Die Suche nach den Nachtblumen.
Es war Einmal, so fangen bekanntlich alle Märchen an, und in jedem Märchen ist ein kleines Fünkchen Wahrheit.
Darum ist es ungewiss ob diese Geschichte schon geschehen ist, oder aber vielleicht gerade in diesem Augenblick ihren Anfang nimmt.
Holly, ja wer ist Holly? Sie ist ein Mädchen, grade mal 7 Jahre jung. Mit ihren Eltern lebte sie am Rand der großen Stadt. Nein, nicht in einem kleinen Häuschen, sondern in dem großen grauen Betonklotz. Oft war sie allein zuhause, wie das eben bei einem Schlüsselkind so ist. Mama und Papa mussten arbeiten. In der großen Fabrik die am Ende der Straße stand. Viele Menschen arbeiteten dort. Papa sagte oft, wenn Holly traurig war weil sie wieder alleine zu Bett gehen musste, wie froh er doch war arbeiten zu dürfen Anders als so viele arme Menschen die keine Arbeit hatten.
Sie verstand nicht warum er dann trotzdem so traurig war und so viele Sorgen hatte.
Früher, als Holly noch nicht in der Schule war, da ging es der kleinen Familie gut. Mama war zuhause, bei ihr, der Tisch war immer reichlich gedeckt. Gute Sachen gab es da Wurst, Käse, Obst, Eier. Duftendes Brot. Saft und Tee. Manchmal auch einen leckeren Braten. Aber das ist lange her, Holly konnte sich kaum mehr daran erinnern.
Von vielen Erwachsenen unbemerkt fing es an. Die Menschen mussten immer mehr arbeiten um all die Dinge bezahlen zu können die sie haben wollten oder brauchten. Auch Holly`s Mama musste arbeiten gehen denn trotz Sparsamkeit reichte es kaum für Dinge die nötig waren. Die Tage mit Wurst und Braten wurden weniger und irgendwann gab es sie gar nicht mehr.
Doch Holly`s Mama fand eine Lösung, sie pflanzte ihr Gemüse und Obst einfach in die Blumenkästen vor den Fenstern. Das sah hübsch aus und Holly brauchte nur die Hand nach den Leckereien ausstrecken .
In jedem Fenster hatte sie etwas anderes gesät, Erdbeeren, Heidelbeeren, Himbeeren, Radieschen, Möhren und Bohnen. Sogar ein kleiner Apfelbaum wuchs in einem großen Blumenkübel auf dem Balkon. Glaubt mir er trug nur wenige Früchte aber die schmeckten so köstlich. Ganz anders als die, die man kaufen konnte.
An manchen Tagen waren die Eltern so müde von der viele Arbeit, den vielen Stunden die sie in der Fabrik zubrachten. Grau und leer waren ihre Blicke bis ihre kleine Tochter sie anlächelte. Wie von Feenhand zauberte dieses Lächeln die Sonne in ihren Blick, das Leuchten zurück auf die müden Gesichter.
Holly war etwas Besonderes, wie es nur Kinder sein können. Nachts wenn alles ruhig war, da träumte Holly.
Sie träumte vom Land hinter den Wolken, von ihrem Freund Moon.
Er war auch etwas besonderes, ein träumender Monddrachen. Ein zartes Wesen und gleichzeitig so stark wie ein Fels im Meer. Mit einem Blick aus seinen tiefblauen Augen konnte er alle Sorgen und Mühen in kleine blaue Schmetterlinge verwandeln. Alle Tränen wurden zu Wunschdiamanten, die in den Blütenkelchen das Sonnenlich einfingen. Jede dunkle Stunde wurde von einem silbernen Mondstrahl erhellt. Allerdings brauchte er dazu die Kraft der Menschen die noch an Wunder glauben, Holly war so ein Mensch. Ihr Glaube war felsenfest, sie zweifelte nie an Moon und der Kraft die in ihm wohnte.
Doch eines Nachts, als sie sich zu Moon träumte musste sie erschrocken feststellen das er sehr müde wirkte. Der Drache konnte nur mit Mühe die Augenlider öffnen.
Und was noch schlimmer war, Moon weinte silberne Drachentränen, ein kleiner silberner See hatte sich schon am Boden gebildet.
Entsetzt rief Holly: „Was ist passiert? Warum weinst du? Ich habe Angst um Dich!. „
Schwerfällig erhob sich Moon : „Ich brauche Hilfe, du musst wissen, Drachen können eigentlich gar nicht weinen, nur wenn sie unendlich traurig sind. Ich habe in deine Welt gesehen, es ist alles grau, trostlos, dunkel. Und so sind auch die Menschen. Grau jagen sie einem Monster hinterher das sie nie erreichen werden, ihr nennt dieses Monster Geld oder Reichtum, aber keiner sieht das wahre Gesicht hinter der goldenen Maske. Ich kann meine Tränen nicht zurückhalten Ich kann nicht aufhören zu weinen, Die Menschen denken sie gewinnen wenn sie nur genug von dem Monster haben, sie sind blind dafür das sie alles andere verlieren oder dagegen eintauschen.
Mein starkes Drachenherz wird mit jeder Träne die ich weine schwächer. Nur die Nachtblumen können mir helfen. Es sind besondere Blumen, durch ihr sanftes Licht können sie Drachentränen trocknen und mit ihrem Duft können sie die Wärme zurück bringen in die Herzen der Menschen. Das Licht lässt sie wieder ihre Nachbarn und Kinder sehen. Der Duft zeigt ihnen wie das Monster stinkt und wie wundervoll ein Baby riecht, oder ein Tier dem es gut geht das geliebt wird. Willst du mir helfen diese Blumen zu finden? Der Weg ist weit und gefährlich, wir werden Helfer brauchen alleine können wir den Weg nicht finden!“
Moon sah Holly fragend an“ Willst du es versuchen, diesen Weg mit mir zu gehen um das Licht und den Duft der Nachtblumen zurück zubringen?“
Nur einen Wimpernschlag überlegte das Mädchen: „ Ja , einer muss gehen und ich habe ja dich an meiner Seite, was kann mir da schon geschehen, Zusammen sind wir stark, ich glaube an dich, und daran das wir Helfer finden werden, die es auch nicht zulassen das die Welt im Grau versinkt und Drachen weinend für unendliche Zeiten einschlafen.“
Bei diesen Worten kehrte ein kleiner Funken Mondlicht in die blauen Augen des Monddrachen zurück, nur ein Schimmer aber es reichte aus um auch die Hoffnung in Holly zu stärken.
„Danke, du brauchst dich nicht zu Sorgen das deine Eltern dich vermissen werden, in einem Traum gibt es keine Zeit, und was wir hier nun erleben dauert nur einen Wimpernschlag in deinem Schlaf.“ Holly sah Moon an, „woher hast du gewusst das ich mich um meine Eltern sorge?“
„Monddrachen sehen das .“ Hinter Moon flogen einige kleine blaue Schmetterlinge davon.
„Komm mit auf die Reise, zu den Meergeborenen, dort werden wir die erste Hilfe finden die wir brauchen. Sie können uns ein paar Tropfen vom Wasser der Weisheit geben. Das müssen wir auf einen Spiegel geben, dann sehen wir wo der Feuervogel lebt. Von diesem erbitten wir eine Feder die als Licht in der Nacht leuchtet. Dieses Licht zeigt uns den Weg zum Nachtengel. Er ist das einzige Wesen in Wolkenland das den Weg zum Weltenbaum kennt, dort tief unter seinen Wurzeln da wachsen die Nachtblumen, dann kommt der schwerste Teil. Die Erdgeborenen sind die Hüter der Nachtblumen. Sie müssen wir überzeugen das die Menschen die Wärme mehr brauchen als das Monster. Davor habe ich am meisten Angst, Denn wie wollen wir das beweisen?, Das Monster Geld ist so mächtig geworden in den letzten Jahren. Aber darüber können wir noch nachdenken wenn es soweit ist. Holly, bitte steig auf meinen Rücken, noch kann ich fliegen.“
Holly kletterte auf den Rücken des Drachen und langsam erhob sich Moon in den Nachthimmel. Auf silbernen Drachenschwingen flogen sie in Richtung Meer.Geborgen in einem Bett aus Schuppen verging Stunde um Stunde. Schweigend flogen sie durch die Nacht. Einmal taumelte Moon kurz, als sich der Mond hinter zarten Wolkenschleiern versteckte. Aber gleich blitzte er wieder hervor und der Schreck war vergessen.
Nur eins erinnerte das Mädchen an die gefährliche Aufgabe die vor ihnen lag. Unaufhörlich fielen die Drachentränen in die Dunkelheit unter ihnen. Sie hinterließen eine Spur aus funkelnden Punkten. Wie eine Perlenkette sah das aus.
Irgendwann bemerkte Holly den Geruch nach Wasser, ein Geruch der sich schwer beschreiben lässt, zuerst nur wie ein Hauch, aber wahrnehmbar.
Holly zupfte an den Schuppen,“Sag mal dauert es noch lange? Ich kann das Meer schon riechen? Aber ich sehe nichts. „
Moon sah sie kurz an, : Ja , du hast recht Holly, wir sind fast da, denn weißt du, das Meer kann man schon riechen bevor man es sieht, Das ist wie mit dem Erdbeerkuchen deiner Mama den kannst du doch auch riechen bevor du ihn siehst, oder?“
Holly musste grinsen, ja das ist wohl wahr und im Geiste sah sie den leckeren Erdbeerkuchen vor sich stehen.
Nach kurzer Zeit konnte sie auch das Meer in der Ferne schimmern sehen. Rasch kam es näher und Moon senkte sich immer tiefer. Voller Vertrauen klammerte sich Holly in den Drachenschuppen fest. Das war auch gut so den plötzlich tauchte Moon mit Holly in die kühlen Fluten. Und obwohl sie unter Wasser waren konnte Holly atmen, aber das ist in einem Traum normal. Immer tiefer tauchte der Drachen und eigentlich müsste es ja unter Wasser dunkel sein aber je tiefer sie kamen desto mehr wurde das zarte grüne Leuchten. Viele bunte Fische flitzen umher, als wenn sie Vögel wären, Kleine blaue Fische, große orange Fische, Seepferdchen und Muscheln. Die ganze Vielfalt der Meere breitete sich aus. Und plötzlich waren sie da, die Meergeborenen, so durchscheinend kaum zu sehen. Erschrocken versteckte sich Holly ganz tief in Moon`s Schuppenkleid.
Moon schwamm, oder flog er ? Zielsicher auf eins dieser Wesen zu.
„ Sei mir gegrüßt, Meergeborene, Ich komme um etwas zu erbitten. Die Menschen haben die Wärme des Herzens verloren, darum muss ich weinen. Nur die Nachtblumen können diese Traurigkeit heilen. Deshalb bitte ich euch um das Wasser der Weisheit“
Das Wesen kam ganz nah. „ Monddrachen, du weist das wir dir das Wasser nicht geben können, nur ein menschliches Wesen darf es berühren „
das war Hollys Stichwort. „Ich, ich bin hier, ich werde das Wasser nehmen. Ich bin hierher gekommen um mit Moon zusammen alle Gefahren zu bestehen, Bitte helft uns.“
Erstaunt sahen die Meerwesen das kleine Mädchen an das da aus den Schuppen des Drachen hervorlugte.
„ Du bist sehr mutig, hilfsbereit gehst mit Moon einen schweren, weiten Weg. Darum werden wir dir und deinem Monddrachen helfen“ Irgendwoher kam eine kleine Nixe, in ihren Händen hielt sie eine geöffnete Muschel mit einer wunderschönen Perle. Die Perle schimmerte in allen Farben des Regenbogens. „ Hier, ist das was ihr braucht, eingeschlossen in eine Perle. Monddrachen, du weist was du damit tun musst?“ Sanft lies die Nixe die Perle in die kleinen Hände von Holly gleiten. Die sah Moon fragend an „ Weist du es?“ Er nickte, : „ Ja, habt Dank für eure Hilfe und schützt die Bewohner der Meere weiter“
Plötzlich waren die Beiden von einem Schleier aus kleinen perlenden Luftbläschen umgeben. Als die Luftblasen die Sicht wieder freigaben waren die Meerwesen verschwunden, und so sehr sich Holly auch anstrengte, die zarten Meerwesen waren verschwunden.
Moon begann wieder zur Oberfläche zu schwimmen und durchschnitt das Wasser wie ein Pfeil.
Nach kurzer Zeit kamen sie an die Oberfläche und Holly wunderte sich schon gar nicht mehr sie war kein bisschen nass. Erleichtert sah sie Moon an, in seinen dichten Schuppen war auch keine Feuchtigkeit zu spüren. „ Und was jetzt? Wir haben das Wasser, aber wo sollen wir nun einen Spiegel herbekommen?“ Ratlos sah sich Holly um, weit und breit war nichts was man als Spiegel benutzen konnte.
„Aber Holly, wir haben hier einen riesigen Spiegel direkt unter uns, sicher weist du welchen ich meine, sieh genau hin. „
Sie warf einen Blick nach unter, auf das ruhige Meer, ja Moon hatte recht es lag wie ein riesiger Spiegel im Mondlicht. Kein Windhauch regte sich, ein Blick in die Augen des Drachen und Holly wusste was nun zu tun war. Sie öffnete ihre Hand, die Perle hatte sie beim Aufstieg aus den Tiefen des Meeres dicht an ihre Brust gepresst. Schimmernd lag sie nun auf ihrer Handfläche. „ Holly, gib die Perle dem Meer zurück und dann werden wir sehen was passiert“
Langsam lies Holly sie ins Wasser gleiten. Die Perle berührte den „Wasserspiegel“ leicht kräuselte dieser sich und irgendwie sahen die Wellen aus wie eine Landschaft. Ein kleiner Wellenberg baute sich auf, fiel wieder in sich zusammen, Als die Perle versank sah Holly eine kleine Insel, einen Berg, ein Tal einen kleinen See umringt von dichten Bäumen. Vom Berg herfiel ein roter Lichtschein auf den See.
Moon sah genau hin und wusste nun wo die nächste Aufgabe wartete. Er schwang sich hoch in die Nacht. Die Sterne zeigten den beiden den Weg am Himmel.
„ Das war einfach, Moon, weil wir nur das was wir bekommen haben zurückgeben mussten“
„Ja Holly, vieles ist so einfach und doch so schwer. Du warst bereit, das was dir die Bewohner des Meeres zu treuen Händen gaben ohne zu fragen zurück zugeben. Andere hätten die Perle vielleicht behalten, sie ist sehr wertvoll. Ich danke dir für die richtige Entscheidung“
Nach einer Weile die sie schweigend durch die sternklare Nacht glitten kam am Horizont die Insel aus dem Meer hervor, beleuchtet von einem rötlichen Lichtschein lag sie da.
An dem kleinen Sandstrand lies Moon Holly sanft von seinem Rücken zu Boden gleiten. Dann rief Er in die Nacht.: „Feuervogel, bitte komm zu uns, wir brauchen deine Hilfe. Die Meergeborenen haben uns mit dem Wasser der Weisheit den Weg zu dir gezeigt. Wir sind auf der langen gefährlichen Suche nach den Nachtblumen. Bitte schenke uns dein Licht in der Nacht. Nur so können wir den Nachtengel finden.“
Lange passierte gar nichts, der Feuerschein wurde immer weniger, irgendwann war er ganz weg und Holly stand mit Moon in der Finsternis. Holly sah Moon kaum noch, sein Licht war schwach, und immer noch weinte er. Verzweifelt kauerte Holly nieder und weinte. „ Hier hilft uns niemand, Moon wir sind ganz allein.“
„ Nein, sieh hoch zum Berg, wir sind nicht allein, auch wenn du keinen siehst, bemerkst du nicht den schwachen Schein, das Glühen? Er ist da, nur wir sehen ihn nicht, Nicht mit unseren Augen, sieh mit deinem Herzen.“
Holly schloss die Augen, und hörte nur auf die Stimme ihres Herzens. Mit einem Mal wurde sie in wohlige Wärme gehüllt, und als sie die Augen öffnete war er da, der Feuervogel, wunderschön, leuchtend hell. Mit ungläubigen Staunen sah sie von Moon zum Feuervogel, sah wie der Vogel sich eine feurige Feder ausrupfte und sie vor Holly in den Sand legte.
„ Ihr wisst was ihr damit tun müsst? Ich werde eure Reise im Gedanken begleiten und immer wenn du denkst das die Finsternis unendlich wird schick ich dir einen Funken vom Licht der Nacht“
Moon sah Holly an und nickte,“ Ja wir wissen das wir von deinem Leuchten auch in der Nacht begleitet werden. Dem Licht des Vertrauens. Hab Dank für deine Hilfe.“
Plötzlich regnete aus dem Nichts einen Vorhang aus Funken, und als sich der Funkenregen legte war der Feuervogel verschwunden, nur die Feder lag noch am Strand und leuchtete schwach.
Holly sah Moon an, hob die Feder hoch und holte tief Luft. Dann pustete sie so stark sie konnte, Von Atem getragen schwebte die Feder zum Himmel, und je weiter sie in die Höhe schwebte desto heller wurde das Leuchten.
Irgendwann war sie ein helles Glitzern und Funkeln, viel heller als all die vielen Sternen am Nachthimmel. .
„ Ja, Holly du hast verstanden, das es besser ist zu geben, ohne zu zerstören. Es hätte uns keinen Schritt vorangebracht wenn du versucht hättest die Feder als Licht zu behalten.“
Wieder erhob sich Moon nachdem Holly auf seinen Rücken geklettert war. Immer dem hellen Funkeln folgend, flogen sie durch die Nacht.
Sicher flog der Monddrachen durch die Nacht, er wurde mit jeder Aufgabe die gelöst war kräftiger, nur die Tränen flossen immer noch unaufhörlich aus seinen blauen Drachenaugen. Silberne Tropfen die in der Nacht verschwanden.
Irgendwann, Holly hatte jedes Zeitgefühl verloren, bemerkte sie am Horizont das sich das Leuchten und Glitzern der Feuerfeder auf etwas zu bewegte das viel heller war. Ein warmer Goldton, ein Licht das Wärme und Sicherheit ausströmte. Beim Näherkommen fiel Holly auf das sich das Licht bewegte, eine Gestalt wurde sichtbar. Durchscheinend, wunderschön.
An Moon`s Schuppen zupfend flüsterte Holly: „ Ist er das? Der Nachtengel?“ sie wagte nicht laut zu sprechen, aus Angst das Wesen könnte sich auflösen.
„Ja, Holly, das ist der Nachtengel, wir haben ihn gefunden.“
Langsam kamen sie näher, und entgegen Holly`s Befürchtung wurden die Umrisse des Nachtengels deutlicher. Und in ihrem Kopf hörte sie eine Stimme:“ Ich weiß warum ihr hier seid, ihr möchtet zu den Erdgeborenen, beim Weltenbaum. Da ihr nun schon die Meergeborenen und den Feuervogel getroffen habt und beide keine Einwände gegen euch vorbringen konnten. Ihr das Vertrauen nicht missbraucht habt will auch ich euch helfen.
Um zum Weltenbaum zu kommen musst du Holly die Drachentränen auffangen. Sie sind der Schlüssel zum Garten der Träume. Dort steht der Weltenbaum. Ihr werdet dort erwartet. Es gibt nur eine Bedingung. Du darfst nicht sprechen, nicht zweifeln, keine Angst haben. Kannst du das?“
Holly fühlte eine Welle der Unsicherheit und sie verkroch sich noch tiefer in den Schuppen die ihr bis jetzt Schutz boten. Wie ein Film lief vor ihrem inneren Auge die Reise bis hierher ab, Die Meergeborenen, der Feuervogel, sie war in den Tiefen des Meeres und in der Hitze des Feuers und doch hatte sie etwas Angst was nun kommen würde, Drachentränen auffangen, nicht sprechen, nicht Zweifeln, das waren schwere Aufgaben. Holly nahm allen Mut zusammen“ Ja, ich will es versuchen. Wir sind so weit gekommen.“
Moon hatte die ganze Zeit geschwiegen, nun ging ein Seufzen durch den Drachenkörper. Kaum zu sehen, aber Holly spürte es deutlich.
Der Nachtengel sah Holly an, „ Ich werde dir eine Schale für die Drachentränen geben. Mehr kann und darf ich dir nicht sagen.“
Plötzlich hielt Holly eine kleine Glasschale in Händen und ein Regen aus Sternschnuppen hüllte sie und Moon ein.
Nachdem die Sternschnuppen verschwunden waren sah Holly sich um, nichts erinnerte mehr an die Anwesenheit des Nachtengels. Nur die Schale zeigte ihr das sie das wirklich erlebt hatte.
Vorsichtig kroch Holly am Hals von Moon entlang und begann die Tränen die sie erreichen konnte aufzufangen.
Mit jeder Träne wurde die Schale schwerer, bis sie Holly kaum mehr halten konnte. Als sie schon dachte „Nun muss ich die Schale fallen lassen bemerkte sie das sie gar nicht mehr in der Luft waren sondern mitten in einem Wald auf einer kleinen Wiese standen.
Holly drehte sich im Kreis, die Schale in ihren Ausgestreckten Händen begann sich aufzulösen und die Drachentränen die sie so mühsam gesammelt hatte fielen einfach zu Boden.
Holly schloss die Augen“ Nein, war nun alles umsonst?“ Sie atmete tief ein“ Nicht zweifeln, keine Angst“ Das Vertrauen kehrte zurück und sie öffnete die Augen. Dort wo die Tränen auf den Boden gefallen waren wuchsen kleine weise Blüten, immer mehr wurden es wie ein Teppich breitete sich das Blütenmeer aus. Es dauerte nicht lange und ringsum wuchsen immer mehr Pflanzen, Sie bildeten eine Gasse. Zuerst zögernd und dann immer fester wurden ihre Schritte, sie bemerkte gar nicht wie Moon langsam hinter ihr herkam. Wie von selbst wusste Holly wohin sie gehen musste.
Aus den Augenwinkeln sah Holly Blumen mit seltsamen Blüten. Manche glichen Kindergesichtern manche sahen aus wie die Hände ihrer Mama. Das musste der Garten der Träume sein.
Immer tiefer lief Holly in den Garten hinein. Bis sie vor einem riesigen, uraltem Baum stand. Er war knorrig, mit ausladenden Ästen. An einigen Ästen hingen saftige grüne Blätter. Andere Äste waren übersät mit bunten Blättern. Gleich daneben ein Ast sah seltsam aus. Auf dem lag ja Schnee und zwischen den Schneeflocken spitzen kleine Knospen hervor.
Da begriff Holly das alle Jahreszeit gleichzeitig an dem Baum zu sehen waren. Frühling, Sommer, Herbst und Winter jede Zeit hatte ihren Platz.
Nirgends war jemand zu sehen nur Holly und Moon, kein Vogelgezwitscher, nichts nur Stille, und das Ächzen des Baums.
„ ich steh hier mit leeren Händen, fast am Ziel meiner Reise.“ Traurig sah sie Moon an, doch der hatte sich niedergelegt und zwinkerte ihr zu. Ratlos stand sie nun da. Plötzlich raschelte es hinter dem Baum, kleine Nebelschwaden krochen über den Boden. Neugierig umrundete Holly den Baum, folgte dem Rascheln. Das wurde immer lauter. Und je näher sie der Geräuschquelle kam desto geheimnisvoller wurde das Licht. Man konnte keine Lichtquelle sehen, alles war in eine sanftes grünes Schimmern getaucht. Als sich Hollys Augen daran gewöhnt hatten sah sie auch wo die Geräusche herkamen. Ganz dicht am Stamm des Weltenbaums kauerte eine grüne Gestalt. Ein Mann mit grünen Haaren, die wie wild vom Kopf anstanden. Und wenn man genauer hinblickte konnte man erkennen das es gar keine Haare waren sondern Gras. Kleine Gänseblümchen wuchsen zwischen den Grassträhnen. Lebhaft gestikulierend unterhielt sich der Mann mit einer Frau, die war ebenfalls grün, mit langen gelockten Grashaaren, in den Händen hielt sie eine kleine Blüte, die am verwelken war.
Vor lauter Staunen hatte Holly nicht auf ihren Weg geachtet und stolperte plötzlich über eine Wurzel. Sie fiel den seltsamen Wesen direkt vor die Füße.
Erschrocken sahen sich Holly und das grüne Pärchen an. Minuten lang herrschte Stille. Wie erstarrt blieb das Mädchen liegen, traute sich nicht hoch zusehen. Auf einmal hörte sie ein leises Raunen. Flüsternde Stimmen.
Erleichtert sah sie hoch. „ Wer seid ihr?,Könnt ihr mir helfen, mein Drache braucht die Nachtblume, das Licht und den Duft, nur dann kann er aufhören zu weinen „
Hinter ihr sagte Moon „ das sind die Erdgeborenen, und sie lächeln, das ist gut.“
Ein Stein fiel Holly vom Herzen. Endlich waren sie fast am Ziel, auf dem Boden hockend überlegte Holly was nun zu tun sei, doch ihre Gedanken wurden unterbrochen als die Frau anfing zu sprechen.
Hallo Holly, hallo Moon, wir haben schon auf euch gewartet. Wir sind beeindruckt, du hast alle Aufgaben gemeistert, nur leider kommst du zu spät, Siehst du die Blüte, das ist die Nachtblume. Leider ist sie schon verwelkt. Gern hätte ich sie dir gegeben, aber so nützt sie euch nichts.“
Holly wurde kreidebleich, alles umsonst. Sie sah sich nach Moon um, er lag da, müde von der langen Reise. Und immer noch liefen die Tränen an seinem Gesicht nach unten.
Nein, so konnte es doch nicht enden, Nicht heute nicht Moon, Mutig stand Holly auf, sah die Erdgeborenen fest an, kein Zweifel trübte ihren Blick.
„ Bitte, gebt mir die Blüte trotzdem, ich wegen ihr soweit gereist, habe das Meer mit Moon durchschwommen und hatte keine Angst vor dem Feuer, Auch die Nacht habe ich mit Moon zusammen durchquert. Nun werde ich das was ich tun kann auch hier tun. Bitte gebt mir die Blume.“
Zögernd streckte Holly ihre Hand aus. Kurz sahen sich die Erdgeborenen an. Holly bemerkte nichts von dem stillen Einverständnis. Sah nicht das kleine Nicken von Moon hinter ihrem Rücken.
So wollen wir dir das geben was du suchst, wenn es dir hilft, auch eine verwelkte Blume. Wortlos lies die Frau die Blütenblätter in Hollys Hand fallen.
Traurig sah Holly auf die Reste der Blume, langsam kullerten Tränen über ihr Gesicht, und fielen auf die Blütenblätter. Doch dann, traute Holly ihren Augen gar nicht, aus jedem Blatt wuchs eine neue Blume, direkt in ihrer Handfläche. Ganz langsam, Mit großen Augen verfolgte Holly dieses Wunder.
Fragend sah sie die Erdgeborenen an,“ Was ist nun passiert? Warum wächst die Blume neu?“
„ Ja, das warst du. Wir haben lange überlegt, warum sollten wir die Wärme zurück auf die Welt lassen, Warum brauchst du das Licht und den Duft der Nachtblume, wir sind überein gekommen das du sie einmal sehen sollst bevor die diese Welt verlassen musst. Du bist so weit gereist. Das soll nicht umsonst gewesen sein. „
Holly sah staunend auf die nun voll erblühten Pflanzen. Fünf Stück hatte sie. Nur kurz musste sie überlegen, dann gab sie Moon eine davon und den Rest legte sie vor den Erdgeborenen auf den Waldboden.
„Ich danke euch, aber für meinen Drachen brauche ich nur eine Blüte, Ich werde keine mit zurück nehmen denn hier sollen sie wachsen und gedeihen. Hier wo sie hingehören.“
Mit diesen Worten reichte sie Moon ihre Nachtblüte. Sachte nahm Moon das kostbare Geschenk entgegen und als er sie berührte zerfiel die Blume zu Staub. Moon sah Holly dankbar an, die Tränen trockneten bereits.
„Holly, du hast auch jetzt die richtige Entscheidung getroffen, nicht an dich gedacht, dich nicht bereichert an dem was dir gegeben wurde. „
Du hast die Erdgeborenen überzeugt durch dein Handeln. Niemand sonst hätte das gekonnt.
Holly sah von Einem zum Anderen, ungläubig, „Ich hab doch gar nichts getan, nur zurückgegeben was ich nicht brauche,“
Mit einem Mal wurde es Holly so richtig bewusst, Ja sie waren am Ziel, Moon weinte nicht mehr, sie konnte wieder nach hause, zu ihren Eltern, zu den Gemüsepflanzen in den Balkonkästen, Sie hatte zusammen mit vielen Helfern erreicht das die Tränen von Moon versiegt waren. Nun merkte sie erst wie müde sie war. Bevor sie zurück flogen nur ein bisschen Ausruhen, das waren die letzten Gedanken dann schlief Holly ein.
„Aufwachen, du Schlafmütze, die Sonne scheint, du musst zur Schule“ Sacht wurde Holly an der Schulter gerüttelt.
Mit einem Sprung war sie aus dem Bett,“ Wo bin ich, wo sind die Erdgeborenen, die Meergeborenen, wo ist Moon?“
Sie sah sich um, nichts erinnerte an den Traum, sie war in ihrem Zimmer, Mama hatte das Fenster geöffnet, die Sonne schien, und vor dem Fenster tanzten viele Schmetterlinge.
Und was doch etwas seltsam war, alle Pflanzen blühten, ob es die Erdbeeren, oder die Bohnen waren, alle hatten kleine sternförmige Blüten, und in jeder Blüte glitzerte ein Tautropfen, wie ein kleiner Diamant.
Hier ist nun Hollys Suche zu Ende, sie hat nichts mitgebracht, oder doch??
Texte: Angela Lukas
Bildmaterialien: Angela Lukas
Tag der Veröffentlichung: 11.04.2013
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