Cover


Veränderung

-1-

Der Boden war noch ganz nass vom letzten Regen. Es roch immer noch frisch nach Frühling und die Sonne versuchte den Waldboden durch die hohen Tannenbäume zu erreichen.
Mir wurde es immer kälter. Bald fing ich an zu zittern. Trotzdem blieb ich auf den harten, nassen Boden liegen. Mein Fell war feucht und ein kleiner Stein drückte mir ins Auge. Ich roch an der Erde und hörte die Bäume knacksen. Ich fühlte mich leer. Schwer und platt versuchte ich meinen Körper mit der Welt zu verschmelzen.
„Alles doof“, seufzte ich. Ich merkte gar nicht wie sich Timo, der Beta Wolf, mir näherte. „So verletzlich darfst du dich eigentlich nicht der Wolfswelt präsentieren“, sagte er laut. Ich empfand es als Laut, denn ich hatte lange so gelegen und nur die Natur um mich herum genossen. Langsam reckte ich den Kopf hoch und sah wie er sich vor mich setzte. „Ach Timo, nimm es nicht so ernst“. „Du bist die Gefährtin des Alfas Nathalie, sozusagen die Alfafrau – du solltest…“ „Ich sollte was?!“, unterbracht ich ihn und ich merkte das ich ihn grob anschnauzte. Dabei war ich ruckartig aufgestanden und stand plötzlich ganz nah vor ihm. Instinktiv stellte sich meine Rute aufrecht. Timo legte die Ohren an: „Na dann – viel Spaß noch…“, sagte er. Er stand auf und drehte sich mit eingeklemmtem Schwanz um. So eine Situation kannte ich nicht. „Timo, warte – ich…ich kann halt nicht.“
Ich fühlte mich schwach und leer, meine Gedanken kreisten um die letzten Geschehnisse herum. Jahrelang war ich einsam gewesen, fühlte mich als Mensch nutzlos, wünschte mir eine andere Welt. So wie wohl jeder depressive Mensch sich wahrscheinlich fühlen würde.
Ich bemitleidete mich oft selbst und versuchte nicht mein Schicksal in die Hand zu nehmen. Das jahrelange schlecht „denken und meinen“ hatte mich immer mehr aus der Menschenwelt gezogen und mir ein merkwürdiges Verhalten angelernt.
Alles hatte sich geändert, als ich endlich als Wolf erweckt wurde.
Irgendwo in mir drinnen wusste ich schon früh, dass ich ein Wolf war. Ich hatte als Kind oft Träume von Wölfen und lief oft auf allen vieren herum. Und nun bin ich die Gefährtin vom Alfa –Ich?! - Da stimmte doch was nicht…ich war keine Anführerin, keine Schlichterin, eine die niemanden interessierte. Doch anscheinend hatte ich mich geirrt. Robert, der Alfa, glaubt an mich und sagt mir immer, dass ich stärker bin als ich denke, dass ich viel schaffen kann. Ich sollte ab und zu das deprimiert sein, sein lassen.
„Immer positiv denken, für jedes Problem gibt es eine einigermaßen akzeptable Lösung. Wenn man das Problem akzeptiert und das Beste draus macht, umso besser….“, sagte Robert immer wenn ich ihm die negativen Seiten des Lebens aufzählte.
Timo sagte: „Denk nicht so viel“ Er riss mich wieder aus meinen Gedanken heraus. Das hätten auch Roberts Worte sein können. Ich sah ihn an und mein Herz machte einen freudigen Sprung. Ich sagte: „Zwar ist die Wolfswelt super schön, man kann von den Problemen aus der Menschenwelt entfliehen, doch auch in der Wolfswelt gibt es Probleme und nicht alles ist rosa.“
„Das Leben ist kein Ponyhof“, lachte Timo auf. Wir sind uns durch dieses Gespräch ein Tick näher gekommen. Ich hatte den Mut mich weiter zu öffnen und meine Gedanken ihm mitzuteilen, doch so ein Vertrauen hatte ich bisher nur mit Robert geteilt.
„Und ich bin ja nicht so gut in Kontakte pflegen“, dachte ich noch, da Timo auch nicht weiter drauf einging. Ich wusste kaum was von Timo. Als Alfa Gefährtin wusste ich komischer Weise auch kaum was von den anderen Wolfsmenschen. Wenn wir unter uns in Wolfsgestalt waren, lief vieles instinktiv ab. Die Hierarchie im Rudel war klar verteilt und wir waren einfach Wölfe, die Menschenwelt war nichtig.
„Du solltest dich etwas mehr zusammenreißen, wollte ich nur sagen, du bist keine 14 mehr…“, sagte Timo. Für mich war dieser Kommentar kein positiver Stich im Herzen, doch ich sagte nur:
„Ich hatte wenigstens das Glück erweckt zu werden…wie viele Menschen sind wohl Wolfsmenschen und werden es nie erfahren, da sie, warum auch immer, nicht erweckt werden?…“
„Du denkst zu viel. Pass lieber auf, jeder andere Wolf kann dich in so einer schwachen Situation vom Thron stoßen.“ „Ach Timo, mir ist nur wichtig, dass wir hier als Wölfe zusammen was unternehmen und uns am Wolf sein erfreuen können. Du siehst doch, dass wir zwar irgendwie ein Rudel sind, doch viele müssen auch in ihrer Menschenwelt das Leben meistern.“
„Nunja, wer nicht gebunden ist, kann halt öfter das hier genießen. – Ich geh jetzt mal Kaninchen suchen.“, sagte er und lief in den Wald wieder hinein. Sein Duft verflog schnell, da es immer noch sehr frisch war und ich bald wieder die nasse Erde roch. Dachte ich zumindest.


-2-

„Anscheinend hast du dich sehr angeregt mit Timo unterhalten – hier liegt etwas in der Luft“, sagte Robert. Nachdem Timo davongetrottet war kam sofort Robert aus der Ferne herangetrappt. „Hast du mich belauscht?“, lachte ich auf. Mit ihm konnte ich sorglos umgehen und ihm alles erzählen. Unser Vertrauen war groß und wir hatten einen guten Draht zueinander. „Ne, nur man riecht es“, lächelte er. Ich konnte ihm alle meine Sorgen anvertrauen. Er hörte mir zu und legte seinen Wolfskopf auf meinen. „Das wird schon alles, je mehr du übst, desto mehr wirst du selbstsicherer werden.“ Wir kuschelten und machten es uns gemütlich.
Seine Körperwärme tat mir gut.
„Hoffentlich sieht uns Brutus nicht so…“, sagte ich grade. Robert stand abrupt auf und entfernte sich von mir: „Ohnee – lass uns von was andren reden…der Typ geht mir auf die Nerven.“ Seine Nackenhaare stellten sich auf.
„Aber er hat Recht, wir dürfen das Risiko nicht eingehen!?“, sagte ich aufgebracht.
Ich wusste nicht um was es ging, doch bei Brutus Begegnung erzählte er uns Sachen die ich nicht begreifen wollte oder konnte.
Robert und ich durften nicht zusammen sein, sonst würde was schlimmes passieren.
„Risiko? ER ist das Risiko! Er soll bloß wieder verschwinden, bevor Menschen uns entdecken und ich will nicht, dass das geschieht, was früher geschehen ist…verstehst du?! Diese Bilder im Kopf, die ich habe, die sind kein Zuckerguss…ich dar-“
So aufgeregt hatte ich Robert das letzte Mal gesehen, als wir das erste Mal mit Brutus Bekanntschaft gemacht hatten. So kannte ich ihn nicht, so gefiel er mir nicht.
„Sag mir doch endlich was damals war, beziehungsweiße was überhaupt ist? Was ist denn so schlimm an Ihm…wieso kann er keiner von uns sein – du könntest ihn doch in unser Rudel aufnehmen und vielleicht –“
„HA! Soweit kommt es noch. Nichts da mit Rudel, ich muss ihn vertreiben, sonst ist hier noch die Hölle los.“ „Ich dachte wir können uns alles Anvertrauen, Robert“, sagte ich traurig und ließ ihm im Wald stehen.
Mir war es kalt und unbehaglich. Ich war verletzt und rannte nach Hause. Er wollte mir immer noch nicht verraten, was Brutus mit seinen Erzählungen meinte. Bevor er richtig anfangen konnte, hatte Robert ihn verjagt. Es kam zwar nicht zu einem Kampf, aber Robert war so Aufgebracht und schrie nur noch herum, dass man Brutus eh nicht verstanden hätte. Als Alfa Wolf hatte Robert gleich gewusst was Sache ist, was es mit Brutus auf sich hatte, wieso Rebecca da eine Rolle spielte und überhaut alles wurde sofort in sein Hirn gebrannt. Ich wusste nichts und so floh ich, zu Hause erwartete mich ein schönes Bad und Pizza mit Bier, welche ich genussvoll verschlingen konnte.
„Manchmal ist allein sein besser“, dachte ich plötzlich. Nunja, ich war so lange immer allein gewesen, dass ich die Vorteile nie gesehen hatte. Man konnte nackt in der Wohnung tagelang rumlaufen, seine Lieblingsmusik hören, das im TV gucken was man wollte…Ich zählte auf…und irgendwie fehlte mir ein warmer Körper zum ankuscheln. Ich dachte wieder nach. Ich hatte Robert bisher nur in Wolfsgestallt richtig kennengelernt. Nie waren wir mal einen Kaffee trinken gegangen, oder ins Kino, oder in den Zoo, oder Hand in Hand die Straße entlang, unter Menschen…Irgendwie komisch. Würde unser Vertrauen und unsere Zuneigung auch in Menschenform funktionieren?
Das war eine interessante Frage, die ich ihm Mal stellen musste, und dann noch das mit diesem Brutus …denn grade Brutus sagte noch, wir dürften gar nicht zusammen sein.


Brutus

-1-

Brutus, den Namen habe ich mir selbst gegeben. Verstoßen von der Mutter, sah ich den Namen das erste Mal, als ich meines Verstandes richtig bewusst war, in einem Bücherladen. Beziehungsweise gab mir der Bücherladentyp mir den Namen, weil ich kaum lesen kann, damals wusste ich nicht mal, dass ich in einem Bücherladen stand. Ich war sozusagen erwachsen geworden. So nannte es mein Vater, ich wusste nicht was das bedeutete, unter Zahlen und Dimensionen konnte ich mir auch nichts vorstellen. Ich musste mir fast alles selbst beibringen. Mich hatte die Stadt damals sehr angezogen, magisch, wahrscheinlich weil mein Vater mir ausdrücklich verboten hatte, mich den Menschen zu nähern. Ich wusste was Menschen sind, Vater versuchte mich so gut es ging auf den Tag der Tage vorzubereiten. Er verwandelte sich oft in einen Menschen und erzählte mir unglaubliche Geschichten.
Nachdem ich damals also meinen Verstand richtig gebrauchen konnte und zum ersten Mal ein Mensch wurde, also als der Tag aller Tage angebrochen war, wo ich zum ersten Mal meine Finger sah und in sie hineinbiss, weil ich nicht wusste was passierte war, lernte ich an dem Tag wie ein Mensch zu laufen, meinen guten Geruchsinn, denn ich in Wolfsgestalt hatte, war an diesem Tag verloren. Ich wusste nicht wohin. Vater hatte mir eingebläut, wenn der Tag der Tage kommt, dass ich ja nicht den Wald verlassen durfte, dass alles anders wird und ich ja nachdem die Sonne wieder kurz vor dem untergehen sei und die nächste Nacht anbrach, ja im Walde sein soll.
Weg von einem Menschen, sonst wäre ich tot. Am besten solle ich den Wald erst gar nicht verlassen. Doch er hatte es anscheinend schon geahnt, kurz nachdem ich als Mensch laufen konnte, lief ich weg. Am Tag der Tage konnte ich meinen Vater nicht mehr verstehen, er konnte sich nicht mehr vor mir verwandeln und konnte mit mir in Wolfsgestalt nicht mehr kommunizieren. Wolfsmenschen können sich nicht vor Menschen verwandeln. Ich sah damals meinen Vater lange an, er sah anders aus als sonst. Nicht wie ein Wolf aus, sondern wie ich heute weiß, wie ein Hund. Warum er am Tage der Verwandlung kein Mensch geblieben war und nicht versuchte mich aufzuhalten, dass weiß ich nicht. Er hatte schon mir einen großen Gefallen getan gehabt, als er mich nach meiner Geburt heimlich auf den Tag der Tage vorbereitet hatte.
Ich war damals sehr verwirrt und lief also los. Bis ich mitten im Morgengrauen in einen Laden lief, ohne irgendwie zu merken wo ich war. Ich hatte die Lichter vom Waldesrand gesehen gehabt und war einfach drauf los gelaufen. Dann hatte ich nackt vor dem Büchertypen in seinem Laden am Stadtrand gestanden. „Oh mein Gott tuen Sie mir nichts!“, hatte er ausgerufen. Total unverständlich hatte ich irgendwie die menschliche Sprache gekonnt. Vater hatte mir eingebläut: „Falls du einen Menschen begegnest, sage ja, dass du arm bist, das du keinen Arzt brauchst, sondern etwas Hilfe“. Und so weiter…Vater hatte es gut mit mir getan, im Bücherladen spulte ich nach 3 Jahren des Trainings die Sätze vor mich her.
Der Typ hatte von irgendwoher so eine Art Lacken um mich umher gewunden und gelacht: „Sie sehen jetzt so aus wie so ein Römer mit Tunika“, lachte er erleichtert. Ich verstand nichts. Dann zeigte er mir ein Buch. Er sagte: „Hier, Sie sehen fast so aus wie Brutus…hier sehen Sie auf dem Buch. Ich geb ihnen ne warme Fertigsuppe und dann raus hier…“
Wieder auf der Straße, erntete ich Gelächter und komische Blicke von den Menschen. Ich hatte mich nicht wohl gefühlt und lief wieder aus der Richtung, aus der ich gekommen war. Den Rest des Tages kauerte ich im Wald, bis die nächste Nacht anbrach und ich wieder ein Wolf wurde. Meinen Vater sah ich nicht mehr wieder.
Alleine lief ich als Wolf im Wald herum, keiner wollte was mit mir zu tun haben. Die Tage des Vollmondes verbrachte ich immer mehr in der Stadt. Ich wusste nun, dass ich nur nackt immer wieder erweckt wurde. Die Kleidung die ich als Mensch anhatte verschwand am Ende des Vollmondtages und somit hatte ich im Wald einen kleinen Klamottenvorrat angelegt. Ich kam immer besser mit der Situation des Vollmondes klar. Amüsierte mich immer mehr an den Vollmondtagen mit den Menschen. Aber die meiste Zeit war ich alleine. Als Wolfsgestalt, in den Nichtvollmondstagen, wollte keiner mit mir was zu tun haben. Bis auf einmal eine Wölfin vor mir stand. „Hab ich dich doch noch gefunden“, hatte sie ausgerufen. „Ich muss mit dir reden, ich bin Rebecca, deine Mutter.“
Nur Fakten und Forderungen bekam ich zu hören, keine Worte des Trostes und keine Worte der Liebe.


Weil es so ist, wie es ist

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„Also habe ich das richtig verstanden? Er ist ein Wolf, der sich nur bei Vollmond zum Menschen verwandeln kann – ist das nicht normalerweise umgekehrt?“, fragte ich Robert. Wir saßen an unserer Lieblingslichtung in Wolfsgestalt und Robert erzählte mir nun endlich was Sache war. Ich wollte mich erst in einem Café mit ihm treffen, doch er sagte, dass er über Brutus mit mir reden wollte und unter Menschen ginge das nicht so gut.
„Tja und das ist das Übel der Wurzel, all die Geschichten und Erzählungen sind ja nur etwas richtig, aber nie ganz richtig, denn du weißt ja, dass die Menschen unsere Wahrheit nie verstehen werden.“
Ich schaute ihn weiter fragend an. Er sagte weiter: „Tja, zwar können wir Wolfsmenschen uns nur Verwandeln wenn kein Mensch das mitbekommt und unsere Spuren sind nicht zu entdecken, uns kann man kaum wahrnehmen, aber IHN…verstehst du, ER ist kein Wolfsmensch, kein Mensch, tja wie soll man ihn nennen…Mensch in der Vollmondsnacht?“
„Und was ist so schlimm dran?“, fragte ich.
Robert war angespannt: „Fakt ist, dass die Menschen seine Verwandlungen grade an einem Vollmondstag sehen könnten! Sie sehen seine Wolfsspuren, seine Jagderfolge auch in einer Nichtvollmondsnacht. Wegen solchen Typen sind die Hetzjagten gegen Wölfe und die Geschichten erst entstanden! ER lockt die Menschen zu uns! Und dann werden wir verfolgt und ausgerottet…bzw. grade die echten Wölfe auf dieser Welt müssen darunter leiden.
Wenn die Menschen die Verwandlung sehen dann werden sie verrückt…sie könnten dann sogar sehen, dass wir Wölfe sind, keine scheinheiligen Hunde…-
und am schlimmsten ist, wenn solche Typen wie er das Ganze noch extra machen…aber dann werden sie auch so richtig von uns Wolfsmenschen gejagt.“ Robert war stark aufgeregt und ich versuchte zu verstehen:
„-wie viele laufen denn so rum? Ich meine müssen wir uns so Sorgen machen und was können wir tun?“ „Nunja, das schärfste an der Sache weißt du ja noch nicht…“ Ich schaute ihn an…
“Sein Leben kann nur er selbst beenden…fast nichts hilft da…außer er erreicht die 100 Jahre…oder er wird von einem echten Menschen getötet…mittels einer Waffe…“, sagte Robert besorgt.
„Aber so viele können doch nicht auf der Welt herumlaufen, man hat doch schon lange nichts mehr gehört und wieso-“, Robert unterbrach mich: „Tja die meisten wählen den Freitod oder verkriechen sich bzw. werden zu einem Freitod gehetzt oder überleben erst gar nicht die erste Verwandlung und außerdem gibt es, ähm, nun es gibt eigentlich nur – “ „Und was hat das alles mit Dir und Mir zu tun? Warum sollen wir beide was damit zu tun haben, wieso ist er auf einmal – .“
Jetzt war ich auch aufgebracht und konnte meine Gedanken kaum ordnen. In der Ferne hörte ich einen Raben krähen, doch ich war tief in meinen Gedanken.
„Ach Nathalie, denk doch mal nach“, er grinste mich auf einmal an. „Na, ich sag Dir nur: Rebecca!“ „Ich verstehe nichts…ich-“
„Ohmann, Punkt 1: Rebecca ist seine Mutter…
Punkt 2: Er ist der Vollmondsmensch,
Punkt 3: Vollmondsmenschen entstehen nur, wenn ein Alfa Wolfsmensch eine Gefährtin oder Gefährten auswählt und sie zusammen…ähm – ja – wenn es zum Zeugungsakt in Wolfsgestalt kommt und-“
„Acha, aber das kann ihm doch alles egal sein…“
„Oh glaube mir, so egal ist ihm das nicht ganz. Er gönnt unser Glück nicht. Ich denke Rebecca hat ihn ja auch nochmal überredet…Sie war schon von Anfang an deine Konkurrentin.“
Robert seufzte: „Und mit Hilfe von Brutus, stört sie unserer Frieden.“
„Wir müssen den anderen Bescheid geben und versuchen die Situation irgendwie zu klären.“
Robert versetzte mir eine sanfte Kopfnuss mit der Pfote und sagte plötzlich: „Wir könnten etwas mehr Zeit in der Menschenwelt verbringen und erstmal hier das ganze pausieren. Wir sollten mal bisschen Ordnung in unserem Leben bringen. Du machst dein Studium fertig, ich muss bisschen mehr arbeiten gehen und die anderen haben bestimmt auch was Besseres zu tun. Das ganze hier ist ja nur noch Spaß geworden.“
Ich sah in den Wald hinein und roch die Frische des Waldes. Das Lichtspiel der Sonne zwischen den Bäumen und auf dem Boden erfreute mich sehr.
Ich dachte an die gemeinsame Zeit mit den Wölfen. Wie das schön war mit ihnen zu jagen, ihre anmutigen Bewegungen zu beobachten und ihr Verhalten untereinander zu bestaunen. Hier waren wir glücklich und erholt.
Ich sagte: „Aber grade du hast gewollt, dass das Rudel wächst, dass immer mehr von uns entdeckt werden und das wir hier zusammen was erleben. Er ist das Risiko, nicht wir, hast du noch gemeint…ich will mit dir zusammen sein. Ich will mit den Wölfen zusammen sein.“
„Ich liebe dich Nathalie und ich bin froh, dass ich dich gefunden habe. Ja er ist das Risiko und je länger er hier bleibt dürfen wir hier nicht sein. Ich muss ihn vertreiben.“ „Aber von dort woher er gekommen ist, da gab es doch auch keine Probleme, man hat nichts dergleichen in den Nachrichten oder so gehört.“
„Ja, aber bestimmt hatte er in einen größeren Wald gelebt und die anderen Wölfe hat er gemieden oder sie ihn. Er ist von uns Wolfsmenschen nur schwer aufzuspüren. Für uns fällt er kaum auf, doch er zieht die Menschen an, seine Spuren sind nicht verdeckt und unser Stadtwald ist nicht grade der Urwald.“, sagte Robert und kuschelte sich an mich. „Ach irgendwie wird das schon“, meine er und schleckte mit seiner Zunge mein Maul. „Rede doch einfach mit ihm.“ „Nein, er muss weg. Punkt. Und wir machen erstmal Pause.“
„Aber nicht doch – ich will dich sehen.“ „Das geht nicht Nathalie“ Ich schaute ihn an, stand auf und wich ihm aus:
„Aber auf die Idee zu kommen mich als Mensch zu treffen oder was zu unternehmen bist du nicht gekommen“, sagte ich trotzig und trottete heimwärts.


Der Rabe

-1-

Oh Aas oh Aas, ich vergaß. Die Zeit die schwindet und uns verbindet,
Das Aas.
Oh Aas oh Aas ich vergaß, was verbindet, dass schwindet.
Die Zeit.
Oh Aas oh Aas ich vergaß, es schwindet, da kommt
Der Tod.

Lachend hüpfte der Rabe um mich herum und hörte nicht auf dauernd sein Gedicht vorzutragen.
Ich war an diesem Morgen schon recht früh im Wald gewesen und wollte die Natur genießen. Ich war entlang meiner Lieblingswiese gestreift und roch die Frische des Grases. Die Sonne brachte die Tautropfen zum glitzern und bald darauf hatte mich die Lust, durch diese Wiese zu laufen, gepackt. Ich lief bis ich einen stechenden Duft in meine Nase bekam. Ich musste schnauben und dachte nur, dass ich diesem verlockenden Duft folgen musste. Kurz vor dem Waldrand, hinter der weiten Wiese, lag ein kleiner junger Hirsch. Tot. Sein Duft umhüllte mich, machte mich glücklich und mein Speichel floss immer schneller. Ich konnte nicht anders und schon hatte ich meinen Kopf in seinem noch gut erhaltenem Körper stecken.
Das Fleisch war so schön zart und ich konnte nicht aufhören immer mehr in mich hineinzuschlingen. Saftig und berauschend war ich beim fressen versunken und merkte nicht wie ich beobachtet wurde. Ein Rabe flog dann nach reichlicher Bedenkzeit zu mir und nun bin ich bei meiner Mahlzeit gestört.

Oh Aas oh Aas, ich vergaß. Die Zeit die schwindet und uns verbindet,
Das Aas.
Oh Aas oh Aas ich vergaß, was verbindet, dass schwindet.
Die Zeit.
Oh Aas oh Aas ich vergaß, es schwindet, da kommt
Der Tod.

„Hey du, du weißt wohl nicht, dass du mich störst“, sagte ich und versuchte den Raben mit meinen Vorderbeinen zu vertreiben. Er war schneller und hüpfte immer mehr um mich herum.
„Und du weißt anscheinend nicht, dass die Hälfte mir gehört!“, schrie der Rabe und flatterte auf mich los.
„Merk dir was ich sage… und uns verbindet,
Das Aas.“, sagte er immer wieder.
Wir tanzten eine Weile herum. Ich versuchte ihn zu verscheuchen und er rief immer mehr „Das Aas.“
Bis er schließlich auf einer kleinen Kiefer Platz nahm. Ich musste mich vor lauter Rumgehüpfte hinlegen, hechelte und mein Blick ging zu den Raben hoch.
„Gewonnen.“, jauchzte ich. „Nix da, du Unwissende. Wunderst du dich nicht, dass du mit mir Kommunizieren kannst? – Ach. Ich beobachte dich schon so lange. Endlich nimmst du mich war. Ja ja, und uns verbindet, Das Aas.“
„Toll. Ich heiße Nathalie und Das Da, habe ich zuerst gefunden.“, sagte ich trocken.
„Tjo und ich denke, ich kann mit dir kommunizieren, weil uns das Aas verbindet. Laut deinem Gedicht-“ „Falsch- Du kannst mich verstehen, weil ich ein Rabenmensch bin…so in etwa wie ihr Wolfsmenschen…nunja, fast. Ich kann mich nicht so oft verwandeln wie ihr das tut, aber das ist eine andere Geschichte. Merk dir was ich sagte. Und normalerweise gehört das Aas mir.“
„Momentmal-“ Er kam lachend wieder auf mich zugeflogen und setzte sich vor mich hin. „Hast du nie Naturfilme gesehen? Wir Raben und Vögel sind die ersten beim Aas und die Wölfe und die anderen Vierbeiner nehmen uns alles weg.“
„Jaa jaa…so viel könnt ihr gar nicht aufessen.“
„Ohman -Unwissende- das ist schon seit Jahren so…uns verbindet das Aas. Wir zeigen euch das Aas an und dafür dürfen wir auch was vom Kuchen haben.“
„Heute ist das mal ausnahmsweise mein Kuchen-Ok?“, lachte ich auf.
„Das ist heute mir egal, ich hatte schon ein Auge…und eigentlich bin ich wegen eines anderen Themas hier. Zwar wäre es schön wenn wir gemeinsam wieder was machen würden, aber nunja. Die Zeit.“
„Die Zeit, die schwindet-“
„Genau!“
„Und es kommt der Tod. Der Mensch in der Vollmondsnacht ist hier erschienen, dieser Vollmondsmensch ist da…der Tod ist nah. Du musst mit ihm reden und ihm vertreiben. Dein Alfa scheint ihn immer noch hier zu dulden. Er hat ihn nicht verscheucht!“
„Das scheint nicht so einfach zu sein, wenn Brutus im Wald verschwindet, ist er nur schwer wieder aufzuspüren und –“
„Ich führe dich zu ihm. Du musst mit ihm reden.“


Der Deal

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Endlich hatte ich ihn in menschlicher Form vor mir sitzen. Es war Samstag und ich hatte vorgeschlagen in eine Café Bar zu gehen. „Es geht um Brutus, was wichtiges, kommst du?“, hatte ich Robert gefragt. Nachdem er zugestimmt hatte, hatte ich mich fein angezogen und mich sogar geschminkt. Mit offenen wehenden Haaren bin ich aufgeregt zur Bar geeilt. Unser erstes richtiges gemeinsames Zusammensein als menschliche Gestalten in der Masse der Menschen.
Als ich ihn sah bekam ich einen enttäuschten Stich ins Herz. Ich bekam nur einen kleinen Kuss auf die Wange, er hatte sich nicht mal ausgehfertig angezogen. So saßen wir in der Bar und warteten auf unsere Bestellung. Er hatte eine silberne, dicke Kette um seinen Hals baumeln, sein Sportshirt sah schon aus wie eine Woche getragen und an einem Daumen hatte er sich den Fingernagel aufgerissen.
„Ich liebe Dich.“, sagte ich und nahm seine Hand mit dem kaputten Fingernagel in meine kleinen Hände. Optisch waren wir ein ungleiches Paar, doch wir wussten, wie der andere dachte, was er so fühlte und wir hatten so vieles gemeinsam, nicht nur das Wolf sein, sondern auch viele Kleinigkeiten. Doch ich erwartete trotzdem noch mehr von ihm.
„Aber du hättest dich etwas frischer anziehen können.“, sagte ich. „Ich bin frisch!“, lachte er nur. „Ich mag dich, was ist nun mit Brutus? Aber Vorsicht, nicht so laut.“, er zwinkerte und schaute sich nochmal um. Ihm war die Sache nicht so geheuer. Ich hatte gehofft, dass wir eigentlich von was anderem reden würden und wir uns nur auf uns konzentrieren würden. Nachdem eine Kellnerin unsere Cocktails gebracht hatte seufzte ich: „Ich habe mit ihm einen Deal gemacht.“
Robert zog seine Hand weg und verschränkte die Arme.
„Das kommt gar nicht in Frage. Oh, Nathalie, was hast du gemacht? Hast du mit dem geredet? Was soll das?“, regte Robert sich immer mehr auf.
„Du hattest Recht, er wollte länger hier verweilen und hatte auch was Positives in dem ganzen gesehen. Für ihn ist das alles eine Abwechslung, er ist nicht mehr so alleine und-“
„Ha! Er ist verdammt alleine zu sein!“ „Pssst, nicht so laut. Er ist nur Rebecca den ganzen gefährlichen Weg aus seinem Wald hergelaufen, nur um endlich eine Aufgabe zu haben. Er will mit uns sein und vor allen Dingen uns an der Paarung hindern. Sein Vater hat ihn gut unterrichtet, er will niemanden Schaden und er weiß, dass so etwas wie er nicht nochmal geboren werden soll. Dank seines Vaters hat er das dreijährige Erwachsen werden überhaupt geschafft. So was ist die reinste Qual und er will nicht, dass jemand so etwas wiederfahren soll.“
„Mir kommen gleich die Tränen. Ist ja widerlich, will er uns die ganze Zeit beobachten oder was…?“, schnaubte Robert vor sich her. „Warum hast du ihn nicht schon längst verjagt?“, fragte ich.
„Das ist nicht so einfach. Wie hast du Ihn überhaupt gefunden? Oder hat er dich erschnüffelt? Was ist nun der Deal?“ Er war aufgeregt und sah mich nervös an.
„Nun, ähm, er geht zurück in seinen Wald, dafür will er ab und zu Besuch haben und, ähm, Frank passt auf, dass wir nicht zusammen, ähm-“, erklärte ich ihm meine Halblüge. „Das ist ja ein scheiß Deal und wer ist Frank. Was soll das?“ Ich ging näher an Robert heran und erzählte noch leiser: „Frank ist ein Rabenmensch und -“
„Ha! So was gibt’s noch. Die haben sich lange nicht mehr gezeigt. Mann. Mann. Mann. Das gibt’s doch nicht! Und du hast was damit zu tun? Warum kommt er nicht als erstes zu mir? Das wird ja immer lustiger. Außerdem will ich nicht beobachtet werden. Ist ja widerlich. Ich will mit dir ungestört herumkuscheln. Und ich werde derjenige nicht sein, der diesen Affen besucht.“ Er nahm einen langen Zug von seinem Cocktail und rieb sich mit der Hand die Stirn vor Sorgen. Ich hatte mein Bestes getan und Robert war nicht erfreut.
„Ach, immer muss man sich um was Sorgen machen. Man lebt nur einmal, lassen wir doch alles so laufen und fertig. Du hast doch gesagt man sollte alles positiv sehen und für jedes Problem gibt es eine Lösung.“, sagte ich.
Robert lachte: „Für so was wie Ihn habe ich keine Zeit. Schließlich muss ich noch arbeiten gehen und du musst dein Studium machen.“
„Ich habe dir noch nicht was gesagt…ich weiß nicht ob ich dir das schon verraten soll.“, sagte ich ernst. „Oh komm, wir sagen uns doch immer alles.“ Robert setzte einen Hundeblick auf und leerte seinen Cocktail. Wir erzählten uns immer alles und hatten großes Vertrauen zueinander. Wir hatten keine Geheimnisse und solche Spielchen lagen mir nicht und er würde immer noch bezüglich Brutus nervös sein, obwohl er schon längst weg war. Also sagte ich ihm die Wahrheit.
Es war der Rabe, der mit der Neuigkeit herausplatzte, als ich vor drei Tagen mit Brutus redete.
Wie ich erfahren hatte, gibt es nur einen einzigen Vollmondsmenschen auf der Erde, erst wenn dieser stirbt, besteht die geringe Chance, dass ein neuer Vollmondsmensch geboren wird. Ein anderes Alfapaar, welches sich in Wolfsgestalt paart, während bereits ein Vollmondsmensch existiert, bekommt keine Wolfskinder oder ein bzw. mehrere Vollmondswelpen.
„Das hat alles Frank gesagt. Und Brutus ist nun wieder weg, keiner braucht sich Sorgen machen…Rebecca weiß auch bescheid und Frank wird ab und zu ihn besuchen. Das war´s.“, grinste ich, als ich Robert die Wahrheit sagte. Robert wollte etwas sagen, doch ich schaute ihn ernst an. „Sag mal, du bist doch der Alfa - warum hast du das nicht gewusst? Das mit dem einen Vollmondmenschen auf der Erde? Dass solange Brutus noch lebt, wir keine Wolfskinder bekommen können?“
„Hmmm? Aber ich dachte das weißt du schon. Das habe ich dir doch an der Lichtung gesagt.“, sagte Robert mit fragenden Gesicht. „Nein, dass hast du nicht erwähnt...“ „Doch!“ Ich schaute leicht verärgert ihn an: „Du hast es nicht gesagt. Aber Fakt ist, dass Brutus weg muss, da er die Menschen lockt.“
„Ja wie gesagt, er ist das Risiko. Aber du meinst also er ist weg? Ich muss diesen Frank ausquetschen.“
„Ja ich habe mich von Brutus verabschiedet und dich gleich kontaktiert-“.
Wir saßen noch einige Minuten still da bis die Kellnerin unsere Bezahlung entgegen nahm. Wir gingen raus auf die Straße. „Wir treffen uns morgen im Wald…am Nachmittag ok?“, sagte er. „Oh - ich dachte wir machen heute noch was!?“ Ich legte meinen Kopf auf seinen Arm und schaute zu ihm hoch.
„Ich bin so müde, ich geh nach Hause ins Bett – wir sehen uns ja morgen.“ Er gab mir einen kleinen Kuss auf den Mund und brachte mich zur Busstation. „Willst du nicht mit mir kommen?“ „Bis morgen-ok.“ Ich nahm den Bus nach Hause, aufgrund der großen Menschenmenge in der Stadt, konnte ich mich nicht in einen Wolf verwandeln und nach Hause laufen. Der Weg war sowieso nicht berauschend. Der Duft der Straße und der Lärm sind nicht grade eine Verlockung. So fuhr ich alleine nach Hause.


Der Kampf

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Die Tage gingen in Ruhe weiter. Wir Wölfe waren oft zusammen, jagten auch in der Gruppe Rehe oder Hasen oder lagen auf unserer Lieblingslichtung, doch Robert war nervös und unruhig. Er merkte, dass etwas nicht stimmte. Ich wollte mit ihm die Zeit genießen, auch in Menschengestallt, doch er konnte sich nicht auf mich konzentrieren.
„Was ist denn los? Du bist irgendwie neben der Spur.“, fragte ich ihn. „Nathalie, ich werde das Gefühl nicht los, dass Brutus nicht weg ist. Er ist hier irgendwo. Er hat sich nicht einfach so davongemacht.“, sagte er mir besorgt. „Das kann nicht sein, er wollte doch weggehen, nachdem er nun weiß, dass so lange er lebt, wir keinen Wolf bekommen können-Und Rebecca braucht sich auch keine Sorgen zu machen.“ „Er ist hier. Ich weiß es. Ich muss mit diesem Frank sprechen. Wir kämmen von mir aus den ganzen Wald durch…bis wir Frank, Brutus…oder Rebecca finden. Die haben sich alle nicht blicken lassen. Doch da liegt was in der Luft.“
Wir saßen an unser Lieblingslichtung, und statt mit mir zu kuscheln, ging er nervös mit nachdenklichen gesenkten Kopf auf und ab. Ich sah ihn an. Sein Fell glänzte in der Abendsonne, seine Muskeln in den Beinen sahen kräftig und muskulös aus, doch sein Geruch, welcher Angespanntheit signalisierte, überdeckte den schönen blumigen Frühlingsduft.
„Es kribbelt so in mir…es ist schon heute spät, doch das lässt mir keine Ruhe, wir starten jetzt die Suchaktion.“ Er stellte sich abgrubt hin, streckte seinen Kopf in die Höhe und gab ein Heulen von sich.
Ich sah ihn fasziniert an, er rief andere Wölfe herbei. Er stand zum Laufen bereit, angespannt, er strotzte nur so vor Kraft.
„Sitz nicht so rum, los geht’s, mal schauen wer noch mit uns suchen will.“, schaute er mich ernst an. Ich stand auf und wir liefen in den Wald hinein. Wir suchten alle möglichen Orte ab und blieben ab und zu stehen, um die Namen der Gesuchten zu rufen oder um ihre Anwesenheit zu erschnüffeln. Nach einer gefühlten halben Stunde ruhten wir uns kurz an einer großen Pfütze aus.
Das Wasser in der Pfütze war milchig weiß, doch das störte uns nicht am trinken. Mittlerweile vertrug mein Magen so einiges, was der Wald mir hergab. „Ich mag dich“, sagte ich zu Robert, kuschelte meinen Kopf an seinen und ich versuchte meinen Körper an seine Seite zu drücken. Er wich zurück und lief vor mir her. Ich lief ihm hinter her und versuchte ihn zu fangen. Plötzlich drehte er sich um und dann lief ich vor ihm weg.
Unser kleines Jagtspiel genoss ich, bis auf einmal Frank mir beinah mitten ins Gesicht flog. „Ejj- Was soll das?“ Frank setzt sich zwischen Robert und mir hin und flattert mit den Flügeln. „Ihr habt gerufen?“ „Du bist also Frank. Bring mich sofort zu Brutus.“, sagte Robert ernst zu Frank.
„Na das ist ja eine tolle Begrüßung.“ „Dafür haben wir keine Zeit. Brutus ist noch hier. Wo ist er. Er muss weg.“ Frank schüttelte mehrmals seine Federn, hüpfte in Ruhe zur der Pfütze und wollte sich pflegen, doch pfeilschnell schoss Robert zu ihm, schnappte einen seiner Flügel und schleuderte ihn weg von der Pfütze gegen einen großen, alten Baumstumpf.
Auf dem Baumstumpf stand überraschender Weiße ein Wolf. Mit gesenktem Kopf stand er bedrohlich da. Ein schwarzer Wolf, sein Umriss in der anbrechenden Dunkelheit kaum zu erkennen. Brutus knurre angespannt, seine gelben Augen stachen hervor und die weißen Zähnen blitzten in der Abendsonne. Seinen Duft konnte ich nicht wahrnehmen. Frank schien nichts passiert zu sein, er schüttelte sich kurz noch einmal und flog ohne Kommentar davon. „Na- ihr könnt wohl nur rumalbern und kleine Vögelchen angreifen. Gel?!“, knurrte Brutus immer mehr. Er stand sicher und angespannt auf seinem Platz. Er fixierte uns an. „Du wolltest doch schon weg sein.“, sagte ich. „Wie kann man so naiv sein. Meint ihr wir gönnen euch das Friede, Freude, Eierkuchenleben?“ Neben dem Baumstumpf erschien noch ein weiteres gelbes Augenpaar.
Ich roch Rebecca. Jetzt knurrten wir alle vier. Instinktiv stellten sich bei mir die Nackenhaare auf. Ich sah wie Rebecca auf mich zulief und sich kampfesbereit auf mich stürzte. Im Augenwinkel sah ich, wie Brutus vom Baumstumpf elegant direkt auf Robert sprang.
Ich verbiss mich richtig in Rebecca und setzte ihr gut zu. Hoffentlich hatte es Robert auch nicht zu schwer. Irgendwie war Rebecca viel dünner geworden, ihr Fell war nicht mehr so dicht und sie schwächelte schneller, als bei unserem letzten Kampf, so dass ich ihr mit meinen Bissen an ihre linke Seite eine Wunde verpasste.
Wir waren richtig ineinander verkeilt und jeder versuchte den anderen runterzudrücken oder ihm Bisswunden zuzufügen. Ich schmeckte in meinem Mund schon das Blut und hoffte, dass es ihrs war. Sie konnte mich ab und zu an der Schnauze treffen, doch ich ließ nicht locker und verbiss mich oft an ihren Beinen und an ihren Seiten, so dass schon Fellbüschel aus ihr herausfielen. Mir kam der Kampf unendlich vor, doch ich schaffte es. Rebecca brach auf einmal zusammen und ich stellte mich schnell über sie. Sie rollte sich auf den Rücken und zeigte mir ihren Bauch und ihre Gurgel. Ich machte mich groß und wollte Robert zur Hilfe eilen. Rebecca blieb hechelnd liegen.
Ich sah wie Brutus und Robert in der Pfütze aufeinander schlugen. Die Pütze war schon vor lauter Blut rot geworden. Wasser, Dreck und Blut spritzten umher. Robert verbiss sich mit Brutus immer mehr.
Es gab ab und zu kleine Pausen, wo beide nur dastanden, ihre Zähne zeigten und sich nur anknurrten, bis sich die Schnauzen wieder ineinander verkeilten. Ich versuchte mich an Brutus Hinterbeinen zu verbeißen und zog mit meinen Zähnen so heftig an seiner Haut, bis ich endlich ihm eine große Wunde ins Bein gebissen hatte. Das schien Brutus nichts auszumachen. So ging das nicht weiter, wir schienen nicht vorwärts zu kommen. Weiterhin gab ich drei Geheule von mir, um andere Wölfe zu Hilfe zu rufen. Doch keiner kam. Brutus und Robert waren schon ganz rot von Blut angemalt und keiner wollte aufgeben. Sie hatten beide soviel Kraft. Ich war erstaunt. Ich fing an, mich nur auf eine Wunde von Brutus zu konzentrieren. „Ich mache so lange weiter, bis ihm das Bein abfällt.“, dachte ich.
Plötzlich riss sich Brutus los und lief in die Richtung, wo Rebecca ausruhte. Ich dachte noch, dass es endlich vorbei war und die beiden abhauen würden. Robert machte sich schon trotz seiner Wunden groß. Doch auf einmal sahen wir wie Brutus auf seine Mutter sprang und ihr seine Zähne in den Hals stieß. Man hörte von Rebecca ein klägliches aufjaulen. Robert und ich standen kurz da und waren fassungslos. Rebecca schaffte es, sich mit den Hinterbeinen aufzurichten und versuchte nun ihren Hals aus den Fängen wegzuziehen. Brutus drückte sie runter und biss immer fester zu. „EEII, lass Sie los!“, schrie Robert und rannte auf Brutus zu. Er versuchte ihn wegzuziehen, biss ihm in die Nase und in die Vorderpfoten. Rebeccas Körper lag nun regungslos auf dem Boden. Ich lief zu Brutus hin und war immer noch fassungslos. Ich wusste nicht wie ich helfen sollte. Mir kam die Idee an Brutus Augen zu gehen. „Lass Sie los!“, rief ich noch und bohrte so gut es ging ein Eckzahn in Brutus rechtes Auge.
Brutus gab ein reuchelndes Geräusch von sich, ließ endlich von Rebecca ab. Er sah mich feixend und mit offenem blutigem Maul an. Aus seinem rechten Auge lief was labbriges heraus. Robert schaute genauer auf Rebecca runter. Sie war tot und dennoch schien sie sich irgendwie zu bewegen. „Das kann doch nicht war sein.“
Sie bewegte sich nicht…sie verwandelte sich zurück in einen Menschen!
„Jetzt habt ihr die Kacke am dampfen…hehe. Man sieht sich.“, lachte Brutus und lief in den Wald hinein. „Wieso ist sie auf einmal ein Mensch?“, fragte ich und sah ihren leblosen Körper an. Sie war angezogen, sie hatte merkwürdiger Weise Wandersachen an und sogar einen Rucksack auf ihrem Rücken. Außerdem sah man Wolfsbisse im Bereich ihrer Waden und ganz deutlich den Drosselbiss an ihrem Hals.
„Wie ist das möglich?“ „So ein Mist, sie hat sich für die Menschenform beim Tod entschieden.“ „Wie entschieden? Was hat man da noch Zeit sich zu entscheiden?!“, sagte ich.
„Nun, wenn man als Wolfsmensch stirbt, und es kein Mensch mitbekommt, kann man sich während des Sterbeprozesses entscheiden, ob man als Wolf- oder Menschenleiche liegen will. Wenn man jedoch als Wolf liegt, sehen uns die echten Menschen nur als tote Hunde. Und jetzt ist es echt Ungünstig, dass Rebecca hier als Mensch liegt. Die Menschen sehen die Spuren von Brutus! Wenn ein Mensch die Leiche findet, gibt es gleich ein super Wirbel, dass Wölfe hier ihr Unwesen treiben. Wir können jetzt nicht hier als Wolf herumlaufen. Wir müssen verschwinden!“
„Aber ihre Waden sind ja auch zerbissen!?!“ „Ich denke das haben die beiden so geplant. Rebecca war nichts heilig. Sie gönnt uns kein Glück.“
„Aber das ist doch Wahnsinn, dass sie dann so was tut! Ich mein Ihr eigenes Leben?!? Das ist doch nicht normal.“
„Sie hatte wahrscheinlich noch andere Probleme…-.“ „Sie hatte eine Familie, nicht nur die menschliche -.“ „Sie wollte unser Glück auseinanderbringen.“, murmelte Robert. Ich schaute mich um. Überall Blut, Brutus Blut würde man sehen, seine Pfotenabdrücke und vor allen Dingen den Todesbiss bei Rebecca. „Weißt du was?“ „Hmm?“
„Den Biss am Hals und an den Waden hat er ihr noch vor unserem Kampf, in Menschengestalt zufügen müssen. Da man bei einer Verwandlung nur die Wunden hat, die man schon vorher hatte. In dem Zustand wie sie waren.“, sagte Robert nachdenklich. „Ist ja pervers.“ „Und nun soll alles gegen uns gerichtet werden. Was wohl in dem Rucksack ist?“
Wir standen blutbeschmiert da. Einige Wunden tropften noch vor sich her. Wir sahen echt nicht gut aus. „Bestimmt etwas gegen uns. Keine Ahnung, dazu müsst ich den Rucksack an mich nehmen, doch dazu müsst ich mich in einen Menschen verwandeln. Schau der Rucksack hat sogar einen Bauchgürtel, den kann ich nur mit den Händen aufmachen. Und dann wird überall meine Menschen-DNA auf ihr verstreut sein.“
„Mist, können wir sie nicht wohin wegschaffen? Zur ihrer Familie oder so?“
„Na die werden bestimmt nichts verstehen…und dann wird die Sache noch heißer.“
„Aber der Rucksack muss weg!“ „Tja. Ohne dass wir unauffällig bleiben geht’s wohl nicht.“
„Wir müssen die anderen Informieren, dass der Wald erst mal tabu ist, leider.“
„Da haben sie es doch geschafft. Unsere Ruhe ist gestört.“

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Tag der Veröffentlichung: 23.03.2012

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