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End of Times

Er hörte die Stimme noch bevor er sie sah. Jake... Jake... Er erkannte sie sofort. Nein... nein, das konnte nicht sein. Er wollte nicht, dass sie schon wieder da waren.
Jake... Jake... Er wandte sich, wollte fort laufen, doch seine Beine waren am Boden fest gewachsen. Er sah sich um, doch es war alles schwarz. So schwarz...
Jake... Jake...
„Nein!“, schrie er, doch aus seinem Mund entfuhr nur ein Luftzug.
Jake... Jake... Die Stimme wurde immer lauter und lauter, dann sah er sie. Ihr Gesicht lag im Dunklen, verdeckt durch die Kapuze ihres Umhangs.
Lass mich nicht allein, bitte... Du darfst mich nicht verlassen, bitte, nein... Jake... Jake!
Schweißgebadet wachte Jake auf. Seine Finger krallten sich in die Bettdecke und auf dem weißen Bettlaken hatte sein Körper einen nassen Abdruck hinterlassen, so sehr hatte er geschwitzt. Das wievielte Mal war es nun? Wie oft hatte er von ihr geträumt? Es ließ ihm einfach keine ruhe. Zitternd stand er auf und stolperte zum Waschbecken. Keuchend spritzte er sich kaltes Wasser ins Gesicht und sah in den Spiegel. Das Gesicht eines aufgeweckten, 17 jährigem Jungen blickte ihm entgegen, doch in seinen Augen lagen solch tiefe Schatten, dass Jake sie selbst fast nicht erkannte hätte.
„Jake...“ Erschrocken blickte Jake auf und erkannte einen Schatten, kaum größer als seine Hand, der neben seinem Kopf schwebte.
Jake zuckte zusammen. Jetzt verfolgten ihn seine Träume sogar in die Wirklichkeit... Er schloss die Augen und sah erneut in den Spiegel. Doch die Gestalt schwebte immer noch hinter ihm. „Jake...“
Sie sprach seinen Namen so gut aus. Er klang ihm in den Ohren nach, doch er wollte die Stimme nicht hören.
„Wir hatten eine Abmachung“, meinte er und schloss die Augen. Sie waren wieder da. Nein, nein das durfte nicht sein. Er musste noch schlafen. Er lag noch in seinem Bett. Doch stattdessen legte sich ihre Hand auf seine Schulter. Jake zuckte zurück. So weit war sein Traum noch nie gegangen. Die Berührung war so... gut. Er hatte sich wochenlang nach ihr gesehnt. Doch dann fegte er die winzige Hand auf seine Schulter entschlossen weg. Er durfte nicht noch einmal zu lassen, dass er sich in ihr verlor.
„Es geht um Thela... Sie... Will dich sehen“. Plötzlich schwankte die Stimme der Elfe.
„Wir hatten eine Abmachung. DU hast gegen sie verstoßen!“, rief Jake heftig.
„Jake... Bitte... Nur das eine Mal“
„Nein“ Die Sehnsucht nach Thela zerriss ihm fast das Herz. Es tat so weh, an sie zu denken.
„Bitte... Jake... Sie... liegt im Sterben“. Die Worte klangen zu hart für eine Elfe und doch verfehlten sie nicht ihre Wirkung.
„Was?!“, schrie Jake entsetzt.
„Ja, sie... sie wurde von einem Grolf angefallen und will dich sehen. Wir können sie nicht mehr retten...“
Irgendetwas stimmte da nicht. Jake atmete tief durch. „Aber... Wir haben darüber geredet. Ich kann nicht mehr zurück, vielleicht kann ich dann nie mehr hierher zurück...“
Die Elfe sah ihn böse an und ihre Haare verfärbten sich pechschwarz. Zauberhaare. Wie lange hast du nach ihnen recherchiert und nie gefunden?
„Jake! Das ist völlig egal, Thela kann jeden Moment sterben!“
Jake schluckte. Er wusste, dass es das Falsche war, was er tat, aber er konnte nicht anders. Die Sehnsucht raubte ihm einfach die Kraft für Protest.
„Ich ziehe mir nur kurz etwas an“
Die Kleider hatte er natürlich drüben gelassen, aber eine Jeans und ein T-shirt mussten reichen. „Es sind die sieben Sommerjahre, oder?“, fragte er unsicher. Wann hast du aufgehört, die Zeit mitzuzählen, die dort vergeht?
Als die Elfe nickte wollte er noch ein Messer und Nahrung einpacken, doch sie winkte ungeduldig. „Sie wird sterben. Der Tod kommt bald...“
Jake ließ seinen Rucksack fallen. Es ist nur für kurz, Jake. Bald wirst du wieder zu Hause sein. Du wirst sie nur kurz besuchen... Doch das Gefühl, etwas falsch zu machen ließ ihn nicht in Ruhe. Die Elfe sah ihn auffordernd an und verblasste langsam. „Ich verlasse mich auf dich“
Jake schritt langsam zu seinem Schreibtisch. War es nicht vielleicht doch nur ein Traum? Sicher. Dann konnte er es tun. Also griff er nach dem kleinen Stein, der auf seinem Schreibtisch lag warf ihn unruhig hin und her. Seine Tante würde es nicht merken, dass er fort war, es würde nur ein paar Stunden dauern und draußen schien noch immer der runde Vollmond durchs Fenster. Also holte er tief Luft und rieb den Stein. Fast augenblicklich erschienen die Schriftzeichen in dem grauen Material, als hätte der Schlüssel nur darauf gewartet, entdeckt zu werden. Jake sprach die Wort leise aus, trotzdem erfüllten sie ihn mit einem wunderbaren Gefühl, das Gefühl, nachdem er sich wochenlang gesehnt hatte. Wie oft hatte er den Stein schon in der hand gehabt und schließlich doch wieder fort gelegt? Nun war es zu spät. Noch während er durch die Luft geschleudert wurde, wusste er, dass er einen Fehler gemacht hatte.


2. Kapitel

„Wo bleibt denn unser kleiner Held?“, fragte der Hauptmann der Krähen grinsend.
„Er wird nicht kommen“, knurrte Thela und versuchte, sich los zu reißen, doch die Krähe hinter ihr hatte sie zu gut im Griff. Die Fingernägel des Mannes waren schwarz angelaufen und krallten sich in ihr Fleisch, so spitz, dass sie vermutlich sogar durch ihren Mantel Abdrücke hinterlassen würden.
„Wir werden sehen, wir werden sehen...“, lächelte der Haupmtann und sein goldener Zahn blitzte hinter seinen Lippen auf. „Unser Held wird sicherlich nicht lange auf sich warten lassen“
Thela senkte den Blick zu Boden und starrte auf die spärlichen Grashalme, die zwischen den Steinen hervor wucherten und hoffte von ganzem Herzen, dass Jake nicht kommen möge. Doch die Vorstellung war zu verlockend... Seinen Duft wieder zu riechen, seine weiche Stimme zu hören und das wässrige blau seiner Augen zu betrachten. Wie lange hatte sie ihn nicht gesehen, wie viele Nächte seinen Namen in die Dunkelheit geflüstert? Und nun wurde sie selbst ihm zum Verhägnis.
„Bitte glaub ihr nicht. Du darfst ihr nicht glauben, Jake...“, flüsterte sie und hoffte so sehr, dass er der Elfe nicht vertrauen würde.
„Wo bleibt er?“, die Krähe wurde langsam ungeduldig. Seine langen, fettig schwarzen Haare fielen ihm über die Schultern und sein unrasiertes Kinn schob sich nach vorne, als er rief: „Hast du uns zum falschen Ort geführt, Mädchen? Na los, rede schon!“ Thela wurde geschüttelt und gerüttelt, die Krähe hinter ihr stieß ihr sein Knie in den Rücken, doch Thela antwortete nur: „Ich habe euch gar nichts gesagt! Es war Nijala, die euch den Ort verraten hat!“ Ihr lief ein Schauer über den Rücken, als sie daran dachte, wie die Krähen die Elfe dazu bewegt hatten, alles auszuplaudern, was sie wusste. Familie macht verletzlich...
„Er wird nicht kommen“, wiederholte Thela ihren Satz mit aller Überzeugung, die sie noch hatte.
Doch noch bevor der Hauptmann etwas erwidern konnte, hörte sie bereits das vertraute Klimpern. Nein! Nein, er ist nicht da... Nein...
Doch sie erkannte ihn sofort. Da stand er, in seinen fremdartigen Hosen und dem seltsamen Hemd, seine braunen Haare durcheinander und seine blauen Augen. Er sah sich verwundert um und Thela schrie: „Jake! Jake!“ Sie war so froh und gleichzeitig so verzweifelt, ihn zu sehen. „Lauf weg! Renn!“, schrie sie und schlug um sich, was ihr allerdings einen weiteren Kniestoß eibrachte.
Jake sah sich verwirrt um, dann erkannten seine Augen Thela und blitzten auf. Er betrachtete sie und machte einen Schritt nach vorne, doch er sah die Krähen nicht, die sich von hinten an ihn anschlichen.
„Renn, Jake! Es ist eine Falle!“, rief sie so laut sie konnte, doch fast augenblicklich drückte sich die widerliche Hand ihres Bewachers auf ihren Mund. Sie stank nach Moder und als ihre Lippen die raue Haut berührten, hätte sie sich beinahe übergeben.
Jake hatte sich inzwischen umgesehen und entdeckte die Krähen, die sich auf ihn zu bewegten. Nervös wich er ein paar Schritte zurück, während einer der Krähen sich die Faust in die Flache Hand schlug.
„Thela“, er hatte kaum Stimme, wie immer, nachdem er einen Weltensprung gemacht hatte.
„Lauf“, stieß Thela hervor, doch sie war sich nicht sicher, ob ihre Worte durch die kräftige Hand drangen. Inzwischen kniete sie auf dem Boden, so sehr hatte die Krähe sie mit Tritten trackiert.
Jake musterte sie unglaublich lange. Zu lange. Erst, als er sich anscheinend wirklich sicher war, dass mit Thela alles in Ordnung war wandte er sich von ihr ab und fiel auf die Knie. Was zum Teufel tat er da? Doch ihr fiel es wieder ein, als er auf den Boden herum rutschte und nach etwas suchte. Der Schlüssel, er musste den Schlüssel finden, der ihm aus der Hand gerutscht war. Aber die Krähen kamen immer näher und waren kaum noch ein paar Meter entfernt. Da! Nun hatte er etwas in der Hand und...
„Aaaaaah...“
Sein Stöhnen schmerzte ihr so sehr in den Ohren, dass sie sie sich am liebsten zu gehalten hätte, doch das war unmöglich. Eine der Krähen rupfte ihm den Stein aus der Hand und warf ihn zum Hauptmann, der ihn grinsend auffing.
„Jake William Sugarborth. Wer hätte gedacht, dass wir dich so leicht finden... Ehrlich gesagt hätte ich mehr von einer Legende erwartet!“
Jake, der flach auf dem Boden lag, rollte sich erstaunt herum und runzelte die Stirn. „Lege...?“ Doch er brach ab, als einer der Krähen ihn anraunzte: „Halt den Mund, wenn unser Chef redet, du Dummkopf!“
Jake schloss schnell den Mund und atmete tief durch. Dann sah er Thela an. Sein Blick war so voller Erinnerungen und Schmerz, doch es lag auch ein Funke von Wiedersehensfreude darin. Doch das durfte nicht sein. Er durfte sich nicht freuen, darüber, dass er sie wieder sah. Auch sie selbst fühlte dieses Kribbelige Gefühl in ihren Bauch. Sie wollte nicht, dass es so war, aber sie hatte ihn so sehr vermisst...
Sie wollte noch einmal schreien, aber sie hatte zu wenig Kraft dazu. Sie schaffte es nur noch, mit den Augenbrauen zu wackeln. Wenn er sich noch erinnerte, dann musste er nun laufen. Es war eine Abmachung. Aber auch die Elfe Nijala hatte die Abmachung gebrochen. Bitte bitte sei nicht so stur, wie noch vor 7 Jahren...
Aber Jake hatte ihr Zeichen gesehen. Ein paar Sekunden herrschte Stille auf der kleinen Lichtung, dann nickte er entschlossen. Binnen weniger Momente stand er auf den Beinen und spurtete davon, dem kleinen Wäldchen entgegen, dessen Baumkronen in der Ferne aufragten.
Die beiden Krähen blieben verwirrt stehen. Stark aber dumm.
„Hinterher!“, brüllte der Hauptmann und die beiden Krähen nickten. Wenn sie sich verwandelten, hatte Jake kaum eine Chance... Der Hauptmann warf lässig den Stein in die Luft und fing ihn wieder auf, während die Umhänge aus Federn sich zu einer Haut formten und immer kleiner wurden. Die beiden Krähen krächzten und erhoben sich in die Luft, sie flogen Jake hinrteher, der schon zu einem Punkt weit in der Ferne geschrumpft war. Krähen, eine Ausgeburt des Bösen.
„So, und nun zu dir...“ Der Hauptmann drehte sich langsam zu Thela um. Sie wusste, was nun kommen würde, doch sie hatte keine Angst. „Willst du uns nicht sagen, wo er hin läuft?“
Thela kniete zwar noch, trotzdem schob sie trotzig das Kinn vor und erwidertE: „Woher soll ich wissen, wo er hin läuft? Und selbst wenn ich es wissen sollte, werde ich es euch nicht sagen“
„Das würde ich mir zweimal überlegen“. Der Hauptmann beugte sich zu Thela herunter und packte sie am Kragen. „Sonst werden wir deinem kleinen Geliebten die Haut umkrmepeln...“
Geliebter... Das Wort löste ein seltsames Gefühl in ihr aus. Nicht Geliebter, nur Freund... oder? „Das würdet ihr auch ihne mein Zutun machen“, antwortete Thela und versuchte, ihr hämmerndes Herz unter Kontrolle zu halten.
Der Hauptmann sah sie böse an und gab ihr eine Ohrfeige, aber nicht mehr. Sie war schlimmeres gewohnt, seit sie Thela geschnappt hatten.
„Wo bleibt die Elfe?“, fragte der Hauptmann, doch im selben Moment erschien Nijala. Sie schien, wie immer, aus den Wolken zu fallen, aber das tat sie natürlich nicht. Kaum Einer kannte das Geheimnis der Elfen, das Können, plötzlich zu verschwinden und an einem beliebigen Ort wieder aufzutauchen. Nicht einmal Thela, die mehrere Jahre nach diesem Geheimnis geforscht hatte, hatte mehr in Erfahrung bringen können außer dass es nicht ihr eigenes Tun war. Ihre Theorie war, dass die ein Kraut nahmen, oder einen Trank, der ihnen dazu verhalf, die Materie ihres Körpers zu verringern. Aber egal, wie lange sie Nijala bearbeitet hatte, sie schüttelte immer nur den Kopf und sagte: „Thela, Thela... Wie oft soll ich es dir noch sagen? Du wirst es nicht erfahren, außer du gehst unter die Elfen“ Thela hatte verächtlich geschnaubt. „Wie soll ich unter die Elfen gehen? Sie sind ein feindseliges Volk und würden mich erschießen, ehe ich meine Bitte aussprechen könnte“ Aber Nijala hatte nur gelächelt und ihr durch die Haare gestrichen. Sie war eine der wenigen Elfen, die sich von ihren Verwandten abgliederten und unter den Menschen lebten und Thela und sie waren trotz ihres Altersunterschiedes gut befreundet.
Kaum stand Nijala auf dem Erdboden, langte der Hauptmann nach ihr und schloss sie in seiner mächtigen Faust ein. Nijala wehrte sich nicht, wie bei den ersten Malen, denn jede unkontrollierte Bewegung von ihr würde später ihrer Familie zu kommen und das bereitete ihr mehr Schmerzen als alles Andere.
„Wo warst du?“, brüllte der Hauptmann und schüttelte die arme Elfe.
„Ich... ich war am Fluss...“
„LÜG MICH NICHT AN!!!“
„Aber... mein Herr... Ich war so durstig...“
„Soso... du warst also durstig? DAS IST AUCH GUT SO!“
„Ich... ich werde es nie wieder tun, aber bitte... bitte...“, schluchzte Nijala und ihre Haare färbten sich blau wie Wasser. „tut es ihnen nicht wieder an...“
„Ach... Du meinst... DEINE FAMILIE?“ der Hauptmann der Krähen sprach das Wort so abscheulich aus, als würde es ihm auf der Zunge brennen und Thela wandte den Blick ab, als er rief: „Deine Ungehorsamkeit wird deine Familie quälen!“
„Nein...“, weinte Nijala verzweifelt.
„Überlege dir nächstes Mal besser, was du machst und denke daran, nichts hält mich davon, ab, sie zwischen den Fingern zu zerquetschen wie Kakerlaken“
Nijala nickte traurig und sank kraftlos zu Boden, als der Hauptmann sie weg pfefferte wie eine lästige Fee.
„So! Zurück zur Burg!“
„Aber was ist mit Sugarborth?“, fragte Thelas Bewacher. Bei Jakes Namen zuckte sie unwillkürlich zusammen. Legende...
„Den werden sie zur Burg schleifen müssen, wenn sie mit ihm fertig sind“, lachte deRH auptmann, dann formte sein Mantel ihn zu einer gewaltigen Rabenkrähe und er flog davon. Thela wollte nicht schon wieder in einen fremden Körper gepresst werden, doch sie konnte sich nicht wehren, als die Krähe hinter ihr sie fest an sich presste und dann zur Krähe wurde. Thela spürte, wie der fremde Körper ihr den Atem raubte, und doch war es ein wundervolles Gefühl, so durch die Lüfte zu segeln. Sie sah die Landschaft unter sich ummer kleiner werden, dann nahm ihr die Krähe netgültig die Kraft und sie verlor das Bewusstsein.
„Jake...“


3. Kapitel

Jake rannte. Seine Füße trugen ihn durch den dichten Wald und die Landschaft flog an ihm vorbei. Es war genau so, wie noch vor 7 Jahren, so vertraut. Er konnte noch genau so schnell laufen, wie früher und das würde ihm wohl schlussendlich der Sieg sein, wenn die Krähen ihn verfolgen würden. Noch vor ein paar Jahren waren sie kaum mehr gewesen, als ein paar seltsame Gestalten, die durch die Lande zogen und Hin und Wieder von Bauern erschlagen wurden, die ihr Land verteidigen wollten, doch diesmal waren sie eindrucksvoller gewesen.
Nijala hatte ihn verraten. Sie hatte gelogen, Thela lebte, doch sie war gefangen. Er hätte sie nie allein gelassen, wenn sie nicht den Geheimcode beutzt hätte. Aber er wollte sie nicht genau so verraten, wie Nijala es mit ihm getan hatte. Seine Schuhe hatte er gar nicht angezogen und seine Strümpfe waren inzwischen schon zerrissen, so dass er sich Schrammen und Kratzer zuzog.
Wenn er atmete, schmeckte die Luft so unglaublich weich und frisch, so alt und hart, so vollkommen... War es nur die Luft? Oder lag vielleicht doch ein Zauber in ihr? Jake hatte es nie heraus gefunden. Doch er bemerkte bereits, dass er sich wieder in ihrer Schöhnheit verlor und nicht an das Wesentliche dachte. Er musste sich unbedingt vor den Krähen verstecken, sonst würden sie sonst was mit ihm anstellen. Aber egal, wie krampfhaft er an die widerlichen Kreaturen dachte, immer wieder blieb er an einer schönen Blume oder einem Baum hängen, die seinen gesamten Gedanken einnahmen.
Eine kleine Fee setzte sich im Saum seines T-shirts fest und er schnippte sie fort, obwohl er sie zu gerne ewig betrachtet hätte. Aber er konnte nicht riskieren, dass sie ihm einen Zauber zu schickte und er im Laufen einschlief oder gar einen Ausschlag bekam, der erst nach ein paar Jahren wieder verschwand. Also rannte er immer weiter, immer schneller, bis seine Lunge so heiß war, dass er das Gefühl hatte, jeder Atemzug würde glühende Kohlen in seinem Körper zum Brennen bringen. Keuchend warf er sich in einen Busch und kauerte sich auf dem Boden zusammen, in der Hoffnung, die Krähen würden ihn nicht finden, würden einfach über ihn hinweg fliegen und nie wieder kommen. Aber er wusste, wie schlecht die Chancen dafür standen. Egal, wie wenig die Krähen geachtet waren, egal, für wie dumm man sie auch hielt, ihre Sinne waren vortrefflich, besser noch als die eines Tieres.
Jake griff sich an die Brust, und spürte sein eigenes Herz hämmern. Er lehnte seinen Kopf an einen Baumstumpf, der unter dem Gestrüpp verborgen war und atmete tief durch. Was war bloß passiert? Er versuchte, seine Gedanken unter Kontrolle zu bringen, doch die Süße dieser Welt beschwerte ihm den Kopf, als hätte er zu viel Wein getrunken. Nur mit Mühe konnte er verstehen, dass er in Lebensgefahr schwebte und sein Tod nun seine Lautstärke sein würde. Er schloss die Augen, um sich möglichst wenig zu regen, dann verschränkte er die Arme und krallte seine Finger in seine Ellenbogen. Es war so schwer, der bleiernden Schöhnheit zu widerstehen, so verlockend, sich fallen zu lassen und einfach in ihr zu versinken, alles Andere zu vergessen... Doch er kniff sich immer wieder in den Ellenbogen, um bei Sinnen zu bleiben und versuchte mit allen Mitteln, nicht in einen Schlaf zu sinken, aus dem er womöglich nie mehr aufwachen würde.
Aber er schaffte es, sich unter Kontrolle zu halten, zumindest dieses Mal. Als die Krähen kamen saß er völlig bewegungslos im Gebüsch und zog den Kopf ein.
„Wo ist er?“, schrie die krächzende Stimme des Ersten und sie schnitt ihm beinahe ins Herz. „Der Meister will ihn!“
Dumme Dinger. Vertrauten dem Anführer soviel mehr als ihrem eigenen Verstand. Aber war es nicht schon immer so gewesen? Immer hatte es einen Anführer gegeben, dem alle Anderen widerstandslos gehorcht hatten. In Dieser als auch der anderen Welt.
„Kannst du ihn spüren?“, fragte eine der Krähen, nur ein paar Meter von Jake entfernt.
„Ich kann ihn schon spüren, seit er aufgetaucht ist, aber zu stark um zu bestimmen, wo er ist“, antwortete die andere Krähe. Sie saß über Jakes Kopf im Geäst einer starken Eiche.
Jake lehnte den Kopf auf seine Knie und atmete zitternd Ein und Aus. Wenn nicht bald ein Wunder geschehen würde, würden sie ihn entdecken. Doch das Wunder, von dem diese Welt praktisch voll gestopft war, ließ auf sich warten und nach ein paar Sekunden hockte Jake immer noch mit klopfendem Herzen im Gebüsch.
„Glaubst du, wir bekommen ihn noch?“
„Wenn ich ihn zwischen die Krallen bekomme, werde ich ihm seine kleinen Augen auskratzen! Diesem Jungen haben wir zu verdanken, dass der Meister uns töten wird, wenn wir ihn nicht abliefern“
„Wird er denn nicht von alleine wieder kommen, wenn wir das Mädchen behalten?“
„Vermutlich. Das wird den Meister trotzdem nicht daran hindern, seine Wut an uns auszulassen“
Jake schloss die Augen und vor seinen schwarzen Lidern erschien das Bild von Thela, wie sie am Boden hockte und ihn so sehnsüchtig musterte. Wie sehr er sie vermisst hatte und wie sehr er sich dafür hasste... Wahrscheinlich hatten die Krähen recht. Er würde nicht noch einmal die Kraft finden, sie zurück zu lassen, selbst wenn sie es gewollt hätte. Er war dem Schmerz schutzlos ausgeliefert, der nun folgen würde, denn anders als in seiner Welt, schützte ihn hier kein aufgesetztes Lächeln vor der Erinnerung an Thela.
Erinnern... Es war ihm noch nie leicht gefallen. Besonders das Erinnern an unerfreulichere Sachen wurde mit dem Alter nicht leichter und das einzige, was er klar im Gedächtnis hatte, war das Bild von Thela. Es hatte ihn jahrelang verfolgt, doch nach einiger Zeit hatte er sich daran gewöhnt wie an eine tiefe Narbe und nie hätte er damit gerechnet, den Schmerz noch einmal so stark zu spüren.
Jake lenkte sich ab, indem er weiterhin versuchte, den Krähen zu lauschen.
„Komm, wenn wir ihn noch einholen wollen, dann müssen wir jetzt weiter fliegen“
„Ich hätte nicht gedacht, das Menschen soweit rennen können!“
„Ich auch nicht, aber hier ist er ja nicht...“
Nun passierten mehrere Sachen auf einmal. Jake atmete auf, die Krähen krächzten enttäuscht und eine kleine Fee plumpste Jake auf die Schulter. Erschrocken versuchte er, sie fort zu schäuchen, doch dies ging nicht, ohne die Krähen auf seine anwesenheit aufmerksam zu machen. Verzweifelt wackelte er mit seiner Schulter, doch die kleine Fee griff bereits in ihren Beutel und hielt ihm, die mit schillerndem Staub getränkten Händchen vor die Nase. Jake versuchte kranpfhaft, nicht einzuatmen, doch nach einer halben Minute konnte er nicht mehr und sog gierig die frische Luft in seine heißen Lungen. Dabei atmete er allerdings auch den Feenstaub ein und spürte sofort ein Kribbeln in der Nase. Niespulver. Eigentlich war dieser Staub nichts gegen die mächtigeren Mittel, aber Jake wurde es zum Verhängnis. Das kleine blonde ding kicherte fröhlich, als Jake, von Niesern geschüttelt, zu Boden ging, doch er schlug sie fort. Die Krähen flogen alarmiert auf und schossen auf den Busch zu, aus den Jakes gedämpftes Niesen drang. Jake zog sich schnell die Kapuze seines Pullis über den Kopf, in der verzweifelten Hoffnung, sie würden ihn nicht erkennen.
Doch die Krähen schrien sofort auf, als sie ihn erkannten und wurden zu den Menschen, die Jake bereits gesehen hatte.
„Haben wir dich gefunden, du Dreckskerl“


4.Kapitel

Als Thela wieder zu sich kam, lag sie auf hartem Stein und Stricke schnitten ihr in die Haut ein. Verwirrt blinzelte sie und wusste kurz nicht, wo sie war, doch dann fiel es ihr wieder ein.
Die Burg der Krähen war noch nie eindrucksvoll gewesen, doch inzwischen glich sie eine Ruine und nur wenige Räume waren überhaupt noch nicht mit Löchern durchsäht, die Wind und Regen hindurch ließen. Um genau zu sein waren es drei. In dem Einen hielten die Krähen ihre Vorräte an Nahrung und Waffen, möglichst hoch in einer Zinne, damit sie niemand erreichte. Thela hatte die Kammer trotzdem gefunden und nicht wenige Tage hatte sie sich davon ernährt.
Die zweite Kammer war der Raum, in der die Krähen und ruhten und der Dritte galt als Raum für Alles. Thela selbst war im Erdgeschoss angebunden, die bemooste Mauer war rau und durchlöchert und ihre blauen Fingernägel verrieten Thela, wie lange sie schon hier lag. Eine andere Orientierung fand sie nicht, denn sie konnte kaum erkennen, wie hell es draußen war, ihr war nur klar, dass es Tag sein musste. In dieser trostlosen Gegend gab es kaum noch Lichtunterschiede, weshalb sich unzählige Sagen und Legenden um sie rankten, die man Abends den Kindern erzählte. In Wirklichkeit hatte aber noch nie etwas Böses hier genistet, dass wusste Thela sehr gut, da sie lange in dieser Gegen gewohnt hatte. Eigentlich galt dieses Reich nur als Unterschlupf für die ärmeren Leute. Doch es herrschten Raue Sitten in den Clans, die sich nach einiger Zeit zusammen gefunden hatten. Thela hatte jahrelang im Clan des heulenden Windes verbracht, doch dann war sie zur Einzelgängerin geworden und seit zwei Jahren hatte sie ihre alte Heimat nicht mehr besucht. Gemeinsam mit Jake... Thela seufzte und schloss die Augen um die Tränen zu unterdrücken. Sie wollte nicht schon wieder weinen... Sie wollte nicht schwach sein. Doch die Tränen flossen in Strömen und sie konnte ihr klopfendes Herz einfach nicht unter Kontrolle bringen. Die Schluchzer schüttelten sie wie Krämpfe und sie rollte sich so gut es ging auf dem Boden zusammen und vergrub den Kopf in ihrem Kleid. Jake hatte es ihr gekauft... Jake...
Normalerweise hatte sie nie Kleider sondern immer nur die festen Sachen eines Jägers getragen, doch seit Jake fort war, hatte sie es so oft getragen wie möglich. Der rote samtene Stoff war zerrissen und schmutzig und der weiße Unterrock war eher grau, trotzdem hatte der Stoff etwas tröstliches. Er zeigte ihr, dass sie nicht ganz alleine war und Jake immer noch lebte. Sie konnte immer noch nicht verstehen, wie es passiert war. Lange hatte sie nach dem Verursacher der Geschichten von Jake gesucht und dabei nicht mehr auf sich selbst aufgepasst. Erst als die Krähen sie geschnappt hatten war ihr klar geworden, was sie nicht gesehen hatte: dass Jake eine Legende geworden war, gefährdete sie selbst ungemein.
Thela schniefte und setzte sich aufrecht. Die Stricke um ihre Hände waren am Stein hinter ihr befestigt und ihre Schultern schmerzten furchtbar, trotzdem versuchte sie stolz und stark zu wirken. Nur leider war das nicht besonders leicht, zumindest nicht mit verweintem Gesicht, schmutzigem Kleid und Fesseln um die Handgelenke. Unwillkürlich fragte Thela sich, wie lange sie nun schon gefangen war, doch sie konnte die Erinnerung an die vielen Tage, aus Sorge und Schmerz gemacht, nicht so mehr als in eine geraume Zeit einteilen. Mehrere Monate bestimmt.
„Mädchen! Mädchen, steh auf!“. Thela spürte den Stiefeltritt in ihrer Seite kaum, so sehr war sie schon abgestumpft. Ihre verfilzten Haare baumelten ihr über den Kopf, als sie auf die Füße gezerrt wurde. Mit Tränen in den Augen erinnerte sie sich daran, wie schön sie früher gewesen waren, wie wallend und strahlend.
„Na los schon! Beweg dich!“
„Zaron, sei nicht so hart zu ihr, wir brauchen sie noch!“ Eine Andere Krähe, groß und schmal stand im Türrahmen, der nur als solcher zu erkennen war, weil es das größte Loch in der Wand war. Thela kannte das Gesicht, doch der name der Krähe wollte ihr nicht einfallen. Seine raspelkurzen, schwarz-fettigen Haare klebten an seinem Schädel und von seinem linken Hals zog sich eine Tattoowierung über die nackte Schulter bis hinunter zum Handgelenk.
Thela wurde durch das türartige Loch geschubst und sie riss sich ihren Fuß an den spitzen Steinen auf, da keine Schuhe sie schützten.
„Unser Meister will dich sehen“, knurrte die Krähe. Thela spuckte verächtlich aus. Der Meister wollte sie immer sehen. Aber er verstand nicht, dass sie nichts sagen würde, egal was er tat. Für Nichts und Niemanden würde sie Jake verraten.
Der Raum, in dem der Meister auf sie wartete, wurde nur durch eine Kerze erhellt und das Licht flackerte gespenstisch an den Wänden. Der Meister hatte einen Tisch und zwei Stühle besorgt, auf den Thela sich zögernd nieder ließ. Der Tisch vor ihr war reich gedeckt, mit Speis und Trank. Ihr lief unwillkürlich Wasser im Mund zusammen.
„Mädchen“. Der Meister wies auf die Speisen. „Bedien dich“
Thela konnte sich nicht beherrschen, doch sie aß immer nur das, was der Meister ebenfalls in den Mund mit den schwarzen Lippen schob und auch, als er ihr Wein eingoss, bestand sie darauf, aus der selben Flasche wie er Wein zu bekommen. Als sie an der honigsüßen Flüssigkeit nippte, zitterten ihre Hände. Sie war ganz alleine mit ihm und obwohl sie kein Mittel kannte, das einem die Zunge lähmte, wenn man Lügen wollte, konnte sie nicht glauben, dass dieses Mahl keinen Haken hatte.
„Mädchen“, setzte der Meister erneut an und Thela zuckte zusammen, als er nach ihrer Hand griff. „Ich will dir nicht wehtun. Du bist nicht das, was wir begehren und glaube mir, wenn ich nicht müsste, würde ich dich nicht gefangen nehmen. Doch wir können verhandeln. Ich schenke dir Kleider und Pferde und soviel Gold wie du nur willst, wenn du uns sagst, wo er ist“
Thela schloss die Augen und atmete tief durch, bevor sie antwortete: „Nein. Ich werde ihn euch nicht ausliefern“ Sie wollte es laut sagen, ihm entgegen schleudern, doch stattdessen klang ihre Stimme leise und schwach, immer noch von Tränen getrübt.
„Inzwischen habe ich das auch eingesehen. Aber heute habe ich dich nicht wegen dieser Frage eingeladen“
„Eingeladen“, wiederholte Thela verächtlich. „Ihr haltet mich gefangen, vergesst das nicht“
Der Meister nickte. „Das weiß ich noch, keine Sorge. Aber ich will wissen, was es hiermit auf sich hat“. Thelas Herz machte einen Satz, als der Schlüssel mit einem leisen Plock auf dem Tisch aufschlug. Der Stein sah unscheinbar aus, keine Runen leuchteten in ihm und sie würden auch nicht so schnell wieder auftauchen. Die Magie brauchte gewisse Zeit, um den Zauber erneut ausführen zu können und niemand wusste, wie oft er überhaupt benutzt werden konnte. Sollte der Meister aber schon wissen oder noch heraus finden, wofür er da war, dann war es vorbei. Die beiden Welten würden schon bald miteinander verschmelzen, doch früher oder später gäbe es die ersten Meinungsunterschiede. Zwei Welten konnten nur in Frieden existieren, wenn sie nichts voneinander wissen, das war Thelas Ansicht. Sie hatte Angst, große Angst, denn dieser Stein war das Schicksal zweier Welten und er lag nun direkt vor ihr.
Thela gab sich Mühe, all diese Gedanken vor dem Meister zu verbergen, trotzdem konnte sie es nicht verhindern, dass ihre Hände zitterten. Schnell verbarg sie sie in ihrem Kleid und setzte die Miene auf, die keinerlei Regungen aus ihrem Inneren zeigte. Schon oft hatte sie sie benutzt und lange hatte sie dafür gebraucht, ihre Gefühle zu unterdrücken und nun kam ihr diese Fähigkeit zu Gute.
„Was ist das?“, fragte sie undschuldig.
„Das weißt du genau so gut wie ich. Nur weiß ich nicht, wie man dieses Tor benutzt“
„Tor?“ Dumm. Nicht das Tor, der Schlüssel zum Tor!
„JETZT HÖR ABER MAL ZU!“. Der Meister schlug mit einem lauten Krachen auf den Tisch und sprang auf. Keine Geduld. Mach dir das zu Nutzen! „ICH MUSS DICH NICHT VERSCHONEN! ICH KÖNNTE DAS ALLES AUCH AUS DIR RAUS PRÜGELN!“
Thela schluckte. Sie wollte nicht schon wieder geschlagen werden und Angst ließ ihr Herz so heftig hämmern, dass sie ihre Halsschlagader pochen hörte, doch auch diese Regung durchdrang ihre Miene nicht. Auch, als der Meister auf sie zuschritt und die erste Ohrfeige auf ihrer Wange brannte, hielt sie die Tränen zurück, sogar als sie wieder getreten und gewürgt wurde, behielt sie die aufgesetzte Fassung.
Sie wollte nur noch hier heraus, woanders hin, zu Jake, zu irgendwem. Aber keine Sekunde länger hier in der Hölle der Gefangenschaft.
Erst, als sie wieder in ihr Zimmer geschubst wurde, ließ sie ihren Gefühlen freien Lauf und vergrub das Gesicht in ihrem Kleid. Es wurde feucht und Thela wollte das nicht, doch sie hielt es einfach nicht länger aus. Sie war am Ende, am Abgrund und viel länger konnte sie diesem Druck nicht mehr standhalten.


Im Laufen stolperte Jake immer und immer wieder, da die Nieser ihn einfach nicht lassen wollten. Die Krähen hatten sich den Staub, vermischt mit Dreck inzwischen wieder aus den Augen gerieben und kamen ihm nach, doppelt so schnell wie Jake selbst. Er musste seine Truhe finden, dort lag zwischen Kleidung und Waffen eine kleine Phiole gegen allerlei Feenzauber. Aber diese Truhe lag vergraben irgendwo in der Nähe von Partheon und Fionn hatte keine Ahnung, in welche Himmelsruchtung er gerade flüchtete.
Er nieste erneut und schlug sich das Knie auf, trotzdem humpelte er weiter so gut es ging. Aber er vernahm bereits das schnelle Flügelschlagen der Krähen hinter sich und er wusste, dass er keine Chance mehr hatte. Also hob Jake einen dicken Ast vom Boden auf und schob ihn unauffällig vor sich.
„Haben wir di....“ Wumms. Es war ein bisschen wie Baseballspielen, was er zum Glück trainierte, als die Krähe in Form eines krächzenden Bündel durch die Luft trudelte und gegen einen Baum krachte.
Doch die andere hatte seinen Trick gesehen und sprang förmlich in ihre Menschengestalt, während Jake den Knüppel erneut hob. Doch auch jetzt brachte ihm der Ast mehr als wenn er nichts hätte. Blitzschnell schmiss er der Krähe den Ast zwischen die Beine, so dass sie lang auf den Boden schlug und in allen möglichen Formen fluchte. Jake strengte sich noch einmal richtig an und hielt die Luft an, um das Niesen zu unterdrücken, wobei ihm allerdings ein Äderchen in der Nase platzte und sofort Blut über seine Lippe rann. Flüchtig wischte er es sich weg und drehte sich um. Die Krähe hatte sich wieder aufgerappelt und in ihrer tierischen Gestalt weiter geflogen, doch die, die er gegen den Baum geschleudert hatte, lag immer noch nur da und regte sich nicht mehr.
Jake nickte unwillkürlich. Wie konnte er die zweite ausschalten? Es fiel ihm nun leichter, einen klare Kopf zu behalten, lag es an dem Blut oder der Angst, die ihn nun doch schüttelte.
Er musste unbedingt in eine Stadt, die Mauern würden ihn vor der Gefahr schützen. Doch rings um ihn herum sah er Bäume, immer nur Bäume... Und die Krähe holte auf. Hektisch schweifte sein Blick über Büsche, Bäume, eine blaue Blume... Eine blaue Blume?! Jake bremste ab und spurtete zurück zu der Pflanze, die wie ein unauffälliges Blümchen aus dem Gras spross. Er fiel auf die Knie und rupfte die Blume niesend heraus. Dann stopfte er sich die Blüten hastig in den Mund und lief kauend weiter.
Zunderblümchen. Ein gutes Mittel gegen jegliche Flüche. Der Saft schmeckte bitter, doch er schwächte Jakes Niesanfaälle wirklich gut ab, so dass er nun den Abstand zwischen sich und der Krähe noch mehr vergrößern konnte.
Trotzdem hatte er keine Chance. Gehetzt sah Jake nach vorne und... warf sich im letzten Moment zu Boden. Der Pfeil schwirrt kurz über seinen Kopf hinweg, dann spürte Jake ein Geiwcht auf seine Bein plumspsen. Da lag die Krähe, ein Pfeil in der Brust. Ihr Blut sickerte langsam in den Boden ein und Jake schüttelte den Kadaver angewidert fort, damit er aufstehen und sich nach dem Bogenschützen umsehen konnte.
Er entdeckte einen Schatten zwischen den Bäumen, ein Mann mit Kapuze beim näheren Hinsehen.
„Junge, Junge... Bist wohl nicht von hier, was?“, fragte der Mann. Seine Stimme klang tief und melodisch.
„Wer bist du?“, fragte Jake keuchend. Die Hetzjagd schlug ihm noch auf den Atem.
„Ich habe viele Namen in vielen Sprachen. Nenn mich Eule, das sollte fürs Erste genügen“. Der Mann trat einen Schritt nach vorne und Jake konnte erkennen, dass er mittelgroß und breitschultrig war, typisch für einen Mann des Waldes. Sein Kinn war schmal und rasiert, was auf einen Jäger schließen ließ und auch der Bogen in der schmalen Hand bestätigte seinen Verdacht.
„Woher wusstest du, dass ich dem Pfeil ausweichen würde?“, fragte Jake und stützte sich auf seine Knie. Er glaubte kaum, dass Gefahr von Eule ausging und selbst wenn er sich irrte war es nun zu spät für eine Flucht.
„Ich wusste es nicht. Aber ich habe es für deine Gesundheit gehofft“, erwiderte der Mann seelenruhig.
„Gut zu wissen“. Jake rümpfte die Nase.
„WO kommst du her? Deine Kleidung sieht... recht seltsam aus“. Eule runzelte die Stirn. „6th Streetstyle... Ist das dein Königreich?“
„Nein“, lachte Jake. „Ich komme in der Tat von weit her. Aber das ist eine andere Geschichte. Zunächst bedanke ich mich für die Rettung und würde gerne wissen, wo genau ich mich befinde!“
Eule zögerte kurz, dann antwortete er: „Alle Feinde der Krähen sind meine Verbündeten. Also will ich dir vertrauen und die Auskunft geben. Wir sind etwa einen Kilometer östlich des schlafenden Hundes. Falls dir das etwas sagt...“
Jake nickte. Die Karte hatte er in seinem Gedächtnis eingebrannt und nicht könnte sie ihn je vergessen lassen.
„Ich muss dringend nach Partheon“, meinte er. Dort würde er auf seine Truhe stoßen. Und außerdem auch auf einen guten Freund.
Eule wies in eine Richtung, wenn er nicht log, war es Westen. „Da lang. Und pass in Zukunft besser auf...“
„Jake“, ergänzte Jake.
„Jake. Ich kann dir nicht noch einmal die Haut retten!“. Eule musterte Jake wie ein unfähiges Kind.
„Hätte ich eine Waffe gehabt, wäre die Sache innerhalb zwei Minuten erledigt gewesen!“, rief Jake aufgebracht.
„Aber du hattest nun mal keine Waffe. Kannst du mit dem Messer kämpfen?“.
„Nur mit dem Messer“, knurrte Jake. Ihm ging das ganze ziemlich auf die Nerven.
„Dann nimm meines! Du kannst es mir beizeiten ja zurück geben. Ich bin mir sicher, wie werden uns wieder sehen“. Eule warf Jake ein Messer zu.
Die Scheide war türkis und silberne Ranken zogen sich über das gesamte Stück. Versonnen betrachtete Jake das wundeschöne Messer und wollte sich gerade bei Eule bedanken, als ihm auffiel, dass der Mann nicht mehr da war.
„Eule?“, rief Jake unsicher, doch ihm antworteten nur die Vögel.
Jake war wieder allein. Oder zumindest fühlte er sich allein. Er musste weiter. Doch jeder Schritt, den er tat und sich damit weiter von Thela entfernte, zerriss ihm das Herz. Er wollte so gerne umkehren, aber die Krähen wären bereits fort. Oder sie wären sehr dumm. Aber das befand Jake für unlogisch, also ging er tapfer weiter. Er rätselte über Eule. Der Mann hatte irgendwie etwas eindrückliches, ein klares Bild in dem Sturm aus Schatten uns verschwommenen Bildern. Er musste nach Partheon, dank Eule wusste er nun, wo er war und Jake schätzte die Entfernung nur auf etwa eine halbe Tagesreise. Inständig hoffte er, Timothy wäre noch dort. Aber wie gut standen die Chancen? Nicht sehr, und Jake wusste das, trotzdem klammerte er sich an die winzige Aussicht auf eine schnelle Beendung des Abenteuers. Er hatte Angst. Große Angst. Aber selbst diese Regung verlor sich in der Schwere der anderen Welt. Manchmal tat es gut, dass Vergessen.


5. Kapitel

Thela musterte mit leerem Blick die grauen Wände ihres Gefängnisses. Ihr Bewacher, die Krähe mit der Tattowierung, musterte sie eingehend. Der junge Mann sagte nichts und plötzlich fiel Thela auf, wie jung er noch war. Nicht viel älter als sie selbst. Er starrte ihr ungeniert in die Augen und Thela hielt dem Blick stand. Der Junge griff seine Lanze fester und biss sich auf die Unterlippe, dann stellte er sich wieder gerade hin.
Thela schoss mit ihrem nackten Fuß ein Steinchen Hin und Her. Pock. Pock. Pock. Jeder einzelne Aufprall des Steines auf dem Boden hallte lauter als eine Explosion in ihren Ohren. Es schien in der Stille zu hallen und jeder Kiesel, der durch den Stein bewegt wurde, löste eine neue Welle Geräusche aus. Jeder andere Wächter hätte ihr längst Einhalt geboten, sei es durch Gewalt oder Drohung. Aber diese Krähe war Anders. Der Blick des Jungen verfolgte den Stein mit den Augen, zwischendurch musterte er sie wieder mit seinen durchdringend grünen Augen.
Irgendwann gab Thela es auf und suchte sich eine andere Beschäftigung. Sie begann, zu pfeifen. Sie konnte gut pfeifen und vor allem laut. Als Mitglied des Clan des heulenden Windes konnte sie sogar noch eine Pfeifsprache sprechen, doch heute beschränkte sie sich auf eine leichte Melodie, die ihr irgendwann im Kopf hängen geblieben war.
Der Junge reagierte aber keinesfalls genervt, sondern sah sie immer noch so seltsam an. Irgendwann hielt Thela das Gefühl, von seinen augen durchbohrt zu werden, nicht mehr aus.
„Was hast du?!“, schrie sie aufgebracht.
Die Krähe zuckte zusammen und starrte Thela an, als hätte sie ihn geohrfeigt. Dann lekckte er sich nevös über die Lippen und klappte den Mund ein paar Mal auf und Zu. Dann tat er so, als hätte er Thela nicht gehört und sah wieder fort. Thela schnaubte und wandte sich ab, versank in ihren Gedanken. Um genau zu sein in dem Gedanken. Jake. Jake. Jake... Sie war so neugierig auf seine Welt, so unglaublich neugierig. Sie wollte seine Welt erforschen, vielleicht auch um besser in seine Gefühle einblicken zu können. Aber die Welt, aus der Er stammte würde ihr wohl ewig verwehrt bleiben, und es war ihr auch egal, wann sie nur heile hier raus käme und sich in seine Arme werfen dürfte.
Thela zog die Beine an und legte ihr Kinn auf ihre Knie, dann lächelte sie traurig. Er war so süß gewesen, als er sie gesehen hatte...
„Traurig“.
Thela fuhr hoch. Die Krähe sah sie an und wiederholte das Wort. „Traurig“.
„Was willst du?“, fuhr sie ihn an.
Aber die Krähe schüttelte nur den Kopf. „Traurig“
Er rollte das „R“ und Thela gefiel der Akzent, also nickte sie nur. „Traurig“.
Sklaven. Kriegsgefangene. Anscheinend hatten auch die Krähen sich dieser neuen Mode bedient. Thela fand es einfach nur abscheulich, aber die amren Familien von weit her hatten keine Wahl, sie mussten ihre Kinder hergeben, oder sie würden alle sterben. Anfangs hatten sich viele gewehrt, aber heute kamen immer mehr ausländische Menschen, um zu schuften, für Aurien, dem Königreich der Himmel, wie es auch genannt wurde. Thela verschränkte die Arme vor der Brust und hauchte ein Atemwölkchen in die frostige Abendluft.
Die Krähe beobachtete sie noch eine ganze Zeit und Thela fragte sich unwillkürlich, was in seinem Kopf vorging. In welchen Fernen Ländern gingen seine Gedanken wohl gerade? In heißen, orientalischen Fernen oder in eisigen Bergen voller Kälte? Thela hätte furchtbar gerne einmal andere Ländereien gesehen, andere Zeiten, andere Welten... Sie geriet fast ins Schwärmen, als ihr wieder Jake in den Sinn kam.
Der Junge musterte sie noch eindringlicher, dann machte er zögerlich einen Schritt nach vorne. „Junge... traurig“.
Thela rutschte vor Schreck ein Stück zurück, die Bewegung des Jungen war zu unerwartet gekommen. Der Junge sah sie unsicher an, dann machte er noch einen Schritt. Er ging in die Knie und nun war er genau auf Thelas Augenhöhe, sie konnte seinen Atem hören und seine Haut so gut sehen, dass sie sah, dass es kein einfaches Tattoo auf seiner Schulter war. Die Verfäbrung schien aus der Tiefe seiner Haut zu kommen, nicht oberflächlich, wie sie sein sollte. Vorsichtig streckte sie die Hand aus. Der Junge fuhr zusammen, als sie seine Haut berührte. Sie war kalt und rau, doch sonst fühlte sie sich an wie ganz normale Haut.
Und doch spürte Thela das Kribbeln in ihren Fingerspitzen, dass sie immer spürte, wenn Magie am Werk war. Die Krähen besaßen mehr Macht, als ihnen bewusst gewesen war, und das versetzte Thela in leichte Panik.
Zaghaft streichelte sie über die schwarze Farbe und sah dem Jungen in die Augen. Sie waren nicht schwarz, wie die der Anderen Krähen, es lagerte noch ein Hauch von Blau in ihnen. Erschrocken zog sie die Hand zurück.
„Du warst noch nicht immer ein Krähe...“.
Der Junge verstand sie nicht. Das war klar. Aber in seinem Blick lag Blau. Ruhiges Blau. Blau, dass eine Geschichte erzählte. Eine eigene Geschichte, keine, die von einer Mutation, einer zweiten Gestalt beherrscht wird. Eine menschliche Geschichte.
Thela atmete tief durch, dann sah sie fort. Die Krähen hatten Macht. Sehr viel mehr Macht, als sie je gedacht hätte. Sie musste Jake warnen, bevor es zu spät war. Aber wie?

Jake hastete durch den Wald, als gäbe es kein Morgen. Was bei näherem Bedenken gar nicht so unlogisch schien. Er musste die Truhe finden, so schnell wie möglich. Sein hellblauer Pullover stach durch das grün der Bäume hervor wie nichts Anderes und er wusste, wie unsicher sein Aufenthalt in diesen Farben war.
Er hatte sich damals genau eingeprägt, wo er die Kiste versteckt hatte, im Wald nahe Partheon, an welchem Baum und welcher Felsen, welche Sträucher... Aber wer wusste schon, was sich innerhalb 7 Jahre geändert hatte? Jake lief und lief und kein bekannter Ort kam ihm entgegen. Fast schon verzweifelt taumelte er von Baum zu Baum, immer auf der Suche nach dem einen Felsen, der die Form einer vermummten Gestalt hatte. Doch es wurde bereits dunkel, die wunderschöne Sonne neugte sich dem Boden zu und machte den Sternen Platz, die man in dieser Welt doppelt so hell sehen konnte wie in seiner eigenen. Die Nächte waren stockdunkel und Timothy konnte kaum seine eigene Hand vor Augen sehen, als ihn plötzlich eine Stimme stocken ließ. Sie war leise, kaum hörbar, wie das Klingeln einer zarten Glocke im heulenden Wind der Dunkelheit.
Mondgeister. Wie konntest du die Gefahren der Nacht vergessen?!
Jake starrte hinauf in den Himmel und sah mit Schreck geweiteten Augen den Vollmond am Himmel. Die glockengleiche Stimme wurde immer lauter und holte ihn ein, bis sie direkt neben seinem Ohr inne hielt. Jake stand stocksteif. Es war wie mit Bienen, man durfte sich nicht bewegen, nicht zuhören, was sie sagten, sonst stachen sie zu.
Die Stimme begann, eine Melodie zu summen. Und bezirzte seine Ohren mit wunderbar vollkommenen Tönen, die in sein Gehirn drangen und all seine Gedanken einnahmen.

„Nacht erstickt das Licht.
Nacht beschläft das Laute.
Um uns nur das Dichte.
In uns das Betaute.“


Jake versuchte mit aller Kraft, nicht auf die Stimme zu hören und blieb einfach nur stehen, widerstand dem Drang, fortzulaufen. Doch die Stimme war so schön, so... echt. Mondgeister waren dass, was man bei ihm vielleicht als Sirene bezeichnen würde. Sie zogen ihre Kraft

> Ja, gerne!:-))
>
>> Darf ich noch einen chara machen? aus dem Mond, bei Neumond nicht mehr als eine Nebelwolke, doch bei Vollmond wurden sie zu den gefürchtesten Wesen der anderen Welt. Mit ihren lieblichen Stimmen lockten sie Menschen, egal ob Männer oder Frauen in den Wald und sobald sie die Orientierung verloren, wurden sie entführt. Keiner wusste, was mit den Entführten geschah, die Legenden rankten sich vom Tod bis zum Fluch, der einen zu einem Mondgeist machte. Aber klar war eines: Niemand konnte von einer Begegnung mit einem Mondgeist erzählen, da noch niemand eine überlebt hatte.

„Ganz entferntes Gestern
ist von uns geronnen
und die künftigen Schwestern
sind noch ungesponnen.

Die Stimme war so voller Sehnsucht und genau das regte sich auch in Jakes Herz. Sehnsucht. Er spürte die kühlen, durchsichtigen Finger auf seiner Schulter. Sie fuhren durch seine Haare, über seinen Hals und über seine Lippen. Die Berührung tat so gut... Jakes Hand wanderte zu seinem Gesicht, ohne dass er es verhindern konnte und berührte die milchigen Finger. Er streichelte sie, ließ sie gewähren und schloss die Augen, während sein zitternder Atem immer schneller ging.
„Wie ist dein Name?“
Jake schüttelte schwach den Kopf. Er durfte ihn nicht verraten.... Aber seine Lippen bewegten sich bereits. „Jake“.
„Jake....“
Wenn sie seinen Namen aussprach, war es wie ein lauer Morgenwind in den Bäumen... Jake seufzte.
„Was führt dich hierher, Jake? Was lässt einen schönen Jüngling wie dich, nachts alleine in unser Reich kommen?“
Jake kniff die Lippen zusammen und versuchte, steif stehen zu bleiben und sich nicht umzudrehen.
„Komm mit mir, Jake.... Komm mit, in mein Heim....“
Es war ein so verlockendes Angebot.... Ohne, dass er etwas tun konnte, drehte Jake sich um und sah dem Mondgeist in die Augen. Es war ein junges Mädchen, wunderschön, ihre Locken fielen leicht um ihre Schultern...
„Thela!“, stieß er ungläubig hervor.
Der Mondgeist neigte leicht den Kopf und strich über seine Schulter.
„Ist dies mein Name?“
Jake nickte, dann ließ er sogar zu, dass der Mondgeist über seine Wange strich und nach seiner Hand griff. Alles in ihm schrie nach Thela, nach der weichen Stimme... Er konnte sich einfach nicht gegen das Verlangen wehren... Also ließ er sich fortziehen, von dem Geist. Seine Umgebung begann zu verschwimmen, er sah nur noch Thelas Gesicht vor seinen Augen, dass ihm immer näher und näher kam, sah ihre Lippen und wusste, dass er nun in ihren Fängen war. Der Mondgeist umschloss ihn in seinen Armen und flüsterte, summte ihr Lied... Dann pressten sich ihre kühlen Lippen auf seine. Er spürte die Kühle, die frische ihrer Haut... Sie pflanzte ein unbändiges Verlangen in sein Herz, ein Verlangen, dass nur durch diesen Kuss gestillt werden konnte. Er griff in ihr Haar, sie legte die Hand auf seine Brust und sie beiden verfingen sich in der unendlichen Zuneigung zueinander, bis die Zeit zu einem unwichtigem Strom verschmolz und Jake nichts mehr wahrnahm als die wahnsinnige Liebe in seinem Herzen. Er wollte sie nie mehr loslassen, nie mehr von ihr gehen, nur hier stehen und sie spüren. Er spürte, wie er sich selbst verlor, wie er in in dem Geist versank und in unendliche Reinheit sank. Er schloss die Augen, spürte, wie er zu Boden ging und der Mondgeist ihm den Pullover über den Kopf zog, genau wie das Hemd. Zu seiner Beruhigung ließ er seine Hose in Ruhe, aber die kalten Finger auf seiner Brust, die er wahrnahm, taten so gut... Er versenkte seine Hand in ihrem Haar und küsste sie immer noch, er wollte niemehr damit aufhören. Bis die Berührung plötzlich stockte.
Der aprupte Abriss der Berührung ließ Jake zusammenfahren und die Augen öffnen. Der Mondgeist schwebte direkt vor ihm, mit einem seltsamen Gesichtsausdruck.
„Du bist anders“
Jake sah sie irritiert an, doch er konnte sich nicht zurückhalten. Er stand auf und machte einen Schritt nach vorne, die Hand auf ihre Wange, aber sie schlug ihn fort. „Nicht!“
„Was ist los?“, fragte er und plötzlich kam sein Verstand wieder. Vor Schreck taumelte er ein paar Schritte zurück, dann griff er nach seinem Hemd und streifte es sich mit seinem Pullover wieder über.
Aber der Mondgeist machte keine Anstalten, wieder auf ihn loszugehen. Sie senkte das Gesicht zu Boden und verschwand im Nebel, dann erschien sie wieder. Diesmal war sie nicht Thela, sondern eine uralte Frau, ihr Gesicht war von Falten durchzogen und sie lächelte traurig, als Jake sie entsetzt anstarrte. Ihre Haare waren hoch gesteckt und grau, nur eine Strähne fiel ihr ins Gesicht. Ein zerissener Umhang lag auf ihren Schultern und sie stützte sich auf einen kunstvoll geschnitzten Stock.
„Sayla“
Jake brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, was dort eben passiert war.
„Du hast... mir deinen Namen gesagt...“, stammelte er.
Die alte Frau nickte. „Du bist anders. Du bist echt. Du wirst gebraucht. Jetzt lauf und rette das Mädchen deines Herzens...“
Aber Jake schüttelte den Kopf. „Du hast mir deinen Name gesagt. Er wird mir nun ewig auf dem Herzen brennen. Ich kann jetzt nicht gehen, wo du mir dein Vertrauen gegeben hast, wie eine Trophäe!“
„Du musst“, hauchte der Mondgeist und Jake senkte den Kopf. Er wusste, dass es nichts bringen würde, aber.... Er hatte ihren Namen. Dieses Geschenk würde ihm das Leben retten, mindestens einmal.
Also nickte er. „Was ist der Preis?“
„Welcher Preis?“
„Der Preis für deinen Namen!“
„Rette sie. Thela. Rette dein wahres Mädchen“
Jake nickte wehmütig. „Ich verspreche es dir“
Alles war so unwirklich, so... Er war in der anderen Welt, der wurde gejagt und hatte den Namen eines Mondgeistes, die mächtigste Medizin der anderen Welt.
Der Mondgeist sah Jake ein letztes Mal an, dann verschwand er zwischen den Bäumen. Und Jake rannte. Rannte um sein Leben. Er musste die Truhe finden, noch heute Nacht, denn er hatte unverschämtes Glück gehabt, mit Sayla.
Aber er wusste immer noch nicht, ob er auf dem richtigen Weg war... Unwillkürlich fasste er sich an die Lippen, auf denen immer noch der eiskalte Kuss des Mondgeist ruhte.
Angstvoll starrte er in den Himmel, an dem immer noch der Vollmond stand und auf ihn hinab zu blicken schien, während er über Baumstämme und Wurzeln sprang um einen einzigen bekannten Ort zu erfassen.
Und dann sah er ihn. Den Felsen.
Jake stieß einen spitzen Schrei aus, vor Erleichterung und hielt sich gleich darauf erschrocken den Mund zu. Die Truhe... Vorsichtig lief er zum Felsen, lief einmal um ihn herum, bis er die Stelle erreicht hatte, an der ein spitzer Stein aus dem Felsen ragte, dann machte er drei Schritte in Richtung der Tanne und anschließend einen großen in Richtung des Efeubusches, der zwar um einiges größer geworden, aber immer noch gut erkennbar war.
Erwartungsvoll ließ er sich auf die Knie sinken und zog an der Wurzel des Baumes, der nun direkt vor ihm stand und klappte das gewaltige Ding zur Seite. Eine große Öffnung wurde sichtbar und Jake schlüpfte hinein. Am Eingang ruhte eine Fackel, die er mit dem kleinen Feuerzeug, das ebenfalls an der Wand hing, entzündete. Er schloss den Eingang über sich und blieb ein paar Momente stehen, um sein klopfendes herz zu beruhigen. Er fühlte sich ein wenig wie eine Figur in einem Computerspiel, die kurz vor Beendung ihres Questes stand, aber deren Ausaueranzeige gerade ziemlich im Keller lag. Als er wieder Atem geschöpft hatte, ging er die kleine Treppe herunter, die in den Raum mit der Truhe führte. Das Feuer der Fackel erleuchtete die stinernen Wände hell. Er selbst hatte den Raum nicht gebaut, aber er hatte ihn entdeckt und hergerichtet, für seine eventuelle Rückkehr. Immer tiefer führten die Treppen und Jake erinnerte sich wehmütig an die vielen Tage Arbeit, die in ihnen steckten. Noch nie in seinem Leben hatte er mehr Spinnweben gesehen als damals.
Als er endlich unten angekommen war, sah er die Truhe schon von Weitem und klappte sie erwartungsvoll auf. Sie stand in der Mitte eines runden Raumes, an dessen Wände seltsame Malereien gekleistert waren.
Als Jake den schweren Deckel hoch klappte, empfing ihn erst einmal mehrere Generationen Staub und als er nicht mehr durchgehend Husten musste, zog er das erste Teil heraus. Es war sein altes Messer, früher fast wie ein Schwert für ihn, doch heute passte es genau als Messer. Jake musste lächeln, als er sich an die vielen Tage erinnerte, an denen er mit dem Messer durch die Welt gestromert war.
Als nächstes kam Kleidung zum Vorschein, in zwei verschiedenen Größen. Einmal in der, die er früher getragen hatte und in der, die er heute brauchte. Jake hatte früher gehofft, die Kleider wären groß genug für ihn und er hatte sich nicht verrechnet. Ein langärmliges Hemd in blütenweiß und eines aus festem Leinenstoff, über dem man normalerweise ein Wams aus Leder trug, dass er ebenfalls noch ganz unten auf dem Boden der Truhe fand. Er streifte es ebenfalls über und packte ein anderes Wams aus schwarzem Stoff und weißen Knöpfen zusammen mit dem weißen Hemd in die Tasche zum Umhängen, die neben dem Messer gelegen hatte. Dann schlüpfte er in die Hose, deren Hosenbeine um seine Schienbeine er sorgsam in die kniehohen Stiefel stopfte, mit denen man sowohl reiten als auch laufen konnte. Seine eigenen Sachen tat er zurück in die Truhe. Er fühlte sich bereits wesentlich wohler und konnte es kaum erwarten, nach Partheon zu kommen, doch er musste warten, warten bis die Sonne aufgegangen und die Monster der Nacht verschwunden waren. Also setzte er sich an die Wand des Raumes und schloss die Augen, in der Hoffnung, ein wenig schlafen zu können.


6. Kapitel

Als Thela erwachte, stand an Stelle des Jungen von Gestern ein breitschultriger Mann da. Automatisch suchte sie nach der seltsamen Tattoowierung und fand sie auch. An seinem Knöchel zog sich eine widerwärtig schwarze Ranke hoch, doch das Muster verschwand bald unter seinen zerrissenen Hosen. Er starrte stumm in die Gegend, doch Thela sah die Angst wie ein Schatten in seinen Augen aufblitzen. Angst, ja. Aber wovor? Thela wusste nicht, was sie von der Furcht des Mannes halten sollte, also tat sie weiterhin so, als würde sie schlafen. Der Mann ließ seinen Blick über die kahlen Mauern schweifen, aber in seinen Gedanken war er woanders. Thela kannte diesen Blick nur zu gut von Jake. Auch er hatte oft so in die Ferne geschaut, wenn er sich unbeobachtet gefühlt hatte.
Alles erinnerte sie so dermaßen an ihn, dass ihr wieder Tränen in die Augen traten. Sie wollte ihn umarmen, jetzt sofort, ihn spüren, ihn hören. Aber wollte er sie überhaupt noch? Damals, vor 7 Jahren waren sie beide noch zu jung gewesen, um zu verstehen, was Liebe bedeutete. Aber innerhalb dieser Jahre, in denen sie getrennt worden waren, war Thelas Herz an der Sehnsucht kaputt gegangen. Wie lange hatte sie versucht, herauszufinden, woher dieser tiefe Schmerz kam? Wie lange hatte sie alle möglichen Gifte geschluckt, wie lange war sie zu Magiern und Hexen gegangen? Alle hatten ihr das Selbe gesagt, doch erst, wo die Krähe es ausgesprochen hatte und das Verlangen nach Jake so real geworden war, dass sie es hätte greifen können, war ihr klar geworden, dass sie ihn liebte. Sie liebte ihn und hatte ihn immer geliebt. Aber er musste sich verändert haben, seit dem letzten Mal. Er konnte nicht mehr der Selbe, verspielte Junge sein, den sie von früher kannte. Aber die Hoffnung auf dieses Wunder, die Hoffnung darauf, dass die Zeit nichts an Jake verändert hatte, glimmte in ihrem Herz wie ein Stück Kohle, dass noch lange nach dem großen Feuer heiß ist. Unbewusst hatte Thela sich an die Brust gegriffen, in der ihr Herz so wild schlug, dass es ihr fast aus dem Leibe sprang. Sie atmete tief durch, dann stand sie auf. Die Fesseln an ihren Händen ließen sie gerade so weit gewären, dass sie sich strecken konnte. Ihr Rücken schmerzte, bei dieser Bewegung und auch ihre aufgesprungenen Füße rebellierten gegen den Boden, aber sie stand.
Ihr Bewacher fuhr herum und sah sie lange an, es schien so, als würde er gegen etwas ankämpfen. Seine Mundwinkel zuckten, als wollte er etwas sagen, doch dann schwieg er doch. Nach kurzen Momenten, in denen man nichts hörte außer die Raben draußen auf dem Gemäuer, sagte er dann aber doch etwas.
„Setz dich hin“. Es klang eher, wie eine Feststellung, als wie ein Befehl, vielleicht war das der Grund, weshalb Thela nur das Kinn vorschob und keine Anstalten machte, sich zu bewegen.
„Setz dich hin“. Thela reagierte wieder nicht.
Die Krähe sah auf und schien Thela das erste Mal richtig zu mustern.
„Bitte. Setz dich hin“. Er schien fast zu flehen und erneut sah Thela die Angst in seinen Augen aufflackern. Die verzweifelte Stimme und die Angst irritierten sie so dermaßen, dass Thela sich vor Schreck wirklich hinsetzte und die Krähe verwundert musterte. Diese allerdings erwiderte nicht ihren Blick, sondern wandte sich ab.

Impressum

Texte: Gedicht (vom Mondgeist): Rudolf G. Binding
Tag der Veröffentlichung: 30.09.2012

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