für jetzt?", fragt er nach kurzer Zeit und stellt schonmal meinen Stuhl hoch, während ich mir die Tasche umhänge.
Ich zucke mit den Schultern.
,,Keinen genauen, oder? Ich dachte, wir machen ein bisschen die Stadt unsicher, gehen 'nen Kaffee trinken und schlendern durch ein paar Läden?"
,,Du meinst 'wir schlendern' im Sinne von: du machst wieder Großeinkauf und ich muss gezwungenermaßen die beratende Instanz mimen?", neckt mein bester Freund mich und geht voraus in Richtung Tür.
Mittlerweile ist es wieder einigermaßen ruhig auf dem weißen Flur und gemeinsam machen wir uns auf den Weg die drei Stockwerke hinunter zum Ausgang.
Ich grinse.
,,Ja, so ähnlich hatte ich mir das vorgestellt."

Der Nachmittag vergeht wie im Flug und mittlerweile sitzen wir im Bella's und schlürfen an unseren Karamell-Macchiatos. Ich würde sterben für dieses Zeug, bin verdammt süchtig danach. Fast so sehr wie nach Schokolade - aber nur fast!
Es ist kurz nach halb fünf und bis jetzt verläuft der Tag sehr zu meiner Zufriedenheit. Die Sonne scheint, meine Einkaufstüten sind voll und wir haben mich erfolgreich von dem Bryan-Problem abgelenkt. Außerdem verspüre ich eine leichte Vorfreude auf morgen, was ich allerdings besser vor Lars geheim halte. Der ist nämlich alles andere als gut auf Kai Loranz zu sprechen. Nicht, dass diese Tatsache mein Herz davon abhalten würde einen Zahn zuzulegen, wenn ich nur daran denke, dass ich ihn endlich wiedersehen werde...
Aber jetzt sollte ich mich vielleicht erst einmal auf den Weg nach Hause machen. Auch wenn es nicht so wirkt, ich hasse Unpünktlichkeit. Jedenfalls dann, wenn jemand auf einen wartet, und da ich gerne noch unter die Dusche springen würde bevor ich Bryan mit meiner Anwesenheit beehre, wird es langsam Zeit.
Ich verabschiede mich von Lars und verspreche ihm, mich zu melden, wenn ich wieder zu Hause bin. Den letzten, resignierten Blick, den er mir hinterherwirft, ignoriere ich gekonnt.

Ich biege gerade in meine Straße ein, als ich das Handy in meiner Tasche vibrieren spüre. Keine Ahnung habend, wer mir da eine SMS geschickt hat, rufe ich diese auf und bleibe wie angewurzelt stehen. Kai. Mein Herz rast bereits, bevor ich mich nur ansatzweise dem Inhalt widmen kann. Als ich es tue, zieht sich der pochende Muskel in meiner Brust schmerzhaft zusammen. Was…?

'Hey Zacky… Es geht um morgen. Ich hab mir 'ne verdammte Erkältung eingefangen und ich denke es wäre besser, du bleibst zu Hause. Tut mir echt Leid, Kleiner, wir holen das auf jeden Fall nach. Fühl dich gedrückt! K.'

Mit gemischten Gefühlen starre ich auf das Display. Krank… Schön und gut, aber wieso sollte ich deswegen zu Hause bleiben? Verwirrt und ein wenig ärgerlich schüttle ich den Kopf und nehme meinen Weg wieder auf. Man sollte meinen, der Kerl kenne mich inzwischen gut genug um zu wissen, dass mir egal ist ob er ein bisschen rumseucht oder nicht.
Endlich in meiner Wohnung angekommen, beschließe ich, doch nochmal genauer in Hamburg nachzufragen, doch auf meine SMS ob ich nicht trotzdem vorbei kommen könnte bekomme ich nur ein knappes „Nein, es wäre wirklich besser, du bleibst zu Hause“ als Antwort.
Gut, dann eben nicht. Arsch…
Zu sagen, das würde mich nicht runterziehen, wäre gelogen, allerdings sollte ich mich jetzt wohl erst einmal auf Bryan konzentrieren.

Frisch geduscht und innerlich doch ein wenig aufgewühlt, stehe ich pünktlich um kurz vor sieben Uhr an seiner Wohnungstür. Gerade als ich zum Klopfen ansetzen will, wird diese geöffnet und ein etwas verlegen lächelnder Bry bittet mich mit einladender Geste herein. Schnell betrete ich den Flur und ziehe ihn in eine kurze Umarmung.
„Hey, Großer…“
Ich spüre, wie er einatmet und sich dann, nach kurzem Verstärken des Drucks, wieder von mir löst.
„Schön, dass du da bist…“
Er tritt einen Schritt zurück und bedeutet mir, meine Jacke an die Garderobe zu hängen. Neugierig sehe ich mich um. Klar, ich war schon öfter mal hier, aber zugegebenermaßen war es dabei nicht sehr oft hell am Tag und am berüchtigten „Morgen danach“ war mir nie so nach Wohnungsbesichtigung, also muss ich das jetzt wohl nachholen. Was ich sehe, gefällt mir. Hier und auch im Wohnzimmer, durch das er mich nun führt, ist alles in Sandtönen gehalten, während das Mobiliar viel aus dunklem Holz besteht. Stilvoll, nicht zu karg und andererseits nicht zu sehr aufgetragen.
„Schön hast du es hier…“, staune ich nicht schlecht.
Ein leises Lachen kommt aus seiner Richtung.
„Ist ja nicht so, als wärst du das erste Mal hier… aber erstaunlich, für was man so alles einen Blick hat, wenn es nicht um Sex geht, was?“, grinst er mich an und einen Moment atme ich auf. Ja, das klingt schon eher nach dem jungen Mann, den ich kenne und schätze. Dennoch habe ich nicht vergessen, dass wohl mehr hinter der Einladung steckt, als er mir weismachen will.
Langsam folge ich ihm in die Küche, von der ein absolut himmlischer Duft zu uns herüberweht. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich wirklich Hunger habe und als ich den so mühevoll – ja, anders kann ich es wirklich nicht ausdrücken bei diesem Anblick – gedeckten Tisch erblicke, schenke ich ihm ein dankbares Lächeln.
„Es riecht fantastisch! Was ist das, wenn ich fragen darf…?“
Staunend lasse ich meinen Blick über die vielen Schüsseln mit mir teils unbekanntem Inhalt wandern.
„Och… Im Grunde genommen ist es nichts Besonderes. Wenn man es genau nimmt, ist es eine Eigenkreation. Ich hab ein bisschen rumprobiert und du bist das arme Würmchen, das die Testperson spielen darf“, erklärt er leise.
„Ich schätze, in diesem Fall bin ich nur zu gerne dazu bereit“, eröffne ich ihm lachend und lasse mich auf einen der Stühle sinken, während er in den Schränken nach einem guten Wein sucht.
Langsam entspanne ich mich. Was bringt es auch, sich verrückt zu machen?! Nichts, richtig. Warum also nicht erst einmal genießen, bevor man sich den heikleren Themen zuwendet?
Es dauert nicht lange bis er fündig wird und uns beiden ein Glas eingießt.
„Auf diesen Abend“, bringt er hervor und lächelt mich an.
Ich nicke und nippe an meinem Glas. Ob es morgen in Hamburg wohl auch so geworden wäre…?
Ach verdammt! Ich will jetzt nicht an diesen Idioten denken!
Ich könnte gerade innerlich gut die Augen verdrehen. Kann ich denn nicht ein einziges Mal bei der Sache bleiben, ohne dass sich Kai in meinen Kopf drängt?!
Dass Bryan mich genau beobachtet und sehr wohl erkennt, dass meine Gedanken abschweifen, bekomme ich nicht mit.
Erst seine Stimme holt mich aus meinen Gedanken.
„Bitte, nimm dir doch!“, bietet er mir eine der Schüsseln an. Sie enthält etwas Kartoffelähnliches. Genauer definieren könnte ich es nicht, schmecken tut es aber ausgezeichnet.
Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so gut gegessen habe. Himmel, der Typ ist ein Gott der Küche, ich bin mir sicher. Als ich ihm das genau so sage, schüttelt er vehement abwinkend den Kopf.
„Komm schon, du übertreibst, Zack!“, lacht er und seufzt dann zufrieden.
Auch ich habe mich mittlerweile entspannt zurückgelehnt und lächle selig. Jetzt nurnoch die lästigen Gedanken an eine gewisse Person loswerden und das Leben könnte in diesem Moment nicht perfekter sein. Naja, doch, vielleicht. Brys abwesende und beinahe traurige Mine zwischendurch bleibt mir nicht verborgen und sollte definitiv nicht sein, aber dieser werde ich bald auf den Grund gehen.
Womit ich dabei nicht gerechnet habe, ist, dass zunächst ich es sein werde, der hier einen Seelenstriptease hinlegt. Nein, das habe ich wirklich nicht und doch zwingt mich mein Gegenüber mit seiner nächsten Frage dazu.
„Okay, Zack, nun spuck' es schon aus! Ich dachte ja, ich bin hier derjenige, dessen Gedanken Amok laufen, aber du bist mindestens die doppelte Meilenzahl vom Hier und Jetzt entfernt. Was ist los bei dir? Ärger mit irgendwem…?“
Verwirrt sehe ich ihn an. Ist es so offensichtlich? Nun, anscheinend schon.
Leise seufze ich und schüttle den Kopf.
„Tut mir leid, ich wollte nicht unhöflich - “
„Bist du nicht. Komm schon… Vielleicht hilft es ja darüber zu reden, hm?“
Ergeben seufze ich. Was soll’s auch? Aus der Nummer komme ich sowieso nicht mehr raus, wenn Bryan es sich in den Kopf gesetzt hat, mehr darüber zu erfahren…
Kurz schildere ich ihm also meine Lage, erzähle ihm von dem schon länger geplanten und so ersehnten Wochenende, der SMS heute, meinen Zweifeln daran, dass Kai wirklich krank ist und auch davon, dass der Kerl mir seit Ewigkeiten nicht mehr aus dem Kopf geht. Obwohl er davon ja eigentlich längst weiß, wenn auch keine Einzelheiten.
Mittlerweile hat Bryan seinen Kopf auf den Händen abgestützt und sieht mich nachdenklich an, während ich am liebsten meinen Kopf auf die Tischplatte knallen lassen würde. Nur das letzte Fünkchen Intelligenz in mir, hält mich davon ab. Eine Beule an der Stirn ist auch höchst unsexy, egal in welcher Situation!
„Du glaubst aber eigentlich nicht, dass er dich anlügt, oder?“, greift er mein Dilemma auf.
Ich schüttle den Kopf.
„Ich will das nicht glauben und eigentlich kann ich mir das auch nicht wirklich vorstellen bei ihm … So ist er nicht.“
„Dann würde ich fahren. Wirklich. Schreib ihm, dass du auf jeden Fall auf einen Krankenbesuch vorbei kommst. Vielleicht geht es ihm morgen ja auch schon viel besser. Das wird schon, Kleiner. Nur nicht aufgeben…“, lächelt er mich etwas gequält an und plötzlich habe ich ein schlechtes Gewissen, ihm hier die Ohren voll zu jammern obwohl es ihm vermutlich selbst nicht besonders gut geht.
Aufmerksam betrachte ich ihn. Er sieht übermüdet aus, selbst wenn er versucht zu lächeln und sein leerer Blick gefällt mir auch nicht besonders, ebenso wenig wie das Glitzern in seinen Augen. Diese dunkelbraunen Schokoladenaugen sollten nur aus angenehmen Gründen strahlen: Vergnügen, Schalk, Lust…
„Bryan, ich…“
Vorsichtig greife ich nach seiner Hand um ihn aus seinen Gedanken zu holen, doch er entzieht sich sofort und steht kopfschüttelnd auf.
„Schon gut, ich…“ Leise schluckt er. „Pass auf, mach es dir doch schonmal im Wohnzimmer bequem, ja? Ich dachte, wir schauen uns ein paar DVDs an…?
Ich verschwinde kurz im Bad und beseitige das Chaos hier, dann bin ich gleich bei dir.“

 

Seelenstriptease - part 2

 

Himmel, allein dabei zuzusehen, wie er versucht fröhlich zu wirken, tut mir beinahe körperlich weh. Dennoch nicke ich brav und sehe ihm hinterher, als er die Küche verlässt. Anstatt mich jedoch ins Wohnzimmer zu begeben, fange ich lieber an hier ein wenig aufzuräumen. Es dauert nicht besonders lange und schon kann man den Raum wieder problemlos als Küche identifizieren. Selbst der Luxus einer Spülmaschine ist vorhanden und erspart mir schrumpelige Hände.
Nachdem ich mit meinem Werk zufrieden bin mache ich mich auf ins Wohnzimmer. Von Bryan ist noch keine Spur zu sehen und langsam macht mich dieser Umstand nervös.
Kurz versuche ich noch mich zu beschäftigen, aber als ich auch nach dem zweiten Mal DVDs durchgucken noch nichts gehört hab, schleiche ich mich doch in Richtung Badezimmer.
Die Tür ist nur angelehnt. Ich kann nichts sehen von hier draußen, aber da der Anstand gebietet, dass Menschen, die ihr Geschäft verrichten die Türen schließen, gehe ich einfach mal davon aus, dass ich nicht störe, wenn ich dort jetzt reingehe.
Leise schiebe ich die Tür auf. Bei dem Anblick der sich mir bietet, zieht sich mein Herz zusammen. Vollkommen apathisch, die Stirn an das Glas gelehnt, steht dieser wunderschöne, junge Mann vor dem Spiegel. Verzweifelt und … weinend?
Oh verdammt, ja … das da ist eindeutig eine Träne auf seiner Wange.
„Bryan…“
Meine Stimme ist nur ein Hauchen und schneller, als er aufblicken kann, bin ich bei ihm.
„Hey, Bry…“
Sacht greife ich erneut nach seiner Hand und mit der anderen drehe ich ihn zu mir, sehe ihm in die Augen und streiche schließlich das salzige Nass von seiner Haut. Dieses Mal entzieht er sich nicht. Doch wieder versucht er es zu überspielen, wischt sich verschämt mit dem Arm übers Gesicht.
„Es ist nichts… Ich bin bloß ein wenig…“, zuckt er mit den Schultern.
„Shh…schon gut. Komm erstmal mit. Komm…“
Sanft ziehe ich ihn hinter mir her ins Wohnzimmer und drücke ihn auf die Couch. Ahnend, dass ihm zu viel Nähe vielleicht gerade unangenehm sein könnte, lasse ich mich neben ihn fallen, auch wenn ich ihn am liebsten in meine Arme schließen würde. Das einzige, was bestehen bleibt, ist der Kontakt unserer Hände. Leicht streiche ich mit dem Daumen über seinen Handrücken während er hektisch umherblickt und um Kontrolle ringt.
Leise rede ich auf ihn ein, versuche, ihn wieder runter zu bringen. Was nur ist passiert, dass dieser sonst so starke Mann wie ein Häufchen Elend vor mir sitzt…?
„Shh… sieh mich an Bry, bitte…“
Nur langsam kommt er meiner Aufforderung nach. Die Tränen sind versiegt, doch mir kommt es vor, als wäre alles an seinem Körper auf Flucht programmiert. Und ich soll Recht behalten. Im nächsten Moment sieht er mich beinahe erschrocken an.
„Ich – es tut mir leid! Ich wollte nicht… Ich will dich hier nicht volljammern, ich…“
Schneller als ich gucken kann springt er von der Couch auf.
„Was willst du überhaupt trinken?! Ich hab –“
„Bryan!“
Energisch ziehe ich ihn an seiner Hand wieder zurück auf’s Sofa. Meine Güte…
„Bryan…“, werde ich wieder sanfter. „Erzähl mir was passiert ist. Erzähl es mir, Großer… Was um alles in der Welt ist passiert, dass du so durch den Wind bist, hm?“
„Nein, bitte… ich wollte doch nur…“
Besorgt sehe ich dabei zu, wie sich seine Hand in den Stoff unter uns krallt.
„Ich dachte… wenn ich nicht alleine bin… mich ablenke… deswegen hab ich dich gefragt…“
Hoffnungsvoll sieht er mich an.
„Können wir nicht einfach einen Film anmachen?“
Leicht schüttle ich den Kopf.
„Nein. Nein, das ist glaube ich keine gute Idee… Bitte. Manchmal tut es gut, darüber zu reden… waren das nicht vorhin noch deine Worte?“
Stumm sieht er mich an. Eine ganze Weile sitzt er nur erstarrt da, in sich selbst gekehrt, bevor ich sehr sehr leise vernehmen kann, was ihn so fertig macht…
„Er ist weg. Einfach … weg.“


Sprachlos und mit großen Augen sehe ich mein Gegenüber an. Das hat er jetzt nicht ernsthaft gesagt. Die nächsten Worte entkommen mir, noch bevor ich auch nur darüber nachdenke, dass es besser wäre, mich zu beherrschen.
„Weg?! Was soll das heißen – weg? Ist das mal wieder eine von seinen ‚Ich hab grad keinen Bock auf Bryan‘ – Phasen oder was?“
Verständnislos und mit zusammengepressten Lippen warte ich auf eine Antwort. Ich weiß ganz genau, von wem hier die Rede ist. Nur eine Person auf dieser Welt ist in der Lage, den Mann vor mir so aus der Bahn zu werfen. Mike. Dieses verfluchte Arschloch…
Die Geschichte zwischen Bry und ihm lässt sich kurz und knapp als einziges Drama bezeichnen. Niemand kann mir erzählen, dass Bryan für diesen Typen mehr als ein kleines Spielzeug, mehr als ein Mittel zum Zweck ist. Aufgegabelt – durchgevögelt – fallengelassen und bei Bedarf wieder zu sich gepfiffen. In Dauerschleife! Und dennoch liebt Bryan diesen Idioten ...
Während ich Mike innerlich schon an die Gurgel gehe – ja, ausgeprägter Beschützerinstinkt – registriere ich, wie mein Gegenüber mit leerem Blick den Kopf schüttelt. Es ist unschwer zu erkennen, dass meine Worte ihn getroffen haben und er erneut um Fassung ringt, doch diesmal ist sein Bemühen umsonst. Die Tränen sind da, bevor er sein gehauchtes „Nein“ hervorbringen kann und bei dem Kummer, der sich in seinen schimmernden, schokoladenbraunen Augen spiegelt, kann ich nicht anders als näher an ihn heran zu rutschen und schließlich doch sanft meine Arme um ihn zu legen.
Als wäre das für seinen Körper ein Startsignal gewesen, entkommt ihm ein Schluchzen und ich spüre, wie er aufhört, sich dagegen zu wehren. Langsam weicht die Spannung in ihm und erleichtert merke ich, wie er sich gegen mich sinken lässt.
Es ist nicht besonders einfach, so eine einigermaßen bequeme Position einzunehmen, doch mit etwas Mühe gelingt es mir, ihn mehr oder weniger zwischen meine Beine zu bugsieren, während er seinen Tränen endlich freien Lauf lässt. Weinen beruhigt, wirklich. Ich spreche da aus Erfahrung und nein, ich habe kein Problem damit, das zuzugeben.
Dass er dabei mein Shirt durchnässt ist mir gleichgültig. Behutsam streiche ich mit einer Hand über seinen Rücken, rauf und runter, immer wieder. Am liebsten würde ich aus Solidarität mitweinen, aber ich fürchte, damit ist keinem geholfen.
„Warum…? Wie kann er -?“
Schmerzhaft krallt sich eine Hand durch den Stoff meines Shirts in die Haut meiner Brust. Ich werde mich allerdings hüten das verzweifelte Etwas hier darauf aufmerksam zu machen, jetzt wo er endlich so etwas wie einen Erklärungsversuch startet.
„Wie kann er mir das nur antun…?“
Erneut entkommt ihm ein Schluchzen und ich frage mich inzwischen wirklich, was vorgefallen ist. Es scheint auf jeden Fall wesentlich schlimmer zu sein als alles ,was vorher zwischen ihnen war. Ich meine, allein dass Bry sich jedes Mal wieder auf mich eingelassen hat – selbst nachdem er Mike kennengelernt hatte - spricht doch Bände, oder?

Nachdem weitere Minuten vergangen sind, in denen ich nichts weiter getan habe als ihn zu halten, beginnt er endlich, die Kurzfassung des Dramas wiederzugeben. Seine Stimme klingt erstickt, als es aus ihm hervorsprudelt.
„Er ist einfach abgehauen. Einfach so … weg. Wir – wir haben uns schon eine Zeit nicht mehr gesehen und … irgendwann kam mir das seltsam vor. Ich mein, nicht dass es etwas Neues wäre, dass er nicht auf meine Anrufe antwortet …“
Kurz drücke ich ihn ein wenig mehr bei diesen bitteren Worten. Nein, in der Tat war das nicht das erste Mal. Genau genommen ist diese Abweisung eher an der Tagesordnung, soviel habe ich bei unseren gelegentlichen Treffen dann doch mitbekommen. Doch Bryan ist noch nicht fertig, also lausche ich weiter und verstaue meine schwelende Wut schön in einer Kiste in meinem Inneren, bereit sie jederzeit rauszulassen sollte das nötig sein.
„Aber dieses Mal… er war nicht mehr auf den Partys, nicht mal eines seiner Betthäschen hat ihn noch gesehen. Irgendwann bin ich dann zu seiner Wohnung, wollte nur sichergehen dass alles in Ordnung ist, und –“
Schluckend presst er sein Gesicht in meine Halsbeuge und langsam lasse ich meine Hand durch seine verwuschelten Haare streichen.
„Shh, langsam ... Lass dir Zeit Bry…“, nuschle ich leise.
Ihm ist deutlich anzumerken, wie schwer es ihm fällt, darüber zu reden. Ich spüre ein Nicken und dann ein tiefes Durchatmen, ehe er wieder ansetzt.
„Die Nachbarin hat es mir erzählt. Sie kam verwundert aus der Tür, nachdem ich ein paar Mal geklingelt hatte und immer noch verwirrt dort herumstand.
Was ich denn dort suche, dort wohne doch schon seit Wochen keiner mehr. Ob ich denn nicht wüsste, dass Herr Rolin nach Süddeutschland gezogen wäre. Es wäre ein riesiges Umzugsunternehmen am Werk gewesen.
Kannst du dir vorstellen, wie verarscht ich mich gefühlt habe? Ich glaub‘ ich hab die Alte angeguckt als wäre sie der letzte Mensch auf Erden…“
Der Anflug eines selbstironischen Lächelns huscht über sein Gesicht, bevor ein weiteres leises Schluchzen zu vernehmen ist. Ich bin ehrlich gesagt ein wenig fassungslos. Da ist dieser feige Mistkerl also tatsächlich einfach abgehauen. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich darüber nicht sehr traurig bin. Meiner Meinung nach ist Bry ohne ihn hundertmal besser dran, auch wenn es ihm jetzt das Herz bricht. Ich hüte mich natürlich, ihm das so auf die Nase zu binden und beschränke mich weiterhin darauf, ihm das zu geben, was er jetzt braucht: eine gehörige Portion Trost und Nähe. Nur eines kann ich mir nicht verkneifen, und da ich vermute, dass er ohnehin ahnt, was ich von Mike halte, brauche ich die Worte auch nicht herunterzuschlucken.
„Mike ist ein Arschloch! Es tut mir leid Bry, wirklich … aber jemand, der so mit dir umgeht, der hat dich einfach nicht verdient. Ich weiß, du willst das nicht hören, aber so ist es.“
Wieder lächelt er leicht, als er meine Worte vernimmt. Ich spüre es an meinem Hals. Vorsichtig löst er sich ein wenig von mir und sieht mich an, nickt leise.
„Ich weiß. Ich weiß ja, dass du Recht hast… aber erzähl das bitte auch meinem dummen Herz…“
Das neuerliche Nass, das sich den Weg aus seinen Augen sucht, wird von meinem Daumen aufgefangen. Langsam aber sicher beruhigt er sich ein wenig, sieht mich gequält lächelnd an. Noch immer sitzt er halb auf meinem Schoß und wenn es nach mir geht, kann das auch gerne weiter so bleiben. Es ist warm und gemütlich und ich mag es, so mit ihm zusammenzusitzen – auch wenn die Umstände zu wünschen übrig lassen.
Viele von euch mögen jetzt denken: Na, wenn da nicht doch Gefühle im Spiel sind!
Aber ich kann euch versichern: Sind es nicht. Jedenfalls keine, die über Freundschaft und ja, auch sexuelle Anziehung, hinausgehen. Ich bin nur wirklich gerne für die Menschen da, die mir wichtig sind, ebenso wie sie für mich da wären und das steht bei Bryan außer Frage.

Weitere Minuten vergehen, in denen jeder für sich seinen Gedanken nachhängt. Mittlerweile ist das Schluchzen in ein seltenes, leises Schniefen übergegangen und ich bin froh, heute Abend hier zu sein. Soweit ich weiß, hat Bryan sonst kaum jemanden, der sich seiner annehmen könnte. Kontakt zu seiner Familie hat er nicht mehr. Die genauen Umstände dazu kenne ich nicht, auch wenn ich es erahne. Und großartig andere Freunde… keine Ahnung, aber darauf wetten würde ich nicht, sonst wäre ich wohl nicht hier.
Beinahe zucke ich zusammen, als er sich schließlich leise räuspert. Fragend sehe ich ihn an. Er sieht fertig aus. Fertig und unendlich müde. Seine Wangen sind leicht gerötet und schnell wendet er den Blick ab, ehe er zu sprechen beginnt.
„Ich… Hör mal, Zack ... es tut mir wirklich leid. Ich habe dich ganz bestimmt nicht gebeten vorbeizukommen, um dich mit meinen Problemen zu belästigen. Ich wollte wirklich nur etwas Ablenkung, eigentlich… und du, du sitzt hier, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Also, danke… wirklich.“
Ich kann nicht anders, als bei seinen Worten zu lächeln. Es ist ihm unangenehm, das ist leicht zu erkennen, aber er lässt es zu, dass ich mit meinen Fingern seinen Kopf zu mir drehe und seinen Blick suche.
„Weißt du, Bry, das könnte daran liegen, dass es für mich selbstverständlich ist. Ganz egal, aus welchem Grund ich eigentlich hier bin, es geht dir nicht gut und nichts auf der Welt läge mir ferner, als dich damit allein zu lassen. Geht das in dein hübsches Köpfchen, mein Freund?“
Ernst sehe ich ihn an und als er dankbar lächelt, weiß ich, dass die Botschaft angekommen ist. Gut so. Alles andere hätte ich auch nicht akzeptiert.
Noch einmal streiche ich sanft über seine Wange und blicke dann zum Schlafzimmer.
„Ich glaube, wir sollten langsam ins Bett gehen. Nimm’s mir nicht übel, aber du siehst verdammt fertig aus, Großer“, lächle ich ihn an und bugsiere uns vorsichtig vom Sofa.
„Bleibst du…?“, fragt er leise, als wir nebeneinander auf dem weichen Teppich neben der Couch stehen und verwundert sehe ich ihn bei diesen Worten an.
„Natürlich bleibe ich. Du glaubst jawohl nicht, dass ich dich heute Nacht allein mit deinem Gefühlschaos in diesem riesigen Bett schlafen lasse! Soweit kommt das noch…“
Ruhig greife ich nach seiner Hand und führe ihn in Richtung seines Bettes.
„Ich verschwinde nur noch eben im Badezimmer, bin gleich wieder da…“
Schnell hole ich meine kleine Tasche aus dem Flur und erledige meine Abendtoilette, bevor ich zu ihm zurückkehre. Bry sitzt inzwischen lediglich in Shorts und T-Shirt gekleidet auf der Bettkante, in Gedanken versunken, wie es scheint. Leise seufze ich. Ich hoffe, dass es ihm zumindest ein wenig geholfen hat, darüber zu sprechen, aber natürlich nimmt das noch lange nicht den inneren Schmerz. Leider. Ich wünschte, es gäbe ein Heilmittel dagegen, doch da mache ich mir keine Illusionen.
Ich tapse zum Nachttisch und mache die kleine Lampe dort an, ziehe mich aus und lösche das große Licht, bevor ich auf das Bett krabble. Schräg hinter ihm lasse ich mich auf die Knie sinken und fahre federleicht mit meinen Fingern seinen Nacken entlang.
„Komm schon, Bry… leg dich hin.“
Einladend hebe ich die Bettdecke an und mit einem verlorenen Blick auf mich lässt er sich darunter gleiten. So tief verletzt… Ich möchte mir nicht einmal vorstellen, wie er sich fühlt. Dieser Mann neben mir ist nur ein Schatten seiner selbst, anders kann ich es nicht beschreiben und ich hoffe wirklich sehr, dass er diesen Mistkerl vergisst und zu seinem alten Ich zurückfindet. Nicht nur gespielt, sondern ganz und gar.
Leise schlucke ich, greife über ihn hinweg und knipse auch das kleine Licht aus, bevor ich unter die Decke krieche. Langsam rutsche ich an ihn heran. Er hat sich noch nicht bewegt, seit er sich hingelegt hat, doch als ich vorsichtig meinen Arm um ihn lege dreht er sich zu mir und schmiegt sich an mich. Ich spüre, wie er zitternd ein- und ausatmet und beginne erneut, beruhigende Kreise auf seinem Rücken zu malen. Eine seiner Hände krallt sich wieder in den Stoff meines Shirts und es dauert sehr sehr lange, bis er endlich in einen unruhigen Schlaf fällt.
Es kommt mir vor wie Stunden, bis Bryan sich beruhigt und ich mir schließlich selbst erlaube, die Augen zu schließen.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 09.11.2015

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