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Kein Wille am Weiterleben

Ich erwachte und die Sonne schien schon gegen die zugezogenen Vorhänge meines Fensters. Und doch brach sich ein Sonnenstrahl, durch ein Loch im Vorhang den Weg in mein Zimmer und schien direkt auf die Türklinke. Langsam nahm ich die Realität wahr und bemerkte, dass ich nicht mehr in meinem Bett zu Hause lag, sondern mich wieder einmal im Krankenhaus befand. Mein Name ist Patric von Wohlheide und ich bin 36 Jahre alt. Seit meinem 26. Lebensjahr leide ich an einer sehr schweren Krankheit, welche aber über einige Jahre nicht erkannt wurde. Gut, dass kann auch an mir persönlich liegen, da ich Ärzte gern von hinten sehe, als sie aufzusuchen. Am Anfang konnte ich die Symptome noch mit Tabletten, unterschiedlichsten Salben oder Tropfen selbst kurieren. Als es dann aber nicht mehr auszuhalten war, suchte ich doch einen Arzt auf und dies bereue ich heute noch. Meinen Körper kann ich kaum bewegen und so versuchte ich, mich etwas umzuschauen. Ich war an einigen Apparaten angeschlossen und auch zwei Infusionsbeutel waren an meinen Armen angeschlossen. Weshalb lag ich eigentlich hier? Meine Tür wurde geöffnet und eine Schwester sah sich meine Werte an. Da der eine Beutel fast alle war ging sie wieder hinaus und kam kurze Zeit später mit einem Vollen zurück, welchen sie sogleich anschloss. Kein Wort hat sie mit mir gesprochen und ihr Gesicht war sehr ernst. Dann verließ sie mein Zimmer und meine große Schwester kam herein. Nun wurde mir einiges klar. „Hallo Brüderchen, wie geht es dir“? Ich drehte meinen Kopf weg, auch wenn ich einige Schmerzen dabei hatte. Ich wollte mich einfach nicht mit ihr unterhalten. Sie setzte sich neben mein Bett und ergriff meine Hand. „Sei mir bitte nicht böse, doch musste ich so handeln. Du bist mein kleiner Bruder und ich konnte dich nicht sterben lassen, auch wenn du es gern wolltest“!

 Aber nun zum Anfang. Ich war 24 Jahre und arbeitete ich einem Chemieunternehmen, welche die verschiedensten Pestizide herstellte. Mein Studium im Bereich Bio-Chemie habe ich erfolgreich mit meinem Staatsexamen abgeschlossen und ich freute mich echt auf die Herausforderung, neue Mittel gegen Pestizide zu entwickeln. Gut, wenn ich richtig in der Forschungsphase war, habe ich es nicht so genau genommen, mich gegen bestimmte Chemikalien ausreichend zu schützen. Mich jedes Mal in Vollverkleidung anzuziehen, nur um ein Paar Tropfen eines chemischen Wirkstoffes zu verwenden, war mich zu anstrengend und zu zeitaufwändig. Also habe ich es oft ohne Schutzkleidung durchgeführt. Mir war zwar bewusst, dass die Dämpfe gesundheitliche Schäden verursachen können, doch weshalb denn ausgerechnet bei mir? Ich war Jung und trieb außerdem noch zwei Mal in der Woche Sport. Also, was sollte mir schon passieren? Dann kam aber die Zeit, als ich mich immer Schlapp und Müde fühlte, auch wenn ich genügend geschlafen hatte. Auch meine sportlichen Aktivitäten fielen mir immer schwerer. Regelmäßig kontrollierte ich mir dann meinen Blutdruck und er war immer viel zu niedrig. Also trank ich viel Kaffee, was ich sonst eigentlich nie tat und er stabilisierte sich wieder. Einige Monate später, meine Schwester besuchte mich seit langen wieder einmal, sagte sie mir, dass ich sehr blass und dünn bin. Mir selbst ist dies nicht aufgefallen und ich sah mich einmal genauer an. Sie hatte leider Recht. Auch hatte ich viele blaue Flecke, doch hatte ich keine Ahnung, woher diese kamen. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mich irgendwann einmal irgendwo gestoßen hätte. Als mir dann wirklich Schwindlig wurde und ich zusammengeklappt war, rief sie einen Notarzt, welcher mich mit ins Krankenhaus genommen hatte. Und nun begann der Teil, den ich am meisten hasste. Ein Untersuchungsmarathon. Immer neue Ärzte tauchten auf und noch mehr Blut wurde abgenommen. Ich wurde in den Computertomografen geschoben und in den Magnetresonanztomographen geschoben. Wozu sie all diese Untersuchungen machten, wusste ich noch immer nicht, da ich sehr viel geschlafen habe. Den Großteil habe ich nicht einmal mitbekommen. Nun kam aber der Tag, an dem der Oberarzt zur Visite kam und mit mir sprechen musste. Wenn ich noch an den Tag zurück denke, wird mir heute noch ganz schlecht. Ich hatte schon einige Ärzte kennen gelernt, doch noch keinen, der mit solch einer Gefühlskälte mir die Diagnose mitteilte. Wie gesagt, ich war gerade einmal 26 Jahre und mir wurde mitgeteilt, dass ich an Akuter Lymphatischer Leukämie, ALL erkrankt sei, also Blutkrebs habe. Er sagte mir noch, dass er später noch einmal zu mir kommen würde, um die Behandlung mit mir durchzugehen. Dann stand er auf und ließ mich allein in meinem Zimmer zurück. Bevor ich so viel abgenommen hatte, war ich ein wirklich gut aussehender junger Mann. Nun war ich leider nur noch ein Schatten meiner selbst. Da ich einiges über die Krankheit wusste, konnte ich mir schon vorstellen, was auf mich zukommen würde. Infusionen, Tablette und Bestrahlungen und diese haben eine Menge Nebenwirkungen. Wollte ich wirklich mit 26 Jahren mit einer Glatze herumlaufen? Sollte ich mich wirklich über viele Monate im Krankenhaus einrichten, für was? Ich hatte keine Freunde und auch keinen Partner. Wer sollte mich also vermissen? Gut, vielleicht meine große Schwester, doch als unsere Eltern bei einem Unfall ums Leben kamen, hatte sie das auch überwunden. Nach vier Stunden kam dann ein jüngerer Arzt und er war wesentlich freundlicher und auch mitfühlender. Er berichtete mir, dass ich bestimmt schon achtzehn bis vierundzwanzig Monate die Krankheit in mir habe und es jetzt schnell gehen muss, damit die Therapie begonnen wird. Wow, wow, wow… das ging mir nun doch etwas zu schnell. Sollte die Krankheit wirklich schon so lange in mir sein, kommt es auf ein, zwei oder drei Tage auch nicht an. Und dies sagte ich ihm auch. „Hören sie, ich bin der Patient und sie sind der Arzt. Noch bestimme ich, was gemacht wird und was nicht. Vor allem aber, wann ich etwas machen lasse“. Jetzt schaute er mich völlig perplex an und sagte; „wollen sie denn nicht gesund werden, um weiter zu Leben“? Jetzt musste ich Lachen. „Für wen oder was soll ich denn weiter Leben? Damit ihr Krankenhaus für meine Behandlung eine Menge Geld von meiner Krankenkasse absahnt und es nicht einmal klar ist, ob die ganzen Behandlungen auch Erfolg haben“? Er sagte mir doch tatsächlich, dass man dies nicht so betrachten dürfe und eine Leukämiebehandlung eben seine Kosten verursacht. Nun konterte ich aber; „während meiner ganzen Untersuchungen haben drei Ärzte ein und das selbe bei mir untersucht und alle drei werden ihre Leistung bei der Krankenkasse abrechnen. Wie nennen sie denn diese Methode? Ich bezeichne es als Geldeintreibung, denn eine dieser Untersuchungen hätte gereicht“! Darauf konnte er mir keine Antwort geben und fragte deshalb; „wie wollen wir nun weiter machen“? Ich sagte ihm, dass ich für drei Tage nach Hause möchte und danach wieder hier erscheinen werde. Erst dann würde ich mich entscheiden, ob ich eine Therapie machen werde oder nicht. Er nickte und wollte die Entlassungspapiere ausstellen lassen. Ich zog mich an, packte alles in meine Tasche und ging zum Empfang. Dort lagen meine Entlassungspapiere, einen Durchschlag händigte man mir aus und ich fuhr nach Hause. Als erstes brühte ich mir eine Kanne Tee und als dieser seine Zeit gezogen hatte, goss ich mir einen Becher ein und gab zwei Löffel Zucker dazu, welchen ich mit einem Kaffeelöffel verrührte. Ich ging auf meine Terrasse, trank meinen Tee und sah mich in meinem Garten um. Meine Stimmung war nicht die Beste. Plötzlich stand meine Schwester neben mir und viel mir um den Hals. „Ich war im Krankenhaus und man sagte mir, dass du nach Hause wolltest. Was ist mit dir los und vor allem, was hast du eigentlich“? Ich bat sie, ob sie die Teekanne und den Zucker holen könnte und sich dann zu mir zu setzen. Dies machte sie und ich berichtete; „also, ich habe seit 1,5 oder 2 Jahren Leukämie und die wollen sofort mit der Behandlung beginnen. Patricia, ich bin 26 Jahre und habe keine Lust mit Glatze herum zu laufen. Auch ist nicht einmal gesichert, dass die Therapie erfolgreich verlaufen wird. Was, wenn sie zurück kommt und ich dann eine schlimmere Therapie machen muss. Dann lass ich es lieber ganz und gehe zu Mami und Papi“! Ihre Augen weiteten sich und sie schrie mich an. „Das kann nicht dein Ernst sein. Willst du mich ganz allein lassen, ich brauche dich doch! Wir haben doch nur noch uns“! Gut, von dieser Seite betrachtet hat sie natürlich Recht, aber; „Patricia, wenn du die Krankheit hättest und vor der Wahl stündest, wie würdest du dich entscheiden“? Aus ihren Augen kullerten Tränen und sie sagte; „Patric, ich kann dir die Frage nicht beantworten. Da ich aber einen Mann und einen Sohn habe, ich glaube, ich würde die Therapie machen. Da du aber niemanden hast…“. Sie stand auf, kam auf mich zu, setzte sich auf meinen Schoß und legte ihren Kopf auf meine Schulter. Leise weinten wir vor uns hin. Nach einer ganzen Weile gab sie mir einen Kuss auf die Wange und sagte; „Bruderherz, die Entscheidung kannst nur du allein fällen, denn ich werde dir nicht hinein Reden. Ich komme morgen wieder zu dir und dann können wir uns in Ruhe über alles unterhalten. Sie verlies mich und ich war nun mit meinen Gedanken wieder allein. Das Schlimmste aber war, ich wusste nicht, wie lange es dauern würde, bis mein Körper aufgab. Einen Monat, ein Jahr oder noch zehn Jahre? Würde es schmerzlos verlaufen oder mit wahnsinnigen Schmerzen. Und dies bereitete mir Angst. Wie lange ich hier gesessen habe, kann ich nicht mehr genau sagen. Auf alle Fälle wurde es doch ziemlich kalt und ich ging wieder hinein. Obwohl ich wirklich keinen Hunger verspürte, wärmte ich mir eine Dosensuppe auf und aß die Hälfte davon. Mehr bekam ich einfach nicht hinunter. Danach löschte ich alle Lichter und ging nach oben in mein Schlafzimmer. Ich zog mich aus, und lief ins Bad. Dort duschte ich ausgiebig, putzte mir meine Zähne und legte mich dann in mein Bett. Meine Gedanken schaltete ich aus und war sofort eingeschlafen. Munter wurde ich mitten in der Nacht und ich war klitsch nass. Ich kann nicht einmal sagen, ob ich etwas geträumt hatte, jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern. Ich ging also nochmals duschen, legte eine Wolldecke auf mein feuchtes Laken, legte ein frisches Laken darauf und drehte meine Zudecke. Dann schlief ich wieder ein und wurde dann von meiner Schwester, gegen 14.00 Uhr geweckt. Mir tat alles weh, als ob ich drei Marathons gelaufen wäre. Langsam erhob ich mich, duschte, putzte mir die Zähne und zog mir etwas über. Ich ging dann nach unter, wo der Tee schon auf mich wartete. Patricia sah mich nur an und meinte, dass ich nicht gut aussehen würde. Aber dass hatte ich schon, durch einen kurzen Blick in den Spiegel, selbst gesehen. Im Wohnzimmer saßen wir beieinander und haben uns über alltägliche Dinge unterhalten. Meine Krankheit haben wir heute total ausgeblendet. Ich hatte auch keine Lust darüber zu Reden und sie schien dies zu spüren. Erst als es dunkel wurde verabschiedeten wir uns und ich war wieder allein. Ich aß den Rest Dosensuppe von gestern und machte mich wieder fürs Bett fertig, obwohl es noch nicht einmal zwanzig Uhr war. Auch heute war ich sehr schnell eingeschlafen und schlief sogar durch. Am Morgen weckte mich die Sonne, ich stand auf, machte mich fertig und zog mich an. Danach packte ich mir meine Tasche fürs Krankenhaus, denn ich musste die Therapie machen, ich wollte meine Schwester nicht allein lassen. Einen Versuch musste ich unternehmen, egal wie es ausgeht. Gegen fünfzehn Uhr kamen Patricia, Robert – ihr Mann und Michael, mein Neffe. Sie brachten Kuchen mit und ich kochte für sie Kaffee, für Michael Kakao und für mich Tee. Als wir fertig waren und alles wieder abgeräumt hatten, gingen wir ins Wohnzimmer und setzten uns. „Ich muss euch etwas mitteilen. Morgen gehe ich wieder ins Krankenhaus und lasse die Therapie machen. Patricia, ich kann dich noch nicht alleine lassen“! Sie stand sofort auf, kam auf mich zu und umarmte mich. „Danke, Bruderherz. Ich liebe dich“! Sie wollten mich so oft es geht im Krankenhaus besuchen und ich sagte ihnen, dass es reicht, sollten sie einmal die Woche erscheinen. Als sie gegangen waren bestellte ich mir noch eine Salamipizza und als ich diese verspeist hatte, machte ich mich fürs Bett fertig. Ich schlief ruhig ein und wachte gegen acht Uhr wieder auf. Danach erledigte ich meine Morgentoilette, zog mich an und fuhr ins Krankenhaus. Nach der Anmeldung brachte man mich wieder auf das Gleiche Zimmer und ich packte alles aus. Das Wichtigste war mein Handy und mein Laptop. Zwei Stunden später kam wieder der junge Arzt vom letzten Mal und erklärte mir,

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Jörg R. Kramer
Bildmaterialien: Jörg R. Kramer
Cover: Jörg R. Kramer
Lektorat: Jörg R. Kramer
Korrektorat: Jörg R. Kramer
Tag der Veröffentlichung: 12.09.2021
ISBN: 978-3-7487-9424-0

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