Die Welt war in tiefes Schwarz gehüllt. Eisiger Wind pfiff durch das Herbstlaub und schleuderte es über die Straßen.
Warum hatte sie die verdammte Jacke ihrer Freundin überlassen?
Mia war angetrunken und schloss die Tür des Studentenwohnheims hinter sich. Eiskalt schlug ihr der Wind entgegen und drückte sie an die Hauswand.
Wieso konnte es im April den ganzen Tag über wunderschön sein und dann von einer Sekunde auf die nächste komplett in Unwetter, Schnee und Dunkelheit umschlagen.
Mia spürte die kalten tropfen auf ihren glühenden Wangen. Es waren nur ein paar Häuserblocks bis zu ihrer Wohnung, das würde sie auch ohne ihre geliebte hellrosa Plüschjacke schaffen.
Sie hatte die Jacke in einem Second-Hand Shop in der Stadt gefunden und sich sofort darin verliebt. Auch wenn sie damit wie eine pinke Fellexplosion aussah, ihr war das egal. Man gönnt sich ja sonst nichts hatte sie zur Kassiererin im Second-Hand-Shop gesagt und übertrieben mit ihrer Kreditkarte gewedelt. Mit einem schlichten schwarzen Kleid kombiniert sah sie damit wie eine der sexy Influencerinen aus, denen sie auf Instagram folgte und neidisch ihre Storys verfolgte. Zumindest wünschte sie sich das. Dass sie nicht reich und berühmt war und auch keinen Modellkörper wie die Influencerinen hatte, war ihr schmerzlich bewusst.
Eigentlich stand sie gar nicht auf Pink und das ganze Bling Bling. Aber nachdem sie vom Dorf in die Stadt gezogen war um zu studieren, wollte sie sich neu erfinden und diese Jacke musste sie dazu haben. Ihr neues Ich sollte cool und schick sein. Sagt man überhaupt noch schick? Scheiße, keine Ahnung!
Mia notierte sich innerlich, ein anderes Wort dafür zu googlen und schwankte dabei leicht nach vorn.
In ihrem Kopf drehte es sich immer noch, nachdem sie sich von Moe zu drei Runden Bierpong hatte überreden lassen. Aber wer konnte zu Moe auch schon nein sagen. Mia war sich nicht sicher ob sie auf einen bestimmten Typ Mann stand. Aber als sie Moe heute auf der Party kennengelernt hat, konnte sie die Augen nicht von ihm lassen. Er war groß, hatte dunkle Haare und breite Schultern. Seine Armmuskeln waren zum dahin schmelzen, nicht zu aufgepumpt, sondern genau richtig und bei jedem Lachen konnte man ein kleines Grübchen an seiner rechten Wange sehen.
Beim Gedanken an Moe lächelte Mia und ihr wurde ganz warm im Bauch. Oder war es vielleicht doch das ganze Bier? Ihr wurde schlecht beim Gedanke, wie viel sie getrunken hatte aber sie war auch stolz, dass sie durchgehalten und mit den anderen mitgehalten hatte.
Es war halb vier und sie musste morgen für die bevorstehenden Prüfungen lernen. Oh Mann, diese Scheiß Lernerei geht mir richtig auf den Nerv!
Die Welt um sie herum drehte sich immer noch. Das meinte ihre Freundin Estea also als sie ihr vorhin noch gesagt hat, sie solle aufpassen, wenn sie an die frische Luft geht.
Pass auf, da knallt es nochmal doppelt.
Und wie es knallte. Mia lehnte sich an die Häuserwand und griff mit beiden Händen in die Taschen ihres kurzen Rocks. Ihre Fingerspitzen ertasteten einen kalten glatten Gegenstand. Mia grinste mit halboffenen Augen und holte das kleiner Fläschchen mit Feigenschnaps aus der Tasche. Na du kleines Schapsfläschchen, wo hast du dich denn versteckt?
Leicht wankend schraubte sie die Flasche auf und bemerkte, dass ihre Hände bereits steif vor Kälte wurden.
Schnell kippte sie sich den Shot herunter und spürte die kalte Flüssigkeit vom Mund bis in den Magen laufen.
Gleich wird es mir wieder warm, dachte sie und mit einem kleinen Schwenker nach rechts setzte sie sich in Bewegung.
Den Schatten hinter der Mauer bemerkte sie nicht.
Tag der Veröffentlichung: 05.07.2021
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