Duri und ich hockten wie immer gelangweilt auf dem seegrünen Meilenstein nebst dem Nossiner Korallenriff. Alles schien wie immer – hier ein paar Meerjungfrauen die fröhlich Dex rauchten, dort ein paar Meermänner beim Seetangball. Und wir warteten mittendrin auf unseren Wal.
Duri klapperte nervös mit dem nagelneuen Rasterende seiner Flosse auf dem Meilenstein herum.
„Hör auf mich macht das Kirre!“ Sagte ich gelangweilt.
„Der Wal kommt.“ Duri schwamm zur Haltestelle, wo Wal 11 hielt. Wir spiegelten uns in seinem riesigen Auge. Duri so grün-blau, so unbeschrieblich. Und ich? Langweilig braun. Oh man, ich Opfer!
Wir schwammen auf, etwas fiel runter, der Wal setzte sich in Bewegung. Duri hatte auf einem der Tangblätter Platz genommen und starrte ins Leere, wie nie zuvor.
„Duri was los?“ Fragte ich besorgt.
„Nix.“
Wir erzählten uns alles, er war mein bester Kumpel, seine Mom war dexabhängig, sein Vater hatte die Familie wegen einer heißen Arielle verlassen – und er besaß kein Geld. Ich wusste so ziemlich alles von ihm.
„Ich seh’s dir aber an.“
„Is aber nix.“ Er schraubte nervös an seiner neuen Flossenkonstruktion rum.
„Duri!“ Brüllte jemand, gerade, als der Wal anschwamm. Pippa. Duri’s Freundin. Uhh wie ich sie hasste, allein die neongelbe Flosse machte mir schon zu schaffen. Augenkrebs war bei mir schon chronisch.
Duri sah erschrocken auf, schwamm noch einmal vom Wal, der ungeduldig wartete, jedoch zu gutmütig war, ein so frisch verliebtes Paar einfach stehen zu lassen. Ich sah, wie Pippa Duri einen drauf drückte, mir kam fast das Korallensandwich wieder hoch. Is ja…uä. Nun gut, Duri’s Geschmack. Wobei mir seine Ex, Olga, wesentlich mehr zusagte. Er wechselt die Freundinnen wie die Flossenkonstruktionen…
Duri kam langsam wieder auf den Wal geschwommen, der Wal brummte etwas von schneller schwimmen, Duri murrte nur etwas zurück.
Mein Gott, so dösig hatt ich ihn ja noch nie gesehen! Selbst seine unglaublich sexy blonden Haare, bei denen jedes Meermädchen dahin schmolz, hingen schlaff herab, und seine grün-blau funkelnde Flosse wirkte eher matt und stumpf.
„Dicker. Nu sag schon.“
„Es ist privat.“
„Ich weiß alles über dich. Deine Mom ist abhängig, dein Vater abgehauen und du bist arm. Bitte was kann denn noch kommen?“
„Pippa.“
„Ja und?“
Jetzt kam’s. Sie sind unglaublich verliebt. Sie werden heiraten. Sie werden an den Mariannengraben ziehen. Warte. Duri weg von mir? Hilfe, nein, er war doch meiner!
„Sie ist schwanger.“
Mir gefror das Blut in den Adern.
Ein Blabalg?
Ein Meerbaby?
Pippa??
Unglaublich…
„Nicht dein ernst. Ich mein… wie dumm nur. Mit wem hat sie denn jetzt wider rumgepumpert. Hat sie dich wieder betrogen? Duri lass es mit ihr…“
Plötzlich fiel es mir wie meine Schuppen vom Schwanz in der Strömungszeit.
Duri war der Vater!
„Nein! Bitte sag, dass nicht du der Vater bist! Duri nicht! Bitte!“ Ich sah ihn ungläubig an.
Die dumme rothaarige Pippa, die eh viel zu aufgetakelt war, allein ihr grüner Fischwanz machte mir ja schon zu schaffen… und Duri hat sie auch nur ausgenutzt und jetzt sowas und…
„AH!“ Schrie ich und sah mich verstohlen auf dem Wal um. Oh Gott… Hoffentlich hat’s niemand mitbekommen.
„Alter ich bin so fertig! Meine Mutter wird ausrasten…“
„In ihrem Zustand?“ Meinte ich trocken. Scheiße Geli, das war jetzt nicht zum Scherzen. Dein bester Freund wurde Vater!
„Okay. Ich glaub… wir kommen so nicht weiter. Wann ist es denn so weit?“
„Ströhmungszeit.
Alter Geli ich kann das noch nicht! Ich bin doch viel zu jung! Ich schaff das doch gar nicht und Pippa erst recht und allgemein sind doch alle Schuld! Man wird mich für unreif verkaufen und das ist doch alles Dreck und allgemein und du bist doch am allermeisten schuld!“
Bis zum letzten Satz hatte ich alles verstanden., mal abgesehen von seinem unglaublichen Satz-Wortstellung-Grammatik-Ausdruck-Fehler. Ich war schuld?
„Wie bitte? Was hab ich denn damit zu tun?“ Ich schwamm erschrocken auf.
Das konnte ich beim besten Willen nicht verstehen.
„Du bist schuld!“ Er sah mich durchdringend mit seinen Meergrünen Augen an.
Wie sehr ich diese Augen ins Herz geschlossen hatte, wie sehr ich sie vergötterte. Seit unserem ersten Tag im Sandkasten waren sie mir aufgefallen und ich würde sie nie vergessen.
Das war mein Duri der mich da wirklich dafür verantwortlich machte, dass er zu doof war, zu verhüten!
Es tat weh. Unglaublich weh. Was sollte ich damit zu tun haben?
„Duri komm runter, ich kann doch nix dafür wenn die Alte schwanger wird!“
„Du verdrehst alles!“
„Ich? Ich verdreh gar nichts! Duri ich hab damit nichts zu tun außerdem…scheiße wo sind wir überhaupt?“
Ich war mindestens 3 Haltestellen zu weit gefahren. Wie sollte ich denn jetzt nachhause kommen? Wo war überhaupt mein Portemonnaie?
„Scheiße alter ich bin zu weit gefahren, mein Portemonnaie ist weg!“ Ich war voller Panik, Duri wurde Vater, Pippa die Mutter und mein Portemonnaie war auch weg. Ich war ja so am Arsch.
„Scheiße ich bin zu weit gegangen. Ich bin doch in dich verliebt.“
Ich sah geschockt nach unten, mir war noch nicht ganz klar, ob es wegen des Portemonnaies war oder wegen dem, was er da gerade von sich gegeben hat.
Seine Augen sahen mich unheimlich traurig aus, diese Trauer hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Diese meerblauen Augen seit dem Kindergarten.
Meine meerblauen Augen.
Tag der Veröffentlichung: 14.06.2011
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