Cover


Ein Wunsch wird wahr



-1-


Der Wald roch nach Frische. Wir liefen zuerst einen langen Abhang hinunter. Der Boden war weich, von braunen, schon fast verwesten Nadeln gepolstert. Um uns herum standen locker verteilt die Nadelbäume und ragten so hoch, dass die Sonne kaum durchdrang.
Die frische Luft half den nassen gehetzten Körper zu kühlen. Ich versuchte so gut es ging mitzuhalten, nicht umzuknicken oder auszurutschen. Mein Herz brannte vor Anstrengung, ich hatte den trocknen Mund aufgerissen und saugte soviel Luft wie möglich in meinen Körper.
Nach einiger Zeit fand ich das Laufen schön. Ich spürte den Wind, den Boden und ich konnte den kleinen Bäumen, die auf dem Waldboden den Kampf des Lebens begonnen hatten, gut ausweichen.
Wir gelangten an eine Steigung, erst dort hörte das Laufen auf. Mit flinken Schritten waren wir oben an unserem Ziel angekommen.
„Wenn man ankommt, darf man keine Schwäche zeigen.“, dachte ich.
Erschöpft blickte ich zu ihm hoch und versuchte mich, so gut wie möglich, aufrecht zu halten und mich zu präsentieren.
Er stand leicht erhoben auf einen grauen glatten Stein. Stolz stand er mit der gestreckten Rute zum Himmel da. Als er zum sprechen begann, senkte er nicht den Blick zu uns.
„Willkommen Neulinge, ich bin Robert, der Alfa. Timo, alles nach Plan verlaufen?“
Timo, der ohne ein Zeichen der Erschöpfung, vor mir und den anderen Neulingen stand sagte: „Einer hat es nicht geschafft, dem war das wohl zu bunt, wahrscheinlich zu jung.“
„Nun, wenigstens weiß er, dass wir existieren.“
Der Alfa setzte sich hin. Erst da Blickte er in die Runde. „So, na dann stellt euch mal vor, ich hole die anderen herbei.“
Mit einem kurzen Heulen kamen die anderen aus dem Wald hervor. Sie gingen gemütlich auf die kleine Lichtung mit dem grauen Stein zu.
Es sah für mich traumhaft aus. Dieser Anblick der Wölfe erwärmte mein gehetztes Herz. Ihre Körper waren so elegant, jeder hatte eine andere Fellzeichnung. Anmutig bewegten sie ihre Beine vorwärts. Die Pfoten drückten sich in die Erde. Hier fühlte ich mich wohl. Ich war endlich angekommen, mein Körper beruhigte sich langsam.

„Tja, so viele neue auf einen Schlag hatten wir noch nie.“, sagte Robert. „Nun ist unsere “Gemeinde“ erheblich gewachsen. Insgesamt zählen wir nun 13 Männer und 5 Frauen. Wie ihr seht, sind heute nicht alle da. –
Ich komme gleich zum Punkt: Das Ziel ist es für mich, so viele wie möglich von euch zu finden und in unsere Gemeinschaft aufzunehmen. Deshalb ist es wichtig, dass Ihr euch gut einprägt, wer einer von uns ist, damit Ihr Unwissende sofort erkennt und Ihnen klarmachen könnt wer sie sind und das wir existieren.“
Robert blickte ernsthaft auf uns hinab. „Das wurde die letzten Jahre sehr versäumt. Ich als neuer Alfa hege diesen Wunsch und ihr seht ja, wir sind nicht allein. Wie viele Unwissende sind da noch draußen?“
„Ey, können wir mal die Sache hier bisschen schneller hinter uns bringen?“, unterbrach Rebecca, eine von den Neuligen, unseren Alfa. „ Schließlich muss ich meine Familie wieder anlügen wo ich war. Ich muss nach Hause.“
„Hör zu, in Wolfsgestalt wird der Alfa nicht so angemacht. Ist das klar!“, schnauzte Robert sie an. „Also, ich hoffe Ihr Neulinge habt eure Verwandlung gut geübt und habt dabei nicht vergessen, dass ihr euch mit Kleidung verwandeln könnt. Dann wollen wir uns mal als Menschen genauer beschnuppern.“ Er lachte auf und binnen Sekunden stand Robert als menschliche Gestalt vor uns. Alle verwandelten sich, einige der Neulinge schwerfällig, doch dann standen wir alle vor Robert da. „So, jetzt wisst ihr alle bescheid wer ich bin, ich hau hier ab, adieu“, lachte Rebecca auf, verwandelte sich wieder in einen Wolf und rannte in den Wald hinein.
„Hey! - “, schrie Timo noch, wurde aber von Robert schnell unterbrochen. „Lass sie, du weißt, dass ist hier keine Pflichtveranstaltung.
Ach, ich hätte zwar gerne mit euch mehr Kontakt, aber die Welt da draußen ist wichtiger und keiner ist gezwungen als Wolf rumzulaufen. Hauptsache wir kennen uns.
Das Wolfsein ist heutzutage nur noch eine Art Freizeitveranstaltung geworden.“ Robert lachte leise auf, es lichteten sich die Reihen. Plötzlich merkte ich, dass nur noch Robert, Timo unser Betawolf und ich da standen.
Ich schaute an mir runter und merkte, dass ich wieder die Wolfsgestalt an mich genommen hatte. Robert schaute mich neugierig an: „Na? Wie heißt du gleich noch mal, ach ja Nathalie. Die Kontrolle über die Verwandlung scheinst du noch nicht ganz zu beherrschen. Nicht?“
Ich war aufgeregt, angespannt stand ich da. Meine Rute klemmte ich leicht zwischen meine Beine. Ich spürte wie meine vier Pfoten versuchten die Erde zu umklammern. Ich blickte an ihm vorbei und sagte: „Meine erste Verwandlung liegt erst zwei Wochen zurück.“
„Was? - erstaunlich. Schön, dass du das heute mithalten konntest und dann noch mit deinen 24 Jahren.“
Timo mischte sich ein: „Na jedenfalls lass ich euch mal alleine plaudern, ich muss auch zurück, wir bleiben ja übers heulen in Kontakt. Tschüß!“ Und weg war Timo.
Robert verwandelte sich auch wieder in einen Wolf und schaute mich an. Mir kam es so vor, als ob er verlegen wäre. „Weist du - mir ist diese Gestalt auch lieber. Ich spüre, dass du auch so fühlst. Dein Körper will nun eher ein Wolf sein. Ach was sag ich, deine tiefsten Gefühle schlagen in diese Richtung.“
Ich stand immer noch regungslos da, wir schauten uns lange an. Meine Augen waren den Tränen nahe. „Endlich jemand-“, dachte ich, „Endlich jemand, der mich versteht.“
Ich sprach meine Gedanken aus. „Naja, ich bin ja auch der Alfa, da kann ich die wahren Gefühle von meinen Leuten spüren, weißt du?“
Ich sagte nichts. Meine Gedanken ließen sich nicht ordnen. Mein Misstrauen setzte sich durch.
„Nein, ich traue keinem. Ich bin alleine auf der Welt. Auch wenn er der Alfa ist, ich muss mich erstmal selber sammeln und momentan traue ich keinem.“, dachte ich in mir versunken.
„Ey, was ist?“ Er starrte mich an, ich setzte mich in Bewegung, in den Wald hinein. „Sorry, ich muss los.“ rief ich nur nach. Der Zweifel hatte gesiegt, ich lief wieder der Situation davon.

-2-


Wieder Zuhause lag ich in meinem Bett. Es war schon recht spät, da ich in der Stadt nicht wusste wie ich als Wolf auf die Menschen reagieren würde, bin ich sobald die ersten Häuser zu sehen waren, als Mensch nach Hause gelaufen. Der Weg war mühselig, ich war schon müde von der ganzen Lauferei. Das Wochenende brach an und ich schmiss mich angezogen in die Federn. Ich sah mich im Zimmer um. „Solange war ich noch nie draußen“, dachte ich mir. Die kalten Wände schauten mich an. Ich fühlte mich wieder allein und verlassen. Das erdrückende Gefühl der vier Wände machte mich traurig und ich schlief unruhig ein.

Am nächsten Morgen versuchte ich mich wieder zu motivieren und fing wieder mit den Selbstgesprächen an. „Auf in den frühen Morgen, das wird ein schöner Tag, heute mach ich einen auf Faul und esse was ich will. Jaa! Hm, mal schauen was der Kühlschrank hergibt. Lecker Marmeladenbrot! Mist, ich muss heute einkaufen, morgen bekomm ich wieder Gelüste und da ist das Geschäft wie immer zu. Ich will lecker Fleisch.“ Ich aß hektisch das Brot auf, kämmte meine Haare und wollte raus zum einkaufen. Ich lauschte an der Eingangstür, ich glaubte im Treppenhaus jemanden zu hören. „Meine Güte das kann doch nicht wahr sein, wie lange will derjenige das Treppenhaus noch besetzen? Ich will raus einkaufen, ich muss mich trauen. Der wird mir nichts tun.
Und wenn er komisch über mich denkt?“,
wieder waren meine Gedanken voller Angst. Angst einen Menschen zu treffen, der mich dann auf jeden Fall sieht und sich dann ein Urteil über mich bilden könnte. „Ich will raus, tschakaa!“
Ich ging raus und huschte das Treppenhaus hinunter. Ich war alleine, keiner zu sehen. „Puh, siehst du, keiner da.“
Ich kaufte schnell ein, schloss mich wieder hinter meine vier Wände ein und begann im Internet zu lesen und meine Chips zu essen. Dazu gönnte ich mir ein Bierchen. Grade setzte ich die Flasche an, als die Haustür klingelte. „Ha, ich mache nie auf.“, dachte ich mir. Ich zuckte mit den Schultern, drehte meine Musik lauter auf und begann den Tag und die halbe Nacht am PC zu sitzen. „So ein Studentenleben ist toll“, dachte ich mir. „Schön Samstagabend faul rumhängen.“
Jahrelang saß ich so alleine da.
„Das ist mein Schicksal.
Ich bin alleine, ich kann gar nichts, mich hasst eh jeder, ich bin schwach und unfähig mit anderen Kontakt zu pflegen.“, hatte ich oft gedacht.
Oft habe ich es verflucht, dass ich so ängstlich war. Schon seid Kindertagen wusste ich, dass in mir was anderes steckte. Nie hätte ich vermutet, dass es auch Wirklichkeit ist. Ich murmelte vor mich hin.
„Eigentlich kann jetzt alles anders werden.“
Endlich könnte ich aus meiner Gewohnheit ausbrechen. Vor zwei Wochen war das passiert, was ich mir schon ein Leben lang gewünscht und vorstellt hatte.

Die erste Verwandlung war schmerzhaft gewesen. Kurz nach dem aufwachen hatte ich zum ersten Mal ein Wolfsheulen gehört und mit ihm kam der stechende Schmerz im ganzen Körper. Ich hatte aufgeschrien und sah wie meine Hände zu Pfoten wurden, ich hatte die Fellhaare, die langen Fangzähne und die Rute gespürt. Als der Schmerz verging, lag ich immer noch in Seitenlage da und konnte es nicht fassen.
Es waren Minuten die ich so liegend verstreichen lies.
„Es ist geschehen. Das darf doch wohl nicht war sein“, hatte ich lächelnd und zufrieden gedacht. Erst spät versuchte ich mich hoch zu rappeln, meine Beine zu ordnen und mich aufrecht zu halten.
„Total unbeholfen, wie eine Kuh frisch nach der Geburt.“ Vom Bett gesprungen war ich erstmal hingefallen. Mein Ziel war der große Spiegel im Flur. Nur mit wackeligen Schritten hatte ich ihn erreicht. „Ach du meine Güte, ich sehe ja richtig wie ein Wolf aus!“ Ich hatte meine Bewegungen im Spiegel beobachtet, hob und senkte die Rute oder ein Bein, drehte meine Ohren hin und her, schaute mir von allen Seiten die Fellzeichnung an, hatte sogar meine lange Zunge rausgestreckt und bewunderte die langen weißen Eckzähne. „Ich sehe aber hübsch aus“, dachte ich und so hatte ich stundenlang vor dem Spiegel gesessen, bis ich wieder ein Heulen gehört hatte. „Hm? Soll ich auch mal heulen?“
Ich hatte mein Maul aufgerissen und ein lustiges „Haaauuuu“ von mir gegeben. „Oje - ich glaub das war nicht richtig, das hört sich ja kacke an. Man bin ich unbeholfen. Ich muss es nur wollen.“
Ich hatte mich konzentriert, die Vorstellung vom Wolfsheulen hatte ich mir im Gedanken ausgemalt und dann tief Luft geholt. Der zweite Versuch hatte geklappt und ich heulte bis die ganze Luft aus meinem Körper gewichen war. „Huch, das war vielleicht geil. Mal schauen was passiert.“ Nach endlosen Minuten hatte ich keine Reaktion gehört.
„Na dann eben nicht!“ Zufällig hatte mein Blick die Uhr wahrgenommen, die da schon 19 Uhr schlug. „Ach du Schreck, ich hab morgen den ganzen Tag Vorlesungen. Ich muss wieder ich werden. Oje was nun?“
Ich hatte mich wieder aufs Bett gelegt und murmelte vor mich hin. „Konzentration! Ich bin Nathalie. Ich bin ein Mensch.“, stundenlang betet ich vor mich her, bis ich endlich alle meine Finger gespürt hatte. „Puh, so ne Verwandlung ist aber zeitaufwendig“ Ich hatte noch den Schlafanzug von der letzten Nacht an und so hatte ich mich wieder schlafen gelegt.

-3-


Die Tage nach der ersten Verwandlung war ich total in Gedanken versunken und in der Uni unkonzentriert. Aber wie immer hatte sich keiner dafür interessiert, so hatte ich die Tage in Ruhe in meiner Gedankenwelt verbracht, alles andre war nur so an mir vorbeigezogen.
An dem einem Donnerstag war es besonderst schlimm. Ich hatte mein neues Leben irgendwie immer noch nicht begriffen. „So oft hatte ich den Wunsch ein Wolf zu sein. Ich konnte das Mensch sein nicht ertragen. - Oft hatte ich im Bett gelegen und mir eine Verwandlung und ein Leben als Wolf ausgemalt. Nie war was geschehen, nicht Mal im Ansatz.“, dachte ich. „Dabei war ich immer so konzentriert und mein Herz hatte vor Sehnsucht gebrannt. Tja - und jetzt ist es einfach so ausgebrochen.“ Ich hatte gelächelt und ging aus dem Vorlesungsraum hinaus, an die frische Luft. Etwas abseits, auf einer Grünflächeninsel, hatte ich mich neben einen großen Baum gestellt. Die Sonne stand schon tief und der Wind hatte leicht meine offenen Haare verwirbelt. Ich hatte die Augen geschlossen. „Schön-“ Die tief stehende Sonne erwärmte mein Gesicht. Als ich die Augen wieder offen hatte, stand plötzlich ein Mann vor mir. Ich war nicht erschrocken, er ging auf mich zu, jedoch hatte ich meine Hand wie zum Schutz vor meine Brust gelegt. Er hatte das Gespräch angefangen:
„Du, hör mir genau zu. Du musst jetzt oft die Verwandlung üben. Bitte - beim nächsten Heulen folgst du diesem - ja? - Tja und dann wirst du alles kennen lernen. Bis dann!“
Schnell war er verschwunden, ich hatte mich kein bisschen gerührt, er war schon weg als ich vor mich hermurmelte: „Warte - Wie? - ich meine - woher weißt du - ?“
Ich hatte keine Ahnung wer er war, doch anscheinend wusste er, dass ich mich verwandelt konnte. „Ich soll dem Heulen folgen? Die Verwandlung üben?“, dachte ich zu Hause wieder nach. „Naja, ich weiß nicht ob ich mich wieder verwandeln kann.“
Angestrengt hatte ich vor dem Spiegel gestanden und mir vorgestellt, wie ich als Wolf ausgesehe. „So klappt es nicht - menno.“ Ich war auf die Knie gesungen, meine Hände auf dem Boden abgestützt. „Ich weiß nun was ich bin. Komm schon! Ich bin ein Wolf – ein Wolf!“ Die Wörter hatte ich vor mich hergespult bis ich endlich den gewünschten Effekt erzielte.
Nun hatte ich die Welt um mich herum vergessen. Tage lang saß ich vor dem Spiegel und konzentrierte mich auf die Verwandlung zum Wolf und auf die Rückverwandlung. Nur noch das war mir wichtig erschienen. Die Minuten zwischen den Verwandlungen wurden immer kürzer. Ich hatte sogar in meiner kleinen Wohnung das Laufen, Stehen und Springen, je nachdem wie weit der Platz zur Verfügung stand, in Wolfsgestalt geübt.
Irgendwann kam endlich das ersehnte Heulen, aus der Richtung des Stadtwaldes. Ich hatte den Bus genommen und war bis zur letzten Station gefahren. Ab da hatte ich die Beine in die Hand genommen und war stramm los marschiert. Ich war erst an vereinzelten Häusern vorbeigegangen, bis ich einen Wanderpfad in den Wald eingeschlagen hatte. Eigentlich wusste ich gar nicht wo ich hinsollte, ich war einfach immerweiter in den Wald gegangen.
Auf einer Lichtung dann mitten im Wald sah ich plötzlich direkt vor mir einen Wolf stehen. Stolz hatte er dagestanden, kein Zeichen von Furcht und das Lichtspiel des Waldes hatte ihn sanft umgehüllt. „Bombastisch!-“, hatte ich herausgerufen. Regungslos hatte ich dagestanden und ihn angeglotzt bis auf einmal an gleicher Stelle wo der Wolf stand, der unbekannte Mann, der mich damals an der Uni angesprochen hatte, in Erscheinung getreten war.
„Hallo! Ich bin Timo, schön dass du auch endlich hier bist. Verwandle dich und komm mit zu den anderen Neulingen.“ Er hatte sich verwandelt und lief los. „Neulinge? - Hey warte -“ Ich hatte mich verwandelt, war hinter ihm hergelaufen und mit den anderen Neulingen wurde ich zu Robert geführt.

-4-


Die Tage verliefen nun für mich anders als sonst. Ich fühlte mich irgendwie unter Beobachtung und ich hatte das Gefühl, als ob alle von meinem Geheimnis wüssten. Draußen fühlte ich mich überhaupt nicht wohl. Zwar erledigte ich noch alle lästigen Alltagsaufgaben oder Vorlesungen, doch in meiner Freizeit beschäftigte ich mich nur noch mit meinem Wolfskörper. Ich sprang oft das Bett oder einen Stuhl hoch und runter, ich wälzte mich auf dem Boden herum, leckte meine Pfoten und Krallen, schärfte meine Sinne und versuchte sogar unterschiedliche Verwandlungsarten. Zum Beispiel mit Rucksack auf dem Rücken, beim Hüpfen oder anderen Positionen. „Toll ist das alles, sogar der Rucksack ist wieder da, wenn ich mich zurückverwandelt habe.“, dachte ich. Es klingelte wieder an der Tür, diesmal fünf Mal hintereinander. „In letzter Zeit sehr oft, ich stelle lieber die Klingel ab, das nervt.“, dachte ich. Selbst auf das Heulen der anderen Wölfe reagierte ich nicht. „Ach Mensch – eigentlich gehöre ich irgendwie ja zu ihnen.“ Ich vermisste die Frische des Waldes und die Lichtspiele zwischen den Bäumen. Selbst das Laufen hatte mir auf einmal Spaß gemacht. „Tja, in der Wohnung werde ich diesen Spaß nicht haben - ich muss mich trauen und in den Wald zurück gehen. Das Wochenende will ich mal draußen im Wald als Wolf verbringen – mal schauen was das wird.“
Kaum war das Wochenende da, fuhr ich mit dem Bus Richtung Wald und tobte mich dort aus.
Ich lief den Wald und die freien Wiesen auf und ab, hörte mir die Geräusche des Waldes an, wälzte mich in frischer nasser Erde umher und als die Nacht langsam anbrach drückte ich mich an einen großen Baum an und wartete zufrieden auf den Schlaf.
Plötzlich hörte ich die Äste knacksen und auf einmal stand Robert in Wolfsgestalt vor mir. „Na du? - Man siehst du schmutzig aus.“, lachte Robert auf. Ich wurde innerlich Rot und sagte nur: „Habe nur den Wald genossen.“ „Ja, das habe ich gesehen.“, lachte er immer noch. Ich stand auf und kehrte ihm den Rücken. „Ey, warte mal - ich will dir nichts Böses. Außerdem solltest du in Wolfsform dem Alfa etwas mehr Respekt entgegenbringen. Nicht war?“ „Ich weiß nicht.“, sagte ich und setzte mich vor ihm hin.
„Du bist echt wie eine rollige Katze den Wald rauf und runter gehetzt. Das war vielleicht ein Anblick!“, lachte er immer noch. Ich schaute ihn nicht direkt an, sonder hatte meinen Blick leicht abgewandt. In der Ferne sah ich im halbdunklen eine große Lichtung, bewachsen mit saftigem Gras. „Ach las mich doch.“, ich kochte innerlich vor Peinlichkeit. „Du hast wohl Spaß am Wolf sein, das gefällt mir, aber warum machst du dir soviel Mühe und fährst mit dem Bus hier hin.“ Ich sah ihn verdutzt an: „Hä?“
„Warum läufst du nicht als Wolf zu deinem Ziel?“ „Wie soll ich das verstehen? Ich kann mich doch nicht einfach so in der Stadt verwandeln!“ rief ich aus.
„Warum nicht? Hast du es schon mal versucht?“
„Nein. Ich denke -“, Robert unterbrach mich. „Tja, meine liebe Nathalie, ich merke du hast zwar viel Kraft und Leidenschaft als Wolf, aber anscheinend weißt du nicht die Antworten auf deine Fragen. Glück für mich.“, ich merkte, dass er innerlich richtig grinste und zufrieden war. „Na, ganz einfach – du wirst niemals ein echter Alfa sein“, rief er höchst erfreut. „Nur ein erweckter Wolf, der sofort weiß was Sache ist, kann ein Anführer werden, vorausgesetzt er ist dem alten Alfa körperlich überlegen. So habe ich Kathrin vom Thron gestoßen, na ja als Mann ist das ja nicht so schwer. Nicht?“
Dieses Gespräch hat mir überhaupt nicht gefallen. Sein hochnäsiges Maschogehabe hing mir aus dem Hals raus. „Schön für dich. Musst du nicht irgendwie nach Hause? Zu Frau und Kind oder so?“, fragte ich gelangweilt. Ich ließ wieder meinen Blick zur Wiese schweifen. Dort tanzte das Gras im Rhythmus des Windes hin und her.
„Ich bin allein. Ich dachte, ich könnte dir ein paar Fragen beantworten.“
„Wieso machst du das nicht bei den anderen Neulingen. Ich will jetzt schlafen.“
„Na du bist ja lustig, bei den allen war ich schon. Das ist meine Pflicht euch bisschen was zu erzählen, damit ihr nicht in eine missliche Lage kommt. Ich war bei dir und du hast ja mir nie aufgemacht.“ Man war mir das peinlich. „Tja, keine Ahnung, vielleicht war ich grad da in der Uni.“, log ich ihm vor.
Er schaute mich ernst an. Ich spürte einen Stich im Herzen. „Ich merke schon, du hast keine Lust auf ein bisschen Unterhaltung. Jagst lieber allein die Wiesen rauf und runter.“ Mir stockte der Atem, das jemand direkt mir meine Gefühle vor der Nase vorhielt beziehungsweise auch meine Gefühle kannte und diese wahrscheinlich versuchte auszuwerten, das war ich nicht gewohnt. „Bitte, ich möchte jetzt alleine sein.“, sagte ich unbeholfen. Jemanden um etwas zu bitten erweckte in mir immer ein bitteres Gefühl hervor.
„Ich will dir nur sagen, was für dich von Interesse sein wird.“ Er holte tief Luft und begann zu erzählen. „Punkt eins: Verwandeln kannst du dich immer, solange kein Mensch davon was mitbekommt, wird dir die Verwandlung gelingen. Bist du in Wolfsgestalt und du begegnest Menschen, tja rate mal -“ Er blickte auf mich. Es war schon recht dunkel und nur mit Hilfe des Mondscheins konnte ich ihn erkennen. Ich sagte nichts, sondern hörte ihm genau zu. Er lachte auf. „Ha! Dann sehen uns die Menschen als Hunde! Ist das nicht geil? Und dazu nehmen sie uns kaum war. Doch auch die Rückverwandlung klappt nur, wenn es kein Mensch mitbekommt. Deswegen musst du aufpassen, nicht das du als Hund irgendwo in einem Loch landest.“
„Und als welche Hunderasse laufen wir rum?“, fragte ich.
Die Wiese war in der Dunkelheit verschwunden. So starrte ich in diese nachdenklich hinein und merkte nicht, dass Robert mich fragend ansah. Als ich das merkte, sagte ich nur verlegen: „Sorry, für die doofe Frage“, ich dachte er wüsste die Antwort nicht. „Du bist die erste die mich das fragt, bisher hat es niemanden interessiert. Nun uns gibt es schon seit mehreren Jährchen weißt du und in der Zwischenzeit sind neue Hunderassen entstanden. Das was auf der Welt gibt und gesehen wird, wird dann kopiert. Wir erfahren nur wie wir dem Menschen in Erscheinung treten, wenn sie das vor uns erwähnen.“ Ich wurde schon müde und wollte endlich schlafen. „Aha“, erwähnte ich gähnend. „Naja, das war Punkt eins, Punkt zwei: In Wolfsgestalt verhalten wir uns möglichst genau nach Wolfsregeln. Das heißt man hört auf den Alfa, die Verhältnisse aus der Menschenwelt sind nichtig und wir fungieren als ein Rudel. Klar?“ „Ja.“, sagte ich knapp.
„Punkt drei: Einem Menschen wirst du nicht erklären können was du bist. Er wird es nicht begreifen können.“ Wir schauten uns an. Man hörte nur das Knacksen der Bäume, die sich vom Wind streicheln ließen.
„Ach ja und noch was, wenn du ein Heulen hörst, was dich zum kommen auffordert, musst du diesem nicht folgen. Aber du kannst mal ruhig kommen, wir lernen Neulinge kennen, beschnuppern uns und gehen mal auf die Jagd.“ „Auf die Jagd? Geht das?“, fragte ich ihn. „Ja das erklär ich dir später mal, jedenfalls solltest du mal dein Geruchssinn weiter üben. Ich habe dich so oft beobachtet und du hast mich nicht gerochen.“ Er hat mich also beobachtet. Soviel Aufmerksamkeit bin ich gar nicht gewohnt, dachte ich mit unbehaglichem Gefühl im Magen. „Wenn du willst bleibe ich heute Nacht bei dir.“, sagte er plötzlich. Mein Herz fing sofort an zu brennen. Das ganze Gespräch war für mich schon zuviel. Ich fühlte mich komisch und in meiner Brust überkam mich so ein warmes unbehagliches Gefühl.
„Ich - äh - ich will lieber alleine sein.“
„Wie du meinst. Ich habe dir alles gesagt, was ich für wichtig hielt, ich hoffe wir sehen uns nun öfter. Dann will ich mal gehen. Bis dann.“ Er ging langsam davon. Ich legte mich an den Baum. Nachdem mein Herz sich langsam beruhigt hatte wurde mir ein wenig kalt ums Fell. Am nächsten morgen war ich wieder zu Hause. Die Nacht war nicht so berauschend, ich hatte Hunger und der Schmutz am Fell klebte an mir. Ein frisches Lebewesen aus dem Wald zum Frühstück kam mir da noch nicht in den Sinn. Zu Hause machte ich mir ein Mettwurstbrötchen und ließ mir ein Bad ein. Eigentlich wollte ich in Menschengestalt mir das Bad gönnen, ohne Fell war mir immer so kalt. Ich merkte jedoch, dass eine Hin- und Herverwandlung den Schmutz am Wolfskörper nicht so einfach verschwinden lies. Es blieb mir nichts anderes übrig, als in der Wanne mein Fell mit der Zunge sauber zu schrubben.


Flucht in eine andere Daseinsform



-1-


Ich hatte sie alleine im Wald zurück gelassen. Nicht einen Blick hatte ich ihr zurückgeworfen. Das hätte ich nicht gewollt, das wäre sonst ein Zeichen von Schwäche gewesen. „Ein komisches Mädchen, dabei will ich nur das Beste für sie.“, dachte ich.
Als Alfa fühle ich mich für alle in unserem Rudel verantwortlich.
Vor zwei Jahren noch hatte ich für niemanden eine Verantwortung gehabt und für die Menschen war ich wirklich ein Niemand. Die neue Rolle gefiel mir besser, als das Menschenleben.
Direkt nach der Realschule hatte ich mich von Job zu Job geangelt und hatte nirgendwo eine Ausbildung gefunden. Arbeitslos und alleine war ich in der billigen Plattenwohnung am vergammeln und der Alkohol hatte mich oft wochenlang lahm gelegt. Mir war es sehr schlecht ergangen. Als ich eines Morgens in Wolfsgestalt in meinem eignem stinkendem Erbrochenem aufgewacht war, dachte ich, ich wäre in einer anderen Welt. Ich hatte sehr schlimme Kopfschmerzen und tausend Bilder hatten mir den Kopf verdreht.
Bilder von Wölfen, von Kämpfen, von einer Wolfsjagd, von den Regeln und Gesetzen und von Kathrin. Vor allen Dingen - Kathrin - . Ich hatte ihren Namen gewusst, gewusst das sie ein Alfa war und ihr Geruch, ich hatte ganz deutlich ihren Geruch in der Nase gehabt. Er war so intensiv und es hatte mich wie ein Magnet gelockt.
Nachdem ich mich mit meiner Zunge gesäubert hatte, hatte ich mich zurückverwandelt und erstmal die Wohnung aufgeräumt. Auch in Menschengestalt waren diese Bilder erschienen, das Verlangen diese Kathrin aufzusuchen und mich ihr zu stellen war sehr groß. Die Tage vergingen und das Verlangen wurde immer stärker. Ich hatte nun gewusst wer ich war und welche Aufgaben ich erfüllen musste. Das ich gebraucht wurde, motivierte mich sehr und ich hatte angefangen mich täglich zu säubern und einigermaßen gepflegt zu wirken. Mit soviel Motivation im Bauch hatte ich dann auch einen Halbtagsjob angenommen.
Meine Zeit war gekommen und als das Verlangen zu groß wurde, war ich dem Geruch in den Wald gefolgt. Die erste Begegnung mit Kathrin habe ich noch gut vor Augen. Sie war zwischen dicht bewachsenen Birken, hatte dort gesessen und war ihre linke Pfote am sauber machen. Sehr friedlich und anmutig hatte sie auf mich gewirkt, doch als ich näher an sie herangetreten war, hatte sie angefangen zu knurren.
„Hallo Kathrin, deine Zeit ist vorbei.“, hatte ich sofort gesagt. „Erst einmal musst du mich besiegen.“ hatte Kathrin ausgerufen und ihre Zähne waren zum Vorschein gekommen. Mit steif nach hinten stehender Rute, gesträubten Nackenhaar und aufgerichteten Ohren hatten wir uns anfixiert. „Na warte!“, Kathrin kam auf mich zugerannt, ihre Zähne hatte sie mir sofort in die rechte Flanke gerammt und schüttelte ihren Kopf hin und her.
„Das beeindruckt mich gar nicht!“ hatte ich gerufen, hatte mich losgerissen, stemmte meinen ganzen Körper auf sie und als sie unter meinem Gewicht umknickte, hatten sich schon meine Fangzähne in ihre Kehle gebohrt. Sofort hatte sie sich auf den Rücken gelegt und ihren Bauch gezeigt. Ich hatte über ihr gestanden: „Hi, ich bin Robert, wie ich sehe, der neue Alfa.“
„Na wurde aber auch Zeit, dass du erwacht bist. Ich bin schon zu alt für so was.“
Wir hatten voneinander abgelassen.
Diese Kathrin war ja schon lange genug auf der Alfaposition gewesen. „Gekämpft hatte sie noch gut, aber leider verloren.“, dachte ich zufrieden.

-2-


„Nathalie.“ Ich hauchte ihren Namen sanft aus. „Sie ist jung – naja, ich bin ja auch nur fünf Jahre älter, sie ist ein Wolf so voller Begeisterung. Sie mag die Natur, ihr Fell glänzt, aber sie ist zu schüchtern.“, zählte ich auf. „Zuerst dachte ich sie wäre sehr stark, weil sie gut ihren Körper kurz nach der Erweckung beherrschen konnte, aber dann merkte ich wie ängstlich, kontaktscheu und unbeholfen sie doch ist.“
„Hast du was falsches geschluckt?“, fragte Timo lachend. Er schaute zu mir amüsiert hoch. „Die ist zu seltsam sag ich dir. Und du überlegst dir sie zu deiner Gefährtin zu machen?“ Ich schaute Timo an. Wir beide saßen bei unserem Treffpunkt und warteten auf Florian, den jüngsten im unserem Rudel. Kathrin hatte ich auch bestellt, sie lag unterwürfig weiter weg unter einem kleinen Baum und nahm keine Notiz von unserem Gespräch, jedenfalls wirkte es so. „Nimm dir lieber Rebecca, die ist sportlich, bissig, hat richtig Pfeffer im Po und ist viel reifer.“ „Ja, mehr als 10 Jahre reifer als ich.“ sagte ich missmutig. „Außerdem hat sie so viele Narben. Ich weiß nicht. Vielleicht ist sie mir zu temperamentvoll.“ „Das ist ja doch das spannende an ihr.“ sagte Timo zufrieden. „Nun ja du kannst ja zwischen fünf Frauen wählen, es sei den es kommt wieder ein Neuling rein, auf das Alter würde ich aber nicht achten.“
„Oder ich wähle keine Gefährtin. Ich bleibe wie Kathrin gefährtenlos, da hab ich wenigstens meine Ruhe.“, lachte ich auf. Timo ließ sich vom Lachen mitreißen.
Im Augenwinkel sah ich Kathrin, sie bewegte nur ihren Kopf leicht zu Seite, um ihre Liegeposition gemütlicher zu gestalten. Doch ich weiß, dass ich sie im Herzen verletzt habe.
Als der Alfa strahlt man eine gewisse Vertrautheit aus, so bekommt man von seinen Mitgliedern nicht nur die Gefühle mit, sondern man erfährt auch etwas aus dem Leben der anderen.
Selbst ernste und verborgene Themen werden einem Alfa erläutert. Er muss die Wahrheit kennen und mit ihr umgehen können.
Als Kathrin mir ihr Geheimnis anvertraut hatte, konnte ich damit nur schwer umgehen, ich konnte sie nur wenig trösten und versuchte sie, seid sie die Alfarolle verloren hatte, mit kleinen Aufgaben auf andere Gedanken zu bringen.
„Man der Junge lässt aber auf sich warten.“, sagte Timo schon ungeduldig. „Er kommt, ich kann ihn schon riechen, wahrscheinlich vertrödelt er die Zeit nur.“
Wir warteten noch einige Minuten, bis Florian freudig auf uns zugerannt kam.
„Haaallooo! Hallo! Ich bin da. Hallo.“, hüpfte er um uns herum.
„Hallo, musst du so schreien? Du bist schon 10 Jahre alt, da kann man sich doch schon beherrschen. Oder?“, sagte ich aus und ertrug sein umher Gerenne um uns herum. „Hör zu! Setzt dich dahin. Ja da neben Timo von mir aus.“ Florian war höchst erfreut uns zu sehen. „Wann gehen wir auf Jagd? Wir können doch fangen spielen!“
Er ist noch ein Kind. Als er damals von zu Hause weggelaufen war, wurde er im Wald erweckt und Timo hatte ihn aufgespürt. Ich musste ihm erklären, das er was Besonderes ist, dass nur er anscheinend ein Wolf ist, nicht wie seine anderen sechs Geschwister. Das hatte ihn gefreut und ich konnte ihn überreden nach Hause zu gehen.
Sein Zuhause war chaotisch. Die Mutter bemühte sich um alle Kinder, doch als ich mal zu Besuch war und mich als ein Elektriker ausgab, ging es drunter und drüber.
Florian hatte grade da auf seine jüngeren Zwillingsbrüder aufgepasst und mit ihnen Lego gespielt. Die Mutter lief zwischen den Zimmern und versuchte Wäschestücke zu sammeln. Ich hatte stolz zu Florian gesagt: „Wie ich sehe hast du hier eine große Verantwortung. Es wäre schön, wenn du dich weiterhin hier um alles kümmerst.“
„Aber ich will auch mal, dass einer mit mir spielt. Ich will ein großer Fußballstar werden. Ich will mit Timo und den anderen umher laufen und auf Bäume klettern und -.“ Ich hatte ihn unterbrochen und sagte nur: „Florian, du bist noch sehr jung und du musst viel lernen, werde groß und dann wirst du mit uns laufen dürfen. Hier zu Hause hast du erstmal wichtige Aufgaben zu tun, weißt du?“
„Ich habe jeden Freitag etwas Zeit, hat Mama gesagt. Da darf ich immer auf der Straße Fußball spielen. Da könnt ihr doch kommen.“
„Oder du kommst zu uns. Ok? Und wenn du zu uns kommst, darfst du Wolf sein und wir bringen dir was bei. Also dann Freitag ja?“ „Ja toll!“
So sitzen wir nun beisammen und ich erklärte Florian, was ich mit ihm vorhatte. „Kathrin und du werden wenn möglich jeden zweiten Freitag das Wolf sein üben. Etwas Kleines jagen und die Natur kennen lernen.“ „Ja. Super!“, rief Florian aus. Kathrin stand auf, kam langsam auf uns zu und stellte sich vor mich. „Meinst du wirklich ich wäre die Richtige dafür?“, fragte sie.
Die Sonne schien auf ihr weißes Fell, doch es hatte seinen Glanz verloren. Leicht verfilzt und struppig ragte es aus ihrem dürren Körper hervor. Sie war im Menschenalter schon 60 Jahre alt und als Wolf waren auch schon 40 Jahre nach der Erweckung vergangen.
Sie war sehr lange der Alfa gewesen. Lernte viele Wolfsmenschen kennen, verlor viele ihrer Schützlinge durch Umzug oder Tod, hatte aber in der ganzen langen Zeit kein richtiges Rudel zusammengestellt. Viele ihrer Schützlinge waren mit ihrem Menschenleben zufrieden und verwandelten sich nur selten, andere, die das Wolf sein mochten, drehten ihr eignes Ding. Wieder andere, meist weibliche Wölfinnen, konnten das Herz von Kathrin erfreuen. Mit ihnen konnte sie dann etwas plaudern oder etwas Zärtlichkeit austauschen. Seid ihrer Erweckung hatte sie sich nicht mehr in einen Menschen mehr verwandelt, sie hatte sich in den Wald verkrochen, konnte ihren Schmerz und ihre seelische Wunden auskurieren. Dank ihrer Fähigkeit sich in einen Wolf zu verwandeln, konnte sie aus der Menschenwelt fliehen und ihre schlimme Vergangenheit vergessen.
Über ihr Geheimnis wusste nur ich bescheid. Als ich die Position des Alfas übernahm, hatte ich versucht mehr Wolfsmenschen zu finden und in den Wald zu locken. Da hatte sie gemeint, sie werde etwas abseits von uns leben und den Kontakt mit uns nicht großartig pflegen.
Damals als wir mal alleine im Wald standen und ein starker Regen auf uns prasselte, vertraute sie mir ihr Geheimnis an.
Sie wurde erweckt, als sie grade erfahren hatte, dass ihr Kind gestorben war.
Mit ihren 20 Jahren war sie mit einem brutalen Mann verheiratet gewesen. Schon als 14 jährige, blind wie sie vor Liebe war, ließ sie sich auf den Mann ein und lief von Zuhause weg. Zuerst war alles super gewesen. Sie streifte mit ihm von Stadt zu Stadt, hielt sich mit ihm über Wasser, bis sie eine kleine verfallene Wohnung gefunden hatten und dann hatten sie auch noch geheiratet. Kaum waren sie verheiratet fing der Ärger an. Ihr Mann kam oft nicht nach Hause und wenn er da war, wurde sie geschlagen. Sie durfte sich mit Niemanden treffen, er war zu eifersüchtig. Jahrelang trug sie blaue Flecke, ertrug den Schmerz und traute sich nicht zur Polizei zu gehen, obwohl das ihre Rettung gewesen wäre. Als sie dann im neunten Monat schwanger war, behauptete ihr Mann, das Kind wäre nicht von ihm und schlug sie krankenhausreif. Nachbarn hatten die Polizei gerufen, im Krankenhaus musste das Kind per Kaiserschnitt gerettet werden. Nach zwei Tagen wurde sie endlassen, ihr Mann saß noch im Gewahrsam der Polizei. In der Nacht kam der Anruf – das Kind hätte es nicht geschafft.
Das war so ein schmerzlicher Verlust für sie. Sie hatte vor seelischen Schmerzen geschrieen und geschrien. Und dann kam die Erlösung, sie wurde erweckt, ihr wurde die Chance gegeben die Menschenwelt zu verlassen und nachdem sie in den Wald geflohen war, war sie nie wieder in die Menschenwelt zurückgekehrt.
„Kathrin? Ich möchte es so. Es ist doch nur jeden zweiten Freitag. Ein wenig Ablenkung wird dir gut tun. Glaube mir.“ „Jaja, ist schon gut.“, sagte Kathrin, nickte mir und Timo zu. „Komm Florian, wir schauen ob wir einen Hasen finden.“ „Oh ja!“, hatte Florian gerufen und beide trotteten davon.
„Na du hast Ideen“, sagte mir Timo als ich noch lange hinter ihnen herschaute. „Komm Timo, schauen wir uns den Rehbestand an. Ich möchte gerne nächste Woche eine Jagd wagen.“ „So? Na dann auf geht’s.“, rief Timo aus.


Die Jagd



-1-


„Ja mir geht’s gut.“, sagte ich in den Telefonhörer. Meine Mutter hatte angerufen und wollte den neusten Stand meiner Studienfortschritte wissen. Meine Familie wohnte nicht an meinem Studienort, so dass wir uns nur zu Weihnachten sahen und uns per Telefon die neusten Nachrichten mitteilen konnten. Ich erzählte mit ihr ein wenig und machte mich dann wieder fleißig an meine Aufgaben. Als ich mit ihnen fertig war, wusste ich wieder nichts mit mir anzufangen. Ich starte an die Wand, nebenbei lief eine melancholische Melodie aus dem Pc-Lautsprecher. Meine Depressionen wuchsen von Minute zu Minute. „Ach alles ist doof“, rief ich aus. Ich ließ mein Leben wieder vor meinem geistigen Auge vorbeiziehen. Nunja, da gab es nicht viel aufzuzählen. Das übliche eben. Die Schule hatte die meiste Zeit in Anspruch genommen gehabt. Nach dem Schulunterricht war ich immer direkt nach Hause gegangen und hatte brav meine Hausaufgaben gemacht. Am Wochenende guckte ich meistens Fernseher.
Einmal war ich sogar auch in einem Schwimmverein angemeldet, wo auch die meisten Klassenkameraden oft anzutreffen waren. Alleine zog ich immer meine Bahnen und hielt mich von den anderen fern. Als wieder mein Vertrauen missbraucht worden war, von einer angebliche Freundin aus dem Schwimmverein, so hatte ich mich auch da nicht mehr blicken lassen. Schon früh hatte ich gemerkt, dass mich die anderen nie mochten. Warum - das konnte ich mir bis heute nicht erklären. Die angeblichen Freunde bestahlen mich, verrieten mich, belogen mich oder machten mich lächerlich vor anderen.
„Das sind keine wahren Freunde“, seufzte ich immer enttäuscht. Wahre Freunde verhalten sich anders. Sie halten zu dir, sind ehrlich und schreiben dir keine Briefe mit „Wir bleiben immer Freunde…“ und eine Woche später spucken sie dich mit Essen an.
Ich hatte so viele Enttäuschungen hinter mir, dabei suchte ich den Fehler bei mir und konnte keinen finden. In den Jahren ließ ich mich nicht mehr auf die Menschen ein und manchmal war mir das auch alles egal. Ich hatte kein Vertrauen mehr und war misstrauisch bei neuen Kontakten. In meiner Fantasie war ich Nathalie, die einsame Wölfin. „Und nun bin ich eine Wölfin geworden, aber einsam muss ich nicht sein“, dachte ich als ich das Heulen hörte. „Na dann werde ich wohl wieder einen Schritt wagen.“, sagte ich und lief Richtung Wald los.

-2-


Es war ein heißer Tag heute gewesen. Langsam brach der Abend an. Ich spürte kaum den Wind, eher stand die warme Luft. Als ich am Treffpunkt ankam, war ich über die große Anzahl der Wölfe überrascht. Robert sagte grade: „So gleich geht’s los, ach schau an wer da auch kommt.“ Ich lief auf die Gruppe zu. Dort standen auch drei unbekannte Gesichter. Überraschender Weise war auch Rebecca da, die mir einen blöden Blick zuwarf. „Hallo.“, sagte ich nur leise und setzte mich nicht zu nah an die Gruppe ran. Robert erklärte grade: „Also ich wiederhole. Timo und Christian werden vorne laufen, dann ich und dann der Rest. Treffen wir dann auf die Rehgruppe, werden Timo und Christian das Reh von der Herde trennen. Sobald das Reh steht, werden sie und ich es erlegen. Der Rest kann sich dann auch mit drauf stürzen. Ausgenommen Kathrin, Florian und Nathalie. Die laufen hinter uns und schauen dann nur zu.“
„Wir jagen also ein Reh. Toll, aber warum soll ich nur zugucken…“, dachte ich traurig. Als ich vor der Erweckung schon an das Wolfsdasein gedacht hatte, hatte ich mir immer eine Wolfsjagd vorgestellt. „Ich würde kein Problem haben da rein zu beißen und ein schönes Stück Fleisch runter zu schlingen.“, dachte ich. Schon immer habe ich Fleisch in allen möglichen Formen geliebt. Ob Zunge, Hühnerherzen, Tartar oder eben ein schönes Stück Hirsch. In der Studienzeit jedoch musste ich sparen und gönnte mir nur noch selten Fleisch. Deswegen war ich schon so auf die Jagd gespannt, doch wollte ich auf Robert hören und lief etwas abseits nur hinterher.
Wir liefen in den Wald hinein. Immer tiefer drangen wir hervor, der Weg wurde steiler, es ging flott voran. Schon bald blieben Kathrin und Florian zurück und verschwanden aus meinem Blickwinkel. Ich lief weiter, ich hätte auch noch jemanden überholen können, wagte es jedoch nicht. Die Luft war diesmal nicht angenehm frisch. Das laufen in der Hitze machte Mühe, aber keiner ließ es sich anmerken. Das Gelände war sehr uneben, man musste vielen Bäumen, Ästen und Steinen berghoch ausweichen. An einer Stelle war ein kleiner Bach zu sehen. Beziehungsweise es war kein Bach, sondern in dieser Höhe eher eine lange Linie Matsch, wo das Wasser versuchte sich einen Weg aus der Erde zu bahnen, um nach unten herabzufließen. Als ich den Schlamm überquerte, versenkten sich meine Pfoten ganz in die Erde. Ich lief weiter und bekam genug Dreck ab. Vom weiten sah ich bald, dass sie schon ein Reh in Gewahrsam hatten. Robert hing an der Kehle des Tieres und die anderen versuchten es zwischen den Bäumen umzuwerfen. Wie Robert es befohlen hatte, stand ich nur da. Von Kathrin und Florian war nichts zu sehen. Als das Tier lag, machte sich Robert dran es anzufressen. Timo und Christian wollten auch, doch mit angelegten Ohren, Zähne fletschen und geknurre gab Robert Zeichen, dass er als erstes das Recht darauf hatte.
Der Rest sah ihm zu, wie er schon bald den ganzen Kopf im Tier stecken hatte. Sein Kopf und seine Vorderbeine waren voller Blut. Als er anscheinend satt war, ließ er ab, legte sich hin und machte seine Pfoten mit der Zunge sauber. Das war das Zeichen für die anderen, dass sie auch nun ran durften. Erst nahm Timo seinen Anteil und dann versuchte der Rest sich was wegzuschnappen. Ich ging zögerlich auf die Gruppe zu und biss in das hintere Rehbein ein. Meine Zähne glitten ins Fleisch, wie ein Messer in die Butter. Es war dennoch ein neues Gefühl. Weich und noch warm war das Fleisch. Ich vergaß, wie die anderen, die Welt um mich herum und riss immer mehr Fleisch aus dem Körper heraus. Bald war ich auch voller Blut, was an mir klebte. Spät merkte ich erst, dass Rebecca mich anknurrte. Ich war neben ihr und hatte Wohl ihr ein gutes Stück vor der Nase weggeschnappt. Sie knurrte und legte die Ohren zurück. „Piss dich!“, rief sie aus.
Ich wollte mir den schönen Moment nicht verderben lassen, ich war so im Rausch, dass sich wie im Instinkt meine Nackenhaare aufrichteten und ich ihr ebenfalls mein Knurren ihr entgegen brach. Plötzlich schnellte sie auf mich zu und biss mir voll auf meine Schnauze. Ich konnte mich befreien und ging in den Angriff über. Ich schaffte es meine Zähne in ihren Oberschenkel zu rammen. Sofort schüttelte ich meinen Kopf hin und her und spürte, wie sie mir in den Bauch biss. Ich ließ los und sprang ihr direkt an die Kehle. Fest drückte ich zu, doch sie versuchte sich loszureisen. Mit ihren Pfoten versuchte sie mich wegzudrücken. Zwecklos, sie fiel hin und lag auf der Seite voll mit Rehblut und Dreck. Meine Zähne packten noch an ihrer Kehle, doch ich lockerte den Biss und erst da merkte ich, dass alle, außer Robert, mich anstarten. Ich war mir unsicher, machte aber dann nach Bauchgefühl das Richtige. Ich hob meine Rute, machte mich groß und ging kommentarlos nochmals zum toten Reh, um mir ein Stück Fleisch zu holen. Rebecca stand währenddessen auf und setzte sich etwas abseits von uns, um sich sauber zu machen.
Vom weiten kam Florian angelaufen. Er sah das zerfleischte Reh. Er krächzte vor sich hin: „Buuh, das stinkt! Aber zum Glück, sonst hätte ich euch nicht gefunden. Kathrin ist ausgerutscht und hingefallen, sie steht nicht mehr auf.“
Robert sagte: „Timo, kümmer dich drum und bring sie dann zu mir. Florian zeige Timo den Weg. Für heute ist das Spektakel hier beendet. Wir sehen uns beim nächsten Heulen. Nathalie, du kommst mit mir.“
Die Reihen lichteten sich. Bevor Rebecca ging blieb ihr hasserfüllter Blick lange an mir haften, doch dann stand ich mit Robert alleine da. Mir wurde es wider irgendwie merkwürdig warm ums Herz. „Respekt. Muss ich dir sagen, du hast gut gegen Rebecca standgehalten. Hätte ich nicht gedacht.“
Erst jetzt merkte ich wie ich instinktiv meine Kraft und mein Körper gegen Rebecca eingesetzt habe. „Oje, dass wollte ich nicht. Es ist - es ist einfach so über mich gekommen.“, sagte ich zögerlich. „Also ich fand es toll. Ich möchte gerne, dass du mit mir ab und zu ein wenig jagen gehst. Bald kannst du sicherlich mit am Reh stehen. Es steckt viel Kraft in dir, du musst es nur wollen.“
„Ich weiß nicht. Vielleicht ist es keine gute Idee.“ Ich stand unbeholfen vor ihm und senkte den Kopf. Das Blut und der Dreck klebten an mir und trockneten bei der warmen Luft schnell ein. Bald war das Fell eingeklebt und hart. Ich setzte mich hin und fing an mich zu säubern. „Ich würde mich sehr freuen, wenn du mit mir jagen gehst. Komm doch einmal mit.“, wiederholte Robert. Das der Alfa mich so drum bitten muss war mir nicht geheuer. Ich wurde ganz verlegen und schaute ihn bei meiner Antwort nicht an. „Ja. Ok, mal ausprobieren. Aber Timo oder so kann doch noch mit uns dann kommen. Nicht war?“, sagte ich noch, denn ich wollte nicht wieder die Aufmerksamkeit auf mir ruhen lassen. Wenn jemand noch dabei gewesen wäre, stände ich nicht die ganze Zeit im Mittelpunkt. Außerdem wusste ich gar keine Gesprächsthemen, über die wir uns unterhalten könnten. Robert schaute mich ernst an. „Das entscheide ich. Punkt. Es wird gemacht was ich sage. Fertig.“ Wir schauten uns an. Ich saß vor ihm und merkte, dass er beim letzten Satz die Rute und seine Nackenhaare angehoben hatte. Ich versuchte ihn wieder milde zu stimmen und fragte plötzlich aus dem Bauch heraus:
„Was passiert eigentlich, wenn ein Jäger oder ein Mensch die Rehüberreste sieht?“, fragte ich interessiert. „Du stellst komische Fragen.“, erwiderte er.
„Die Menschen werden keine Wolfsspuren von uns entdecken. Sei es Bisswunden, ein totes Reh oder Pfotenabdrücke. Alles bleibt im Verborgenen. Sie sehen es nicht und das Reh sieht für sie aus wie ein normaler Kadaver.“ Mein Plan war aufgegangen, ich konnte seine Gedanken auf ein anderes Thema lenken.
Ich wollte ihn noch weitere Fragen stellen, als Timo und Florian zu uns stoßen. Kathrin kam hinter ihnen hergehumpelt. Sie sah das tote Reh und sagte: „Wie ich sehe habt ihr Glück bei der Jagd gehabt.“ Wir schauten Kathrin an. Ihr linkes Vorderbein war voller Blut und das Bein hing irgendwie krumm in der Luft da. „Autsch, das Bein sieht schlimm aus, da scheint ja noch ein Stück Holz drin zu stecken.“, musterte Robert das Bein. „Und gebrochen ist es anscheinende auch noch.“, erwiderte Timo noch. Wir standen um Kathrin herum, bald legte sie sich hin. „Kathrin? Du weißt, wenn du dich in einen Menschen verwandeln würdest, wären deine Schmerzen und Verletzungen weg. Sie werden nur in Wolfsgestalt so bleiben.“
„Jaja, Robert ich weiß und du weißt dass ich mich nicht mehr Verwandeln werde.“, keuchte Kathrin hervor. „Nun, das Holz muss raus aus dem Bein, das erledigst du Timo und dann kann man nur auf Besserung hoffen. Du musst dein Bein ruhig stellen.- Nathalie, du bekommst die Aufgabe Kathrin mit Essen zu versorgen und sie zu Pflegen, solange sie nicht auf die Beine kann.“ Timo war schon an Kathrins Bein und leckte erstmal das Blut um das Holz so gut wie möglich frei. Kathrin wimmerte und als Timo mit den Zähnen das Holzstückchen aus ihrem Bein herausgepult hatte, schrie Kathrin vor Schmerz auf. Noch mehr Blut pulsierte aus der Wunde heraus. „Steh nicht so rum, lauf um eine Bandage oder was ähnliches und verbinde ihr Bein damit.“, sagte Robert zu mir.
Ich lief einfach drauf los, Richtung Stadt. Das kaputte Bein sah echt nicht gut aus und ich überlegte mir, wo ich Kompressen oder ähnliches um die Zeit noch finden konnte. Mir fiel da nur eine Notfallapotheke ein, denn Zuhause hatte ich nichts dergleichen.
Als ich was aus der Apotheke besorgt hatte, lief ich wieder in Richtung Wald zurück. In der Schnauze konnte ich einigermaßen das Versorgungspacket transportieren. Wieder bei Kathrin angelangt, lag sie nur da und wimmerte, die anderen waren schon weg. Ich verwandelte mich wieder in einen Menschen und versuchte die Blutung zu stoppen. „Robert kümmert sich noch um einen Arzt.“, sagte Kathrin leise. „Er kennt einen Arzt, der ein Wolfsmensch ist. Wie praktisch, vielleicht wird der mir helfen.“ Kathrin versuchte noch mehr zu erzählen. „Psst, alles wird gut.“, sagte ich aus mir heraus. Ich wickelte das Bein irgendwie zusammen und sah auf den mageren Wolfskörper hinunter. Obwohl sie so mager und dreckig war, fand ich sie jedoch sehr schön. Die Wolfsgestalt faszinierte mich und ich verwandelte mich wieder zurück. Ich war mir unsicher ob ich bleiben oder mich einfach verdrücken sollte. Ich könnte ja später wieder nach ihr schauen. Ich überlegte, sah wie sie vor Kälte zitterte. Der Anblick schmerzte mich irgendwie und somit legte ich mich an sie, um sie etwas zu wärmen. Wäre sie nur ein Mensch gewesen, würde ich so was nicht tun.


Ärger sollte man vermeiden



-1-


„Mama ist wieder daa!“ schrie Leopold herum, als ich wieder zu Hause war. Meine Kinder und mein Mann begrüßten mich. „Du bist ja wieder recht spät da. Wir haben Hunger.“, erwiderte mein Mann missmutig. „Na dann mach dir und den Kinder doch was zu essen, du weißt ja - ich war mit meinen Freundinnen weg.“, log ich im vor. „In letzter Zeit bist du oft weg Rebecca, so geht das nicht. Mach uns was zu essen, dass ist nicht meine Aufgabe.“, befohl mein Mann und ging wie immer an seinen Pc.
Ich legte meine Sachen, wie Hausschlüssel und Handtasche ab und fing an Essen zu machen. Die Kinder sprangen um mich herum und quälten mich mit ihrem Geschrei. Ich versuchte sie zu ignorieren, machte in Gedanken versunken und schon recht müde meine Arbeit. „Ich wollte ja das alles.“, dachte ich. Schon im Studium trieb ich mich immer in der Gegend der Medizinstudenten auf. Bald hatte ich einen Mann gefunden, der ein erfolgreicher Arzt werden sollte. Mit 32 hatte ich ihn an der Angel und plante meine perfekte Zukunft. Ich wollte die Kinder, das beste Haus und den schönsten Garten. Alle Nachbarn, Freunde und damalige Schulkameraden sollten auf mich neidisch werden. Zwar machten die guten Sachen mich irgendwie nicht glücklich, doch ich freute mich immer den anderen was Besseres vor die Nase zu halten.
Und jetzt wollte ich Robert - den Alfa. „Endlich hatte ich einen Alfa gefunden, der ohne Gefährtin ist und mich nicht so leicht verweisen wird.“, dachte ich nach.
Nun, eigentlich hatte er mich aufgesucht. Wir waren frisch in die Gegend umgezogen und irgendwie hatte er mich aufgespürt. Wahrscheinlich durch den Geruch. Zwar hatte ich mich schon länger nicht mehr in einen Wolf verwandelt, jedoch hörte ich immer sein Heulen auch in Menschengestalt. Eines Tages stand er vor der Tür und sagte: „Hallo ich bin Robert, der Alfa, wenn du Lust hast, komm uns doch mal besuchen.“ Bald hatte ich mich wieder verwandelt und erkannte bald, dass Robert ein unerfahrener Alfa war.
Ich wollte im meinem Leben alles haben und wenn ich auch mit einer Art Wolfsgestalt ein Doppeltleben führte, sollte auch dort alles perfekt sein. „Mit Robert würde ich nicht die gleichen Fehler machen, wie damals. Ich werde die obersten Rechte besitzen und alle müssen auf mich heraufschauen.“, dachte ich. Alles hätte so schön klappen können. „Und dann kommt mir diese dumme Kuh in den Weg! Das kann doch nicht wahr sein, dass diese idiotische Nathalie mich vor allen nieder gemacht hat. Oh, dass wird sie noch büßen.“
Ich war schon immer sehr schnell aufgebracht. Vor allen wenn so ein schwaches Mädchen mich zu blamieren versuchte. Aber ich musste aufpassen, damit mir nicht das gleiche Schicksal wie damals widerfahren würde.


-2-


Ich wurde recht schnell erweckt. Schon mit 12 Jahren und wusste mit dem Wolfskörper nichts anzufangen. Ich entdeckte seine Geheimnisse auf meine Art, jedoch bevorzugte ich als Jugendliche die Menschenform. Frühreif wie ich war kämmte ich mir lieber meine langen Haare, machte mich schön, schminkte mich und zog abends noch mit meinen Freundinnen umher. Der Alfa aus der Region hatte mich gebeten mehr Wolf zu sein und mit im Walde herumzulaufen.
Das hatte ich abgelehnt. Ich wollte nicht wie ein dummer Hund Rehe nachjagen. Ich wollte Spaß und als ich in der Pubertät war, wollte ich nur noch mit Jungs herumknutschen. Als wir dann einen neuen Mitschüler in unsere Parallelklasse dazu bekamen, hatte ich so eine starke Zuneigung zu ihm, dass ich mich in ihn verliebt hatte. Ich war so verknallt gewesen, ich hatte mich blöderweise nicht getraut ihn anzusprechen.
Da hatte ich mir die Wolfsform zu nutze gemacht. Mit der Nase eines Wolfes konnte ich überall den Jungen aufspüren und hatte ihn dann nur noch verfolgt. Ich war so dumm gewesen und stand fast jeden Tag vor seiner Haustür als Wolf da. Er ignorierte mich, selbst als ich wusste, dass er mich nur als Hund gesehen hatte, bekam ich keine Streicheleinheiten. Ich musste aufpassen und mich bald im Verborgenen um ihn herumschleichen, damit mich kein Hundefänger oder ähnliches erwischte. Die Jahre vergingen so dahin und ich lief ihm nur hinterher, anstatt die Initiative zu ergreifen. Eines Tages sah ich ihm mit diesem Mädchen Arm in Arm und mir kam der Hass hoch. „So eine blöde Kuh. Kennt ihn nur eine Woche und angelt sich meinen Mann.“, dachte ich aufgebracht. Je mehr ich hinter ihnen hergeschnüffelt hatte, so sehr wuchs meine Wut, aber nicht nur gegen das Mädchen, sondern auch nun gegen den Mann den ich eins geliebt hatte. Ich wurde sehr mürrisch und dann passierte das, was nie hätte passieren dürfen. Vor lauter Wut hatte ich das Mädchen angesprungen und hatte sie in das Bein gebissen. Mein einst so geliebter Mann hatte mich am Halse gepackt und schaffte mich von dem Mädchen weg zu zerren.
Ich war in dem Moment sehr überrascht und erschrocken gewesen, nicht nur von meiner Tat, sondern das mein Liebling erstmals Notiz von mir nahm. Angewurzelt hatte ich da gestanden und mich nicht bewegt, denn er hatte mich fest am Hals festgehalten und hatte versucht mich zu umklammern. Für mich war das ein schönes Gefühl, ich wollte so für immer verbleiben und merkte nicht wie mir eine Spritze verabreicht wurde.
Um mich herum wurde es schwarz, ich war erst wieder im Tierheim erwacht und sollte auf mein Todesurteil warten. Die Wut in mir brodelte und ich konnte nicht fassen, dass das das Ende bedeutete. Ich hatte an mir herunter geschaut. Das Fell war nie gesäubert worden, struppig und dreckig wie ein alter Köter sah ich mit meinen jungen 19 Jahren aus. Dazu hatte ich durch den Transport oder durch Schläge, ich wusste nicht mehr genau, Narben erhalten. Ich hatte das Ende schon gesehen, bis einst zwei Männer vor meinen Käfig standen. „Das Mistvieh hat eine Frau angefallen. Einfach so. Und sie müssen die Verantwortung übernehmen.“, sagte der eine. Der andere: „Der Hund gehört mir, ich möchte ihn gerne wiederhaben, sie hatte wahrscheinlich nur Angst, als sie plötzlich sich losreißen konnte. Ich übernehme die Verantwortung.“ „Nun, gut die Spritze bekommt sie vorerst also nicht, aber sie müssen den Wesenstest mit ihr machen.“ „Darf ich bitte kurz alleine mit ihr sein?“, fragte der eine überraschend. „Wie bitte?“, fragte der andere überrascht mit großen offenen Augen den anderen. „Bitte. Ich hab sie doch so lieb, vielleicht hilft es ja.“ „Machen sie schnell, ich schließe in 10 Minuten.“, sagte der eine und ging fort. Ich blickte auf und sah den Alfa vor mir. Irgendwie war ich über seine Worte erfreut. „Hallo Rebecca, du hast uns viel Kummer bereitet. Ich will für dich die Verantwortung übernehmen. Also benimm dich, schließlich Bezahle ich auch Geld dafür und muss Strafe zahlen, nur eine negative Handlung von dir und du bekommst die Todesspritze. Klar?“ Ich sah in seinen ernsten Gesichtsausdruck und sagte nur „Ja.“
Nachdem alles gut gegangen war blieb ich bei dem Rudel und im Menschenleben versuchte ich mein Abitur nachzuholen. Der Alfa hatte extra einige Wolfsmenschen für mich angesetzt, die auf mich aufpassen sollten und ihm bei den kleinsten Neuigkeiten bezüglich meiner Person, genaustes Bericht erstattet.
Der Junge von damals war nach der Blamage mir nichts mehr wert. Bald hatte ich angefangen zu studieren, doch aus dem ganzen hatte ich eine Lehre gezogen. Ich wollte nicht mehr warten, bis mir was geschenkt wurde. Ich ergriff nun oft die Initiative und holte mir immer das was ich wollte. Bald war ich die Gefährtin des Alfas bis der Idiot mich mit schwangerem Bauch aus dem Rudel verbannte.
So ein blöder Typ. Hatte mich verbannt, nur weil ich ein Kind von ihm in mir trug.
„Das wollte ich nicht. Du solltest nur die obersten Rechte haben. Aber nicht so was.“, jammerte er mir vor. Dabei war der doch so scharf auf mich.
„Hatte er gedacht, dass ich unfruchtbar bin oder was?“, hatte ich gedacht und verlies das Rudel. Damals war ich 30 Jahre alt und musste mich im Walde alleine zurechtfinden. Zum Glück ging mit der Geburt alles gut. Ich gebar heimlich meinen Wolfsjungen. Danach konnte ich wieder ein Mensch sein und nahm mir meinen Arzt als Mann.



Ein Herz blüht auf



-1-


Nicht grade erfreut eilte ich zu der Lehrstunde mit Robert hin. Er wartete zusammen mit der gebrechlichen Kathrin am Treffpunkt. „So Kathrin, Nathalie und ich fangen dir heute ein schönes saftiges Fleisch.“, rief er freudig aus, als ich herangetapst kam. Seine Rute war erhoben und er schien aufgeregt zu sein.
Der Spätsommer war angebrochen und es roch wunderbar nach Sommer. Unbeschreiblich schön schien die Nachmittagsonne warm auf den Pelz. Kleine Mücken tanzten in schwarzen Wölkchen umher. Man roch den warmen Boden und das angesenkte Gras. Aus der Ferne hörte man eine Grille ihr Lied spielen.
Schwerfällig erreichte ich die beiden und sagte: “Naja mal schauen, die Hasen sind bestimmt noch nicht fit bei der Wärme…“ „Ach ich werde denen schon Beine machen und dann kannst du besser das Zuschnappen im Lauf trainieren.“ Lachte er auf und zwinkerte Kathrin zu.
„Viel Spaß euch beiden“, hauchte Kathrin aus.
Ihr Fell sah immer noch schmutzig aus, aber der Verband um ihre Verletzung schien neu gebunden zu sein.
Robert und ich machten uns Richtung Wald auf, wo die Bäume dichter standen.
Er lief voran ins kühlere Dunkle hinein.
„Robert?“ Er blieb stehen und drehte seinen Kopf zu mir. Er sah als Wolf sehr hübsch aus und mein Herz klopfte schneller, weil ich keine negative Mimik erkennen konnte. „Ja?“, fragte er ruhig. „Ich hab so viele Fragen und –“
„Ja. Und ich hab die Antworten, doch das würde ewig dauern dir alles zu erzählen. Komm lass uns jagen.“ Er wartete auf mich und als ich neben ihm stand liefen wir gemeinsam Seite an Seite los. Das war ein sehr schönes Gefühl. Ich war zufrieden, fühlte mich bei ihm wohl und keine Frage schien mir peinlich, die ich ihm stellte.
„Gibt es noch andre Arten wie wir? Ich meine dass sich ein Mensch z. B. in einen Adler verwandeln kann. So ne Art Menschenadler oder Reh oder –“
„Nun ich weiß alles über Wölfe und Menschenwölfe Nathalie, ob es Menschen gibt die sich auch in Ameisen verwandeln, weiß ich nicht, aber ich hab in meinen Gedanken eine Vision von einem Menschenraben, der mal mit uns Wölfen Ärger hatte, nunja dass ist ein paar 100 Jährchen her…mein armes Gehirn muss sich mit der Vergangenheit plagen…“, lacht er laut auf. Ich sagte nichts, wir liefen eine zeitlang umher und wichen immer mehr Bäumen aus. Ab und zu machten wir eine Pause und Robert beobachtete mich wie ich versuchte eine Witterung aufzunehmen. „Hier ist es so schwül ich rieche zu viele Dinge.“, sagte ich.
„Ja heut ist es schwer.“, gab er zu und als wir eine Lichtung erreichten gaben wir es für heute auf. Wir legten uns ins Gras und auf einmal sagte Robert plötzlich „Du riechst jedenfalls sehr gut.“ Mir stockte der Atem, mein Herz raste als wir da gemeinsam in der Abendsonne im Rasen lagen. Ich sagte nichts und er lag einfach da und schaute mich an. Ich setzte mich hin und schaute weg, in die Ferne. Ich sah wie Gewitterwolken sich am Horizont auftürmten.
„Du sagst ja gar nichts. Du brauchst dich nicht Schämen. Dein Fell glänzt und fit bist du auch.“
So viele Komplimente war ich nicht gewohnt. Es schien mir das Herz zu zerdrücken. Seid ich klein war, fühlte ich mich immer allein und hässlich. Einsam war ich die letzten Jahre und noch nie hat jemand so was zu mir gesagt gehabt. Vor allen Dingen hatte ich nie das Gefühl gehabt, dass mich je ein Mann mögen würde. Ich konnte das nicht wahrhaben und sagte, noch weiter in die Ferne schauend: „Ach hör doch auf. Ich – ähm - ich bin nicht so toll.“, stammelte ich vor mich hin. „Doch ich finde dich toll, auch in Menschengestalt und-“
Das war zuviel für mich, ich dachte ich muss brechen. Das war so eine Lüge von ihm, dachte ich. Ich war so aufgewühlt, dass ich einfach drauf los rannte. „Warte doch…Nathalie.“, hörte ich ihn rufen. Ich lief weiter und hörte, dass er hinter mir herlief, bald hatte er mich eingeholt.
Mir standen die Tränen in den Augen. „Nath-“ Seine Worte wurden durch ein lautes Heulen aus der Ferne durchschnitten. Er und ich blieben stehen.
„Ich muss mich drum kümmern, komm bitte mit. Ja?“, schon lief er wieder in die entgegengesetzte Richtung. Aus der Richtung wo wir Kathrin gelassen hatten. Ich sah ihm nach und entschloss mich hinter ihm herzulaufen, da es eh auch mein Heimweg gewesen wäre.

-2-


Timo war es, der das Heulen verursachte. Als Robert und ich zu ihm und Kathrin stießen, sah man warum er geheult hatte. Kathrin lag bewegungslos da. Sie sah so mager aus. Noch schlimmer als je zuvor. Mager und schmutzig lag sie auf der Erde. Das Maul leicht offen, die Augen milchig und das Fell nicht weiß, sondern gräulich und voller Schmutz.
„Sie ist tot.“ Timo stand vor ihr. „Ich wollte ihr grade Wasser bringen-.“ Als er nochmals zu heulen begann, stimmte Robert mit an. Wir standen da und auch ich stimmte in das traurige heulen mit ein. Robert ging auf ihren leblosen Körper zu und leckte zärtlich mit der Zunge ein Auge zu, als Abschiedsgeste. Dann verwandelte er sich in einen Menschen, hob ihren dünnen Körper auf und sagte: „Komm wir vergraben sie bei den Birken.“

Tagelang war Kathrin in aller Munde. Wir Wölfe trafen uns oft und machte nichts außer zusammen sitzen und erzählen. Doch immer mehr kehrte der Alltag ein. Robert wollte nicht mehr jagen gehen und blieb oft ein Mensch und stürzte sich in die Arbeit. Jemand anderes nahm den Platz ein, um Florian weiter auszubilden.
Auch ich hatte viel zu tun. Die Prüfungen standen am Ende des Semesters an und ich musste lernen. Ich saß am Pc und hörte oft melancholische Musik. „Die Wolfswelt ist so faszinierend, dass hält mich am Leben. Und die Musik…man muss irgendwie weiter machen. Es sind nur wenige schöne Dinge auf der Welt da, diese reichen aber schon aus um die Welt ab und zu genießen zu dürfen.“, dachte ich versunken nach.
Eines Tages hatte ich einen Brief von Rebecca im Postkasten…anscheinend ist sie meinen Duft nachgegangen und wusste nun wo ich wohnte.
Sie wollte sich mit mir treffen…am Freitagabend. Heute war schon Donnerstag…das passte mir überhaupt nicht. So kurzfristig konnte ich mich nicht darauf vorbereiten. Da sie keine Telefonnummer oder sonst was hinterlassen hatte, ging ich einfach nicht hin. Ich hätte ja abgesagt, aber ich wollte mir nicht die Mühe machen ihre Kontaktdaten herauszufinden. Sowieso war ich nicht gewillt mit ihr zu reden. In Kontakte pflegen war ich noch nie gut.
Ich verkroch mich in meine Welt, hörte Musik, lernte und schrieb Prüfungen.
Für 2 Wochen war ich sogar meine Eltern besuchen. Als ich wieder zurück war und grade meine letzte Prüfung geschrieben hatte, lauerte Rebecca mir auf.
Ich sah sie und daraufhin verwandelte sie sich direkt in einen Wolf. Als ich mich verwandeln konnte, sprach sie mich an. Ihr Nackenfell war aufgerichtet, sie wirkte angespannt. „Das ist aber nicht nett, dass du meiner Einladungen nicht gefolgt bist.“, sagte sie in einem spitzem Ton. „Ich wollte ja absagen, aber du hast keine Nummer dagelassen…ich hab keine Zeit…lass mich.“, sagte ich genervt und wollte an ihr vorbei.
Anscheinend gefiel ihr meine Reaktion gar nicht. Sie sträubte ihr Fell und zeigte mir ihre Zähne. „Ich wollte dir nur sagen, dass du lieber die Finger von Robert lassen solltest…du kleine Rotz-…“ „Robert?“ Meine Gedanken waren aufgewühlt. Was mischte die sich da ein. Er entscheidet, wer mit zur Jagd ging oder nicht. „Er wollte nur das ich das jagen übe.“ Sie lachte laut auf: „Ja klar! Jagen! Das ich nicht lache!“
Ich verstand gar nichts. Sie fixierte mich weiter an. „Du bist so dumm!“ Das war mir zuviel. Ohne, dass ich es merkte hatte ich meine Zähne zum Vorschein gebracht. „Lass mich!“, zischte ich und erhob meine Rute. Meine Gedanken waren durcheinander. Schon sprang sie wie eine Furie auf mich los und versetzte mir einen unangenehmen Biss kurz vor meinem linken Auge. Ich stand wie angewurzelt da und begriff erst nicht was geschah. Als sie dann knurrend und zähnefletschend mir an mein Hals wollte, rammte ich ihr meine Zähne in ihre Brust. Immer wieder griffen unsere Zähne ins Fell des Gegenübers und jeder versuchte den anderen umzuwerfen. „Am besten du kommst nicht mehr zum Rudel.“, zischte sie mich an. Ich wurde sehr wütend und konnte mich mit ihr messen. Mir kam es so vor, als ob der Kampf sehr lange dauern würde. Ich hatte Glück, als sie stolperte und ich mich über sie werfen konnte. Ich stellte mich über sie und machte mich groß, sie versuchte mich mit den Hinterbeinen weg zu drücken. Ich fletschte meine Zähne direkt über ihren Augen und wollte schon an den Hals gehen, da erst blieb sie ruhig liegen und drückte ihre Rute an ihren Bauch. „Ich krieg dich noch, warte nur ab!“, schrie sie noch, als der Kampf vorüber war und ich stolz und aufgerichtet da stand.
Wieder zu Hause sah ich mir das Schlamassel an. Meine linke Gesichtshälfte blutete und auch das linke Bein sah nicht gut aus. Ich schaffte nicht mir die Wunde sauber zu lecken oder die Blutung zu stillen. Ich tropfte mir mein Bad schmutzig und beschloss mich zu verwandeln, das Blut wegzuwischen und Robert widerwillig anzurufen. Zwar wollte ich ihn nicht da mit rein ziehen bzw. ich wollte ihn gar nicht im meinem Hause haben, aber mein Wolfskörper sah schon ziemlich geschunden aus und ich machte mir Sorgen.
Er hatte mir mal vorsorglich seine Nummer gegeben…nur musste ich die erstmal suchen, denn ich hatte sie achtlos irgendwo liegen lassen.

-3-


„Hallo Robert ich bin’s…Nathalie. Ich - ähm, ich brauche Hilfe, ich hab da eine große Wunde am Wolfskörper und ich blute. Ich hab mich im Wald am Ast aufgeratscht oder so…“, log ich ihm vor. Er hörte mir am anderen Ende der Leitung zu und sagte nur: „Ok, ich bring den Wolfsarzt mit…bis dann.“
Es dauerte über 2 Stunden, bis es endlich an der Tür klingelte. Ich war aufgeregt, hatte schnell vorher die Wohnung aufgeräumt, hatte mir meine Haussachen wieder ausgezogen, mich hübsch gemacht und die Klingel angestellt.
Robert und der Arzt standen in der Wohnung. Der Arzt mit einen erste Hilfe Kasten in der Hand. „Na dann wollen wir mal schauen wo ich was wieder zurechtflicken soll.“, sagte der Arzt. Ich verwandelte mich zurück in einen Wolf und stand vor ihm da. Robert sagte nur: „Ich mach mir mal Kaffee…Ok? Willst du auch einen Patrick?“
Ich war unbeholfen, ich hatte meinen Rettern keinen Willkommenstrunk angeboten. Robert schien sich davon nicht zu verunsichern und werkelte in der Küche rum, als ob es seine eigene wäre. „Ja, dass wäre doch mal nett.“, sagte Patrick nur und begann mich zu untersuchen.
Es war ein komisches Gefühl in Wolfsgestalt mit Menschenhänden abgetastet zu werden. Innerlich bekam ich eine Gänsehaut. „Und deswegen werde ich gerufen?“, fragte Patrick nörgelnd. „Das ist doch gar nichts…schmutzig verklebtes Fell, aber die Wunde am Auge muss nicht mal genäht werden.“ „Schön.“, hauchte ich nur aus. „Dafür bin ich extra aus der Praxis raus…für bisschen Wunde säubern…na super!“, murmelte Patrick immer nervöser vor sich her. Ich war beschämt, stand nur still da, lies mir die kleine Wunde säubern und ein Pflaster drauf geben. Das Pflaster hielt in dem dichten Fell nicht richtig. Patrick lachte nur: „Das hält nicht lange und ist nicht perfekt, aber wenn ich schon mal da bin, erlaube ich mir den Spaß. Das Bluten wird auch bald aufhören, man sollte halt nicht daran soviel rum piddeln.“
Er nahm sein Kaffee und trank ihn zum Glück schnell aus. „So- auf mich warten noch härtere Fälle…Bis dann Robert und ruf mich nicht zu solchen Kinderwunden…Adios!“ Ich war froh, dass er schnell weg war, jetzt musste ich nur noch Robert loswerden.“ „Ähm, ja danke, ähm ich dachte es wäre schlimmer. Ich muss nun weiter Hausarbeiten machen, wir sehen uns dann ja?“, sagte ich zu ihm. Er nippte an seinem Kaffee und schaute mich von oben an. Ich stand immer noch in Wolfsgestalt da. Wie er da stand faszinierte mich etwas. Er sah schon irgendwie süß aus. Ich ertappte mich bei den Gedanken und blickte schnell in eine andere Richtung. Mein Herz machte einen leichten Hüpfer. „Ach Nathalie, ich habe mir Sorgen gemacht. Nächstes Mal schaue ich mir erstmal die Wunden an, bevor ich einen Arzt rufe. Weißt du, die haben wirklich viel zu tun.“ Er stellte seine Tasse hin, kniete sich zu mir runter und nahm mit beiden Händen meinen Kopf zwischen seine Handflächen. Er streichelte ihn und begutachtete das Pflaster. „Ach Nathalie, das war bestimmt kein Ast, der die Wunde verursacht hat- hmm?“ Ich sagte nichts und als er seine Menschenstirn an meine Wolfsstirn hielt, war ich wie angewurzelt. Ich spürte seine Wärme und hörte seinen flachen Atem. Ich bekam wieder Gänsehaut, mein Herz klopfte schneller und ich hatte das Gefühl, als ob mein Nacken kribbeln würde. „Ich rieche den Duft von Rebecca an dir.“, sagte er plötzlich. „Das gefällt mir gar nicht, aber das musst du mit ihr klären. Nur langsam müsste sie verstehen, dass du nicht so leicht zu knacken bis.“ Ich war steif und konnte mich nicht bewegen, ich sagte nichts, merkte nur, dass er auf einmal auch die Wolfsgestalt angenommen hatte und seinen Kopf an meinen hielt. „Ich wähle dich zu meiner Gefährtin.“, sagte er auf einmal. Mein Herz raste: „Ich-ähm-ich-ich bin nicht für so was geschaffen.“, stammelte ich die Worte heraus. „Ach, Nathalie. Glaube doch etwas mehr an dich. Hmm? Wir werden wieder mehr jagen gehen, da trainierst du auch deine Kondition. Glaube mir, alles wird gut. Du schaffst das.“
Er verwandelte sich in einen Menschen zurück: „Wir sehen und morgen.“ Ich wollte noch was sagen, doch da war er schon aus der Tür, ich hörte ihn noch rufen: „Bis morgen!“

-4-


Die Tage vergingen und der Wald verwandelte sich in eine weiße Schneelandschaft mit kahlen Bäumen und einer dicken Schneedecke auf den Boden. Die vergangenen Monate verliefen ruhig, selbst Rebecca nahm widerwillig hin, dass Robert mich zur seiner Gefährtin gewählt hatte.
Sie hatte nicht mehr versucht sich gegen mich aufzulehnen, kam aber sehr selten zu unseren Treffen. Robert und ich verbrachten viel Zeit miteinander, jagden sehr oft oder liefen aus reiner Bewegungsfreude im Wald umher. Das Wolfsleben schien uns allen gut zu tun. Ich fühlte mich nicht mehr einsam.
Wir durften in eine andere Welt tauchen und uns den Sorgen aus der Menschenwelt entziehen.
Mir machten die Ausflüge mit Robert immer mehr Spaß und ich merkte, dass ich mich immer mehr zu ihm herangezogen fühlte. Er schien in kleinen Schritten mir seine Zuneigung zu zeigen und machte mir Komplimente. Ich war oft beschämt und konnte es nicht fassen, dass sich jemand so für mich interessierte.
Die Monate flogen nur so da hin. An einem kühlen Frühlingsmorgen, wo es wunderbar nach Frühlingsblumen roh und die ersten Sonnenstrahlen uns erwärmten, lagen Robert und ich an einer Waldlichtung zusammen und genossen die frische Luft.
Wir kuschelten uns aneinander. Ich spürte seine Wärme und mir wurde es auch um mein Herz sehr warm. Ich war glücklich und dann sagte Robert auf einmal: „Ich liebe dich.“ Ich hatte mich aufgesetzt. Mein Herz brannte und ich sagte nur: „Ach was- ich bin nicht so toll.“ „Ach Nathalie, du bist schon so eine- Ich mag dich wirklich sehr.“ Er setzte sich auf und fuhr mit seiner Wolfzunge über mein Wolfsmaul. Verwirrt saß ich nur da. „Ach komm schon Nathalie. Du magst mich doch auch.“ Mein Herz brannte, ich lief auf einmal los und wusste nicht wohin. Er holte mich bald ein und warf mich zu Boden. Er stellte sich über mich. „Nathalie?“ „Ich-ich mag dich auch.“, stammelte ich auf einmal aus mir raus. „Toll!“, rief er nur aus, ließ mich liegen und rannte mit einem entspannenden Lachen davon.
Ich folgte ihm. Die Zeit verging ins Land dahin und immer mehr näherten wir uns. Seelisch tat uns das beiden gut.
Eines Tages lagen wir wieder an unserer Lieblingslichtung und Robert wurde auf einmal nervös. „Ich rieche einen Unbekannten.“, sagte er plötzlich. Unsere schöne Stimmung war dahin. Auf einmal sahen wir einen großen schwarzen Wolf am Rande der Lichtung stehen. „Nein!“, rief Robert aufgeregt. Wir standen gegenüber dem Fremden und fixierten ihn an. „Ein neuer Alfa?“, fragte ich besorgt zu Robert. Er antwortete nur „Nein. Aber ein –.“
„Guten Tag.“ Durchschnitt der fremde Wolf Robert das Wort.
„Nennt mich Brutus, den habe ich mir selbst gegeben.“ Wir fixierten uns immer noch an. Steif standen wir alle da. Robert fing leicht an zu knurren. „Ich weiß was du bist.“, knurrte Robert ihn an. „Du bist hier nicht willkommen, tut mir Leid.“, sagte er. Ich verstand gar nichts.
„Aha, hat mein Geruch mich etwa verraten? Unglaublich!?! - Du bist also der Alfa, habe schon viel von meiner Mutter Rebecca über dich gehört.“, sagte der schwarze Wolf. Seine gelben Augen starrten uns an.
„Rebecca!“, stieß Robert auf einmal laut aus. „Ihr ist es zuzutrauen, so was wie dich raus zu scheißen.“ Ich war über Roberts Worte sehr überrascht. Ich verstand die Welt nicht mehr. „Warum lässt du dich nicht erlösen? Das ist für uns alle das Beste.“ Robert war sehr angespannt und ich überlegte wie man die Situation mildern könnte. „Ich diene nur als Beispiel und muss euch beide warnen. Das liegt nicht nur im Sinne von Rebecca, sondern auch im meinem Interesse.“
Ich war verwirrt und sah wie Robert sich immer mehr aufregte. Wie konnte ich nur einen Kampf verhindern? Wenn es nicht der neue Alfa war, würde Robert doch mit Leichtigkeit diesen Wolf unterwerfen können. Was war nur los?
Mir kam das Fixieren endlos vor. Im Hintergrund sah ich die Sonne langsam untergehen. Das goldene Licht glitzerte schön in unserem Wolfshaar.
Es schien so, als ob sich der Unbekannte über unsere Begegnung freuen würde.

Impressum

Texte: Cover aus der SuchmaschieneSuchwörter "Wolfsfrau, Frau und Verwandlung"Die Idee zur Geschichte ist von mir.
Tag der Veröffentlichung: 18.01.2011

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /