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Prolog

Dass Mama sich einen neuen Lover geangelt hat – okay. Dass der neue ein türkischer Therapeut ist – auch gut! Aber dass Mama jetzt mit Metin einen auf Familie machen will geht gar nicht! Vor allem, weil der auch noch seine Kinder im Schlepptau hat: die sture Sina und Cem, der denkt, die ganze Welt dreht sich nur um ihn und seine Sprüche. Und jetzt auch noch zusammen wohnen...


*
Kapitel Eins.

Die Umzugkatons sind alle im Wagen verstaut genau so wie mein Bruder Sven, meine Mutter und ich, Marie Berger. Auf dem Weg in die Hölle. Oder eher gesagt in meine neue Familie. Würg. Ich bekam schon Kopfschmerzen, wenn ich an diesen Cem dachte! Seine Hose hängt in den Knien, die tausend Goldketten und sein ach-so-toller-Körper. Pff. Und diese Sina. Stumm wien' Fisch. Tolle Geschwister. Da war mir Sven ja noch lieber. Im Haus, in dem wir wenige Minuten später ankamen, war schon volles Leben. Metin diskutierte mit einem Möbelpacker, Sina schleppte ihre Kartons die Treppen hoch und von Cem war keine Spur. „Spääääätzelchen!“ Oh Gott. Meine Mutter rannte auf Metin zu und sprang auf ihn. Armer Metin. Peinlich berührt verließ ich das Haus um meine Kartons zu holen. Raumeinteilung war schon geplant, ich konnte froh sein, überhaupt ein Zimmer für mich alleine zu haben. Vollbepackt mit meinen Kartons stolperte ich die Treppen nach oben und stellte sie erstmal in mein Zimmer. Das Bad war links neben meinem Zimmer, vor meinem Zimmer wohnte Cem. Na toll. Ich entschied mich, im Bad einen Schrank für mich alleine zu sichern, was ich mir abschminken konnte! Cem war bereits mit seiner vollen Montur von Haargel, Rasierwasser und Zahnbürste dabei, den einzigen Schrank zu füllen. „Spinnst du?“, fuhr ich ihn an. „Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass du den Schrank alleine kriegst, oder?“ Cem räumte eines der sechs Fächer frei und murmelte. „Chill, Schwester! Das Fach hier is für dich, klar?“ Ich stemmte meine Arme in die Seite. „Willst du mich provozieren?“, fuhr ich ihn an. „Ja.“ Er grinste. „Ja?“, fragte ich erneut, diesmal zwei Oktaven höher. „Ja.“ Antwortete er und grinste immernoch so blöd. „Scheiß Türke!“, brüllte ich und knallte die Badezimmertür zu. „Blöde Deutsche“, brüllte er mir nach.
Wenn das nicht der Anfang einer wunderbaren Familie ist, weiß ich auch nicht, flüsterte ich und ließ mich auf mein Bett fallen.


Kapitel Zwei.

„Güüüüürkchen, Guten Mo-hoooorgen! Aufwacheeen!“
Ich öffnete meine Augen und blickte in das Gesicht von Metin.
Von Metin?! Was macht der denn hier? Ich schreckte hoch und haute meinen Kopf gegen seine Nase. Wo bin ich hier? Wieso die vielen Kartons? Es dauerte einen Moment, bis ich realisierte, wo ich war. Ich seufzte. Metin hielt sich die Nase, und sah nicht mehr so fröhlich aus, wie eben. Er lächelte mir noch einmal kurz zu und verließ mein Zimmer. Ich ließ mich zurück ins Bett fallen und entschied mich dazu, den ganzen Tag darin liegen zu bleiben. Doch als meine Mutter unten in der Küche anfing zu singen, gab ich auf. Ich stand auf und richtete ein wenig mein Zimmer ein. „Ey, Gürckchen!“ Cem stand mitten im Zimmer und erschrak mich fast zu Tode. „Schon mal was von Klopfen gehört? So wegen Privatsphäre oder sowas?“, motzte ich. Ich blickte fragend auf den Stapel Klamotten in seiner Hand. „Regel eins: Cem ist jetzt dein Bruder. Isch trag die Verantwortung, ey! Es gibt hier son' paar rules die du kennen solltest, jaa!? Erstens ma, wie du hier rumläufst, geht gar nicht! Zieh' dir mal was an, ey! Hier sind paar Sachen von Sina!“ Ich starrte ihn fassungslos an. Er wollte doch nicht ernsthaft, dass ich diese Sachen anziehe. Ich baute mich vor ihm auf. „Also bei mir gibt’s auch so ein paar 'rules', die du kennen solltest: 1. Du hast nischt so die Schprache drauf, wie hier mit mir geschprochen wird, ey! 2. Ich laufe rum, wie ich das will und Drittens...“ Scheiße nur, dass es kein „Drittens“ gab. Ich überlegte angestrengt, was ich noch sagen konnte aber Cem murmelte nur irgendwas und zog ärgerlich ab. Leider hatte er die Klamotten da gelassen. Ich ließ sie einfach auf meinem Bett liegen und ging runter in die Küche, was ich sofort bereuhte. Alle Mitglieder der Familie Berger und der Familie Öztürk waren anwesend. „Gürckchen, wie schön das du wach bist.“, säuselte meine Mutter. Cem verdrehte die Augen. „Gürcken, was hast du denn schönes geträumt?“, äffte er im Ton meiner Mutter nach. Meine Mutter überhörte es und schon an ihrem Blick konnte ich sehen, dass sie nun sentimental werden würde. „Hach, ich freue mich ja so, Gürkchen. Jetzt hast du endlich wieder einen Vater. Und dazu noch zwei so reizende Geschwister.“ Kurzer Seitenblick zu Cem, der gerade dabei war, sich am Po zu kratzen. Ich schüttelte diesen Anblick angeekelt ab und versuchte mich auf meine Mutter zu konzentrieren. „...erst die neue Schule! Sie wird die gefallen, mein Schatz. Und wer weiß, vielleicht ist da ja auch der ein oder andere Junge dabei! Es wird doch echt langsam Zeit, nicht war Gürkchen?“ Sie zwinkerte mir zu und ich verschluckte mich an meinem Brötchen. Sina guckte blöd, Metin lächelte und Cem kriegte sich nicht mehr ein vor Lachen. „Hahaha, ey Gürckschen, vielleischt finden wir ja nen süßen Rettich füar dich.“
„Sagst ausgerechnet du!“ Er lachte immer noch. „Wenigstens hab ich ne' Freundin.“ „Ach ja? Wie viel zahlst du ihr dafür?“ „Boaaaah, erlich ey, chill doch ma!“ Eindeutig 1:0 für mich. Metin guckte streng. „Kinder, hört auf zu streiten! Wie wäre es mit einem Spiel. In einer meiner Sitzungen waren mal zwei Geschwister, die...“ „Ne, lass mal!“, murmelte ich genervt und verließ die Küche. Hunger hatte ich jetzt auch nicht mehr! Es war erst 11:43 und ich hatte keine Ahnung, was ich heute noch machen sollte. Noch fünf Wochen Ferien, bevor die Schule beginnen würde, und alle meine Freunde waren im Urlaub. Ich ging mit dem Telefon ins Bad und setzte mich auf den Badewannenrand – es war Zeit für ein Gespräch mit meiner besten Freundin!

„Schneider, Hallo?“
ich: „Hallo hier ist die Marie. Kann ich mal die Lea haben?“

Lea: „Süße, heeey! Erzähl! Wie geht’s dir?“
ich: „Lea! Es ist schrecklich hier! SCHRECKLICH!“
Lea: „Oh, naja, aber das wird schon. Glaub mir, du gewöhntst dich dran! Ich spreche aus Erfahrung! Wie läuft es eigentlich mit diesem Tim oder Tom oder wie der heißt? Klar, du bist jetzt umgezogen, aber es wären höchstens 20 Minuten zu ihm. Und so hässlich ist der doch nicht, oder?“
Ich: „Timo! Ich weiss nicht... auf der einen Seite ist er süß aber irgendwie auch so langweilig... Da wäre ich ja noch lieber mit Cem zusammen!“

„Ach wirklich?“ Ich fuhr herum. In der Tür stand Cem. Oberkörperfrei, mit verschränkten Amen und spöttischem Lächeln. Ich wurde rot. „Lea, ich ruf... äh... später wieder an!“ Ich legte auf und schlich mich an Cem vorbei, bevor er noch sah, wie peinlich mir das war.


*
Kaptiel Drei.

Ich rief Lena nicht noch einmal an. Dafür hatte ich gar keine Zeit mehr. Meine Mutter gab dem Tag den Namen „Einräum-Aufräum-Tag“, und alle mussten sich dran halten! Das einzigst Gute war, dass ich den Schrank im Bad bekam! Dafür mussten wir natürlich wieder einen Familienrat einrufen, weil Cem der Meinung war, ein Fach für mich würde reichen. Meine Mutter hat, auch wenn sie mein letztes bisschen übergebliebenes Stück Würde durch Argumente wie: „Ach Cem! Du hast nicht das kleine Problemchen ein mal im Monat! Soll sie da erst in ihr Zimmer rennen oder wie?! Das ist ein Notfall, da muss man schnell handeln!“ oder „Sie wird ihre Materialien der Lust schon nicht im Bad aufbewahren, keine Angst!“ endgültig vernichtet hat, durch ihre peinliche Rede gewonnen! Ich hatte meinen Schrank, einen roten Kopf, und Cem hatte außer seinem angewiederten Blick nichts, außer schlechte Laune und ein Ikea Regal, dass für sein Waschzeug reichen musste. Als wir endlich fertig mit abstauben, einräumen, putzen, waschen und Sonstigem waren, war es neun Uhr abends und ich fiel kaputt in mein Bett. Gerade als ich über Sinas Klamottenstil nachdachte klingelte mein Handy. Timo! Der hatte mir gerade noch gefehlt. „Ich muss mit dir über unsere Beziehung reden!“, war meine Begrüßung auf sein „Hey, Süße!“ Es war irgendwie komisch. Auf der einen Seite liebte ich ihn, aus welchem Grund auch immer. Auf der anderen Seite war er mir egal. „Ja... ich auch. Ich muss dir was Wichtiges sagen, und ich weiß, übers Telefon ist das blöd aber Treffen ist ja im Moment schwierig.“ Ich bejahte. „Okay, du zuerst.“ Ich war gespannt, was er mir zu sagen hatte. „Marie...ich...ich hab mit ner anderen geschlafen.“ Bäääääääähm! Irgendwas zerbrach in mir. „Okay.“, flüsterte ich und legte auf. Ich brach einfach nichts heraus. Erst beim achten Anruf von ihm stieg mir die Wut hoch. „Du bist so ein Arschloch, Timo!“, und und und. Nach dem ich fertig war mit Beschimpfen schmetterte ich mein Handy gegen die Wand. Und dann ging die Tür auf. Cem. Na toll! „Na Gürckschen, Stress mit Timo?“ „RAUS!“, schrie ich. Aber er ging nicht. Nadann ging ich eben! Ich rannte in Cems Zimmer und schloss ab. Tränen liefen mir übers Gesicht und ich wischte sie schnell weg. Zwei Minuten später klopfte es. „Marie Mach auf!“ Ganz sicher nicht, du Arsch!, dachte ich. „Verpiss dich“, sagte ich. „Das is mein Zimmer“, rief er und ich wusste, dass er dabei sein dämliches Grinsen auf dem Gesicht hatte. Ich schloss auf und wollte ihm alles Mögliche an den Kopf werfen doch ich tat es nicht. Denn er guckte zum ersten Mal wirklich so, als ob es ihn interessierte wies' mir geht. „Hey, Marie, es tut mir wirklich Leid. Ich... klopfe das nächste mal an und so, und der Spruch war auch gar nicht okay von mir!“ Wow. Die ersten Sätze ohne Rechtschreibfehler. „Ist...schon in Ordnung, Cem!“ Ich lächelte. Er lächelte. Und dann furzte er.


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Kapitel Vier.

Cem, das Schwein! Süß gucken & dann sowas. Aber ich beschloss, das einfach zu vergessen, weil ich nämlich seinen Schlafsack brauchte. Timo hat mich angefleht, mit ihm zelten zu gehen, um mir alles zu erklären! Und um herauszufinden, was ich wirklich für ihn empfand, war mir ein Treffen sehr recht! Also maschierte ich am nächsten Mittag zu ihm. „Ich bräuchte mal deinen Schlafsack“ Cem lächelte. „Klar, moment. Sonst noch was?“ Er hielt den Schlafsack in seiner Hand. Ich schüttelte den Kopf. „Nö. Den Rest fürs Zelten hat Timo.“ Cem guckte mich abwertend an. „Mit DEM gehst du zelten? Nisch dein Ernst, ey. Ich hab kein Schlafsack ok?! Und jetzt raus!“ Verwirrt ging ich raus. Was war das denn jetzt? Naja, dann frag ich eben Sina! Auf dem Weg zu ihrem Zimmer klingelte mein Handy. SMS von Timo „Marie. Ich schaffs nicht heute, sorry. Vielleicht wäre es besser, wir würden uns irgendwann anders sehen. Es tut mir sehr Leid. Ich hoffe du verzeihst mir, wegen allem! Kuss. Timo“ - Was sollte das denn jetzt? Mir wurde einfach alles zu viel! Sina kam aus ihrem Zimmer. „Du hast mich gerufen?! Was ist denn?“ „NICHTS“, schrie ich sie an. „Blöde Deutsche!“, meckerte sie und zog ab. „SCHEIß TÜRKE!“, schrie ich ihr nach und heulte in mein Kissen. Ich brauchte jetzt erst mal eine warme Dusche! Als ich mich beruhigt hatte, ging ich ins Bad. Irgendjemand war im Bad und ich legte mein Ohr an die Tür, um zu hören wer drin war. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und ich fiel in Cems Arme. Natürlich war er Oberkörperfrei – wie immer. Doch irgendwas war anders als sonst. Sein Blick, wie er mich fest hielt, auf einmal wurde mir heiß. Ich schaute ihn zum ersten mal richtig an und stellte fest, wie gut er aussah. Er lächelte sein schäbiges Grinsen, doch diesmal stöhrte es mich nicht. Er beugte sich zu mir herunter um mich zu küssen. „Wehe!“, keuchte ich, doch es kam nicht gut gespielt rüber. „Boah, da hat aber jemand Schiss, dass es gut sein könnte.“ Er hat sooo Recht! „Ich habe überhaupt keinen Schiss. Ich könnte dich küssen, ohne etwas zu fühlen!“ Cem guckte mich an: Ach ja? Und ich guckte zurück: Ach ja. Cem zuckte mit den Schultern: Na dann? Und ich zuckte mit den Schultern: Na dann. Er küsste mich. Dabei hielt er krampfhaft die Augen offen, um zu sehen, ob ich etwas fühle, und ich hielt krampfhaft die Augen offen, um zu beweisen, dass ich nichts fühlte. Das ganze hielt ich vier Sekunden durch und dann gab ich auf. Auf einmal waren meine Hände an ihm. Meine Augen fest geschlossen. Mein Körper drängte sich an ihn. Seine Hände in meinem Gesicht, an meiner Taille, in meinen Haaren. Keuchen. Schweres Atmen. Liebe.


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Kapitel Fünf

Ich weis nicht, was sonst noch passiert wäre, wenn nicht der Anruf aus dem Krankenhaus kam. Timo hatte einen Unfall. Als wir im Krankenhaus ankamen, und ich ihn sah, wie er da lag, wusste ich, dass ich ihn liebte. Das was mit Cem war, musste ich vergessen. Egal, wie schön das mit ihm war. Immer und immer wieder fragte ich mich, wie das passieren konnte. Klar, Cem sah gut aus und alles aber das ich mich gleich in ihn verliebe? Ging das so schnell? Ich war ziemlich verwirrt. Doch Cem war immernoch mein Bruder und ich musste nun für Timo da sein. Denn seine Eltern waren verstorben, und Freunde hatte er nicht viele. Ich blieb über Nacht im Krankenhaus um über die letzten Tage nachzudenken. Doch er wachte bis zum nächtsen Tag nicht auf und mittags kam Mertin und holte mich ab. Ich hatte mir fest vorgenommen mit Cem zu reden. Schon an der Haustür kam er mir entgegen und blickte mich fragend an. Ich wartete bis Mertin verschwunden war. „Er ist von einem Auto überfahren worden.“ „Aber er lebt noch! Also – Ganz locker.“ Cem war wieder der alte Cem. Er kapierte nichts. Dabei steckte in seinen Augen immernoch dieses Funkeln und lächelte mich entschuldigend an. Dann strich er mir eine Strähne aus dem Gesicht und wollte mich küssen. „Cem...“ „Pass auf, wir machen jetzt was schönes zusammen. Du darfst aussuchen. Von mir aus sogar Schlittschuhfahren oder so was Peinliches.“, sagte er sanft. Gleich würde ich anfangen zu weinen. Ich musste es ihm jetzt sagen. „Das mit uns... das geht nicht. Timo braucht micht jetzt... er hat sonst niemanden!“ Cem stand da und sein Funkeln in den Augen verschwand. Er fuhr sich durch die Haare. „Alter, der Typ hat's nicht schlecht gemacht! Läuft einfach vor ein Auto und hat seine Traumfrau zurück.“ „Wie kannst du so was sagen?“ „Wie kannst DU so was sagen? Was war das denn mit uns? Hm? Was war das für dich?“ „Das war gestern...“ Cem biss sich auf seine Lippen, auf die ich ihn so gerne geküsst hätte. Er wischte sich eine Träne weg. „Ja, das stimmt. Und gestern ist vorbei.“ Er schluckte. Dann drehte er sich um und ging ins Haus.


*
Ende!?
Oder geht es noch weiter zwischen Cem & Marie?

Impressum

Texte: Copyright liegt nur bei mir!
Tag der Veröffentlichung: 28.08.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Mogli.

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